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32 © Carl Hanser Verlag, München Kunststoffe 11/2009 THOMAS WALTHER ROLF-UWE MÜLLER D er Prozess Spritzprägen bedeutet immer eine Änderung des Kavi- tätsvolumens während der Form- gebungsphase. Maschinenseitig erfolgt dabei eine gleichzeitige Bewegung von Spritzeinheit und Werkzeug bzw. Werk- zeugkomponenten. Die Form muss daher so ausgeführt werden, dass die Kavität auch bei nicht komplett geschlossenem Werkzeug abgedichtet ist. Das Kavitätsvolumen wird während und/oder nach der Einspritz- bzw. Nach- druckphase geändert. In der Regel ist da- bei das Werkzeug zu Beginn des Ein- spritzprozesses noch nicht komplett ge- schlossen. Erst wenn die Schmelze in die Kavität eingebracht ist, werden die Form- hälften vollständig zusammengefahren. So muss zum Füllen der Kavität weniger Druck aufgebracht werden, wodurch sich das Druckgefälle bereits in der Füllpha- se reduziert. Beim Schließen wird dann auf die komplette Kavitätsfläche des schwindenden Bauteils ein gleichmäßi- ger Druck ausgeübt, damit innerhalb der Kavität idealerweise ein konstantes Druckniveau herrscht (Bild 1). Durch den geringen erforderlichen Fülldruck lassen sich auch größere Fließweg-Wanddi- cken-Verhältnisse realisieren, sodass ge- gebenenfalls Lunker und Einfallstellen vermieden sowie Schwindung und Ver- zugseffekte verringert werden. Als weite- re Vorteile kann ein Reduzieren von in- neren Spannungen im Bauteil sowie die Minimierung von Doppelbrechungsef- fekten erzielt werden. Optische Teile (2). Das Spritzprägen wird bei der Herstellung opti- scher Bauteile aus un- terschiedlichen Motiven eingesetzt: komplexe Anforderungen an die Teile selbst, hochwertige Serienproduktion, hohe Ausbringung und damit letztendlich Wirtschaftlichkeit des Verfahrens. Um diese Anforderungen zielgerichtet zu erfüllen, sind verschiedene Verfahrensvarianten vorhanden. Die richtige Maschinen- und Werkzeugtechnik sorgt für einen rei- bungslosen Ablauf. ARTIKEL ALS PDF unter www.kunststoffe.de Dokumenten-Nummer KU110248 Das Spritzprägen hilft, innere Span- nungen in optischen Bauteilen zu reduzieren; diese Bauteilspannun- gen lassen sich mit Polarisations- folien oder 3D-Brillen direkt an der Spritzgießmaschine prüfen (Fotos/Grafiken: Arburg) Grenzenlos prägen p p 1 > p 2 p 1 p 2 Nachdruck p p 1 = p 2 p 1 p 2 Nachdruck Prägedruck Bild 1. Typisch für das Spritzgießen: Innendruckdifferenz im Bauteil zwischen Anguss und Fließwegende (links); Vorteil beim Spritzprägen: Mit der Schließeinheit wirkt überall der gleiche Druck, so lange ein Prägespalt vorhanden ist (rechts) © Kunststoffe SPRITZGIESSEN

Grenzenlos prägen - ARBURG · lend, simultan, mit Hauptachse und/oder Nebenachse sowie kombiniert kraftgeregelt und geschwindigkeitsgeregelt Bild 7. Ein Anwendungsbeispiel für das

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32 © Carl Hanser Verlag, München Kunststoffe 11/2009

THOMAS WALTHER

ROLF-UWE MÜLLER

Der Prozess Spritzprägen bedeutetimmer eine Änderung des Kavi-tätsvolumens während der Form-

gebungsphase. Maschinenseitig erfolgtdabei eine gleichzeitige Bewegung vonSpritzeinheit und Werkzeug bzw. Werk-zeugkomponenten. Die Form muss daherso ausgeführt werden, dass die Kavitätauch bei nicht komplett geschlossenemWerkzeug abgedichtet ist.

Das Kavitätsvolumen wird währendund/oder nach der Einspritz- bzw. Nach-druckphase geändert. In der Regel ist da-bei das Werkzeug zu Beginn des Ein-spritzprozesses noch nicht komplett ge-schlossen. Erst wenn die Schmelze in dieKavität eingebracht ist, werden die Form-hälften vollständig zusammengefahren.So muss zum Füllen der Kavität wenigerDruck aufgebracht werden, wodurch sichdas Druckgefälle bereits in der Füllpha-

se reduziert. Beim Schließen wird dannauf die komplette Kavitätsfläche desschwindenden Bauteils ein gleichmäßi-ger Druck ausgeübt, damit innerhalb derKavität idealerweise ein konstantesDruckniveau herrscht (Bild 1). Durch dengeringen erforderlichen Fülldruck lassensich auch größere Fließweg-Wanddi-

cken-Verhältnisse realisieren, sodass ge-gebenenfalls Lunker und Einfallstellenvermieden sowie Schwindung und Ver-zugseffekte verringert werden. Als weite-re Vorteile kann ein Reduzieren von in-neren Spannungen im Bauteil sowie dieMinimierung von Doppelbrechungsef-fekten erzielt werden.

Optische Teile (2). Das

Spritzprägen wird bei

der Herstellung opti-

scher Bauteile aus un-

terschiedlichen Motiven

eingesetzt: komplexe

Anforderungen an die

Teile selbst, hochwertige

Serienproduktion, hohe

Ausbringung und damit letztendlich Wirtschaftlichkeit des Verfahrens. Um diese

Anforderungen zielgerichtet zu erfüllen, sind verschiedene Verfahrensvarianten

vorhanden. Die richtige Maschinen- und Werkzeugtechnik sorgt für einen rei-

bungslosen Ablauf.

ARTIKEL ALS PDF unter www.kunststoffe.deDokumenten-Nummer KU110248

Das Spritzprägen hilft, innere Span-nungen in optischen Bauteilen zu reduzieren; diese Bauteilspannun-gen lassen sich mit Polarisations-folien oder 3D-Brillen direkt an derSpritzgießmaschine prüfen (Fotos/Grafiken: Arburg)

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Bild 1. Typisch für das Spritzgießen: Innendruckdifferenz im Bauteil zwischen Anguss undFließwegende (links); Vorteil beim Spritzprägen: Mit der Schließeinheit wirkt überall der gleicheDruck, so lange ein Prägespalt vorhanden ist (rechts)

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SPR I T ZG I E S S EN

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Der grundlegende Unterschied zwi-schen der Nachdruckwirkung über denAnguss beim Spritzgießen und der flächi-gen Druckwirkung auf das Bauteil beimSpritzprägen ist praktisch auf viele unter-schiedliche Arten und Methoden reali-sierbar. Demzufolge gibt es zahlreiche Va-rianten des Prägeverfahrens, deren An-zahl durch eine kontinuierliche Weiter-entwicklung der Maschinensteuerungenfortwährend zunimmt.

Haupt- und Nebenachsen

Bezugnehmend auf die Bewegungsach-sen von Spritzgießmaschinen wird in derWerkzeugtechnik zwischen dem soge-nannten Haupt- und Nebenachsen-prägen unterschieden. Als Hauptachseneiner Spritzgießmaschine werden dasEinspritzen, das Dosieren sowie das Öff-nen und Schließen des Werkzeugs be-zeichnet. Zu den Nebenachsen zählen dasAuswerfen, das Düsefahren sowie dieKernzüge.

Beim Hauptachsenprägen beeinflusstdie Bewegung der Schließeinheit das Ka-

vitätsvolumen (Bild 2). Die Kavität kannzum einen über eine Tauchkante abge-dichtet werden. Dabei taucht der jeweili-ge Kern in die Matrize ein und dichtet sodie Kavität nach außen ab. Alternativ da-zu gibt es die Möglichkeit,die Abdichtungüber einen axial beweglichen Kavitäten-

ring oder Prägerahmen zu realisieren. Beinoch nicht vollständig geschlossenemWerkzeug liegt dieser bereits an derTrennebene an und dichtet die Kavitätnach außen ab. Das Andrücken des Ka-vitätenrings kann über Federn oder hyd-raulisch erfolgen. Für den Prägevorgangist der Ring axial beweglich. Das Verfah-ren ist besonders für flächige Bauteile mitgleichmäßiger Wanddicke geeignet. Hin-terschnitte oder Durchbrüche quer zurPrägerichtung sind problematisch. Auch

Teilflächen können mit der Hauptachsegeprägt werden. Dabei kommen Werk-zeugkonzepte mit Kavitätenringen zumEinsatz. Die Auftreibkräfte werden beidieser Konstruktion von dem hydraulischbeziehungsweise mit Federkraft abge-stützten Rahmen aufgenommen. Die ma-

Tauchkante

Hauptachse

Kavitätenring

Hauptachse

bewegter Stempel

Nebenachse

Bild 2. Das Spritz-prägen kann mitverschiedenenWerkzeugkonzeptenumgesetzt werden

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Weg der beweglichen Werkzeugplatte

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Bild 3. Vollhydraulische Schließeinheiten ermöglichen Prägewege, die maximal dem Verfahrwegder Schließeinheit entsprechen, in jeder Wegposition bei einer wirkenden Gegenkraft steht diemaximale Prägekraft zur Verfügung

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ximal möglichen Abstützkräfte, die aufden Kavitätenring wirken, sind im Ver-gleich zur Zuhaltekraft deutlich geringer.Das Prozessfenster ist daher beim Prägenvon Teilflächen über die Hauptachse sehreingeschränkt.

Vollständig geschlossen ist das Werk-zeug während des Nebenachsenprägens(ebenfalls Bild 2). Das Kavitätsvolumenwird hier über bewegliche Bereiche(Stempel) innerhalb der Kavität verän-dert. Kernfunktionen steuern hydraulischdie Stempel an. Die Nutzung der Auswer-fermechanik der Spritzgießmaschine fürden Prägeprozess ist ebenfalls möglich.Das Nebenachsenprägen eignet sich be-sonders für Teilflächen, da die auftreten-den Auftreibkräfte, die in den nichtge-prägten Bereichen wirken, von der Ma-

schinenzuhaltekraft aufgenommen wer-den.

Prägen über die Schließeinheit hat ver-glichen zu Prägestempeln im Werkzeugden Vorteil wesentlich höherer Kraft-reserven. Zudem ergibt sich durch dieMesssysteme der Schließeinheit eine hö-

here Prozesskontrolle als mithilfe vonKernzugfunktionen. Dabei ist die erziel-bare Qualität in Bezug auf die Reprodu-zierbarkeit des Prozesses maßgeblich vonder Reproduzierbarkeit der Achsbewe-gungen abhängig.

Bauarten der Schließeinheit

Die verschiedenen Bauarten der Schließ-einheiten haben unterschiedliche Vorteilehinsichtlich des Prägeprozesses. Vollhyd-raulische Schließeinheiten ermöglichenPrägewege, die maximal dem Verfahrwegder Schließeinheit entsprechen. Sie kön-nen in jeder Wegposition bei einer wirken-den Gegenkraft die maximale Prägekraftzur Verfügung stellen,die in der Regel auch

der maximalen Zuhaltekraft entspricht(Bild 3). Zudem sind diese Schließeinheitenmit Längenmesssystemen ausgerüstet, dieüblicherweise eine Messauflösung von0,1 mm aufweisen und somit eine Präge-positionsgenauigkeit im Zehntel-Millime-ter-Bereich garantieren.

Prägeachse

Hauptachse

Nebenachse

Kombination Haupt- und Nebenachse

Prägerichtung

Schließprägen

Öffnungsprägen

Kombination Öffnungs- und Schließprägen

Zeitlicher Verlaufsequenziell

simultan

Tabelle. In der Über-sicht sind die Verfah-rensvarianten beimSpritzprägen darge-stellt

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Weg der beweglichen Werkzeugplatte

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Bild 4. Aufgrund der Kinematik des Kniehebels ist der Aufbau der Prägekraft bei elektrischenSchließeinheiten erst gegen Ende des Schließwegs möglich

Bild 5. Ein Anwendungsbeispiel für das sequenzielle Schließprägen mit der Hauptachse (Ablauf oben) ist die Herstellung dickwandiger Brillenglasroh-linge; beim simultanen schneckenwegabhängigen Schließprägen mit der Hauptachse (Ablauf unten) findet der Prägeprozess gleichzeitig zum Formfüll-vorgang statt, wobei der Prozess selbst durch das Erreichen einer programmierten Schneckenposition gestartet wird

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Bei den nach dem Kniehebelprinzipaufgebauten elektrischen Schließeinhei-ten sind Schließkraft und Bewegungsge-schwindigkeit bedingt durch die Knie-hebelkinematik immer vom Öffnungs-hub abhängig (Bild 4). Die volle Schließ-kraft wird erst bei verriegeltem Kniehebelerreicht. Hohe Prägekräfte können so-

mit nur bei kurzen Prägewegen realisiertwerden.

Teilweise müssen elektrisch angetrie-bene Maschinen mit größer dimensio-nierten Antriebsmotoren ausgestattetwerden, um adäquate Prägekräfte zu er-reichen.Realisierbare Prägewege bewegensich bei elektrisch angetriebenen Schließ-einheiten typischerweise im Bereich von1 mm. Reaktionsschnelligkeit und Präge-geschwindigkeit sind jedoch vergleichs-weise hoch, da die bei der Hydraulik auf-

tretenden Druckaufbauzeiten hier kom-plett entfallen. Auch werden Positionier-genauigkeiten im Bereich von deutlichunter einem Hundertstel Millimeter er-reicht. Die Reproduzierbarkeit ist durchdie lagegeregelten Antriebssysteme eben-falls deutlich höher als bei vollhydrauli-schen Konzepten.

Hydraulische Schließeinheiten kom-men hauptsächlich bei größeren Prägewe-gen zwischen 1 und 10 mm zum Einsatz.Bei diesen Anwendungen ist im Allgemei-nen die erreichbare Genauigkeit für dasPositionieren ausreichend.Bei Anwendun-gen mit Prägewegen im Bereich von 1 mmsind elektrisch angetriebene Kniehebelsys-teme betreffend Reaktionszeit, Geschwin-digkeit,Positionsgenauigkeit und Wieder-holgenauigkeit jedoch unschlagbar.Für dieHerstellung optischer Bauteile schließensich die Antriebssysteme allerdings nichtgegenseitig aus, sondern ergänzen sich jenach Anwendung.

Verfahrensvarianten imSpritzprägen

Die grundlegenden Randbedingungenfür das Spritzprägen werden durch dieWerkzeugkonzepte und die Maschinen-technik bestimmt, wobei sich die zahlrei-chen Varianten des Prozesses durch dieMöglichkeiten der Antriebstechnik undder Maschinensteuerung ergeben. DieVerfahrensvarianten sind generell durchdrei Freiheitsgrade gekennzeichnet: Art

der Prägeachse, Prägerichtung und zeit-licher Verlauf (Tabelle).

Das erste Differenzierungsmerkmal istdie eingesetzte Werkzeugtechnik, die diemaschinenseitig erforderlichen Prägeach-sen bestimmt. Neben der klaren Unter-scheidung zwischen Haupt- und Neben-achsenprägen ist auch ein kombiniertes

Verfahren denkbar, wenn sich das Werk-zeugkonzept realisieren lässt. Der zweiteFreiheitsgrad ist die Prägerichtung. Ab-hängig davon, ob das Kavitätsvolumenwährend des Prozesses vergrößert oderverkleinert wird, kann von Öffnungs-oder Schließprägen gesprochen werden.Der zeitliche Verlauf steht in Relation zumFüllen der Kavität, das heißt relativ zurSchneckenbewegung.

Beim sequenziellen Verlauf erfolgendas Anfahren der Prägeposition, das Ein-bringen der Schmelze in die Kavität undder Prägevorgang sequenziell nacheinan-der (Bild 5 oben). Im Gegensatz dazu ge-hen beim simultanen Prägen diese Ver-fahrensschritte ineinander über (Bild 5 un-ten). Das simultane Prägen hat bezüglichder Formfüllung den entscheidendenVorteil, dass die Schmelzefront nichtzum Stillstand kommt und somit die Ge-fahr von Fließmarkierungen reduziertwird.

Abhängig von Werkzeug, Bauteil, Pro-zess und vorhandener Sensorik kann dieStartbedingung zum Einleiten des Präge-vorgangs individuell gewählt werden.Fol-gende Startbedingungen stehen in einer

Bild 6. Die Selogica-Maschi-nensteuerung ermöglicht diefreie und individuelle Program-mierung des benötigten Präge-ablaufs: mehrstufig, wiederho-lend, simultan, mit Hauptachseund/oder Nebenachse sowiekombiniert kraftgeregelt undgeschwindigkeitsgeregelt

Bild 7. Ein Anwendungsbeispielfür das fliegende Einspritzen ist

das Herstellen von CDs

Glas wird in der Optik zunehmend durchKunststoff substituiert. Die Funktionsteileentsprechen jedoch mit ihren unterschiedli-chen Wanddicken nicht den kunststoffspezi-fischen Gestaltungsrichtlinien. Neben Kennt-nissen in Verfahrenstechnik und Werkzeug-bau ist für die Fertigung das Wissen in Optikund Messtechnik maßgeblich. Der erste Teildieser Artikelserie, „Optische Teile (1): Fürden richtigen Durchblick“, erschien in derKunststoffe 10/2009 auf S. 72–76.

Artikelseriei

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modernen Maschinensteuerung zur Ver-fügung:� verzögerungszeitabhängig,� schneckenpositionsabhängig,� spritzdruckabhängig,� werkzeuginnendruckabhängig,� werkzeugwandtemperaturabhängig

und � abhängig von einem beliebigen exter-

nen Signal.

Universelles Prägen

Die Selogica-Maschinensteuerung derArburg GmbH + Co KG, Loßburg, er-möglicht dem Anwender, den benötigtenPrägeablauf frei und individuell zu pro-grammieren (Bild 6). Haupt- und Neben-achsen lassen sich dabei in einem Ablaufeinsetzen. Universell wird das Prägen je-doch erst durch die zusätzliche Kombina-tion mit der kraft- und geschwindigkeits-geregelten Programmierung. Dadurchwerden die heute bekannten und reali-sierten Spezialfälle dem Anwender in ei-ner übersichtlichen, logischen und damiteinfach zu konfigurierenden Ablaufsteue-rung zugänglich, ohne immer wieder ein-zelne Spezialverfahren zu benötigen.

Ein Beispiel für eine Prägeanwendungist die Herstellung spannungsarmer,formgetreuer dickwandiger Brillenglas-rohlinge für die ophthalmische Industrie,bei der sequenziell über die Hauptachsegeprägt wird. Zum Einsatz kommt einWerkzeug mit Prägerahmen. Dieses wirdbis auf einen definierten Spalt geschlos-sen.Die Schnecke bringt die Schmelze mitniedrigem Druck ein und fährt dabei indie vordere Endlage. Mit dem Schließendes Werkzeugs (Prägen) verteilt sich dieSchmelze in der Kavität. Die verwendeteForm ist mit schnell wechselbaren Werk-zeugformeinsätzen ausgestattet. DurchVariieren des Prägespalts lässt sich dieDicke der Linse einstellen. Bezüglich derAntriebstechnik sind bei diesem Verfah-ren keine zeitgleichen Bewegungen vonSchließeinheit und Schnecke notwendig.

Fliegend einspritzen und aktiv atmen

Das sogenannte fliegende Einspritzen alsSonderverfahren erfordert nicht zwingendein Prägewerkzeug.In seinen Grundzügenist das Verfahren ein simultanes schne-ckenwegabhängiges Schließprägen mit derHauptachse. Das Werkzeug schließt sichund abhängig vom Weg wird nochwährend des Schließvorgangs die Schne-ckenbewegung, also der Einspritzprozess,gestartet. Eingesetzt werden kann das Ver-

fahren bei symmetrischen, zentral ange-spritzten flachen Bauteilen (Bild 7). DerSpritzdruckbedarf in der Einlaufphasewird reduziert und die Schmelzeverteilungdurch den Formschließvorgang unter-stützt. Das Verfahren findet bei dünnwan-digen Bauteilen mit hohen Fließweg-Wanddicken-Verhältnissen Anwendung,um die Formfüllung und die Teilequalitätzu beeinflussen. Zudem kann es bei kon-ventionellen, schnelllaufenden Prozessendie Zykluszeit weiter reduzieren, da dieFreigabe zum Einspritzen noch bei geöff-netem Werkzeug erfolgt. Die Maschinemuss in beiden Fällen so ausgerüstet sein,dass sich Schließ- und Spritzeinheit zeit-gleich bewegen können.

Ein weiteres Sonderverfahren ist dassogenannte aktive Werkzeugatmen, dasbei konventionellen Spritzgießwerkzeu-gen mit flacher Bauteilgeometrie ange-wendet wird. In den Grundzügen handeltes sich um ein simultanes Öffnungs-/Schließprägen mit der Hauptachse.

Während der Formfüllphase wird derZuhaltedruck der Schließeinheit über einmehrstufig programmierbares Zuhalte-profil kontrolliert reduziert (Bild 8). DemWerkzeug wird dadurch ein kontrollier-tes Atmen im Bereich von wenigen Hun-dertstel Millimetern ermöglicht.Das Bau-teil hat keine Überspritzungen, da dieRandschicht der Spritzteile bereits ab-kühlt ist. In der Nachdruckphase wird dieZuhaltekraft wieder erhöht. Ergebnis istein minimaler Prägehub, bei dem derDruck flächig auf das Bauteil wirkt. Da-durch kann speziell bei transparenten, fla-chen Bauteilen die Doppelbrechung re-duziert und die Ebenheit der Bauteile er-höht werden. Die inneren Spannungenwerden ebenfalls minimiert, was sich beider späteren galvanischen Beschichtungder Bauteile positiv auswirkt (Titelbild).

Fazit

Für das Spritzprägen sollten generell nurSpritzgießmaschinen mit hoher Positio-niergenauigkeit und sehr guter Reprodu-zierbarkeit zum Einsatz kommen. DieAuswahl der Prägetechnik erfolgt in An-lehnung an Konzeptionierung und Aus-legung des Werkzeugs. Dabei können jenach Applikation sowohl hydraulische alsauch elektrische Maschinen eingesetztwerden. Die Selogica-Steuerung aller Ar-burg-Spritzgießmaschinen ist heute be-reits für herausfordernde Prägewerkzeug-konzepte konzipiert und ermöglicht da-mit ein „universelles“ Prägen. Mit ihrerAblaufsteuerung lassen sich Prägeabläu-fe einfach, übersichtlich und logisch pro-grammieren.�

DIE AUTOREN

DR.-ING. THOMAS WALTHER, geb. 1969, ist Ab-teilungsleiter der Anwendungstechnik bei ArburgGmbH + Co KG, Loßburg.

DIPL.-ING. (FH) ROLF-UWE MÜLLER, geb. 1961, istbei Arburg in der anwendungstechnischen Beratungmit Schwerpunkt Optik tätig.

SUMMARY

LIMITLESS COININGOPTICAL PARTS (2). There are a number of reasons forproducing optical components by injection coining: com-plex requirements on the parts themselves, high-gradevolume production, high output and, in essence, theprofitability of the process. Various process versions areavailable to predictably fulfill such requirements. Thecorrect machine and mold technology will ensure trou-ble-free operation.

Read the complete article in in our magazine Kunststoffe international and on www.kunststoffe-international.com

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Bild 8. Ein möglicherProzessverlauf beimaktiven Atmen: a) Einspritzdruck, b) Schneckenweg, c) Werkzeugweg undd) Zuhaltekraft

© Kunststoffe

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