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1 Fachtagung Es darf etwas Besonderes sein – Arbeitsmarktförderung für spezielle Zielgruppen Handlungsstrategien für psychisch kranke Menschen 16. August 2017, Berlin Manfred Becker, Kölner Verein für Rehabilitation e.V. [email protected] m: 0179-1459451 d: 221-2943-444 Psych. Erkrankung SGBII © Becker

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FachtagungEs darf etwas Besonderes sein –

Arbeitsmarktförderung für spezielle Zielgruppen

Handlungsstrategien für psychisch kranke Menschen

16. August 2017, Berlin

Manfred Becker, Kölner Verein für Rehabilitation e.V.

[email protected]

m: 0179-1459451 d: 221-2943-444Psych. Erkrankung SGBII © Becker

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Psych. Erkrankung SGBII © Becker

psychisch kranke Menschenim SGB II: Wissenstand und Lücken

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Studie Universität Halle-Wittenberg / Aktion Psychisch Kranke für das IAB 2013

� Krankenkassen: mehr als 1/3 Alg-II-Bezieher pro Jahr mind. eine psychiatrische Diagnose

� Affektive (Depression u.a.) und neurotische Störungen, Belastungs- und psychosomatische Störungen am häufigsten

� Arbeitsvermittler schätzen Anteil an Alg-II-Beziehern mit psychischen Beeinträchtigungen 5 bis 40 %

http://doku.iab.de/forschungsbericht/2013/fb1213.pdf

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� oft notwendige intensive Betreuung und Vermittlung durch Rahmenbedingungen im Jobcenter stark begrenzt

� Werden psychische Problemlagen erkannt > meist fachdienstliche Gutachten,

- nicht vom Facharzt und - Momentaufnahmen ohne eingehende

Belastungserprobung

� oft mangels Alternativen > Standardmaßnahmen der allgemeinen Förderung, kaum individuelle Ausrichtung

Studie IAB 2013

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�Kooperation Jobcenter - psychosoziales Hilfesystem qualitativ und quantitativ sehr unterschiedlich – meist keine etablierte Zusammenarbeit

� psychosoziale Betreuung nach § 16a SGB II -kommunale Eingliederungsleistung - wenig genutzt

� Jobcenter Essen: ca. 70% nicht in ärztlicher Behandlung- ein Großteil noch nie

Studie IAB 2013

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Wilfried Koletzko - DAK Psych. Erkrankung SGBII © Becker

Effektstärke

arbeitslos - erwerbstätig

erwerbstätig - arbeitslos

arbeitslos - arbeitslos

erwerbstätig - erwerbstätig

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Internationale Studien

belegen Wirksamkeit und Überlegenheit von Jobcoaching / Unterstützter Beschäftigung Supported Employment SE (IPS - individual placement and support)

- ähnlich wie z.B. Integrationsfachdienste bei uns -

Bailey et al, 1998; Becker et al, 2001a; Drake et al, 1994, 1996b, Drake et al 1996a und Drake et al, 1999; Lehman et al, 2002; Mueser et al, 2004.

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„Expertise“ der DGPPN: zahlreiche Studien zur Wirk-samkeitsüberprüfung von SE zeigen dessen Überlegenheit – in manualisierter Form (IPS), insbes. in arbeitsbezogenen Zielgrößen.(z. B. Bejerholm et al. 2015, Oshima et al. 2014, Michon et al. 2014, Mueser et al. 2014).

Randomisierte kontrollierte Studie von Hoffmann und Kollegen (2012, 2014): SE-Ansatz überlegen gegenüber traditionellen arbeitsrehabilitativen Interventionen

Sept 2015

https://www.dgppn.de/_Resources/Persistent/6f086cca1fce87b992b2514621343930b0c398c5/Expertise_Arbeitssituation_2015-09-14_fin.pdf

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Zudem wurden positive Effekte auf nicht-arbeitsbezogene Zielvariablen beschrieben.

Teilnahme an IPS führte zu

� höherer Lebensqualität

� verringerter stationärer Behandlungsnotwendigkeit

� erweitertem Empowerment

� höherer Arbeitsmotivation (z. B. Areberg und Bejerholm 2013, Hoffmann et al. 2014).

Auch aktuelle Übersichtsarbeiten und Metaanalysen wie die der CochraneCollaboration bestätigen die Überlegenheit von Supported Employment.

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Arbeit + Jobcoaching sehr wichtig

„Ein zentrales Ergebnis ist, dass die öffentlich geförderte Beschäftigung (ögB) in den Modellprojekten NRW eine erhebliche Wirkung auf die soziale Teilhabe der Geförderten hat. Sie ist im Falle der „Modellprojekte ögB NRW“ sogar noch etwas größer als die genannte Wirkung des Beschäftigungszuschusses, was auf die sozialpädagogische Unterstützung (Jobcoaching) zurückzuführen sein dürfte.„

http://doku.iab.de/stellungnahme/2015/sn0415.pdf - S. 13

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Ängste sind eine Grundlage fast aller psychischer Störungen- aber nicht immer sofort erkennbar- Druck, Zwang, Sanktionen nicht hilfreich

Folgen:

Konzentrations-, Leistungs-, Ausdauer-Probleme

Probleme im zwischenmenschlichen Verhalten - meist eher Rückzug - aber auch Aggressionen, Übergriffe möglich

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• Angst allein gelassen, nicht unterstützt werden

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Fachkundige Anleitung für Mitarbeitende und Unternehmen ist dabei aber sehr hilfreich

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und: Orientierungshilfe im Reha-Dschungel

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Anforderungen an die Arbeitsförderung für diese Zielgruppe

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• Erkennen der Erkrankung im Jobcenter

• Kein Druck / Sanktionen

• Klärung der Bedarfe / Bedürfnisse

• Passende Unterstützung (Fachkräfte, Coaching) bei

� der Erledigung von Formalitäten / Abläufen

� der Behandlung

� der Bedarfsklärung

� den Reha-Wegen

= viele Ressourcen im Jobcenter

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Ressourcen?

� Kürzungen bei Eingliederungs-Leistungen seit 2010

ca. 2,6 Mrd. Euro (von ca. 6,4 Mrd. auf ca. 3,55 Mrd. 2015)

� alle Jobcenter schieben zusätzlich fast 20% dieser Mittel in den Verwaltungs-Etat

� Folge: die Arbeitsförderung erreicht nur noch ca. 810.000 Menschen jährlich - 2009 ca. 1,63 Mio.

� für Zielgruppe besonders wichtige öffentlich geförderte Beschäftigung mit ca. 99.000 Beschäftigten 2015 auf einem Tiefststand - 1999 noch ca. 700.000

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Jobcenter haben aber im Einzelfall als auch für gesamte Zielgruppe einige Möglichkeiten

Im Einzelfall

� SGB II bietet div. Möglichkeiten für personenbezogene Lösungen

� persönliche Begleitung und Unterstützung externer Fachkräfte hilft, mit dem Jobcenter gemeinsam Lösungen zu finden

� Fachärztliche Empfehlungen mit Blick auf die realisierbaren Möglichkeiten können ebenfalls weiter helfen

� Leider fehlen auch dort oft notwendige Ressourcen

� Integrationsfachdienst kann nur mit besonderem (Reha-) Auftrag helfen

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Jobcenter haben weiterhin Möglichkeiten

Institutionell

�psychosoziales Hilfssystem sollte aktiv tätig werden

�Zusammenarbeit anbieten, die das Jobcenter nutzen kann

�Dabei kann auf positive Erfahrungen aufgebaut werden

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Jobcenter haben weiterhin Möglichkeiten

Institutionell

�Die Kommune kann im Rahmen des § 16a SGB II selbst Hilfen entwickeln und das Jobcenter qualifizieren

Der Sozialpsychiatrische Dienst z. B. kann

− Jobcenter-Vermittler schulen

− fachliche Beurteilungen abgeben zur beruflichen Perspektive

− Netzwerke von Jobcenter und psychosozialer Versorgung entwickeln

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Jobcenter haben weiterhin Möglichkeiten

Institutionell

�Anbieter psychosozialer Hilfen, könnten Netzwerk für den Personenkreis aufbauen. Auch dies kann Kommune über 16a-Mittel finanzieren

�alles abhängig von kommunaler Politik und Verwaltung. Keine Richtlinien für „psychosoziale Hilfen“ 16a SGB II

�der Politik deutlich machen: Nichtstun ist individuell und volkswirtschaftlich eine Verschwendung von Ressourcen.

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Praxis-Beispiele

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NRW:Ges f. innovative Beschäftigungsförderung - www.gib.nrw.de

AK Gesundheit SGB II GIB + Jobcenter-Leitungen

seit 2014 Austausch zu innovativen Ansätzen bei Prävention, Gesundheitsförderung und Kooperation in der (rechtskreisübergreifenden) Zusammenarbeit mit Trägern.

http://www.gib.nrw.de/themen/sgb-2-steuerung/veranstaltungen/schnittstellenmanagement-von-arbeits-und-gesundheitsfoerderung-im-sgb-ii

http://www.gib.nrw.de/themen/sgb-2-steuerung/veranstaltungen/ergebnisse-der-arbeitsgruppen-transparenz-herstellen-und-kooperationen-vereinbaren

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Modell-Erfahrungen

�5 „Modellregionen“ der Studie, zwei mit besonderen Strukturen für psychisch beeinträchtigte Menschen

�großstädtische Region D: seit 2005 ein „Spezifisches Fallmanagement für SGB-II-Beziehende mit gesund-heitlichen Problemen“ - Disability Management (DiMa)

�Region E: Projekt Vernetzung des Jobcenters mit den Akteuren des Hilfesystems

� In beiden Regionen deutlich intensivere Zusammenarbeit, mehr Zufriedenheit der Partner und bessere Betreuung der Zielgruppe erreicht

Studie IAB 2013

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Integrierte Gesundheits- und Arbeitsförderung

in der Stadt Essen – Optionskommune

JobCenter Essen und Gesundheitsamt Essen leiten gemeinsam das Projekt „Arbeitslosigkeit und Gesundheit“

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http://www.jobcenterkoeln.de/site/menschenmitbeeintraechtigung

DiMa-Leitung: Frau [email protected]

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29 Integrationsteams: je 1 DiMA

DiMa umfassend geschult

DiMa können externe Hilfen in Auftrag geben z.B.:

• Joblotsen DiMa

• SEM - Stabilisierung - Entwicklung - Motivation

http://zugumzug.org/start/standorte/sem-dima/

• Belastungserprobungen

• AVG-Angebote

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KÖLNwww.jobprofil-koeln.de/content/angebote/joblotsen

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das Potential der Bundesmodellförderung zur Rehabilitation aus Sicht einerParitätischen Mitgliedsorganisation

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BTHG Begründung zu § 11 Förderung von Modellvorhaben zur Stärkung der Rehabilitation

� Jobcenter sollen Menschen mit komplexen gesundheitlichen und seelischen Unterstützungs-bedarfen frühzeitig ansprechen und auch

� mit zusätzlichen und/oder innovativen Maßnahmen und Handlungsansätzen fördern,

� insbesondere um vor einem Übergang ineine WfbM alternative Möglichkeiten zu erproben.

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BTHG Begründung zu § 11 Förderung von Modellvorhaben zur Stärkung der Rehabilitation

Hierzu können z.B. Teams mit qualifizierten Spezialisten in den Jobcentern eingerichtet werden, die erweiterte Ressourcen erhalten, um Rehabilitationsbedarfe früh zu erkennen.

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BTHG Begründung zu § 11 Förderung von Modellvorhaben zur Stärkung der Rehabilitation

Zusätzlich können die Jobcenter externe Fachleute beauftragen, die als spezialisierte Beratungsfachkräfte Personen mit gesundheitlichen Herausforderungen

bei der Orientierung innerhalb des Sozialleistungs-Systems begleiten und

dabei helfen, Unterstützungsangebote bei der Antragstell-ung wahrzunehmen sowie gesundheitsfördernde, sportliche oder sozialpsychologische Angebote zu nutzen, noch bevor sich konkrete Reha-Bedarfe manifestieren.

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FAZIT: Anbieter sollten Jobcenter zu deren Interessen und

Optionen zur Modell-Beteiligung ansprechen

Möglichst gemeinsam Konzepte entwickeln in der Suchthilfe/Arbeitsmarktförderung/Psychiatrie

Stichworte:

� Qualifizierung/Ressourcen-Entwicklung im Jobcenter

� Orientierungs-Begleitung (Jobcoaching-DiMa)

� Behandlung / Bedarfs-Klärung / niedrigschwellige Belastungserprobung

� Reha-/Beschäftigungs-Angebote mit gutem Jobcoaching in eigenen Projekten oder in normalen Betrieben

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Manfred Becker, Kölner Verein für Rehabilitation e.V.

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