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Das Themenmagazin der bayerischen Grünen
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1
6Das Magazin der bayerischen Grünen
BILDUNGWie wir auf den Trichter kommen.
3
bildung in zahlen und mehr 4
anders lernen 6Die Bildungspolitik heute entscheidet wie wir morgen leben
bock auf schule 12Eine Schule am Rande unseres Bildungssystems
lehren braucht charisma 16Interview mit Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth
grosser sprung? 20Welche Strategie ist besser?
inhalt
länger gemeinsam lernen ... 22Interview mit Christa Goetsch
was hast du heute gelernt? 23
auf wiedersehen? 24
auf den deckel 26
impressum 27
EDITORIAL
An dieser Stelle breit auszuführen, wie wichtig Bildung für ein-
zelne, aber auch für die gesamte Gesellschaft ist, wäre fast schon
überflüssig. Die Stichworte Mündigkeit, Fachkräftemangel, Wis-
sensgesellschaft und Teilhabe reichen eigentlich aus, um die gro-
ße Bedeutung des Themas zu unterstreichen. Wenn dagegen die
Frage gestellt wird, wie wir Bildung organisieren, wie die Vermitt-
lung von Wissen und die Entwicklung von Fähigkeiten am besten
gefördert wird, bleibt der Konsens ganz schnell auf der Strecke.
Nimmt man die internationalen PISA-Vergleichstests als Maß-
stab, schneiden sowohl das für gnadenlose Paukerei bekannte Südkorea als auch das
kuschelpädogikverdächtige Finnland sehr gut ab. Allerdings stellt sich schon die Frage,
wieso man Kinder und Jugendliche erst einmal an den Rand des Zusammenbruchs brin-
gen soll, wenn es anders genauso gut klappt.
Wer seine Erfolge durch Fleiß und Disziplin erzielt hat, verfügt über ein anderes Weltbild
als derjenige, der durch Motivation und Eigenantrieb zum Ziel kommt. Letzterer wird im
späteren Leben aber auch mal kritisch nachfragen, weil das eben dazugehört. Aber das ist
eine Fähigkeit, die nicht von allen gerne gesehen wird.
Die Bayerische Staatsregierung zum Beispiel hält sich ja zugute, dass der Erfolg der baye-
rischen Schülerinnen und Schüler vor allem ihrer weitsichtigen Bildungspolitik geschul-
det ist. Das Ranking wird gerne als schlagendes Argument gegen jeden Wunsch nach
Reform ins Feld geführt. Auch wir freuen uns, wenn die Kinder in Bayern gut abschnei-
den. Aber erstens dürfen wir nicht vergessen, dass zu viele durch das Raster fallen; beson-
ders diejenigen, die von zuhause eben wenig oder keine Unterstützung bekommen. Und
zweitens lässt sich dasselbe Ergebnis auch auf einem anderen Weg erzielen: kind gerecht,
ohne den Druck der Auslese schon nach der vierten Klasse. Auch uns steht es offen, den
finnischen Weg zu gehen. Nur die Staatsregierung will davon nichts wissen. Einbildung
wird dort anscheinend auch für eine Form der Bildung gehalten.
Theresa Schopper, Landesvorsitzende
4
GRUEN 6 I BILDUNG
bildung in zahlen und mehr
Bildung rechnet sich
Jeder Akademiker bringt der öffentlichen Hand im Schnitt
120.000 Euro Gewinn, verrechnet man die Bildungsausgaben
mit den Steuern und Abgaben, die die Absolventen zahlen.
Lebenslanges Lernen ...
Volkshochschulen in Bayern: 217
In Bayern veranstalten die Volkshochschulen ihr Programm
in etwa 1.000 Betriebsstätten (einschließlich 800 Außenstellen).
2004 waren dies über 171.000 Volkshochschulangebote mit
einem Umfang von 1.445.000 Doppelstunden (= 90 Minuten)
für 2.860.000 Menschen.
Ausgaben für Bildung (öffentlich und privat) in Prozent des BIP (2012)
Island: 8,1
Chile: 6,8
OECD: 6,2
Polen: 5,8
Deutschland: 5,3
Italien: 4,9
Wenn Bildung schwer wiegt
Der durchschnittliche Schulranzen
hat ein Gewicht von 17,2%
des Körpergewichts des Kindes.
Gemessen am Normalgewicht
des Kindes sollte der gefüllte
Schulranzen ca. 12% - 13% des
Körpergewichtes betragen.
Übertrittsquoten Gymnasium („Wo die klugen Kinder wohnen“)
Landkreis München: 61%
Landkreis Starnberg: 58%
Stadt Erlangen: 54%
Landkreis Cham: 27%
Landkreis Rottal-Inn: 27%
Landkreis Donau-Ries: 25%
Bayern: 39%
5
Wenn Lehrer ausbrennen ...
35 Prozent der Pädagogen sind ausgebrannt,
20 Prozent sind sogar behandlungsbedürftig.
(Prof. Joachim Bauer, Klinik für Psychosomatische
Medizin Freiburg)
Hirndoping im Trend
Knapp 50.000 bayerische Kinder nehmen regelmäßig
Methylphenidat (z.B. Ritalin) ein.
Immerhin 21% der Erwachsenen in Deutschland wären
bereit , die eigene Leistungsfähigkeit auch medikamentös
zu erhöhen.
Wenn Schule Angst macht ...
Als Didaskaleinophobie oder Scolionophobie wird
die Angst vor dem in die Schule gehen bezeichnet.
... oder zumindest keinen Spaß.
Die Polizei registrierte 2 251 Fälle in Bayern,
in denen Schüler unerlaubt vom Unterricht fernblieben.
Wenn mit (Zukunfts-) Angst Geld gemacht wird
Laut Studien geben Eltern in Deutschland zusammen bis zu 1,5 Milliarden Euro
für die Nachhilfe ihrer Sprösslinge aus.
Bis zu 1,1 Millionen Schülerinnen und Schüler nehmen mittlerweile regelmäßig
bezahlten Nachhilfeunterricht in Anspruch.
Bereits in der Grundschule bekommen im Schnitt aller Bundesländer 14,8 Prozent
der Viertklässler Nachhilfe im Fach Deutsch.
Mal ganz allgemein
17 Millionen Menschen, etwa ein Fünftel der Bevölkerung Deutschlands, nutzen Bildungsangebote: Sie gehen in Kinder-
tageseinrichtungen, absolvieren allgemeinbildende und berufliche Bildungsgänge oder besuchen Hochschulen.
Auch als Arbeitgeber ist das Bildungssystem in Deutschland wichtig: 1,5 Millionen Menschen sind in diesen Institutionen
mit pädagogischen oder wissenschaftlichen Aufgaben beschäftigt.
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GRUEN 6 I BILDUNG
anders lernenDie Bildungspolitik heute entscheidet wie wir morgen leben Von Thomas Gehring
7
dividuelle Unterstützung. Für Grüne Bil-
dungspolitik ist die Vielfalt der Kinder
nicht nur eine Herausforderung, sondern
auch ein Gewinn und eine Chance.
die blockierte staatsregierung Hingegen scheitert der Versuch der Staats-
regierung, ein Jahr vor der Landtagswahl
alle bildungspolitischen Baustellen „abzu-
räumen“ und Zufriedenheit über das „Bil-
dungsland Bayern“ zu verbreiten, gran-
dios. Die Unzufriedenheit bei Eltern,
SchülerInnen, Lehrkräften, Schulverwal-
tung und Kommunen über die Bildungs-
politik der Staatsregierung und die Lage
an Bayerns Schulen ist riesig. Die CSU ist
aufgrund ideologischer Blockaden zu ei-
nem Aufbruch in der bayerischen Bil-
dungspolitik nicht in der Lage. Die FDP ist
einfluss- und konzeptionslos und hat die
Erwartungen vieler in eine andere Bil-
dungspolitik in Bayern enttäuscht.
Kultusminister Spaenle hat die bayerische
Bildungslandschaft lediglich um zahlrei-
che neue Begriffe bereichert, von der Ge-
lenkklasse bis zum Intensivierungsjahr.
Diese inhaltlosen Wortschöpfungen ste-
hen aber nicht für eine neue Politik, son-
dern sollen die alten Probleme nur ka-
schieren. Der durch die bildungspolitischen
Fehler der Vergangenheit (Ära Stoiber)
entstandene Schaden an der Qualität des
bayerischen Bildungswesens, wie etwa die
übereilte, dilettantische und schlechte Ein-
Wir bilden heute Bayerns Zukunft. Des-
halb entscheidet aktuelle Bildungspolitik
darüber, wie wir und unsere Kinder in
Bayern leben werden. Ob Bayern ein ge-
rechtes, weltoffenes, lebenswertes Land
sein wird mit einer prosperierenden und
nachhaltigen Wirtschaft, das von mündi-
gen Bürgerinnen und Bürgern gestaltet
wird. Wenn wir an die Anforderungen der
Welt von morgen denken, wird uns be-
wusst, dass die Schule von heute, die nach
bildungspolitischen Vorstellungen von
gestern und vorgestern gestaltet wird, die-
ser Zukunft nicht gerecht werden kann.
kinder und jugendliche in den mittelpunkt Grüne Bildungspolitik stellt Kinder und
Jugendliche in den Mittelpunkt. Die erste
Frage ist für uns: was brauchen sie zum
Lernen und um glücklich in der Schule zu
sein? Kinder und Jugendliche sind neugie-
rig, voller Wissensdurst und Experimen-
tierfreude. Sie haben viele Fragen nach
dem Wie und Warum in dieser Welt. Wir
wissen, Kinder und Jugendliche sind von
Anfang an individuelle Persönlichkeiten,
sie haben unterschiedliche Ausgangslagen,
Anlagen, Fähigkeiten und Vorlieben und
entwickeln sich unterschiedlich. Ein ge-
rechtes Bildungswesen nimmt die Unter-
schiede ernst und lässt kein Kind zurück.
Soziale Herkunft darf den Bildungserfolg
nicht bestimmen, jedes Kind hat die opti-
male Förderung verdient und braucht in-
führung des G 8, die Versäumnisse beim
Ausbau der Ganztagsschule, oder die
Spar politik zu Lasten der SchülerInnen
(Klassengrößen) und der Lehrkräfte (Ar-
beitszeiterhöhung), wurde nicht oder nur
unzureichend korrigiert. Notwendige
Reformen (Schulstruktur, Lehrerbildung,
Schulverwaltung) wurden bisher nicht an-
gegangen und werden aus ideologischen
Gründen versäumt.
Entgegen aller Ankündigungen werden
die Rahmenbedingungen (z. B. Lehrerver-
sorgung, Mittel für Ganztagschulen) nicht
besser und stehen dazu von Schuljahr zu
Schuljahr immer wieder zur Disposition,
so dass die Schulen keine Planungssicher-
heit haben.
Die Bildungspolitik der Staatsregierung
ist nicht zukunftsorientiert, sie ist in ih-
rer Selbstbeweihräucherung rückwärtsge-
wand. Sie nimmt als „Politik von oben“
die Gestaltungsmöglichkeiten der Akteure
8
GRUEN 6 I BILDUNG
„Immer noch bestimmt der soziale Hintergrund den Bildungserfolg“
9
vor Ort nicht ernst und ist so auf Struktur-
und Statusfragen fixiert, dass sie die Schü-
lerinnen und Schüler eben nicht in den
Mittelpunkt ihrer Bildungspolitik stellt. So
steht für Kultusminister Spaenle als Ideo-
loge des dreigliedrigen Bildungssystems
die Aufteilung der Kinder auf verschiede-
ne Schularten im Vordergrund. Er bringt
keine Bildungspolitik auf den Weg, die es
Schulen ermöglicht, Kinder wirklich indi-
viduell zu fördern und ihnen individuelle
Leistungs anreize anzubieten, Neigungen
zu ver tiefen und Schwächen mit spezifi-
schen Unterstützungsübungen auszuglei-
chen.
Da durch vergibt die Staatsregierung Zu-
kunftschancen der Kinder und Jugend-
lichen, noch bevor diese die Zeit hatten,
ihre Potentiale auszubauen. Zu viele
Talente bleiben dadurch unent wickelt.
Die Unzufriedenheit vieler Eltern ist groß,
weil sie feststellen, dass die bayerische
Schule ihren Kindern und deren individu-
ellen Lernbedürnissen nicht gerecht wird
– unabhängig wie erfolgreich der Weg ih-
res Kindes durch das bayerische Bildungs-
system ist.
wenig abiturientenNach wie vor bestimmt in Bayern so sehr
wie in keinem anderen Bundesland der so-
ziale Hintergrund den Bildungserfolg.
Was das derzeitige Bildungssystem nicht
leisten kann, wird von Eltern für ihre Kin-
der außerhalb der Schule eingekauft, was
die Schieflage im Bildungserfolg und die
soziale Benachteiligung noch deutlich ver-
schärft. Aber auch in der Spitze ist Bayern
nicht erfolgreich, das belegt etwa die nied-
rige Abiturientenquote, obwohl laut PISA-
Test mehr SchülerInnen das „Zeug dazu
hätten“, das Abitur zu schaffen. Die Zahl
der Schüler ohne Abschluss ist viel zu
hoch und insbesondere die Bildungschan-
cen von Kindern mit Migrationshinter-
grund werden nicht genutzt.
Wir wollen die Bildungspolitik vom Kopf
auf die Füße stellen. Nicht die Frage, wel-
ches Kind „passt am besten in welche
Schulart“ ist für uns der Ausgangspunkt,
sondern die Frage, wie kann Schule so
gestaltet werden, dass auf die Lernbedürf-
nisse und Potentiale jedes Kindes einge-
gangen werden kann, so dass „individuelle
Förderung“ kein Schlagwort bleibt, son-
dern tatsächlich stattfindet.
Lernen verstehen wir als einen aktiven,
selbstgesteuerten und sozialen Prozess, der
auch nach der Schule nicht endet. Was
man sich selbst angeeignet hat, was man
selbst – durchaus auch im wörtlichen Sin-
ne – begriffen hat, weiß man auch nach-
haltig. Und Neurobiologen und Lernfor-
scher bekräftigen: Positive Motivation,
Zutrauen in die eigenen Leistungen und
Lernfreude sichern den Lernerfolg. Wer
ein positives Selbstlernkonzept hat („ich
weiß, wie ich etwas lerne“), kann sich an-
strengen und etwas leisten - auch im Sinne
lebenslangen Lernens.
lebensraum schuleDabei ist Lernen ein sozialer Prozess. Des-
halb ist für uns Schule keine Anstalt, in der
man Wissen „tankt“, sondern ein Lebens-
raum. Bildung entsteht in Beziehungen,
sie beruht auf Vorbildern, auf Austausch,
auf Kommunikation, auf Dialog, wie auch
auf der Konfrontation mit unterschiedli-
chen Lebensentwürfen. Ein positives und
sicheres Sozialklima in der Lernumgebung
ist eine wichtige Voraussetzung für einen
nachhaltigen Lernerfolg.
An schulischen wie außerschulischen
Lernorten lernen junge Menschen die na-
türliche und die sozialen Umwelt kennen
und den achtsamen Umgang. Schule soll
zu verantwortlichem Handeln befähigen.
Bildung ist für uns immer Persönlichkeits-
bildung. Wir Grünen stehen für eine neue
Bildungspolitik in Bayern – neu im Stil
und in den Inhalten.
Schlüsselbegriffe grüner Bildungspolitik
sind Vertrauen, Verlässlichkeit und Er-
möglichen. Gegen die in der Kultushierar-
chie vorherrschende Misstrauenskultur-
setzen wir eine Kultur des Vertrauens, die
Leistungen der SchülerInnen und guter
Schulen fördert. Gegen eine intransparen-
te und nicht verlässliche Stellenpolitik
setzen wir eine Politik der verlässlichen
Rahmenbedingungen, die den Akteuren
vor Ort die nötigen Handlungsspielräume
gibt. Und gegen eine Politik des Durchre-
gierens setzen wir eine Politik des Ermög-
lichens, die neue Wege und Innovationen,
die von den Beteiligten vor Ort getragen
werden, unterstützt und nicht mehr
behindert.
sechs eckpunkte eines grünen bildungs- aufbruches für besseres lernen in bayern1. Übertrittsdruck beenden
Beim Übertritt nach der vierten Klasse
werden die Probleme des bayerischen ge-
gliederten Schulwesens offensichtlich. Der
große Druck in den Klassen drei und vier
ist belastend für die SchülerInnen, führt
zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen,
fördert Schulangst, demotiviert Schüler-
Innen und beeinträchtigt ihre Leistungsfä-
higkeit. In den Grundschulen ist aufgrund
des Sortierdrucks gute Grundschulpäda-
gogik nicht mehr möglich. Wir wollen den
Übertrittsdruck beenden, indem wir das
derzeitige Übertrittsverfahren abschaffen
und durch eine Freigabe des Elternwillens
beenden. Unser Ziel bleibt dabei, die
Sortiererei nach der vierten Klasse durch
Modelle längeres gemeinsames Lernen
überflüssig zu machen
2. Längeres gemeinsames Lernen
Wir wollen gemeinsames Lernen in der
Sekundarstufe ermöglichen, weil so der
Sortierdruck nach der Grundschule been-
det wird und die SchülerInnen in ihrer
Unterschiedlichkeit wahrgenommen und
individuell gefördert werden. Diese Ge-
meinschaftsschule wird zu einer guten
Schule, wenn sie von Lehrkräften, Eltern
„Immer noch bestimmt der soziale Hintergrund den Bildungserfolg“
10
GRUEN 6 I BILDUNG
seits als Unterrichtende, aber auch als
Lerncoaches, die das aktive Lernen der
SchülerInnen begleiten.
Wir wollen eine Leistungskultur entwi-
ckeln, die hohe Leistungsanforderungen
verbindet mit einer lernfreundlichen
Praxis der Leistungsrückmeldung, die Zu-
trauen in die eigenen Leistungen fördert,
realistische Selbstbewertung ermöglicht
und die Potentiale der Einzelnen deutlich
macht. Schulnoten können diese umfang-
reiche Analyse nicht leisten: Sie geben
häufig lediglich an, ob Lerninhalte, die
kurzfristig für eine Prüfung angeeignet
wurden, zu einem bestimmten Zeitpunkt
abrufbar sind.
4. Mehr Selbständigkeit für Schulen
Wir wollen den Weg für besseres Lernen
öffnen. Ob Grund-, Real-, und (Haupt-)
Mittelschulen oder Gymnasien – alle
Schulen sollen sich weiterentwickeln kön-
nen. Wir wollen, dass die Lehrkräfte – sie
sind die Profis für Lernen und Unterricht
– über die Schul- und Unterrichtsorga-
nisation eigenverantwortlich entscheiden
können.
Wir wollen den Schulleitungen mehr Zeit
für ihre Leitungsaufgaben geben, damit sie
– mit entsprechender demokratischer Be-
teiligung von Lehrkräften, Eltern und
SchülerInnen – die Schulentwicklung vor-
anbringen. Dazu brauchen sie auch besser
ausgestattete Schulsekretariate an ihrer
Seite. Damit neue Freiräume und Chan-
cen für die Schulen genützt werden kön-
nen, werden die Aufgaben innerhalb der
Ebenen der staatlichen Schulverwaltung
neu ausgerichtet. Das spart auch Ressour-
cen ein, die dann direkt zur Qualitätsver-
besserung eingesetzt werden können.
5. Auf die Lehrkräfte kommt es an
Wir wollen die Rahmenbedingungen so
gestalten, dass es Lehrerinnen und Lehrer
mehr als bisher möglich wird, Lernbedürf-
nisse zu erkennen, die Stärken der Schüler-
Innen intensiv zu fördern und mit den
SchülerInnen an ihren Schwächen zu ar-
beiten. Statt den Lehrplan starr durchpeit-
schen zu müssen, bekommen die Lehr-
kräfte Freiraum für ihr pädagogisches
Handeln, bessere Arbeitsbedingungen und
eine verbesserte Schul- und Unterrichts-
organisation. Schulleitung wie Lehrkräfte
brauchen regelmäßige und gute Fortbil-
dungen, um fit zu werden für das neue
Lernen, für pädagogische Innovation, Re-
flexion, Teamarbeit. Deshalb wollen wir
auch mehr Geld für eine „Offensive Lehr-
erfortbildung“ in die Hand nehmen. Mit
eigenen Budgets können Schulen dann
die jeweilige vor Ort notwendige Lehrer-
fortbildung finanzieren.
6. Verlässliche Lehrerver sorgung statt
Lotteriespiel vor Schuljahresbeginn
Schulen brauchen Planungssicherheit,
deswegen stehen wir für eine solide Per-
sonalpolitik im Schulbereich. Wir werden
an der Bildung nicht sparen, sondern in
die Köpfe investieren:
• für kleinere Klassen
• für zweite Lehrkräfte in den Klassen
(teamteaching)
• für den Ausbau von Ganztagsschulen
• gegen Unterrichtsausfall
• für gemeinsamen Unterricht von Schüler-
Innen mit und ohne Behinde rungen.
Dazu gehören auch ausreichend Mittel
für SchulsozialarbeiterInnen, Schulpsy-
chologInnen, Sonderpädagoginnen und
Fachkräfte von außerhalb, damit an Schu-
len multiprofessionelle Teams arbeiten
können. Freie Schulen wollen wir entspre-
chend finanziell besser stellen.
und Kommunen vor Ort getragen wird,
deswegen setzen wir auf die Dy namik ei-
ner Veränderung „von unten“. Mit Ge-
meinschaftsschulen können zudem Schul-
standorte im ländlichen Raum, die auf-
grund der demographischen Entwicklung
gefährdet sind, erhalten bleiben. Mit einer
„Öffnungsklausel“ im Bayerischen Erzie-
hungs- und Unterrichtsgesetz wollen wir
neue Modelle im Sinne unserer „Politik
des Ermöglichens“ auf den Weg bringen.
3. Entwicklung einer neuen
Lern- und Leistungskultur
Der Schulalltag ist noch häufig von 45-Mi-
nuten-Takt und Frontalunterricht geprägt.
Schulen brauchen aber Lernarrangements,
mit deren Hilfe die Einzelnen individuell
gefördert werden, selbstständig mit- und
voneinander lernen können. Lehrkräfte
müssen flexibler agieren können, einer-
12
GRUEN 6 I BILDUNG
Einmalig ist sie in ganz Bayern, die Städti-
sche Berufsschule zur Berufsvorbereitung
in München Bogenhausen am Kirchplatz,
kurz BOKI. Hier „landen“ jährlich 1.800
Jugendliche, junge Erwachsene, die es
nicht geschafft haben, die es einmal mehr
nicht geschafft haben. Die Logik unseres
selektierenden Bildungssystems spuckt sie
hier aus. Nach der Hauptschule, mit Ende
der allgemeinen Schulpflicht, konnten sie
keinen Ausbildungsplatz ergattern.
4000 im übergangIn ganz München sind es jährlich rund
4.000 SchülerInnen, die den Übergang in
die Arbeitswelt nicht direkt schaffen. Sie
müssen oftmals erst mühsam wieder er-
mutigt werden, doch noch daran zu glau-
ben, ihren Platz in dieser Gesellschaft zu
finden. Knapp die Hälfte von ihnen be-
kommt eine echte Chance am BOKI.
pflicht wird zur chanceDie SchülerInnen kommen hierhin, weil
sie berufsschulpflichtig sind. Diese Pflicht
wird am BOKI zur echten Chance, die
Weichen neu zu stellen, herauszukommen
aus alten Verhaltensmustern. Hier finden
die Jugendlichen individuelle Unterstüt-
zung in einem breiten Angebot zum Auf-
bau beruflicher aber auch sozialer und
ganz lebenspraktischer Kompetenzen.
Zwei Drittel haben einen Migrationshin-
tergrund, zweidrittel sind Jungs. Nicht
selten sind in den Klassen mehr als zehn
verschiedene Nationen vertreten. Das Ziel
ist es, die SchülerInnen so zu begleiten
und aufzubauen, dass sie doch noch den
Übergang in die Arbeitswelt der Erwach-
senen meistern.
Die BOKI will dabei vor allem eines auf-
zeigen: Alternativen. Mit den SchülerIn-
nen gemeinsam ihre Ziele durchsprechen,
ihnen Orientierung geben. Oft mangelt es
den SchülerInnen vor allem an der Moti-
vation und am Durchhaltevermögen.
„Wir haben hier schwerpunktmäßig einen
pädagogischen Ansatz, Lehrpläne stehen
erst mal im Hintergrund“, erläutert der
Schulleiter Herr Seiler die Arbeit am
BOKI. „Wir sind recht frei in der Gestal-
tung von dem was und wie wir was tun,
anders würden wir die Jugendlichen auch
gar nicht erreichen.“
einzigartig Die BOKI hat dank ihrer einzigartigen
Stellung in Bayern ungewöhnlich viel
Freiheit für eine städtische Schule. Und sie
bekommt bemerkenswert viel Unterstüt-
zung von allen Stellen der Stadt, der
Regierung von Oberbayern und dem Kul-
tusministerium.
Deshalb ist es möglich sehr individuell
auf jede und jeden einzelne/n SchülerIn
einzugehen. Auch die sozialpädagogische
Unterstützung ist garantiert. So können
viele Jugendliche wirklich erreicht werden.
Denn jeder hat andere Gründe, warum es
bisher in der Schule oder bei der Lehrstel-
lensuche nicht geklappt hat. Jeder benötigt
andere Hilfestellungen. Jeder ist eine an-
dere Persönlichkeit.
Eine Schule am Rande unseres Bildungssystems Von Daniela Wüst und Birgit Zipfel
bock auf schule
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bock auf schule
14
GRUEN 6 I BILDUNG
Dem Mitarbeiter der Schulleitung StD
Eric Fincks ist die bestmögliche Förde-
rung jeder und jedes Einzelnen ein ganz
besonderes Anliegen: „Wir führen mit je-
dem neuen Schüler ein langes Gespräch,
um herauszufinden, welches Angebot,
welches Berufsfeld am besten zu diesem
einzelnen Schüler passt. Dabei möchte ich
ihnen möglichst offen und vorurteilslos
gegenübertreten und lese ganz bewusst die
Schulakten erst mal nicht.“
produktionsschuleGrundprinzip der Schule ist die enge Ver-
zahnung von Theorie und Praxis – sei es
durch Pflicht-Praktika, Projektarbeit oder
als Besonderheit am BOKI, die Arbeit in
der Produktionsschule. Möglich wird dies
durch die enge Vernetzung der Schule mit
Wirtschaft, Industrie und Handwerk so-
wie außerschulischen Maßnahmeträgern,
der Jugendhilfe, mit Migrations- und
Flüchtlingsorganisationen und den Ar-
beitsagenturen. Neben einem einjährigen
Vollzeitunterricht wird auch die Beschu-
lung in Blöcken von dreimal neun Wochen
angeboten. Ein ganz neues Arbeitsfeld der
Schule sind die seit einem Jahr hinzuge-
kommenen Flüchtlingsklassen.
kundenkontaktDie Jugendlichen können am BOKI ihren
Hauptschulabschluss nachholen und so-
gar ihren Quali machen. Sie erhalten akti-
ve Hilfe bei der späteren Berufswahl und
bei ihren Bewerbungen.
Insgesamt 15 Berufsfelder werden am
BOKI angeboten: von Gastronomie, Ser-
vice, Nahrung, über KFZ-Technik, Metall-
und Holzbearbeitung, zu Wirtschaft, Ein-
zelhandel bis hin zum Sozialbereich. In
der Produktionsschule arbeiten die Schü-
lerInnen mit direktem Kundenkontakt. Sie
stellen Waren her, die real verkauft werden
und deren Produktion sich rechnen muss.
Das Konzept ist nur möglich, weil ein
StadtratsBeschluss dahinter steht, der den
vergleichsweise hohen Betreuungsschlüs-
sel der SchülerInnen erst ermöglicht.
Amir, 17, hat heute Dienst an der Kasse
und am Kaffeevollautomaten. Er hat die
Hauptschule nach der 8. Klasse verlassen,
weil er keinen Bock mehr auf Schule hatte.
In die Produktionsschule geht er gerne,
auch wenn die unter seinen Mitschülern
alles andere als einen guten Ruf hat. Er hat
einen Tag in der Woche Unterricht im PI-
Café – eine Kantine mit Catering-Service
im Münchner Pädagogischen Institut, die
allein von den SchülerInnen und ihren
LehrerInnen geführt wird. Hier gibt es Es-
sen zum Selbstkostenpreis und zwar alles
bio. Heute gibt es Curry-Gemüsepfanne
mit Bulgur. Amir prüft nochmal den Cate-
ring-Bestellschein. Ihn zu motivieren, war
besonders am Anfang nicht so leicht. Die
Klasslehrerin und stellvertretende Schul-
leiterin Frau von Reuss, rief Amir auch
schon zu Hause an: “So, jetzt komm!”
Über sich selbst sagt er: „Ich hab´s ver-
bockt, einfach keine Lust gehabt auf Schu-
le und so.“ In der Neunten hat er die Schu-
le geschmissen, ohne Abschluss und hing
zu Hause rum. „Beim Ausgehen gab es
15
dann mal Streit, eine Prügelei, Jugendge-
fängnis.“ Jetzt ist er hier im PI und absol-
viert den dritten Neun-Wochen-Block
seiner Berufsschulpflicht. Es gefällt ihm
am BOKI: „Der Unterricht ist ok, und die
Arbeit hier im Café auch.“
50% erfolg In neun Wochenblöcken bleibt wenig Zeit,
um, wie Frau Reuss es formuliert, „die Ju-
gendlichen an die Hand zu nehmen und
sie von der Wichtigkeit einer guten Ausbil-
dung zu überzeugen.“ Doch die Pädago-
gInnen sind vergleichsweise erfolgreich:
50% der BOKI-SchülerInnen finden im
Anschluss eine Ausbildung. Das Catering
und andere Praxisfächer mit Realitätsbe-
zug geben dem Unterricht die Sinnhaftig-
keit zurück, welche die SchülerInnen in
der Hauptschule oft vermisst haben.
Schon seit über 50 Jahren gibt es die BOKI.
Doch in den letzten 10 Jahren stieg der
Schüleranteil rasant – von 1100 auf zu-
nächst sogar über 2000 um sich jetzt bei
rund 1800 einzupendeln.
Woran liegt es, dass so viele SchülerInnen
den Übergang ins Berufsleben nicht pa-
cken? Und das bei einem sich immer deut-
licher abzeichnenden Fachkräftemangel in
Bayern? Ein Grund sind sicher die wach-
senden Ansprüche – die Konkurrenz der
SchülerInnen mit Qualifiziertem Haupt-
schulabschluss und Realschulabschluss
wird stärker, selbst Abiturienten drängen
stärker denn je auf den Ausbildungsmarkt.
Ein anderer ist unser Bildungssystem, das
weiterhin gnadenlos aussiebt.
bildungspolitik selektiert und produziert eliten Bayerns Bildungspolitik war schon immer
darauf ausgelegt, zu selektieren und Eliten
zu produzieren. Doch oft fällt dabei allzu
leicht unter den Tisch, dass so auch Verlie-
rer produziert werden. Was neun Jahre
lang im Bildungssystem schief gegangen
ist, soll die BOKI jetzt in einem Jahr oder
sogar in nur drei mal neun Wochen Blö-
cken ausmerzen. Bleibt die Frage, warum
es für Kinder und Jugendliche erst mal so
lange bergab gehen muss, bis sie erleben,
dass sie als Persönlichkeit angenommen
werden. Bis ihnen ein Umfeld geboten
wird, dass sie ermächtigt, sich und ihre Fä-
higkeiten selbst kennenzulernen und ein-
zusetzen. Bis sie Schlüsselkompetenzen
vermittelt bekommen, die sie zu selbst-
ständigen Mitgliedern in unserer Gesell-
schaft werden lässt. Amir brauchte nur ein
paar Wochen, um den Spaß am Lernen zu-
rückzugewinnen. Sein Engagement und
Fleiß an der Produktionsschule haben sich
ausgezahlt: ihm wurde eine Lehrstelle als
Koch angeboten.
„Ich hab‘s verbockt, einfach keine Lust gehabt auf Schule und so.“
16
16
lehren braucht charisma
GRUEN6 I BILDUNG I INTERVIEW
Warum ist die Persönlichkeit des Lehrenden so wichtig? Zu 50 % hängt der Lernerfolg an der Vertrauens-
würdigkeit der Lehrenden, denn über die Per-
sönlichkeit des Lehrers kann die Motivation der
Schüler enorm gesteigert werden.
Leider geht die Lehrerausbildung auf die Persön-
lichkeitsentwicklung kaum oder gar nicht ein.
Das kommt völlig zu kurz. Dabei sollte es einen
großen Teil der Lehrerausbildung – und zwar für
alle Schultypen – ausmachen. Lehrer mit starker
Persönlichkeit können begeistern, selbst wenn sie
aus dem Telefonbuch vorlesen. Dieses Charisma
entwickeln Menschen, die an Ihre Sache glauben,
inhaltlich ebenso wie zwischenmenschlich.
Können sich LehrerInnen dieses Charisma gezielt aneignen? Nur bedingt. Man wirkt nur glaubwürdig, wenn
man auch glaubwürdig ist. Die nichtverbale Kom-
munikation, das heißt Mimik, Gestik und Intona-
tion der Stimme verraten uns.
Ich muss also echte Empathie für meine Schüler
empfinden, ich muss von meinem Fach begeistert
sein und ich muss Spaß daran haben, diese Begeis-
Haben Sie in der Schule gerne gelernt?Mir ist das Lernen leicht gefallen. Jedenfalls was
Sprachen und die anderen „geisteswissenschaftli-
chen“ Fächer betrifft. Ich habe in meiner Schule
fünf Fremdsprachen lernen können: Griechisch,
Latein, Englisch, Französisch und auch Russisch.
Nur in den naturwissenschaftlichen Fächern
Physik und Chemie habe ich die Zeit abgesessen.
Damals hätte ich nie gedacht, dass ich selbst mal
Naturwissenschaftler werde. Das lag aber am Leh-
rer. Denn ob man etwas lernt oder eben nicht, liegt
nicht so sehr am Inhalt der Fächer, sondern vor
allem an der Qualität des Unterrichts. Das ist da-
mals wie heute so.
Was macht eine gute Lehrerin, einen guten Lehrer aus?Natürlich fachliche Kompetenz, aber mindestens
genauso wichtig ist seine Persönlichkeit. Inner-
halb von Sekunden machen sich Kinder und Ju-
gendliche davon ein Bild. Wie ist der Lehrer? Ist er
glaubwürdig, ist er einfühlsam, hat er Empathie?
Kurz: Ist er am Aufbau einer Beziehung zu mir
interessiert?
Interview mitProf. Dr. Dr. Gerhard Roth von Sascha Knöchel und Birgit Zipfel
17
17
Was empfehlen Sie? Unterricht sollte völlig anders strukturiert sein.
Wie, das probieren wir gerade ganz praktisch an
einer Schule mit einem hohen Anteil von Schüle-
rInnen mit Migrationshintergrund aus. Dort wird
zunächst ein Thema mit Frontalunterricht kurz
aber didaktisch professionell „eröffnet“. Darauf
folgt Gruppen- und Projektunterricht zur Vertie-
fung und dann kommt Frei- beziehungsweise Ein-
zelarbeit zur Wiederholung oder für einen noch
tieferen Einstieg ins Thema.
Klingt logisch.Ist aber gar nicht so einfach. In unserem Schul-
versuch geht es in der ersten halben Stunde nur
darum, was für aktuelle Probleme anstehen. In
der zweiten halben Stunde wird dann geklärt, was
vom bisherigen Unterricht verstanden wurde. Wo
steht jeder Einzelne? Dann erst ist der Lehrer eine
halbe Stunde dran, mit der Vermittlung von neu-
em Wissen, das didaktisch aufgearbeitet ist. Dar-
auf folgen Gruppen und Einzelarbeit. Nach drei
bis vier Wochen wird das Gelernte wiederholt und
dann nochmal nach drei bis vier Monaten. Ohne
Wiederholung ist Lernen nicht möglich.
terung an die Menschen, die in meinem Unter-
richt sitzen, weiter zu tragen. Deshalb sollte man
manchen Menschen von ihrem Wunsch Lehrer zu
werden einfach dringend abraten – egal, was die
Noten sagen.
Und wie sollte der Unterricht strukturiert sein, um uns und unser Gehirn ideal zu fordern?Wir müssen wegkommen von der Kleintaktigkeit
des Unterrichts. Der 45-Minutentakt ist aus lern-
physiologischer Sicht völliger Unsinn. Erfunden
von einem preußischen Bürokraten im vorletzten
Jahrhundert. Das ist für das Lernen absolut kon-
traproduktiv.
Wenn ich neues Wissen vermitteln möchte, dann
muss ich zu allererst sicherstellen, dass alle Kinder
denselben Kenntnisstand haben, an den ich nun
anknüpfen kann. Das kann ich aber beim heuti-
gen Lehrplan schon aus Zeitdruck gar nicht ma-
chen. Das hat zur Folge, dass mir einige Kinder
gar nicht folgen können und ich über ihre Köpfe
hinweg rede. Die verliere ich. Neues Wissen bleibt
in unseren Köpfen nur dann hängen, wenn es an
etwas anschließen kann.
18
GRUEN6 I BILDUNG I INTERVIEW
18
Können die so genannten bildungsfer-nen Kinder überhaupt schulisch noch entscheidend gefördert werden?Ja, aber der spätere Einfluss ist nicht mehr sehr
groß. Ich selber habe versucht, die Anzahl der
hochbegabten Stipendiaten aus nicht akademi-
schen Familien zu erhöhen. Der Erfolg war be-
grenzt.
Es gab bei Kindern in diesem Bereich einfach De-
fizite, insbesondere in der Kommunikationsfähig-
keit, die später nur schwer zu beheben sind.
Keine Chance für bildungsferne Kinder?Doch natürlich. Wichtig ist nicht, welchen Bil-
dungsgrad die Eltern haben. Wichtig ist, dass sie
ihr Kind immer wieder zum Lernen motivieren.
Motivieren, nicht zwingen. Diese Motivation zum
Lernen muss das Kind im besten Fall durch die
ganze Schulzeit begleiten. Wir müssen die Kinder
immer wieder ermutigen, statt sie zu entmutigen.
Diese positive Einstellung zum Bildungserfolg
habe ich selbstverständlich auch bei bildungsfer-
neren Familien erlebt, ganz oft auch bei türki-
schen Migranten.
Was bringt Fremdsprachen- und Gei-genunterricht bei kleinen Kindern? Nichts. Bis zum dritten Lebensjahr macht das gar
keinen Sinn. Im ersten bis zweiten Lebensjahr ist
Lernen unter Druck sogar schädlich und gefähr-
lich. Das Gehirn ist dafür noch gar nicht ausgereift
und kann mit Stress nicht umgehen.
Ich kann spielerische Angebote machen, aber der
Stress, den manche übereifrigen Eltern auf ihre
Kleinkinder ausüben, kann zu ganz erheblichen
psychischen Schäden führen.
Langweilen sich dabei nicht diejenigen, die den Stoff schnell drauf haben?Nur, wenn man ihnen nicht mehr Angebote
macht. In einer solchen Schule braucht man nicht
in normal-, hoch- oder minderbegabt zu selek-
tieren. Auch Inklusion kann so gelingen. Gut
75 Prozent der Schüler sind ja normal begabt. Nur
ein kleiner Teil weicht positiv oder negativ davon
ab, und der muss „mitgenommen“ werden. Man
muss also überhaupt nicht vorsortieren, wie es
heute oft geschieht, sondern innerhalb des Klas-
senverbands unterschiedliche Angebote machen.
Außer bei Schwerstbehinderungen, hier ist Inklu-
sion reine Sozialromantik.
Ist Intelligenz bereits in den frühen Lebensjahren festgelegt? Es stimmt, dass das frühkindliche Lebensumfeld
entscheidend mitwirkt am späteren Lernerfolg
von Kindern. Entscheidend ist nicht die mög-
lichst frühe Vermittlung von Wissen, sondern ob
mich meine Eltern ermutigen und motivieren,
Neues auszuprobieren. Loben die Eltern meine
Fortschritte? Kommunizieren Sie mit mir? Ent-
scheidend ist aber auch, wie kooperativ meine
Geschwister sind. Und natürlich: Wie wichtig ist
Bildung für meine Familie, wie wird meine An-
strengung in diese Richtung wahrgenommen und
wertgeschätzt?
19
19
völlig unzureichend. Es braucht ein differenzier-
tes Feedback: Wo liegen meine Defizite und wo
meine Stärken. Noten wie sie heute vergeben wer-
den, sind sinnlos. „5 – setzen!“, das ist einfach nur
demütigend und demotivierend. Eine Benotung
muss dem oder der Einzelnen einen Anhaltspunkt
geben, wo er oder sie steht, wie er sich entwickelt
und was er verbessern kann.
Dann wird es also weiterhin Sitzen-bleiberInnen geben müssen? Nein, gar nicht. Das Sitzenbleiben erübrigt sich.
Sitzenbleiben geschieht meist nicht aus irgendei-
ner „Faulheit“, sondern entsteht aus mangelnder
Motivation. Wenn ich als Lehrer also ein solches
Kind vor mir habe, dann ist es meine Aufgabe
das Abrutschen zu verhindern, genau hin zu se-
hen, was die Ursache ist. Familiär, oder hat das
Kind den Anschluss an die Inhalte verloren, ist es
eventuell psychisch krank, etc? Das muss ich als
Lehrer herausfinden und rechtzeitig gegensteuern.
Sitzenbleiben ist eine unnütze Beschämung der
Kinder und Jugendlichen, und das ändert auch
nichts an den eigentlichen Ursachen, nämlich der
Lernmotivation.
Was kann ich tun, wenn ich mein Kleinkind früh fördern will? Einfach da sein und Angebote machen. Ein Kind
gehört mindestens im ersten halben, besser noch
im ganzen ersten Jahr zu seiner Mutter oder zu ei-
ner ähnlich gleich bleibenden Betreuungsperson
wie Vater, Oma oder Tante. Neurobiologie und
Psychologie zeigen, dass das Kleinstkind für einen
ständigen Wechsel der Bezugsperson etwa der Er-
zieherin durch Urlaub, Schichtwechsel, etc. noch
gar nicht reif genug ist.
Es braucht eine, maximal aber zwei feste stetige
Bezugspersonen. Alles andere ist für die gesunde
Entwicklung des Kindes nachteilig.
Warum können sich Kinder eigentlich alle Bundesligaspieler wie von selber merken, aber bei zehn Vokabeln wird es schon problematisch?Lernen wird durch drei Punkte bestimmt. Durch
Begabung und natürlich individuelle Präferenzen,
da wären wir z. B. bei den Fußballern. Durch Be-
geisterungsfähigkeit des Lernenden. Durch die
Sinnhaftigkeit des neu zu lernenden Inhalts, also
durch den Bezug zu meiner Lebenswelt.
Als Lehrer stehe ich also vor der Aufgabe, den neu-
en Inhalt möglichst spannend zu machen. Dazu
gehört auch, den Schülern unbedingt zu zeigen,
was der Lernstoff mit ihrer eigenen Lebenswelt
ganz direkt zu tun hat.
Was halten sie von Noten in der Schule? Es braucht unbedingt Bewertungen, die Kinder
und Jugendlichen brauchen eine Messlatte, um
sich selbst realistisch einschätzen zu können. Nur
ist unser heutiges Notensystem von eins bis sechs
Herr Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth, Institut für Hirn-forschung, Abteilung Verhaltensphysiologie und Entwicklungsneurologie an der Universität Bremen. Autor des Buches: Bildung braucht Persönlichkeit – Wie Lernen gelingt.
20
GRUEN 6 I BILDUNG
„Hamburg macht Sprung nach vorne“.
Der Aufmacher des Hamburger Abend-
blatts Mitte August galt dem Abschneiden
des Stadtstaats beim Bildungsmonitor der
Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft
(INSM). Die Studie bescheinigt den Schu-
len dort die größten Fortschritte im Ver-
gleich aller Bundesländer. Schönes Loch,
aber wo ist der zugehörige Sommer, könn-
te man jetzt denken. Doch halt! Hamburg,
da war doch was? Richtig. Am 18. Juli 2010
wurde dort mit einem Volksentscheid die
Schulreform des schwarz-grünen Senats
gekippt. Die „Rebellion der Pfeffersäcke“
(Stern) war erfolgreich.
umfassende reformWas war geschehen? Die Wahl 2008 hatte
die erste schwarz-grüne Koalition auf Lan-
desebene hervorgebracht. Eine ambitio-
nierte Schulreform war das Vorzeigepro-
jekt dieses Bündnisses. Sechs statt vier
Jahre gemeinsame Schulzeit, sogenannte
Stadtteilschulen, die auch jenseits des
Gymnasiums einen Weg zur Hochschul-
reife eröffnen und ein weitreichender Aus-
bau gebundener Ganztagsschulen waren
die herausragenden Daten dieser Reform,
ihr Kopf und Gesicht die grüne Schulsena-
torin Christa Goetsch. Bildungspolitiker-
Innen aller Couleur blickten gespannt da-
rauf, was sich an Elbe und Alster abspielte
– die einen in der Hoffnung, dass ein Er-
folg der Hamburger Reformen als Blau-
pause für Veränderungen in anderen Bun-
desländern dienen könnte, die anderen in
der bangen Erwartung, dass frühe Auslese
und Dreigliedrigkeit bald ein Fall für die
Geschichtsbücher werden. Es kam be-
kanntlich anders. Eine Mehrheit stoppte
die sechsjährige gemeinsame Grundschul-
zeit. Das Ergebnis markierte nicht nur den
Anfang vom Ende der schwarz-grünen
Regierung, es verunsicherte gerade grüne
BildungspolitikerInnen nachhaltig: Die
Strategie, weitreichende Reformen poli-
tisch zu beschließen und zügig umzuset-
zen, war vorerst gescheitert. Das Ziel,
durch eine längere gemeinsame Schulzeit
das Bildungssystem gerechter und durch-
lässiger zu machen, schien auf diesem Weg
nicht erreichbar. Sowohl im rot-grünen
NRW wie im grün-roten Baden-Würt-
temberg wurden die Konsequenzen gezo-
gen: Reform von unten statt Reform von
oben lautet nun die Devise. Das Nachbar-
land Baden-Württemberg setzt auf die
Gemeinschaftsschule. Nach der Grund-
schule werden die Kinder bis zur zehnten
Klasse gemeinsam unterrichtet und zwar
in Form einer verpflichtenden Ganztag-
schule mit rhythmisiertem Unterricht.
Anders als viele „Ganztagsschulen“ in
Bayern sind das keine Schulen mit Nach-
mittagsbetreuung, sondern Lernorte, in
denen sich verschiedene Formen von Ler-
nen und Beschäftigung abwechseln. An
die zehnte Klasse kann sich eine Oberstufe
anschließen, die zum Abitur führt.
gemeinden entscheidenOb es vor Ort eine solche Gemeinschafts-
schule gibt, entscheiden die Kommunen
mit einem entsprechenden Antrag. Sie
machen reichlich Gebrauch davon: Im ak-
tuellen Schuljahr starten 42 Gemein-
schaftsschulen, über 100 weitere Anträge
liegen vor. Auch Nordrhein-Westfalen mit
der grünen Bildungsministerin Sylvia
Löhrmann hat einen ähnlichen Weg ge-
wählt. Es scheint, als könne mit diesem
Weg der Schulreform die hochideologi-
sierte Auseinandersetzung um das richtige
Schulsystem umgangen werden. Denn oft
genug sind es konservative Bürgermeister,
die eine Gemeinschaftsschule in ihrem
Ort haben wollen.
auf leisen sohlen? Auf leisen Sohlen zum Erfolg also? Ja. Aber
auch diese Strategie hat natürlich ihren
Preis: Sie braucht wesentlich mehr Zeit.
Das liegt nicht daran, dass grundlegende
Reformen in den Augen der Menschen
pädagogisch keinen Sinn machen, im
Gegenteil, wie entsprechende Umfragen
zeigen. Vielmehr glauben bestimmte Be-
völkerungsgruppen, dass Schulreformen
ihren sozialen Status in Frage stellen. Des-
halb haben sich in Hamburg vor allem die
Privilegierten gegen die Schulreform ge-
stellt. Sie fürchteten um die Existenz des
Gymnasiums, dessen Besuch nach wie vor
als Ausweis der Zugehörigkeit zu einer Art
Elite zählt. Das ist nicht erfreulich, aber
zunächst einmal eine Tatsache, die man
nicht leugnen kann. „Wenn du einen
Feind nicht besiegen kannst, musst du ihn
umarmen“ sagte der chinesisch Stratege
Sun Tzu. Dass eine solche Strategie erfolg-
reich ist, zeigt ausgerechnet das Beispiel
Hamburg. Zwar wurde die sechsjährige
gemeinsame Grundschulzeit gestoppt,
aber die Stadtteilschulen und der Ausbau
der Ganztagsschulen wurden umgesetzt.
Mit Erfolg, wie die eingangs zitierte
Schlagzeile zeigt.
großer sprung oder langer marsch?
Welche Strategie ist besser? von Alex Burger
21
22
GRUEN 6 I BILDUNG
Vor gut zwei Jahren wurde in einem
Volksentscheid in Hamburg die vom
schwarz-grünen Senat geplante sechs-
jährige gemeinsame Schulzeit gekippt.
Was gab rückblickend den Ausschlag für
die Niederlage?
Der wichtigste Grund war wohl, dass im
neuen Schulgesetz kein Elternwahlrecht
vorgesehen war. Die Eltern konnten also
nicht frei entscheiden, ob ihr Kind nach
der 4. Klasse ein Gymnasium oder eine
Stadtteilschule besuchen soll. Dadurch be-
kam die Gegenseite - die Scheuerl-Initia-
tive „Wir wollen lernen“ – die große
Chance, ihre Kampagne sehr emotional zu
fahren.
Wir Grüne waren eigentlich für das El-
ternwahlrecht, haben aber im Koalitions-
vertrag Rücksicht auf die Befürchtungen
in der CDU genommen, dass die Gymna-
sien überlaufen würden. Beispiele aus an-
deren Ländern zeigten jedoch schon da-
mals, dass diese Sorge unbegründet war.
Uns ging es hauptsächlich um eine neue
Lernkultur, eine andere Art des Unter-
richts.
Es sollte mehr Rücksicht auf individuelle
Stärken und Schwächen genommen wer-
den. Wir mussten aber feststellen, dass sich
viele Eltern nicht vorstellen konnten, wie
Unterricht jenseits des klassischen Fron-
talunterrichts abläuft.
Der aktuelle Bildungsmonitor beschei-
nigt Hamburg von allen Bundesländern
den größten Schritt nach vorne. Hängt
das auch mit den anderen Reformen zu-
sammen, die von schwarz-grün umge-
setzt wurden, aber über Hamburg hin-
aus nicht so große Beachtung gefunden
haben wie die längere gemeinsame
Schulzeit?
Ja, das ist richtig! Zwar stand die Primar-
schule im Fokus, aber die anderen qualita-
tiven Reformen, die wir tatsächlich durch-
geführt haben, können jetzt erst Wirkung
zeigen: Der Ausbau der Ganztagsschule,
kleinere Klassen, die Abkehr vom starren
45-Minuten-Takt, die intensivere Fortbil-
dung der Lehrerinnen und Lehrer. Außer-
dem natürlich die Abschaffung der Haupt-
schule zugunsten der Stadtteilschule, die
einen zweiten Weg zu einem gleichwerti-
gen Abitur jenseits des Gymnasiums bie-
tet. Das ist besonders für Schülerinnen
und Schüler wichtig, die sich etwas später
entwickeln.
Ungeachtet aller länderspezifischen
Fragen: Wo steht heute grüne Bildungs-
politik konzeptionell und wohin sollte
sie sich entwickeln?
Ich bin fest davon überzeugt, dass wir wei-
terhin am Ziel des längeren gemeinsamen
Lernens festhalten müssen, und die frühe
Selektion nach der 4. Klasse endlich auch
in Deutschland ein Ende haben muss. Das
ist auch eine Frage des Menschen- und
Gesellschaftsbildes. Da dürfen wir nicht
Ausgrenzung fördern und unterschiedli-
che Startchancen verstärken. Dazu kommt
natürlich die Umsetzung der Inklusion,
ebenfalls eine grundsätzliche Haltungsfra-
ge. Weil unsere Gesellschaft und die Politik
viele Jahre die Lebenslüge aufrecht erhal-
ten haben, wir wären kein Einwande-
rungsland, ist es auch heute leider immer
noch so, dass es für Kinder mit Migrati-
onshintergrund eine strukturelle Benach-
teiligung in der Bildung gibt. Das müssen
wir dringend ändern. Außerdem sollten
wir uns weiterhin für ein ganzheitliches
Lernen einsetzen. Nicht nur Lesen, Schrei-
ben und Rechnen sind wichtig, auch kul-
turelle Bildung ist für die Entwicklung der
Kinder, aber auch für die gesamte Gesell-
schaft dringend nötig. Der Mensch lebt
nicht vom Brot allein.
länger gemeinsam lernen ist der richtige weg
Christa Goetsch (MdHB) war von 2008 bis 2010 Bildungssenatorin in Hamburg
23
WAS HAST DU HEUTE GELERNT?
Gottfried / 63 / Angestellter: Die Mehrwertsteuer inklusiv und exklusiv im Rechnungsprogramm erheben.
Julia S. / 27 / Seekranke Piratin:
Scheiße. Ein Sturm!
Alexander D. / 42 / Generalsekretär:
Ruf doch mal an!
Sebastian / 29 / Student:
Warm anziehen, wenn's draußen kalt ist.
Alex / 47 / Fußballfan :
Die abkippende 6 wird nicht zur falschen 9.
Petra / 54 / Besucht einen Italienisch-Kurs: Tutto fumo e niente arrosto
Christian U. / 65 / Hat noch keine Lust auf die Rente:
Mit 66 Jahren ...
24
GRUEN 6 I BILDUNG
Gestartet sind wir mit einer kleinen Katas-
trophe. Die erste Ausgabe Von Grüen kam
frisch aus der Druckerei und sah fürchter-
lich aus. Der Titel in falschen Farben, das
ganze Druckbild verwaschen und mit
weißen Schlieren durchsetzt.
Unsere Idee, eine hochwertige Anmutung
durch die Verwendung gestrichenen Pa-
piers zu erreichen und trotzdem Umwelt-
papier und ökologische Druckfarben zu
nutzen, hatte nicht geklappt.
Zum Glück hat die Druckerei Ulenspiegel
beim Neudruck gezeigt, dass beides eben
doch zusammengeht. Dieses Heft ist nun-
mehr die sechste Ausgabe von Grüen. Und
leider vorläufig die letzte. Der Wahlkampf-
Marathon, der vor uns liegt, bedeutet eben
auch, dass wir alle Kräfte und finanziellen
Mittel auf unser Kerngeschäft konzentrie-
ren müssen.
Aber vielleicht gibt es 2014 ja ein Wieder-
sehen? Die Rückmeldungen, die wir be-
kommen haben, waren jedenfalls sehr po-
sitiv. Anscheinend gibt es Bedarf für eine
grüne Zeitschrift, die sich jeweils nur auf
ein Thema konzentriert und versucht, es
aus allen möglichen Blickwinkeln auszu-
leuchten; die eher Fragen stellt als festge-
fügte Antworten zu liefern.
Der Redaktion hat die Arbeit auf jeden
Fall viel Spaß gemacht und wir hoffen,
dass man das den Heften auch ansieht.
Wir bedanken uns bei allen AutorInnen,
bei den Anzeigen- und Beilagenkunden,
bei den LeserInnen und beim Landesvor-
stand, der uns weitgehend freie Hand ge-
lassen hat. Das ist nicht selbstverständlich.
Und nicht zuletzt bei Ruth Botzenhardt,
die mit viel Sinn für Gestaltung und Äs-
thetik mitgeholfen hat, den Inhalt so in
Szene zu setzen, dass die Augen auch sehr
viel davon hatten.
Vielen Dank und vielleicht bis bald!
auf wiedersehen?
1
1Das Magazin der bayerischen Grünen
WACHSTUMWachstum war lange der Mythos der modernen Gesellschaft. Doch der Abschied davon hat längst begonnen.
1
3Das Magazin der bayerischen Grünen
3Das Magazin der bayerischen Grünen
SCHÖNE NEUE WELTWie der digitale Wandel unser Leben verändert
SCHÖNE NEUE WELT
1
2Das Magazin der bayerischen Grünen
DEMOGRAFIEBayern wächst und schrumpft zugleich. Eine ehrliche Diskussion über die Folgen fehlt.
1
4Das Magazin der bayerischen Grünen
HEIMATMia warn mia
1
5Das Magazin der bayerischen Grünen
(un)Gerecht?Wieviel Ungleichheit vertragen wir?
1
6Das Magazin der bayerischen Grünen
BILDUNGWie wir auf den Trichter kommen.
26
Mehr Bildung,
bessere Bildung,
gerechtere Bildung
– jajaja, alles schon
dutzendfach gehört und
auf zig Plakaten gelesen.
Gerade im Bereich Bildung
haben die Kollegen Seehofer und
Zeil den Mund ja mehr als voll genom-
men. Und trotzdem fallen in Bayern immer
noch Jahr für Jahr fünf Prozent jedes Jahrgangs
durch, trotzdem wandern mittlerweile im baye-
risch-württembergischem Grenzgebiet bayerische
Schüler zu hunderten nach Baden-Württemberg
ab, trotzdem ist die Zahl der Übertritte von Kin-
dern aus bildungsfernen Familien auf bayerische
Gymnasien lächerlich gering und trotzdem zahlen
bayerische Student*innen immer noch Studien-
gebühren.
Versprochen – gebrochen, besten Dank. Man muss
allerdings eines zugeben. Die schwarz-gelbe Bil-
dungspolitik im Freistaat ist natürlich eine ganz
hervorragende Standortpolitik für den Wirtschafts-
zweig der privaten Bildung. Privatschulen boomen
zwischen Aschaffenburg und Traunstein, mittler-
weile besuchen schon knapp 15 Prozent der bayeri-
schen Schüler*innen nichtstaatliche Schulen – und
damit fast doppelt so viele wie im Rest des Landes.
Kein Wunder also, dass selbst Bildungsexperten wie
die ehemalige bayerische Bildungsministerin Moni-
ka Hohlmeier schon während ihrer Amtszeit die ei-
genen Kinder lieber auf die Privatschule schickte.
Viele Eltern sind mittlerweile geradezu verzweifelt,
ob sie ihre Kinder nun nach Montessori, Waldorf
oder Jenaplan bilden lassen sollen, wie sie die Kos-
ten dafür aufbringen und wie sie die Fahrerei zu den
nicht immer ums Eck gelegenen Bildungsstätten
organisieren können.
Trotzdem beharrt schwarz-gelb auf dem dreiglied-
rigen Schulsystem, auf G8 und auf den bestehenden
Lehrplänen. Und bejubelt natürlich gerne den
kürzlich verkündeten ersten Platz Bayerns beim
wenn privatisierung schule macht... von Sascha Knöchel
deutschlandweiten Grundschultest. Doch ausge-
rechnet der eher nicht zum linken Spektrum zäh-
lende Philologenverband goss postwendend Wasser
in den Feierwein. So wären nach Angaben des Leh-
rerverbandes die bayerischen Jungs den Mädchen
in Sachen Lesen um mindestens ein halbes Jahr hin-
terher. Zudem gäbe es in Ländern wie Sachsen oder
Baden-Württemberg mehr Deutschunterricht als
in Bayern.
Alles trostlos in Bayern? Zum Glück nicht, aber es
kommt eben auf die Eigeninitiative an. So hat bei-
spielsweise die Gemeinde Rimpar im Landkreis
Würzburg einen ganz eigenen Weg eingeschlagen,
um die Schüler der örtlichen Hauptschule (welche
die Regierung jetzt euphemistisch Mittelschule
nennen lässt) zu fördern. Die Gemeinde hat mit in-
teressierten Schülern einen Vertrag. Darin sichert
der Bürgermeister den SchülerInnen eine Lehrstelle
zu. Im Gegenzug müssen die Schüler einen vorge-
schriebenen Notenschnitt erreichen, über ein gutes
Sozialverhalten verfügen und sie müssen neben der
Schulzeit auch noch mindestens 100 Arbeitsstun-
den in das Gemeinwohl investieren.
Denn dem christ-sozialen Bürgermeister ist näm-
lich eines klar: Unternehmen würden heute ver-
stärkt auf soziale Kompetenzen achten. Bis ins
christ-soziale Kultusministerium hat sich das aber
scheinbar noch nicht herumgesprochen. Und Wirt-
schaftsminister Zeil reibt sich derweil weiterhin die
Hände, ob der vielen, vielen Privatschulen. Staat-
liche Aufgaben privatisieren war schließlich schon
immer der Markenkern der FDP.
GRUEN 6 I BILDUNG
27
wenn privatisierung schule macht...
Herausgeber:
Bündnis 90/Die Grünen, Landesverband Bayern,
Theresa Schopper und Dieter Janecek
(Landesvorsitzende), Sendlinger Str.47,
80331 München. Tel: 089/211597-0, Fax:-24,
e-mail: [email protected],
www.gruene-bayern.de
Redaktion:
Alex Burger (verantwortlich), Sascha Knöchel,
Birgit Zipfel, Fabian Hamak, Daniela Wüst
Impressum Grüen – das Magazin von Bündnis 90/Die Grünen in Bayern
Konzept und Gestaltung:
Ruth Botzenhardt Grafikdesign
www.ruth-botzenhardt.de
e-mail: [email protected]
Satz:
Factory Two Desktop Publishing OHG
www.factory2.de
Druck:
ulenspiegel druck gmbh
Birkenstraße 3, 82346 Andechs
Fotonachweis:
photocase: S.1, 6-10, 13, 21
Manuel Schubert S.4, 5, 28
Ruth Botzenhardt: S.23
Anregungen, Kritik und Hinweise
an die Redaktion:
Anzeigen und Förderabos:
Birgit Zipfel, Tel: 089/211597-17,
e-mail: [email protected]
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