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Universität Leipzig Institut für Kunstgeschichte Seminar: Der Escorial & die Kunst nach dem Konzil von Trient in Spanien & Italien Dozent: Michael Scholz-Hänsel Sommersemester 2012 DAS KONZIL VON TRIENT UND DIE AUSWIRKUNGEN AUF DIE SPANISCHE MALEREI AM SAN LORENZO EL REAL DE EL ESCORIAL UNTER PHILIPP II. VON SPANIEN Nicole Dutschmann Kernfach: Kommunikations- und Medienwissenschaft 6. Fachsemester

Hausarbeit - Das Konzil von Trient und die Auswirkungen auf die spanische Malerei am San Lorenzo el Real de El Escorial unter Philipp II. von Spanien

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Die Hausarbeit behandelt das Bilderdekret von 1563, welches auf dem Konzil von Trient beschlossen wurde. Die Arbeit geht der Frage nach: „Inwieweit das Bilderdekret und die katholischen Reformen in Spanien nach dem Konzil von Trient sich auf die spanische Malerei am Escorial unter Philipp II. von Spanien ausgewirkt haben?“Als praktische Bespiele werden in der Arbeit zwei Werke des spanischen Künstlers El Greco herangezogen.

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Universität Leipzig

Institut für Kunstgeschichte

Seminar: Der Escorial & die Kunst nach dem Konzil von Trient in Spanien & Italien

Dozent: Michael Scholz-Hänsel

Sommersemester 2012

DAS KONZIL VON TRIENT UND DIE AUSWIRKUNGEN AUF DIE SPANISCHE

MALEREI AM SAN LORENZO EL REAL DE EL ESCORIAL UNTER PHILIPP II. VON

SPANIEN

Nicole Dutschmann

Kernfach: Kommunikations- und Medienwissenschaft

6. Fachsemester

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INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG ................................................................................................................................... 3

1.1 MOTIVATION UND ZIELSETZUNG DER ARBEIT ..................................................................... 3

1.2 FORSCHUNGSSTAND ................................................................................................................... 4

2. DAS KONZIL VON TRIENT UND DIE AUSWIRKUNGEN AUF DIE SPANISCHE MALEREI AM

ESCORIAL UNTER PHILIPP II. VON SPANIEN ................................................................................ 5

2.1 SPANIEN IM ZEITALTER DER KATHOLISCHEN REFORM ....................................................... 5

2.1.1 SPANIEN UND DIE SITUATION DER KIRCHE VOR DEM KONZIL VON TRIENT ............... 5

2.1.2 DIE AUSWIRKUNGEN DES KONZILS AUF DIE SPANISCHE MONARCHIE UND DIE

KATHOLISCHE KIRCHE SPANIENS ........................................................................................ 7

2.2 DAS KONZIL VON TRIENT – DAS BILDERDEKRET ................................................................ 9

2.2.1 DIE VORGESCHICHTE ............................................................................................................ 9

2.2.2 REAKTION DER KATHOLISCHEN KIRCHE – DAS BILDERDEKRET ................................. 10

2.2.3 DIE BEDEUTUNG UND KRITIK AN DAS BILDERDEKRET ................................................ 13

2.3 AUSWIRKUNGEN DES BILDERDEKRETS AUF DIE SPANISCHE MALEREI UNTER

PHILIPP II. .................................................................................................................................. 14

2.3.1 ALLGEMEINE SITUATION..................................................................................................... 14

2.3.2 DER ESCORIAL UND DIE AUSWIRKUNGEN DES BILDERDEKRETS AUF DIE MALEREI

AM SAN LORENZO EL REAL DE EL ESCORIAL .................................................................. 16

2.3.3 DIE ANBETUNG DES NAMEN JESU ..................................................................................... 19

2.3.4 DAS MARTYRIUM DES HEILIGEN MAURITIUS UND DER THEBAISCHEN LEGION ........ 22

2.4 PHILIPP II. UND SEIN EINFLUSS AUF DIE SPANISCHE MALEREI IM

NACHTRIDENTINISCHEN ZEITALTER ...................................................................................... 25

3. FAZIT ............................................................................................................................................. 27

I. LITERATURVERZEICHNIS ............................................................................................................. 29

II. ANHANG – BILDERDEKRET KONZIL VON TRIENT ................................................................... 31

III. SELBSTÄNDIGKEITSERKLÄRUNG ................................................................................................. 32

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1. EINLEITUNG

1.1 MOTIVATION UND ZIELSETZUNG DER ARBEIT

Das Konzil von Trient (1545-1563) stellt in der europäischen Geschichte einen Wendepunkt

innerhalb der katholischen Kirchengeschichte dar. Mit der Reformation und der katholischen

Reform1 setzt auch in der Kunst ein Diskurs um die angemessene Anwendung von Gestaltungs-

und Ausdrucksmitteln ein. Während die Lutheraner und Calvinisten die bildlichen religiösen Dar-

stellungen aus den kirchlichen Innenräumen entfernen, wird das in der dritten Tagungsperiode

(1963) verabschiedete Bilderdekret zur formellen Richtlinie der katholischen Kirche. Aufgrund

der recht allgemein gehaltenen Formulierung des Bilderdekretes lassen sich in den katholisch

gebliebenen Ländern unterschiedliche Auswirkungen auf die Kunst und deren theoretische Fun-

dierung erkennen. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht dabei Spanien unter der Regentschaft des

Königs Philipp II. (1556-1598) und wie sich das Konzil von Trient, vor allem das Bilderdekret,

auf die Kunst ausgewirkt hat.

Philipp II. zählte zu den wesentlichen Initiatoren und treibenden Kräfte des Konzils von

Trient. Er nutzte die Dekrete für die bereits begonnen katholischen Reformbestrebungen in sei-

nem Land und lenkte sie in seine gewünschte Richtung. Um Spanien der Welt als Bastion des

neuen reformierten katholischen Glaubens zu repräsentieren, ließ er das monumentale Bauwerk

‚San Lorenzo el Real de El Escorial ‘2 errichten. In der heutigen Kunstforschung wird es oft als

der sinnbildliche Ausdruck des Konzils und architektonische Manifestation des neuen katholi-

schen Glaubens interpretiert. Auch die Ausstattung des Escorial, die von Philipp II. persönlich

vorgenommen wurde, soll nach Cornelia von der Osten Sacken3 streng nach dem Bilderdekret

erfolgt sein. In der folgenden Ausarbeitung soll es daher darum gehen, zu untersuchen:

1 Eine grundlegende und kurze Begriffsklärung des Konglomerats ‚Katholische Reform‘ lieferte der katholische Kirchenhistoriker Hubert Jedin (1900-1980) im Jahr 1946 mit dem Beitrag „Katholische Reformation oder Gegenre-formation?“ Er formuliert darin präzise: „Die katholische Reform ist die Selbstbestimmung der Kirche auf das ka-tholische Lebensideal durch innere Erneuerung, die Gegenreformation ist die Selbstbehauptung der Kirche im Kampf gegen den Protestantismus.“ Vgl.: Weiß, Dieter J.: Katholische Reform und Gegenreformation. Ein Über-blick. Sonderausgabe. Darmstadt 2010, S. 13. In der Forschung liegt bei der Betrachtung der Katholischen Reform der Akzent auf der innerkirchlichen katholischen Erneuerung. Zwar gab es bereits Reformbemühungen seit dem Mittelalter, jedoch verdichteten sich diese erst im 16. Jahrhundert zu einem breiten Strom, der maßgeblich von Spa-nien, Italien, der Bewegung der Devotio moderna in den Niederlanden und dem christlichen Humanismus ausging und darin seine Bezugsquellen bezog. „Das Konzil von Trient bedeutete die dogmatische Festigung der kirchlichen Lehre und gleichzeitig einen Neuaufbruch. Maßgeblich zu seiner Umsetzung trugen das erstarkende Papsttum, die reformierte Kurie mit ihren Kongregationen und Nuntiaturen sowie die Reformorden bei. In ihrer Gesamtheit sorgten sie in den katholischen Gebieten in einem längeren Prozess, der bis ins 18. Jahrhundert dauerte, für die Durchdringung des gesamten Lebens mit den kirchlichen Vorstellungen.“ Weiß (wie Anm. 1), S. 13. 2 In der folgenden Ausführung wird nicht mehr der vollständige spanische Name ‚San Lorenzo el Real de El Escori-al‘ genannt werden, sondern nur noch die Bezeichnung Escorial verwendet. 3 Cornelia von der Osten Sacken befasst sich in ihrer Publikation „San Lorenzo el Real de El Escorial. Studien zur Baugeschichte und Ikonologie“ mit der Frage, wie sich der Escorial als Gesamtbauwerk in das nachtridentinische Zeitalter einordnen lässt und untersucht dazu die Baugeschichte und Ikonologie dieser Architektur. Literatur: Osten Sacken, Cornelia von der: San Lorenzo el Real de El Escorial. Studien zur Baugeschichte und Ikonologie. Mittenwald 1979.

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„Inwieweit das Bilderdekret und die katholischen Reformen in Spanien nach dem Kon-

zil von Trient sich auf die spanische Malerei am Escorial unter Philipp II. von Spanien

ausgewirkt haben?“

Im ersten Teil der Arbeit stehen im Zentrum der Betrachtung Spanien vor und nach dem Konzil

von Trient sowie die Situation der Kirche, wobei vor allem auf die katholischen Reformen einge-

gangen wird. Danach erfolgt die Vorstellung des Bilderdekrets, seine wesentlichen Inhalte und die

Bedeutung dessen. Der zweite Teil der Arbeit behandelt die Auswirkungen des Konzils auf die

Entwicklung der spanischen Malerei unter dem Einfluss Philipp II.. Da es den Rahmen der Ar-

beit sprengen würde, die gesamte Malerei am Escorial zu beleuchten, stehen exemplarisch die

Werke „Die Anbetung des Namen Jesu“ und „Das Martyrium des heiligen Mauritius und der

thebaischen Legion“ von El Greco im Mittelpunkt der Betrachtung. Der abschließende Punkt

behandelt dann die Beantwortung der Forschungsfrage aufbauend auf den Ergebnissen der vo-

rangegangen Punkte.

1.2 FORSCHUNGSSTAND

Bei der Betrachtung der Forschungslage hinsichtlich des Konzils von Trient (1545-1563) zeigt

sich, dass es in der Forschung von allen ökumenischen Konzilen die größte Beachtung gefunden

hat. Remigius Bäumer stellt in seinem Sammelband „Concilium Tridentinum“ eine umfassende

Auflistung aller Bibliografien, Quellen und Literaturberichte dar, die bis 1978 zu diesem Thema

veröffentlicht wurden4. Im Folgenden finden nur Publikationen eine kurze Erwähnung, die für

diese Arbeit von essentieller Bedeutung gewesen sind. Für die Auseinandersetzung mit dem Bil-

derdekret spielen dabei vor allem Hubert Jedin, Helmut Feld und Andreas Kummer eine wichtige

Rolle. Alle drei beschäftigen sich mit der Entstehung, dem Inhalt und den Auswirkungen des

Dekrets auf die Bildenden Künste und beachten dabei den Kontext der Gegenreformation be-

ziehungsweise Katholischen Reform. Die Untersuchung der spanischen Reformen und dem Ein-

fluss Philipp II. auf die spanische Malerei stützen sich maßgeblich auf biografische Werke und

Übersichtspublikationen über Spanien des 16. und 17. Jahrhunderts. Zu nennen sind hier vor

allem Manfred Vasold und Charles Petrie, sowie Bartolomé Bennassar/ Bernhard Vincent und

Walther L. Bernecker. Die Grundlage für die Bildanalysen und das Wirken El Grecos sowie the-

matische Schwerpunkte zum Escorial bilden vor allem die Publikationen von Jonathan Brown,

Jose Gulio und Michael Scholz-Hänsel sowie Cornelia von der Osten Sacken.5

4 Für einen Überblick aller erschienen Publikationen bis 1978 sei an dieser Stelle auf: Bäumer, Remigius: Das Konzil von Trient und die Erforschung seiner Geschichte. In: Bäumer, Remigius (Hg.): Concilium Tridentinum. Darmstadt 1979, S. 3-48. verwiesen. 5 Die Titel der einzelnen Publikationen sind im Literaturverzeichnis aufgeführt.

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2. DAS KONZIL VON TRIENT UND DIE AUSWIRKUNGEN AUF DIE SPANISCHE

MALEREI AM ESCORIAL UNTER PHILIPP II. VON SPANIEN

2.1 SPANIEN IM ZEITALTER DER KATHOLISCHEN REFORM

2.1.1 SPANIEN UND DIE SITUATION DER KIRCHE VOR DEM KONZIL VON TRIENT

Spanien nahm innerhalb der Katholischen Reform eine Sonderstellung in Europa ein. Anders als

in den transalpinen Ländern, setzte in Spanien die Katholische Reform bereits Ende des 15. Jahr-

hunderts ein.6 Die Ursache dafür lag in einer Abfolge bestimmter historischer Prozesse, durch die

das Land gegen Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts einen deutlichen Entwick-

lungsvorsprung aufwies. Durch den Sieg über die Muslime (Reconquista) und die Eroberung

Granadas (1492) und die damit verbundene Verdrängung der maurischen Herrschaft von der

Iberischen Halbinsel, entstand im spanischen Königreich ein streng katholisches Staatskirchen-

tum. Durch die Vereinigung der Kronen von Aragón und Kastilien 1479, konnten die ‚katholi-

schen Könige‘ Ferdinand von Aragón (1479-1516) und Isabella von Kastilien (1474-1504) die

Erneuerung der Kirche, die sie in den Dienst des Staates stellten, vorantreiben.

Das 1478 abgehaltene Nationalkonzil von Sevilla verabschiedete bereits wesentliche Reform-

forderungen des Konzils von Trient, wozu die Einhaltung der Residenzpflicht der Bischöfe und

Kleriker sowie die Zurückdrängung der Exemtionen zählten.7 Durch die ‚katholischen Könige‘

konnten die vielen, teils sprachlich getrennten, Kulturen auf der Iberischen Halbinsel unter einer

nationalen Regierung8 gebündelt werden. Ebenso schlugen die Regenten eine eigne Richtung in

der Kirchenpolitik ein, die sich im Laufe der Zeit immer weiter vom Heiligen Stuhl löste.9 Die

Reformierung der spanischen Kirche begann bereits im 15. Jahrhundert, als sich ein unaufhaltsa-

mer Sittenverfall der Kirchenstrukturen abzuzeichnen begann. Die hohen kirchlichen Ämter un-

terhielten die Kirchenfürsten einzig, um die Finanzierung ihres hohen Lebensstandards zu er-

möglichen und ihre Reisen zu finanzieren, wodurch ihre Diözesen und Abteien verwaisten. Im

gleichen Zuge erfolgte eine Besetzung der vielen freien Ämter mit ungebildeten Nichtgeistlichen

und den niederen Klerus.10

6 Vgl.: Bernecker, L. Walther: Spanische Geschichte. Von der Reconquista bis heute. Darmstadt 2002, S. 43. 7 Vgl. Weiß (wie Anm. 1), S. 24. 8 Philipp II. reformierte das politische Gefüge, welches Karl V. bereits begonnen hatte, von Grund auf neu. Er führ-te ein Rätesystem in Spanien und Portugal ein, welches aus 13 Räten bestand und den gesamten Regierungsapparat bildete. Die Aufgaben waren nach zwei Punkten gegliedert. Zum einen definierten sie sich über die geografische Lage, womit die Besonderheiten der einzelnen Reichsteile berücksichtigt wurden und zum anderen gliederten sie sich thematisch, um politische, militärische, finanzielle und religiöse Belange zu koordinieren. Insgesamt bildeten sie ein geschlossenes System, welche nicht getrennt voneinander arbeiteten. Sie besaßen alle den gleichen institutionellen Aufbau und die Mitglieder eines Rates gehörten meist noch anderen Räten an. Durch diese Reformierung des Staats-apparats konnte eine einheitliche nationale Regierung geschaffen werden. Vgl.: Bennassar, Bartolomé/ Vincent, Bernard: Spanien. 16. und 17. Jahrhundert. Stuttgart 1999, S. 70. 9 Vgl.: Scholz-Hänsel, Michael: Inquisition und Kunst. Convivencia in Zeiten der Intoleranz. Berlin 2009, S. 247. 10 Vgl. Bernecker (wie Anm. 6), S. 43.

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Der erste Wendepunkt setzte mit dem kastilisch-asketischen Franziskanermönch Francisco

Jiménez de Cisneros11 (1436-1517) ein. Er legte die ersten Grundsteine für eine kirchliche Reform

in Spanien. Inspiriert vom kritischen Humanismus, der die Verweltlichung des klösterlichen Le-

bens, den Bildungsmangel und den sittlichen Verfall des niederen Klerus verurteilte, lieferte viele

Impulse für die innerkirchliche Reformbewegung. Vor allem Cisneros trieb dabei die Verbreitung

des Humanismus in Kastilien voran. Vor allem die Lehren des Erasmus von Rotterdam12 (1466-

1536) erlangten bei der hohen Geistlichkeit und den Intellektuellen einen großen Stellenwert.

Erasmus versuchte in seinen Werken mit einer ‚christliche Philosophie‘, eine Verschmelzung aus

geistigem antiken Gedankengut und dem Christentum zu konstruieren Die Schriften fanden zum

einen hohen Anklang im wissenschaftlichen Studium der Theologie und zum anderen wurden sie

aufgrund ihrer Zeitkritik, die auch die Fürstenpolitik und die kirchlichen Institutionen anpranger-

te, gefürchtet und bewundert. Die erasmistischen Schriften erlangten einen hohen Stellenwert

und halfen in Spanien die vortridentinische Katholische Reform einzuleiten. Mit dem Aufkom-

men des Luthertums, welches die erlangte religiöse Einheit Spaniens bedrohen hätte können,

wurden Orden und Personen, die das Gedankengut Erasmus predigten und direkte Anhänger

Erasmus waren, von der Inquisition verfolgt und der Ketzerei angeklagt. Durch die drastische

Verfolgung der Lutheraner und Anhänger der erasmistischen Schriften wurde der Protestantis-

mus in wenigen Jahren in Spanien ausgemerzt. Infolgedessen führte man einen allumfassenden

Konformismus ein und stellte die geistig-geistliche Orthodoxie wieder her.13

„Die Tribunale des Heiligen Offiziums, der Inquisition, die eigentlich nur für ‚Glaubensangele-

genheiten‘ zuständig waren, weiteten bald ihren Kompetenzbereich aus; sie wurden zu einer Art

politischer Polizei bei der Verfolgung von Renegaten und Aufständischen […]. Die eiserne Alli-

anz von Staat und Nationalkirche erwies sich in der Folgezeit als fundamental für die Herausbil-

dung frühnationaler Identität und als wichtige Voraussetzung für die kulturelle Blüte des Siglo de

Oro, des ‚Goldenen Zeitalters‘.“14

Bis zum Konzil von Trient war die der katholische Klerus auf über 100 000 Personen angewach-

sen und nahm immer mehr an Einfluss im Land zu. Der Zustrom lässt sich durch die gesicherte

Lebensversorgung der Priesterämter erklären und die Zunahme von Stiftungen und Orden, aber

auch die soziale Bevorzugung der spanischen Kirche durch die Monarchie und deren bedeuten-

der landwirtschaftlicher und städtischer Besitz sowie der politische Einfluss spielten dabei eine

große Rolle.15

11 Francisco Jiménez de Cisneros war Beichtvater und Ratgeber der spanischen Königin Isabella, Frau Karl V. und Kardinal sowie Großkanzler von Kastilien. Vgl. Bernecker (wie Anm. 6), S. 43. 12 Die Lehren des Erasmus gelangten mit Karl V. nach Spanien und wurden dort ins Kastilische übersetzt. Vgl. Bernecker (wie Anm. 6), S. 43f. 13 Vgl. Bernecker (wie Anm. 6), S. 43f. 14 Bernecker (wie Anm. 6), S. 44. 15 Vgl. Bernecker (wie Anm. 6), S. 44.

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Philipp II., seit 1556 König von Spanien, war ein streng erzogener Katholik, dessen feste Über-

zeugung darin bestand, dass seine Seele unsterblich sei und er sich in den Händen Gottes befand,

welcher sich alltäglich in die Angelegenheiten dieser Welt einmischte und sein Handeln beurteilte.

Der katholische Glaube bestimmte daher in allen Lebenslagen seine Entscheidungen und sein

Handeln. Im Vorfeld des Konzils von Trient sah er daher die neu entstehenden Konfessionen als

eine Bedrohung des katholischen Glaubens an, die es galt zu bekämpfen.16 Es daher nicht ver-

wunderlich, dass er und seine geistlichen Gesandten zu den wichtigsten Triebkräften und ein-

flussreichen Initiatoren des Konzils von Trient wurden.

2.1.2 DIE AUSWIRKUNGEN DES KONZILS AUF DIE SPANISCHE MONARCHIE UND DIE

KATHOLISCHE KIRCHE SPANIENS

Das Ergebnis des Konzils von Trient zeigt, dass die kirchlichen und weltlichen Vertreter trotz

Schwierigkeiten und den zeitlichen Unterbrechungen (1549-1551; 1552-1562) Beschlüsse verab-

schiedeten, die das Fundament für eine katholische Kirchenreform gelegt haben:

„Es ging auf diesem Konzil vor allem um eine genauere Definition der katholischen Doktrin,

um die Verbesserung der Ausbildung von Geistlichen und um die Bedeutung der Seelsorge. Die

wichtigsten Bestrebungen der Tridentinischen Reform waren die innere Erneuerung der Kirche

und die Wiederherstellung der religiösen Einheit.“17

Der spanische Klerus zeichnete sich während der gesamten Zeit des Konzils als einflussreiche

Legation aus, die mit Beharrlichkeit auf Entscheidungen einwirkte und mit Einsprüchen den Pro-

zess der dogmatischen Beschlüsse beeinflusste.18 Mit der Verabschiedung der Bulle „Benedictus

Deus“ durch den Papst Pius IV. am 30. Juni 1564, erhielten die beschlossenen Dekrete die offizi-

elle Bestätigung durch den Papst und waren somit legitimiert. Phillip II. nahm auf Drängen der

spanischen Bischöfe die Bulle am 12. Juli desselben Jahres an.19 Zwar stimmten seine politischen

Bestrebungen mit den Zielen des Tridentinums überein, jedoch fürchtete Philipp II. eine wieder-

kehrende Einflussnahme des Papstes in seine Herrschaftsgebiete20, so dass er der Zustimmung

und Veröffentlichung der Dekrete unter dem Vorbehalt der königlichen Rechte zustimmte.

16 Vgl.:Vasold, Manfred: Philipp II. Hamburg 2001, S. 70f. 17 Bernecker, (wie Anm. 6), S. 45. 18 „Eine herausragende Rolle in der Debatte um die Eucharistie spielten Kardinal Pedro Pacheco sowie die Bischöfe Diego de Avala y Esquivel, Francisco de Navarra und Martín Pérez de Ayala; Erzbischof Pedro Guerrero machte sich um die Reform des Klerus verdient; die Dominikaner Domingo de Soto und Melchor Cano wirkten an der Ausarbeitung der Rechtfertigungslehre und der Beichtdekrete mit. Vgl. Bernecker (wie Anm. 6), S. 45. 19 Vgl.: Bennassar/ Vincent (wie Anm. 8), S. 166. 20 Der Papst besaß in Spanien keine wirksame Macht über die kirchlichen Vorgänge. Seit der Herrschaft Ferdinands und Isabellas und deren Vorgehen gegen den Nepotismus des Papstes, besaß der spanische Monarch das alleinige Recht zu Ernennung der Äbte und Bischöfe. Karl V. erreichte 1523 beim Papst Hadrian VI. das Zugeständnis, für alle Zeiten das Recht Spaniens zu bekommen, eigenhändig ohne den Heiligen Stuhl in Rom, die Bischöfe zu ernen-nen. Infolgedessen gab es zum Zeitpunkt des Todes Karl V. nur sehr wenige Pfründe, die sich noch in der Hand des Papstes befanden. Vgl.: Petrie, Charles: Philipp II. von Spanien. Stuttgart 1965, S. 165.

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Dies bedeutete, dass der König zum einen inhaltliche Teile der Dekrete nicht anerkennen musste

und zum anderen behielt er die gesamte Kontrolle über die Durchführung der Dekrete in seinen

Händen.21 Vielmehr betonte er, „dass die christlichen Fürsten gehalten seien, ‚die Dekrete und

Weisungen der Heiligen Mutter Kirche gehorsam zu befolgen, zu bewahren und zu achten‘.“22

Kurz danach begann im gesamten spanischen Reich die Umsetzung der Kirchenreform, welche

auf die bereits geleistete Vorarbeit, unter anderem durch Kardinal Francisco Jiménez de Cisneros

und dem Hieronymitenbruder Hernando de Talavera, zurückblicken konnten23. In den Mittel-

punkt der Reformen rückten die Überwachung der geistlichen Orden, vor allem die der Augusti-

ner und Franziskaner. Auch die Mönche und Nonnen trugen dazu bei, indem sie zu einer ur-

sprünglichen und reinen Ordensregel zurückfinden wollten.24 Hier spielten vor allem der Jesui-

tenorden und dessen Gründer Ignatius von Loyola, Teresa von Ávila und ihr Orden der Unbe-

schuhten Karmeliterinnen und Juan de la Cruz und die Karmeliter eine große Rolle, da sie eben-

falls nach umfassenden Reformen verlangten und in ihrem Orden einführten.25

Obwohl das Tridentinum in Spanien einen weiteren Anstoß zur Reformierung der katholischen

Kirche gesehen werden muss, so gilt es dennoch zu beachten, dass sich die Kirche in Spanien so

weit wie es ging den Interessen der Krone unterzuordnen hatte.26 So ist es nicht verwunderlich,

dass ein Augenmerk den Universitäten galt, vor allem in Alcalá de Henares und Valladolid, die

maßgeblich durch die Studien des modernen Völkerrechts zur Herausbildung und Verbreitung

der Neuscholastik beitrugen27.

Bei der Betrachtung der neuen geistlichen Strömungen dieser Zeit zeigt sich, dass der spanische

Katholizismus keinen besonderen Wert mehr „auf die Riten und Gebräuche der mittelalterli-

chen Religion legte, sondern in einer mystischen Innenschau (und im Gegensatz zum Gemein-

schaftssinn der mittelalterlichen Frömmigkeit) die tiefe Beziehung und Liebe des einzelnen zu

Gott betonte. Zu den großen Liebesmystikern zählen Therese von Avila (Teresa de Jesús, 1515-

1582) und Johannes von Kreuz (San Juan de la Cruz, 1542-1591) […]. Mit ihnen wandte sich die

Frömmigkeit in Spanien der Innerlichkeit zu; nicht nur extrovertierte Ziele religiösen Ausgrei-

fens standen auf dem Programm – die Reformer waren unermüdliche Prediger und reisten un-

entwegt -, sondern ebenso Selbstbesinnung, Spiritualität und Seelenerforschung.“28

21 Vgl.: Alberigo, Giuseppe (Hg.): Geschichte der Konzilien. Vom Nicaenum bis zum Vaticanum II. Wiesbaden 1998, S. 371. Vasold (wie Anm. 16), S. 72. Bernecker (wie Anm. 6), S. 45. 22 Bennassar/ Vincent (wie Anm. 8), S. 166. 23 Sie hatten bereits zu Beginn der Erneuerung der Kirche Ende des 15. Jahrhunderts begonnen, mit ihren Reformen „die Qualität des Klerus zu verbessern und für die Ausbildung der Gläubigen zu sorgen; sie richteten den Katechis-musunterricht ein, ließen die wichtigsten Gebete lernen und setzten sich dafür ein, daß die Sakramente regelmäßig gefeierten wurden und daß kein Erwachsener ohne vorherige Unterweisung getauft werden sollte.“ Bennassar/ Vincent (wie Anm.8), S. 168. 24 Vgl.: Bennassar/ Vincent (wie Anm. 8), S. 168. 25 Vgl.: Vasold (wie Anm. 16), S. 69f. 26 Vgl.: Bernecker (wie Anm. 6), S. 45. 27 Vgl.: Bennassar/ Vincent (wie Anm. 8), S. 168 28 Bernecker (wie Anm. 6), S. 45.

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2.2 DAS KONZIL VON TRIENT – DAS BILDERDEKRET

2.2.1 DIE VORGESCHICHTE

Das Konzil von Trient (1545-1563) markiert in der Neuzeit einen entscheidenden Wendepunkt

innerhalb der Kirchengeschichte und hat maßgeblich zur Erneuerung der katholischen Kirche

beigetragen29. Mit diesem Konzil besiegelten das Papsttum und die katholischen Mächte die be-

reits bestehende Kirchenspaltung und erneuerten gleichzeitig die innerkirchlichen Strukturen und

Normen.30 Die Beschlüsse des Tridentinums wirkten sich dabei ebenso auf die Bildenden Künste

des 16. und 17. Jahrhunderts aus.

Auf der letzten Sitzungsperiode (1562-1563) am 3. Dezember 1563 verabschiedeten die Kon-

zilsväter in einem Schnellverfahren das Bilderdekret.31 Dies bedeutete zu dieser Zeit ein fast bi-

zarres Vorgehen, wenn bedacht wird, dass in der Renaissance, die eine ungeheure Bildersättigung

aufwies, „das Bild eine nie dagewesene Rolle als Mittler des Gedankens, als Gegenstand der Ver-

anschaulichung wie auch der Anschauung zu spielen begann“32. Die katholische Kirche sah sich

auf einmal mit dem Problem konfrontiert, den sakralen Gebrauch der Bilder durch Vorschriften

zu sanktionieren. Im Mittelpunkt der Diskussionen stand dabei die ikonoklastische Bewegung der

reformatorischen Kräfte. Den Ausgangspunkt bildete der von Andreas Bodenstein (1482-1541),

genannt Karlstadt, initiierte Bildersturm im Wittenberg, bei dem sämtlicher Schmuck und Bilder

aus den Kirchen entfernt wurden.33 Innerhalb der reformatorischen Bewegung gab es hinsichtlich

der Verehrung der Bilder im sakralen Raum unterschiedlich stark ausgeprägte Standpunkte. So

sah Martin Luther (1483-1546) das Vorgehen Karlstadt als zu drastisch an, da er die Funktion der

Bilder als didaktische und erbauliche Zwecke in der Kirche durchaus befürwortete.34

Huldreich Zwingli (1484-1531) dagegen avancierte zu einem eifrigen Befürworter Karlstadt, in

dem er unter der Berufung des alttestamentarischen Bilderverbots die Entfernung aller Bilder aus

den Kirchen forderte. Diese Forderungen Karstadt und Zwinglis mündeten in den Maßnahmen

und Schriften des Johannes Calvin (1509-1564). Dieser setzte die Bilderverehrung mit der Ido-

lolatrie gleich und nach der schriftlichen Festlegung eines absoluten Bilderverbots in den Kir-

chen, setzte ab circa 1560 in Frankreich der Bildersturm ein, bei dem unzählige Kunstwerke von

den Calvinisten zerstört wurden.35

29 Vgl.: Bäumer, Remigius: Vorwort. In: Bäumer, Remigius (Hg.): Concilium Tridentinum. Darmstadt 1979, S. IX-X. hier S. IX. 30 Vgl.:Jedin, Hubert: Das Konzil von Trient. Ein Überblick über die Erforschung seiner Geschichte. Rom 1948, S. 10. 31 Vgl.: Feld, Helmut: Der Ikonoklasmus des Westens. Leiden 1990, S. 195. 32 Kummer, Stefan: »Doceant Episcopi« Auswirkungen des Trienter Bilderdekrets im römischen Kirchenraum. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 56. 1993, S. 508-533. hier S. 508. 33 Vgl.: Kummer (wie Anm. 32), S. 508. 34 Vgl.: Osten Sacken (wie Anm. 3), S. 36. 35 Vgl.: Kummer (wie Anm. 32), S. 508. Osten Sacken (wie Anm. 3), S. 36.

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Ausgehend davon beschäftigten sich auch katholische Theologen mit dieser Problematik. Johann

Eck (1494-1554) beispielsweise führte zur Verteidigung der Bilder in den Kirchen das Inkarnati-

onsdogma an:

„Der unsichtbare Gott ist durch die Menschwerdung sichtbar und für die Kunst darstellbar ge-

worden.“36 Der italienische Theologe und Dominikanermönch Ambrosius Catharinus Politi

(1483-1553) begründete die Heiligenverehrung des Weiteren mit dem hohem Alter des Bilder-

kults in der christlichen Welt und berief sich auf das Alte Testament, welches besagt, dass nicht

das Bild an sich verboten werde, sondern die Verehrung eines Götzenbildes, welches sich jemand

zum privaten kultischen Gebrauch anfertige. Ebenso führte er die neutestamentliche Begründung

der Inkarnation an. Da Christus, der Sohn Gottes, ein Mensch geworden ist, sind bildliche Dar-

stellungen legitimiert. Ebenso hat Christus viele seiner Brüder mit in die Herrlichkeit genommen,

so dass auch ihre Darstellung gerechtfertigt ist.37Anhand dieser Beispiele zeigt sich, dass bereits

im Vorfeld ein reger Austausch über die Verehrung der Bilder im sakralen Raum stattfand, die

nicht nur auf einem Dogmatismus der jeweiligen religiösen Kräfte beruhte, sondern in Form von

ausgereiften Traktaten vorlag.

2.2.2 REAKTION DER KATHOLISCHEN KIRCHE – DAS BILDERDEKRET

Während die reformatorischen Kräfte ihre Forderungen durch das Entfernen und Zerstören von

Kunstwerken aus den Gotteshäusern Nachdruck verliehen, reagierte die römisch-katholische

Kirche erst spät auf diese Umstände. Auf der letzten Sitzung, am 3. Dezember 1563, dem vor-

letzten Tag des Konzils, wurde neben dem Dekret über das Fegefeuer auch das Dekret über die

Bilderverehrung verabschiedet. Die Behandlung über die Verehrung der Bilder, Statuen und Reli-

quien in den katholischen Kirchen fand nur durch das Drängen der französischen Theologen

und des Kardinals von Guise (1524-1574) Eingang in die Diskussionen der letzten Tagungsperi-

ode. Im Zuge des ersten Hugenotten-Krieges in Frankreich, vor allem gegen Ende des Jahres

1561, ‚reinigten‘ die Calvinisten unzählige Kirchen von religiösen Bildern, Altären und Reliquien.

Aus diesem Grund drängte der Kardinal von Guise das Konzil ein Reformdekret zu erlassen,

welches die Bilderfrage im sakralen Raum zu klären habe.38 Die Diskussionsgrundlage bildete eine

von Theologen an der Sorbonne verfasste Sentenz, welche bereits „bei dem Religionsgespräch

mit den Calvinisten in St. Germain-en-Laye (28.01. – 11.02. 1562) vorgelegen hatte.“39

36 Feld (wie Anm.31), S. 194. 37 Vgl.: Feld (wie Anm.31), S. 194f. 38 Der Grund, warum in diesem Fall kein dogmatisches Dekret erlassen wurde, liegt daran, dass ein Reformdekret keine Diskussion im Vorfeldverlangt, sondern bei der Vorlage eine s Textentwurfes sofort durch Abstimmung ver-abschiedet werden kann. Vgl.: Feld (wie Anm.31), S. 195f. 39 Vgl.: Feld (wie Anm.31), S. 196. Hubert Jedin weist unter anderem in seinem Aufsatz „Das Tridentinum und die Bildenden Künste. Bemerkungen zu Paolo Prodi, Ricerche sulla teorica delle arti figurative nella Riforma Cattolica (1962). In: Zeitschrift für Kirchengeschichte 74. 1963, S. 321-239. Nach, dass das Bilderdekret auf die Sentenz zu-rückzuführen ist.

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Aufgrund der Befürchtung, dass Papst Pius IV. nicht mehr lange Leben würde, versuchte die

Konzilsleitung das Tridentinum so schnell wie möglich zu beenden, so dass neben dem Bilder-

dekret40, auch über das Fegefeuer und der Ablasshandel keine Debatten mehr stattfanden, son-

dern als Reformdekrete nach Abstimmung in die Beschlüsse mit aufgenommen und bestätigten

wurden.

Die Inhalte der Dekrete tragen daher alle den Charakter eines schnellen Abschlusses und blei-

ben in ihrer Formulierung meist allgemein gefasst, so dass sie dadurch den ausführenden Kräften

einen Spielraum in der Interpretation lassen und keine einheitliche Durchführung ermöglichen.41

Anhand des Inhaltes des Bilderdekrets lässt sich dies gut nachvollziehen:

In erster Linie enthält das Dekret Anweisungen an die Bischöfe und andere lehrende Kräfte der

Kirche. Es wird damit zugleich der didaktische und ostentative Charakter des Dekretes in den

Vordergrund gestellt.

„Die hl. Synode fordert alle Bischöfe … auf, die Gläubigen über die Fürsprache der Heiligen,

ihre Anrufung, die Verehrung der Reliquien und den rechtmäßigen Gebrauch der Bilder zu un-

terweisen, und zwar gemäß dem aus den ersten Zeiten der christlichen Religion überlieferten

Brauch der Katholischen und Apostolischen Kirche, gemäß dem Konsens der hll. Konzilien“42.

In dieser Textstelle wird darauf verwiesen, dass die Darstellungen der Bilder im Sinne der Histo-

rie, die sie darstellen, sich nur auf den Text der Bibel und liturgischen Texten berufen dürfen, die

auf dem ersten Konzil von Nicäa (325) und dem ersten Konzil von Konstantinopel

(381)beschlossen wurden. Des Weiteren legitimiert das Dekret die Bilder Christi, der Jungfrau

und Gottesmutter Maria und der anderen Heiligen in den Kirchen aufzustellen beziehungsweise

dort zu belassen und gleichzeitig den Gläubigen zu lehren, ihnen die gemäße Ehre und Vereh-

rung zu erweisen. Diese Ehrerweisung geschieht jedoch nicht aus dem Glauben heraus, „weil

man ihnen eine göttliche Eigenschaft oder Kraft (divinitas vel virtus) [zuspricht], deswegen sie

verehrt werden.“43 Die Verehrung der Bilder, soll nicht wie bei den Heiden geschehen, die ihre

Zuversicht auf Idole richtet, sondern auf den Prototypen übertragen werden, den das Bild reprä-

sentiert. Nicht das Bild, sondern die dargestellte Person erfährt dadurch Verehrung. Aus diesem

Grund ist es erlaubt, vor den Bildern niederzuknien, sein Haupt zu entblößen und das Bild zu

küssen, da so Christus selbst angebetet und die Heiligen verehrt werden.44 Das Bild, die Reliquie

oder Statue hat dementsprechend nur die Funktion eines Mittlers zwischen dem verehrenden

Menschen und der verehrten dargestellten Person.45

40 Die Übersetzung des Bilderdekrets aus dem lateinischen nach Hans Belting befindet sich im Anhang. Siehe Bel-ting, Hans: Bild und Kult. 6. Aufl., München 2004. S. 616f. 41 Vgl.: Feld (wie Anm. 31), S. 195f. 42 Belting (wie Anm. 40), S. 616. 43 Belting (wie Anm. 40), S. 616. Feld (wie Anm. 31), S. 196. 44 Vgl.: Belting (wie Anm. 40), S. 616 45 Vgl.: Belting (wie Anm. 40), S. 616. Feld (wie Anm. 31), S. 196f.

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Am Schluss dieser Schilderung wird dann noch einmal explizit auf das zweite Konzil von Nicäa

(787) und den dortigen Beschluss gegen die Bilderstürmer verwiesen. Bereits an dieser Passage

des Dekrets wird deutlich, dass sich der Inhalt mitunter auf den Beschluss des zweiten Konzils

von Niccäa verweist und aufbaut und gleichzeitig die Gültigkeit dessen bestätigt. Den Bischöfen

wird die Aufgabe zu teil, dem Volk durch Erzählungen (historia) und „mittels bildlicher Darstel-

lungen der christlichen Heilslehre das Volk zu bilden und im Glauben zu stärken“.46 Die Bischöfe

erhalten dadurch die Weisung, die Gläubigen darin zu unterweisen, wie ihre angebeteten Heiligen

ihr Leben fromm und sittsam zu führen und Gott dafür zu danken.

„Schließlich sollen (die Gläubigen durch die Bilder) zur Anbetung und Liebe Gottes angeleitet

und in ihrer Frömmigkeit unterwiesen werden. Wer aber lehrt, was diesen Beschlüssen zuwider

ist, soll in Acht und Bann kommen.“47

Neben dieser didaktischen Unterweisung der Bischöfe beinhaltet der letzte Abschnitt des Dekrets

die Missbräuche und die gewünschte Darstellungsweise der Bilder. In diesem Sinne, untersagt die

hl. Synode Bilder und andere bildliche Darstellungen zu entfernen, welche ein falsches, nicht dem

Brauch der Katholischen und Apostolischen Kirche folgend, Dogma darstellen oder das einfa-

chen Volk dazu verleiten könnte, gefährliche Irrtümer als wahr anzusehen. Dazu heißt es im Bil-

derdekret:

„Aller Aberglaube möge in der Anrufung der Heiligen, der Verehrung der Reliquien und dem hl.

Gebrauch (sacrousu) der Bilder beseitigt werden (tollatur), jeder schändliche Gewinn eliminiert

und endlich jeder mangelnde Anstand (lascivia) vermieden werden.“48

Am Schluss des Bilddekrets lässt sich eine kurze Erläuterung zu der Gestaltung der religiösen

Bilder finden, die in der Literatur oft unter dem Begriff ‚decoro‘ zu finden ist und die Bischöfe

verpflichtet, zu entscheiden, ob ein Bild den Forderungen des Dekrets entspricht.

„Folglich soll man keine Bilder mehr mit verführerischer Schönheit (procaci venustate) malen

und schmücken … Endlich werde von den Bischöfen soviel Sorgfalt und Umsicht auf diese

Dinge verwendet, daß nichts außer der Ordnung … zugestanden werde und nichts Profanes o-

der Unehrenhaftes (inhonestum) in Erscheinung trete, denn für das Haus Gottes ist Heiligkeit

angemessen …“.49

Zusammenfassend zeigt sich, dass das Bilderdekret sich für die Ausstattung der Kirchen durch

Bilder, Reliquien und anderen im Sinne der Kirchenlehre vertretbaren Formen künstlerischen

Darstellungen ausspricht und deren wichtige Funktion innerhalb der Vermittlung des Glaubens

an das Volk betont. Daneben stärkt es die Rolle der Bischöfe und Gelehrten, die für die Überwa-

chung der auszustellenden Kunstwerke verantwortlich sind. Diese Funktion gelingt jedoch nur,

wenn die ebenfalls auf dem Konzil beschlossene Ausbildung der Priester eingehalten wird.

46 Kummer (wie Anm. 32), S. 509. 47 Belting (wie Anm. 40), S. 617. 48 Belting (wie Anm. 40), S. 617. 49 Belting (wie Anm. 40), S. 617.

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2.2.3 DIE BEDEUTUNG UND KRITIK AN DAS BILDERDEKRET

Das Bilderdekret in seiner Ausführung betont in erster Linie den didaktisch-katechetischen

Nutzen für die Gläubigen. Der größte Kritikpunkt an das Bilderdekret besteht darin, dass es

keine Anweisungen beziehungsweise Regeln für das künstlerische Schaffen enthält50 und keinen

Beitrag zu einer innerkatholischen Bildertheologie leistet51. Hubert Jedin schildert in seinem

Aufsatz „Das Tridentinum und die Bildenden Künste. Bemerkungen zu Paolo Prodi, Ricerche

sulla teorica delle arti figurative nella Riforma Cattolica“52 die grundlegende Bedeutung des

Bilderdekrets:

„Es war freilich kein dogmatisches Dekret in dem Sinne, wie etwa das Dekret über die

Rechtfertigung, sondern eine Lehre und Praxis gleichmäßig berücksichtigendes Gesetz, das per

via di compendiosa riforma den alten katholischen Glauben an die Erlaubtheit der Bilder und

ihre Verehrung im Anschluß an das Nicaenum II bekräftigte, zugleich aber die Bischöfe anwies,

in Predigt und Unterricht den didaktischen und erzieherischen Zweck der Bilder herauszustellen

und dafür zu sorgen, daß sie auf das Volk eine erbauliche Wirkung ausüben und zur Vertiefung

der Gottesliebe und der Frömmigkeit führen. Es dürfen daher keine dogmatisch irreführenden

Bilder (imagines falsi dogmatis) aufgestellt werden, sie dürfen nichts Profanes und Laszives

enthalten, auch keine, der kirchlichen Tradition widersprechenden Darstellungen, und auch

dafür sind die Bischöfe verantwortlich.“53

Das Dekret lässt sich daher in erster Linie als ein Instrument für den Glaubenskampf verstehen,

welches „aber nicht [die] Absicht zugrunde lag, das künstlerische Schaffen als solches in eine

bestimmte Richtung zu lenken. Dennoch waren gewisse Ansatzpunkte für ein solches Wirken

gegeben: es wurde dem biblischen Bild (historiae mysteriorum nostrae redemptionis bzw. Sacrae

Sripturae) der Vorrang eingeräumt, Naturwahrheit (sanctos, quorum illae similitudinem gerunt)

und der Anschluss an die kirchliche Tradition (nihil novum aut in ecclesia hactenus inusitatum)

verlangt.“54

Helmut Feld sieht in dem Bilderdekret, wie auch in den anderen Dekreten, den Versuch sich

gegen die Häretiker abzugrenzen, ohne dabei auf bestimmte Personen oder Gruppen namentlich

einzugehen. Jedoch lässt sich anhand der Vorgeschichte und dem Drängen des französischen

Kardinals von Guise erkennen, dass es vor allem um eine Lösung geht, die Bilderverehrung im

sakralen Raum zu rechtfertigen und gleichzeitig die zwinglianisch-calvivnistische Auffassung zu

verurteilen. Im Gegenzug zu den dogmatisch verfassten Dekreten, die in erster Linie die

Traditionen der katholischen Kirche aufrecht erhalten wollte, war das Reformdekret über die

Bilderverehrung ein Versuch das Problem durch die Anweisungen an die Bischöfe in den Griff

zu bekommen.

50 Vgl.: Weiß (wie Anm. 1), S. 165. 51 Vgl.: Feld (wie Anm. 31), S. 198. 52 Jedin (wie Anm. 39), S. 324. 53 Jedin (wie Anm. 39), S. 324. 54 Jedin (wie Anm. 39), S. 324.

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Er bemerkt des Weiteren an, dass dieses Dokument recht dürftig ist und ihm eine ‚binnenkatholi-

‚binnenkatholische‘ theologische Fundierung fehle sowie eine sachgemäße Auseinandersetzung

und Erörterung desreformatorischen Schriftverständnisses.55 Ebenso „fehlt auch ein ernsthaftes

Eingehen auf Phänomene und Inhalte der Volksreligion: sie wird mit dem gängigen

Theologenhochmut lediglich unter dem Gesichtspunkt der Gefährdung des »ungebildeten

Volkes« durch Aberglauben betrachtet.“56 Infolgedessen konnte sich die religiöse Kunst

innerhalb der katholisch verbliebenen Länder in den Epochen des Manierismus und Barock

einen gewissen Freiraum schaffen. Es gab nur allgemeine Vorschriften in Bezug auf die

Bildthemen und deren Einhaltung und demzufolge besaßen die Künstler bei den Gestaltungs-

und Ausdrucksmitteln einen größeren Spielraum, um sich von dem in der Renaissance üblichen

Realismus abwenden zu können, um neue künstlerische Wege zu beschreiten. Im Gegenzug

verschärfte sich aber auch die kirchliche Zensur und die vom Klerus ausgehenden

Gängelungsversuche, die zu Veränderungen bereits bestehender Werke57 führte und zu Verhören

durch die Inquisition.58

2.3 AUSWIRKUNGEN DES BILDERDEKRETS AUF DIE SPANISCHE MALEREI UNTER PHILIPP II.

2.3.1 ALLGEMEINE SITUATION

„Zahlreiche Kunsthistoriker, darunter Emile Mâle, Santiago Sebastían und Fernando Checa

Cremades, haben festgestellt, dass durch die 25. Sitzung des Konzils von Trient und die Dekrete

vom 3. Dezember 1563, die in Spanien so rasch übernommen wurden […], eine Flut von

Heiligendarstellungen im gesamten spanischen Weltreich ausgelöst wurde.“59 Ohne auf die

Debatte einzugehen, ob es eine spanische Kunst im Sinne eines ‚tridentinischen Stils‘ gegeben

hat, zeigt sich dennoch eine rege Beschäftigung mit religiösen Bildthemen, die in der Zeit nach

dem Konzil entstanden sind. Der Beschluss des Bilderdekrets ließ die Verehrung Christi, der

Jungfrau Maria und der Heiligen zu. Für die geistigen Orden bedeutete dies, dass sie das Leben

und Werk ihres heiligen Ordensgründers verehren konnten, auch in der Form von Reliquien. Des

Weiteren erwies sich die Bestätigung des Dogmas von der Heiligen Dreieinigkeit im Jahr 1546/47

als wichtig für die Kunst.60

55 Vgl.: Feld (wie Anm. 31), S. 198f. 56 Feld (wie Anm. 31), S. 199 57 Während des Pontifikates Pius IV. wurde der sogenannte ‚Hosenmaler‘ (Braghettone) Daniele da Volterra beauf-tragt, die nackten Figuren des „Jüngsten Gerichts“ von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle zu übermalen. Vgl. Feld (wie Anm. 31), S. 199. 58 Vgl.: Feld (wie Anm. 31), S. 198f. 59 Bennassar/ Vincent (wie Anm. 8), S. 235. 60 Vgl.: Bennassar/ Vincent (wie Anm. 8), S. 235f.

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Inhaltlich bestätigte dieses Dogma das Heilsversprechen durch den Opfertod Christi und die

sieben Sakramente (Taufe, Firmung, Eucharistie, Bußsakrament, Krankensalbung, Sakrament der

Weihe und Ehe). Ausgedehnte Debatten wurden ebenfalls um das Alte Testament, die

Menschwerdung und die Passion Christi geführt.61

Die Künstler des spanischen Reiches begannen nach 1550 Themen und Entscheidungen, die

das Konzil hervorbrachte und die künstlerischen Themen betraf, in ihre Werke zu übernehmen.

Dabei spielten vor allem die drei folgenden großen Gruppen von Auftraggebern – Kirche,

Kollegien, Klöster – eine entscheidende Rolle.62 Denn in Spanien gehörten die Künstler, anders

als in Italien, nicht zu den Artes Liberales. Sie waren Handwerker, die in Werkstätten organisiert,

Steuerabgaben zu leisten hatten und daher abhängig von ihren Auftraggebern waren. Freie

Künstler, die ihren Lebensunterhalt ohne Auftragskunst bestreiten konnten, gab es nicht. Dieser

Umstand sollte sich erst ein ganzes Jahrhundert später ändern.63

Durch diese Umstände begünstigt, baute sich auf der Iberischen Halbinsel in der ersten Hälfte

des 16. Jahrhunderts ein Netz von Mäzenen auf. „Bedeutende Prälaten in Städten wie Valencia,

Sevilla, Valladolid, Burgos, Granada und Toledo verfügten über Mittel und Motivation, jede Art

der künstlerischen Aktivität zu fördern.“64 Die Schwache Rolle der Monarchie unter Karl V., der

sich zwar für die Künste interessierte, jedoch durch sein Reisekönigtum den Einfluss verlor,

begünstigte im gleichen Zuge das Mäzenatentum der Bischöfe und reichen adligen Familien.

Diese standen neuen, ehrgeizigen Projekten, seien sie profaner oder religiöser Natur, durchaus

aufgeschlossenen gegenüber. Diese Struktur änderte sich mit Philipp II., welcher bereits als Prinz

ein reges Interesse den Künsten und Künstlern entgegenbrachte und nach seinem

Regierungsantritt die ersten Grundsteine legte, um die spanische Kunst wieder mehr unter die

Kontrolle der Krone zu bringen. Durch die Einrichtung eines ständigen Regierungssitzes in

Madrid 1561 und seiner Niederlassung dort, kümmerte er sich danach um den Ausbau der

Königssitze in Aranjuez, El Prado und Toledo. Jedoch kam es mit der Etablierung des

Königshofes in Madrid nicht zu einer Förderung der spanischen Künstler, sondern es setzte ein

Import ausländischer Kunst und Künstler ein. Ein Beispiel ist der italienische Maler Tizian,

welcher bereits unter Karl V. wichtige Aufträge erhielt und auch von Philipp II. weiter gefördert

wurde und durch ihn sein Ruhm und Wohlstand ausbauen konnte.65 Zum Zeitpunkt des

Regierungsantritts Philipp II. befanden sich die spanischen Künstler in einer Phase des

Experimentierens mit dem italienischen Klassizismus.

61 Vgl.: Bennassar/ Vincent (wie Anm. 8), S. 235. 62 Vgl.: Bennassar/ Vincent (wie Anm. 8), S. 235. 63 Vgl.: Brown, Jonathan: Ein anderes Weltbild: Die Spanische Kunst 1500 – 1920. In: Elliott, John Huxtable (Hg.): Die Spanische Welt. Geschichte. Kultur. Gesellschaft. Freiburg im Breisgau 1991, S. 149-184. hier S. 149. 64 Brown (wie Anm. 62), S. 152. 65 Vgl.: Brown (wie Anm. 62), S. 152. Brown, Jonathan; Jordan, William B.; Kagan, Richard L.; Sánchez, Alfonso E. Pérez: El Greco in Toledo. Berlin 1983, S. 81.

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Sie übernahmen dessen Motive und Gestaltungsprinzipien, verstanden jedoch nicht das System

und die Theorien, auf dem dieser sich begründete. Philipp II. dagegen importierte die

Renaissance nach Spanien und beeinflusste dadurch die Künstler mit diesen Stilmitteln und

Motiven.66 Jedoch änderte dies nichts an der Begeisterung des Königs für die italienische und

flämische Malerei, unter anderem sammelte er Tizian, Bosch, Anthonis Mor und Tintoretto.

2.3.2 DER ESCORIAL UND DIE AUSWIRKUNGEN DES BILDERDEKRETS AUF DIE MALEREI

AM SAN LORENZO EL REAL DE EL ESCORIAL

Das größte und monumentalste Bauwerk innerhalb der Regierungszeit Philipp II. stellt der

Baukomplex ‚San Lorenzo el Real de El Escorial‘ dar, welcher am Rande des Guadarrama-

Gebirges, circa 50 Kilometer entfernt von Madrid, errichtet wurde.67 Das wesentliche Motiv, den

Escorial zu erbauen, ist aus der Sicht Philipp II., das „‚Lob Gottes und die Erhaltung und

Verbreitung seines heiligen Glaubens durch Lehre und frommes Beispiel der Mönche als Diener

Gottes“68 zu ermöglichen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Bau des Klosters dem

Heiligen Laurentius69 gewidmet wurde.70 Im Stifterbrief heißt es:

„Wir gründen das Kloster zu Ehren und im Namen des hl. Laurentius wegen der besonderen

Ehrerbietung die Wir, wie schon kundgetan wurde (hier bezieht sich Philipp II auf den ersten Satz

des Stiftungsbriefes, in dem er nach der Anrufung der Heiligen Dreifaltigkeit und der

Muttergottes seine besondere Verehrung für den heiligen Laurentius betont), diesem glorreichen

Heiligen entgegenbringen; und in Erinnerung der Gnaden und Siege, die Wir an seinem Festtag

von Gott zu erhalten begannen.“71

Jonathan Brown und auch Cornelia von der Osten Sacken gehen davon aus, dass Philipp II. als

Führer der weltlichen Kraft innerhalb des Katholizismus, den Escorial als Symbol der

Katholischen Reform errichten ließ. Brown sieht dabei in der Ausstattung die „vollkommene

Frömmigkeit, indem sie Christus als Erlöser verherrlicht, die Göttlichkeit der Jungfrau Maria

herausstellt und die Bedeutung der Heiligen und der Sakramente wiederholt“72, versinnbildlicht.

66 Vgl.: Brown (wie Anm. 62), S. 154. 67 Vgl.: Brown (wie Anm. 62), S. 152. 68 Osten Sacken (wie Anm. 3), S. 35. 69 „Laurentius ist er berühmteste spanische Märtyrer, der Überlieferung nach […] geboren als Sohn der spanischen Adligen Orencio und Paciencia, die ebenfalls als Märtyrer starben. Er war Erzdiakon unter Papst Sixtus II und erlitt drei Tage nach diesem am 10.08.258 in Rom den Märtyrertod: er wurde auf einem Rost über stetig unterhaltenem Feuer langsam zu Tode gemartert und in der Katakombe der Ciriaca begraben. 330 ließ Konstantin über dem Grab eine Basilika errichten. sein Kult verbreitete sich schnell auch außerhalb Roms. Die ‚particular devoción‘ Philipps II für den Heiligen mag auch daher rühren, daß es bisher in Spanien kein würdiges Monument für diesen größten spa-nischen Märtyrer gab.“ Osten Sacken (wie Anm. 3), S. 247. 70Fray Francisco de los Santos, Chronist des Königs, schreibt, dass Philipp II. der Annahme gewesen sein, den Sieg in St. Quentin aufgrund der Vermittlung und Frühsprache des Hl. Laurentius vor Gott erlangt, da er von seiner Kindheit an besonders dem Hl. Laurentius seine Verehrung entgegengebracht habe. Vgl.: Osten Sacken (wie Anm. 3), S. 39. 71 Osten Sacken (wie Anm. 3), S. 39. 72 Brown (wie Anm. 62), S. 154.

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Die malerische Ausstattung wurde auf Wunsch Philipp II., der jeden Handgriff des Baus über-

überwachte, nicht nur von spanischen Künstlern übernommen, sondern in einem hohen Maße

italienischen und italianisierenden Künstlern übertragen. Unter anderem Beauftragte er auf

Empfehlung seiner Agenten Luca Cambiaso (1527-1585), Federico Zuccari (1542-1609) und

Pellegrino Tibaldi (1527-1592) Kunstwerke für die Altäre der Kirche zu malen.73

Zu den wichtigsten Themen der in Auftrag gegebenen Werke zählten die Verehrung des Hl.

Laurentius, des Hl. Hieronymus, der Jungfrau Maria und besonderes des eucharistischen

Christus. Insgesamt galt es 40 Altargemälde74, ohne die acht des Hochretabels mitzuzählen, von

Künstlern malen zu lassen. Am Ende der Fertigstellung befanden sich auf allen Gemälden

ungefähr 70 Heilige.75 Dies zeigt, wie intensiv in Spanien und vor allem vom König selbst die

Heiligenverehrung gepflegt wurde, sicherlich auch mit dem Gedanken an die didaktische

Erziehung der Gläubigen, zu denen die Bilder im Sinne des Bilderdekrets dienen sollten (siehe

Punkt 2.22). Philipp II. achtete dabei auch darauf, alle Personen aus der Allerheiligenlitanei im

Escorial unterzubringen. Dazu zählen „Maria, die Engel, Johannes d. T. die Apostel und

Evangelisten, die heiligen Märtyrer, Bischöfe, Bekenner, Kirchenlehrer, Mönche und Eremiten,

unschuldige Kinder, Jungfrauen und Witwen.“76 Gleichzeitig verweist die Ausstattung auf die

spanische Kirchentradition, in dem Bischöfe als Spanier dargestellt werden und zu denen in der

Litanei genannten Märtyrer der Hl. Mauritius als Schutzheiliger des Goldenen Vlies, der Hl.

Bonaventura (1221-1274) zu den Kirchenvätern und Thomas von Aquin (1225-1274) als

bedeutender Vertreter der Hochscholastik und Verfasser der der ‚Summa Theologiae‘ tritt.77

Die Darstellung der Heiligen erfolgt in einem hohen Maß den gleichen Schemata. Die

Heiligen besitzen eine athletische Gestalt, welche in einer ruhigen würdevollen Haltung, die

gleichzeitig auch pathetisch wirkt, verharren und den Blick meist verklärt zum Himmel richten.

Ihre Kleidung und Attribute sind detailgetreu gemalt und um den ostentativen, didaktischen

Charakter hervorzuheben, sind viele der Gemälde mit Beschriftungen versehen.78

73 Vgl.: Brown (wie Anm. 62), S. 154. 74 „Die Altargemälde werden zwischen 1568 und 1594 von verschiedenen zur Ausstattung des Escoril herangezoge-nen spanischen und italienischen Malern ausgeführt: Juan Fernández de Navarrete, Alonso Sánchez- Coello, Luis del Carvajal, Diego de Urbino, Juan Gómez, Romolo Cincinnato, Luca Cambiaso, Federico Zuccaro und Pellegrino Tibaldi“ Osten Sacken (wie Anm. 3), S. 249. 75 Vgl.: Osten Sacken (wie Anm. 3), S. 40,45. 76 Osten Sacken (wie Anm. 3), S. 45. 77 Vgl.: Osten Sacken (wie Anm. 3), S. 45. 78 Vgl.: Osten Sacken (wie Anm. 3), S. 45f.

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„Es ist jenes in der Pathosformel erstarrte Vorzeigen und Zuschaustellen eines Sachverhaltes

oder eines geistigen Zusammenhangs, dass uns in allen bildlichen Darstellungen im Escorial,

auch da, wo Bewegung ist und eigentlich etwas geschieht, immer wieder begegnen wird, und das

der Chronist Josede Siguenza immer aufs neue stereotyp als ‚muy al natural, con mucha nobleza,

autoridad, majestad, gravedad y grandeza‘ (sehr nach der Natur, edel, hoheitsvoll, majestätisch,

ernst und groß) preist.“79

Welche Richtlinien aus der Sicht Philipp II. eingehalten werden müssen, geht aus dem

Vertrag zwischen ihm und dem Maler Fernández de Navarrete (1525-1579), welcher

ursprünglich 32 der Altargemälde anfertigen sollte, hervor:

„alle Figuren müssen stehend dargestellt und genau 6 Fuß groß sein; alle mehrmals dargestellten

Heiligen müssen immer gleich aussehen und die gleiche Kleidung tragen, damit sie leicht zu

identifizieren sind; es dürfen keine Hunde, Katzen oder andere ‚unehrenhafte‘ Dinge dargestellt

werden, sondern alles muß heilig und ehrfurchtheischend sein“80.

Ebenso sieht Cornelia von der Osten Sacken die 44 Altäre nicht als dekorativ oder dem Zweck

Messen zu feiern an, denn dafür hätte auch eine geringere Anzahl ausgereicht, „sondern durch sie

soll im wörtlichen und nachzählbaren Sinn die vom Protestantismus in Frage gestellte Verehrung

‚Aller Heiligen‘ ostentativ bestätigt werden.“81 Neben der intensiv betriebenen Heiligenverehrung

trat im Escorial eine wieder erstarkte Verehrung der Märtyrer ein. Das Ziel der katholischen

Kirche im nachtridentinischen Zeitalter war es die Volksfrömmigkeit zu fördern und den

Gläubigen das Opfertum der Märtyrer zu verdeutlichen, da sie für die wahre Religion

gestorbenen waren. Gleichzeitig untermauerte die katholische Kirche die Daseinsberechtigung

der Märtyrer durch Quellenforschungen und wirkte dadurch den Angriffen der Protestanten und

deren Annahme der Unglaubwürdigkeit der Heiligen- und Märtyrerlegenden entgegen. Die

Darstellungen der Märtyrer und ihr Opfertod sollten dabei wiederum der Legende

nachempfunden und die historische Wahrheit abbilden und dabei realistisch und naturalistisch

sein. Es lässt sich jedoch keine Aussage darüber finden, wie sich Philipp II. konkret eine

Martyriumdarstellung vorgestellt hat, vielmehr verweist der Chronist Padre José de Sigüenza

(1544-1606) auf die Inhalte des Bilderdekrets.82 Im Folgenden sollen daher auf die Werke „Die

Anbetung des Namen Jesu“ und „Das Martyrium des Heiligen Mauritius und der thebaischen

Legion“ von El Greco eingegangen werden, die sich im Escorial befinden und die Philipp II.

unterschiedlich beurteilte.

79 Osten Sacken (wie Anm. 3), S. 46. Der Vertrag ist veröffentlicht bei Llaguno y Amírola, Eugenio: Noticia de los Arquitectos y de la Arquitectura en Espana desde su restauración, II, Madrid 1829, S. 98-101. 80 Osten Sacken (wie Anm. 3), S. 46. 81 Osten Sacken (wie Anm. 3), S. 47. Die Autoren beschreibt des Weiteren auch die Anordnung der einzelnen Altäre und die dort dargestellten Heiligen und in welcher Beziehung sie zu der Litanei und ihre Funktion innerhalb der Kirche. Da es diese Anordnung eine rein didaktische Funktion innehat, die den Gläubigen damit vermittelt werden soll und dieser Aspekt bereits in dieser Arbeit Erwähnung gefunden hat, soll hier nur darauf verwiesen werden. Vgl.: Osten Sacken (wie Anm. 3), S. 47. 82 Vgl.: Osten Sacken (wie Anm. 3), S. 51.

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2.3.3 DIE ANBETUNG DES NAMEN JESU

Das Werk „Die Anbetung des Namen Jesu“83 von El Greco entstand in der Zeitspanne zwischen

1577-1580. Das Werk existiert in zwei Fassungen, die sich im Escorial und in London befinden84.

Das inhaltliche Thema der Darstellung scheint auf einen Bibeltext des Paulus zurückzugehen.

Auf dem Gemälde werden der Himmel, die Erde und Unterwelt dargestellt, welche alle den

Namen Jesu nach dem Wortlaut des Paulus-Briefes an die Philipper 2, 9-10: „‘In nomine Jesu

omne genu flectatur Coelestium, Terrestrium et Infernorum …‘ Im geöffneten Himmel

erscheint, von einem Chor anbetender Engel umgeben, das Monogramm Christi IHS (Jesus

Hominum Salvator)“85 anbeten. Die Annahme, dass es sich um den Paulus-Brief handelt, liegt

darin begründet, dass auf dem Bild die gleiche Handlung und die gleichen Personen dargestellt

sind, auch wenn El Greco in seiner künstlerischen Freiheit die kreisförmige Personengruppe im

Vordergrund hinzufügte.86

In der Mitte des Himmel ist das Monogramm Chirsti zusehen, um das sich eine Heerschar

von Engeln gruppiert, die sitzend, fliegend und stehend inmitten und auf sich türmenden Wolken

befinden. Aus der linken Bildhälfte, auf der Höhe der Bildmitte, zieht sich eine lange Schlange

von gläubigen Menschen, deren Gesichter zum Vordergrund hin zunehmen und deren

Gesichtszüge in der Anbetung des Namen Jesu verharren. Am Anfang dieser Schlange befinden

sich Mönche verschiedener Orden, die mit erhobenen Armen verharren und beten. Davor

befindet sich die im Mittelpunkt stehende zentrale Figurengruppe, die halbkreisförmig

angeordnet, sich ebenfalls der Anbetung hingibt. Die komplett in schwarz gekleidete Figur dieser

Gruppe kann zweifelsfrei als der spanische Monarch Philipp II. identifiziert werden.87 Aufgrund

dieser Darstellung trägt das Werk auch den Beinamen „Der Traum Philipp II.“. Seine zum

Himmel erhobenen gefalteten Hände und der erhobene Blick richten sich genau auf das göttliche

Zeichen. Gleichzeitig erscheint er in seiner Pose als demütiger Christ, welcher isoliert in der

Personengruppe in einer direkten Beziehung zu Gott verharrt. Links neben ihm stehend, befindet

sich der Papst, welcher sich dem Gebet hingibt. Die drei anderen Personen können als weltliche

Würdenträger identifiziert werden. Der rechte vordere Teil des Bildes wird von der Darstellung

der Verdammten eingenommen.

83 El Greco: „Die Anbetung des Namen Jesu“, 1577 bis 1580. Öl und Eitempera auf Pinienholz, 165 cm x 134 cm. Patrimonio Nacional, Real Monasterio de San Lorenzo de El Escorial. 84 In der National Gallery in London befindet sich das Bozzeto auf Holz (58 x 35 cm), welches mit einiger Sicherheit als Vorlage für das Gemälde im Escorial gedient hat. Vgl.: Seipel, Wilfried (Hg.): El Greco. KHM Kunsthistorisches Museum Wien, 4. Mai bis 2. September 2001. Milano 2001, S. 140. Scholz-Hänsel, Michael: El Greco. Bildbesprechungen. In: Wismer, Beate/ Scholz-Hänsel, Michael: El Greco und die Moderne. Ostenfildern 2012, S. 46-153. hier S. 68. 85 Osten Sacken (wie Anm. 3), S. 50. 86 Vgl.: Scholz-Hänsel (wie Anm. 83), S. 68. 87 Vgl.: Scholz-Hänsel (wie Anm. 83), S. 68.

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„Die Hölle ist als riesiges, auf einer Art Flammenmeer schwimmendes Ungeheuer dargestellt,

dessen weit offenes Maul, wie in der mittelalterlichen Tradition, die Körper der Rückfälligen

verschlingt.“88 Hinter diesem Höllenschlund im Zentrum befindet sich ein Tunnel, der sich nach

rechts in ein in Gelb- und Rottönen gehaltenes Meer übergeht. Die Szene vor dem Tunnel kann

als eine Hinrichtungsszene gedeutet werden. Zu erkennen sind ein Galgen, eine

Menschenversammlung, ein Reiter und ein Scheiterhaufen mit einer angelehnten Leiter. Cornelia

von der Osten Sacken sieht darin ein Autodafé. „Die Hinrichtung von Häretikern, die nicht in die

weltweite Anbetung einstimmen wollen.“89 Einige der dargestellten Figuren stürzen in dieser

Szene in das glühende Meer und stellen so eine Verbindung zur Hölle dar.

Sir Anthony Blunt90 identifiziert die Rückenfigur mit ihrem weiß-goldenen Gewand als den

venezianischen Dogen Mocenigo, links neben ihn, die Arme vor der Brust gekreuzt, als

Marcantonio Colonna und neben ihn, die Arme auf ein Schwert gestützt, als den Bruder Philipp

II. Don Juan de Austria.91Auch Michael Scholz-Hänsel greift diese Vermutung auf und geht

ebenso davon aus, dass in das Bildwerk ein weiteres Thema eingebettet ist. Durch die Darstellung

Don Juan de Austria, der als Sieger der Seeschlacht gegen die Türken in Lepanto 1571

hervorgegangen ist und die Darstellung der anderen wichtigen katholischen Kräfte in diesem

Krieg, lässt auf eine ‚Allegorie der heiligen Liga‘92 schließen.93 Bereits der Maler Veronese

verarbeitete dieses Thema 1572 in Venedig in dem Gemälde „Allegorie der Schlacht von

Lepanto“. Es ist daher anzunehmen, auch wenn sich El Greco zu diesem Zeitpunkt nicht mehr

in Venedig aufhielt, sich dieses Sujet dennoch einer großen Beliebtheit erfreut hat.94„Die

Anbetung des Namen Jesu“95 zählt zu den ersten Werken, indem El Greco eine neuartige

ikonografische Deutung entwickelt.96 Die künstlerische Aussagekraft des Werkes liegt in der

erzählenden Malerei eines biblischen Inhaltes und orientiert sich jedoch auch noch an der

italienischen Tradition.

88 Gudiol, Jose: El Greco. 1541-1614. Barcelona 1973, S. 48. 89 Osten Sacken (wie Anm. 3), S. 50. 90 Sir Anthony Blunt war der erste, der diese These aufstellte und begründete. Jose Gudiol nimmt diese These auf und sieht mit dem Tod Don Juan de Austria 1578 und die Überführung seine Leiche ein Jahr später in den Escorial, diese als plausibel an. Vgl.: Gudiol (wie Anm. 87), S. 48. Ausführliche Ikonografische Deutungen lassen sich bei Jonathan Brown „El Greco und Toledo“ finden. Vgl.: Brown/ Jordan/ Kagan/ Sánchez (wie Anm. 64), S. 169f. 91 Vgl.: Gudiol (wie Anm. 87), S. 48). Osten Sacken (wie Anm. 3), S. 50. Seipel (wie Anm. 83), S. 140. 92 Die Heilige Liga war eine militärische Allianz bestehend aus den drei Hauptakteuren Spanien, Venedig und dem Papst, die die entscheidende Schlacht über die Türken 1571 gewannen. Vgl.: Brown/ Jordan/ Kagan/ Sánchez (wie Anm. 64), S. 170. 93 Vgl.: Scholz-Hänsel (wie Anm. 83), S. 68. 94 Vgl.: Scholz-Hänsel (wie Anm. 83), S. 68. 95Padre Francisco de los Santos interpretierte dieses Werk bereits 1657 und sah in der Ikonografie des Bildes eine Parallele zu der “Gloria” Tizians, welche sich im Escorial befindet und bezeichnete das Werk El Grecos daher als die „Gloria des Greco“. Brown/ Jordan/ Kagan/ Sánchez (wie Anm. 64), S. 170. 96El Greco, welcher auf Kreta als Ikonenmaler begann, wurde bei seinem Aufenthalt in Italien durch die dortige vorherrschende Ikonografie geprägt und beginnt nach seiner Übersiedlung nach Spanien die ihm bekannten ikono-grafische n Themen neu zu deuten. Neben dem erwähnten Werk weisen auch das „Altarwerk von Sto. Domingo“, und „Die Hl. Magdalena“. Vgl.: Soehner, Halldor: Greco in Spanien. Teil 1: Grecos Stilentwicklung in Spanien. In: Münchner Jahrbuch der Bildenden Kunst 1957, Dritte Folge Band VIII, S. 123-194. hier S. 123. diese neue Richtung auf.

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In dem er die Erzählung ereignishaft darstellt und zu Geschehnissen verdichtet, schafft es El

Greco den Moment der Anbetung als Höhepunkt in dem Werk zu kreieren. Dabei setzt er auf

eine Dramatisierung des dargestellten Stoffes, welches er durch eine große Menge an Menschen

und Handlung herbeiführt. Er nutzt dafür seine Vorliebe für turbulente Massenszenen, die dem

Bild Bewegung und Dramatik verleihen.97 Beim Tiefenraum orientiert sich El Greco an der

Perspektivdarstellung Tintorettos, entwickelt diese jedoch weiter und findet in diesem Werk

bereits Ansätze einer expressionistischen Malweise, da er die im Hintergrund dargestellten

Figuren und Hinrichtungsszene nicht mehr realistisch erkennbar malt, sondern stark auf eine

farbliche Ausdrucksweise setzt, die das Geschehene nur noch erahnen lässt. Demzufolge kann

„Die „Anbetung des Namen Jesu“ als letztes Werk betrachtet werden, indem er „die in die Tiefe

führende Linienperspektive aus[schaltet] und […] sich [der] Versinnlichung des Tiefenraumes,

der Maßstababnahme und luftperspektivischen Verklärung zu[wendet]“98. Die Neuerung, die er

bereits hier vornimmt, zeigt sich in der Umlegung der Vogelperspektive in die Bildhöhe, so dass

ein ausgesprochener Tiefenzug vermieden wird.99

Er beschreitet ebenso in der Farbgebung einen neuen Weg, indem er von der

naturnachahmenden Lichtführung abweicht. Die Farbgebung des Werkes umfasst eine breite

Palette, so dass der Bildeindruck durch die Vielfalt der Farben bestimmt wird. Er verwendet die

Grundfarben Rot, Grün, Gelb und Blau in ihrer leuchtenden intensiven Qualität und begleitet sie

mit Tonabwandlungen und Zwischenfarben geringerer Intensität und bettet dies auf einen

braungräulichen Grund. Rot ist dabei in der Farbkomposition die vorherrschende Farbe. Halldor

Soehne beschreibt diesen ‚roten Stil‘ dabei treffend:

„Rot ist die aktivste Farbe des Kreises, seine heftigste und lauteste: damit bestimmt die

pathetisch-laute Behandlung der Themen, die Vorliebe für Drama und Affekt überein. Freilich

vollziehen sich diese Vorgänge in »sakralen Bereichen«; so erscheint das Führungsrot stets als

glühendes Karmin.“100

Durch die Dominanz des Rots treten dabei die Lokalfarben nur in eine lockere Beziehung

zueinander, so dass sie das Rot in Darstellung vielfach durchmustern.101

Welche Beweggründe El Greco herumtrieben dieses Bild zu malen und wie es nach Spanien

kam, sind in der Forschung bis heute nicht eindeutig geklärt. Die These, dass sich El Greco mit

diesem Bild beim spanischen König Philipp II. empfehlen wollte, ist eine durchaus vertretbare

Annahme, wenn man bedenkt, dass sich zu dieser Zeit der Escorial in der Endphase befand und

es an die Innenausstattung ging.

97 Vlg.: Soehner (wie Anm. 95), S. 123f. 98 Soehner (wie Anm. 95), S. 126. 99 Vgl.: Soehner (wie Anm. 95), S. 126. 100 Soehner (wie Anm. 95), S. 130. 101 Vgl.: Soehner (wie Anm. 95), S. S. 130.

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Angenommen wird, dass als Mittler, „die am Escorial versammelten Gelehrten gewirkt haben, die

mit ihren römischen Kollegen um Fulvio Orsini in engem Austausch standen, etwa der

bedeutende Humanist am spanischen Königshof, Benito Arias Montano, der nachweisbar auch

bei anderer Gelegenheit auf die Gestaltung der Klosterresidenz Einfluss nahm.“102 Des Weiteren

stellte Spanien im ausgehenden 16. Jahrhundert ein beliebtes Ziel für Künstler aus Italien dar, da

es dort einen harten Konkurrenzkampf auf der einen Seite gab und auf der anderen die

ökonomischen Probleme. Spanien in seiner Rolle als Vormacht Europas und darüber hinaus

durch die Silberimporte aus Lateinamerika finanziell gut gestelltes Land, bot den italienischen

Künstlern sich als Gastarbeiter zu verdingen.103

2.3.4 DAS MARTYRIUM DES HEILIGEN MAURITIUS UND DER THEBAISCHEN LEGION

Das Werk „Das Martyrium des heiligen Mauritius und der thebaischen Legion“104stellt ein

Auftragswerk Philipp II. dar, um die Seitenkapelle der Basilika des Klosters San Lorenzo des

Escorial zu schmücken105. Das Thema des Werkes geht auf die Heiligenlegende des Mauritius aus

dem 3. Jahrhundert zurück106. Im Mittelpunkt des Bildes steht nicht das Martyrium des Heiligen

Mauritius, sondern die Gewissensentscheidung Mauritius und seiner Gefährten. Es ist der

Moment der Beratung Mauritius mit seinen Offizieren, der in den Blickpunkt des Betrachters

gerückt, welche vor der Entscheidung stehen, dem Befehl, zu den heidnischen Göttern zu beten,

anzunehmen oder zu verweigern. Diese große fünfköpfige Figurengruppe im rechten Bildteil

signalisiert dabei durch ihre Gesten den inneren Kampf sich zu entscheiden.107 Im Mittelpunkt

steht Mauritius, welcher mit einem blau-grauen Brustharnisch und roten Rock bekleidet ist, sich

seinem Offizier im dunkelblauen Gewand zuwendet und mit seiner erhobenen Hand mit dem

Zeigefinger Richtung Himmel weist. Zur rechten und linken Seite Mauritius stehen zwei weitere

Legionäre in gelben Gewändern. In dieser Gruppe befindet sich ein Knabe, welcher den anderen

Personen gerade einmal bis zur Hüfte geht und einen Helm in seinen Händen hält.

102 Scholz-Hänsel, Michael: El Greco. Domenikos Theotokopoulus 1541-1614. Köln 2004 , S. 26. 103 Vgl.: Scholz-Hänsel (wie Anm. 101), S. 26. 104El Greco:„Das Martyrium des Heiligen Mauritius und der thebaischen Legion“, 1580 bis 1582. Öl auf Leinwand, 448 cm x 301 cm. Patrimonio Nacional, Real Monasterio de San Lorenzo de El Escorial. 105 Nachforschungen haben ergeben, dass der Auftrag im Jahr 1579 vom König in Toledo an El Greco ausgespro-chen wurde, da er sich zu dieser Zeit in Toledo aufhielt um am Fronleichnamsfest teilzunehmen und somit auch das jüngste Werk des Künstlers „Die Entkleidung Christi“ gesehen haben könnte. Das Werk bettet sich thematisch in den Kontext des ikonografischen Programms ein, welches unter dem Gesichtspunkt entworfen wurde, Heilige dar-zustellen, welche den Intentionen der Katholischen Reformation einen Ausdruck verliehen. (Vgl.: Seipel (wie Anm. 83), S. 77. 106 Mauritius war Primicerius der Thebaischen Legion, einer ganz aus Christen bestehenden römischen Legion aus der ägyptischen Thebais. Die Legion wurde um 285 n. Chr. Unter MaximinianusHerculius, Feldherr und Mitkaiser Diokletians, zur Niederwerfung eines Aufstandes der Bagauden (Rhônetal) eingesetzt. In Agaunum verweigerte Mauritius und seine Gefährten mit der gesamten Legion den Befehl, den heidnischen Göttern zu opfern und gegen die christlichen Bagauden zu kämpfen. Maximinian ließ die Legion zweimal dezimieren und dann allesamt köpfen.“ Osten Sacken (wie Anm. 3), S. 249f. 107 Vgl.: Gudiol (wie Anm. 87), S. 98. Osten Sacken (wie Anm. 3), S. 55.

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Die Gewänder der Personen sind der Zeit nachempfunden, wobei El Greco sie nicht in der typi-

typischen Lederoptik darstellt, sondern in leuchtenden Blau- und Gelbtönen malt. Über den

Köpfen sind Hellebarden und Lanzen zu sehen, deren Rot- und Goldtöne einen Kontrast zu der

Figurengruppe bilden.108Am rechten vorderen Bildrand hinter dieser fünfköpfigen

Personengruppe sind weitere Soldaten zu erkennen, darunter eine Person in einer silbernen

Rüstung. Neben ihm steht ein weiterer Soldat, welcher als einziger den Blick direkt auf den

Betrachter richtet.

Im Bildmittelgrund findet das eigentliche Martyrium statt: die Enthauptung der Christen. El

Greco vermittelt mit dieser simultanen Darstellung dem Betrachter die Folgen der Entscheidung.

Die Trennung dieser beiden Szenen wird durch einen raumschaffenden Bodenstreifen von der

Vorderszene getrennt und erzielt so eine Tiefenwirkung des Bildes. El Greco stellt die

Hinrichtung der Gefährten Mauritius dar, deren der Märtyrer ebenfalls beiwohnt. Aus dem

Bildhintergrund heraus entwickelt sich eine weitere Menschenmenge heraus, die sich auf die

Szenerie in der Mitte bewegt. Der asymmetrische Aufbau, welcher aus der ungleichen Höhe des

niedrigen rechten Bildteils und des größeren linken Bildteils entsteht, wirkt El Greco durch die

Himmelsdarstellung im linken oberen Bereich des Bildes entgegen. Über dem Martyrium haben

sich musizierende Engel in den Wolken versammelt. In der Mitte des Himmels schweben Engel

mit Siegeskränzen, während der rechte Teil des Himmels leer bleibt. Aus den Wolken fallen dabei

gebündelte Lichtstrahlen auf das Geschehen nieder. Bei der farblichen Gestaltung setzt El Greco

auf die Komplementärfarben. Dabei bildet Blau die dominierende Farbe, die in den

unterschiedlichsten Nuancen vorhanden ist. Ihr gegenübergestellt werden Gelb, Rot und Weiß

sowie Ocker und etwas Grün in den Gewändern, um eine harmonische Farbgebung zu erlangen.

Beim Bildaufbau nutzt El Greco die Diagonale, „die von der unteren linken Ecke zur oberen

rechten Ecke führt und das Dreieck der Engel (oben links) von dem Raum gleicher Form trennt,

in dem unten rechts die Gruppe der Hauptpersonen steht.“109

Das Werk „Das Martyrium des Heiligen Mauritius und der thebaischen Legion“ weist einen

Stilbruch mit den früheren Werken El Grecos auf. Anstelle des Naturalismus, zeichnet sich die

Malerei bei diesem Werk durch eine Suche nach einem gestalterischen Ausdruck aus, die das

Phänomen der Spiritualität beinhaltet. Die Renaissance-Regeln der Perspektive und Proportion

spielen keine Rolle mehr. Die Figuren weisen nicht mehr, wie bei „Der Anbetung des Namen

Jesu“, eine Plastizität auf, sondern sind länglich und schlank dargestellt, wie sie für den

Manierismus typisch sind.

108 Vgl.: Gudiol (wie Anm. 87), S. 98. 109 Gudiol (wie Anm. 87), S. 98.

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Die Lichtführung bekommt eine symbolische Funktion, der Hell-Dunkel-Kontrast wird markan-

markanter und die Farben erhalten einen stärkeren expressiven Charakter.110 Dieser neue Stil El

Grecos, der bei diesem Werk das erste Mal in Erscheinung tritt, findet bei seinem Auftraggeber

Philipp II. keine Zustimmung. Dies lässt sich durch den Chronisten des Escorial Padre José de

Sigüenza nachvollziehen. Demnach entsprach das abgelieferte Werk nicht den Erwartungen des

Königs:

„Von einem Dominico Greco, der jetzt in Toledo lebt und hervorragende Dinge macht, blieb

hier ein Bild des heiligen Mauritius und seiner Soldaten, das er für den Altar dieser Heiligen

anfertigte; es stellte seine Majestät nicht zufrieden (das ist nicht viel), weil es weinige zufrieden

stellte; obwohl man sagt, dass es viel Kunst enthält und dass sein Autor viel weiß, und man sieht

das in hervorragenden Sachen aus seiner Hand.“111

Ursprünglich sollte Juan Fernández de Navarrete, ein Schüler Tizians, der in idealer Weise den im

Tridentiner ‚Bilderdekret‘ formulierten Forderungen nah größtmöglicher Klarheit in der

Gestaltung entsprach, sowohl den Hochaltar wie auch die zahlreichen Seitenaltäre in

einheitlichem Stil ausführen, jedoch scheiterte dieses Vorhaben an dem frühen Tod Navarretes.

Philipp II. erwartete von Navarrete, dass die „Heiligen […] in einer Weise gemalt werden[sollen],

die einem nicht den Wunsch nimmt, vor ihnen zu beten.“112 Bei El Grecos Darstellung des

Themas scheint dies nicht der Fall gewesen zu sein. Zwar zollt er dem Maler künstlerisches

Talent und bezahlt ihn für dieses Werk angemessen, jedoch entspricht es nicht dem von ihm

entworfenen Bildprogramm. Zum einen liegt dies sicherlich an der Darstellung der

Heiligengeschichte, in dem er nicht das Martyrium in den Mittelpunkt des Geschehens stellt,

„sondern das von rhetorischen Gesten begleitete Gespräch, eine Art ‚Sacra Conversazione‘.“113

Zum anderen könnte auch die Darstellung einer lebenden Person, Emanuel Philibert, Herzog

von Savoyen und Großmeister des St. Mauritius-Ordens, welcher sich hinter dem Heiligen

befindet und einen Brustharnisch trägt, auf Missfallen gestoßen haben. Er ist der Gewinner der

Schlacht, die der Auslöser dafür war, den Escorial zu bauen.114

Obwohl aus heutiger Sicht diese Berücksichtigung aktueller Themen jener Zeit, die dem

König schmeicheln sollten, als erfinderisch vorkommen, so widersprechen sie dennoch gänzlich

dem Geschmack Philipp II.. Hinsichtlich der Ausgestaltung des Escorials, dessen

vordergründiges Anliegen nicht in der malerischen Qualität der Bilder gelegen zu haben scheint,

sondern in der genauen realistischen Darstellung des Themas, welches bei seinem Anblick die

Gläubigen zur Demut und Frömmigkeit ermahnen sollten. Im Blick auf die Sammlertätigkeit

Philipp II. und seine dortigen bevorzugten Werke, lassen sich nicht gänzlich in die Leitlinie der

Katholischen Reform zwängen.

110 Vgl.: Scholz-Hänsel (wie Anm. 101), S. 40. 111 Scholz-Hänsel (wie Anm. 101), S. 40. 112 Scholz-Hänsel (wie Anm. 101), S. 40. 113 Scholz-Hänsel (wie Anm. 101), S. 40f. 114 Vgl.: Scholz-Hänsel (wie Anm. 101), S. 40f.

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Da er das Bild von El Greco angemessen bezahlte und auch an einem anderen Ort hängen ließ,

zeigt, dass er den künstlerischen Wert des Bildes erkannte, jedoch genauso wie Hieronymus

Bosch nicht mit dem Leitgedanken des Escorials, Sinnbild des neuen katholischen Glaubens zu

sein, vereinbaren konnte. Hieronymus Bosch, dessen Rechtgläubigkeit angezweifelt wurde,

gehörte zu den Lieblingskünstlern des Königs und brachte seinen Chronisten Sigüenza oft in

Erklärungsnot.115 Dies zeigt, dass der Kunstmäzen Philipp II. privates Sammelvergnügen und

Kunst, die im Dienst der Monarchie steht, klar trennt und sich der Kunst durchaus als politisches

Mittel bedient.

2.4 PHILIPP II. UND SEIN EINFLUSS AUF DIE SPANISCHE MALEREI IM

NACHTRIDENTINISCHEN ZEITALTER

Wie bereits erwähnt, übernahm Philipp II. im Escorial die konzeptionelle Planung der

Innenausstattung und entschied selbst, welche Bilder für sein Empfinden in das Gesamtkonzept

des Escorial passten. Die beiden Werke El Grecos riefen beim König eine unterschiedliche

Reaktion hervor. Während „Die Anbetung des Namen Jesu“, die aus eigenem Antrieb El Grecos

entstand, dem König zu gefallen schien, handelt es sich bei dem Werk „Das Martyrium des

Heiligen Mauritius und der thebaischen Legion“ um ein vom König persönlich in Auftrag

gegebenes Werk. Ob die malerische Qualität der „Anbetung des Namen Jesu“ oder die

inhaltliche Darstellung des Themas ausschlaggebend für diese Entscheidung war, ist unklar,

jedoch muss der Monarch davon überzeugt gewesen sein, das El Greco das Martyrium des

Heiligen Mauritius im Sinne der geforderten malerischen Konzeption abliefern würde. Dass

dieser Fall nicht eintrat, wurde bereits im vorangegangenen Punkt 2.3.4 erläutert. Das Werk fand

daher nicht den vorgesehenen Platz am Hochaltar, sondern in der oberen Sakristei vor dem

Mönchschor116.

Um die Anforderungen an das Werk „Das Martyrium des Heiligen Mauritius und der

thebaischen Legion“ zu verdeutlichen, soll das Werk Romulo Cincinnatos (1502-1593)

herangezogen werden, welches nach der Ablehnung El Grecos an die Stelle des Hochaltars

gehangen wurde. Das Bild behandelt das gleiche Thema, das Martyrium des Heiligen Mauritius

und dennoch unterscheiden sich beide Werke in der Darstellung grundlegend voneinander.

Cincinnatos stellt in den Mittelpunkt der Szenerie die Hinrichtung der Soldaten und den Heiligen

Mauritius, welcher auf einem hingerichteten Mann kniend, die Hände zum Gebet gefaltet,

flehend den Kopf zum Himmel richtet. Es ist eine pathetisch-dramatische Darstellung der Szene,

die dem Betrachter die Tragik des Geschehens vermitteln soll.

115 Vgl.: Scholz-Hänsel (wie Anm. 101), S..40, 42, 46. Brown (wie Anm. 62), S. 154. 116 Vgl.: Osten Sacken (wie Anm. 3), S. 56.

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Im Gegenzug zu El Greco, ist dem Gläubigen diese Szene aus der Heiligengeschichte vertraut, er

wird somit am seine Frömmigkeit und Ehrerbietung Gott gegenüber ermahnt. Zwar lassen sich

Parallelen zwischen den beiden Werken erkennen, wenn es um die Menschenmassen und

Engelsdarstellungen im Himmel geht, jedoch erscheint bei Cincinnato die Darstellung des

Bildraumes zu fehlen. Es erscheint eher so, dass die „Inhalte Gemeinheit der Heiden,

Unterdrückung der Christen, Martyrium und Gewissheit der Erlösung‘ […] durch eindeutige

Bezüge plakativ zur Schau gestellt, deutlich durchschaubar, verständlich und einprägsam“117 für

den Betrachter dargestellt werden. Da sich Cincinnato auf einen Detailrealismus stürzt, indem er

die Muskeln der Männer, die Hautfalten, Wunden sowie Waffen und Gewänder nahezu perfekt

der Wirklichkeit gleichend malt, scheint er damit die von Sigüenza geforderte ‚Übereinstimmung

mit Vernunft und Natur‘ zu erfüllen.

Zusammenfassend lässt sich daraus ableiten, dass Philipp II. an El Grecos Werk nicht den

logischen Aufbau der Komposition schätzt, sondern leicht verständliche Bilder, die im Falle des

Cincinnatos nicht an die malerische Qualität eines El Greco heranreichen.118 Es zeigt sich, dass

Philipp II. auf der einen Seite als Kunstmäzen die künstlerische Ausbildung der spanischen Maler

durch seine Sammlungen vorrangig italienischer und flämischer Kunst förderte, auf der anderen

Seite aber, was die Kunst im Auftrag der Monarchie betraf, genaue Vorstellungen hatte, die er

anscheinend im Vorfeld nicht an die Künstler annoncierte. Es scheint, dass er sich bei dieser

‚Staatskunst‘, was den Anspruch an die gestalterischen Fragen, insbesondere beim Escorial

angeht, den Worten Gilio da Fabriano anschloss: „Eine Sache ist schön in der Proportion, wenn

sie klar und deutlich ist.“119

Aus den Schilderungen seines Chronisten Sigüenza geht hervor, dass er sich ebenso allgemein

fasste, wie es der Inhalt des Bilderdekrets bereits aufweist. Es gibt keine klaren Anweisungen, die

die Gestaltungs- und Ausdrucksmittel anbelangt, vielmehr wurde von den Künstlern verlangt,

sich nach den Texten der Bibel zu richten und dabei die Frömmigkeit und Demut der Gläubigen

zu stärken. Auch bei Philipp II. stand somit der didaktisch-ostentative Gedanke im Vordergrund.

So lange die Werke von guter künstlerischer Qualität waren und keine anstößigen Szenen

besaßen, rückte die künstlerische Fähigkeit, wie sie beispielsweise Tizian und El Greco aufweisen

in den Hintergrund.

117 Osten Sacken (wie Anm. 3), S. 55. 118 Vgl.: Osten Sacken (wie Anm. 3), S. 55. 119 Brown/ Jordan/ Kagan/ Sánchez (wie Anm. 64), S. 85.

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Die Kirchenreformen und die Einrichtung der ständigen Inquisitionen hatten somit primär das

Ziel, den reformierten katholischen Glauben zu stärken. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde die

Kunst zu einem Diener dieses Ziel deklariert. Die wieder aufkommende und intensiv betriebene

Volksfrömmigkeit und die damit einhergehende Heiligen-, Märtyrer- und Reliquienverehrung

diente Philipp II., der selbst an diese religiöse Kraft glaubte, um sie als Thema in der Kunst zu

verankern und somit auch dem ungebildeten Volk die Lehren Gottes näherzubringen.

3. FAZIT

Bezugnehmend auf die eingangs gestellte Forschungsfrage, inwieweit das Bilderdekret eine

direkte Auswirkung auf das Kunstschaffen in Spanien gehabt hat, lässt sich nicht eindeutig

beantworten. Einerseits sind die Vorgaben zu den gewünschten Gestaltungs- und

Ausdrucksmitteln der zu schaffenden Kunst nicht explizit ausgeführt, andererseits wohnt einem

vom Papst erlassenen Dekret ein gewisses Sendungsbewusstsein inne, sodass folgendes

festzuhalten bleibt:

Das Bilderdekret als Rechtfertigung der Heiligen-, Märtyrer- und Reliquienverehrung im sakralen

Raum der katholischen Kirche schuf keine konkreten Richtlinien für die bildende Kunst des

nachtridentinischen Zeitalters. Aus diesem Grund war es jedem katholisch verbliebenen Land

selbst überlassen, die religiöse Kunst zu überwachen. Während das Bilderdekret die

ikonografischen traditionellen bildlichen Darstellungen bestätigt und deren direkten Bezug auf

die biblischen und liturgischen Texte fordert, bleiben die Anforderungen an die Gestaltungs- und

Ausdrucksmittel unklar. Aus diesem Grund kann sich die Kunst in den katholisch verbliebenen

Ländern stilistisch weiterentwickeln, während sich die Künstler in den reformierten Ländern der

Schwierigkeit gegenübersahen eine neue künstlerische und ikonografische Tradition zu

gründen120.

Für Philipp II. bedeutet das Bilderdekret keine notwendige Bedingung, um vermehrt religiöse

Kunst in Auftrag zu geben. Die neu geschaffene religiöse Kunst stellte für ihn ein Mittel dar, um

die Verehrung der Heiligen-, Märtyrer- und Reliquienverehrung gegen die ‚Irr-Lehren‘ der

Reformatoren zu bestätigen und den reformierten katholischen Glauben in seinem Land zu

stärken. Dass Bilderdekret diente ihm dabei als rechtskräftiges vom Papst bestätigtes Dokument

und kann als Grundlage für die sich entwickelnden bildertheologischen Traktate der spanischen

Theologen angesehen werden. Dass Philipp II., der selbst ein tiefreligiöser Mensch ist, sich am

Escorial für ein rein religiöses Bilderprogramm entscheidet und dies in einem sehr aufwendigen

und kostspieligen Unterfangen betrieben wurden, liegt auch an der finanziellen Möglichkeit des

Königs. Als Kolonialmacht in Südamerika verfügte er über die benötigten Gold und

120 Hecht, Christian: Katholische Bildertheologie im Zeitalter von Gegenreformation und Barock. Studien zu Traktaten von Johannes Molanus, Gabriele Paleotti und anderen Autoren. Berlin 1997, S. 409f.

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Silberressourcen, um Künstler aus Italien und Spanien für die von ihm gewünschten Werke her-

herzustellen.

Aus diesem Grund konnte er es sich auch leisten, Bilder abzulehnen, wie im Fall El Grecos und

ein anderen Künstler damit zu beauftragen. Für die Malerei am Escorial zählten einzig die

realistisch-detailgetreuen Darstellungen und keine innovativen neuen Bildkompositionen. Der

Einfluss des Bilderdekrets und die Vorstellungen Philipp II. hatten dementsprechend keine neue

religiöse Kunst hervorgebracht, sondern nur eine gesteigerte Kunstproduktion in diesem Bereich,

wo durch die Künstler im Rahmen der pathetisch-religiösen Darstellungen durchaus einen

Spielraum für neue stilistische Mittel finden konnten.

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II. ANHANG – BILDERDEKRET KONZIL VON TRIENT121

121 Belting (wie Anm. 40), S. 161f.

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III. SELBSTÄNDIGKEITSERKLÄRUNG

Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Hausarbeit in allen Teilen selbstständig verfasst und

keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel (einschließlich elektronischer Medien

und Online-Quellen) benutzt habe. Alle wörtlich oder sinngemäß übernommenen Textstellen

habe ich als solche kenntlich gemacht.

Name ......................................................... Matrikelnummer.……………………...

Leipzig, den ......................................................................................................(Unterschrift)