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Hausärztlich geriatrisches
Basisassessment
Version 1.2 // Stand 05/2010
Autoren: Martin Runge, Esslingen
Bernd Zimmer, Wuppertal
Burkhard John, Schönebeck
© IhF / Runge, Zimmer, John / Mai 2010 2
Die Autoren erklären, keinerlei Interessenskonflikte
gegenüber Herstellern erwähnter Produkte zu
haben.
Hausärztlich geriatrisches Basisassessment
© IhF / Runge, Zimmer, John / Mai 2010 3
Delegierbarkeit der Testverfahren
Alle im Seminar angesprochenen Testverfahren können von einer qualifizierten Versorgungs-assistentin in der Hausarztpraxis – VERAH®
durchgeführt werden.
(Bestandteile des VERAH®-Moduls „Technikmanagement“)
weitere Informationen: www.verah.de
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Frage 1
Was ist kein obligatorischer Bestandteil des geriatrischen Basisassessments?
1. Untersuchung von Funktions- und Fähigkeitsstörungen mittels standardisierter Testverfahren.
2. Beurteilung der Sturzgefahr durch standardisierte Testverfahren.
3. Anleitung zur Anpassung des Wohnraums.
4. Beurteilung von Hirnleistungsstörungen mittels standardisierter Testverfahren.
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Bereiche für ein geriatrisches Screening I
„EBM-GOP 03240 - Hausärztlich-geriatrisches Basisassessment“
Obligater Leistungsinhalt
Untersuchung von Funktions- und Fähigkeitsstörungen unter Berücksichtung des kardiopulmonalen und/oder neuromuskulären Globaleindrucks mit Quantifizierung der Störung mittels standardisierter qualitätsgesicherter Testverfahren (z. B. Barthel-Index, PGBA, IADL nach Lawton/Brody, geriatrisches Screening nach LACHS)
Beurteilung der Sturzgefahr durch standardisierte Testverfahren (z. B. Timed „up & go“, Tandem Stand, Esslinger Sturzrisikoassessment)
Beurteilung von Hirnleistungsstörungen mittels standardisierter Testverfahren (z. B. MMST, DEM-Tect, ZVT oder TFDD)
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Bereiche für ein geriatrisches Screening II
„EBM-GOP 03240 - Hausärztlich-geriatrisches Basisassessment“
Fakultativer Leistungsinhalt
Anleitung zur Anpassung des familiären und häuslichen Umfeldes an die ggf. vorhandene Fähigkeits- und Funktionsstörung
Anleitung zur Anpassung des Wohnraumes, ggf. Arbeitsplatzes
Abstimmung mit dem mitbehandelnden Arzt
einmal im Behandlungsfall: 350 Punkte je Krankheitsfall (d. h. im Zeitraum von 4 Quartalen, beginnend mit dem ersten Ansatz, 2x abrechenbar)
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Globaleindruck, gegliedert in Bereiche
kardiopulmonal
neuromuskulär (Bewegung/Sturzgefahr)
Kognition und Affekte (inkl. Sehen und
Hören)
Nutrition und Kontinenz
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Das ärztliche Urteil zum Globaleindruck entscheidet über Indikation und Möglichkeit zur Durchführung der verschiedenen Testverfahren und ist relevant für die Frage, ob ein bestimmtes Testergebnis im Einzelfall repräsentativ / valide ist.
Empfehlungsgrad für die meisten Tests: B (keine RCT oder Metaanalysen großer Studien, Evidenz „sonstiger Studien“)
Hinweis
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Verfahren zur Funktions-/ und Fähigkeits-einschätzung (grundsätzlich delegierbar)
Nürnberger Altersinventar (NAI)
ATL/(engl.) ADL (Aktivitäten des täglichen
Lebens)
IATL/(engl.)IADL (Instrumentelle Aktivitäten
des täglichen Lebens)
Barthel Index
PGBA (Pflegegesetzadaptiertes
Basisassessment)
Handout
Handout
Handout
Handout
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Barthel-Index
erfüllt Testgüte-Kriterien, hoher nationaler
und internationaler Verbreitungsgrad
einfache, zuverlässige Applikation
Verlaufskontrolle durch Summenscore
wissenschaftlich oft untersucht / eingesetzt
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Barthel-Index
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Barthel-Index
Summenscore beschreibt bei gleichem Wert sehr unterschiedliche Patienten.
Vorsicht!
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PGBA (Pflegegesetzadaptiertes geriatrisches Basisassessment) hohe nationale Verbreitung
Verlaufskontrolle durch graphische und
semiquantitative Darstellung
umfassend
praktikabel
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Beispielgrafik
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Beispielgrafik
Fokus:Zielgröße der geplanten Intervention
Hindernis:Einschränkungderzeit nichtabzuändern
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Der Sturz (s. auch DEGAM-LL 4) ist... häufig:
ein Drittel der Menschen über 65 Jahre stürzt pro Jahr einmal und öfter
alterstypisch: in der seitlichen Sturzrichtung nahezu exklusiv ein Altersphänomen
folgenschwer: z. B. mehr als 120.000 proximale Femurfrakturen, 63.000 Humerusfrakturen, 23.000 Beckenringfrakturen (stationär 2000) und viele andere Verletzungen pro Jahr in Deutschland
Sturzfolgen: in 5 % Frakturen in 12 - 20 % weitere schwere Verletzungen Sturzangst, Verlust von Selbstvertrauen soziale und lokomotorische Reduktion /
Dekonditionierung
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Der Sturz ist damit gleichzeitig:
INDIKATOR, URSACHE UND FOLGEeiner allgemeinen gesundheitlichen und funktionellen Reduktion im Alter
kennzeichnet einen Zustand des altersassoziierten biologischen und funktionellen Verlustes (Sarkopenie, „functional decline syndrome“) der diagnostisch erkennbar und therapeutisch modifizierbar ist
als fächerübergreifendes, lebensbegleitendes, funktionsorientiertes Geschehen ein exzellentes Paradigma hausärztlicher Zuständigkeit und präventiver Möglichkeiten
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Einteilung der Stürze nach ihrer PathogeneseSynkopale Stürze
Jede Form der Bewusstseinseinschränkung wie (Prä-)Synkope, Schwindel. Maximal 10 % aller Altersstürze
Extrinsische Stürze
Krafteinwirkung von außen, oder ungewöhnliche, schwerpunktverlagernde Tätigkeit. Maximal 10 % der Stürze. = Unfall = von außen bewirkt
Lokomotorische Stürze
Ohne Bewußtseinsveränderung, bei alltagsüblicher Tätigkeit, ohne besondere Umgebungsbedingungen 80 – 90 % aller Stürze im Alter! Ursache: multifaktoriell bedingte Verschlechterung der Haltungskontrolle und Gehfähigkeit
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Allgemeine Zeichen für erhöhtes Sturzrisiko
klinisch erkennbare Gehstörung
mehr als 2 Stürze oder ein Sturz mit schwerer Verletzung im letzten Jahr
Beide Kriterien sind wenig sensibel / sprechen spät an und lassen keine Analyse der Teilkomponenten zu.
Qualitative Gehstörung: zur Therapiekontrolle schwer quantifizierbar.
Anzahl der Stürze: nicht zur Therapiekontrolle verwertbar.
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„Die 5“ unabhängigen Sturzrisikofaktoren*
1. Muskuläre Leistungsminderung beim AufstehenTest: Aufsteh-Test (chair rising)
2. Störung der seitlichen Balance / HaltungskontrolleTest: Tandemstand / Tandemgang
3. gravierende Visusverschlechterung
4a. Multimedikation (> 4 verordnete Medikamente)Nicht kausal, allgemeiner Krankheitsindikator!
4b. sturzbegünstigende Medikamente:Neuroleptica, Antidepressiva (Tricyclica, SSRI),Benzodiazepine, Antikonvulsiva. Sind kausal, dosisabhängig.
5. gravierende kognitive EinschränkungCave: Risikoverhalten.
*Ergebnis maßgeblicher prospektiver Studien mit multivariaten Analysen. vgl. M. Runge (1998)Gehstörungen, Stürze, Hüftfrakturen. Steinkopff-Verlag
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Lokomotorische Stürze
häufigster Sturztyp im Alter (80 %) multifaktoriell bedingt: 100 Stürze = 400
„Ursachen“
Sturzrisikoassessment gilt nur für lokomotorische Stürze!
Sturzrisikoassessment identifiziert Sturzpatienten quantifiziert Sturzgefahr klärt individuelle posturale* Teilkomponenten
des Sturzrisikos ermöglicht damit qualitative Zielfestlegung
und quantifizierende Therapiekontrolle*postural = Haltungskontrolle betreffend: Welche posturalen Komponenten sind bei diesemPatienten beteiligt und müssen therapiert werden?
© IhF / Runge, Zimmer, John / Mai 2010 22
Sturzpatient:
definiert durch individuelle Akkumulation mehrerer Sturzrisikofaktoren.
Sturzrisikofaktoren erklären nicht die Ätiologie / Nosologie.(separate diagnostische Aufgabe bei erkannter Sturzgefahr).
Ätiologie der Sturzgefahr im Alter: in der Regelmultifaktoriell
Diagnostischer Terminus: Altersassoziierte multifunktionelle Gehstörung
z. B. PNP plus Polyarthrose plus Immobilität plus ZNS-Veränderungen führen gemeinsam als Ursachenbündel zu Muskelatrophie, verminderter Muskelleistung und verminderter Haltungskontrolle und damit zum Sturz.
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Frage 2
Setzen Sie bereits ein Verfahren zur Einschätzung der Sturzgefahr ein?
1. Mobilitäts-Test nach Tinetti
2. Timed up & Go-Test (Aufsteh- und Geh-
Test)
3. Chair rising Test (Stuhl-Aufsteh-Test)
4. Tandemgang
5. Geh-und-Zähl-Test
6. Bisher kein Testverfahren eingesetzt
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Verfahren zur Beurteilung der Sturzgefahr
Mobilitäts-Test nach Tinetti (relativ aufwändig,weniger für hausärztliche Praxis geeignet)
Timed up & go (Aufsteh- und Geh-Test)
Chair rising-Test (Aufsteh-Test)
Geh-und-Zähl-Test (http://www.degam.de/leitlinien/sturz_kurz.pdf)
Tandemstand / Tandemgang (Runge, Esslingen)
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Timed up & go Test
Beschreibung
Der Timed up & go Test besteht darin, dass ein Patient aus einem Stuhl mit Lehne aufsteht, drei Meter geht, sich umdreht, zurück zum Stuhl geht und sich wieder hinsetzt.
Der Zeitbedarf dieser lokomotorischen Leistung ist in Sekunden zu messen (z. B. 10,4 Sek.). Durchführung in selbstgewählter, üblicher Gehgeschwindigkeit, ggf. mit üblichem Gehhilfsmittel. Aufstützen mit Armen beim Aufstehen erlaubt.
© IhF / Runge, Zimmer, John / Mai 2010 26
Timed up & go Test
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Referenzwerte Timed up & go Test
(n = 212, Alter 60 - 90, freiwillige Probanden ohne klinisch fassbare Erkrankungen und Störungen des Bewegungsapparates.)
Erhöhte Sturzgefahr bei mehr als 10-12 Sekunden.
Referenzwerte nach M. Runge, Aerpah-Klinik Esslingen
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Romberg
Tandem
Romberg-/Tandemstand
Romberg
Tandem
Erhöhte Sturzgefahr bei weniger als 10 Sekunden.
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Tandemgang
8 Schritte auf einer Linie genau voreinander setzen
Retest-Reliabilität besser auf einem Balken von 8 cm Breite und 4 cm Höhe. Bester von 3 Versuchen zählt
Abstand zwischen Füßen max. eine Fingerbreite
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Sturzrisiko-Assessment
Handout
Siehe auch DEGAM-LL Ältere Sturzpatienten (2004)!
www.degam.de/leitlinien/sturz_kurz.pdf
© IhF / Runge, Zimmer, John / Mai 2010 31
Ziele des Sturzrisikoassessments= Indikationsstellung zu therapeutischen und
präventiven Maßnahmen
= individuelle Therapieplanung (differenziert nach posturalen Teilkomponenten)
Medikamentenrevision/-anpassung Augenärztliches Konsil / Mitbehandlung Psychiatrische Testung / Konsil / Mitbehandlung Knochendichtemessung (Frakturrisiko) Indikation Safehip-Hüftprotektor Verordnung Krankengymnastik / Krafttraining /
Balancetraining Indikation ambulante / stationäre Rehabilitation Überprüfung Vitamin-D-Status / Indikation
Osteoporosetherapie Indikation von Gehhilfen / Wohnraumanpassung
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Sturzprotokoll
Auszufüllen von:
Betroffenen
Pflegepersonal
Angehörigen
© IhF / Runge, Zimmer, John/ Mai 2010 33
Frage 3
Für eine dementielle Entwicklung spricht
1. Störung des Gedächtnisses
2. 28 Punkte oder weniger im Mini-Mental-
Test
3. Eine Agnosie
4. Eine depressive Episode
5. Vermehrter Alkoholkonsums. auch DEGAM-LL 12: Demenz!
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Verfahren zur Beurteilung der Hirnleistung
Sämtliche aufgeführten Verfahren sind praktikabel, wissenschaftlich überprüft und publiziert, Materialien allgemein verfügbar.
1. Uhren (zeichnen)-Test
2. Mini-Mental-Status-Test
3. DemTect (Demenz-Detektion-Test)
4. TFDD (Test zur Früherkennung mit Depressionsabgrenzung)
Handout
Handout
Handout
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Uhren-Test
„Bitte zeichnen Sie das Zifferblatt einer Uhr mit allen Zahlen und stellen Sie die Zeiger auf 11.10 Uhr ein!“
© IhF / Runge, Zimmer, John / Mai 2010 36
Uhren-Test
Interpretation
© IhF / Runge, Zimmer, John / Mai 2010 37
© IhF / Runge, Zimmer, John / Mai 2010 38Handout
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© IhF / Runge, Zimmer, John / Mai 2010 40
Nutrition (bei klinischem Verdacht)
erlebte Anamnese / Verlaufsbeobachtung des klinischen Gesamteindruckes
Verlaufskontrolle Körpergewicht
klinische Exsikkosezeichen (z. B. Achselschweiß-bildung), Hautfalte, ggf. Gesamteiweiß/Albumin
Verfahren zur Beurteilung von Nutrition und Kontinenz
Kontinenz
suchen, fragen, riechen
klinische Beurteilung, Anamnese,Fremdanamnese im häuslichen Umfeld(s. auch Barthel-Index)
… werden z. B. auch beim geriatrischen Screening nach LACHS mit erfasst
© IhF / Runge, Zimmer, John / Mai 2010 41
Zusammenfassung
Das Geriatrische Basisassessment kann und soll:
die diagnostische Treffsicherheit mit Tests verbessern
Therapieziele und Prognose bestimmen
eine Verlaufsbeobachtung ermöglichen und
Funktionellen Status und Lebensqualität verbessern
DanksagungDas Institut für hausärztliche Fortbildung bedankt sich bei folgenden Unternehmen, die eine Darstellung der von Ihnen erarbeiteten Testverfahren gestattet haben:
Eisai GmbH, Frankfurt (www.alois.de/rat_hilfe/alzheimer_a_z/lexikon.htm)Pfizer GmbH, KarlsruheDr. Wilmar Schwabe GmbH & Co. KG, Karlsruhe
© IhF / Runge, Zimmer, John / Mai 2010 42
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
© IhF / Runge, Zimmer, John / Mai 2010 43
Strukturierte hausärztliche Fortbildung
ein modernesKonzept zum Kompetenzerhaltfür Hausärzte