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aus: Wolf, Parodontologie (ISBN 9783131698032) © 2012 Georg Thieme Verlag KG
348 Regenerative Methoden348
Neben dem beschriebenen reinen Spongiosagranulat ist Bio-Oss-Spongiosagranulat (bovin; 90%) plus Kollagen (porcin;10%) in Blockform als Füllmaterial für parodontale Knochen-defekte erhältlich. Die in einer „Kombipackung“ mitgelie-ferte Bio-Gide-Membran lässt sich mithilfe von beigelegtenSchnittmustern vorformen (Abb. 816).
Der 39-jährige Patient ist parodontal weitgehend gesund.Der lokalisierte, tiefe Knochendefekt mesial von Zahn 46 istnicht eindeutig erklärbar: Alternativ zur Mesialkippungnach Fünferextraktion wäre möglich, dass beim Legen der
Kunststofffüllung flüssiges Bonding-Material in den mesia-len Sulkus gelaufen ist und die lokalisierte Defektbildungeingeleitet hat: eine Gefahr, die beim Legen weißer Füllun-gen oft unterschätzt wird (kaum sichtbares Bonding-Mate-rial).
Nach Vorbehandlung zeigt sich im Defektbereich wenigPlaque, aber eine persistierende Reizblutung.Taschentiefen, Zahnbeweglichkeit und Knochenverlust s.Abbildungen.
GTR mit Membran plus Füllkörper – Bio-Gide und Bio-Oss-Collagen
7 6 5 4
813 IV. Quadrant nachVorbehandlungDie Gingiva ist kaum gestippeltund sieht leicht „glasig“ aus, zeigtaber mesial des gekippten Sech-sers Reizblutung. Die alte, relativgroße Kunststofffüllung (mitRöntgenkontrast) besteht wahr-scheinlich schon seit vielen Jah-ren. Sie soll nach Abschluss derParodontaltherapie durch einInlay ersetzt werden.
Rechts: Die Sondierungstiefemesial von Zahn 46 beträgt ander tiefsten Stelle 12 mm.
814 RöntgenanfangsbefundNur mesial von Zahn 46 zeigt sichein ausgeprägter Knochenein-bruch. In der Tiefe wird eine 3-Wand-Knochentasche vermutet.Der Defekt reicht weit über dieHälfte der Wurzellänge hinaus.
815 Darstellung des DefektsNach einem Marginalschnittwerden fazial und oral – ohne Ver-tikalinzisionen – Mukoperiost-lappen gebildet, das Granulations-gewebe wird entfernt und dieWurzeloberfläche gereinigt. VorFüllung des Defekts muss durchPerforieren der knöchernen Kra-terwand eine Blutung provoziertwerden (Koagulum, Ernährung).
Rechts: Skizze der lokalisiertenKnochentasche.
Sammlung M. Marxer
aus: Wolf, Parodontologie (ISBN 9783131698032) © 2012 Georg Thieme Verlag KG
349349GTR mit Membran plus Füllkörper
816 Bio-Oss Perio-System –KombipackungSie enthält eine 16×22 mm großeBio-Gide-Membran, einen Bio-Oss-Block (Spongiosagranulat undKollagen 90:10 %) sowie „Schnitt-muster“ für die Membran.
Links: Schnitt durch eine porcineKollagenmembran. Die raue Seite– im Bild links – wird auf die Zahn-bzw. Knochenseite appliziert(modif. Fa. Geistlich Biomaterials).
817 Gefüllter DefektDie Knochentasche wurde mit derangefeuchteten Spongiosagranu-lat-Kollagen-Masse bis nah an dieSchmelz-Zement-Grenze aufge-füllt. Dieser Masse könnte zusätz-lich – als antimikrobielle Kompo-nente – Tetrazyklinpulver beige-mischt werden. Unbedingt solltesie vor der Abdeckung mit derMembran gut mit Blut durch-mischt sein (mehr als im Bildsichtbar).
NB: Ein starkes Überfüllen desDefekts ist kontraproduktiv!
818 Applizierte MembranDer gefüllte Defekt wird mit dergeschmeidigen und – im feuchtenZustand – leicht klebenden Mem-bran vollständig und ohne fixie-rende Nähte dicht abgedeckt.Eine Fixation mit Nähten oderresorbierbaren „pins“ ist nur an-gezeigt, wenn durch mechani-sche Einflüsse eine Verschiebung,ein „Abreißen“ des Koagulumsvon der Wurzeloberfläche droht.
819 WundverschlussDie Wunde und die Membranwerden mit dem Mukoperiost-lappen dicht gedeckt (interden-tale Einzelnähte).Der Patient spült während 6–8Wochen mit CHX oder appliziertCHX-Gelée (1 %). Die mechanischeHygiene darf im Defektbereichnicht zu früh wieder aufgenom-men werden.
Links: Skizze des aufgefüllten undmit einer Membran abgedecktenDefekts. Beachte die Periostschlit-zung (spannungsfreier Lappen).
aus: Wolf, Parodontologie (ISBN 9783131698032) © 2012 Georg Thieme Verlag KG
350 Regenerative Methoden350
Zusammenfassung des klinischen Falles „xenogenes Implantat / Kollagenmembran“
Bei dem 39-jährigen Patienten wurde der lokalisierte Defektmesial von Zahn 46 erfolgreich behandelt. Die bis zu 12 mmtiefe Tasche wurde auf 4 mm reduziert. Der intraalveoläreAnteil des Knochendefekts hat sich vollständig regeneriert(Abb. 820 rechts). Dieses klinische und röntgenologischeResultat lässt nicht den Schluss zu, dass neben der Neubil-dung von Knochen auch neues Zement und Desmodont ge-bildet wurden. Dies wäre nur histologisch nachweisbar.
Klinische Studie „xenogenes Implantat/Kollagenmembran“
Die in den letzten beiden Fällen dargestellte Behandlungs-methode wurde in einer ausführlichen Studie an 14 Patien-ten mit insgesamt 27 parodontalen Knochendefekten unter-sucht (Zitzmann et al. 2002). Beim Anfangsbefund warendie knöchernen Defekte mindestens 5 mm tief, der Attach-mentverlust betrug 6 mm. Nachuntersuchungen erfolgtenüber einen Zeitraum von 2 Jahren. Die Resultate sind in Abb.822 dargestellt.
Rx Knochenregenerationmm
7
6
5
4
3
2
1
0
MonateBasis 1,5 3 6 12 18 24
klinische Messresultate
??
mm7
6
5
4
3
2
1
0
MonateBasis 1,5 3 6 12 18 24
7,08 3,52
2,78
0,78
AB SB
820 Patientenfall – Knochen-defektfüllung:Röntgenbilder vor Defektfüllung,unmittelbar danach und 2 JahrepostoperativLinks: Der lokalisierte, in der Tiefe3-wandige Defekt reicht bis ca.zur Hälfte der Wurzellänge.
Mitte: Defekt unmittelbar postoperationem, nach „Auffüllung“mit Bio-Oss Collagen.
Rechts: Defektfüllung 2 J. postop.
Sammlung M. Marxer
Studie – Zitzman et al. 2002
821 Röntgenologischdarstellbare KnochenfüllungWird eine Knochentasche mit ei-nem xenogenen Knochenmaterialaufgefüllt und mit einer Kollagen-membran abgedeckt, so zeigt sichim Röntgenbild nach 2 Jahren eindurchschnittlicher Füllungsverlustvon über 40 %.
Rechts: Knochenneubildung ist um die implantierten, noch kaum„anresorbierten“ Bio-Oss-Partikeldeutlich erkennbar.
822 Sondierungstiefen, klini-scher Attachmentgewinn undRezession des Margo gingivae(Keine Sondierung vor 6 Monaten!;siehe Fragezeichen).Die Messungen nach 6–24 Mona-ten zeigen erheblich reduzierteSondierungstiefen (ca. 3,5 mmbzw. 50 %). Der klinische Attach-mentgewinn beträgt ca. 2,8 mm,die Rezession ca. 1 mm.
Rechts: Die Resultate im Überblick.AB AnfangsbefundSB Schlussbefund
aus: Wolf, Parodontologie (ISBN 9783131698032) © 2012 Georg Thieme Verlag KG
351Regeneration mit Wachstums-, Differenzierungsfaktoren und Proteinen
Regeneration mit Wachstums-, Differenzierungsfaktoren und Proteinen
Die vollständige Regeneration parodontaler Gewebe – vonZement, Desmodont, Knochen und Gingiva – erfordert dasZusammenspiel von pluripotenten Zellen, extrazellulärerMatrix und Matrixproteinen, systemischen Hormonen so-wie von Wachstums- und Differenzierungsfaktoren (lokalenSignalmolekülen).
Wachstumsfaktoren sind mitogene Signalmoleküle (Poly-peptide), die lokal Wachstum (Vermehrung) und Funktionvon unterschiedlichen Zellen auf recht unterschiedliche Artbeeinflussen können.
Differenzierungsfaktoren bestimmen den Phänotyp unreiferZellen: Pluripotente „Vorläuferzellen“ entwickeln sich unterdem Einfluss von Differenzierungsfaktoren zu funktions-fähigen, reifen Zellen. Unter dem Einfluss von „bone mor-phogenetic proteins“ (BMP) entwickeln sich Osteoblastenaus undifferenzierten Mesenchymzellen (S. 205 f).
Solche Faktoren werden immer häufiger zur Beschleuni-gung und Verbesserung der parodontalen und Implantat-heilung, mittels unterschiedlicher Trägersysteme (knöcher-ne oder kollagene Füller), eingesetzt.
Faktoren und Proteine in der Praxis
Praktisch angewendet werden zurzeit die folgenden zertifi-zierten Mediatorsysteme:
• „Platelet-rich plasma“ (PRP) in verschiedenen Applika-tionsarten (Marx 2001). Aus Eigenblut konzentriertePlasmafraktion ist reich an Thrombozyten mit großenMengen von „platelet-derived growth factor“ (PDPF) undtransformierendem Wachstumsfaktor TGFβ.
• P-15 (synthetisches Polypeptid), dargereicht in bovinemFüllergranulat.
• Emdogain (Biora): Porcine Amelogenine sind eine Frak-tion von Schmelzmatrixproteinen („enamel matrix deriva-tives“, EMD), die in der richtigen Umgebung zementbil-dend wirken: Emdogain setzt auf humanem Wurzelden-tin einen Prozess in Gang, der Vorgänge der natürlichenZahnentwicklung nachahmt (Mimikri; Zetterström 1997).Seine Anwendungen in der regenerativen Therapie basie-ren auf der Umsetzung dieser Erkenntnisse. Der histolo-gische Nachweis von neu gebildetem Wurzelzement undparodontalem Ligament (vgl. S. 200!) entlang einer vor-mals erkrankten Wurzeloberfläche bestätigt die Richtig-keit dieser Überlegungen.
823 Aktivität von Wachstums-faktoren (modif. Cochran u.Wozney 1999, Müller 2001)Signalmoleküle wirken meiststreng lokal (autokrin/selbststimu-lierend und parakrin/zur Nachbar-zelle). Dies bedingt das Vorhanden-sein, die „Nähe“ von Zielzellen.
Tabelle: Aktivitätseffekte
++ stark erhöht+ erhöht± evtl. erhöht– ohne oder mit negativem
Effekt
824 „Bone morphogeneticproteins“ (BMP)Die Gruppe der BMP-Molekülewird zur Großfamilie transformie-renden Wachstumsfaktoren (TGF)gezählt. Die Tabelle zeigt denVerwandtschaftsgrad innerhalbder BMP.Von den untersuchten – in derorthopädische Chirurgie z. T.bereits angewendeten – BMPzeigen BMP-2 u. -4 sowie BMP-7u. -8 die besten Voraussetzungenzur Knocheninduktion.
Wirkung wichtiger Wachstumsfaktoren / Signalmoleküle
Faktor
PDGF
IGF
TGFβ
BMP
FGF
Fibroblasten-Profileration
Osteoblasten-Proliferation
Synthese vonMatrixprotein
Mesenchym-zelldifferen-zierung
Vaskulari-sation
Platelet-DerivedGrowth Factor (GF)
Insulin-like GF
TransformingGF betaBone MorphogeneticProteins -2, -4, -7
FibroblastGF
+++ +
++
+
–
+*
++*
++ – ++
++*
–
–
–
–++
++++
++
–
++ –
++
Homologie der hBMP – „human Bone Morphogenetic Proteins“
BMP-2BMP-4
BMP-5BMP-6BMP-7BMP-8
BMP-3
92%
82%
59%
45%
BMP-2ABMP-2B
Osteogenic Protein OP-1Osteogenic Protein OP-2
Osteogenin