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Anatomie & Physiologie SPORTLEREI AKADEMIE
Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016 Seite | 1
Grundlagen der Anatomie & Physiologie
Lehrbrief 1 zum Studiengang Fitnesstrainer/-in-B-Lizenz
Autor(en):
Florian Münch
Diana Stark
Impressum:
SPORTLEREI AKADEMIE
Kistlerhofstr. 70, Gebäude 160
81379 München
Tel: 089 / 72 630 740
Fax: 089 / 72 634 068
Net: www.sportlerei-akademie.de
E-Mail: [email protected]
Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016
Alle Rechte vorbehalten
Hinweis:
Um die Lesbarkeit des Textes zu vereinfachen, wurde auf das gemeinsame Verwenden
männlicher und weiblicher Bezeichnungen verzichtet. Wir danken allen Leserinnen für ihr
Verständnis.
Anatomie & Physiologie SPORTLEREI AKADEMIE
Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016 Seite | 2
Bearbeitung des Lehrbriefes
So gehen Sie vor:
Zunächst lesen Sie bitte das gesamte Kapitel durch.
Bearbeiten Sie dann die einzelnen Abschnitte des Kapitels.
Lesen Sie sie aufmerksam durch und versuchen Sie dabei, die Sachverhalte der einzelnen
Abschnitte zu erfassen und auf bereits vorhandenes Wissen oder Erfahrungen aus der
Praxis zu beziehen (die wichtigsten Informationen werden am Ende des Kapitels
zusammengefasst).
Nutzen Sie im Zweifel auch andere Nachschlagewerke (z.B. Bücher oder das Internet).
Mit den Aufgaben am Ende des Kapitels können Sie überprüfen, ob Sie das Kapitel
verstanden haben und in der Lage sind, das erarbeitete Wissen wiederzugeben. Die
Lösungen finden Sie im Anhang.
Fachwörter und fremdartige Begriffe sind unterstrichen und im angehängten Glossar
erklärt.
Verweise auf bereits behandelte Themen und Inhalte sind mit Q (für Querverweis
gekennzeichnet)
Anatomie & Physiologie SPORTLEREI AKADEMIE
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Lernziele – Anatomie & Physiologie
Mit Durcharbeiten dieses Lehrbriefes sollen sie…
den menschlichen Körper in seinem zellstrukturierten Aufbau kennen lernen.
Merkmale, Aufbau und Funktionsweisen des aktiven und passiven Bewegungsapparates
kennen.
die relevante Skelettmuskulatur in ihrer Gesamtheit und Funktion kennen
(Muskelkatalog!).
Kenntnis über Anpassungseffekte verschiedener Funktionsstrukturen des menschlichen
Körpers durch Belastung erlangt haben.
die Funktionsweise des Herz-Kreislaufsystems sowie den Aufbau des Herzens kennen.
die verschiedenen Körpertypen nach Sheldon kennen.
Zusätzlich sollen Sie den Muskelkatalog durcharbeiten. Hier finden Sie die wesentliche
Skelettmuskulatur des menschlichen Körpers in Funktion, Ansatz und Ursprung. Am Ende
eines jeden (Muskel-)Kapitels sind ebenfalls Lernkontrollfragen zu beantworten, die der
reinen Reproduktion der einzelnen Muskeln mit Funktion, Ansatz und Ursprung dienen.
Anatomie & Physiologie SPORTLEREI AKADEMIE
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Inhalt
1 Einleitung: Der menschliche Körper ............................................................................7
1.1 Die Zelle als kleinste Einheit ................................................................................................................... 7
1.1.1 Die Zellmembran............................................................................................................................ 7
1.1.2 Das Zytoplasma .............................................................................................................................. 7
1.1.3 Der Nukleus (Nukleolus) ................................................................................................................ 8
1.2 Anpassungen der Zelle durch Training ................................................................................................... 9
1.3 Die Gewebearten .................................................................................................................................. 10
1.3.1 Binde- und Stützgewebe .............................................................................................................. 10
1.3.2 Muskelgewebe ............................................................................................................................. 10
1.3.3 Nervengewebe ............................................................................................................................. 10
1.3.4 Epithelgewebe ............................................................................................................................. 11
1.4 Zusammenfassung von Kapitel 1 .......................................................................................................... 12
1.5 Lernkontrollfragen zu Kapitel 1 ............................................................................................................ 13
2 Der passive Bewegungsapparat ................................................................................ 14
2.1 Das Skelett und die Knochen ................................................................................................................ 14
2.1.1 Zusammensetzung ....................................................................................................................... 15
2.1.2 Funktion der Knochen .................................................................................................................. 16
2.1.3 Knochenformen ........................................................................................................................... 16
2.1.4 Aufbau (am Beispiel des Röhrenknochens) ................................................................................. 16
2.1.5 Bestandteile (von innen nach außen): ......................................................................................... 16
2.1.6 Knochentypen .............................................................................................................................. 17
2.2 Knorpel ................................................................................................................................................. 18
2.3 Bänder .................................................................................................................................................. 18
2.4 Die Gelenke .......................................................................................................................................... 19
2.4.1 Synarthrosen (Unechte Gelenke) ................................................................................................. 19
2.4.2 Diarthrosen (Echte Gelenke) ........................................................................................................ 19
2.4.3 Das Schultergelenk....................................................................................................................... 21
22
Das Ellbogengelenk ....................................................................................................................................... 22
2.4.4 Das Hüftgelenk ............................................................................................................................. 23
2.4.5 Das Kniegelenk ............................................................................................................................. 24
2.4.6 Das Fußgelenk .............................................................................................................................. 26
2.5 Die Wirbelsäule .................................................................................................................................... 27
2.5.1 Aufbau.......................................................................................................................................... 27
2.5.2 Funktionen ................................................................................................................................... 28
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2.5.3 Bewegungsrichtungen ................................................................................................................. 28
2.5.4 Die Wirbel .................................................................................................................................... 28
2.5.5 Die Bandscheiben ........................................................................................................................ 30
2.5.6 Fehlstellungen der Wirbelsäule ................................................................................................... 31
2.6 Zusammenfassung von Kapitel 2 .......................................................................................................... 32
2.7 Lernkontrollfragen zu Kapitel 2 ............................................................................................................ 33
3 Der aktive Bewegungsapparat .................................................................................. 34
3.1 Skelettmuskulatur ................................................................................................................................ 34
3.1.1 Ursprung und Ansatz ................................................................................................................... 35
3.1.2 Gewebeeinteilung ........................................................................................................................ 35
3.1.3 Köpfigkeit der Muskeln ................................................................................................................ 37
3.1.4 Muskelfasertypen ........................................................................................................................ 37
3.1.5 Aufbau (eines Skelettmuskels) ..................................................................................................... 38
3.1.6 Kontraktion .................................................................................................................................. 39
3.1.7 Calcium und Magnesium bei der Muskelkontraktion .................................................................. 40
3.1.8 Kontraktionsformen ..................................................................................................................... 41
3.1.9 Funktionalität der Muskeln .......................................................................................................... 41
3.1.10 Inter- und Intramuskuläre Koordination ...................................................................................... 43
3.2 Anpassungserscheinungen der Skelettmuskulatur .............................................................................. 43
3.2.1 Hypertrophie – eine Aktivierung von Satellitenzellen ................................................................. 44
3.2.2 Sehnen und Hilfseinrichtungen der Muskulatur .......................................................................... 45
3.3 Zusammenfassung von Kapitel 3 .......................................................................................................... 47
3.4 Lernkontrollfragen zu Kapitel 3 ............................................................................................................ 48
4 Das Herz-Kreislauf-System ........................................................................................ 49
4.1 Das Herz ................................................................................................................................................ 49
4.1.1 Aufbau.......................................................................................................................................... 49
4.1.2 Arbeitsphasen .............................................................................................................................. 50
4.2 Die Gefäße ............................................................................................................................................ 51
4.2.1 Arterien (Schlagadern) ................................................................................................................. 51
4.2.2 Venen (Adern) .............................................................................................................................. 51
4.2.3 Kapillare (Haargefäße) ................................................................................................................. 51
4.3 Das Blut ................................................................................................................................................. 51
4.3.1 Bestandteile des Blutes ................................................................................................................ 51
4.3.2 Aufgaben des Blutes .................................................................................................................... 51
4.4 Der Blutdruck ........................................................................................................................................ 51
4.4.1 Systole .......................................................................................................................................... 52
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4.4.2 Diastole ........................................................................................................................................ 52
4.5 Körperkreislauf ..................................................................................................................................... 52
4.5.1 Der große Körperkreislauf ........................................................................................................... 52
4.5.2 Der kleine Körperkreislauf (Lungenkreislauf) .............................................................................. 54
4.6 Zusammenfassung von Kapitel 4 .......................................................................................................... 55
4.7 Lernkontrollfragen zu Kapitel 4 ............................................................................................................ 56
5 Die Körpertypen (nach Sheldon) ............................................................................... 57
5.1 Der Leptosome – der ektomorphe Typ ................................................................................................ 57
5.2 Der Athlet – der mesomorphe Typ ....................................................................................................... 58
5.3 Der Pykniker – der endomorphe Typ .................................................................................................... 58
5.4 Der Mischtyp ........................................................................................................................................ 58
5.5 Zusammenfassung von Kapitel 5 .......................................................................................................... 59
5.6 Lernkontrollfragen zu Kapitel 5 ............................................................................................................ 60
6 Lösungen zu den Lernkontrollfragen ......................................................................... 61
6.1 Lösungen zu Kapitel 1 ........................................................................................................................... 61
6.2 Lösungen zu Kapitel 2 ........................................................................................................................... 61
6.3 Lösungen zu Kapitel 3 ........................................................................................................................... 63
6.4 Lösungen zu Kapitel 4 ........................................................................................................................... 64
6.5 Lösungen zu Kapitel 5 ........................................................................................................................... 65
7 Tabellenverzeichnis .................................................................................................. 66
8 Abbildungsverzeichnis .............................................................................................. 66
9 Glossar ..................................................................................................................... 67
10 Literaturverzeichnis .................................................................................................. 74
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2.5 Die Wirbelsäule
Die Wirbelsäule ist die kräftige, stützende, tragende und flexible Säule des menschlichen Skeletts, die Kopf und
Rumpf aufrecht hält und durch die wir den Hals und den Rücken drehen und beugen können.
2.5.1 Aufbau
Sie besteht aus den echten Wirbeln (Hals-, Brust- und Lendenwirbel) und aus den falschen Wirbeln (Kreuz- und
Steißwirbel), den Zwischenwirbelscheiben (Bandscheiben), und wird gesichert von starken Bändern und
Muskeln.
Die Form erinnert von der Seite an eine Doppel-S und unterteilt sich in zwei Lordosen und zwei Kyphosen.
Durch diese physiologischen Krümmungen ist die Wirbelsäule zehnmal widerstandsfähiger als eine gerade
ausgebildete Säule. Bei jedem Menschen kann diese Form abhängig vom Alter, der Belastung, der genetischen
Konstitution und dem Geschlecht eine individuelle Form annehmen.
Die Wirbelsäule besteht in Zahlen aus:
7 Halswirbeln (Lordose, C1-C7)
12 Brustwirbeln (Kyphose, Th1-Th12)
5 Lendenwirbeln (Lordose, L1-L5)
5 Kreuzwirbeln (sind verschmolzen zum Os sacrum)
4-5 Steißwirbeln (Kyphose, sind verschmolzen zum Os coccygis)
also insgesamt 33-34 Wirbeln und 23 Bandscheiben (Zwischenwirbelscheiben)
Abbildung 16 Wirbelsäule (Quelle: onmeda.de)
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Sie ist oben (kranial) über die beiden Kopfgelenke mit dem Schädel und unten (kaudal) über die beiden
Iliosakralgelenke mit den beiden Hüftbeinen verbunden. An dieser Kopf- und Beckenaufhängung kommt es oft
zu Funktionsstörungen an der Wirbelsäule.
Als wichtigste Bänder sind das vordere Längsband, welches als Grenzlamelle zwischen Wirbelkörper und
Brustkorb- bzw. Bauchraum liegt und als breites Band über alle Wirbelkörpervorderseiten vom Kreuzbein bis
zum Kopf zieht und das hintere Längsband, welches entlang der Rückseite des Wirbelkörpers zieht und die
Vorderwand des Rückenmarkskanals auskleidet zu nennen. Die Wirbelkörper sind außerdem noch miteinander
durch Bänder verbunden.
EXKURS Iliosakralgelenk (ISG): Zwischen dem Kreuzbein (unterhalb des fünften Lendenwirbels) und dem
Darmbein (unterhalb des Beckenkamms) befindet sich das Kreuz-Darmbein-Gelenk (lat. Iliosakralgelenk) oder
kurz ISG. Es unterliegt besonderer Beanspruchung und gilt als Schlüsselgelenk für viele funktionsbedingte
Schmerzen und Beschwerden. Das ISG ist nicht, wie lange behauptet, steif und unbeweglich. Durch
Verschiebungen des ISG kann es durch Schonhaltung zu Folgeerkrankungen jeglicher Art kommen. Wenn man
das weiß, kommt es auch nicht mehr zu dem Irrglauben, ein Bein könne länger sein als das andere. Es handelt
sich dabei lediglich um eine Verschiebung oder Blockade des ISG, die leicht zu beheben ist. Ausgelöst werden
diese Blockaden durch Fehlhaltungen beim Sitzen, Fußfehlhaltungen, monotone Körperpositionen oder auch
Überlastungen beim Sport. Viele Beinlängendifferenzen sind auf Probleme des Iliosakralgelenks zurückzuführen
und dementsprechend auch behandelbar.
2.5.2 Funktionen
Stützfunktion (Achse für das gesamte Skelett- und Muskelsystem)
Puffer- und Stoßdämpferfunktion (durch die Doppel-S-Form und die Bandscheiben)
Belastungsaufnahme (Aufnahme und Weiterleitung von Belastungen)
Haltungsfunktion (aufrechte Haltung)
Bewegungsfunktion (erlaubt Vorwärts-, Rückwärts-, Seitbewegungen und Drehungen)
Schutzfunktion (Rückenmark)
2.5.3 Bewegungsrichtungen
Differenziert nach Wirbelsäulenabschnitten ergeben sich folgende Bewegungen:
Vor- und Rückwärtsbewegung (Flexion und Extension)
Seitneigung (Lateralflexion)
Drehung (Rotation)
Im Bereich der Halswirbelsäule ist die größte Beweglichkeit gegeben. Hier können alle drei Bewegungen in sehr
großem Umfang ausgeführt werden.
Der Brustwirbelbereich ist da schon starrer und kann die Extension nur noch begrenzt ausführen. Hier sind
hauptsächlich die Lateralflexion und die Rotation möglich.
Der Lendenwirbelbereich hingegen kann sich kaum rotieren. Dafür ist die Flexion und Extension sehr
ausgeprägt.
2.5.4 Die Wirbel
Die Wirbelkörper, die aus der spongiösen Knochensubstanz bestehen, bilden das eigentliche Trage- bzw.
Stützelement der Wirbelsäule. Durch die Neigung der Gelenkflächen an den Gelenkfortsätzen wird bestimmt,
wie beweglich der jeweilige Abschnitt der Wirbelsäule ist.
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2.5.4.1 Aufbau
Die Wirbelkörper bestehen grundsätzlich aus:
dem Wirbelkörper
dem Wirbelbogen: hinterer Teil des Wirbelkörpers
dem Wirbelloch: zwischen dem Wirbelkörper und dem Wirbelbogen, dort ziehen sich die
Nervenstränge des Rückenmarks durch
den beiden Querfortsätzen: seitlich am Wirbelbogen, zwei obere und zwei untere, darüber
haben die benachbarten Wirbel über Wirbelgelenke Kontakt miteinander
dem Dornfortsatz: hinter dem Wirbelloch
den Gelenkfortsätzen
Die Wirbelgelenke der Wirbelsäule haben einen Radius ähnlich dem eines Kugelgelenks, haben aber keinen
großen Bewegungsspielraum. Sie verfügen über eine Gelenkkapsel, die sehr viele Schmerzfasern besitzt. Die
Wirbelbogengelenke verhindern das Verrutschen und Verdrehen der Wirbel.
Abbildung 17 Wirbelkörper (Quelle: busaca.com)
Abbildung 18 Wirbelkörper von oben (Quelle: onmeda.de)
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Abbildung 19 Wirbelkörper von oben Abbildung 20 Querschnitt Lendenwirbelsäule (19 +20: Quelle: onmeda.de)
2.5.5 Die Bandscheiben
Die Bandscheiben sind Knorpelscheiben, die sich zwischen den einzelnen Wirbeln befinden. Es gibt insgesamt
23 Bandscheiben, die aus einem Ring aus festen kollagenen Fasern und einem Gallertkern mit hohem
Wassergehalt bestehen. Der äußere Faserring ist mit den Deckplatten der Wirbelkörper verwachsen. Der
Gallertkern kann viel Wasser binden und dient somit als Stoßdämpfer für alle Belastungen. Da die Bandscheibe
nicht mit Blutgefäßen durchzogen ist, muss sie durch einen Wechsel von Be- und Entlastung ernährt werden.
Da der Druck der in der Wirbelsäule von oben nach unten zunimmt, ist die Druckbelastung im
Lendenwirbelbereich am Größten.
Es kann durch hohe Belastungen und der Stellung der Wirbelsäule zu Verschleißerscheinungen und einer
Abnahme der Bandscheibenhöhe kommen. Dadurch erschlaffen die beiden Längsbänder und die Wirbel
können anfangen, sich gegeneinander zu bewegen. Das kann eine Einengung der Zwischenwirbellöcher und
damit eine Bedrängung und Reizung der hier austretenden Nervenwurzeln zur Folge haben, die unangenehm
bis schmerzhaft sein kann.
Da die Zwischenwirbelgelenke jetzt höheren Druckbelastungen ausgesetzt sind, kommt es oft zu einem
erhöhten Knorpelverschleiß (Arthrose).
Abbildung 21 Bandscheiben und Wirbelkörper (Quelle: onmeda.de)
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EXKURS Bandscheibenverletzungen: Durch einen Unfall, Abnutzung, hohen Druck, zu hohes Gewicht oder
falsches Heben können Verletzungen der Bandscheiben entstehen. Diese Verletzungen können jeden
Menschen treffen, egal ob die Muskulatur des Rückens gut oder schlecht ausgebildet ist. Sie sind außerdem
eine beliebt Ausrede für sportliche Inaktivität, obwohl gerade ein Muskeltraining für die Schmerzlinderung
unabdingbar ist.
Bei einer Vorwölbung der Bandscheibe mit einem intakten Faserring spricht man von einer Protrusion. Meist
wird dies nicht einmal bemerkt, es kann aber empfindlich auf die Nerven drücken und einen Schmerz auslösen.
Reißt der Faserring und der Gallertkern tritt aus ist dies ein Vorfall, er wird auch Prolaps genannt. Die
Flüssigkeit drückt auf die nahegelegenen Spinalnervenwurzeln und man spürt einen dumpfen Schmerz,
Muskelverspannungen, Steifigkeit und Schmerzen im Rücken, Kribbeln, Taubheitsgefühl oder Schwäche im Bein
oder beim Prolaps im Halswirbelbereich auch im Arm. Es gibt auch Vorfälle, die nicht schmerzhaft sind und erst
nach Jahren diagnostiziert werden.
2.5.6 Fehlstellungen der Wirbelsäule
Die Wirbelsäule ist bei vielen Menschen durch verschiedene Einflüsse nicht mit der optimalen Krümmung
ausgestattet. Daher kommt es zu Fehlstellungen, die natürlich auch verschiedene Beeinträchtigungen zur Folge
haben. Diese sind im Wesentlichen:
1. normale WS-Stellung
2. der Rundrücken (ausgeprägte Kyphose am ganzen Rücken) mit Geierhals (starke Halslordose)
3. der Hohl-Rundrücken (im Brustwirbelbereich rund und im Lendenwirbelbereich ein
Hohlkreuz)
4. gerader Rücken von dorsal
5. die Skoliose (eine Seitverbiegung der Wirbelsäule)
6. starke Skoliose mit Hüftschiefstand
Abbildung 22 Fehlstellungen der Wirbelsäule (Quelle: osteovital.net)
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2.6 Zusammenfassung von Kapitel 2
Das passive Bewegungssystem setzt sich aus den Knochen, dem Knorpelgewebe und den Bändern
zusammen, deren gemeinsame Hauptfunktionen der Schutz, die Stützung und die Stabilisierung
des Körpers sind. Außerdem bildet das passive Bewegungssystem das Grundgerüst der
Bewegungsfunktion.
Die wichtigste Funktion des Knochens für die menschliche Bewegung liegt in seiner Funktion als
Ansatzstelle für die Muskulatur. Das Knorpelgewebe, vor allem jedoch der hyaline Knorpel und der
Faserknorpel, dient als Druckverteiler bei mechanischen Beanspruchungen der Gelenksysteme.
Bänder fixieren zwei oder mehrere Gelenkpartner und erfüllen in erster Linie die Aufgabe der
Bewegungsführung, der Stabilität und der Bewegungsbegrenzung eines Gelenkes.
Die Bestandteile eines echten Gelenkes sind der Gelenkkopf, die Gelenkpfanne, der Gelenkspalt,
die Gelenkkapsel, der Gelenkknorpel und die Gelenkflüssigkeit. Das Bewegungsausmaß eines
Gelenkes wird durch die Form des Gelenkes, die Muskelführung, die Bänderführung und die Weite
der Gelenkkapsel bestimmt.
In der Anatomie werden sechs grundlegende Gelenkgrundformen unterschieden, die auf Grund
ihrer unterschiedlichen Anzahl von Bewegungsachsen unterschiedliche Bewegungsmöglichkeiten
aufweisen. Die Wirbelsäule ist das Achsenorgan des Körpers. Die Hauptbewegungsrichtungen sind
die Flexion, Extension, Lateralflexion und die Rotation, wobei die einzelnen
Wirbelsäulenabschnitte eine unterschiedliche Ausprägung in ihrem Bewegungsausmaß aufweisen.
Das Schultergelenk ist das instabilste, jedoch auch beweglichste Gelenk des Körpers. Es weist drei
Hauptachsen mit insgesamt sechs Hauptbewegungsrichtungen auf.
Das Ellenbogengelenk besteht eigentlich aus drei verschiedenen Gelenken, dem Oberarm-Ellen-,
Oberarm-Speichen- und dem Ellen-Speichen-Gelenk. Das Bewegungsausmaß beschränkt sich
jedoch auf zwei Achsen mit insgesamt vier Bewegungsrichtungen.
Das Hüftgelenk ist das größte und durch seine knöcherne Verbindung das stabilste Gelenk des
Körpers. Es weist drei Hauptachsen mit insgesamt sechs Hauptbewegungsrichtungen auf.
Das Kniegelenk weist zwei Hauptachsen mit insgesamt vier Hauptbewegungsrichtungen auf.
Die Sprunggelenke (oberes und unteres Sprunggelenk) weisen zwei Hauptbewegungsachsen mit
insgesamt vier Hauptbewegungsrichtungen auf.
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3 Der aktive Bewegungsapparat
Der aktive Bewegungsapparat besteht aus der Skelettmuskulatur, den Sehnen und bestimmten
Hilfseinrichtungen, wie z.B. Sehnenscheiden und Schleimbeuteln.
Die Skelettmuskulatur ist hauptsächlich für die Bewegung des Körpers zuständig, unterstützt wird sie durch die
Sehnen und deren Hilfseinrichtungen.
Der aktive und passive Bewegungsapparat gehen immer Hand in Hand – sie hängen funktionell eng zusammen.
Skelettmuskulatur Bewegungs- und Stützfunktion
Sehnen Funktion der Kraftübertragung
Sehnenscheiden und
Schleimbeutel Verringerung der Reibung
3.1 Skelettmuskulatur
Die gesamte Skelettmuskulatur ist in unserem Muskelkatalog dargestellt!
Der menschliche Körper hat 639 Muskeln, von denen nur fünf unpaar sind, alle anderen stehen sich in 317
Paarungen symmetrisch gegenüber. Sie machen beim Mann rund zwei Fünftel des Gesamtgewichts aus, bei der
Frau ist der Anteil etwas geringer.
Die Muskulatur ist verantwortlich für die Bewegung des Körpers und die Statik des Skeletts. Ohne die
Muskelzüge und deren Hilfseinrichtungen (z.B. Sehnen), die auf die einzelnen Gelenke einwirken, wäre eine
aktive Bewegung des Skelettsystems nicht möglich.
Außer der offensichtlichen Stütz- und Bewegungsfunktion ist die Muskulatur verantwortlich für:
den Energieumsatz
die Herzkontraktion und Blutzirkulation
die Atemmechanik
die Produktion von Körperwärme
die Verdauungsmotorik
die Sensomotorik
Man unterteilt zwei Formen der Muskeltätigkeit:
1. die Eigen- oder Grundspannung (Tonus)
2. die Arbeitsleistung des Muskels durch Zusammenziehung (Kontraktion) oder durch Erhöhung
seiner Spannung
Als Tonus betrachtet man jeden ruhenden intakten Muskel der die Fähigkeit besitzt, sich je nach Konstitution
und Lebensalter einer Dehnung zu widersetzen. Der Tonus ist die Grundspannung des Körpers, die durch eine
reflektorische Dauererregung über die Muskelspindel aufrechterhalten wird. Bei sportlichen Menschen ist der
Tonus durch Training der Muskulatur ausgeprägt, man sieht es an der guten Körperhaltung. Je schlechter der
muskuläre Zustand, umso schlechter auch die Körperhaltung. Kinder haben einen geringen Tonus und eine
große Dehnfähigkeit der Muskelfasern, erst in der Pubertät erreicht der Tonus seine endgültige Ausbildung. Im
Alter lässt der Tonus dann wieder nach, gut zu erkennen an der oft gebeugten Haltung.
Der plastische Tonus kommt insbesondere in der glatten Muskulatur vor und ist verantwortlich für den
ständigen Spannungszustand der Wandmuskulatur der größeren Blutgefäße und des Magen-Darm-Kanals.
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Der kontraktile Tonus ist in der Skelettmuskulatur anzutreffen und wird durch die Muskel- und Sehnenspindeln
geregelt. Er sorgt dafür, dass der Körper mit den Gliedmaßen gegenüber dem Einfluss der Schwerkraft stets in
einer normalen Stellung verbleibt.
Auf die Arbeitsleistung des Muskels wird im Weiteren noch genauer eingegangen.
EXKURS Muskelspindeln: Muskelspindeln sind die kleinen Sensoren der Muskeln, die aus modifizierten
Muskelfasern bestehen. Sie sind von einer bindegewebigen Kapsel umgeben und mit verschiedenen
Nerventypen verbunden. Bei der Dehnung des Muskels leiten die Nervenfasern Informationen über Länge und
Spannung an das Rückenmark. Die Kontraktion wird veranlasst, indem die Erregung auf die Motoneuronen
übertragen wird. Zusammen mit ähnlichen Rezeptoren in den Sehnen und Bändern bilden sie das körpereigene
Empfinden über die eigene Haltung und Lage im Raum, die „Propriozeption“.
3.1.1 Ursprung und Ansatz
Je nachdem, wie die Muskeln ihre Arbeit verrichten, unterscheidet man sie nach:
Muskeln ohne „bestimmten“ Ursprung und Ansatz und Muskeln mit „bestimmten“ Ursprung und
Ansatz
Zu der Gruppe ohne „bestimmten“ Ursprung und Ansatz gehören hauptsächlich unwillkürliche glatte und zum
Teil willkürliche Muskeln, die entweder Hohlräume komplett auskleiden oder zumindest in der Lage sind, die
Hohlraummündung zu verschließen und zu öffnen. Beispiele sind das Herz, die Harn- und Gallenblase, die
Gebärmutter aber auch die Blut und Lymphgefäße und die Augenlider.
Ein Muskel mit „bestimmten“ Ursprung und Ansatz haftet mit dem sehnigen Anfangs- und Endteil des
Muskelbauches an den Knochen. Beispiele sind hier natürlich die Skelettmuskulatur und die
Gesichtsmuskulatur.
3.1.1.1 Ursprung
…ist die Sehne, die bei der Muskelkontraktion fixiert wird oder sich nur wenig bewegt. Sie liegt meist in der
Nähe des Rumpfes (proximal: zum Körper hin gelegen). Die Ursprungssehnen bestimmen die Anzahl der
Muskelköpfe. Es gibt ein- bis vierköpfige Skelettmuskeln (sie haben dann entsprechend viele Ursprungssehnen,
münden aber immer in einer gemeinsamen Ansatzsehne).
Ein Beispiel: der M. triceps brachii (dreiköpfiger Oberarmstrecker) hat drei Ursprungssehnen und eine
Ansatzsehne.
Siehe Muskelkatalog Q
3.1.1.2 Ansatz
…ist die Sehne, die bei der Muskelkontraktion bewegt wird oder beweglicher ist. Sie liegt dem Rumpf eher fern
(distal: vom Körper weg gelegen)
Neben den mehrköpfigen und mehrschwänzigen Muskeln gibt es auch noch mehrbäuchige Muskeln, bei denen
der Muskelbauch durch dazwischen liegende Sehnen in zwei oder mehrere Bäuche unterteilt ist (bestes
Beispiel ist der M. rectus abdominis mit seinem „Eightpack“).
3.1.2 Gewebeeinteilung
Muskelgewebe ist von unterschiedlicher Struktur und hat im Körper die verschiedensten Funktionen. Darum ist
es in drei Arten aufgeteilt:
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3.1.2.1 Quergestreifte Muskulatur
bildet den aktiven Teil des Bewegungsapparates
kleinste Baueinheit ist die Muskelfaser
diese ist eine vielkernige Zelle, die Zellkerne liegen am Rand, Myofibrillen füllen den Zellleib
aus
die Myofibrillen ziehen sich zusammen, indem ihre Eiweißmoleküle Aktin und Myosin
ineinander gleiten
die Querstreifung entsteht durch die parallele Anordnung der Eiweißmoleküle
arbeitet je nach Muskelfasertyp langsam-ausdauernd oder schnellkräftig
ist dem Willen unterworfen und arbeitet willkürlich (Steuerung durch das zentrale
Nervensystem
Vorkommen in der Skelettmuskulatur
Die Fiederung der Muskeln beschreibt deren Faseranordnung:
1 2 3
1: spindelförmige parallelfaserige Muskeln (z.B. Bizeps des Armes)
2: einfach gefiederte Muskeln
3: doppelt gefiederte Muskeln
mehrfach gefiederte Muskeln (z.B. Musculus deltoideus) – o.Abb.
Abbildung 23 Quergestreifte Muskulatur (Quelle: iatrum.de)
3.1.2.2 Quergestreifte Herzmuskulatur
Sonderstellung innerhalb der Muskulaturarten
arbeitet autonom über eigenes Reizbildungs- und Leitungssystem
Zellen sind zu einem Netzwerk verbunden
Zellkerne liegen in der Zellmitte
zeichnet sich durch hohe Ermüdungswiderstandsfähigkeit aus
3.1.2.3 Glatte Muskulatur
keine Querstreifung sichtbar
arbeitet unwillkürlich durch das vegetative Nervensystem
Zellkerne liegen in der Zellmitte
arbeitet langsam und unermüdlich
Vorkommen z.B. im Gefäßsystem, an den Blutgefäßen und im Atemtrakt
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3.1.3 Köpfigkeit der Muskeln
Des Weiteren kann man die „Köpfigkeit“ der Muskeln unterscheiden. Der Bizepsmuskel an Arm und Bein hat je
2, der Trizepsmuskel 3, der Musculus Quadrizeps am Oberschenkel hat vier Köpfe - daher die Namensgebung.
Auch spricht man in Abhängigkeit der Zahl der Muskelbäuche von der „Bäuchigkeit“. Die geraden
Bauchmuskeln haben z.B. vier Bäuche. Die Bäuche werden bei diesen Muskeln von sog. Zwischensehnen
getrennt.
Beispiele:
1 2 3 4 5 6
Abbildung 24 verschiedenköpfige Muskeln (Quelle: iatrum.de)
1. gerader Bauchmuskel = mehrbäuchig
2. der Gastrocnemius (Unterschenkelmuskel) gehört wie der Bizeps zu den zweiköpfigen
Muskeln
3. die kleinen Zehenbeuger der Fußsohle sind einköpfige parallelfaserige Muskeln
4. der Trapeziusmuskel ist ein Flachmuskel
5. der Vastus medialis am Oberschenkel ist doppelseitig gefiedert
6. der M. Digastricus (Hals) ist zweibäuchig und parallelfaserig
3.1.4 Muskelfasertypen
Nach „alter“ Trainingslehre unterteilt sich die Muskelfaser in zwei Typen, die rote Muskelfaser und die weiße
Muskelfaser. Die Einteilung stützt sich auf den mikro- und makroskopischen Feinbau, den Stoffwechsel, die
Kapillarisierung (Blut- und Sauerstoffversorgung), die Kontraktionsschnelligkeit und die Empfindlichkeit
gegenüber Sauerstoffmangel der einzelnen Muskelfasern.
Charakteristisch für die roten Muskelfasern oder auch ST Fasern (slow twitch = langsam zuckend oder Typ I) ist,
dass sie langsam kontrahieren aber nicht so schnell ermüden. Sie sind für Ausdauersportarten bedeutend.
Die ermüdungsresistenteren ST-Fasern sind nicht nur für die statischen Haltekontraktionen
entscheidend, sondern werden auch bei geringer Belastungsintensität immer zuerst rekrutiert bzw.
treten bei kontinuierlichen Belastungen dauerhaft in Aktion (z.B. beim Laufen).
Die weißen Muskelfasern oder auch FT Fasern (fast twitch = schnell zuckend oder Typ II) kontrahieren schnell
und kräftig, müssen sich aber auch eher wieder regenerieren. Sie werden im Kraftsport und bei
Schnellkraftsportarten gebraucht. Sie erscheinen heller, weil die Strukturen, die für die komplette
Zuckerverbrennung mit Sauerstoff nötig sind, nicht in sehr ausgeprägter Form und Menge vorhanden sind. Die
Energiegewinnung ist fast immer anaerob.
Erst bei Belastungen ab 50-60% der Belastungsintensität werden hauptsächlich die „stärkeren“,
aber auch nicht ermüdungsresistenten, weißen Muskelfasern aktiviert.
Eine Umwandlung von FT- zu ST-Muskelfasern ist durch umfangreiches Ausdauertraining möglich, jedoch
konnte bisher eine Umwandlung von ST-Fasern in FT-Fasern nicht nachgewiesen werden.
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Nach neuen Erkenntnissen gibt es noch einen Zwischentyp, den Intermediärtyp. Er ist als Untertyp der FT Faser
einzuordnen und im Sport sehr wichtig. Er unterstützt wenn nötig die schnelle Aktion, bei langem
Ausdauertraining zeigt er aber ein Verhalten wie die ST Faser. Er passt sich einfach, wie jede Zelle, den
Anforderungen an. Bei viel Schnellkrafttraining verhält sich die Intermediärfaser wie die FT Faser und bei
langem Ausdauertraining kommen eher die langsam zuckenden Eigenschaften zum Vorschein. Man kann ihn
sozusagen als „Joker“ betrachten.
Wie viel Fasern eines jeweiligen Typs im Muskel vorliegen, ist von Mensch zu Mensch
unterschiedlich, wobei die prozentuale Verteilung weitgehend genetisch determiniert ist, meist
aber zur Hälfte aus Typ I- und Typ II-Fasern.
Zudem ist die Verteilung ausschlaggebend dafür, ob der entsprechende Muskel eher eine Stütz- oder
Bewegungsfunktion einnimmt. Skelettmuskeln mit Halte- oder Stützfunktion (tonische Muskeln) besitzen mehr
ST Fasern, Skelettmuskeln mit Bewegungsfunktion (phasische Muskeln) eher FT Fasern.
Kriterium rote Muskelfasern (slow twitch oder Typ I)
weiße Muskelfasern (fast twitch oder Typ II)
Funktion langsam-ausdauernd (Ausdauer)
schnell-kräftig (Schnellkraft)
Mitochondrien hohe Anzahl geringe Anzahl
oxidative Enzyme hohe Anzahl niedrige Anzahl
anoxidative Enzyme niedrige Anzahl hohe Anzahl
Laktatbildung geringer größer
Kapillarisierung hoch geringer
Myoglobin hohe Anzahl niedrige Anzahl
Kreatinphosphatspeicher niedrige Anzahl hohe Anzahl
Glykogen hohe Anzahl niedrige Anzahl
Reizschwelle niedrig hoch
Erregungsleitung langsamer schneller
Tabelle 3 Eigenschaften der Muskelfasertypen I und II
EXKURS Faserentwicklung bei Kindern und Jugendlichen: Gerade im Leistungssport bei Kindern und
Jugendlichen wird oft ein einseitiges Training betrieben (passend zur Sportart). Grundsätzlich sollte aber immer
auch ein Teil des anderen Trainings einen Platz finden, denn ein frühes einseitiges Ausdauertraining
beeinträchtigt beispielsweise nachhaltig die Schnellkraftleistung. Beginnt man allerdings mit
Schnellkrafttraining, kann man später zwar keine Höchstleistungen aber anständige Ausdauerleistungen
erbringen.
3.1.5 Aufbau (eines Skelettmuskels)
Der Aufbau von außen nach innen:
das Epimysium ist die Bindegewebshülle, die mehrere Muskelfaserbündel umhüllt
diese Muskelfaserbündel sind einzeln noch einmal vom Perimysium umgeben
die Muskelfaserbündel sind von einem Kapillarnetz eingeschlossen
sie bestehen aus einzelnen Muskelfasern mit vielen Zellkernen, die bis zu 30 cm lang werden
können
die Muskelfasern wiederum sind von einer Plasmamembran, dem Sarkolemm umgeben
unter dem Sarkolemm befindet sich das Zytoplasma der Muskelzelle, das Sarkoplasma
die Muskelfasern bestehen aus den Myofibrillen
die kontraktilen Einheiten (Abschnitte von einem Z-Band zum anderen) dieser Myofibrillen
heißen Sarkomer
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die einzelne Myofibrille setzt sich aus einem Myofilament zusammen, welches sich aus den
Proteinen Aktin und Myosin ergibt
Zu erwähnen sind hier noch das M-Band, welches benachbarte Myosinstränge verbindet und das Z-Band,
welches die Verbindungsstelle der Sarkomere bezeichnet.
Abbildung 25 Aufbau eines Skelettmuskels (Quelle: apsu.edu)
3.1.6 Kontraktion
Damit ein Muskel kontrahieren kann, muss der Muskel vorher über die zugehörige motorische Einheit (ein von
den Vorderhornzellen des Rückenmarks ziehender motorischer Nerv) elektrisch gereizt werden. Dabei
kontrahiert nicht der ganze Muskel, sondern immer nur einzelne Muskelfasern mit einer zugehörigen
motorischen Einheit. Aus der motorischen Endplatte wird in den Spalt (= Synapse) zwischen Endplatte und
Muskelzellmembran Acetylcholin als Überträgerstoff freigesetzt. Das Acetylcholin bewirkt an der
Muskelzellmembran eine Verminderung des elektrischen Ruhepotentials (= Depolarisation).
Das Ausmaß der Depolarisation der Muskelzelle ist von der Menge des freigesetzten Acetylcholins abhängig,
und diese wiederum von der Stärke des eintreffenden Nervenimpulses. Ist der Nervenimpuls schwach, dann ist
auch die Menge des freigesetzten Acetylcholins gering, und damit auch die Depolarisation. Wenn die
Depolarisation unter einem bestimmten Schwellenwert bleibt, ereignet sich nichts und das Acetylcholin wird
wieder abgebaut und das Ruhepotential wird wieder hergestellt (Repolarisation).
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1. Muskelfaserbündel
2. Muskelfaser = Muskelzelle
3. Myofibrillen
Abbildung 26 bis zur Myofibrille aufgespaltene Muskulatur (Quelle: FH Ludwigshafen)
Abbildung 27 Aufbau eines Muskels (Quelle: fitnessonline.at)
3.1.7 Calcium und Magnesium bei der Muskelkontraktion
Die Depolarisation bewirkt, dass Calciumionen aus dem sarkoplasmatischen Retikulum ins Sarkoplasma
strömen, das normalerweise calciumfrei ist, da Ionenpumpen das Calcium laufend aus dem Zytoplasma in das
sarkoplasmatische Retikulum transportieren.
Calciumionen ermöglichen die chemische Bindung von Aktin und Myosin zu Aktomyosinkomplexen, welche die
eigentliche kontraktile Form der Myofibrillen darstellen und unter Verbrauch von ATP die Verkürzung des
Sarkomers bewirken.
Die Myofibrillen ziehen sich demnach zusammen und dadurch verkürzt sich die Muskelzelle. Die dabei
entstehenden Kräfte werden durch die bindegewebigen Strukturen wie das Epimysium, das Perimysium und