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JESUITENMISSION 2011 Heft 3 MENSCHEN FÜR ANDERE Bausteine zur Selbstständigkeit

Heft 03, 2011

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Magazin der Jesuitenmission Österreich

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MENSCHEN FÜR ANDERE

Bausteine zur Selbstständigkeit

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Liebe Freundinnen und Freunde unserer Missionare und Partner weltweit!

Im Sommer war ich mit unserem Provinzial Gernot Wisser SJ in Viet-nam, Taiwan und auf den Philippinen um unsere Projektpartner zu be-suchen. Die direkten Gespräche mit den Menschen vor Ort sind nütz-lich und notwendig, um die Tragweite unserer Hilfe richtig einschätzen zu können.

Wer nachhaltig und langfristig unterstützen will, der investiert in Aus-bildung. Daran besteht kein Zweifel - immer wieder wird mir diese

Beobachtung bestätigt. Es ist daher gar kein Wunder, dass sehr viele unserer Projekte auf die Eröffnung von Chancen für Schulkinder und Jugendliche hinzielen.

Gleichzeitig erschüttern uns immer wieder Katastrophen und drängen uns dazu, rasch und tatkräftig zu helfen. In diesem Sommer war es die Hungerka-tastrophe in Ostafrika. Natürlich ist die Öffentlichkeit oft davon abhängig, ob die Medien tatsächlich von den Krisensituationen berichten. Nach dem er-sten Hilfsschub bleibt es aber immer unser Anliegen, die Betroffenen langfri-stig in den Krisengebieten zu unterstützen.

Wir sind mit unseren Einrichtungen immer schon vor Ort und in nahem Kontakt mit den Jesuiten und ihren MitarbeiterInnen, die sich in Asien, Afri-ka und Lateinamerika, aber auch in den ärmsten Gebieten Europas um Men-schen in Not kümmern. Ob es die langfristige Hilfe für Ausbildungsprojekte und Hilfe zur Selbsthilfe ist, oder die rasche Katastrophenhilfe: Über unser Netzwerk ist Ihre Unterstützung direkt und unbürokratisch dort wo sie am meisten hilft.

In diesem Heft geben wir Ihnen wieder Einblick in unsere Aktivitäten. Wir möchten eine Brücke schlagen zwischen Österreich und Menschen in Not in Nordindien und in Ostafrika. So hoffen wir, Sie dazu zu begeistern, MENSCHEN FÜR ANDERE zu werden und mitzuhelfen, dass Not gelin-dert werden kann. Wir bitten um Ihre Bausteine zur Selbständigkeit. Ihr

Hans Tschiggerl SJ, Missionsprokurator

EDITORIAL

ImpressumJESUITENMISSION MENSCHEN FÜR ANDERE, 2011 - Heft 3 Medieninhaber und Herausgeber: Missionsprokur der Gesellschaft Jesu in Österreich, Dr. Ignaz Seipel Platz 1, A-1010 Wien, Tel +43 01 5125232 - 56, [email protected], www.jesuitenmission.at Redaktion und Gestaltung: P. Hans Tschiggerl SJ, Stefan Reichel SJ & Team, Druck: LDD Communication Bildnachweis: Jesuitenmission (S.1,2-9,12f.21), JRS (S.16f.18f.,20), Toni Kurmann SJ (S.10f.,24), Martin Rauch (S.14f.), Cristina Klimas (S.22), Melanie Stüker (S.22).DVR 0029874 (234), P.b.b. Verlagsort 1010 Wien GZ 02Z032649M. ZVR Zahl 530615772, SO 1345 MENSCHEN FÜR ANDERE

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Schülerinnen zeigen bei der Willkommens-

feier ihre Künste im indigenen

Tanz

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Wecken um fünfNach einer dreizehnstündigen Auto-fahrt sind wir spät am Abend endlich angekommen. Vor vier Jahren gab es hier nur ein zugiges Holzhaus, das gleichzeitig als Schule und Wohnung für zwei Schwestern und einen Jesui-tenpater diente. Am nächsten Morgen durchdringen erste Sonnenstrahlen den Nebel und die neuen Gebäu-de kommen in Sicht: Die Schule St. Xavier, das Internat und ein Haus für die Lehrer. Die Internatskinder, de-ren Tag schon um fünf Uhr beginnt, kommen mit rinnenden Nasen den kleinen Hügel hoch. Gleich feiern wir die Morgenmesse im alten Holz-

haus. Demnächst soll eine richtige Kirche gebaut werden und auch ein Wohnhaus für die Jesuiten, die derzeit noch in den Klassenräumen schlafen.

Präsenz in vier BergdörfernBuragaon, Palizi, Bana und Thrizi-no heissen die vier Dörfer der Arun-achal Mission, die von den Jesuiten vor mehr als zehn Jahren gegründet wurde. Arunachal Pradesh ist eine der rückständigsten Regionen in Indien. Die Armut in den Bergdörfern ist gross. Es gibt kaum ausgebaute Stras-sen, nur sehr wenige funktionieren-de öffentliche Schulen, kaum Ge-sundheitszentren, weder Arbeitsplätze

Berge in der Morgenröte

Arunachal Pradesh heisst übersetzt «Land der Berge in der Mor-genröte». Der nordindische Bundesstaat, in dem ein Teil des Hi-malaya liegt, grenzt an Tibet, Bhutan und Myanmar. Ein Reisebe-richt über die Lichtblicke in den entlegenen Dörfern Indiens.

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Beim traditio-nellen Bambus-tanz zählen Schnelligkeit und Rhythmus-gefühl

In Palizi ist der Neubau der Schule bereits fertig- gestellt

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PROJEKTREISE

noch Verdienstmöglichkeiten. Die 1,4 Millionen Einwohner gehören über-wiegend zu den 100 Bergstämmen, den sogenannten Ureinwohnern oder Tribals, mit vielfältigen kultu-rellen Traditionen und sehr unter-schiedlichen Sprachen. Innerhalb der Gesellschaftsordnung Indiens sind sie noch weniger geachtet als die Dalits.

Wortgewaltige MesseDer indische Jesuit Hector D’Souza war fünf Jahre Jesuitenprovinzial von ganz Südasien und ist nun zum ein-fachen Leben nach Arunachal zu-rückgekehrt. Hector feiert wort-gewaltig die Messe. Mit derselben Intensität, mit der er früher alle süd-asiatischen Jesuiten anspornte, spricht er nun zu den Grundschülern, die vor ihm auf dem Boden sitzen. Die we-nigsten sind Christen. Gesungen wird in Aka, der Sprache der Einheimi-schen, in Hindi und Englisch.Nach der Messe gibt es ein Früh-stück und danach beginnt für die 170 Schülerinnen und Schüler der Un-terricht. Zu Ehren des Besuches aus Europa haben sie ein Programm vor-bereitet. Die Kleinsten singen ein

Lied, die Älteren führen traditionelle Tänze und Kleidung der verschie-denen Stämme vor. Viele Eltern sind gekommen. Man sieht, wie stolz sie auf ihre Sprösslinge sind.

Gemietete BambushütteWir fahren weiter nach Palizi. Auf der langen Autofahrt erklärt uns Hector die Vorgehensweise der Jesuiten in den Dörfern. «Wir beginnen damit, die Kinder in einer gemieteten Bam-bushütte zu unterrichten. Die Eltern sind froh darüber, denn die weni-gen staatlichen Schulen funktionie-ren nicht. Die Lehrer kassieren zwar ihren Lohn, lassen sich dann aber nicht mehr blicken. Die Dorfbewoh-ner beginnen uns zu vertrauen und fragen, ob wir unsere Arbeit nicht auch auf andere Gebiete ausweiten können. Das dauert manchmal Jah-re. Und wenn die Dorfbewohner be-reit sind mitzumachen, schicken wir mehr Schwestern, Jesuiten und Laien und schaffen die notwendige Infra-struktur. Mittlerweile ist unsere Ar-beit schon so bekannt, dass die Leu-te von sich aus kommen und fragen, ob wir nicht auch in ihrem Dorf eine Schule aufmachen können.»

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Hans Tschiggerl SJ mit P. Hector SJ und

einem Dorfbewohner

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NORDINDIEN

Erfolgsgeschichte PaliziPalizi ist das Zentrum der Aktivi-täten der Jesuiten in Arunachal und am weitesten ausgebaut. Wir unter-stützen von Europa aus seit vielen Jahren die Mission in Arunachal, und man kann deutlich sehen: es ist eine Erfolgsgeschichte. Auch in Palizi hat sich seit dem letzten Besuch viel ver-ändert. Neben dem Schulhaus gibt es jeweils ein grosses Internatsgebäu-de für die Burschen und die Mäd-chen, ein Haus für die Schwestern, eine Arztstation und ein pastorales Zentrum. Nur die Jesuiten wohnen noch in dem alten Holzgebäude. Von den 500 Schülern sind 400 im Inter-nat. Vor vier Jahren waren es nur halb so viele Schüler. Pater Vijay, der Lei-ter der Schule Sankt Xavier, führt uns am Nachmittag über das Gelände. Es ist die Zeit der Gemeinschaftsarbeit nach dem Spielen. Die Mädchen be-fördern, indem sie eine Kette bilden, Holz zum Kochen in das Internatsge-bäude, die Jungen putzen ihre Schlaf-räume.

Tabings HoffnungWir treffen Tabing Dolo. Er geht in die siebente Klasse. Wie alt er ist, weiss er selbst nicht so genau, wahr-scheinlich zwanzig. Vor drei Jahren hat ihm ein Freund aus seinem Dorf von der Schule in Palizi erzählt. Ta-bing hatte bis dahin noch nie eine richtige Schule besucht. «Palizi war meine Hoffnung», sagt er. Also hat er sich aufs Fahrrad gesetzt, ist berg-auf und bergab den weiten Weg nach Palizi gefahren und beim Eignungs-test prompt durchgefallen. Sehr ent-täuscht fuhr er zurück in sein Dorf. Als Pater Vijay von seinem Schicksal

erfuhr, hat er ihn noch einmal ein-geladen und ihn probeweise aufge-nommen. Am Anfang saß Tabing mit zehn Jahre jüngeren Schülern auf der Schulbank und verstand nichts, da er kaum Englisch sprach. Aber er hat hart gearbeitet für seine Hoffnung und ist heute einer der Besten in sei-ner Klasse, ist Gruppenleiter für die Kleineren und hat sogar das Weih-nachtsfest in seinem Dorf organisiert. Mit leuchtenden Augen erzählt er nochmals, wie er vor drei Jahren auf eigene Faust hierher gekommen ist.

Mut zum EinsatzAuf dieser Reise durch die Arunachal Mission konnten wir sehen, was für wunderbare Auswirkungen die Hil-fe der Projektunterstützungen auf das ganz konkrete Leben der Bevölke-rung hat. Wir sind vielen Menschen begegnet, die uns Mut gemacht ha-ben, uns weiterhin einzusetzen, un-ter anderem Hector, der andere mit seiner missionarischen Begeisterung inspiriert, und Tabing, dessen grosse Hoffnung seine Schule ist.

Klaus Väthröder SJ undMarie-Elenore von Liechtenstein

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Sr. Wang bringt Wärme insAids-Zentrum

Eine Schulklas-se in einem der neuen, noch nicht eingerich-teten Schulräu-me

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Eine ungewöhnliche Grund-steinlegung Im Dorf Bana pfeift der Wind durch die Bambusschule, die direkt am Fluss steht. Wir begleiten Pater Vijay SJ, der in einer Feier vier Ziegel für den ge-planten Neubau segnet. Eigentlich sollte es ein extra gefertigter Grund-stein sein, der kam nicht rechtzeitig an. So tun es auch vier Ziegel. Da-raus soll einmal eine Grundschule mit fünf Klassen entstehen. Alle be-ten, dass sie bald fertig wird.

Mangel an guten LehrernWir treffen vier junge Frauen, die als Lehrerinnen arbeiten und gemein-sam in einem kleinen Haus wohnen.

Sie kommen aus Nagaland, drei Ta-gesreisen entfernt. Dort gingen sie auf ähnliche Missionsschulen der Je-suiten und haben danach eine wei-terführende Ausbildung zum Leh-rerberuf absolviert. Dabei wurden sie von den Jesuiten unterstützt. «Es ist schwierig, für unsere Schulen in Arunachal gute Lehrer zu bekom-men», sagt Hector. «Wer will schon so weit weg von Zuhause arbeiten? Mitten in den Bergen ohne Telefon und Strom? Deshalb setzen wir da-rauf, einheimische Lehrer auszubil-den.“ Auf die Frage, was sie denn am Abend tun, ohne Licht, ohne Strom? antworten die jungen Lehrerinnen lachend «Rosenkranz beten».

Die Regionen von Arunachal Pradesch sind von einfachen bäuer-lichen Strukturen geprägt. In den Bergdörfern fehlt es an Mög-lichkeiten für ausreichende Schulbildung. Daher entwickeln die Jesuiten dort seit Jahren ein umfassendes Bildungsprojekt.

Eine Schule für Bana

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Pater Vijay bei der „4-Ziegel Grundstein-

legung“ in Bana

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SCHULPROJEKT

Vision und MissionIm Gespräch mit den Jesuiten, die in der Arunachal Mission tätig sind, er-klären sie uns: «Wir sind noch ganz am Anfang». Es gibt noch viele Orte, wo sie eingela-den sind und auch hingehen und ar-beiten wollen. Auch wenn sie viel zu wenig Leute sind. «Wir sind verrückt», sagt einer voller Eifer. «Gott wird uns beistehen.» Ähnlich wie in der Naga-land Mission in der indischen Nach-barprovinz wollen die Jesuiten ein-heimische Männer und Frauen über die Grenzen der Stämme hinweg zu Führungspersönlichkeiten ausbilden. «Dann werden wir unsere Arbeit in ihre Hände übergeben und in neue Gebiete weiterziehen.»

Frohbotschaft - Entwicklungs-hilfeFür die Jesuiten in Arunachal ist Evangelisierung und Entwicklung ein integraler Prozess. Schulische Bil-dung ist ein Muss. Dazu kommen an-dere soziale Aktivitäten, Gesundheits-vorsorge, Selbsthilfegruppen und die Schaffung von Arbeit und Einkom-men. «Die Menschen in den Dörfern sehen unser Engagement und fragen uns, warum wir dieses Leben und diese Arbeit auf uns nehmen. Dann erzählen wir von Jesus, der uns zu den Armen schickt. Wenn die Leute wollen, bauen wir auch eine Kirche.» Die Jesuiten sind überzeugt, dass ihre christlichen Werte zum ganzheit-lichen Heil der Menschen beitragen.

Begeisterung, die anstecktDer gastfreundliche Abend ist früh zu Ende, da die Lampen, deren Ak-

kus tagsüber durch Solarenergie auf-geladen werden, bald verloschen sind. Es wird still und dunkel in den Ber-gen des Himalaya. Aber die Begeis-terung der Mitbrüder und die Hoff-nung der Menschen leuchten auch in der Dunkelheit!

Hans Tschiggerl SJ

Unsere Bildungsprojekte in Indien:

Wir ermöglichen den Kindern im neuen Schulzentrum in Bana eine grundlegende schulische Ausbildung.

Durch dieses Pilotprojekt wird im Nordosten Indiens ein Grundstein zu umfassender Bildung gelegt. Die Aus- und Weiterbildung qualifizierter Leh-rer aus den eigenen Reihen wird die Nachhaltigkeit langfristig sichern.

Mit Ihrer Unterstützung geben Sie diesen Bergdörfern Hoffnung auf ein Leben in Eigenständigkeit!

Projektname: Schule in Bana

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Schon um sechs Uhr morgens lauschen die Kinder aufmerk-sam den Worten von Pater Hector D‘Souza

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HAITI

Was liebst du an Arunachal Pradesh?Die Menschen haben ihre eigene Art, Dinge zu tun. Beeindruckt hat mich schon immer ihre enge Verbunden-heit mit der Natur. Gemeinschaft ist wichtig. Auch das gesprochene Wort. Die Stämme in Arunachal Pradesh wollen ihre kulturelle Identität be-wahren und entwickeln, während die indische Politik Druck ausübt, sich dem gesellschaftlichen Mainstream anzupassen. Das ist eine traurige Ge-schichte. Mein Hauptanliegen ist es, die Kultur der Stämme zu stärken und ihre wunderbaren Wertesysteme am Leben zu erhalten.

Was bedeutet es für dich, als Jesuit an die Grenzen zu gehen»?Die 35. Generalkongregation der Je-suiten hat erneut bestätigt: Wir sollen an Grenzen und Wegkreuzungen ge-hen, die von anderen nicht erreicht werden. Ich fühle mich privilegiert, als Jesuit an so einer Grenzmission beteiligt zu sein. Wir werden in Arun-achal Pradesh nicht stehen bleiben. Unsere Leute, besonders der Stamm der Monpa, haben viele Gemeinsam-keiten mit den Tibetern. Vor der Tei-lung der Nationen haben die Mon-pa in Dirang Jong den Zehnten an den tibetanischen Herrscher bezahlt. Wenn Gott will, würde ich mit Freu-de die Grenze zu Tibet überschreiten.

„Wir sind nur der Sauerteig“

Als ehemaliger Provinzial von ganz Südasien war er einst ein füh-render Jesuit in Indien. Jetzt ist Pater Hector SJ wieder an die Ba-sis zurückgekehrt. Als Leiter der Mission in Nordindien erzählt er von seiner Liebe zu den Bergvölkern und dem Land.

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Klaus Väthröder, Toni Kurmann, P. Hector und eine

Gruppe indischer Schülerinnen

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Wie geht ihr vor, wenn ihr in einem neuen Gebiet anfangt zu arbeiten?Nur wenn uns die Menschen ein-laden, gehen wir in neue Gebiete. Normalerweise bitten sie uns, ihre Kinder zu unterrichten. Für den Be-ginn jeder Arbeit ist das Vertrauen der Menschen wichtig. Unsere Leu-te wissen, dass wir ihnen beistehen, ihr Leben teilen, ihre Sprache lernen. Wir eröffnen eine Schule mit ange-schlossenem Kindergarten. Die Schu-le wird von Laien geführt. Die Kirche in Arunachal Pradesh ist eine Kirche der Laien. Wir Jesuiten sind nur der Sauerteig. Während sich die Schu-le entwickelt, wird viel dafür getan, die Lebensqualität zu verbessern, ins-besondere was Hygiene, Gesundheit und die sehr hohe Kindersterblich-keit betrifft. Viele Ordensschwestern helfen uns dabei.

Welche Rolle spielt Evangelisierung in eurer Arbeit?Ich finde es schade, dass der Be-griff Evangelisierung immer sofort mit Taufe assoziiert wird. Für uns bedeutet Evangelisierung Wachs-tum von Leben durch die Weiterga-be der Frohen Botschaft. Diese lau-tet: «Wir sind fähige Menschen, wir sind von Gott geliebt, wir können die Welt verändern.» Die Botschaft, die unsere Stammesleute in Arun-achal durch dominierende Religi-onen und Schichten in Indien hören, klingt so: «Ihr seid wertlose Wald-menschen (vanvasi) und zu nichts zu gebrauchen.» Sie erfahren immer wieder: «Wir gehören nicht dem Ka-stensystem an, wir sind Ausgeschlos-sene.» Unsere Aufgabe ist es, ihnen ihren Selbstwert und ihr Recht auf

PORTRÄT

eine eigene Identität zu vermitteln. Es gibt auch einige Elemente in der Kultur der Bergvölker, die einengen: z.B. die Furcht vor Geistern. Krank-heiten werden bösen Geistern zuge-schrieben und Opfertiere sollen die Götter besänftigen. In der Begegnung mit uns sagen sie: «Angst hat unser Leben regiert. Unser Weltblick war eingeschränkt.» Über die Erziehung und Bildung ihrer Kinder weitet sich ihr Weltblick und sie erleben, dass ih-nen das Christentum hilft, sich nicht mehr von Angst fesseln zu lassen. Viele unserer älteren Schüler wollen getauft werden, und sie erzählen ih-ren Eltern davon, so dass manchmal ganze Familien die Taufe empfangen. Aber niemand wird gezwungen oder in irgendeiner Weise dazu angehalten, Christ zu werden.

Was gibt dir die Kraft dazu?Die Menschen. Wir sehen und erle-ben Wachstum, Freude, Dankbarkeit. Ich weiß, dass noch ein langer Weg zu gehen ist, aber wir haben die He-rausforderung angenommen. Für uns ist diese Arbeit ein Segen.

Interview: Klaus Väthröder SJ

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Hilfe durch vielfältige Koope-rationUnser Interesse gilt den Aufbaupro-jekten, an denen die drei in Pakistan tätigen Jesuiten beteiligt sind. Als er-stes begleiten wir P. Renato Zec-chin SJ nach Hyderabad auf der Be-suchstour in «seine» Dörfer. Khairpur Nathan Shah, ein Fischerdorf im Di-strikt Daddu, stand fünf Monate lang unter Wasser. Im Mai, neun Monate nach der Flut, leben die Menschen noch immer in Zelten. Immerhin sind die ersten Fundamente für Häu-ser gelegt, die in Zusammenarbeit mit der Don-Bosco-Techniker-Schule gebaut werden – ein konkretes Hoff-nungszeichen. Dank Spenden kön-

nen die Jesuiten dem Dorf die An-schaffung von 400 Betten und den Bau von 36 Häusern ermöglichen. Die Zusammenarbeit mit den Musli-men im Dorf ist eine positive Erfah-rung des praktischen interreligiösen Dialogs. Je länger ich mit P. Renato unterwegs bin, desto mehr staune ich, wie gut die Kooperation verschie-dener kirchlicher Gruppen funk-tioniert. Mit welcher Herzlichkeit die christlichen Helfer und die isla-mischen und hinduistischen Dorfge-meinschaften miteinander umgehen. Die Aufbauarbeit hat wohlwollende Beziehungen zwischen religiösen Gruppen geschaffen, die sich sonst mit großem Misstrauen begegnen.

Eine traditio-nelle Belutschis-tanische Familie vor ihrem Haus im Parda-Auf-bau

Ein Jahr nach der großen FlutDie große Flut im Südpunjab und der Gegend von Sindh hatte verheerende Folgen: 20 Millionen Menschen mussten flüchten, 1 Million Häuser wurden zerstört. Ein aktueller Lokalaugenschein über die Aufbauarbeit unserer Projektpartner in Pakistan.

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Versprechen haltenIm Dorf Jhirk Haji Ali im Distrikt Thatta arbeiten die Jesuiten mit den «Holy-Family»-Schwestern zusam-menarbeiten. Auch hier hat das Dorf um Hilfe beim Wiederaufbau gebe-ten und von den Jesuiten Spenden-gelder für den Bau von 41 Häusern bekommen. Mir fällt auf, wie unbe-fangen alle Dorfbewohner P. Rena-to begegnen. P. Renato hat in den vergangenen Monaten das Vertrau-en der Menschen gewinnen können, weil er, wie er selber sagt, nie allzu großes versprochen, aber alle Verspre-chungen gehalten hat. Im nächsten Dorf, Mohd Paryal Shoro, treffen wir eine hinduistische Dorfgemeinschaft, deren Göttertempel in der Dorfmit-te wiederaufgebaut wurde. In der von Muslimen dominierten Gegend sind sie eine Minderheit und verdie-nen ihr Brot als Tagelöhner auf den Feldern der Großgrundbesitzer. Au-ßerhalb von Hyderabad besuchen wir eine Baustelle. Hier wird für 40 Belutschi-Familien eine Siedlung er-richtet. Sie wollen ein neues Leben beginnen, statt zum Großgrundbe-sitzer zurückzukehren. Denn dieser hatte sich nicht um sie gekümmert. Sie konnten sich in letzter Minute mit einem Traktor vor der Flut retten. Seit August 2010 leben sie an der staubigen Fernstraße in Zelten. Zum Landkauf für die Siedlung haben ih-nen die Columban-Schwestern und die Jesuiten verholfen. Entsprechend ihrer Tradition bauen Belutschistani ihre Häuser im Parda-System: Mau-ern und Tücher schirmen den In-nenhof gegen Einblicke ab, was die Frauen schützen soll, doch ihre so-ziale und wirtschaftliche Interaktion

mit der Außenwelt stark einschränkt. Zur Verblüffung der Männer haben nun jedoch die Frauen dank Vermitt-lung der Columban-Schwestern mit ihren traditionellen Handarbeiten ei-niges Geld verdienen können.

Häuser von solider QualitätIm Dorf Kot Addu, wo für 120 Fami-lien Häuser gebaut werden konnten, besuchen wir die Familie von Man-zoor Shan. Sie zeigen uns eine aus Baumbusstäben gebaute Plattform in den Palmen, auf der die ganze Familie zur Zeit der Flut volle zwei Wochen ausgeharrt hat, um Plünderungen zu verhindern. Auch in diesem Dorf um-ringen die Menschen P. Renato und bitten ihn um weitere Häuser. Denn die kleinen, aus Backsteinen und Ze-ment gefertigten Häuser mit schwe-ren Metallbalken, Eingangstüren und Fenstergittern haben genau die Ei-genschaften, die es braucht, um eine Flut unbeschadet zu überstehen. Das wissen die Dorfbewohner nur zu gut, haben doch nur diese Bauten dieser den Wassern standgehalten. Ihr auf-richtiger Dank gilt allen Spendern.

Toni Kurmann SJ

Eine obdachlose Familie, die noch immer in einem der Notzelte le-

ben muss

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PAKISTAN

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„Man muss viel gelernt haben,um über das, was man nicht weiß,fragen zu können.“Jean-Jaques Rousseau (1712-1747)

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Die alte Schule in Bana

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Eines der Pro-jekte für körper-lich und geistig beeinträchtigte Kinder in Ägypten

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Ägypten, ein islamisch ge-prägtes LandEine ganz besondere Erfahrung auf dieser Reise war für mich die Be-gegnung mit der völlig anderen Le-benswelt des Islams. Frauen gehen verhüllt oder ganzkörpervermummt durch die Straßen. Männer dominie-ren die Öffentlichkeit. Selten sieht man eine Frau arbeiten, egal ob man einkaufen geht oder im Restaurant etwas bestellt; sie gehören ins Haus. Die Religion ist omnipräsent. Vor-dergründig merkt man es daran, dass der Muhezin fünf Mal am Tag zum Gebet aufruft, die Kleidung sich nach den Vorschriften der Religion rich-tet (und nicht nach der Mode!) und

dass Frauen nicht viel zu sagen ha-ben. Wenn man mit den Menschen spricht, entdeckt man, dass das Den-ken vieler auch sehr durch diese Re-ligion geprägt ist.

Minderheit KoptenUnd inmitten dieser einschlägig ge-prägten Welt gibt es eine Minder-heit, die stumm nach Hilfe ruft, weil sie in diesem Land oft benachteiligt und diskriminiert werden. Ich spre-che von den koptischen Christen in Ägypten. Sie bilden eine Minderheit von ca. 10%. Trotzdem haben sie we-nig Rechte und werden in der Ar-beitswelt und vom Staat benachteili-gt. Mehrmals gab es auch Anschläge

Kein Land für Christen?

Auch heuer sind Pater Martin Rauch SJ und seine Studenten der Universität Graz wieder nach El Minia in Ägypten aufgebrochen, um den koptischen Christen und den dort arbeitenden Jesuiten zu begegnen. Ein Reisebericht von Clemens Giglleitner.

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ÄGYPTEN

und gewaltsame Konflikte zwischen Muslime und Christen, wie zum Bei-spiel einen Bombenaschlag auf eine koptische Kirche in Alexandria am Neujahrstag 2011, wo 21 Menschen ums Leben kamen.

El Minia und die RevolutionLetztes Jahr pilgerte eine Gruppe mit unserem Seelsorger P. Martin Rauch SJ auf den Moseberg. Sie sind in das Dorf El Minia gefahren, um der dort lebenden koptisch christlichen Min-derheit Beistand zu leisten. Sie haben viel geholfen, sich mit ihnen beschäf-tigt und versucht ihnen zu sagen: „Ihr seid nicht alleine. Es gibt jemanden, der an euch denkt und euch bei-steht.“Auch wir wollten sie heuer besu-chen. Doch dieses Jahr hat die Reise inmitten von Unruhen (Revolution) stattgefunden. Trotz dem Erhalt einer Reisewarnung, haben wir uns aber entschlossen zu fahren. Leider war dann die Fahrt nach El Minia doch nicht möglich, weil das als zu gefähr-lich eingestuft wurde, was alle natür-lich sehr schade fanden.

Zeichen der VerbundenheitTrotzdem haben wir versucht, ihnen ein Zeichen zu senden und Ihnen so unsere Verbundenheit zu zeigen. So haben wir Ihnen 20 „Carepakete“ geschickt. Jeder von uns hat ihnen liebevoll eine Zeichnung gemalt und sie ihnen mit den zuvor eingekauften Lebensmittel und Gebrauchsgegen-stände in einen Sack gegeben. Das Schöne an dieser Sache war für mich zu sehen, dass viel geholfen werden kann, wenn jeder ein bisschen etwas dazu beiträgt. Das Wissen um die Ar-

mut dieser Leute und die Hilfsakti-on hat bei uns allen eine kleine Spur hinterlassen. Zwei Medizinstudenten aus der Gruppe hat das besonders be-eindruckt. Sie wollen, sobald sie ihr Studium abgeschlossen haben, für eine Zeit lang ein Feldlazarett in El Minia aufbauen um den Leuten dort zu helfen und so ihr Leid zumindest ein kleines Stückchen zu lindern.

Ich habe auf dieser Reise gelernt, dass es viel bereichernder ist in ein Land zu gehen und sich den Problematiken dort zu stellen, als nur einen Strand-urlaub zu betreiben. Es hat mir so gefallen, mit dort lebenden Jugend-lichen aus der Jesuitenschule in Kai-ro zu sprechen und zu erfahren, wie sie ihr Land sehen oder auf den „ei-gentlichen“ Markt zu gehen (nicht den für Touristen). Das alles hat mich wachsen lassen und ich habe ein Stück mehr erkannt, wie das Leben wirklich ist und wie man gegen Ar-mut kämpft und mit Armut lebt.

Clemens Giglleitner

Clemens Giglleitner mit

seinen Kolleginnen der

Uni in Graz

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Zwei Kinder im Bergland von Burundi mit den Ziegen der Familie

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Was tut JRS Great Lakes konkret im Bereich Bildung?70 Prozent unserer derzeit 26 Pro-jekte sind in diesem Bereich und auch mindestens soviel unseres Budgets. In Ruanda zum Beispiel arbeiten wir in zwei großen Flüchtlingslagern, in de-nen rund 40.000 Flüchtlinge leben. 1.400 Kinder können einen Kinder-garten besuchen, 8.000 eine Grund-schule und immerhin 2.300 jungen Menschen können wir eine weiter-führende Ausbildung ermöglichen. Neben den Kindern sind eine über-wiegende Mehrheit der Flüchtlinge Frauen. Für sie bieten wir Alphabe-tisierungskurse an, unterschiedliche Trainings, etwa Computertraining.

Sie lernen über ihre Rechte, über Hygiene und Haushaltsführung, oder einfache Tätigkeiten wie Kör-be flechten. Dafür stellen wir ihnen das Material zur Verfügung und sie können durch den Verkauf ein we-nig Geld verdienen. Welche Ausbil-dungen die Frauen besuchen, hängt von ihrem eigenen Interesse und ih-rer Motivation ab. Ganz ähnlich ma-chen wir es in den Flüchtlingslagern im Kongo, wo wir momentan mit rund 800.000 Menschen arbeiten.

Wie steht es um die Rechte der Frauen in den drei Ländern?Frauen geht es weiterhin nur wenig besser als Sklaven. In Burundi dür-

Wenn man bettelarmen Bauern 2 Ziegen gibt, verändert sich ihr Leben. Das gilt auch für die Flüchtlinge aus Ruanda, Kongo und Burundi. Tony Calleja SJ, Leiter des JRS Great Lakes, über das „Zie-genprojekt“ und die unerschütterbare Hoffnung der Menschen.

Tausend Flüchtlinge - 2 Ziegen

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Tony Calleja SJ bei seiner

Wienreise.Das komplette

Interview können Sie lesen unter

www.jesuiten-mission.at

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INTERVIEW

fen sie zum Beispiel kein Land besit-zen. Daher ist eines unserer zentralen Anliegen, Frauen zu involvieren. Ei-nerseits erreichen wir das eben über Bildung: 51% der Grundschüler in Burundi sind Mädchen, in der Sekun-darstufe sind es plötzlich nur noch 8%. Wir versuchen, die Mädchen zu einer weiterführende Ausbildung zu brin-gen. Andererseits geben wir Frauen die Chance, in unseren Projekten zu arbeiten und Geld zu verdienen. Das Management-Team des Ziegenpro-jektes besteht zum Beispiel zur Hälfte aus Frauen – eine absolute Seltenheit in diesen Breiten. Schritt für Schritt funktioniert es, aber es bleibt viel zu tun.

Was ist das Ziegenprojekt, das in letzter Zeit auch international Anerkennung gefunden hat?Es ist ein Projekt zur Nahrungssi-cherheit, das wir ausschließlich in Bu-rundi einsetzen. Wir arbeiten dort mit rund 12.000 Familien. Man muss wis-sen, dass in diesem Land – das zu den zehn ärmsten der Welt zählt – nahe-zu alle Menschen von Landwirtschaft leben. 57% der Familien haben aber weniger als einen Hektar Land und die landwirtschaftlichen Methoden sind sehr rudimentär: Wenn es regnet, haben sie etwas zu essen, wenn nicht, dann nicht. „Ziegenprojekt“ heißt, dass wir jeder Familie zwei Ziegen geben. Diese beiden Tiere sind wie ein Kredit, denn sie wissen, dass sie nach einer Zeit zwei Ziegen wie-der zurück geben müssen. Sie wissen aber auch, dass sie sich die inzwischen entstandene Herde an Nachkommen dieser beiden Ziegen behalten dür-fen- das ist auch der Grund, warum

sie gut mit den Tieren umgehen. Die Ziegen haben mehrere Vorteile: sie vermehren sich schnell und sie lie-fern Dünger für die Felder. Die meisten Bauern haben allerdings noch nie Dün-ger eingesetzt. Ge-nauso, wie sie die Wechselwirtschaft nicht kennen – je-des Jahr bauen sie das selbe an, was zur Folge hat, dass der Boden ausgel-augt wird. Parallel versuchen wir also, ihre landwirtschaftlichen Methoden zu verbessern.

Wie schaffen Sie es, in Ihrem Projekten nachhaltig zu arbeiten?Wir halten uns streng an unsere Prinzipien und eines der wichtigsten lautet: Wir schaffen keine Abhängig-keit. Es ist sehr leicht, zu den Men-schen zu gehen und mit vollen Hän-den auszuteilen. Das wäre aber fatal und paternalistisch. Statt dessen ver-suchen wir, mit den Menschen zu ar-beiten im Sinne des „capacity buil-ding“ – sie auf ihrem jeweiligen Niveau zu fördern und in ihre Bil-dung zu investieren. Daneben haben wir bei jedem Projekt von Anfang an eine „exit strategy“. Bis dahin blei-ben wir getreu unserem Motto: Be-gleiten, dienen und verteidigen.

Das Gespräch führte und übersetzte aus dem Englischen:

Veronika Kreyca.

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P. Pflüger SJ bei einem Besuch in einem Lager für Flüchtlinge aus den Krisenge-bieten

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Die Krise am Horn von AfrikaSomalia und das Horn von Afrika ste-hen im Zentrum einer der schlimm-sten humanitären Katastrophen. Jah-relanger Konflikt und regelmäßig wiederkehrende Dürreperioden ha-ben fast zwei Millionen Somalis zur Flucht gezwungen. Insgesamt sind 11 Millionen Menschen von der Dürre im östlichen Afrika betroffen. Es muss schnell und nachhaltig gehandelt wer-den, damit sich dieser Zustand nicht auf alle acht Regionen im Süden des Landes ausweitet.

Es fehlt nicht nur an Nahrungsmitteln. Dringender Bedarf besteht nun auch an medizinischer Versorgung, sau-

berem Wasser und Zelten. Ankom-mende Flüchtlinge erhalten zwar Nahrung, Decken, Schlafmatten und Küchenutensilien, aber dann sind sie gezwungen, notdürftige Schutz-hütten am Rande der Lager zu er-richten, ohne Zugang zu Wasser oder hygienischen Einrichtungen. Das Registrierungssystem kann mit der hohen Anzahl von Neuankömmlin-gen nicht mithalten und oft müssen Familien wochenlang warten, bis sie regelmäßige Essensrationen erhalten.

Der JRS unterstützt Somalis schon seit Jahren. Inmitten dieser huma-nitären Katastrophe, hat der Jesui-tenflüchtlingsdienst (JRS) sowohl

Die Vereinten Nationen haben die Situation im Süden Somalias offiziell zur Hungersnot erklärt. Frido Pflüger SJ ist JRS Regional-direktor im östlichen Afrika. Wir berichten über seinen Einsatz in den Krisengebieten und die Arbeit in den Notunterkünften.

Hungernothilfe in Somalia

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Eine junge Somalie, die die Flucht aus den Dürregebieten

mit ihrem Neu-geborenem

geschaft hat

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SOMALIA

seine bisherige Hilfe für somalische Flüchtlinge in Kenia und Äthiopien ausgebaut, als auch neue Projekte be-gonnen.

Ein würdiges Leben„Die Erstversorgung mit Nahrungs-mitteln, Gesundheits- und Sanitär-diensten wird von den großen Or-ganisationen übernommen und koordiniert. Aber die Menschen brauchen mehr, um ein würdiges Le-ben zu leben. Sie brauchen Hilfe in ihrer seelischen Not, und die vie-len Kinder und Jugendlichen brau-chen Schulen, damit sie überhaupt etwas zu tun haben,“ sagt Frido Pflü-ger SJ, Regionaldirektor des JRS im östlichen Afrika. „Wir bauen unsere Hilfeleistungen aus, um den Überle-benden zu helfen, wieder ein einiger-maßen normales Leben zu leben. Das sind keine reinen Notfallmaßnah-men, sondern eine Verpflichtung auf lange Zeit, denn die Menschen wer-den über Jahre hinweg in den Lagern und den Großstädten bleiben.“

JRS befindet sich in Gesprächen mit UNHCR und der Regierung in Äthiopien, um Flüchtlinge in Dollo Ado durch psycho-soziale Hilfe und Sekundärbildung zu unterstützen. Die meisten Flüchtlinge hier kom-men aus der Bay Region westlich von Mogadishu, manche haben bis zu 30 Tage Fußmarsch hinter sich, wenn sie eines der fünf Lager erreichen. Die einzige Organisation, die bisher Bil-dungsaktivitäten angeboten hat, wird sich nun der Nahrungsmittelhilfe zu-wenden. „Obwohl Nahrungsmittel an erster Stelle stehen, darf die Bil-dung nicht vernachlässigt werden,“

sagt Seyoum As-faw, JRS Direk-tor in Äthiopien. Noch existie-ren keine festen Schulgebäude, es findet alles in Zelten statt, aber eine Part-nerorganisation von JRS hat be-reits einen Platz auf dem Gelän-de gesichert, um eine Schule zu errichten.

Rasche Hilfe„Noch stehen uns keine Gelder zur Verfügung, um unsere Arbeit in Dollo Ado aufzu-nehmen, aber wir zählen auf die Hil-fe vieler Spender, denn wir müssen ja unsere Hilfsstrukturen von Null auf-bauen,“ sagt Pater Frido Pflüger SJ. Er war Anfang August in Dollo Ado. Dort hat er sich ein klares Bild über die Lage verschafft, damit er gut und verantwortlich planen kann.

In Kakuma leben zur Zeit 80.000 Flüchtlinge, davon sind 55.000 Soma-lis. „Die Anzahl somalischer Flücht-linge in der Region ist enorm und manchmal fühlen wir uns ohnmäch-tig angesichts der großen Not. Aber wir müssen tun, was uns möglich ist, und wir sind überzeugt, dass wir mit der Art von Hilfe, die wir geben, das Leben der Menschen etwas lebens-werter machen können!“

Angelika Mendes

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Notunterkünf-te am Rande des großen Auf-fanglagers in Kakuma

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Was sind die Ursachen für die Krise in Ostafrika?Die erste Ursache ist eine Dürre, wie sie in diesen Regionen immer wieder einmal auftritt. Vermutlich spielt auch der Klimawandel eine Rolle, der sol-che Ereignisse verstärkt und häufiger macht, auch wenn sich dies im Ein-zelfall nicht sicher feststellen lässt. Unbestreitbar aber ist, dass solche ex-tremen Wettereignisse gerade im zen-tralen Gürtel Afrikas zunehmen wer-den, wie auch die Studie “Global aber gerecht” feststellt. Eine dritte zentra-le Ursache sind politische Verhält-nisse wie vor allem in Somalia, die es den Menschen erschweren oder sogar unmöglich machen, sich angemessen

um sich selbst zu kümmern und Vor-sorge zu treffen. Dies betrifft gerade auch die Landwirtschaft.

Der indische Ökonom und Nobel-preisträger Amartya Sen behauptet, dass es in einer funktionierende Demokratie noch niemals zu einer Hungersnot gekommen sei. Deshalb sei Demokratie die beste Prävention. Stimmt das?Dies war zumindest lange Zeit richtig und dürfte auch heute noch weithin gültig sein. In Demokratien können die Menschen früher ihre Stimme er-heben, sie haben mehr Mitsprache-rechte und sie können ihre Regie-rungen ein Stück weit in die Pflicht

Ursachen der Hungerkrise

In den letzten Wochen waren in den Medien wieder Bilder zu se-hen, von denen man dachte, sie gehörten der Vergangenheit an. Wieso konnte es in Ostafrika trotz Frühwarnsystem so weit kom-men? Ein Gespräch mit Prof. P. Müller über die Krise in Ostafrika.

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Somalia am Horn von Afrika ist am stärksten

vom Hunger betroffen

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gen können. Dies wurde leider lange Zeit vernach-lässigt, wozu auch die ego-istische Agrarpolitik der reichen Länder beigetrage hat. Auf diese Weise kann man die Abhängigkeit von den Weltmärkten mit sei-nen schwankenden Prei-sen reduzieren. Es braucht für Notfälle aber auch eine ausreichende Menge von Grundnahrungsmitteln und vor allem ein System für eine schnelle und ge-rechte Verteilung. Dies ist aber im-mer nur eine Übergangslösung, bis sich die Menschen wieder selbst ver-sorgen können. Nahrungsmittelhil-fe darf dies auf keinen Fall gefährden oder gar verhindern.

Pater Pflüger vom Flüchtlingsdienst der Jesuiten in Ostafrika betont, dass der JRS in dieser Krise weiterhin auf langfristige Bildungsarbeit in den Flüchtlingslagern setzt. Halten Sie das für eine richtige Reaktion? Dies ist zweifellos richtig . Man wird aber jeweils vor Ort prüfen müssen, wo zunächst direkte Hilfe nötig ist, damit die Menschen überhaupt über-leben können. Wenn durch die me-dialen Hilfsaufrufe die nötige Erst-versorgung mit Nahrungsmittel bereitgestellt werden kann, ist dies auf jeden Fall zu begrüßen, auch wenn die Motive teils auch sehr fragwürdig sein mögen. Aber so schnell wie mög-lich sollte dann die Wiederaufbauhilfe beginnen, die weit anspruchsvoller ist und langfristig ausgerichet sein muss.

Dr. Johannes Müller SJ

KRISE IN AFRIKA

nehmen. Umgekehrt kann die Politik beginnende Notlagen nicht einfach und schon gar nicht lange totschwei-gen. Allerdings setzt dies offene und lebendige Demokratien voraus, die sich nicht auf halbwegs freie Wahl-en begrenzen. Wichtig ist dabei vor allem eine freie und aktive Zivilge-sellschaft.

Müssen wir uns durch den Klima-wandel auf zunehmende Dürren und Hungerkrisen einstellen? Wie kön-nen wir das verhindern?Wie schon oben gesagt, lautet die Antwort eindeutig ja. Es kann ebenso umgekehrt zu sintflutartigen Regen-fällen und schweren Überschwem-mungen kommen. Verhindern kön-nen wir dies leider nur noch bedingt, denn die negativen Folgen des Kli-mawandels lassen sich nicht mehr einfach aus der Welt schaffen. Umso wichtiger ist es, den Klimawandel möglichst bald zu stoppen, damit in Zukunft nicht alles noch schlimmer wird. Dies verlangt vor allem in den reichen Ländern neue gesellschaft-liche Leitbilder eines klimaverträg-lichen Wirtschafts- und Lebensstils. Außerdem müssen Mittel bereitge-stellt werden, damit sich die betrof-fenen Länder und Menschen die nicht mehr vermeidbaren Katastro-phen möglichst gut anpassen können.

Steigende Lebensmittelpreise machen überall auf der Welt armen Menschen zu schaffen. Was lässt sich dagegen tun? Dies verlangt vor allem Investiti-onen in die Landwirtschaft und die ländlichen Regionen, damit sich die Menschen möglichst selbst versor-

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Melanie Stüker bei ihrem ersten Besuch in Wien

Cristina Klimas mit Jugendlichen bei Ihrem Einsatz in Südafrika

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FREIWILLIGE

Melanie Stüker und Cristina Klimas sind als Freiwillige der Jesui-tenmission zum Einsatz nach Indien und Brasilien aufgebrochen.

Melanie, du wirst für ein Jahr in das Jesu–Ashram Armenspital in Nordindien gehen. Was hat dich dazu geführt, ein soziales Jahr zu machen?

Der Wunsch, meine Profession dort einzusetzen, wo sie gebraucht wird, da-bei aber die Möglichkeit zu haben, ganz viel Lernen zu können und in eine neue Kultur hinein zu schnuppern. Dabei freue ich mich, mit der österreichi-schen Jesuitenmission loszuziehen, weil man da ein Rundum-Sorglos-Paket bekommt mit einer tollen, vielschichtigen Vorbereitung - und ich fühl mich richtig gut aufgehoben. Vorerfahrungen im sozialen Bereich hab ich natür-lich schon einige gemacht: `Deutsche Altenpflegerin trifft auf Wien´ sag ich nur. In meinem Beruf gibt es dazu eine unglaubliche Vielzahl an intensiven Erfahrungen mit den unterschiedlichsten Leuten. Für dieses Freiwilligenjahr wünsche ich mir tolle neue Erfahrungen, viele Lernmöglichkeiten und noch mehr Lachen :)

Cristina, du wirst für ein Jahr in ein Jugendbetreuungsprojekt nach Manaus, Brasilien gehen. Was hat dich dazu geführt, ein soziales Jahr zu machen?

Ich möchte Kindern und Menschen in schwierigen Situationen zeigen und mitteilen, dass es jemanden gibt, der sich um sie kümmert; ich will etwas Sinn-volles machen, wertvolle Erfahrungen für mein Berufsleben sammeln, meine Sprachkenntnisse verbessern und mich für und gemeinsam mit der einheimi-schen Bevölkerung in Brasilien engagieren. Mit der Jesuitenmission und in genau dieses Projekt möchte ich aus menschlichen und religiösen Gründen. Die Arbeit mit Kindern ist mir inzwischen bestens bekannt, da ich selbst zwei Kinder habe und gegenwärtig als Pädagogin in einer Volksschule tätig bin. Ich habe schon in Südafrika, in einem Waisenhaus in Township/Somerset West gearbeitet und mein Ein-satz dort war eine ziem-liche Herausforderung. Ich war beeindruckt, mit wie viel Liebe und En-gagement die Menschen dort zusammen leben und dass sie so viel zu geben haben, trotz materieller Armut! Ich wünsche mir in diesem Jahr Kraft für meinen Einsatz, Verständ-nis für die Nöte dort und viele neue Erfahrungen!

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Liebe Leserin, lieber Leser!

Pater Hector D´Souza SJ bittet Sie, die Arbeit der Jesuiten in Aruna-chal Pradesh mit Ihrem Gebet und Ihrer Spende zu unterstützen. Wir haben hier sehr gute Erfahrungen gemacht. Ihre Spenden haben eine große Wirkung auf das Leben vieler Menschen: durch Schulbildung, Gesundheitsvorsorge und Evangelisierung. Auf diesem Weg wollen wir Pater Hector und seine Leute auch weiterhin begleiten. Er bittet uns bei diesen Projekten um Hilfe:

- Neubau der Schule in Bana: 95.000 Euro- Gehaltszulage für Lehrerinnen und Lehrer: monatlich je 100 Euro- Stipendien für Internatsschüler: monatlich je 30 Euro

Ich danke Ihnen von Herzen für Ihre Unterstützung!

Hans Tschiggerl SJ Missionsprokurator

SpendenkontoPSK 7086 326

BLZ:60000BIC: OPSKTWW

IBAN: AT52 60000 0708 6326MENSCHEN FÜR ANDERE-Jesuitenaktion

UNSERE BITTE: Schulen für Kinder in Nordindien

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JESUITENMISSIONMENSCHEN FÜR ANDEREDr. Ignaz Seipel Platz 1A-1010 WienTel. +43 01 5125232 - 56 [email protected]

SpendenkontoPSK 7086 326BLZ: 60000BIC: OPSKATWWIBAN: AT52 6000 0000 0708 6326MENSCHEN FÜR ANDERE

Die Jesuitenmission ist Ihr Netzwerk• für Informationen über Schicksale und Anliegen der Armen• für Austausch, Begegnung und Freiwilligeneinsätze weltweit• für die Weitergabe von Spenden in unsere Hilfsprojekte

Damit die Welt menschlicher wird ...