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15.04.2014 1 Grundfragen der Dogmatik II Schöpfungstheologie und Sakramententheologie Lehrstuhl für Dogmatik Sommersemester 2013 Florian Klug I. Schöpfungstheologie in der Gegenwart 1. Zugänge 1) theologisch Die Rede von der Schöpfung ist kein Randthema der Theologie, sondern reicht in die trinitarische Gotteslehre ebenso hinein wie in die Eschatologie. 2) naturwissenschaftlich Moderne Physik und zeitgenössische Biologie fordern mit der Verabschiedung von klassischen Paradigmen der Naturwissenschaften die gegenwärtige Theologie neu heraus. 3) ökologisch Die ökologische Krise konfrontiert die Theologie mit dem Vorwurf, die Anthropozentrik des Christentums habe in Verbindung mit dem Herrschaftsauftrag von Gen 1,28 zur Ausbeutung der Natur geführt. 2 2. Konsequenzen aus der ökologischen Krise für eine heutige Theologie Eine zeitgenössische Schöpfungstheologie ist dem Auftrag verpflichtet, die herkömmliche Rede vom Schöpfergott mit der konkreten Weltsituation zu konfrontieren: 1. Die vielfach missverstandenen biblischen Schöpfungsberichte sind exegetisch verantwortet auszulegen und systematisch auszuwerten. 2. Die Theologie darf sich nicht allein auf das Feld der (Heils-)Geschichte zurückziehen und die Natur der Naturwissenschaft überlassen. 3. Es müssen die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse über die Natur von der Theologie offen zur Kenntnis genommen werden, da es sich um Einsichten in das Schöpfungswerk Gottes handelt. 3 3. Orientierungspunkte 3.1 Schöpfung als trinitarischer Akt Gottes Auf dem Hintergrund der Möglichkeit, daß die Welt auch nicht sein könnte, weil Gott als der in sich Vollendete ihrer nicht notwendigerweise bedarf, ist die Tatsache, daß die Welt existiert, nur als Akt göttlicher Liebe zu deuten. Wir können daher sagen: „Das Dasein der Welt ist Ausdruck der Güte Gottes.“ [W. Pannenberg, System. Theol. 2, 35.] Drei Konsequenzen: 1. Die Gegebenheiten der Schöpfung haben eine letzte positive Qualität und stellen einen Eigenstand in Relation dar, so daß Beziehung ein Grundbegriff innerhalb einer Theologie der Schöpfung sein muß. 2. Die dem Leben der Schöpfung innewohnende Beziehungs-Dynamik, die bis zur Teilhabe am göttlichen Leben reicht, findet eine vollkommene Verinnerlichung in der Selbsttranszendenz des Menschen. 3. Die Welt existiert in ihrem Eigenstand in Gott, sie gründet immer schon in den trinitarischen Beziehungen. 4 3. Orientierungspunkte 3.1 Schöpfung als trinitarischer Akt Gottes Geist Vater Sohn Die von Gott abhängige Schöpfung: Ergebnis göttlicher Agape als innertrinitarisches Liebesgeschehen 5 3. Orientierungspunkte 3.1 Schöpfung als trinitarischer Akt Gottes Der Vater hat den Anderen (Logos/ Sohn) (als immanentes Gegenüber) ausgezeugt. Der Vater hat am „Ort“ des Sohnes die Welt geschaffen. Die Welt ist das endliche Andere, das im göttlichen Anderen (Sohn) geschaffen wurde – durch den Vater. Geist Vater Sohn/ Logos (endliche) Welt Dieses Verhältnis besitzt eine Spannung (Mann – Frau); aber in Einheit (Mensch; Menschsein). 6

Grundfragen der Dogmatik II - uni-wuerzburg.de...- Turmbau zu Babel (11,1-9) 16 1.2.1.3 Die umfassende Wirklichkeit der Gnade Gottes (1) Nach Gen 2,17 droht Gott zwar dem Menschen

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15.04.2014

1

Grundfragen der Dogmatik II

Schöpfungstheologie

und

Sakramententheologie

Lehrstuhl für DogmatikSommersemester 2013

Florian Klug

I. Schöpfungstheologie in der Gegenwart1. Zugänge

1) theologisch Die Rede von der Schöpfung ist kein Randthema der Theologie, sondern reicht in die trinitarische Gotteslehre ebenso hinein wie in die Eschatologie.

2) naturwissenschaftlich Moderne Physik und zeitgenössische Biologie fordern mit der Verabschiedung von klassischen Paradigmen der Naturwissenschaften die gegenwärtige Theologie neu heraus.

3) ökologisch Die ökologische Krise konfrontiert die Theologie mit dem Vorwurf, die Anthropozentrik des Christentums habe in Verbindung mit dem Herrschaftsauftrag von Gen 1,28 zur Ausbeutung der Natur geführt.

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2. Konsequenzen aus der ökologischen Krise für eine heutige Theologie Eine zeitgenössische Schöpfungstheologie ist dem Auftrag verpflichtet, die herkömmliche Rede vom Schöpfergott mit der konkreten Weltsituation zu konfrontieren:

1. Die vielfach missverstandenen biblischen Schöpfungsberichte sind exegetisch verantwortet auszulegen und systematisch auszuwerten.

2. Die Theologie darf sich nicht allein auf das Feld der (Heils-)Geschichte zurückziehen und die Natur der Naturwissenschaft überlassen.

3. Es müssen die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse über die Natur von der Theologie offen zur Kenntnis genommen werden, da es sich um Einsichten in das Schöpfungswerk Gottes handelt.

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3. Orientierungspunkte 3.1 Schöpfung als trinitarischer Akt GottesAuf dem Hintergrund der Möglichkeit, daß die Welt auch nicht sein könnte, weil Gott als der in sich Vollendete ihrer nicht notwendigerweise bedarf, ist die Tatsache, daß die Welt existiert, nur als Akt göttlicher Liebe zu deuten. Wir können daher sagen:

„Das Dasein der Welt ist Ausdruck der Güte Gottes.“ [W. Pannenberg, System. Theol. 2, 35.]

Drei Konsequenzen:

1. Die Gegebenheiten der Schöpfung haben eine letzte positive Qualität und stellen einen Eigenstand in Relation dar, so daß Beziehung ein Grundbegriff innerhalb einer Theologie der Schöpfung sein muß.

2. Die dem Leben der Schöpfung innewohnende Beziehungs-Dynamik, die bis zur Teilhabe am göttlichen Leben reicht, findet eine vollkommene Verinnerlichung in der Selbsttranszendenz des Menschen.

3. Die Welt existiert in ihrem Eigenstand in Gott, sie gründet immer schon in den trinitarischen Beziehungen.

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3. Orientierungspunkte 3.1 Schöpfung als trinitarischer Akt Gottes

Geist

Vater Sohn

Die von Gott abhängige Schöpfung:

Ergebnis göttlicher Agape als innertrinitarisches Liebesgeschehen

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3. Orientierungspunkte 3.1 Schöpfung als trinitarischer Akt Gottes• Der Vater hat den Anderen (Logos/ Sohn) (als immanentes Gegenüber)

ausgezeugt.

• Der Vater hat am „Ort“ des Sohnes die Welt geschaffen.

• Die Welt ist das endliche Andere, das im göttlichen Anderen (Sohn)

geschaffen wurde – durch den Vater.

Geist

Vater Sohn/ Logos

(endliche) Welt

Dieses Verhältnis besitzt eine Spannung (Mann – Frau); aber in Einheit(Mensch; Menschsein).

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Heilsökonomie

7/1

Immanente Trinität

7/2

Gott ist die Liebe (1 Joh 4,7.16)

Die Liebe entfaltet sich in Gott: ein Wesen

- Differenzen in drei Personen

- Einheit

Verhältnis: Gott – Welt

- Gott = absolut

Differenz

- Welt = begrenzt/

endlich und geschaffen

Liebe = Band der Einheit

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3.2 Der Mensch innerhalb der Schöpfung 3.2.1 Der Mensch zwischen Endlichkeit und Unendlichkeit

Der sich reflektierende Mensch denkt immer schon über sichhinaus und ist offen für das Ganze der Wirklichkeit. Zugleichist er aber in Distanz zu den Dingen dieser Welt und versehenmit einem nicht austauschbaren Leib. Die menschliche Personist ausgespannt zwischen Einheit und Distanz, zwischenEndlichkeit und Unendlichkeit, zwischen Zeit und Ewigkeit.

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3.2.2 Die Suche nach der Weltformel

Die Suche nach einer Weltformel hat eine zweifache Voraussetzung:

1. Nach Überzeugung der herkömmlichen Physik in Folge von R. Descartes und I.Newton konnte sich der Mensch als erkennendes Subjekt der Natur als exakt meßbaremund vollkommen objektivierbarem Gegenüber annehmen. Voraussetzung dafür sind einexakter Raum und eine exakt gleichbleibende Zeit.

2. Hinter der Suche nach der Weltformel steckt ein enormes Fortschrittsvertrauen. DieWissenschaft, verstanden als Naturwissenschaft, schreitet nach diesem Ansatz immerweiter, bis eines Tages alles in einer Formel zusammengefasst und erklärt ist.

Solche Versuche sind wenig sinnvoll:

a) Die Welt ist nicht vollkommen durch den Menschen objektivierbar, sondern derMensch ist immer auch beeinflussendes, ja manipulierendes Moment derErkenntnis.

b) Auch der Mensch selbst ist nicht vollkommen objektivierbar, was er ja alsTeil der Welt in einer Weltformel sein müßte. Vielmehr greift der Mensch stets ausnach dem Geheimnis des Ganzen, in dem er lebt, von dem her er denkt.

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3.3 Fazit 1. Die Welt ist von ihrem Ursprung her im

Beziehungsverhältnis der drei göttlichen Personen am Ort des Sohnesangesiedelt. In seiner Transzendenz ist Gott immer jener, der seinerSchöpfung immanent ist.

2. Gottes Heilsgeschichte ist eingebettet in eine Geschichte jener Natur, dienoch im Werden ist, aber von Gott geschaffen und getragen ist.

3. Die ausgreifende Offenheit des Menschen, seineTranszendenzbewegung ist ein Ansatzpunkt für die theologischeRede und die Rede von Gott - mitten in der Erkenntnis der Welt als Welt.

4. Theologie und Naturwissenschaften können in ein Korrelationsverhältnisgesetzt werden. Diese Offenheit ist dann der Boden für ein Gesprächmiteinander.

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II. Schöpfung in den Schriften des Alten und des Neuen Testamentes

1.1.2 Die Schöpfungsmythen im israelitischen Umfeld

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Mythische Tradition der Sumerer (3. Jtd. v. Chr.) bzw. Babylonier: Enuma Elisch-Mythos („Als droben ...“):

- Theogonie: Aus zwei Urgottheiten, dem männlichen Apsu undder weiblichen Tiamat, entspringt eine Zeugungsreihe vonGötterpaaren, die der mächtige babylonische (Staats-)GottMarduk beschließt.

- Kosmogonie: Marduk tötet im Kampf die Urmutter Tiamat,aus deren zweigeteiltem Leib das Himmelsgewölbe und dieErdscheibe entstehen.

- Anthropogonie: Marduk erschafft die Menschen zum Dienst für die Götter. Die Menschheit entsteht aus dem Blut des Gottes Kingu, der zur Strafe für seine Schuld am Götterkrieg sterben muss.

12/2

Ägyptische Schöpfungsvorstellung

Schöpfung ist nicht nur auf den Anfang beschränkt, sondern istein unaufhörliches Geschehen.

- Zyklisches Zeitverständnis

- Sonnengott Re allein ist der Weltschöpfer.

- Vorstellung der Schöpfung durch das Wort

12/3

1.2 Die „Urgeschichte“ des Anfangs

Die biblische Urgeschichte ist kein historischerGeschehensbericht im modernen Sinne, sondern eineWesensbeschreibung, die in Werdegeschichten ihren Ausdruckfindet, ohne daß wir diese Werdegeschichten historisch verstehendürfen. Sie liefert keine historischen Informationen über den Anfangdes Kosmos, sondern Urmodelle mit allgemeingültigem Anspruch.

Die Schöpfungsgeschichten haben gerade nicht historischenoder naturwissenschaftlichen Wert, sondern wollen verdeutlichen, daßder wandelbaren Geschichte bleibende Grundstrukturen dieser Weltvorausliegen, in denen sich erst das geschichtliche Leben entfaltenkann. Sie sind keine objektive Weltbeschreibung, sondern eineganzheitliche Weltdeutung im Glauben.

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Christian Link (Schöpfung, 351) schreibt:

„Wer im Sinne von Gen 1,1, muss sich von daher von der Vorstellung naturgeschichtlicher Werdeprozesse trennen, die Rückschluss auf ein Ursprungsdatum von Himmel und Erde nahelegen.“

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1.2.1 Der Jahwist1.2.1.1 Der Mensch in seinem Menschsein

(1) „Adam“: - dem Tier ähnlich (Gen 2,19) - aus Ackerboden geformt (2,7) - lebendiges Wesen (2,7)

(2) Sonderstellung des Menschen: - hat die Erde zu bebauen und zu bewahren (2,7) - ist zu einer Gottesbeziehung fähig (2,7) - vermag eigentätig-kreativ zu schaffen durch Handwerk, Sprache oder

Denken (2,15) - Namengebung der Tiere (2,19f) - Verbot in 2,16f, vom Baum der Erkenntnis zu essen

(3) Zweigeschlechtlichkeit des Menschen (2,23)

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15/2Lucas Cranach, der Ältere (1475-1553): Das Paradies

1.2.1.2 Die Freiheit zur Sünde

Urmodelle des Sündigens

Struktur:

1. Der Ort der Verfehlung ist etwas Naturgegebenes oder Menschliches. 2. Es handelt sich um zu verantwortende Taten, nicht um ein böses Verhängnis. 3. Das Subjekt verwirklicht eine egozentrische Selbstbehauptung

unter Missachtung gesetzter Grenzen gegenüber Gott, Anderen oder derMitwelt.

Sündenmodelle:

- Das erkenntnisbezogene Sündenmodell (Gen 3,1-13) - Brudermord (4,1-16) - Gottessöhne, die sich Menschentöchter zu Frauen nehmen (6,1-4) - Turmbau zu Babel (11,1-9)

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1.2.1.3 Die umfassende Wirklichkeit der Gnade Gottes (1) Nach Gen 2,17 droht Gott zwar dem Menschen den Tod an, aber

- Er wird „nur“ aus dem Paradies vertrieben statt der Todesstrafe.

- Gott selbst fertigt sogar Röcke aus Fellen für die aus dem Paradies Vertriebenen an (3,21).

- Eva erhält den Namen „Mutter aller Lebendigen“ (3,20).

(2) Entfernung aus dem Garten Eden als Ort unmittelbarer Gottesnähe (3,23f):

- Der Frau bringt die an sich gesegnete Mutterschaft Kummer und Schmerz.

- Sie leidet unter der Unterwerfung unter den Mann, die der Schöpfer nicht gewollt hat (3,16).

- Der Mann erleidet Mühsal im Bereich seiner Arbeit.

- Der Ackerboden ist verflucht (3,17-19).

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1.2.2 Die Priesterschrift 1.2.2.1 Eine Vorbemerkung zu Abfassung und Struktur

- Die jüngere Fassung der Schöpfungserzählung (Gen 1,1-2,4a)

wurde in Priesterkreisen während des Exils in Babylon unter

Rückgriff auf mythische Motive (aus dem ägyptischen Ptah-Mythos) verfasst.

- Differenzen zwischen der Schöpfungserzählung der

Priesterschrift und dem ägyptischen Ptah-Mythos:

a) Der Ptah-Mythos überschreitet die Schwelle zur

Transzendenz eines Schöpfers nicht.

b) Das Erst-Werk Ptahs ist die Götterwelt.

18/1

1.2.2 Die Priesterschrift 1.2.2.1 Eine Vorbemerkung zu Abfassung und Struktur

- Unterschiede zwischen den Schöpfungserzählungen der Genesis:

1. Der jeweils vorausgesetzte Urzustand ist verschieden: Gen 2: trockene Wüste - Gen 1: Wasserchaos.

2. Die Reihenfolge des Schöpfungswerkes ist unterschiedlich: Gen 1: Licht, Himmelsgewölbe inmitten der Wasser, Land und Meer,

Grün auf der Erde, Lichter am Himmel, Wassertiere und Vögel, Landtiere, die Menschen.

Gen 2: Erde und Himmel, Mensch (Mann), Pflanzen, Tiere, die Frau.

3. Während Gen 2 stärker mit mythischen Bildern arbeitet (Gottesgarten, Baum des Lebens) und Gott als Handwerker schildert (Töpfer, Gärtner, Chirurg und Schneider), entfaltet Gen 1 ein wesentlich höheres Abstraktionsniveau.

18/2

1.2.2.2 Gottes bara-Tat

- Gen 1,1 ist eine programmatische Überschrift, die alles Folgende vorgängig zusammenfasst:

Alles Außergöttliche hat einen Anfang. Die Erschaffung des Kosmos ist der Anfang aller Geschichte.

- Das Erschaffen erfolgt durch ein wirkmächtiges Sprechen (Gen 1,3; vgl. Ps 33,6.9; 147,15-18; 19,2-5).

- Der von Gott ins Leben gerufene Kosmos ist ganz und gar entgöttert, da er in allem göttliche Setzung ist (Gen 1,14-19).

- Die Schöpfung besitzt eine eigene Würde (Gen 1,11.24; vgl. 1,22.28).

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1.2.2.3 Die Erschaffung des Menschen in seiner Gottebenbildlichkeit

- Norbert Lohfink: Der Mensch ist kein statisches, sondern ein dynamisches Abbild Gottes.

Zum einen soll der Mensch so werden, wie er ursprünglich nach Gottes Konzept, von Gott gedacht war; zum anderen soll der Mensch in seinem konkreten Handeln und Weltauftrag der Weise göttlichen Handelns entsprechen.

-Alfons Deissler: Die Ebenbildlichkeit ist unmittelbar mit der Herrscherlichkeitverbunden (Gen 1,26.28): „Vizekönig“ . Die Abbildlichkeit bezieht sich auf beide Geschlechter und verwirklicht sich innerweltlich als Beziehung von Mann und Frau.

- Debora war „Richterin in Israel“ (Ri 4,4) und „Mutter in Israel“ (Ri 5,7). - Mirjam ist nach Micha 6,4 Heilsgabe an Israel wie Mose und Aaron (vgl. auch Ex 15,20f; Num 12,2). - Hulda entscheidet nach 2 Kön 22,14ff darüber, ob das Deuteronomium Gottes Heilswort ist oder nicht.

20/1

1.2.2.3 Die Erschaffung des Menschen in seiner Gottebenbildlichkeit

Der Schöpfungsauftrag

- Fortpflanzung: Gen 1,28

- „Nehmt die Erde in Besitz“ (N. Lohfink) / „Macht sie euch untertan“ / „Unterwerft sie euch“ (EÜ)

rdh „herrschen“ (Hirtensorge)

kbs „niederwerfen, unterwerfen", „friedliches In-Besitz-Nehmen“

- Herrschaft über die Tiere

20/2

Exegetische Argumente gegen den Vorwurf eines Anthropozentrismus

- Gen 5,1-3 kann man im Sinne eines Anspruchs an den Menschen verstehen:

a) der Mensch hat wie ein König die Schöpfungsordnung zu sichern;

b) wie ein Götterbild hat der Mensch Offenbarungsmedium für Gott in dieser Welt zu sein;

c) wie ein Sohn hat er liebevoll zu verwalten und gestalten.

- Ps 8, der die Herrlichkeit des Schöpfers und die Würde des Menschen beschreibt, ist alles andere als ein rigider Herrschaftsauftrag, sondern primär Lobpreis auf Gott den Schöpfer (vgl. auch Ps 104).

innerbiblisches Deutemuster für Gen 1,26-28

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1.2.2.4 Der „siebte Tag“

Vier Leitgedanken:*

1. Leitgedanke: der Sabbat als Hinweis auf die Vollendung der Schöpfung

2. Leitgedanke: Die Segnung der Schöpfung

3. Leitgedanke: Heiligung der Schöpfung

4. Leitgedanke: Der Sabbat als Fest der Erlösung

[*Vgl. Jürgen Moltmann, Gott in der Schöpfung. Ökologische Schöpfungslehre, München 21985, 279-298.]

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1.2.3 Exegetisch-systematisches Resümee

Die Begrenzung der Schöpfung als anfängliche Ermöglichung kreatürlichen Lebens

a) Die Schöpfung hat ein ihr eigenes Maß.

b) Das rechte Maß wird im Alten Testament auch mit den Begriffen Gerechtigkeit (Hos 4,2f) und Frieden (Jes 11,6-9; 65,25; auch Hos 2,21f) umschrieben.

c) Die maßvollen Proportionen und Relationen der Schöpfung offenbaren eine sinnenfällige Schönheit der Natur.

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1.3.1.1 Das Lob des Schöpfers

- Sir 43,1f. 32f.:

„Die Schönheit der Höhe, das klare Firmament und der gewaltige Himmel sind ein herrlicher Anblick. Die Sonne geht auf und erglänzt in vollem Licht, ein staunenswertes Gestirn, das Werk des Höchsten. [...] Die Menge des Verborgenen ist größer als das Genannte, nur wenige von seinen Werken habe ich gesehen. Alles hat der Herr gemacht, und den Frommen hat er Weisheit verliehen“.

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1.3.1.1 Das Lob des Schöpfers

- Ps 95,1.4-7:

„Kommt, laßt uns jubeln vor dem Herrn und zu jauchzen dem Fels unseres Heiles! [...] In seiner Hand sind die Tiefen der Erde, sein sind die Gipfel der Berge. Sein ist das Meer, das er gemacht hat, das trockene Land, das seine Hände gebildet. Kommt, laßt uns niederfallen, uns vor ihm verneigen, laßtuns niederknien vor dem Herrn, dem Schöpfer. Denn er ist unser Gott, wir sind das Volk seiner Weide, die Herde, von seiner Hand geführt. Ach würdet ihr doch auf seine Stimme hören! Verhärtet euer Herz nicht wie in Meriba, wie in der Wüste am Tag von Massa ...“.

24/2

1.3.1.1 Das Lob des Schöpfers

Theologisch können wir vier bedeutsame Aussagen festhalten:

Psalm 104

1. Alle Bereiche der Welt sind im Licht des Glaubens transparent auf den Schöpfer hin.

2. Das göttliche Walten ist kontinuierlich, ist beständiges Schöpfertum, creatio continua.

3. Alles Erschaffen ist Tun des Bundesgottes, so dass alle Schöpfungsgaben Vorgaben einer eschatologischen Zukunft sind. Der Vers 35 ist der negative Ausdruck dieser neuen Welt.

4. Der Mensch ist nicht nur wie das Tier ein Lebewesen in der Welt, sondern vorab ein an der Welt Wirkender (Vers 23). Er ist zum kulturellen Tun ebenso berufen wie zum Lob Gottes.

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1.3.1.2 Die mitschöpferische Weisheit Gottes. Systematische Folgerungen aus der Weisheitsspekulation Spr 8,22-26

- Die Weisheit ist eine von Gott der Welt eingestifteteOrdnung, die aus der immanenten Qualität der Schöpfung heraus zum Menschen spricht: Der Mensch befindet sich in einem Wechselverhältnis mit der Schöpfung insgesamt (Beziehungsverhältnisse statt Trennung von Subjekt und Objekt).

- Sofern der Mensch ein Moment im umfassenden Weltganzen ist und sich selbst so versteht, muß er sich auf die Spielregeln dieser Schöpfung einlassen.

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- Sofern man die Gesamtstruktur des Kosmos als Spielstruktur deutet, ergibt sich ein zweifaches:

a) Im Weltspiel hat die Möglichkeit den Vorrang vor der Wirklichkeit.

b) Im Spiel der Schöpfung kommt etwas zur Darstellung. Die Welt in ihren spielerischen Beziehungsebenen ist transzendent auf Gott den Schöpfer hin, sie ist Darstellungsraum Gottes (Christian Link).

26/2

1.4 Die befreite Schöpfung

Schöpfung und Erlösung bei Tritojesaja

1. Sozialkritischer Akzent: Trotz der Heimkehr aus dem Exil fehlt vielen Juden ein schöpfergerechtes und mitgeschöpfliches Verhalten gegenüber sozial Benachteiligten (66,2). Deshalb wird die Mahnung zu sozialem Engagement laut, das Gott mehr ehrt als jeder neuaufgebaute Tempel (66,1-4).

2. Kosmologischer Akzent: Die verheißene neue Zukunft (65,17f) wird in sehr naturfreundlichen Bildern ausgemalt:

- „Wolf und Lamm weiden zusammen, der Löwe frißt Stroh wie das Rind“ (65,25), so dass der Kreislauf von Fressen und Gefressen-Werden aufgehoben wird.

- Für die Menschen gilt: „Sie arbeiten nicht mehr vergebens, sie bringen nicht Kinder zur Welt für einen jähen Tod“ (65,23). „Man tut nichts Böses mehr“ (65,25).

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2. Schöpfung im Neuen Testament

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2.1 Jesu Verkündigung in Anknüpfung an jüdische Schöpfungstheologie

a) Jesus besitzt eine große Aufmerksamkeit für die Schöpfungswerke Gottes (Gleichnisse: z.B. Mt 13; Mt 4,18-22; Mt 20,1-16; Mt 18,12-14; Mt 13,33).

b) Jesus weiß um Gottes Fürsorge für seine Schöpfung (Mt 6,8). c) Gott, der Schöpfer, ist der liebende Vatergott aller Menschen (Mt

6,25-34; Mt 5,45; Mt 5,43-47). d) Jesus ist um die Restitution der guten Schöpfungsordnung bemüht

(Mt 12,18; Mk 12,18-27; Mk 10,2-12; Mt 19,3-9).

Fazit: Jesu Botschaft enthält deutlich universalistische Züge, die er im Rückgriff auf jüdische Traditionen schöpfungstheologisch begründen kann.

28/2

2.2 Christologische Schöpfungslehre bei Paulus

2.2.1 Die Schöpfung im Spannungsfeld von Sünde und Gnade

2.2.2 Die Hoffnung der seufzenden Schöpfung

Zwei Grundaussagen von Röm 8: a) Die Natur ist keineswegs bloßes Objekt menschlicher

Selbstverwirklichung, sondern die ktísis ist ein umfassender Geschehenszusammenhang, in den der Mensch eingeordnet ist -negativ wie positiv.

b) Die Hoffnung, dass der Natur als Schöpfung Gottes eine Befreiung von aller Endlichkeit und Verknechtung verheißen ist, kann nicht vom Menschen eingeholt werden, sondern setzt ganz und gar auf das Tun Gottes.

29/1

2.2.3. Christus - Herr über die Schöpfung

Wenn der erhöhte Christus Sünde und Tod überwunden hat, dann hat dies Konsequenzen für

a) die Schöpfung als solche, die zu einer neuen Schöpfung geworden ist; b) den Zusammenhang von Schöpfung und Christus als

Schöpfungsmittler: vgl. Kol 1,15-19.

Trinität

Jesus = Christus = der Sohn

Erscheinungen/ bes. Erfahrungen

Menschwerdung

X ----------------

Protologie Jesu Leben Kreuz und AuferstehungImmanente TrinitätLogos beim Vater

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der reale der neue Mensch - Jesus Christus

in Christus hat eingeholt…

Adam = Typus (!) des sündigen Menschen:

zur Schöpfung gehört: - Ende - Tod (biologisch)

Sünde prägt: - das Sterben - den Tod

31

32

AT Gott schafft die Schöpfung

durch Wort durch Weisheit

NT Christus, der Herr der Schöpfung, Wort/ Logos (Joh 1, 1ff; Kol. 1, 12ff)

1) Der Vater hat die Welt am „Ort“ des Sohnes (innertrinitarisch) geschaffen.

2) Das menschgewordene, göttliche Wort kann in die Welt gehen, um die „sündige Schöpfung“ zu erlösen: Heilökonomie.

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2.3 Schöpferliebe zu einer zweideutigen Welt nach Johannes

a) Zur Anerkenntnis dieser Welt in ihrer materiellen Struktur

- Joh 1,14 - 1 Joh 3,14f

- Joh 3,3-8 - Joh 3,18

b) Johannes’ kritische Distanz zu dieser Welt

- Joh 12,31; 14,30 - Joh 8,23 - 1 Joh 2,15

- Joh 3,16 - Joh 1,10f

c) Zur Fleischwerdung des Logos als Grund für die

Errettung des Geschöpfes

- Joh 1,1.14 - Joh 1,3

34

2.4 Fazit Die Einbindung der Christologie in die jüdisch- alttestamentliche

Schöpfungstheologie verfolgt im wesentlichen drei Interessen:

- Die paulinische Verkündigung möchte aufgrund des Kreuzes- und Ostergeschehens als Rechtfertigungs- und Erlösungsereignis die Neuschöpfung des Menschen in Christus hervorheben (Taufe), damit die Gläubigen als Glaubensgemeinschaft in der Hoffnung auf die zukünftige Vollendung schon jetzt in dieser Welt in Christus leben.

-Die Inanspruchnahme der Hoheitstitel „Erstgeborener der Schöpfung“ und „Schöpfungsmittler“, die in der jüdischen Theologie auf die Weisheit und das Wort Gottes bezogen waren, für Jesus Christus soll sein göttliches Wesen zum Ausdruck bringen.

-Die Schöpfungs-Christologie ermöglichte es den ersten Christengemeinden, ihr Bekenntnis zu Jesus als Erlöser der gesamten Menschheit im jüdischen und hellenistischen Kontext verständlich zu machen.

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III. Systematische Aspekte der Schöpfungstheologie 1.1 Creatio ex nihilo

„Wir schreiben die Schöpfung der Weltmaterie, der Kraft und dem Willen des allerhöchsten Gottes zu. [... ] Menschen vermögen nicht, aus nichts etwas zu machen, sondern sie bedürfen der Materie als Unterlage. Gott aber ist darin den Menschen zuerst überlegen, daß er die Materie seiner Schöpfung, die vorher nicht war, selbst erfand.“ (Irenäus, Adv. haer. II,10,4.)

Fazit: Die Rede von der creatio ex nihilo gilt weniger dem Interesse am

Geschöpf, sondern allein dem Schöpfer in seiner alleinigen, umfassenden und absoluten Wirkmacht. Nicht die Frage, woraus Gott den Kosmos schuf, ist hier entscheidend, sondern wer geschaffen hat und wie er die Schöpfung gewirkt hat.

36

1.2 Schöpfung als fortwährender Prozeß: creatio continua

a) Die Schöpfung am Anfang creatio originalis bzw. prima ist ein voraussetzungsloses Geschehen; sie gründet im freien LiebesentschlußGottes und enthält viele Möglichkeiten und Potentialitäten, um sich zu entfalten. Ziel dieser sich entfaltenden Schöpfung ist das vollendete Reich Gottes, in dem die Schöpfung ihre vollendende Erfüllung findet. Dieser Erfüllungszustand wird creatio nova genannt.

37/1

1.2 Schöpfung als fortwährender Prozeß: creatio continua

b) Von der creatio originalis zu unterscheiden ist die fortgesetzte Schöpfung: die creatio continua. Damit ist das kontinuierliche Erhalten der einmal geschaffenen Schöpfung gemeint. Es ist dies einerseits ein Bewahren der creatio originalis, aber andererseits ein Vorbereiten und Öffnen für die creatio nova. Gemeint ist ein geschichtliches Schaffen Gottes, das die geschaffene Welt nicht dadurch abwertet, dass Gott immer wieder von außen eingreift, um sie zu erhalten. Vielmehr kann man sich Gottes geschichtliches Schaffen so vorstellen, dass im Spannungsfeld von gegebenen Gesetzmäßigkeiten oder Anlagen plötzlich Neuerungen auftreten, die dem ganzen Geschehen eine neue Tendenz, neue Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen.

38/2

1.3 Die Rede von der sog. „Erbsünde“

39/1

Michelangelo Buonarotti: Deckenfresko zur Schöpfungsgeschichte in der Sixtinischen Kapelle

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9

1.3 Die Rede von der sog. „Erbsünde“ Röm 5,12:

Altlateinische Übersetzung: „die Sünde kam in die Welt durch einen einzigen Menschen [...], in dem alle

sündigten“.

Korrekt: „die Sünde kam in die Welt durch einen einzigen Menschen [...], weil alle

sündigten". [Vgl. Ulrich WILCKENS, Der Brief an die Römer (EKK VI/1) 306.316.]

Griechischer Text: Dia. tou/to w[sper diV e`no.j avnqrw,pouh` a`marti,a eivj to.n ko,smon eivsh/lqen

kai. dia. th/j a`marti,aj o` qa,natoj( kai. ou[twj eivj pa,ntaj avnqrw,pouj o`qa,natoj dih/lqen( evfV w-| pa,ntej

h[marton\

39/2

Röm 5, 12ff. Adam

Schritte:

Die Sünde in einem überindividuellen Charakter dargestellt (Typus)

Numerische Universalität

Der Adam hat „erstmal“ gesündigt

Wir sündigen (Erbschuld)

40

5 Typen der Urschuld („Erbschuld“)

a) die alte Theologie geht von einer historisch-naturalistische Interpretation aus. Ein solches historisches Verständnis von Adams Schuld ist heute nicht haltbar.

b) Der symbolisch-hermeneutische Typus möchte den erzählenden Adammythos als Hermeneutik der religiösen Erfahrungen verstehen. (Ricoeur).

c) Der geschichtlich-situative Interpretationstypus möchte von einer schuldig-vorgängigen Solidärität ausgehen. Dabei befindet sich der Mensch in einer situativen Situation, der diese Freiheit prägt.

d) Die vierte Möglichkeit möchte die Urschuld tiefenpsychologisch deuten.

e) Eine sprachtheologische Rekonstuktion der Erbsünde kommunikativ erhellen. Die Ursünde stört die Kommunikation zwischen Gott und den Menschen, womit der Mensch seine wahre Identität nicht finden kann. Weder die wahre Kommunikation zwischen den Menschen und Gott sowie der Menschen untereinander können keine wahre Identität fundieren.1

1) Vgl. Medard Kehl, Und Gott sah, dass es gut war. Eine Theologie der Schöpfung, Würzburg 2006, 291 (Sievernich).

41

Eichendorff:

Wünschelrute:

Schläft ein Lied in allen Dingen, die da träumen fort und fort und die Welt hebt an zu singen, triffst du nur das Zauberwort.

Transparenz / Ästhetik

Oberfläche ↑↓

Tiefe

- Schönheit } Geheimnis/Schöpfer - Innere Ordnung bes.

42

1.4 Die Transparenz der Natur für das Geheimnis der Schöpfung

Wir können festhalten:

a) Die Natur-Welt vermag in ihrer Geordnetheit, Schönheit, aber auch in ihren Brüchen transparent zu werden für ein letztes tragendes Geheimnis dieser Welt, das wir Gott nennen.

b) Wer oder was dieses Geheimnis jedoch ist, können Juden und Christen nur aufgrund der Selbstoffenbarung Gottes in diese Welt hinein sagen.

- Die Natur ist transparent für die Schöpfung Gottes und sein Heilshandeln in der Welt. Sie kann zum Symbol werden für Gottes Nähe.

43

1.5.2 Gott als Ziel der Schöpfung

Es gilt nicht:

Zeit

Ewigkeit Ewigkeit

Sondern es gilt:

Ewigkeit

Zeit

44

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10

1.5.3 Futurum und adventliches Novum

Es sind zu unterscheiden: a) die Zeit der Welt als Werdeprozeß, wo die Zukunft als

Resultat aus der Vergangenheit hervorgeht (= futurum),

und

b) der Adventus Gottes, der als Ermöglichungsgrund allen Zeiten gegenübersteht. In dieser Spannungsbreite kann sich der Mensch entscheiden: für eine Natur mit einer futurischen Zukunft oder für eine Schöpfung mit einer adventlichen Zukunft.

Entscheide ich mich für b), dann ist Gott nicht in die Gegebenheiten dieser Welt einzuordnen, sondern er erscheint adventlich als Novum in den Gegebenheiten dieser Welt.

45

Gesetz und Kontingenz

Gott / Erstursache → Ursachen

bei

Gleicher Zeit

Gleichem Raum

Gesetze

Determinismus

Physik Quantenphysik

Oberfläche Radium B-Atome

Gesetz Elektronen

Warum? Wann? Richtung?

Wahrscheinlichkeiten! 46

2.1 Gesetz und Kontingenz 2.1.1 Physikalische Einsichten

„Das Leben ist auf der Erde erschienen; wie groß war vor dem Ereignis die Wahrscheinlichkeit dafür, daß es eintreffen würde? Aufgrund der gegenwärtigen Struktur der belebten Natur ist die Hypothese nicht ausgeschlossen - es ist im Gegenteil wahrscheinlich, daß das entscheidende Ereignis sich nur ein einziges Mal abgespielt hat. Das würde bedeuten, daßdie a priori-Wahrscheinlichkeit dieses Ereignisses fast null war.“

[J. Monod, Zufall und Notwendigkeit. Philosophische Fragen der modernen Biologie, München 21971, 178.]

47

2.1.2 Theologische Deutung Gesetz und Kontingenz - Überlegungen Wolfhart Pannenbergs -

- Die Geschichte Israels ist eine Geschichte von Kontinuität und Kontingenz.

- Dieser Kosmos ist kontingent (Freiheit der göttlichen Schöpfungstat). Kontingenz ist ein Moment schöpferischen Handelns, durch das Neues entsteht: Gott schafft in Liebe Neues und legt den Ermöglichungsgrund für eigenständiges Leben.

„Die Ordnungen des Naturgeschehens erscheinen in theologischer Perspektive als kontingente Setzungen der schöpferischen Freiheit Gottes. Die Einheit von Kontingenz und Kontinuität im schöpferischen Wirken Gottes aber ist in theologischer Sicht begründet in der Treue Gottes.“

[Wolfhart Pannenberg, Schöpfungstheologie und moderne Naturwissenschaft, in: Gottes Zukunft - Zukunft der Welt, 282.]

48

2.2 Chaos und Selbstorganisation 2.2.1 Naturwissenschaftliche Erkenntnisse

49

Aus: Eigen, Manfred/ Winkler: Das Spiel. Naturgesetze steuern den Zufall. München, Zürich 51983, S.117.

2.2 Chaos und Selbstorganisation 2.2.1 Naturwissenschaftliche Erkenntnisse

50

Aus: Eigen, Manfred/ Winkler: Das Spiel. Naturgesetze steuern den Zufall. München, Zürich 51983, S.121.

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11

2.4 Resümee

Die auch naturwissenschaftlich anerkannte Offenheit naturaler Prozesse innerhalb der Dynamik der Selbstorganisation im Spannungsfeld von Chaos und Notwendigkeit erweist die Welt resp. die Natur als „gottoffenes System“, da sie sich immer neu dem statusquo gegenüber transzendiert. Letztlich wird die Welt damit transparent für ihren Ursprung und ihren tragenden Grund: Gott den Schöpfer. Aber zugleich ist die Welt Medium der Anwesenheit Gottes, der den Menschen nahe sein will und ihnen sein Heil, seine Lebensgemeinschaft schenken möchte.

51

B. Sakramententheologie

52/1Hopffe – Mittelbild des Wrisberg-Epitaph im Hildesheimer Dom, 1585

I. Die Krise als Chance 1. Krisenphänomene

- Das Heilige hat in unserer säkularisierten Welt keinen Platz mehr. - Ein materialistisch-rationalistisches Welt- und Selbstverständnis

bevorzugt eingeschränkte Erkenntnisformen. - Der feste Ritus sakramentaler Handlungen scheint jede eigene

Kreativität zu verhindern.

Dem stehen andere Erfahrungen gegenüber: - Die Sehnsucht des Menschen nach Transzendenz - Die Suche nach Erfahrungsformen ganzheitlichen Lebenssinnes - Dialog und Kommunikation als Grundlagen geglückten

Zusammenlebens und gemeinsamer Sinnfindung - Symbole und Gesten (Freundschaftsbänder, rote Rose, Kuss)

52/2

2.2.2 Der Begriff Symbol und die Bedeutung des Wortes

Ursprünglich: Gasterkennungsmarke als verabredetes Zeichen oder ganz allgemein das Zeichen für einen Leistungsanspruch. Dazu zerbrach man ein beschriftetes Tonstück, und jeder der Vertragspartner erhielt einen Teil, womit die Verbundenheit der beiden Teile und Partner sehr sinnenfällig zum Ausdruck kam. Christliche Antike: Symbolon als Name für das christliche Glaubensbekenntnis.

Kirchenväter:

- Origenes: Die Sakramente werden allgemein „symbola“ genannt (PG 13, 1242 nota 72). - Serapion (Eucholog. 13,12ff) erkennt eine

Geschehensähnlichkeit zwischen dem gebrochenen Brot und dem in den Tod gegebenen Leib Christi.

53

2.2.3 Die kommunikativ-gemeinschaftliche Dimension des Symbols

Kategorial Anschauliches Transzendenz

Subjekt Symbol-Objekt

sozialSubjekt Weltganzheit

geschichtlich

Gefühle, Eindrücke Intellekt/WortEmotionale Bindungen

54

3. Christologische Begründung

Ausgehend vom Ursakrament Christus, bestimmt E. Jüngel das Wesen des Sakramentes als

"die Menschlichkeit Gottes, die als solche die Göttlichkeit Gottes so offenbart und

vermittelt, daß der Glaubende in der Teilhabe an der Menschlichkeit Gottes erfährt und erkennt: Gott ist in seiner

Göttlichkeit menschlich".

(E. Jüngel, Das Sakrament - was ist das? Versuch einer Antwort, in: E. Jüngel/K. Rahner, Was ist ein Sakrament? Vorstöße zur Verständigung (KÖS 6), Freiburg u. a. 1971, 55.)

55

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12

Geist/ LiebeVater Sohn/ Logos

wurdeJoh 1,1

Mensch Medium der AndereJesus

Jesus Christus/ Logos Menschwahrer Gott

Jesus Christus = Ursakrament

56

Jesus (Christus) = Medium

Tod

Auferstehung

Jesus – Christusist der Auferstandene = Gottes Sohn

lebt beim Vater

er ist in der Welt anwesend durch:- Geist- Wort

- symbolische Handlungen

57

4. Was ist ein Sakrament?

1. Ein Sakrament ist ein vom trinitarischen Gott getragenes, dynamisches Wort- und Symbolgeschehen im Sinne eines dialogischen Begegnungsgeschehens zwischen Gott und Mensch.

2. Dieses Ereignis gründet im vorgängigen Inkarnations-geschehen sowie in der Lebenshingabe Jesu bis zu seinem Tod als Liebeszuspruch des sich mitteilenden Gottes.

3. All dies entfaltet sich kraft des Heiligen Geistes und durch das Wirken der dazu ermächtigten Kirche in die Zeit hinein, um in konkreten Lebenssituationen den Menschen Gottes Gegenwart auf leibhaft-symbolische Weise erfahrbar zu machen.

58

II. Jesus Christus - Ursymbol des Sakramentalen 2. Jesus Christus: "Mysterium" und "Ursakrament"

Vier wichtige Momente des biblischen Mysterion-Begriffs:

- Das Christusmysterium besitzt Offenbarungsfunktion; das sich Zeigende ist ästhetisch, es hat ein Dahinterliegendes, das sich zeigt.

- Es umgreift soteriologisch die Dimension des Handelns, da es aus Jesu Leben und Tod entspringt und in Gottes Offenbarungshandeln gründet (vgl. Eph 1,9ff).

- Es bezeichnet ein Geschehen in einer geschichtlichen Situation, da Gott sich in der Zeit offenbart.

- Initiator dieses Heilshandelns ist der Vater Jesu Christi (Eph1,3), so dass das Christus-Mysterium ohne steten Transzendenzbezug nicht denkbar ist.

59

2.1 Gleichnisse: Tat-Worte des Gottesreiches

Verkündigungsgehalt

Christ heute

Hl. GeistPerson Jesu

“Im Gleichnis spitzt sich die Sprache so zu, daß das, wovon die Rede ist, in der Sprache selber konkret wird und eben dadurch die Angesprochenen in ihrer eigenen Existenz neu bestimmt. Im Gleichnis ereignet sich etwas, und zwar so, daß sich dann auch durch das Gleichnis etwas ereignet.“

[Eberhard Jüngel, Gott als Geheimnis der Welt, Tübingen 31977, 400.]

60

2.2 Die Zeichen- oder Symbolhandlungen Jesu

Zeichenhafte Handlungen Jesu sind u. a.:

- Die Mahlgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern, in der sich Gottes eschatologisches Heilsangebot an alle Menschen realisiert.

- Die Berufung der Zwölf als Wiederherstellung der 12 Stämme Israels (vgl. Lk 12,28).

- Die Heilungen: Jesus berührt den Aussätzigen (Mk 1,41), legt einem Taubstummen die Finger in die Ohren und berührt die Zunge mit Speichel (Mk 7,33), er legt der gekrümmten Frau die Hände auf den Rücken (Lk 13,13).

61

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3. Fazit Gottes Selbstoffenbarung ereignet sich sakramental-kommunikativ.

Materielle und worthafte Momente in jeweiliger gegenseitiger Verwiesenheit als Weisen der Selbstbezeugung Gottes betreffen den Menschen in seiner Aufnahme-, Verstehens- und Entscheidungsfähigkeit, so dass es zum dialogisch-kommunikativen Geschehen zwischen Gott und Mensch kommt.

In Jesus Christus vollendet sich dieses Ereignis auf verschiedene Weise:

1.Indem der Logos Fleisch wird, ist menschliches Leben und der menschliche Leib unmittelbar von Gottes Offenbarung und Selbstmitteilung zum Symbol erhoben und gleichzeitig zum Dialog befähigt. Denn Jesus ist der Glaubende und Gott Antwortende par excellence.

2.In der Menschwerdung Jesu Christi ergeht der Anspruch Gottes sowie sein Heilsangebot durch menschliches Wort und kreatürliches Handeln auf allermenschlichste Weise an den Menschen - ohne damit der göttlichen Transzendenzdimension verlustig zu gehen (Chalkedon). Wort und Symbol sind die Medien schlechthin, in denen die Gott-Mensch-Begegnung sich vollzieht - zur Glückseligkeit (Heil) und Vollendung menschlichen Daseins.

62

III. Die Kirche in ihrer sakramentalen Struktur 1.2 Die sakramentale Struktur der Kirche

- Mt 5,14: "Ihr seid das Licht der Welt" (vgl. V.16).

- Joh 17,21: "Alle sollen eins sein ..., damit die Welt glaubt ...".

- Der paulinische Gedanke des Leibes meint den Kreuzes-und Auferstehungsleib Christi als Ort des Handelns Gottes (Röm 7,4; Phil 3,21!), an dem der Christ durch die Taufe Anteil gewinnt und in den er eingegliedert wird (vgl. Röm 12,5).

- Im Epheser- und Kolosserbrief wird eine weitgehende Gleichsetzung von Leib Christi und (Gesamt-)Kirche vorgenommen, so daß die Kirche als Leib Christi "die Erscheinungsform und Repräsentation des Hauptes in dieser Welt <ist>" (Heinrich Schlier, Epheserbrief 34).

63

2. Die Rede von der Kirche als „Sakrament“ 2.2 Die Aussagen des II. Vatikanischen Konzils

Die Kirche ist keine in sich ruhende Größe, sondern ihre analoge Sakramentalität, ausgespannt zwischen sozialer Struktur und göttlichem Heilsangebot, verweist auf ihre polar-kommunikative Struktur ministerialer Art zwischen Gott und Mensch. Nicht die Kirche selbst ist das Heil, wohl aber besitzt sie Dienstfunktion bei der Vermittlung des Heils.

Sofern nun LG 48 von einem "allumfassenden Heilssakrament" spricht oder LG 59 die Kirche als "Sakrament des menschlichen Heiles" bezeichnet, ist Kirche hier weniger von ihrem Wesen her, sondern vielmehr in ihrem kommunikativ-vermittelnden Engagement Sakrament des Heiles.

Sie ist Zeichen und Werkzeug (vgl. LG 1.8.9) für das Heil, für die Einheit mit Gott. 64

IV. Geschichtliche Aspekte 1. Tertullian 1.1 Der Terminus „sacramentum“ 

- Bereits vor Tertullian, aber gerade auch bei ihm nachprüfbar, wird in Bibelübersetzungen oder in biblisch orientierten Texten mysterion mit sacramentum übersetzt.

- Tertullian selbst bezeichnet mit sacramentumdie alttestamentliche, verhüllte Vorbereitung des in Christus geschenkten Heiles (adv. Marc. II,27).

65/1

Mit sacramentum kann bezeichnet werden:

- Eine Person oder ein Gegenstand, die als Symbol und Zeichen auf das Heil verweisen,

- das Heil in Christus bzw. der Inhalt des christlichen Glaubens.

- Tertullian übernimmt den Begriff sacramentum aus der Militärsprache:

-Fahneneid, die Verpflichtung zum Dienst. Dieser Akt wurde öffentlich von einer Autorität entgegengenommen und war (möglicherweise) mit einer Kennzeichnung, Signierung verbunden (character).

- Tertullian überträgt diese soldatische Übereignung auf das Taufversprechen des Täuflings, um die Indienstnahme des Täuflings durch Christus zum Ausdruck zu bringen.

65/ 2

Taufhandlung

Nach einer Vorbereitungszeit, die wohl bereits einem festen Ritual entsprach, begann der Taufakt mit der Epiklese über das Taufwasser. Daran hat sich die Abrenuntiationangeschlossen. Es folgt das dreimalige Untertauchen im Namen des dreifaltigen Gottes - verbunden mit einem gesprochenen Bekenntnis des Täuflings auf die Fragen des Täufers. Anschließend wurde eine Ölsalbung und Handauflegung unter Gebet vorgenommen.

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In der Schrift über die Taufe (De baptismo, 13) spricht Tertullian von sacramentum fidei:

„ [...] sobald der Glaube an Umfang gewonnen hatte durch den Glauben an Christi Geburt, sein Leiden und seine Auferstehung, kam auch eine Erweiterung durch das Sakrament hinzu, die Besiegelung durch die Taufe, als äußere Hülle für den Glauben [...]“ (Tert., bapt. 13).

67

1.3 Ergebnis

Der ganze Taufakt ist ein sakramental-dialogisches Interaktionsgeschehen auf doppelter Ebene, da der Mensch-Mensch- Dialog über sich hinaus auf den Gott-Mensch-Dialog verweist bzw. von dorther zu verstehen ist, weil Gott das Heil sakramental schenkt. Innerhalb dieses ganzheitlichen Ereignisses vollzieht sich das sacramentum.

68

2. Augustinus

a) Das philosophische Fundament Zeichentheorie Augustinus': "Ein Zeichen ist eine Sache, die außer ihrer sinnenfälligen Erscheinung aus sich

heraus noch etwas anderes ins Bewußtsein gelangen läßt" (De doctr. christ. III 9,13; PL 34,70).

b) Verbum, signum, res

- Ein besonderes Zeichen ist für Augustinus das Wort, das verbum, das als bezeichnendes äußeres Wort (dictio) unterschieden wird von seiner geistigen Bedeutung (dicibile).

- Entscheidend ist nun, dass der signum-Charakter der Sprache vom Äußeren zum Inneren verweist. Das signum auf der materiellen Ebene läßt den Geist - entsprechend der platonischen Ontologie - zum Bereich der res, der Intelligibilia vorstoßen.

69

2.3 Sakramente als signa sacra

Die sacramenta als signa sacra stehen in einem unlösbaren Spannungsverhältnis zweier Pole:

1. Gottes Wirken in der Geschichte sowie im Menschsein Jesu - im Sinne christlicher Glaubensüberzeugung;

2. Die absoluten Ideen und der Eine i. S. des Neuplatonismus mit einer unüberwindbaren Kluft zwischen Sinnen- und Ideenwelt.

- Auf der einen Seite bewirken die Sakramente das, was sie bezeichnen. Denn die Gnade ist objektiv in ihnen gegeben (signum efficax gratiae) (Ep 98,9); auf der anderen Seite bestimmt Augustinus die Sakramente gut neuplatonisch als "Vehikel, die uns ans Ziel bringen sollen" (C. P. Mayer, Philosophische Voraussetzungen ,74).

70

3. Entwicklungsstationen im Mittelalter - Hugo von St. Viktor (+ 1141) forderte drei Wesensbestandteile:

a) Schöpfungsbegründete Ähnlichkeit der Elemente mit der Gnade

b) Fähigkeit des Bezeichnens aufgrund einer Stiftung durch Christus

c) Wirkmacht, die Gnade zu spenden, da aufgrund einer Weihe durch einen Sachwalter ein Sakrament die Gnade wie ein Gefäß in sich enthält.

- Petrus Lombardus (+ 1160) geht erstmals von der Siebenzahl aus und stellt Fragen nach Wirkung und Ursache der Gnade. Drei Momente bestimmen seines Erachtens ein Sakrament:

a) Das Sakrament ist Zeichen einer hl. Sache (Augustinus).

b) Das Sakrament ist die sichtbare Form der unsichtbaren Gnade.

c) Man spricht von einem Sakrament im eigentlichen Sinne, wenn ein Zeichen der Gnade Gottes, eine Form der unsichtbaren Gnade deren Bild trägt und als deren Ursache (causa gratiae!) da ist.

- Zwischen 1148 und 1152 wurde die Siebenzahl in der Pariser Schule herausgearbeitet. 71

3.3 Thomas von Aquin 3.3.2 Die Bestimmung der Sakramente

Sakrament ist „Zeichen einer heiligen Sache, insofern diese den Menschen heiligt“ (S. th. 60 a 2).

Sacramentum - signum rememorativum (Rückbindung an Jesu Leiden) - signum demonstrativum (Aufweis dessen, was bewirkt wird) - signum prognosticum (eschatolog. Vorverweis)

Die Struktur des Sakramentes in theol. Bestimmung wird in eine analoge Beziehung zur aristotelischen forma-materia-Entsprechung gebracht:

Wort - sinnenfällige Handlung (= materia)

forma materia

72

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15

3.4 Das sog. Armenierdekret des Konzils von Florenz (1438-1445)

1. Die Siebenzahl der Sakramente wird festgeschrieben, und zwar in der uns bekannten Reihenfolge (DH 1310).

2. Es heißt im Blick auf die Sakramente des Alten Bundes: „Diese nämlich bewirkten die Gnade nicht, sondern zeigten nur an, daß sie durch das Leiden Christi gegeben werden sollte“ (DH 1310). Daraus ist dann positiv für die Sakramente des Neuen Bundes zu schließen, daß diese die Gnade bewirken.

3. Für die Struktur der Sakramente wird festgelegt: Es bedarf für den Vollzug der Materie, der Worte als Form und der „Person des Spenders, der das Sakrament erteilt in der Absicht, zu tun, was die Kirche tut; wenn irgend etwas fehlt, kommt das Sakrament nicht zustande“ (DH 1312).

4. Die Sakramente werden in ihrer anthropologischen Einbettung beschrieben (DH 1311).

73

V. Systematische Aussagen 1. Die Herkunft der Sakramente von Christus 1.1 Aussagen der Tradition

Augustinus: Einsetzung aller Sakramente durch Christus. Er betont aber darüber hinaus ihren mystischen Ursprung im Gekreuzigten.

Hugo von St. Viktor bindet Taufe und Eucharistie an das Tun Jesu bei gleichzeitiger Einordnung in den gesamten Heilswillen Gottes, so dass Christus seine Vollmacht auch in die Kirche weitergeben kann. Deshalb ist die extrema unctio „ab apostolis institutum“.

74/1

Magister Simon deutet die Sakramente in ihrer Siebenzahl nicht von der historischen Einsetzung her, sondern in ihrer Christus- und Kirchenbezogenheit.

Thomas beruft sich diesbezüglich aber nicht nur auf die Hl. Schrift, sondern auch auf die mündliche Überlieferung der Apostel. Bedeutsam ist für ihn vor allem der Ursprung der Sakramente in Kreuz und Auferstehung (vgl. S.th. III 66 a 2).

Das Konzil von Trient legt sich weder auf den historischen Jesus noch auf die nähere Weise der Einsetzung fest.

Die nachtridentinische Theologie behauptet eine unmittelbare Einsetzung aller Sakramente durch Christus.

74/2

1.2 Antwortversuche heutiger Theologie 1.2.1 Aussagen der Exegese

- Die Rückführung der Sakramente auf den historischen Jesus stellt vor erhebliche exegetische Probleme (vgl. H.-J. Klauck, Gemeinde, Amt, Sakrament 273).

- Der Taufbefehl in Mt 28,19 wie auch die Bevollmächtigung zur Sündenvergebung in Joh 20,23 sind jeweils nachösterliche Vollmachtsübertragungen.

- H.-J. Klauck: „Erst das Osterereignis ermöglicht es, Zeichenhandlungen in Sakramente zu transformieren“ (ebd. 284).

- Sogar die Aufforderung zur wiederholenden Gedächtnisfeier (Verse 24 und 25) in 1 Kor 11,23ff als ältestem Text ist nicht eindeutig als ipsissimavox Jesu nachweisbar.

- Somit gehört zur inneren Voraussetzung für das Entstehen der Sakramente das Osterereignis.

75

Klauck schreibt:

„Indem Jesus sich selbst und seinen Tod in das Mahl hineingibt, eröffnet er die Möglichkeit bleibender Kommunikation auf einer neuen Ebene, die zurückbezogen bleibt auf die Praxis des Irdischen und nach vorne blickt auf die endgültige Vereinigung mit ihm in der vollendeten Gottesherrschaft.“

Daraus folgt: Für das Verstehen der sakramentalen Realität bedurfte es der Auferstehung. Klauck notiert: „Erst das Osterereignis ermöglicht es, Zeichenhandlungen in Sakramente zu transformieren.“

76

1.2.2 Aussagen der systematischen Theologie

Johann Auer rekurriert sehr stark auf den historischen Jesus als Stifter aller Sakramente.

Karl Rahner geht ebenfalls von der Stiftung der Kirche aus. Grundlage für sein Verständnis ist die Vorstellung von einer „dreistufigen Sakramentalität“ mit Christus als „sakramentalem Urwort endgültiger Gnade“ (Rahner, Kirche und Sakramente 17), der Kirche als Ursakrament und den Sakramenten „als wesentlichen Grundvollzügen der Kirche selbst“ (ebd. 21). Er folgert dann: „Die Einsetzung eines Sakramentes kann (was natürlich nicht heißt: muß immer) auch einfach dadurch erfolgen, daß Christus die Kirche gestiftet hat mit ihrem Charakter als Ursakrament“ (ebd. 38). Die Notwendigkeit eines historischen Stiftungsworts entfällt damit.

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2. Die Siebenzahl der Sakramente

Die Sieben Sakramente haben ihre Mitte in der Eucharistie

Taufe Ehe Firmung Eucharistie Buße Ordo Krankensalbung

Als sacramenta maiora werden jene beiden Sakramente, Taufe und Eucharistie, bezeichnet, die das Heilsgeheimnis im Sterben und Auferstehen Jesu Christi im umfassenden Sinne zum Ausdruck bringen.

78

3. Die Wirkweise der Sakramente 3.1 Die Gnade „Die Wirkung der Sakramente besteht:

- in der Mitteilung der Rechtfertigungsgnade (gratia creata) als Befähigung zur Annahme der Selbstmitteilung Gottes (gratia increata);

- in der Einprägung des sakramentalen Charakters im Getauften, Gefirmten und Geweihten" (G. L. Müller, Kath. Dogmatik, 636).

Paulus: Gnade meint das Heil in Christus im ganzen (2 Kor 6,1). Durch die Taufe wird der Mensch in eine dynamische Lebensbegegnung mit Jesus hineingenommen (1 Kor 13-16; Röm 6,3-11). Das Herrenmahl vereinigt zu einem einzigen Leib (1 Kor 10,17; 12,13).

Konzil von Trient: Einengung auf die Rechtfertigungsgnade, aber auch Herausstellung verschiedener Wirkweisen sowie Hinweise auf lebensgeschichtliche Beziehungen.

79/1

3.2 Der Charakter oder das Merkmal

- im AT: Beschneidung;

- im profanen Griechisch: Prägemal, Prägewerkzeug;

- lat. Zeit: Merkmal eines Menschen, Kennmal eines Soldaten;

- Augustinus: sakramentale Nutzung, innere und äußere Zueigennahme durch Christus;

- Mittelalter: Konzil von Florenz (DH 1313) und Tridentinum (DH 1609; can. 9).

79/2

4.1 Sakrament und Symbol

1. Symbole vergegenwärtigen Gottes in Jesus Christus inkarniertes Heilswirken, indem sie sich auf Jesu konkretes Liebeshandeln beziehen oder, genauer gesagt, von dorther entspringen.

2. Die Dynamik des Symbols hat eine transitorische, transzendente Dimension. Diese schöpfungsmäßige Ausrichtung in ihrer medialen Ausdruckskraft wird nun (in ihrem Eigenwert) durch Gottes pneumatisches Handeln eingeholt und zur Fähigkeit ermächtigt, die göttliche Agape auszudrücken.

3. Die von Gottes Wirken her neu qualifizierte Dynamik des sakramentalen Symbols erfordert aber vom Menschen eine Decodierung und Interpretation. Dazu muss sich der Mensch auf ein Doppeltes einlassen:

80/1

4.1 Sakrament und Symbol

a) auf das Symbol mit seinen verschiedenen Kommunikationsebenen,

b) auf das Wirken Gottes in seiner historisch-geschichtlichen Abfolge sowie als aktuelles Tun.

4. Sakramentale Symbole sind immer in eine Sozialstruktur eingebunden: Gottes Heilsgeschichte - die Gemeinschaft der Kirche - die Glaubenstradition.

5. Das Sakrament vollzieht sich in der gesamten Liturgie der sakramentalen Feier.

80/2

4.3 Sakramente als verbal-symbolische HandlungenDas Wort spricht einem Symbol einen eindeutigen Inhalt zu,

und in der sprachlichen Aktualisierung der Heilsgeschichte wird dieser Inhalt performativ gesetzt.

Umgekehrt drängt das bezeichnende Symbol in das bezeichnende Wort, um von daher seine heilsgeschichtliche Tiefe in der Aneignung durch den Menschen erreichen zu können. Wort und Symbol bilden im Sakrament eine perichoretische Einheit.

Das Sakrament in seiner perichoretischen Wort- und Symbol-Struktur ist immer eine ganzheitliche, communiale, verbal-symbolische Kommunikationshandlung, innerhalb derer sich Gemeinschaft vollzieht - von Gott her mit Gott und den Menschen. Es ist dies personale, sakramentale Interaktion auf der medialen Basis von Wort und Symbol.

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Sakramente als verbal-symbolische Kommunikationshandlungen

Symbol-Kommunikation: Wort-Kommunikation:

1. Ebene

Symbol. Feierhandlung = Das gesprochene, liturgisches Wort

Symbolisierendes als äußeres, hörbares Zeichen

2. Ebene

Wirkung des Sakramentes = Das innere Angengesprochensein als Symbolisierendes-Symbolisiertes personale Glaubens- bzw. Gotteserfahrung Begegnung in dieser Zeit

3. Ebene

Eschatologisches Eingeborgensein in den Leib Christi im Hl. Geist

als Gottesgemeinschaft = Symbolisiertes82

5. Die Teilnehmer der sakramentalen Feier: „Spender und Empfänger“- NT: Jesus fordert von seinen Hörern Umkehr und Glauben

(Mk 1,15), Nachfolge (Mk 10,21) und angemessenes Verhalten (Mt 5,1 ff).

- Urgemeinden: Glaube ist Voraussetzung für die Taufe.

- Gegenüber einem Verständnis des Empfängers als passivem Objekt ist in Ausrichtung an biblisch-frühchristlichen Vorgaben der Empfänger als Objekt des göttlichen Heilshandelns immer zugleich als Subjekt zu verstehen, das im gott-menschlichen Dialog Ver-Antwortung ausübt.

- Spender und Empfänger beziehen sich gemeinsam auf die angebotene Gottesnähe. Beide erbitten als von Gott Angesprochene im Gebet Gottes Liebe.

83

R. Schulte formuliert:

„...ohne dass der 'Empfänger' gerade dieses Ereignis von Gott her (durch Vermittlung) an sich geschehen lassen will, kann sakramentales Geschehen als personale Kommunikation gar nicht werden, geschweige denn fruchtbar sein. ... Jedenfalls ist klar, dass dieser (dieses) Glaube(n) für das tatsächliche sakramentale Geschehen mit konstitutiv ist".

84

VI. Einzelsakramente: Taufe und Eucharistie 1.2 Vorbilder der christlichen Taufe im heidnischen Bereich sowie im Judentum

85/1

Kulturkreis Ritus Bezug zur christlichen Taufe

Religions-Geschichte Initiation = ritueller Eintritt in neue Lebensphase

Judentum Wasserriten, Reinigungsriten: Gen 35,2; Lev 15,26-29; Num 19,11-13; Beschneidung: Ex 4,24ff.

Antike allgemein

Waschungen zur Herstellung kultischer Reinheit

Im Gegensatz zur Taufe wiederholbar

Qumrangemeinde rituelle Reinigungsbäder ohne Sündenvergebung; Wasserinitiation mit Umkehr

Diasporajudentum Proselytentaufe, vermutl. v. 50 n. Chr. eigenständiger Ritus

Im Gegensatz zur Taufe -Selbstreinigungsritus

85/2

Kulturkreis Ritus Bezug zur christlichen Taufe

Judentum zur Zeit Jesu

Johannestaufe: eschatologischer Aufruf; Vergebung der Sünden;

Taufe Jesu durch Johannes

Einmaligkeit

Mk 1,9f Tauftätigkeit Jesu?

nachösterlich: Mt 28,19 Mk 16,16 Wasserritus: Apg 8,38 Täufer: Apg 10,48 Umkehr: Apg 2,38 Einmalig: Apg 2,41 Parusieerwartung

Christentum Taufe auf Jesu Namen; Hinweis auf Hl. Geist; Übereignung an das Heil, nicht an das Gericht. 85/3

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1.4 Die Taufe Jesu durch Johannes- Alle vier Evangelisten bezeugen die Taufe Jesu durch Johannes (Mt 9,14 par, Lk 11,1; Joh 3,22-25; 4,1-3).

- Theologischer Gehalt: 1. Auch Jesus besitzt wie Johannes einen eschatologischen

Erwartungshorizont. 2. Jesus selbst stellt sich auf die Seite der

rettungsbedürftigen umkehrwilligen Menschen (Mt 3,15).

3. Innerhalb dieses Gesamtrahmens verweist die aus theo-logischen Gründen beschriebene Herabsendung des Hl. Geistes (Mk 1,10; Mt 3,16) auf die göttliche Sendung Jesu durch den Vater - und zwar innerhalb des vorgegebenen Gesamtrahmens der erwähnten Punkte 1 und 2.

86

1.5 Hat Jesus selbst getauft? Jesus hat zu Lebzeiten des Johannes, umgeben von einem Jüngerkreis,

als Täufer gewirkt oder - falls man Joh 4,2 Glauben schenkt - durch seine Jünger die Taufe vollziehen lassen.

- Jesus hatte in dieser Zeit als Täufer größeren Zulauf als Johannes.

Jesus hielt sich längere Zeit bei Johannes in Peräa auf; er ließ sich also nicht nur von ihm taufen, sondern er war ein Taufjünger.

- Das spätere Nebeneinander der beiden Taufgruppen wurde zum Problem.

- Jesus gab seine Tauftätigkeit auf, als er hörte, daß sein den Täufer ausstechender Erfolg den Pharisäern zu Ohren gekommen war. Das läßt einen Konflikt zwischen Johannes und den Pharisäern vermuten; Jesus dürfte die Absicht gehegt haben, eine Bloßstellung des Täufers vor seinen Gegnern zu vermeiden.

87/1

1.5 Hat Jesus selbst getauft?

Fazit:

Jesu Jordantaufe durch Johannes (vgl. Mk 1,9ff; Mt 3,13ff; Lk 3,12ff), die er später mit seinem Tod in Beziehung setzt (vgl. Lk 12,49f; vgl. auch Mk 10,38f), um auf diese Weise sein Selbstverständnis zum Ausdruck zu bringen, ist der gesicherte Anknüpfungspunkt für die christliche Taufe und auch Grundlage für den Zusammenhang von Taufe und Geistempfang.

87/2

1.6 Urchristliche Taufpraxis Grundzüge neutestamentlichen Taufverständnisses

Die Taufe ist Wichtige Belegstellen

christliche Praxis von Anfang an Apg 2,38; 2,41; 8,12

die große Lebenswende durch Über-eignung an Christus

Mt 28,18f; Apg 2,38; Röm 10,9

wirksam aus der Verbindung mit Christus und seinem Geschick

Röm 6,2-6

auf Glauben angewiesen Apg 2,38; Mk 16,16; Röm 10,9

kirchenbegründend Apg 2,41f; Eph 5,25f

88

Vgl. G. Koch, Sakramentenlehre, in: W. Beinert, Glaubenszugänge III, 388.

1.7.1 Die Tauftheologie des Paulus

Nach Röm 6,1-11 ist Taufe: - Eingliederung, Aufnahme und Einbeziehung in den Tod Jesu (V. 3-

6). - Anteil an der Auferstehung Christi (V. 4), weshalb wir ein

rechtmäßiges Leben gemäß unserer neuen Situation leben sollen (V. 7-8).

- Entrissen-Werden aus dem Herrschaftsbereich der Sünde (V. 6f; 10ff).

Über den Römerbrief hinaus finden sich weitere paulinische Bilder für das, was in der Taufe geschieht:

- Gal 3,26-29: „Anziehen Christi“ - 1 Kor 6,11: „Abwaschen“ - 1 Kor 6,11; 12,13; Eph 1, 13: Mitteilung des Heiligen

Geistes - 1 Kor 12,13f und Gal 3,26ff: Eingliederung in eine neue

Gemeinschaft in Einheit und Gleichheit89

1.7.2 Die johanneische Sichtweise

- Taufe ist für die Wiedergeburt ursächlich.

- Taufe ist Zeugnis für die in die Geschichte hineinwirkende Erlösungstat Jesu Christi.

Die Wirkmacht der Taufe gründet in der Gestaltungsmacht des Heiligen Geistes, der Zeugnis ablegt für den vom Vater gesandten Sohn.

90

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1.8 Dogmengeschichtliche Entwicklung

Taufe ist der bewußt vollzogene, personal-kommunikativ ratifizierte Übergang in die geistgetragene Gemeinschaft der Glaubenden, die sich auf das kommende Reich Gottes vorbereiten.

(Vgl. Nocke, Taufe, 241.)

91

1.9.1 Was bewirkt die Taufe?- Eine herkömmliche, neuscholastische Tauf-theologie betonte

sehr stark den individuellen Charakter der Taufe. Demnach gewährt die Taufe: a) die Verleihung der Rechtfertigungsgnade mit Tilgung der

Erbschuld und Heiligung der Seele; b) den Nachlass aller Sündenstrafen; c) die Einprägung des Taufcharakters.

- Demgegenüber wird heute der personale Christusbezug innerhalb einer personalen Glaubensgeschichte sowie die Eingliederung in die Gemeinschaft der christlichen Kirche hervor-gehoben.

In der Taufe geschieht Eingliederung in die Kirche zur Übereignung an Jesus Christus, um durch ihn im Heiligen Geist zur Gemeinschaft mit dem Vater zu gelangen.

92

1.9.3 Zur Frage nach der Heilsnotwendigkeit der Taufe

LG 16/1 formuliert: „Die göttliche Vorsehung verweigert auch denen das zum Heil

Notwendige nicht, die ohne Schuld noch nicht zur ausdrücklichen Anerkennung Gottes gekommen sind ...“.

GS 22/5 unterstreicht, dass „Christus für alle Menschen gestorben ist ... und da es in Wahrheit nur

eine letzte Berufung des Menschen gibt“,

so konstatieren die Konzilsväter, wird festgehalten,

„daß der Heilige Geist allen die Möglichkeit anbietet, diesem österlichen Geheimnis in einer Gott bekannten Weise verbunden zu sein“.

93

1.9.4 Kurzes Resümee Theologisch-dogmatische Aussage über die Taufe

Die Taufe ist Aufnahme in die christliche Gemeinschaft der an den dreieinen Gott glaubenden Menschen, die sich für Gottes in Christus geschichtlich gewirktes, im Hl. Geist aktuell gegenwärtiges Heilsangebot geöffnet haben. Als ein solches trinitarisch-kirchliches Beziehungsereignis schenkt die Taufe Gerechtsprechung (Röm 5,9) und Loskauf (Röm 3,24) aus dem Bereich sündhafter Verstrickung, um in das Lebensgeheimnis Gottes als dreieinige Liebe hineingenommen zu werden.

Die Taufe gründet im stets vorgängigen Dialog- und Heilsangebot Gottes, bedarf aber zu ihrer vollen Fruchtbarkeit der Glaubensentscheidung des Menschen, so daß aufgrund des sakramentalen Symbol- und Kommunikationsereignisses wahrhaft personale Begegnung stattfinden kann.

94

1.10 Die Kindertaufe 1.10.1 Theologische AnmerkungenDie Argumente gegen die Kindertaufe lauten: - mangelnde Erkenntnis und Entscheidungskraft - fehlender Glaube - das Verständnis der Taufe als authentische Glaubensinformation (K.

Barth) - unzureichender Glaubenshintergrund in der Familie - die Entscheidung des Kindes darf nicht vorweggenommen

werden.

Gründe für eine weitere Ausübung der Kindertaufpraxis: - Die Taufe ist primär ein Begegnungsangebot von Seiten des dreieinen Gottes. - Glaube als wesentliche Voraussetzung der Taufe ist natürlich ein

individueller Akt, aber Glaube als personaler Vollzug ist immer auch eingebettet in Gemeinschaftsvollzüge.

- Glaube ist nie nur ein punktuelles Geschehen, sondern ein Wachstumsprozess, der bis zum Lebensende andauert.

95

Joh 3, 1-15 Das Gespräch mit Nikodemus

1 Es war ein Pharisäer namens Nikodemus, ein führender Mann unter den Juden.

2 Der suchte Jesus bei Nacht auf und sagte zu ihm: Rabbi, wir wissen, du bist ein Lehrer, der von Gott gekommen ist; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, wenn nicht Gott mit ihm ist.

3 Jesus antwortete ihm: Amen, amen, ich sage dir: Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen.

4 Nikodemus entgegnete ihm: Wie kann ein Mensch, der schon alt ist, geboren werden? Er kann doch nicht in den Schoß seiner Mutter zurückkehren und ein zweites Mal geboren werden.

5 Jesus antwortete: Amen, amen, ich sage dir: Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen.

6 Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; was aber aus dem Geist geboren ist, das ist Geist.

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7 Wundere dich nicht, dass ich dir sagte: Ihr müsst von neuem geboren werden.

8 Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist.

9 Nikodemus erwiderte ihm: Wie kann das geschehen? 10 Jesus antwortete: Du bist der Lehrer Israels und verstehst das

nicht? 11 Amen, amen, ich sage dir: Was wir wissen, davon reden wir,

und was wir gesehen haben, das bezeugen wir, und doch nehmt ihr unser Zeugnis nicht an.

12 Wenn ich zu euch über irdische Dinge gesprochen habe und ihr nicht glaubt, wie werdet ihr glauben, wenn ich zu euch über himmlische Dinge spreche?

13 Und niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen außer dem, der vom Himmel herabgestiegen ist: der Menschensohn.

14 Und wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden,

15 damit jeder, der (an ihn) glaubt, in ihm das ewige Leben hat.

97

1 Joh 5, 6-8: Der Glaube als Sieg über die Welt

6 Dieser ist es, der durch Wasser und Blut gekommen ist:

Jesus Christus. Er ist nicht nur im Wasser gekommen,

sondern im Wasser und im Blut. Und der Geist ist es, der Zeugnis ablegt; denn der Geist ist die Wahrheit.

7 Drei sind es, die Zeugnis ablegen:

8 der Geist, das Wasser und das Blut; und diese drei sind eins.

98

„Es gibt keinen anderen Zugang zum Reich Gottes als die Taufe. Allein die Taufe vermittelt die eschatologische Heilsgabe des Geistes.

Wie bei Paulus (vgl. 1. Kor. 6,11; 10,1ff; 12,13; 2. Kor. 1,21f.; Gal. 5,24.25; Röm. 5,5) und in der Apostelgeschichte (vgl. Apg. 1,5; 2,38; 8,17; 11,16; 19,1-6) ist in Joh. 3,5 die Geistverleihung an die Taufe gebunden. Somit sind Taufe und Geistverleihung auch in der joh. Schule die Primärdaten christlicher Existenz (vgl. neben Joh. 3,5f.; 6,63a; bes. 1. Joh. 2,27; 3,24; 4,13; 5,6-8).

In Joh. 3,5 artikuliert sich der Standpunkt der nachösterlichen Gemeinde, sie sieht die Taufe als „Einlaßbedingung“ in das Reich Gottes und damit als heilsnotwendigen Initiationsritus.“

Schnelle Udo, Das Evangelium nach Johannes, ThHK 4, Leipzig 2004, S. 82

99

„Wir können nur dort vom Nicht-Glauben als Voraussetzung für Verdammnis und Heilsverlust sprechen, wo dieses Nein als ausdrückliche Entscheidung gegen Christus verstanden wird. Solches aber setzt eine wirkliche Begegnung mit seiner Botschaft voraus.“

F. Courth, Die Sakramente, 109

100

2. Die Eucharistie 2.1 Die Vielfalt in der Namengebung- Herrenmahl (1 Kor 11,20)

- Brotbrechen (Apg 2,42; Did 14,1)

- Danksagung (Eucharistie) (1 Kor 11,24; Lk 22,17)

- Messe (ab dem 6. Jh.)

- Meßopfer (Hebr 10,10.12ff) - heiliges Opfer - Altarsakrament

101

2.2 Das biblische Fundament der Eucharistie 2.2.1 Die Symbolik des Mahlhaltens

Anthropologisch:

das Mahl als kultureller Akt der Gemeinschaft

Altes Testament:

- Zeichen der Gemeinschaft (Gen 18,1ff);

- Brechen des Trauerbrotes (Jer 16,7);

- Mahl bei Bundesschlüssen und Friedensverträgen (Gen 14,18; 26,30; 31,54; Ex 18,12);

- Mahl als Gemeinschaft mit Gott (Gen 18,1-8);

- Ex 24,3ff: Sinaibund, Opfer und Mahl;

-Jes-Apokalypse (Jes 25,6): "Festmahl für die Völker" als eschatologisches Bild für die Königsherrschaft Gottes.

102

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2.2.2 Jesu Feier des AbendmahlesRitus Gebete

1. Becher: Eingießen von Wein und Wasser Auftragen der Vorspeise

2 Segensgebete

Jesu Brot-Handlung

2. Becher: Auftragen des Hauptgerichtes (Paschalamm, ungesäuertes Brot, Bitterkräuter)

Dankgebet (Hausvater) Frage/Antwort-Dialog

Leerung des 2. Bechers Essen der Hauptmahlzeit

Händewaschung, Lob

Jesu Wein-Handlung

3. und 4. Becher Gebete

103

2.2.3.1 Die Eucharistie als Mitte urkirchlichen LebensLetztes Abendmahl (Gründonnerstag)

Österliche MählerLk 24,29-31: Emmaus

Mk 16,14; Joh 20,19-23; Apg 10,4f

Urchristliche Eucharistiefeier Apg 2,42: „Sie hielten fest an der Lehre der Apostel

(Wortgottesdienst), an der Gemeinschaft (Sättigungsmahl), am Brechen des Brotes (Eucharistie), an Gebeten.“

Sonntagsfeier Am Herrentag das Herrenmahl

Apg 20,7ff

Ausbildung von eucharistischen Liturgien Did. 9ff (ca. 80-130)

Justin, Apol. I, 65-67 (um 150) Hippolyt, Trad. Apost. (Anf. 3. Jh.) 104

2.2.3.2 Neutestamentliche Sinndeutung der Eucharistie

1. Sinnlinie: Bleibende Gemeinschaft 2. Sinnlinie: Die Eucharistie - Lösepreis für viele 3. Sinnlinie: Teilhabe am Reich Gottes 4. Sinnlinie: Verkündigung des Kreuzestodes und Erfahrung der

Auferstehung

Drei immer wiederkehrende Elemente einer neutestamentlichen Eucharistietheologie:

a) Die Feier der Eucharistie ist realisierende Gedächtnisfeier der Auferstehung des Gekreuzigten.

b) Obwohl deutlich eine eucharistische Terminologie zu er-kennen ist (Lk 24,30; Joh 21,13), wird doch das gebrochene Brot nicht ausdrücklich vom normalen Essen unterschieden.

c) Jesus selbst ist der Gastgeber, der sich in der Gemeinschaft seiner Freunde und der glaubenden Gemeinde lebendig in die Erfahrung der Versammelten einbringt.

105

2.4 Systematische Überlegungen zu einem heutigen Eucharistieverständnis 2.4.1 Jesu personale Gegenwart in der Feier der Eucharistie

106/1

Indem Jesu Sein als „‘Sein für’ bestimmt“ wird - so Alexander Gerken in seiner Untersuchung zur Theologie der Eucharistie -, „ist der Vollzug der Relation, ... ist Geschichte als Handlung der Person zugleich der Vollzug des Seins dieses personalen Seienden“ ..., wodurch „Sein und Geschichte, Statik und Dynamik in der eucharistischen Wirklichkeit als Einheit [gesehen werden können] ... Die somatische Realpräsenz muß ... Als Vergegenwärtigung der Selbsthingabe Christi am Kreuz, als Sein im Vollzug, als ‘Dasein für’ gesehen werden“.

(Alexander Gerken, Theologie der Eucharistie, München 1973, 202.)

106/2

Relationale Deutung der Eucharistiefeier

Über eine Wesensverwandlung der Speise hinaus wird die Eucharistiefeier als Beziehungsstruktur in kommunikativ-communialer Verschränkung gedeutet.

In diese Beziehungsstruktur werden dann: - die Relation von Brot und Wein zu Leib und Blut Christi - sowie die Relation von historischem Kreuzesereignis und

geschichtlicher Fruchtbarwerdung (Meßopfer) eingebunden.

Ohne das ontologische Element der traditionellen Transsubstantiationsauffassung aufzugeben, wird damit eine personale, heilsökonomisch-sakramental qualifizierte Kausalität angenommen.

107

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2.4.2 Die Eucharistie als sakramentales Mahl

- Mahl des Dankes (Eucharistia) für Gottes Geschenk seiner Agape

- Mahl des Segens, des Opfers, des anamnetischen (real vergegenwärtigenden) Gedächtnisses von Jesu Leben, Tod und Auferwecktwerden

- Jesus selbst als Gastgeber, der dankt, opfert und segnet, und zugleich als eucharistische Gabe als Speise zum Leben.

108

2.4.3 Die Eucharistie als OpferSofern die Lebenshingabe Christi in der Eucharistie erneut gegenwärtig wird,

erhält der Mensch nicht nur Anteil an dieser communio-stiftenden Selbsthingabe Jesu, sondern der Eucharistiefeiernde wird dialogisch angesprochen, interaktiv einbezogen. Die Gläubigen selbst sollen sich in Offenheit Gott und den Mitmenschen darbieten. So können sie ein „geistliches Opfer“ bringen (vgl. Röm 1,11; 12,1; Phil 2,17; 4,18; Hebr 13,15f).

Ein solches Opferverständnis beinhaltet vier Aspekte:

- Die Einmaligkeit und Einzigartigkeit des Selbstopfers Jesu ist gewährleistet. - Im eucharistischen Mahl wird Jesus Christus anamnetisch

gegenwärtig gesetzt - und zwar durch das Wirken Jesu selbst in seinem Geist.

- Aufgrund der Hineinnahme aller Getauften in die Lebenshingabe Jesu ist die Eucharistie ein Opfer der Kirche im Sinne aller Christusgläubigen.

- Das Mahl selbst ist sichtbares Zeichen dieses vielfachen Zusammenhanges.

109

2.4.4 Die Eucharistie als Grund und Mitte der Communio

Im Beziehungsgeflecht des Herrenmahls erfährt die ganze feiernde Gemeinde eine Umwandlung.

In diesem Sinn ist die paulinische Bezeichnung der Eucharistiegemeinde als „Leib Christi“ (1 Kor 10,16) zu verstehen.

Nach der Lehre des II. Vatikanischen Konzils ist das ganze gegliederte Volk Gottes im Geist liturgischer Träger, also Subjekt der Eucharistiefeier (vgl. SC 7/3-4; 14/26-29 und LG 7).

110

Exkurs zur poststrukturalistischen Zeichentheorie

111René Magritte: La traison d‘image (1926)