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1 Hauptseminararbeit im Bereich Ost- und Mitteleurpoäische Geschichte. Thema: Die deutsch-russischen Beziehungen im 19. und im 20. Jahrhundert. Die Deutschlandpolitik Stalins. INHALTSVERZEICHNIS Seite EINLEITUNG 1 KAP.1...........VON DEUTSCH-SOWJETISCHER INTERESSEN- KONVERGENZ ZUR -DIVERGENZ 2 KAP.2...........DEUTSCHLANDPOLITISCHE KONZEPTIONEN AUF DEN KONFERENZEN JALTA, TEHERAN UND POTSDAM 4 I. Teheran 4 II. Jalta 5 III. Potsdam 7 KAP.3...........DIE BERLIN-KRISE 9 KAP.4...........DIE STALIN-NOTEN 12 KAP.5...........BEWERTUNG DER SOWJETISCHEN DEUTSCHLANDPOLITIK 15 I. Phase I 15 II. Phase II 16 III. Fazit 16 KAP.6............SOWJETISCHE "WIEDERVEREINIGUNGSPOLITIK"

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Hauptseminararbeit im Bereich Ost- und

Mitteleurpoäische Geschichte.

Thema: Die deutsch-russischen Beziehungen im 19.

und im 20. Jahrhundert. Die Deutschlandpolitik

Stalins.

INHALTSVERZEICHNIS

Seite

EINLEITUNG 1

KAP.1...........VON DEUTSCH-SOWJETISCHER INTERESSEN-KONVERGENZ ZUR -DIVERGENZ 2

KAP.2...........DEUTSCHLANDPOLITISCHE KONZEPTIONEN AUF DEN KONFERENZEN JALTA, TEHERAN UND POTSDAM 4

I. Teheran 4II. Jalta 5III. Potsdam 7

KAP.3...........DIE BERLIN-KRISE 9

KAP.4...........DIE STALIN-NOTEN 12

KAP.5...........BEWERTUNG DER SOWJETISCHEN DEUTSCHLANDPOLITIK 15I. Phase I 15II. Phase II 16III. Fazit 16

KAP.6............SOWJETISCHE "WIEDERVEREINIGUNGSPOLITIK"

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NACH 1953 17

KAP.7...........ZUSAMMENFASSUNG 18

LITERATURLISTE 20

ANHANG......ZEITTAFEL 22

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EINLEITUNG

Das 20. Jahrhundert neigt sich dem Ende entgegen. Es wird als dasJahrhundert der Totalitarismen in die Weltgeschichte eingehen.Nationalsozialismus und Faschismus auf der einen, Sozialismus undKommunismus auf der anderen Seite waren Gesellschaftssysteme, die imGegensatz zur westlichen Demokratie standen. Der Krieg der Systeme spaltetedie Welt. Nach der bedingungslosen Kapitulation des nationalsozialistischenRegimes in Deutschland, nahm die kommunistische Welt "ihren Systemkampf"gegen die westliche Welt auf. Der Systemkonflikt als Ost-West-Gegensatz,manifestiert in der Teilung Deutschlands und Europas.

In der vorliegenden Arbeit soll insbesondere auf die Deutschlandpolitikder Sowjetunion nach dem Überfall Nazi-Deutschlands 1941 bis zum TodStalins eingegangen werden. Anhand dieser Untersuchung soll versucht werden,ein Bild zu zeichnen, das den Wandel der sowjetischen Außenpolitik aufzeigt:vom kleinen, unfreiwilligen Partner der Anti-Hitler-Koalition zurselbstbewußten europäischen Weltmacht.

Anhand der Betrachtung verschiedener historischer Ereignisse wie dendrei Konferenzen der Alliierten in Teheran, Jalta und Potsdam, der Berlin-Kriseund den Stalin-Noten im Jahre 1952 soll diese Entwicklung nachgezeichnetwerden.

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KAPITEL 1

Von deutsch-sowjetischer Interessenkonvergenz zur -divergenz

Bis zur Unternehmung Barbarossa, dem deutschen Überfall auf die UdSSR am22. Juni 1941, herrschte zwischen Deutschland und der Sowjetunion eineaußenpolitische Interessenkonvergenz, die in dem Hitler-Stalin-Pakt mit dem geheimenZusatzprotokoll am 23. August 1939 manifestiert wurde. Die Teilung Osteuropas,insbesondere Polens, war das entscheidenste Ergebnis. Beide Staaten waren seit demEnde des 1.Weltkrieges Außenseiter im Internationalen System. Deutschland alsVerlierer des Krieges, Sowjetrußland als Vorreiter eines gesellschaftspolitischenSystems, das für die internationale proletarische Revolution stand und aus diesemGrunde dem kapitalistisch-demokratischem Westen von Anfang an suspekt war.

Aufgrund dieser außenpolitischen Isolation waren gegenseitige Annäherungen,die im Rapallo- und Berliner Vertrag 1922 und 1926 ihren Ausdruck fanden, einelogische Konsequenz. Zwangsläufig mußte diese ideologisch doch so gegensätzlicheSystemkoalition scheitern, wenn der außenpolitische Einigungsfaktor wegfiele. Auf dereinen Seite würde dann die kommunistische Weltrevolution stehen. Nach dessenIdeologie der Nationalsozialismus bzw. der Faschismus als eine Ausartung deskapitalistischen Systems betrachtet wurde. Auf der anderen Seite stünde dienationalsozialistische Rassenideologie. Sie betrachtete die Slawen nur als halbwertigeMenschen, die für die Arier Fron- und Sklavendienste zu verrichten hatten. Der Zwangfür die germanische Rasse, Lebensraum für das Ziel, wirtschaftliche Autarkie zuerreichen, verlangte nach einer Erweiterung des Territoriums. Und dieses sahen dienationalsozialistischen Machthaber im Osten, der durch seine Kornkammern in Polenund der Ukraine dem Arier die Ernäherungsgrundlage sichern sollte. FürNazi-Deutschland war Sowjetrußland das Grundübel in aller Welt, das es zubekämpfen galt: "Moscow was the capital and symbol of the Slav, Marxist and Jewishthreat to the Aryan race."

Der deutsche Überfall zwang die UdSSR zu einer Kriegsallianz mit denWestmächten. Stalin bat Briten und Franzosen, endlich eine zweite Front gegenDeutschland zu eröffnen. Vor allem befürchtete Stalin, daß sein Regime dem Atemausginge. Verfolgungen und Deportationen möglicher Feinde Stalins wie den Kulakenoder der Intelligenzija waren die Folgen.

Nach Sywottek verfolgte die sowjetische Kriegspolitik ein wesentliches Ziel: Inder Kategorie eines für Großmächte üblichen ordnungspolitischen Denkens forderte die

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Sowjetunion eine vorteilhafte Kriegsziel- und Friedensregelung gegenüber ihrenAllianzpartnern. Darunter wird vor allem der Wunsch nach territorialer Erweiterungauf Kosten der Verliererstaaten verstanden. Ein Konzept jedoch, daß ein aufeinanderabgestimmtes Programm zum Aufbau eines integrierten Systems sowjetischerHerrschaft über mögliche Satellitenstaaten vorlag, ist nicht nachweisbar. DieProgramme der kommunistischen Parteien Europas zielten nämlich auf breiteZustimmung in den jeweiligen nationalen Bevölkerung sowie auf einen Konsens unterden nicht prodeutschen beziehungsweise in Deutschland pronationalsozialistischenpolitischen Gruppierungen.

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KAPITEL 2

DEUTSCHLANDPOLITISCHE KONZEPTIONEN AUF DENKONFERENZEN TEHERAN, JALTA UND POTSDAM

Die sowjetische Außenpolitik mußte nach dem Ende des 2. Weltkrieges alslangfristiges Ziel die Absicherung ihres Landes gen Westen im Auge haben. Rußland beziehungsweise die UdSSR war nämlich dreimal in anderthalb Jahrhunderten (1812,1914, 1941) in einen europäischen Weltkrieg verwickelt worden.

Die UdSSR hatte von Anfang an bestimmte Vorstellungen über die ZukunftDeutschlands: Die völlige Vernichtung des Nazi-Regimes einschließlich der Sozial-und Wirtschaftsstrukturen und der Aufbau eines neuen Deutschlands, in dem dieSowjetunion die Führungselite einsetzen wollte. Diese Leitlinien bestimmte diesowjetische Deutschlandpolitik Stalins in den drei Konferenzen der Alliierten.

I. Konferenz von Teheran (28. November bis 1. Dezember 1943)

In Teheran beschlossen die Alliierten drei wesentliche Punkte:

Die Landung der Alliierten an der französischen Atlantikküste (D-Day im Juni 1944)

Militärische Unternehmungen der Briten und Amerikaner auf dem Balkan wurden ausgeschlossen.

Die UdSSR setzte ihre Forderungen bezüglich Polen und Deutschland durch. Die Wiedererrichtung Polens sollte auf Kosten Deutschlands erfolgen.

Während Churchill und Roosevelt über eine Zerstückelung Deutschlandsnachdachten, legte sich Stalin nicht fest. Er ging davon aus, daß die Amerikaner nachdem Krieg aus Europa wieder abziehen würden. Daher sah Stalin ein Einfallstor nachWesten mit Warschau und Berlin. Großbritannien würde geschwächt aus dem Krieghervorgehen, "Frankreich zählte für Stalin nicht mehr."

II. Konferenz von Jalta (4. bis 11. Februar 1945)

In Jalta wurden die Grundlagen für die Gestaltung der Nachkriegsweltgeschaffen. Zur Zeit der Konferenz war der sowjetische Sieg sicher und ein separatesArrangement zwischen den Sowjets und der deutschen Führung unrealistisch. Stalinwollte auf der Konferenz vier Punkte entschieden haben:

1. Die Frage nach der Aufgliederung Deutschlands.

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2. Die Aussichten für die Bildung einer Regierung. 3. Den Vorgang der bedingungslosen Kapitulation. 4. Die Frage der Reparationen.Stalin vertrat in Jalta die Ansicht, daß eine Teilung bereits in der

Kapitulationsurkunde vorgesehen sein müßte. Sein Kalkül war mehr durch seinkrankhaftes Mißtrauen - vor allem gegenüber Churchill - geprägt: "Wenn die Teilung ...festgehalten war, konnten sich die Westalliierten nicht im letzten Moment mit einemder deutschen Generäle verbünden." Im Protokoll über die Tätigkeit derKrim-Konferenz vom 11. Februar 1945 wurde Artikel 12 a derKapitulationsbedingungen festgelegt:

"Das Vereinigte Königreich, die Vereinigten Staaten von Amerika und die Union derSozialistischen Sowjetrepubliken werden über die oberste Gewalt bezüglich Deutschlandverfügen. In Ausübung dieser Gewalt werden sie solche Maßnahmen einschließlich der völligenEntwaffnung, Entmilitarisierung und Aufgliederung Deutschlands einleiten, die sie für denkünftigen Frieden und die Sicherheit erforderlich halten."

In den letzten Monaten des Krieges diskutierten die Alliierten stets den Modusder politischen Spaltung Deutschlands, der Zerschlagung des zentralistischen Preußens.Die Teilung ergab sich schließlich nicht aus politischen oder historischenGesichtspunkten, sondern vielmehr aus den militärischen Demarkationslinien. Diesewurden 1944 durch die European Advisory Commission festgelegt. JederBündnispartner sollte rund ein Drittel Deutschlands besetzen.

Dreh- und Angelpunkt dieser Konferenz war aber Polen. Die Sowjets wollten dieostpolnischen Gebiete mit ihrer gemischten russisch-ukrainischen Bevölkerung bis zursogenannten Curzon-Linie hin haben. Auch der Anspruch auf den eisfreien Hafen inKönigsberg wurde geltend gemacht. Ziel war es von dort aus leichter seinen Einflußauf Deutschland ausüben zu können.

"Hätte Stalin dort [in Ostdeutschland, T.C.] von Anfang an die kommunistischeRevolution geplant, so hätte er keinerlei Veranlassung gehabt, die deutschen Provinzen östlichder Oder-Neiße-Linie, an deren Erwerb die Polen nicht in ihren kühnsten Träumen zu denkengewagt hatten, zu Polen zu schlagen. Weshalb bestand er auf die Ausweisung der deutschenBevölkerung aus diesen Gebieten, ein Akt, durch den er das deutsche Volk nicht nur gegenüberden Polen, sondern auch gegenüber Rußland und dem Kommunismus maßlos erbittern mußte?Seine Reparationsansprüche gegen Deutschland ... sind an sich wohl verständlich, wenn man sichan die Verwüstung der Ukraine und anderer Sowjetgebiete erinnert."

Der von Majskij unterbreitete Reparationsplan sah eine deutsche Gesamtschuldin Höhe von 20 Milliarden US-Dollar vor. Davon sollte die UdSSR die Hälfte durchIndustrieanlagendemontage, Waffenlieferungen und den Einsatz von deutschenArbeitern zehn Jahre lang erhalten. Hierüber stimmten die Alliierten aber nicht zu.

"Stalins Absichten in der letzten Phase des Krieges gingen natürlich weit über das hinaus,was er den Alliierten gegenüber als seine Ziele erklärt hatte. [...] Worum es Stalin in Wahrheitging, war die grundsätzliche Ausschaltung des amerikanischen Einflusses auf dem eurasischenFestland und die Ausdehnung seines eigenen."

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Er wollte nicht direkt, sondern mittels eines engmaschigen kommunistischenParteiapparates die europäische Politik beeinflussen.

In Jalta zeigte sich, daß die drei Mächte sich alle Optionen bezüglichDeutschland offen lassen wollten. Der deutschlandpolitische Wandel der UdSSR folgtekurze Zeit später, als sie vom Zerstückelungskonzept Abstand nahm. Diese Haltungwurde besonders deutlich, als die Rote Armee unaufhaltsam nach Berlin vorrückte. DieRote Armee war von sich aus in der Lage, den Rest Osteuropas der politischenHerrschaft der Sowjetunion zu unterwerfen. Der Historiker Erusalimskij betonte ineinem Vortrag am 12. März 1945 in Moskau, daß die von der internationalen Presseaufgeworfene Diskussion einer Aufteilung Deutschlands nichtig sei. Es ginge nur umdie Wiedererrichtung Österreichs und die territoriale Erweiterung Polens. Hier wurdengrundsätzliche Meinungsverschiedenheiten über das Krim-Kommuniqué zwischen denSowjets auf der einen, den Amerikanern und Briten auf der anderen Seite deutlich. Derbritische Diplomat William Strang fragte:

"Wenn das deutsche Aggressionspotential neutralisiert werden sollte, dann sei die Fragezu bedenken, ob dieses Ziel allein "durch Maßnahmen wie Vernichtung und Kontrolle derIndustrie zur Ergänzung der Entmilitarisierung- und Abrüstungsmaßnahmen erreicht werdenkönne oder ob es auch erforderlich sein würde, Deutschland aufzuteilen."

Die Gründe des Kurswechsels in der sowjetischen Deutschlandpolitik könnten inder gestiegenen Selbstsicherheit der sowjetischen Führung, in dem Leistungsvermögender Roten Armee sowie in der Hoffnung liegen, daß die Sowjetunion bei Wahrung derEinheit auch Zugriff auf das Ruhrgebiet hätte.

"Stalin selbst hatte, als er nach seinen Gründen seines Sinneswandels in derDeutschlandpolitik gefragt wurde, nur eine fadenscheinige Erklärung zur Hand: Er habeangenommen, so äußerte er sich Ende Mai 1945 im Gespräch mit Trumans SonderbotschafterHarry Hopkins in Moskau, daß seine diesbezüglichen Vorschläge in Jalta abgelehnt wordenseien."

Fischer glaubt, daß der Kurswechsel vor allem außenpolitische Gründe gegenFrankreich hatte. Im Dezember 1944 teilte de Gaulle Stalin mit, daß Frankreich sich füreine Aufteilung des Deutschen Reiches einsetze, um insbesondere das Saar- undRuhrgebiet von Deutschland abzutrennen. Stalins Deutschlandpolitik war spontan,ungezwungen, ganz in der Linie des Mißtrauens.

"In seiner Haltung Deutschland gegenüber kam tatsächlich der Konflikt zwischen demNationalisten und dem Revolutionär in Stalin am schärfsten zum Ausdruck. Hier wirkte sich dasantirevolutionäre Element am längsten aus. Kurz vor Jalta sagte er: "Es wäre naiv anzunehmen,daß Deutschland auf den Versuch verzichten wird, seine Macht wieder neu zu begründen, umdann einen Revanchekrieg zu führen.""

Stalin war stets "besessen von dem Gedanken einer deutschen Revanche."

III. Konferenz von Potsdam (17. Juli bis 2. August 1945)

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In Potsdam war klar, daß die Deutschlandpolitik der Alliierten auf ein Tauziehenhinausliefe. Denn der Osten wie Westen waren gleichermaßen entschlossen, denanderen Partner nicht in die Angelegenheiten der eigenen Besatzungszone hineinredenzu lassen. Stalin stellte den Westen vor einer vollendeten Tatsache, als er das ganzeGebiet östlich der Oder-Neiße-Linie den Polen aushändigte. Bezüglich derDemontagepolitik war Stalin der Ansicht, "Deutschland müsse ein Vernichtungsfriedenauferlegt werden wie einst Karthago." Damit konnte er sich allerdings nichtdurchsetzen. Das Potsdamer Abkommen umfaßte folgende Beschlüsse für Deutschland:

Gemeinsamer Rat der Außenminister. Ausrottung des deutschen Militarismus und Nazismus. Schaffung eines demokratischen Deutschlands. Verfolgung von Kriegsverbrechern und führenden Nationalsozialisten. Dezentralisierung der deutschen Verwaltung. Dezentralisierung der deutschen Wirtschaft. Reparationsansprüche der UdSSR sollen durch Demontage befriedigt werden. Übergabe Königsberg und Nordostpreußens an die UdSSR. Deutsche Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Linie an Polen bis zur endgültigen

Friedensregelung. Vertreibung Deutscher aus Polen, der Tschechosslowakei und Ungarn.Es war vorgesehen, daß die Mächte im Kontrollrat für Gesamt-Deutschland

verantwortlich waren. In einem Friedensvertrag sollte schließlich die Frage derOstgebiete gelöst werden. Nach dem Potsdamer Abkommen sollte Deutschlanddemokratisiert, entmilitarisiert, entnazifiziert und entmonopolisiert werden. Nachsowjetischer Sicht wurde das Potsdamer Abkommen nur in der Sowjetzoneverwirklicht. In der Bundesrepublik hätte hingegen eine mit zielstrebiger Unterstützungder Westmächte ausgemachte Restauration stattgefunden.

"Falsch ist allerdings zu sagen, in Potsdam sei die deutsche Teilung beschlossen worden.Im Gegenteil gehen alle Formulierungen der Abschlußerklärung von der weiteren ExistenzDeutschlands in den Grenzen von 1937 aus."

Eine Wiedervereinigung war für die Sowjetunion nur denkbar, wenn sie untervolksdemokratischen Vorzeichen erfolge. Das bedeutete, daß der Kreml solange dieSpaltung aufrecht hielt, bis eine sowjetische Auffassung von Wiedervereinigungumsetzbar gewesen wäre. Stalins Politik setzte allerdings die Oder-Neiße-Linie als einunwiderrufbares Faktum, und schließlich hat "das Problem der Wirtschaftseinheit [..]den Bruch in Deutschland veranlaßt." Die Teilung Deutschlands war also das Produktdes Kalten Krieges. Die DDR wurde der Brückenkopf im sowjetischen System, ihreExistenz war mit den sowjetischen Interessen und dem Kräftgleichgewicht in Europa

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eng verbunden, und die BRD war auf der anderen Seite Magnet deswestlich-kapitalistischen Blockes.

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KAPITEL 3

DIE BERLIN-KRISE

1946 begann die USA ihre Politik der Eindämmung, nachdem in den von derRoten Armee befreiten Länder ein sowjetfreundliches Regime eingerichtet wurde. DieVersuche sowjetischer Machtausweitung im Iran und in der Türkei wurden gestoppt.Westeuropäische Länder, insbesondere Frankreichs und Italiens, wurden zur Abwehrkommunistischer Unterwanderungsversuche finanziell unterstützt. In Deutschlandfielen mit dem Stopp von Reparationslieferungen und der Gründung der Bi-, späterTrizone die Grundlagen für die Schaffung eines westdeutschen Staates. Im März 1947übernahm die USA die britische Schutzmachtrolle in der Türkei und Griechenland.Dieser Eindämmungs-Politik (politics of containment) wurde in der Truman-Doktrin,die freien Völker im Kampf um ihre Freiheit zu unterstützen, die ideologischeMobilisierung des Westens gegeben. Vorausgegangen war der Drahtbericht desBotschaftsrats Kennan aus Moskau vom 22. Februar 1946, in dem er die sowjetischenZiele erläuterte:

"Die UdSSR lebt immer noch inmitten feindseliger "Kapitalistischer Einkreisung", mitder es auf die Dauer keine friedliche Koexistenz geben kann. [...] Die inneren Konflikte desKapitalismus führen unvermeidlich zu Kriegen. [...] Alles in allem haben wir [die Amerikaner,T.C.] es mit einer politischen Kraft zu tun, die sich fanatisch zu dem Glauben bekennt, daß esmit Amerika keinen dauernden Modus vivendi geben kann, daß es wünschenswert undnotwendig ist, die innere Harmonie unserer Gesellschaft, [...] und das internationale Ansehenunseres Staates zu zerstören, um der Sowjetmacht Sicherheit zu verschaffen."

Im Rahmen dieser Politik sollte der Marshall-Plan den wirtschaftlichenWiederaufbau in den vom Kommunismus bedrohten Staaten beschleunigen. DieBlockbildung verschärfte sich durch das Ablehnen des Marshall-Planes durch dieUdSSR, der Bildung der Kominform im September 1947. Die sowjetische Politikwandelte sich zu "dogmatischer Abriegelung und ideologischer Mobilisierung."

Der kommunistische Staatsstreich in der Tschechosslowakei, der Bruch Stalinsmit dem jugoslawischen kommunistischen Führer Tito und die Berlin-Blockade stellen1948 den Höhepunkt des Kalten Krieges dar.

"Neun Jahre nachdem Hitler räuberisch sein Wort brach und seinem Reich den restlichenTeil des eingeschüchterten tschechischen Staates einverleibte, ohne zu erkennen, daß diemühelose Unterwerfung Prags eine unnötige Handlung war, deren Symbolgehalt den Widerstanddes Westens gegen ihn nur verstärkte - neun Jahre danach handelte Stalin in ähnlichem Stil."

Die Unterwerfung Titos unter sein System scheiterte hingegen kläglich. DieFolge: Der kommunistische Bann über Jugoslawien. Auch West-Berlin sollteunterworfen werden, mittels Aushungern, bis es sich unterwarf. Am 24. Juni 1948befahlen die Sowjets die Einstellung des Eisenbahnverkehrs nach Berlin. Was als

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technische Panne inszeniert wurde, war als Auftakt einer Blockade gedacht, dieletztlich durch die Luftbrücke der Westalliierten scheiterte.

Die Ursachen der Berlin-Krise sind vielfältig: Die Uneinigkeit in einergemeinsamen Deutschlandpolitik gemäß dem Potsdamer Abkommen sowie dieZunahme von Streits über Einzelentscheidungen ließen den Ost-West-Konfliktzuspitzen. Die eigentlichen Konfliktursachen sind aber in vier Faktoren zu suchen:

das unterschiedliche Demokratieverständnis divergierende Ordnungs- und Wertevorstellungen Verschiedenartigkeit der Ziele der deutschen Akteure Unterschiedliche Geschwindigkeit des Wiederaufbaus in den einzelnen Zonen.Vor allem war den Sowjets der demokratische Magistrat ein Auge, der unter dem

Dach des Viermächtestatus am 20. Oktober 1946 gewählt wurde. In ihm spielte dieSED nur eine Nebenrolle.

Auch wenn der außenpolitische Einfluß nach dem Staatsstreich in derTschechosslowakei nicht ausgebaut werden konnte, hatten die Sowjets zumindest imInneren ihres Satellitenstaatensystems jegliche Widerstände zermalmt. Und auch derWaffenvorsprung der USA wurde eingeholt. 1949 ließen die Sowjets ihre ersteAtombombe zünden. Doch es bleibt die Frage: Warum agierte Stalin so? John Lukacsversucht sich in Stalins Lage hineinzuversetzen:

"Er sah Osteuropa als sein Eigentum an und empfand das sogar als einigermaßengerechtfertigt. Rußland hatte den Krieg gegen die deutschen Angreifer gewonnen. Seine Städtewaren verwüstet, seine Armeen ausgeblutet. Mit dem uralten Mißtrauen der Russen im Blut warStalin geneigt, den Beitrag der Westalliierten zum Sieg über Deutschland zu unterschätzen.Rußland hatte den schwersten Anprall im Kriege aushalten müssen, während die VereinigtenStaaten ohne Wunden und als größte und mächtigste Nation der Erde aus dem Krieghervorgingen. Die Amerikaner, jetzt die Besitzer des gesamten westeuropäischen Bäckerladens,waren es ja, die ihm wenige Jahre zuvor seinen osteuropäischen Kuchen mit solcherGleichgültigkeit überlassen hatten. Weshalb sollte er ihn dann schließlich nicht essen? Stalinmachte den Amerikanern ihre Machtstellung gar nicht streitig: er verlangte Amerikas Sphärenicht."

Luckas vermutete sogar, daß die sowjetisch-amerikanische Europa-Krise aufeinem fundamentalen gegenseitigen Mißverständis beruhte: "Washington setzte voraus,daß es das unmittelbare Ziel Rußlands wäre, Westeuropa zu erobern [...]; Moskaunahm an, daß die Amerikaner vorhätten, Osteuropa zurückzugewinnen und politischumzuformen." Beide Annahmen waren aber falsch.

Stalins Einstellung zur internationalen Politik war von zwei gegensätzlichenTendenzen geprägt. Einerseits Kriegsvermeidung mit den USA, andererseitsProvokation. Diese irrationale Politik hatte jedoch ihren Hintergrund. "Der kalte Kriegwurde nicht nur gegen den Westen und nicht-kommunistische Länder auf der ganzenErde geführt, sondern auch gegen nicht-kommunistische Ideen in der Sowjetunion."

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Vor allem die sowjetischen Bevölkerung hoffte nach dem Leiden und Opfern währenddes 2. Weltkrieges auf ein politisches friedvolleres, menschlicheres Leben im Land.Der Krieg und sein für die Sowjetunion erfolgreicher Ausgang festigte jedoch dasstalinistische Terrorsystem.

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KAPITEL 4

DIE STALIN-NOTEN

Die sowjetische Deutschlandpolitik blieb nach der Gründung der DDR "doppelspurig":Postulat der Wiedervereinigung und das Bekenntnis zu "freien Wahlen" standen gegendie Praxis der Sowjetunion. Die meisten Wissenschaftler sind sich heute einig, daß dieSowjets mit dieser Doppelspurigkeit nur die Aufrechterhaltung einer gesamtdeutschenVision schaffen wollten, um die Adenauersche Politik der Westintegration zuverhindern. Zudem findet sich diese Doppelspurigkeit in den widersprüchlichenAussagen Stalins zur Einheit Deutschlands wieder, die Wilhelm Pieck zitierte. Stalinselbst wollte mit seiner Note vom 10. März 1952 die Wiederbewaffnung der BRD unddessen Einbindung in das westliche Bündnis verhindern.

Seine beiden Noten vom 10. März und 9. April 1952 waren eine Revision derbisherigen sowjetischen Deutschlandpolitik, weil die gegen den Westen gerichtetenBemühungen zu nichts geführt hatten. Westintegration und Wehrbeitrag derBundesrepublik schienen unmittelbar vorzustehen. Wettig glaubt, daß Stalinmöglicherweise zu der Überzeugung gekommen war, die Einbeziehung derBundesrepublik in die NATO durch die Preisgabe der DDR zu verhindern. AufMoskauer Weisung schickte die DDR-Führung eine Note an die vier Mächte, in der siezu einem raschen Abschluß des ausstehenden Friedensvertrags mit Deutschlandaufforderte. Am 10. März folgte die Moskauer Note. Die Westmächte wurdenaufgerufen, gemeinsam mit der UdSSR einen Friedensvertrag mit Deutschlandabzuschließen. Deutschland solle ein vereintes, unabhängiges, demokratisches undfriedliebendes Land werden. Die Deutschen sollten als Gegenleistung alle aus demPotsdamer Abkommen resultierenden Verpflichtungen erfüllen, keinenMilitärbündnissen beitreten und keine fremden Truppen auf ihrem Territoriumbehalten. Klauseln über die innere Ordnung folgten der üblichen Diktionkommunistischer Selbstcharakterisierung. Das Verfahren des Einigungsprozeß wurdein der Note nicht erwähnt. Ob Stalin tatsächlich eine Änderung der Politik im Augehatte, ist fraglich.

"Wenn er [Stalin, T.C.] seine Politik hätte neu orientieren wollen, dann wäre er zudemdaran interessiert gewesen, die westlichen Regierungen durch eine von den hergebrachtenFormeln abweichende, klare Wortwahl von seinem Sinneswandel zu überzeugen."

Ferner implizieren die aufeinanderfolgenden Entwürfe der Note den Eindruck,daß das politische System eines künftigen vereinigten Deutschlands nach sowjetischem

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Muster gestaltet werden sollte. Gleichzeitig hätte Deutschland alle ökonomischenBeziehungen zum Westen abbrechen sollen.

Da Stalins Politik auf eine Forcierung des politischen Kampfes inWestdeutschland abzielte, war es ihm nur recht, wenn die Formulierungen der Note beiwestlichen Politikern auf Argwohn zielten. Bei der breiten Masse durfte allerdings keinnegativer Eindruck entstehen. Denn die Instruktionen an die Kader in derBundesrepublik beabsichtigten die Mobilisierung der Massen gegen Bundesregierungund Besatzungsmächte. Stalin sah die DDR nicht mehr als eine Trumpfkarte, sondernals Bastion, von der aus der politische Kampf geführt werden müsse.

"Die Absendung der Märznote bedeutete nicht, daß Stalin schon zu diesem Zeitpunkt aneinen politischen Durchbruch im Ringen um Westdeutschland glaubte. Aber die ständige, durchdie Notenoffensive unterstützte Bemühung schien als geeignet dafür angesehen, die Chancekünftigen Gelingens zu erhöhen."

Würde diese Politik nicht gelingen, hätten nach Stalins Vorstellung die Kaderversagt. Der weise Stalin konnte nicht irren. Jedenfalls konnte Moskau Bonnbeziehungsweise der Adenauer-Regierung das Scheitern der Wiedervereinigung in dieSchuhe schieben und so die Stalinisierung in der DDR vorantreiben und rechtfertigen.

"Wenn aber die deutsche Einheit unter keiner der Bedingungen, die Moskau stellenmochte, sich durchsetzen ließ, hatte es bloß noch die Wahl, den Bedingungen der Gegenseitenachzugeben oder auf dem Status quo zu insistieren."

Zur theoretischen Begründung für die sowjetische Außenpolitik wird auf StalinsSchrift "Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR" verwiesen. Stalinbefürchtete die Erholung Deutschlands und Japans, die dann als Großmächte in einemneuen Ringen um die Vorherrschaft der kapitalistischen Hemisphäre eintreten könnten.Deswegen war der UdSSR - global betrachtet - daran gelegen eine Art Pufferzone, eincordon sanitaire zu errichten.

Immer bemühten sich Wissenschaftler, die Ernsthaftigkeit der Stalin-Noten zuüberprüfen. Heute kann man aber sagen: Die UdSSR vertrat Positionen, von denen sieausgehen konnte, daß der Westen sie nicht akzeptieren würde. So sind die Noten nurals ein Propaganda-Feldzug anzusehen.

"Der große Umfang der beiden letzten sowjetischen Noten, die propagandistischverwertbare Häufung von Vorwürfen, Anklagen und Polemik, das Fehlen akzeptabler Offertenund das Abgehen von relativ konkerten Positionen, die in den ersten Noten vertreten wordenwaren, deuten auf einen gut getarnten Rückzug hin."

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KAPITEL 5

BEWERTUNG DER SOWJETISCHEN DEUTSCHLANDPOLITIK

In der sowjetischen Deutschlandpolitik spiegeln sich nach Grewe verschiedenePhasen des Kalten Krieges bis zur Kuba-Krise wider. Ziel der sowjetischenDeutschlandpolitik in den Jahren 1947/48 war die Aufrechterhaltung des PotsdamerAbkommens. Das Engagement der Westmächte mußte der UdSSR aber zeigen, daß beider Schaffung eines west- auch ein ostdeutscher Staat errichtet werden mußte. Imsowjetischen Außenministerium gab es allerdings auch interne Papiere, die über eineEinheit Deutschlands unter kommunistischer Herrschaft nachdachten. Und jüngereForschungsergebnisse haben festgestellt, daß die Teilung in Ost- und Westdeutschlandnur ein Ersatzmodell für die UdSSR war. Das sowjetische Kalkül bezüglichDeutschlands hatte insgesamt drei Varianten:

1. Politische und militärische Neutralität und Selbständigkeit Deutschlands.2. Errichtung eines Kondominium mit den Alliierten, um aus den "westlichen

Teilen möglichst viel östlichen Nutzen zu ziehen."3. Ausdehnung der sowjetischen Kontrolle auf ganz Deutschland.Die Politik der Sowjetunion gegenüber Deutschland nach dem Ende des 2.

Weltkrieges läßt sich bis zum Tod Stalins also in zwei sinnvolle Phasen einteilen: 1. Phase I: 1945 bis 1949.2. Phase II: 1949 bis 1953.

1. Phase IIn der 1. Phase wurde die Sowjetzone grundlegend bolschewisiert und zu einem

eigenen sozialistischen Vasallenstaat ausgebaut. Die sowjetischeWieder-vereinigungspolitik sollte auch in Westdeutschland Fuß fassen. DieForderungen der Westmächte, gemäß dem Potsdamer Vertrag die wirtschaftlicheEinheit Deutschlands wiederherzustellen, scheiterten am Widerstand des Kreml. DasVerlassen des Alliierten Kontrollrates war daher auch die logische Konsequenz, wasletztenendes zur Zerstörung der stärksten Klammer deutscher Einheit führte. DerVerzicht auf gesamtdeutsche Wahlen folgte nur der Logik der Kommunisten, ihreEinflußsphäre grundlegend zu stabilisieren. Die Ausdehnung des kommunistischenMachtbereiches auf die letzte freie Bastion in der Sowjetischen Besatzungsszonemittels Einnahme Berlins durch die Blockadepolitik scheiterte jedoch an derLuftbrücke der Westalliierten und dem festen Willen der Westberliner, sich nicht den

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Sowjets preiszugeben. Nach dieser Niederlage im Kräftemessen mit den Westalliiertenänderten die Sowjets ihre Strategie gegenüber Deutschland.

2. Phase IINach der Gründung der beiden deutschen Teilstaaten stabilisierte sich der status

quo. Diese Ruhepause der friedlichen Koexistenz benötigte die sowjetische Politik, umihr Ziel, militärisch und ökonomisch mit dem Westen gleichziehen zu wollen, zuerreichen. Erst mit der Stalin-Note begann eine neue Agitationspolitik. Sie war eineReaktion gegenüber der drohnenden Westintegration der jungen Bundesrepublik in dieEuropäische Verteidigungsgemeinschaft. Der deutsche Verteidigungsbeitrag und dasus-amerikanisches Stützpunktsystem wurden als Gefahr für die Sowjetunion betrachtet.Dieser sollte mit der Forderung nach gesamtdeutschen Wahlen, der Wiedervereinigungund einer Neutralität Deutschlands entgegengetreten werden. Allerdings verfolgteStalins Plan die Gewinnung der westdeutschen Arbeiterklasse, den Sturz Adenauersund letztenendes einen kommunistischen Erfolg in Gesamt-Deutschland. Die Folge:Eine Ausdehnung des sowjetischen Machtbereiches in Europa!

3. FazitBei einer Betrachtung beider Phasen der sowjetischen Außen- und

Deutschlandpolitik ist ein grundlegender Wandel zu beobachten. DieOffensiv-Strategie wurde nach dem Scheitern der Blockadepolitik 1949 zugunsteneiner defensiven aufgegeben. Diese Strategie-Flexibilisierung, die Obstruktion undKonstruktion in der Deutschlandpolitik geschickt miteinander verband, verfolgte aber

nur ein langfristiges Ziel: die Sowjetunion als alleinige Hegemonialmacht in Europa!

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KAPITEL 6

SOWJETISCHE "WIEDERVEREINIGUNGSPOLITIK" NACH 1953

Mit Stalins Tod folgte auch eine Wende in der sowjetischen Deutschlandpolitik.Die hohen Besatzungskosten und Reparationslasten waren eine negative Folge für dieDDR-Wirtschaft. Der Staat war bei den Bürgern nicht beliebt und der Aufstand vom17. Juni 1953 zeigte, daß ohne die Truppen das Regime nicht sicher war. Die DDRwurde deshalb mehr und mehr in das sowjetische Satellitensystem integriert, in demTruppeneinheiten das bei den Bürgern nicht mehr beliebte System sicherten. So brachteauch die Berliner Viermächtekonferenz 1954 keinen Fortschritt in punctoWiedervereinigung. Der sowjetische Außenminister Molotov "scheute spätestens seitdem Volksaufstand am 17. Juni 1953 jeden Hauch von freien Wahlen in der DDR".Seit 1955 stand die sowjetische Deutschlandpolitik unter dem Motto derZwei-Staaten-Theorie. Chrušcev widerrief die Genfer Direktive vom Juli 1955: DieWiedervereinigung sollte fortan Sache der beiden deutschen Staaten sein. Diewestlichen Wiedervereinigungsvorschläge, die an demokratischen Prinzipiengeklammert waren, wurden abgewiesen. Auf den nachfolgenden Konferenzen wurdenkeine Ergebnisse erzielt. Moskau strich faktisch die Frage von der Tagesordnung derinternationalen Diplomatie und erklärte die Teilung für eine unabdingliche Tatsache.

"Nicht zufällig folgte dem Vertrag vom 13. September 1955 über die Aufnahmediplomatischer Beziehungen schon am 20. September desselben Jahres ein Abkommen zwischender Sowjetunion und der DDR. Moskau wertete dadurch die Souveränität des kommunistischendeutschen Staates auf und signalisierte damit, daß die Kontakte zur Bundesrepublik derZementierung des Status quo in Deutschland und nicht etwa dessen Infragestellung dienensollte."

Erst die Perestrojka- und Glasnost-Politik der Ära Gorbacev und die damitverbundene Wende in der DDR ließ die deutsche Frage wieder auf die Tagesordnungder internationalen Politik setzen. Nach dem Wegbrechen der ideologischenGegensätze war der Weg frei zur deutschen Wiedervereinigung.

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KAPITEL 7

ZUSAMMENFASSUNG

Bis zur vollständigen Öffnung der Moskauer Archive und der Bewertung allerDokumente wird die Generallinie der sowjetischen Deutschlandpolitik nicht gänzlichlückenlos zu klären sein.

"Allerdings sind die von der Forschung aufgrund der bisher zugänglichen Quellengetroffenen Feststellungen nicht einfach zu ignorieren, in denen eine zielgerichteteSpaltungspolitik als eindimensionale Sicht abgelehnt wird. Die kommunistische Strategie inDeutschland, die Stalin bestimmte, mußte sich an gegebenen Rahmenbedingungen orientieren.Sie war daher ein kompliziertes Geflecht in dem Absichten, Aktionen, aber auch Reaktionen zuunterscheiden sind, die nicht geradlinig waren und deren Komplexität nicht aus einerGesprächsnotiz erklärbar ist."Die sowjetische Deutschlandpolitik von 1941 bis 1953 läßt sich zusammenfassend ineine Strukturskizze übersichtlich darstellen:

Deutschland - Sowjetunion:

Interessenkonvergenz

Teilung Polens/Osteuropa

Vs. westliche Demokratie

Interessendivergenz

Germanisierung vs. Kommunistische Weltrevolution.

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Unternehmen Barbarossa î

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Kriegsallianz der Sowjets mit den Westmächten -->> Auflösung Komintern

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Niederschlagung (Nazi)-Deutschlandsê

Gemeinsamer Kontrollrat der Alliierten Aufteilung in vier Besatzungszonen

ê êUnterschiedliche Auffassungen Kommunist. Erfolgeüber Wirtschaft u. Demokratie in Osteuropa

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Kennans Telegramm

Kennans Telegramm

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politics of containment / Truman-Doktrin

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Beginn des Kalten Krieg -->> KOMINFORM

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Berlin-Blockade

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BRD vs. SBZ/DDR

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-->> STALIN-NOTE: Ziel: Wiedervereinigung

Verhinderung der Westintegration Verhinderung eines deutschen Wehrbeitrages Gewinnung der westdeutschen Arbeiterklasse Sturz Adenauers Kommunistischer Sieg in Gesamt-Deutschland

Erstellt: T.C.

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ANHANG

Zeittafel

23.08.39 Hitler-Stalin-Pakt.

22.06.41 Unternehmen Barbarossa. Überfall Nazi-Deutschland auf UdSSR.

15.05.43 Auflösung der Komintern.

28.11.43 Alliierte Konferenz in Teheran. (Beginn der machtpolitischen

Aufteilung Europas.)

04.02.45 Alliierte Konferenz in Jalta. (Aufteilung Deutschlands in

Besatzungszonen.)

08.05.45 Bedingungslose Kapitulation Nazi-Deutschlands.

17.07.45 Potsdamer Konferenz. (Regelungen für Nachkriegsdeutschland.)

22.04.46 Zwangsvereinigung in SBZ: KPD+SPD=SED.

20.10.46 Landtagswahlen in SBZ.

12.03.47 Truman-Doktrin.

12.07.47 Beginn der Marshall-Konferenz in Paris.

23.02.48 Londoner Sechs-Mächte-Konferenz.

20.03.48 Sowjets verlassen Alliierten Kontrollrat.

20.04.48 Vorbereitungen für Währungsreform in Westdeutschland.

23.06.48 Währungsreform in SBZ (Kuponmark soll auch für Groß-Berlin

gelten).

24.06.48 Berlin-Blockade (-12.05.49).

29.07.48 SED-Parteisäuberungen.

03.01.49 Übergang zur Planwirtschaft in SBZ.

04.02.49 Gegenblockade. Verbot des Gütertransports in den Osten.

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23.05.49 Verkündung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland.

07.10.49 Gründung der Deutschen Demokratischen Republik.

08.02.50 Gründung der Stasi nach Muster des MWD.

25.06.50 Ausbruch Korea-Krieg -> McCarthy´s Kommunistenjagd.

06.07.50 Görlitzer Abkommen.

15.02.51 Gründung des BGS.

10.03.52 Stalin-Note.

26.05.52 Konvention über die Beziehungen der drei Westmächte zur BRD.

Eingeschränkte Souveränität.

05.03.53 Tod Stalins.