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45 Gastlichkeit. Zur "Waisenrechnung" kamen viele Besitzer des Ortes und auch Leute von außerhalb zusammen, um die "Erbgelder" und anderen "Zins" zu hin- terlegen oder in Empfang zu nehmen. In Anwesenheit des herrschaftlichen Schreibers aus Wartenberg, der die notwendigen Eintragungen in die Schöppen- bücher durchführte, wurden alle vorliegenden Fälle abgehandelt. Dem Amts- schreiber oblag auch die Pflicht, z.B. Erbgelder von Unmündigen in Empfang zu nehmen und im herrschaftlichen "Waisenregister" zu hinterlegen, von wo aus..Be- träge zu guten Zinssätzen für die "Waisengelder" auch verliehenwurden, Uber einen solchen Fall berichtet ein Vermerk im Schöppenbuche aus dem Jahre 1627: 45 Schock, "so ich mit aufs Schloßgenohmen, die anderen55 Meißnisch hatt Caspar Küntzner dem Weißen (v.i. Waisen)verbürget."Diese Eintragung machte der von Wallenstein zum Hauptmann beförderte Amtsschreiber MichaelKühn per- sönlich. Von und über ihn wird noch berichtet.Kam es vor, daß der Empfänger von Beträgen am genannten Tage nicht erschien, so wurde das Geld in der "Ge- meindelade" oder "Gerichtslade", in welcherauch die Schöppenbücher und wei- tere Akten aufbewahrtwurden, hinterlegt. An solchen Tagen wurde, mehr wie zu anderen,vom Schankrecht des Richters reger Gebrauch gemacht. Aus dem Ertrage des Schankes, von Gebühren und Anteilen hatte der Richter ein beachtliches Nebeneinkommen. Das Gastgeschäft blühte aber auch an solchen Tagen, an denen Käufe und Verkäufezustande ka- men. Zu solchen Anlässen gab es einen Umtrunk, den schon zu damaliger Zeit übli- chen "Leinkauf".Es wurde dazu reichlich und sicher auch gut gegessen. Derlei Auslagengingen zu Lastendes Verkäufers, der sie durch den "Kaufschilling" be- gfich. Zu dieser Zeit gab es noch eine weitere Art des Umtrunkes,die "Gewis- senschaft". Dieser Trinkbrauch sollte das Wissen der Anwesenden um den voll- zogenenVertragdurch eine besondere Erinnerung, d.h. den Trunk der "Gewis- senschaft", festigen. In den Schöppenbüchern wird in einigen Eintragungen dar- über berichtet: . 1608 - "28 Gr. verzehrett und zu Wiessebier, da der Kauf beschlossen worden" (Nr.83) 1612 - " 15 Gr. zu Wiessebier, wie der Kauf beschlossen" (Nr. S) 1620 - "Gewissenschaft 36 Gr., außerdem Leinkauf 1 Meißnisch 2 Gr."(Nr.56) 1621 - "Gewissebier, Leinkauf und den Elttesten ihr Gebühr 1 Meißnisch 13 Gr." (Nr.37) Den Kaufverträgen von damals war in der Regel der Zustand des "Pönen" für den Fall beigefügt, daß einer den beschlossenen Kauf "aufstoßen und nicht hal- ten" sollte.Trat so ein Fall ein, so war an die Obrigkeit ein "Fäßelen"Salz und für die Gemeinde ein Faß Bier als Strafauflage zu entrichten.In einem Vermerk im Schöppenbuche wird darüber wir folgt berichtet: "Peen...dem Herrn S. G. 1 Fessel Saltz, der Gemeinde1 Faß Bier." Die Kretschamwirtschaft war auch außerhalb der offiziellen Amtshandlungen ein einträgliches Geschäft. Familienereignisse fröhlicher und leidvoller Art führten dem Kretschamwirt Gäste zu, und Ortsfremdefanden da eine Herberge. Gar nicht so selten fand der Ausschank von Getränken, insbesondere Bier, auch nach außerhalb des Kretschamstatt. Darüber,wo vom Kaufschilling Bier noch außer- halb ausgeschenkt wurde, gibt es im Schöppenbuche die folgenden Vermerke: " 1 Schock der Richter Christoff Herman, weil er ihr in ihrer Krankheit Bier ge- schicket" (1600 - betraf die Mutter Christoff Procoffs in Nr.62). "1 Meißnich28 Gr. und 45 Gr. dem Richter, daß er in seiner Kranckheit Bier geschickt hat" (1596 - betraf Valten Simmert in Nr.171\. Durch derlei Aufzeichnungen wird be- stätigt, daß neben den damals schon bekannten Heilwirkungen von Kräutern, de- ren Sud man äußerlich und innerlich anwendete, auch dem Bier, als kräftigendes A-PDF Split DEMO : Purchase from www.A-PDF.com to remove the watermark

Heimatbuch Hennersdorf_51-100

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Gastlichkeit. Zur "Waisenrechnung" kamen viele Besitzer des Ortes und auchLeute von außerhalb zusammen, um die "Erbgelder" und anderen "Zins" zu hin-terlegen oder in Empfang zu nehmen. In Anwesenheit des herrschaftlichenSchreibers aus Wartenberg, der die notwendigen Eintragungen in die Schöppen-bücher durchführte, wurden alle vorliegenden Fälle abgehandelt. Dem Amts-schreiber oblag auch die Pflicht, z.B. Erbgelder von Unmündigen in Empfang zunehmen und im herrschaftlichen "Waisenregister" zu hinterlegen, von wo aus..Be-träge zu guten Zinssätzen für die "Waisengelder" auch verliehen wurden, Ubereinen solchen Fall berichtet ein Vermerk im Schöppenbuche aus dem Jahre1627:45 Schock, "so ich mit aufs Schloß genohmen, die anderen 55 Meißnisch hattCaspar Küntzner dem Weißen (v.i. Waisen) verbürget." Diese Eintragung machteder von Wallenstein zum Hauptmann beförderte Amtsschreiber Michael Kühn per-sönlich. Von und über ihn wird noch berichtet. Kam es vor, daß der Empfängervon Beträgen am genannten Tage nicht erschien, so wurde das Geld in der "Ge-meindelade" oder "Gerichtslade", in welcher auch die Schöppenbücher und wei-tere Akten aufbewahrt wurden, hinterlegt.

An solchen Tagen wurde, mehr wie zu anderen, vom Schankrecht des Richtersreger Gebrauch gemacht. Aus dem Ertrage des Schankes, von Gebühren undAnteilen hatte der Richter ein beachtliches Nebeneinkommen. Das Gastgeschäftblühte aber auch an solchen Tagen, an denen Käufe und Verkäufe zustande ka-men.

Zu solchen Anlässen gab es einen Umtrunk, den schon zu damaliger Zeit übli-chen "Leinkauf". Es wurde dazu reichlich und sicher auch gut gegessen. DerleiAuslagen gingen zu Lasten des Verkäufers, der sie durch den "Kaufschilling" be-gfich. Zu dieser Zeit gab es noch eine weitere Art des Umtrunkes, die "Gewis-senschaft". Dieser Trinkbrauch sollte das Wissen der Anwesenden um den voll-zogenen Vertrag durch eine besondere Erinnerung, d.h. den Trunk der "Gewis-senschaft", festigen. In den Schöppenbüchern wird in einigen Eintragungen dar-über berichtet: .1608 - "28 Gr. verzehrett und zu Wiessebier, da der Kauf beschlossen worden"(Nr.83)1612 - " 15 Gr. zu Wiessebier, wie der Kauf beschlossen" (Nr. S)1620 - "Gewissenschaft 36 Gr., außerdem Leinkauf 1 Meißnisch 2 Gr."(Nr.56)1621 - "Gewissebier, Leinkauf und den Elttesten ihr Gebühr 1 Meißnisch 13 Gr."(Nr.37)

Den Kaufverträgen von damals war in der Regel der Zustand des "Pönen" fürden Fall beigefügt, daß einer den beschlossenen Kauf "aufstoßen und nicht hal-ten" sollte. Trat so ein Fall ein, so war an die Obrigkeit ein "Fäßelen" Salz undfür die Gemeinde ein Faß Bier als Strafauflage zu entrichten. In einem Vermerkim Schöppenbuche wird darüber wir folgt berichtet: "Peen... dem Herrn S. G. 1Fessel Saltz, der Gemeinde 1 Faß Bier."

Die Kretschamwirtschaft war auch außerhalb der offiziellen Amtshandlungen eineinträgliches Geschäft. Familienereignisse fröhlicher und leidvoller Art führtendem Kretschamwirt Gäste zu, und Ortsfremde fanden da eine Herberge. Garnicht so selten fand der Ausschank von Getränken, insbesondere Bier, auch nachaußerhalb des Kretscham statt. Darüber, wo vom Kaufschilling Bier noch außer-halb ausgeschenkt wurde, gibt es im Schöppenbuche die folgenden Vermerke: " 1Schock der Richter Christoff Herman, weil er ihr in ihrer Krankheit Bier ge-schicket" (1600 - betraf die Mutter Christoff Procoffs in Nr.62). "1 Meißnich 28Gr. und 45 Gr. dem Richter, daß er in seiner Kranckheit Bier geschickt hat"(1596 - betraf Valten Simmert in Nr.171\. Durch derlei Aufzeichnungen wird be-stätigt, daß neben den damals schon bekannten Heilwirkungen von Kräutern, de-ren Sud man äußerlich und innerlich anwendete, auch dem Bier, als kräftigendes

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und appetitanregendes Getränk für den Menschen, eine besondere Bedeutungbeigemessen wurde.

Der Richter und seine "Altesten" hatten das Gemeindevermögen zu verwalten,wobei in dem damals geteilten Hennersdorf beide Richterämter über das "Ge-meingeld" zu entscheiden hatten. Die aber wichtigste Verantwortung des Richterswar jene, daß er für die Schuldigkeiten, die durch die Ortsbewohner an dieGrundherrschaft zu erbringen waren, verantwortlich war. Für die von den Leutennicht erbrachten, d.h. "versessenen" Zinsleistungen und Roboten, war der Dorf-richter mitverantwortlich. Derlei Schuldigkeiten wurden im Schöppenbuche wiefofgt vermerkt: "1587 - l Meißnisch wegen der versessenen Robuth; 1617 - 10Gr. füre inen versessenen Schni t ter t rag; 1619- Nr .162 9 Meißnisch 28 Gr.4 112-Christoff Taubmann Richter zu sich Empfangen, da der gedachte Gollnek auff an-dertthalb Jahr die Stewern und Zinsen versessen, der halben er Meldter richtterseines Eygenen geldeß erstadten Müßen."

Vom 15. Jahrhundert an waren die Hennersdorfer Bauern der WartenbergerGrundherrschaft untertan. Jedoch schon vor dieser Zeit und danach in vollemMaße herrschte im Vererbungsfalle und bei Verkäufen das Recht der Unteilbarkeitder Güter. Verstarb ein Besitzer, so traten die Erben, die Witwe und Kinder in sei-ne Rechte. In der Regel erbte die Mutter zu einem Drittel und die Kinder zu glei-chen Teilen von den verbfiebenden zwei Dritteln. Dennoch aber blieb der Besitzungeteilt, d.h. die weiteren Erben wurden zu Lasten des Hoferben in Geld undNatura, entsprechend der Erbschätzung und dem Spruche des Erbgerichtes ab-gefunden. Jene Erbschaften, die nicht vom Elternteile stammten, wurden als "an-gestorben" bezeichnet: 1600 - "Die Keplerin wegen der alten Ursulen die 2 Meiß-nisch, weil sie sind angestorben, empfangen." 1616 - in einer "Lossage" heißtes: "Es stürbe ihm denn wiederumb was an, wie Recht." (Sonst habe der Erbenichts mehr zu lordern.) Das Recht der Unteilbarkeit der Güter war typisch für dieBauern im nordböhmischen Raume. In den tschechisch besiedelten Landesteilenbestand dieses Recht nicht.

Mit der im lS.Jahrhundert beginnenden Erbuntertänigkeit gegenüber der Grund-herrschaft von Wartenberg ging den Hennersdorfer Bauern auch die Freizügigkeitüber ihren Besitzstand verloren. Das wirkte sich, wie schon angedeutet, insbe-sondere darin aus, daß jeder Grundstücksverkehr, die Eröffnung von Testamen-ten und alle weiteren persönlichen Dispositionen der Zustimmung der Obrigkeitbedurften. Was den Wartenberger Grundherren in diesen Belangen rühmlichnachgesagt werden kann, war ihr Bestreben, daß kein Gut auf dem Erb- oderVerkaufswege geteilt wurde. Was den oftmaligen Besitzerwechsel während derZeit der Wartenberger Erbteilung von 1544 bis 1622 betrifft, so müssen dazunoch schwerwiegende Gründe vorgelegen haben, die insbesondere in der wirt-schaftlichen Lage der Bauern zu suchen sind. Dabei fällt besonders die Tatsacheauf, daß wesentlich mehr Wirtschaften auf der ertragsschwächeren Ostseite, der"Bergseite", den Besitzer wechselten. Sicher waren es nicht Güte und Wohlwol-len der Grundherren den Bauern gegenüber, daß sie diesem oftmaligen Besitzer-wechsel zustimmten. lhr eigentliches Interesse war vor allem, daß die Bauern inihren Verpflichtungn an die Obrigkeit leistungsfähig blieben.

War ein Hof bereits verschuldet und durch weitere Erbanteile sowie den Zins undNaturanteile an den Grundherren zu stark belastet, so geriet der Besitzer in eineZwangslage, die ihn an den Rand seiner Existenz brachte. Trat eine solche Notla-ge ein und wirkte sich diese so aus, daß ein Bauer seinen Schuldigkeiten gegen-über der Grundherrschaft nicht mehr nachkam, so ging die Obrigkeit in der Weisevor, daß sie den Zwangsverkauf des Gehöftes einleitete. lm Schöppenbuche wirdauch über solche Fälle berichtet: lm Jahre 1615 wurden "aus gewißen ursachenund hohen schulden halben" die Güter Jacob Ottenß (Nr.100) und Andreas Küh-nels (Nr.96/97) "landesbrauch nach durch viererley herrschaftsunterthanen" ab-

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geschätzt. Die Verschiedenheit des "Landesbrauches" hing wahrscheinlich vonder Schwere des Falles ab. So wurde Andreas Kühnel sogar in "Schuldhaft" ge-nommen. lm Jahre 1622 wurde des "Alten Pietschmann Gut durch 3 Ge Meinender Obrigkeit Undterthanen Landesbrauch nach" abgeschätzt.

Aus der Frühzeit Hennersdorfs ist bekannt, daß den deutschen Ansiedlern Begün-stigungen durch die böhmische Krone in der Weise eingeräumt wurden, daß siefür den in harter Rodearbeit erworbenen Grundbesitz einen niedrigen Grundpreiszu zahlen hatten. Obwohl die volle Abhängigkeit der Bauern von der Grundherr-schaft erst nach den Hussitenkriegen um 1436 einsetzte, ist dennoch anzuneh-men, daß auch schon zuvo( gewisse Tribute der Bauern an die damals bestehen-de Obrigkeit zu entrichten waren.

Es ist zwar bekannt, welcher Art die an die Grundherrschaft zu entrichtenden Lei-stungen waren, unbekannt hingegen ist, in welcher Bemessenshöhe an Erbzins,Naturalien und Frondienste die Hennersdorfer Bauern belastet waren.

Um dennoch einen Einblick darüber zu bekommen, was die Grundherren denBauern an Tributen abverlangten, seien drei Beispiele aus umliegenden Ortenherangezogen. Danach mußten sie im Jahre 1615 bei der Wirtschaftsgröße von60 Joch an die Grundherrschaft von Lämberg folgende Tribute erbringen:

Kriesdorf - "zweimal je 30 Groschen Erbzins, 4 Tage Ackern, 2 Tage Gras hau-en, 2 Tage schneiden, 2 Tage Hafer binden, 2 Tage Heu rechen, 2 Zaspeln spin-nen, 4 Hühner, 30 Eier und 3 Fuhren Bräuholz."

Seifersdorf - "zweimal 54 Groschen Erbzins, 2 1/2 Scheffel Hafer, 4 112 TageAckern, 4 112 Tage schneiden, 1 Tag Gras hauen, 1 Tag Grummet hauen, das-sefbe dürr machn und herinfahren, 2 Zaspeln spinnen, 3 Hühner und 24 Eier."

Rinqelshain - "zwei Erbzinse (zu George und Mich.aelis) von je 45 Groschen, 3Tage Ackern, 3 Tage Gras hauen, 3 Tage schneiden, 2 Zaspeln spinnen, 3 Hüh-ner und 3 Fuhren Bräuholz."

In etwa ähnlicher Größenordnung dürften auch die Schuldigkeiten der Henners-äorfer Bauern an die Wartenberger Obrigkeit gelegen haben.

Durch das Ableisten von Frondiensten verschlechterte sich die Lage der Bauernnach dem Dreißigjährigen Krieg bis in das 19. Jahrhundert hinein zusehends. Da-für spricht auch das Aufbegehren der Bauern im Gabler Raume von 1680 und1775, zu deren Niederwerfung und Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung imletztgenannten Jahre eine Schwadron Husaren eingesetzt wurde.

Wie sehr sich die Lage der Bauern, bezüglich ihrer Frondienstleistungen an dieGrundherrschaft verschlechtefie, sei im Vergleich zu den Beispielen von Kries-dorf, Seifersdorf und Ringelshain im Jahre 1615 an einem Fall in Hennersdorf ausdem Jahre 1835 dargelegt. Das "Kretschamgut" von Nr.38, in seiner Wirtschafts-fläche kleiner als jene in den Beispielen von 1615, mußte im Jahre 1835 die fol-genden Leistungen an Zins, in natura und an Fronarbeiten erbringen: "2 Fl. 23 KrZins, 16 3/4 Kr. Spinngeld, 2 Achtel 3 Maß Korn, 1 Strich 3 314 Maßl Haber Zins-getreide, 13 Tage Hand- und 156 Tage Pferdezugroboth."

Bei den Wirtschaften, die nur geringere Gespannleistungen erbringen konnten,wurde die Auflage an körperlicher Fronarbeit entsprechend höher angesetzt. EinBeispief aus dem Jahre 1843 zeigt, daß die Besitzerin von Nr.164 "48 112 Hand-tage in natura" ableisten mußte.

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Außer der Erblast zu Frondienstleistungen waren die Hennersdorfer Bauern auchzum Venrvalten des "Beilasses", d.h.der Verantwortung über das dem Gute zu-geordnete Heeresgerät verpflichtet. 7u der Zeit waren auf der Mehrzahl der GüterKriegswaffen und Rüstungsgerät '!gesetzt". Darüber ist in einer Eintragung imSchöppenbuche vom Jahre 1608, das Gut von Nr.102 betreffend, der folgendeWortlaut niedergeschrieben: "das heher ge Rethe, wie es auff daß Gutt gesetzetist: 1 Kaplinnichen, 1 ferder Theyll, t halß Kragen, 1 Büchse, 1 Spieß, Eine weh-re, so gutt alles diß vorhanden." lnsgesamt befanden sich im Dorfe auf 34 Güternund 4 Feldgärtnereien die folgenden Heeresgerätschaften: 31 Büchsen, 43 Spie-ße, 25 Wehren, 1 Hellebarde, 1 Säbel, 55 Vorderteile (Brustharnische), 11 Hinter-teife (Rückenpanzerl, 32 Helme oder Sturmhauben (Käppelinichen), 2 Häubel, 32Halskragen und 4 Armschienen.

Das Vorhandensein von Heeresgerät in Bauernhand läßt die Frage aufkommen,welche Gründe die Wartenberger Grundherrschaft dazu hatte. Die Ausstattungder Bauern mit Heeresgerät scheint erst nach den Hussitenkriegen, also nach1436, vollzogen worden zu sein und stellt einen gewißen Vertrauensbeweis derObrigkeit an die Bauern dar. Das ist bestimmt nicht bei allen Grundherrschaftenso gewesen. Was nun Hennersdorf in diesem speziellen Falle betrifft, so hatte dieFeste Wartenberg zu jener Zeit die Wege zur Lausilz zu bewachen und offen zuhalten. Bei dieser Schutzaufgabe mußten die Bauern im Ernstfall Schützenhilfeleisten. Ob dieses Heeresgerät in Bauernhand jemals zum Einsatz kam, ist orts-geschichtlich nicht nachweisbar.

Jedenfalls war zur Teit der Wartenberger Erbteilung von 1544 der Besitz vonHeeresgerät auf bestimmten Gütern ein fester Bestandteil entsprechender Verträ-ge, worüber noch einmal ein Vermerk im Schöppenbuche von 1589, das GutNr.74 betreffend, zitiert werden soll: "das heeresgerethe, als 1 Fördertheil, 1 Kra-gen, 1 Leubel und ein Spieß, des wie der herr darbey haben."Ein Beweis dafür, wie sehr die Grundherrschaft darauf bedacht war, daß auf denGehöften der Untertanen das Heeresgerät stets vollzählig und in Ordnung gehal-ten wurde.

Die Dorfkirche - Legende und Wirklichkeit

Um die erste Dorfkirche, deren Standort und den Bau einer neuen Kirche, beste-hen legendäre Überlieferungen. Diesen zufolge soll die erste alte Kirche auf derAnhöhe des Grundstückes von Nr.53 gestanden haben. Frau Martha Hanig ausNr.211 beschreibt diese Legende wie folgt: "Vor Erbauung der Kirche in Henners-dorf bei Wartenberg stand auf dem der Kirche gegenüberliegenden Hügel eineKapelle, in welcher eine Marienstatue verehrt wurde. Als später statt der Kapelleeine Kirche gebaut wurde, und man nicht recht wußte, welche Stelle sich am be-sten dazu eigne, lag eines Morgens auf dem Platze, wo jetzt die Kirche steht,frisch gefallener Schnee, in dem die Spuren eines kleinen Fußes eingedrückt wa-ren.Der Schnee sowie die Fußstapfen (angeblich von der hl. Maria herrührend) galtenafs Fingerzeig und so kam die Kirche, welche schon lange Zeit vor der Reformati-on eine Wallfahrtskirche war, zu der die Katholischen 15 - 1 I Meilen weit wander-ten, um Maria andächtig zu verehren, an ihre jetzige Stelle. Von diesem so wun-derbaren Ereignis soll die Kirche auch den Namen 'Maria Schnee' erhalten ha-ben."

Zugegeben, daß die im Jahre 1352 erstmals erwähnte Dorfkirche ihren Standortauf der Anhöhe des Grundstückes von Nr. 53 hatte, so wurde auf dem gegen-überliegenden Hügel in der Ortsmitte, in der Bauzeit 1599 - 1662 aber eine neue,wahrscheinlich zum Teil hölzerne Kirche gebaut.

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So berichtet der letzte deutsche Besitzer des Gehöftes von Nr.137, Josef Gür-lich, auf dessen Wirtschaftsstreifen in der Ortslage sich das Kirchengrundstückbefindet, darüber, daß diese Kirche im Jahre 1698 niederbrannte und dieserBrandkatastrophe auch die Gehöfte Nr.197,141 und das Häusel Nr.140 zum Op-fer fielen. Auf Betreiben des damaligen Grundherren von Wartenberg, ChristophPaul von Liechtenstein, wurde an der gleichen Stelle noch im Kataitrophenjahrmit dem Wiederaufbau einer neuen Kirche begonnen. Nach dreijähriger Bauzeitkonnte die weihe der neuen, in massiver Bauweise errichteten Barockkircheschon im Jahre 1702 vollzogen werden.

Die neue Dorfkirche wurde zu jener Zeit gebaut, als die im Jahre 1623 begonne-ne und mit Nachdruck durchgeführte Rekatholisierung in Böhmen weitestgänenOabgeschlossen war. Von der Zeit an war die Hennersdorfer Pfarrgemeindä Filial-kirche und gehörte zum Kirchsprengel Wartenberg.

Die Gnadenstatue in "St. Mariä Geburt..

Was die schon erwähnte Gnadenstatue betrifft, so hat dieselbe sicher auch schonin den beiden Kirchen vorher gestanden, denn sie entstand im 1S. Jahrhundert.

An dieser Stelle sei wörtlich übernommen, was Dechant Josef Maria Tittel, derletzte deutsche ortspfarrer von Hennersdorf, über die Historie der Gnadenstatuein der Kirche "Mariä Geburt" zu berichten hat:"Das interessanteste Ereignis meiner zeit war die Entdeckung des mittelalterli-chen Gnadenbildes in einem Glasschrein des Hochaltars. Ptarrer Rausch hattemir gesagt, er sei nie auf den Altar gestiegen und habe den Schrein nie öffnenlassen- Die Figur steckte in Brokatkleidern, aus denen nur die gekrönten HäupterMarias und des Jesuskindes hervorschauten.

Die Dorfkirche zu Hennersdorf"St. Mariä Geburt"

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Das Kleinod der Dorfkirchezu Hennersdorf

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Kaum war ich in Hennersdorf, so stieg ich auf den Altar und öffnete die Glastürdes Schreins. Kaum hatte ich den Saum des Kleides angehoben, zeigte sich einmenschliches Profil im Halbmond und ich wußte, daß es sich um eine gotische Fi-gur handeln müsse. Sieben verschiedenartige Mäntel waren im Laufe der Jahreaufeinander gesteckt worden, dazwischen Kettchen und Anhänger als Weihega-ben. Maria trägt das nackte Kind auf ihrem linken Arm und hält mit ihrer Rechtendem Kind eine runde Frucht hin, auf die das Kind sein rechtes Händchen legt,während es mit seiner Linken den Mantel der Mutter hochzieht und damit seineBlöße bedeckt. Die Marienfigur ist hinten flach und etwas ausgehöhlt, ein Hin-weis, daß sie ihren ursprünglichen Platz in einem gotischen Flügelaltar hatte, wohlin der alten Kirche. Die metallenen Kronen sind spätere barocke Zugaben, wieauch die ganze stoffliche Bekleidung. Meinen Fund meldete ich dem Staatsdeka-nat in Prag und bald kam Prof. Hänigschmied nach Hennersdorf und datierte dieFigur ins 15. Jahrhundert. Nach unserer Aussiedlung soll die Figur nach Deutsch-Gabel in Sicherheit gebracht worden sein."

Der Hennersdorfer Kirche verblieb, aus schon erwähnten Gründen, an örtlichenEinnahmen nur der "Zehnt", den die Bauern als zehnten Teil ihrer Ernte für dieKirche aufzubringen hatten. Über diese Art von Abgaben an die Kirche stehen inden Schöppenbüchern folgende Vermerke: "Dem Ptarrer 17 Gr.3 (fürm GeorgenTetzem Nr.88-1588)." Sofern manche Besitzer mit der Zahlung des "Kirchenze-hent" in Rückstand gerieten, wurde der "versessene" Betrag bei Angeldzahlun-gen zu Erbkäufen beglichen, wie 2.8. "Nr.113 - 3 Meißnisch 45 Gr. (1609), Nr.85- 1 Meißnisch 34 Gr. (1614), Nr.80 - 1 Meißnisch 3 Gr. (1619), Nr.130 - 1 Meiß-n isch 30 Gr. (1620) . "

Weitere Einnahmen flossen der Kirche durch Gebühren für geistliche Amtshand-lungen, Kollekten, Spenden und Vermächtnisse zu. Aus Aufzeichnungen imSchöppenbuche steht darüber geschrieben: "2 Meißnisch der Kirchen, welchesder alte Ohman ver Testirett - dem Schulmeister 112 Melßnisch, auch ver Testi-rett" (Nr.107 - 1603) - "von der Laychenpredikl24 Gr." (1605).

Die Kirche ging im Bestreben einer Sicherstellung ihrer Einkünfte auch den Weg,daß sie Erbschaftsgelder kaufte, die der Beerbte dann als "Erbegeld" nicht an dieDirekterben, sondern an die "Kirchväter" zt) entrichten hatte, denen die Verwal-tung von Kircheneinkünften oblag. Die "Kirchväter" wurden von der Geistlichkeitberufen, worüber folgende Vermerke überliefert sind: "1599 und 1602 - BartelJaksche und Valten Steyer; 1609 - Michel Meßler und Christoff Otte."

Pfarrer und Lehrer

lm Vertrage zur Wartenberger Erbteilung von 1544 kommt u.a. auch zum Aus-druck, daß es einvernehmlich beiden Grundbesitzern obliegt, das Vorschlagsrechtfür die Besetzung von Pfarrstellen und deren Amtsbestätigung auszuführen. Daßdie Grundherrschaft in diesem Vertrage auch das Bestätigungsrecht für sich inAnspruch nimmt, deutet ebenfalls darauf hin, daß zu der Zeit der Protestantismusbei der Grundherrschaft schon Fuß gefaßt hatte, denn bis dahin hatte das Bestäti-gungsrecht von Priestern nur das Gabler Dekanat.

Von der Anwesenheit eines protestantischen Pfarrers namens Martinus wird imHennersdorfer Schöppenbuche erstmals im Jahre 1586 berichtet. lm gleichenVermerk findet auch eine "alte Pfarrfrau" Erwähnung, bei welcher es sich sicherum die Witwe des Vorgängers von Martinus handelt. Vom 15. Oktober des Jahres1590 an bis 1606 wirkte als Nachfolger Zacharias Kaimann, dem Esajas Sieben-har folgte, der bis 1616 das Pastorenamt versah.

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Vom Jahre 1617 ist im Schöppenbuche ein Vermerk von "dem alten pfarherrnvor Sessenen Dezem", welcher sicher der Vorgenannte war. Letzter evangeli-scher Prediger in Hennersdorf dürfte der Pastor Rudolfus List gewesen sein, derwegen einer im Jahre 1620 in Gabel gehaltenen Leichenpredigt schon einmal er-wähnt wurde.

Von den Lehrern aus der Zeit, in der Hennersdorf protestantisch war, wird berich-tet, daß es durchweg geschulte Leute waren, die außer dem Lehramt noch weite-ren Nebenerwerben nachgingen. Aus der damaligen Zeit ist der Lehrer ChristoffAlbricht bekannt. Er war mit Ursula, einer Tochter des Jakob Gutmann aus Nr.82,verheiratet. Lehrer Albricht verstarb sehr früh und bald nach ihm auch seine Frau.Die noch unmündigen Waisen fanden bei Merten Wilde, in Nr.79, eine Bleibe.Lehrer Albricht hatte auch mit Schulden zu kämpfen, denn 1606 nahm die Kirche"schuldweise" das Erbgeld seiner Frau in Empfang, 1611 erhielt es Albricht und1616 bekam es "Ursula, die alte Schulmeisterin". Der folgende Lehrer nach Al-bricht war Lazarus Görlitzer. Er kam von außerhalb und wurde im Orte seßhaft.Twei seiner Söhne wurden Meister des Wartenberger Schneiderhandwerks undsein dritter Sohn heiratete die Witwe des verstorbenen Besitzers von Nr.174. EinBeispiel von besonderer Art, daß man auch in jener Zeit schon dem Besuche desSchulunterrichtes eine große Bedeutung beimaß, sind die Bedingungen in einemKaufvertrag aus dem Jahre 1622. Es handelt sich um Peter Scheibel, dessen Va-ter das Gut von Nr.12 an den Oheim des Peter Andreas Scheibel in Nr.21 mitden Verpflichtungen verkaufte: "alsbald zur schulen halten, Enttweder draußenoder herein nach Wartenbergk (wie es die herschaft ferner Ordtnen möchte) tagli-chen in die Schule schicken, daheimen mit Pferdt oder Kühehüten gar nicht belä-stigen und in seinem schulgehen gar nicht hindern sollte."

Die Einkünfte des Lehrers waren zu jener Zeit Geld und Naturalien. Neben sei-nem Schuldienst verrichtete er mitunter auch Schreiberdienste und war als Orga-nist und Sänger im Dienste der Kirche tätig. Diese nebenamtlichen Tätigkeitenbrachtem dem Lehrer einen bescheidenen Nebenverdienst ein.

Mit dem Berichte über die Lehrerschaft in früherer Zeit soll die Geschichtsschrei-bung über Hennersdorf bis zum Dreißigjährigen Kriege beendet sein.

fn der letzten Phase war Hennersdorf durch einen Zeitraum von 1544 bis 1622geteilt und zwei Obrigkeiten unterstellt.

Nach dem Tode des Balthasar Hirschperger von Königshain, dem Besitzer deswestlichen Ortsteiles von Hennersdorf, folgte im Jahre 1581 dessen Sohn Kas-par. Dieser verstarb schon im Jahre 1595 und hinterließ die beiden Söhne Balt-hasar und Erasmus.

Die Witwe Ludmilla, eine geborenen Schkop von Kotzenau, aus einem Ort impreußisch-schlesischen Kreise Lüben gelegen, führte die vormundschaftliche Ver-waltung des Erbes bis der ältere Sohn ab 1608 das Gesamterbe weiterleitete.Diese Aufgabe hatte er bis zur Mündigkeit seines jüngeren Bruders Erasmus. Am16. Februar des Jahres 1613 einigten sich beide Brüder, daß der Wartenbergerund Hennersdorfer Anteil ungeteilt in die Verwaltung des Erasmus übergeht, je-doch der Teilbesitz mit Zedlisch, Gebendorf und Barzdorf auf des Balthasars Sei-te verblieb.

Nach dem Tode des Heinrich Hirschperger von Königshain im Jahre 1573 über-nahm sein einziger Sohn Erasmus den Ost- und Nordteil von Hennersdorf. SeineEhe mit Helene Schkopp von Kotzenau, einer Schwester der schon erwähntenLudmilla, der Frau seines Bruders, blieb kinderlos. lm Jahre 1598 starb Erasmus,ohne daß ein Direkterbe nachfolgte. Auf dem Erbwege übernahm seine Frau He-lene und die Mutter des Verstorbenen, geb. von Warnsdorf, den Besitz. Noch im

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gleichen Jahre verzichtete Hedwig zugunsten ihrer Schwiegertochter auf ihrenErbteil. Die nunmehrige Alleinbesitzerin wird im Schöppenbuche wie folgt be-schrieben:"Edlen viet Ehren tugendreichen Frawen Helenen Hirschpergerin geboreneSchkoppin Wittibe und Fraw auff Wartenbergk." Am 27. Februar 1619 setzte He-lene ihre beiden Neffen Bathasar und Erasmus als Erben ihres Besitzes ein, den-noch wurde Hennersdorf immer noch als geteilt betrachtet, denn letztmalig er-scheinen in beiden Schöppenbüchern Eintragungen vom 14. Februar und 25.Aprif des Jahres 1621. Zu dieser Zeit stand Böhmen schon im dritten Jahre derErschütterungen durch den Dreißigjährigen Krieg.

Obwohl Böhmen von Ende der Hussitenkriege im Jahre 1436 bis zum Jahre 1618von Kriegen verschont blieb, kommt ein ständiges Aufbegehren der Tschechenim Landesinneren gegen die Könige von Böhmen, insbesondere gegen jene, dieaus der Dynastie der Habsburger stammen, nicht zur Ruhe. Einen besonderenAuftrieb in Böhmen erhielt die konfessionell-national-tsch€chische Strömungdurch das vom Jahre 1517 an aufkommende Luthertum.

Doch bevor die Geschichte Hennersdorf bis zum Ende des Dreißigjährigen Krie-ges weiter berichtet wird, sollen noch einige Besonderheiten aufgezählt werden,die das Dorfleben mitprägten. Dieselben sind geeignet, viele Zusammenhängeaus jener fernen Zeit des alten Hennersdorf im Mittelalter über die Jahrhundertebis zum furchtbaren Ende von 1945 herzustellen.

Gehöfte, Haus und Landwirtschaft, Kleidung

Der Standort der Wirtschaften ist, wie wir schon wissen, dadurch geprägt, daß mitnur wenigen Ausnahmen die Flurstreifen von Anbeginn ungeteilt bestehen blie-ben. Besonders auch von Seiten der Grundherrschaft war man darauf bedacht,daß nicht Wirtschaftsteilungen durch Erbkauf oder Kauf erfolgten.

Die Hoflage hat in der Regel die Form eines nach einer oder beiden Seiten hinoffenen Rechteckes. Dem Wohnhause, aus starken Balkenlagen gezimmert,schlossen sich die meistens massiv gebauten Ställe an. Die Bergeräume für dasHeu und Stroh und weitere Unterstellmöglichkeiten befanden sich in Scheunen.Die herkömmlichen Bedachungen waren zu jener Teil die bewährten "Stroh-Schauben", von denen noch im Jahre 1945 einige, besonders auf Scheunen,vorhanden waren. In der Regel trennte ein "Vorhaus" den Wohnteil des Hausesvom Stalle in der Mehrzahl jener Bauernhäuser, wo Wohn- und Stallteil unter ei-nem Dach untergebracht waren. In der Stube wurde zugleich gewohnt und ge-kocht. Sofern eine eigens eingerichtete Küche, die "Kuchel", vorhanden war, sobefand sich darin meistens auch ein Backofen. Mitunter schloß sich der Wohnstu-be noch ein kleiner Raum an, der als "Stübel" zum Altenteil gehörte. Waren dasWohnhaus und der Stall gar deckenlastig gebaut, d.h. ein Stockwerk aufgesetzt,so führte vom Vorhause aus eine Treppe in die oberen Räume. Uber dem unte-ren Wohnungsteil waren es die Schlafkammern und über dem Stalle Räume, aufderen Fußböden "die Körner auf die bienen Geschutt" wurden.

Manche Güter hatten auch getrennt stehende Stallgebäude, worüber eine Eintra-gung im Schöppenbuche so lautet: "übr Hoff ein stellichen, darinne die Kuh ihreBestallung haben kan" (1617, von Nr.44). Das gleiche Gut hatte auch ein "Bün-gartel" hinter dem großen Stalle. Die Scheune stand in einem genügenden Ab-stande dem Wohnhause gegenüber, mitunter ein weiteres Wirtschaftsgebäudeauch quer. Die dadurch vorhandene Hoffläche war stets so groß bemessen, daßmit einem Fuhrwerk darauf bequem gewendet werden konnte. Gerne pflanzteman schattenspendende Bäume, wie Linde und Kastanie, auf oder an die Hofflä-che. Der Standort der Höfe, d.h. die einzelnen Gebäude waren so angeordnet,

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daß die meisten Gehöfte der Zutahrt von Westen oder Osten offenstanden. Inviefen Fällen war die 7u- oder Abfahrt auch in beiden Richtungen möglich.

Vor und um die Gehöfte breiteten sich Grünflächen aus, auf denen mit der SenseFutter für die Ställe g_eworben wurde. Vielfach standen auch Obstbäume darauf,von deren Arten die Apfel, Birnen, Kirschen und Pflaumen schon bekannt waren.Bei den Apfeln unterschied man zwischen den "guten", den "gepfropften", undden sauren "Feldäpfeln". lm "Kuchelgarten" waren Möhren-, Zwiebel- und Kraut-beet. Der Zubereitung von Teegetränken und sonstigem Sud für Heilzwecke dien-ten die reichlich vorhandenen Wildkräuter. Auch waren schon in frühester Zeit Pil-ze und Wildfrüchte aus dem Walde bekannt und begehrt.

Bei Verkäulen blieb alles beim Gute, was "erd-, nied-, nagel- und leimfest" war.In manchen Fällen übernahm der Käufer aber auch beweglichen Hausrat, wie Ti-sche, Bänke, Kasten, Truhen, Laden, Brotschränke (Häusel), - " 1 Heußel so inder Stube bey dem Topfbrett" (1610 in Nr.55) -, Kessel, Ofentöpfe, Fischpfan-nen, zinnerne Kannen, Buttereysen, Töpfel, Dachleitern und Feuerhaken; auch"Spenbette", der Vorläufer des "Kanapees", werden genannt. Vom Eichkret-scham wird von 4 Tischen, 1 Schenkgefäß und 1 Fischpfanne berichtet.

Auch viele Acker- und sonstige Wirtschaftsgeräte waren zu der Zeit schon im Ge-brauch, so z.b. Pflüge, Rohrhaken, Wendehaken, Pflugschare, Seche, Eggen,Wagen (wenn mehrere, dann "Wagenfahrt" genannt), Wagenleitern, Heuleitern,Holzleitern, Mistbretter, Wagenketten, Hennketten, Schlitten, Axte, Keile Näbiger(Bohrer), Sägen, Rodehauen, Holzheber, Grabscheite, Misthaken, Mistgabeln,Heugabeln, Rechen (hölzerne und eiserne), Sensen, Flegel, Kornfähen, Maßvier-tel, Siede- und Futterbänke ("samt der Schneide"); an Pferdegeschirr werdenKummete und Sielen genannt.

In der Wiesennutzung unterschied man den Grünschnitt (die "Gräserei"), dieHeu- und Grummetnutzung. Die Ausgedinger erhielten ein "Schöbrichen" oder"Stößel" Heu. In Kreuzseile gebunden wurden die^Heumengen auch in "Gebün-den" oder "Mandeln" gemessen, "ein Klein stüßl in hew (1613), "15 gebündenhew" (1616) .

Beim Drusche fiel das Stroh als Langstroh an und man band dieses in "Schüt-ten", das kürzere Stroh hingegen wurde zu "Gebinden" zusammengebunden("30 Schitten Strohe", 1616). Sämtliches anfallende Stroh nannte man "Geströh-d g " .

Die Mengen an Getreide wurden in "Malterfl", "Scheffeln" und Vierteln gemes-sen. Zu damaliger Zeil, im Mittelalter, lagen die Getreideerträge und die andererKulturen sehr niedrig. Demzufolge dürfte den Bauern, nach Abzug der Naturalab-gaben an die Grundherrschaft, den Mengen für den Lebensunterhalt der Familie,dem Anteil für Ausgedinge und Gesinde und den Mengen für die Aussaat, nichtmehr allzuviel für die Tierhaltung übrig geblieben sein. Das weniger vermengteGetreide diente der Aussaat, alles weitere wurde zu Backzwecken gemahlen oderverfüttert. "9 scheffel gemenget getreidte zum Backen" (1599). An Getreideartenwurden Gerste, Roggen, Hafer und in geringem Umfange Weizen (Spelz undDünkel) angebaut. Auch Hirse, Heidekorn und Wicken, Lein und Hanf standen inder Flur, und die "Krauthäubter" waren auch schon bekannt.

Die Haustiere waren mitunter recht primitiv in finsteren Ställen untergebracht. AlsZugkraft diente vor allem das Pferd, man spannte aber auch Zugochsen und Kü-he vor den Pflug, so wie es bis 1945 auch noch der Fall war. Der Umfang derHaustierhaltung an Pferden, Rindvieh, Schweinen, Ziegen, Schafen und Geflügelwar, gemessen an der Wirtschaftsfläche, recht gering und wurde extensiv betrie-ben. Nicht unerwähnt soll die Bienenhaltung bleiben, die für manchen Bauern ein

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fohnender Tuerwerb für die Hauswirtschaft war. Mit Honig süßte man Speisenund Getränke, aus Wachs wurden Kerzen gegossen.

Aus der Viehwirtschaft fielen Milch und deren Veredlungsprodukte, wie Butter,Quark und Käse an, die man zu "Töppeln" oder "Kließen" formte. "Einen PutterKließ um einen weyssen Groschen" (1604). Die Eier wurden in halben und gan-zen Schock gezählt. Obwohl Aufzeichnungen darüber fehlen, schlachtete manaußer den Hennen, sofern es die wirtschaftliche Lage zuließ, sicher auch Ziegen,Schafe und Schweine zur Versorgung des eigenen Haushaltes mit Fleisch. Fi-sche und Wild waren Eigentum der Grundherrschaft.

Die über die Mitgift für Kleidung und Bettzeug geltenden Regelungen und Ge-bräuche hatten einen ganz besonderen Stellenwert. Dem Kauferben oder auchKäufer wurden, mitunter über den Kaufpreis hinaus, Verpflichtungen auferlegt, dieder Ausstattung von nicht versorgten Töchtern und Söhnen aus der betreffendenWirtschaft galten.

So hatte im Jahre 1589 der Adam Steyer, jeder Schwester 5 Schock und demjüngsten Bruder, der noch "ungekleidet" war, d.h. noch Knabenkleidung trug, ISchock für die Kleidung zu zahlen Mitunter sind in den Verpflichtungen die Klei-dungsstücke auch einzeln und namentlich aufgezählt. So sollte im Jahre 1615 derStiefsohn des Zacharias Görlitzer "einen Rock und Beingewand von Mitteltuch,ein Barchetwams (Barchen Wammeß), Stiefeln und Hut (Hutt)" bekommen. SeineStieftöchter hatte er, mit "einem Rock von Mitteltuch, ein Pelzel ohne Armel mitTobin und ein anders mit Armeln", mit "grob gren" überzogen, ferner einenSchweif, und ein "vor Stadten Scheubel" auszustatten. Peter Lehmann ausNr.119 wurde im Jahre 1619 d^4y verpflichtet, einer jeden Tochter Kaspar Gür-lichs "ein schwarzes Pelzel mit Armel und einen Rock von Mitteltuch" als Aus-stattung zu geben. lm Jahre 1605 verpflichtete sich Georg Scholze, aus Nr.116,des Peter Horns Tochter Katharina, wenn sie heiraten würde, mit Kleidung "wiePauers Töchtern gebürende" auszustatten und ihr.ferner "ein Leibpelzel und einPelzel mit Armeln" schneidern zu lassen; leder Qohn des Peter Horn sollte "einenRock und ein Beingewand von gemeinem Tuche, ein Barschentwams, Stiefelnund Hut" erhalten.

Die Sontagskleidung eines Bauern setzte sich in jener Zeit aus folgenden Einzel-stücken zusammen: Beingewand und Rock aus Tuch, ein Wams aus Barchent,Strümpfe, Stiefeln und Hut. Die Frauen trugen folgende Kleidungsstücke: Röckeaus Tuch, Leippelzel ohne Armel, Pelzel mit Armel, die Scheife (Vorgängerin derBoa - langer Damenkragen), das Schäubel (auch Schaube, das ist ein langes, fal-tiges Obergewand und wurde auch als Brautkleid mit Spitzen oder Pelz besetztgetragen). Damit auch in der Kleidung die Standesunterschiede gewahrt blieben,verfügte die Grundherrschaft, daß die Leute vom Dorfe dem Landvolke "verstat-tet" bekleidet sein dürfen.

Von Betten und Bettgewand wird häufig berrchtet. So sollte Zacharias Görlitzerseiner Stieftochter, "weil sie hierneben der Mutter Bettgewand im Vorrat habe, ei-nen Überzug über das Oberbette und den Pfühl (Kopfpolster) von kleiner Lein-wand (Leimet) und über das Unterbette von Mittelleinwand, dergleichen ein Mittel-tuch und von kleiner Leinwand auch ein Tuch zum Aufbreiten zu geben schuldigsein." In einem Beilaß befanden sich 1595 "2 Oberbette, 5 Pfühle und 2Bettücher."

Bei der Besprechung von Gepflogenheiten zu Hochzeiten lernen wir verschiede-ne Begriffe kennen. Der "Aussatz" war ein Betrag, der bei Käufen für die Hoch-zeit von Töchtern oder Söhnen ausgesetzt war. Während bei Söhnen eine"Hochzeit" oder eine "Wirtschaft" mit einer bestimmten Anzahl von Tischen aus-zurichten war, lag der "Aussatz" bei Töchtern wesentlich niedriger. Daraus kann

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die Schlußfolgerung gezogen werden, daß auch Hochzeiten im Hause des Bräuti-gams stattfanden. Hierzu das Beispiel:"den Töchtern eine Ausgabe auf 5 Tische oder 7 Schock dafür, den Söhnen eineHochzeit auf 6 Tische oder 12 Schock dafür."Die Mitgift der Braut nannte man " Morgengabe", die Schwiegertochter wurde die"Schnurre" genannt, der Schwiegersohn hingegen hieß "Eydtmann". Die "Doro-thea", des Christoff Körnichen Weib zu Seifersdorf , erhielt im Jahre 1605 zweimal18 Schock Meißnisch als Morgengabe. Das war zu damaliger Zeit sehr viel Geld.

Die meisten bäuerlichen Erb- oder Kaufverträge lauten im finanziellen Teil bis indas 18. Jahrhundert in "Schock Meißnisch". Dieser entsprach dem kleinen "böh-mischen Groschen", dem sieben "Kleine Pfennige" gleichgesetzt wurden.

Aus den geschilderten Besonderheiten, die das Dorfleben, insbesondere in derPrivatsphäre, prägten, lassen sich wichtige Rückschlüsse ableiten. So hatte- biszum Dreißigjährigen Kriege das Dorfleben in allen seinen Bereichen einen beacht-lichen Kulturstand erreicht. In den Jahrhunderten seit der Gründung Hennersdorfsentwickelte sich das kulturelle Leben beständig fort, allerdings unter dem Vorbe-halt, daß die Erbuntertänigkeit mit ihren Tributen, finanzieller und materieller Art,der Entwicklung des Dorfes und seiner Bewohner immer im Wege stand. Nochbis in die Mitte des 19. Jahrhunderts mußten die Bauern auf den WartenbergerFeldern Frondienste ableisten und finanzielle als auch materielle Tribute zahlen.Erst im Ergebnis des Revolutionsjahres 1848 wurde die längst unzeitgemäße Erb-untertänigkeit endgültig abgeschafft. Von da an beginnt, wie überall auf dem Lan-de, so auch in Hennersdorf, ein Aufschwung, worüber noch ausführlich berichtetwird.

Hennersdorf im Dreißigiährigen Kriege

Der Fenstersturz zu Prag und desöen Folgen

Die lutherische Glaubenslehre erreichte seit 1517 sehr bald auch Böhmen. Eswurde bereits darüber berichtet, wann sich der Glaubenswechsel zum Protestan-tismus im Bereich der Grundherrschaft von Wartenberg vollzog. Ganz Böhmen,sowohl die deutsche als auch die tschechische Bevölkerung, bekannte sich zumüberwiegenden Teil zur Reformation Martin Luthers. Was die Tschechen betrifft,so war die neue Glaubenslehre in vielen Bereichen identisch mit den Lehren desJan Hus, derentwegen schon einmal ein fürchterlicher Krieg vom Zaun brach.

Aus dem gleichen Anlaß, aus dem sich die tschechisch-hussitischen Stände imJahre 1419 gegen den König von Böhmen Sigismund erhoben, taten es im Jahre1618 die protestantischen Stände Böhmens, denen diesmal auch deutschsprachi-ge Kreise angehörten, gegen die Ernennung Ferdinands ll. zum König von Böh-men (1619 - 1637). Durch seine, im jesuitischen Geiste erfolgte Erziehung, warbekannt, daß er eine gewaltsame Gegenreformation in seinen Erblanden, insbe-sondere in Böhmen, anstrebte. Die böhmischen Stände sprachen seine Abset-zung als König von Böhmen aus und ernannten Friedrich V., Kurfürst von derPlalz, einen Protestanten, zum König von Böhmen.

Doch schon zuvor im Jahre 1618 erreichte die verworrene Lage in Böhmen ihrenHöhepunkt, als es am 23. Mai 1618 zum böhmischen Aufstand in Prag kam, dermit dem bekannten Fenstersturz auf der Prager Burg begann. An der Spitze die-ses Aufstandes stand Graf Matthias von Thurn, dessen Truppen zunächst sieg-reich blieben. Doch in der Schlacht auf dem weißen Berge bei Prag, am 8. No-vember 1620, unterlagen die Aufständischen. Durch diesen Sieg wurden die

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Habsburger wieder die königliche Dynastie im Lande, die diese schon seit demJahre 1526 im Besitz hatten. Tschechen, aber auch Deutsche, die sich zu einemprotestantischen Böhmen bekannten, waren dem harten Strafgericht Ferdi-nands ll. ausgesetzt, und mit ganzer Härte wurde die Rekatholisierung Böhmensbetrieben. Dennoch kam der Funke eines neuen, des Dreißigjährigen Krieges,nicht mehr zum Erlöschen. Wie die Hussitenkriege von 1419 bis 1436, nahmauch dieser Krieg von Prag aus seinen Anfang.

Die beiden Brüder von der Wartenberger Grundherrschaft, Balthasar und Eras-mus Hirschperger von Königshain, waren Mitbeteiligte am Prager Aufstand undder anschließenden Kämpfe. Daraus mußten sie nach der Niederlage am WeißenBerge persönliche Konsequenzen ziehen. Während die Hauptschuldigen des Auf-standes hingerichtet wurden, wurde gegenüber den weiteren Mitbeteillgten, diesewaren vornehmlich Adlige mit Grundbesitz, mit der Einziehung ihrer Güter vorge-gangen. Dieses Schicksal ereilte auch die Wartenberger Grundherren. Sie muß-ten im Jahre 1622 fliehen und blieben von da an für Wartenberg verschollen.Schon am 1 . März 1623 wurde Wartenberg Eigentum des Albrecht von Waldstein(Wallenstein), wodurch Hennersdorf wieder in die Untertänigkeit eines nicht bes-seren Grundherrn geriet.

Die Zeitspanne der Grundherrschaft der Hirschperger von Königshain war fürHennersdorf und dessen Bewohner nicht nur nachteilig. Ohne das Unrecht derUntertänigkeit der Bauern, mit den für sie zu tragenden Lasten an Zinsteistungenund Roboten verniedlichen zu wollen, kann festgestellt werden, daß sich Hen-nersdorf, trotz dieser Lasten, dennoch gut vorwärts entwickeln konnte. lm Wort-faut des Vertrages zur "Wartenberger Erbteilung" vom Jahre '1544 sind auch hu-mane Züge zu erkennen.Für die Bauern sehr zum Nachteile änderte sich das Maß der Untertänigkeit nachdem Dreißigjährigen Kriege und dauerte bis in das 19. Jahrhundert hinein an.

Von Anbeginn der Gründung Hennersdorfs um .1250 bis zum Abgange derHirschperger von Königshain von der Wartenberger Grundherrschaft im Jahre1622 ist der erste große Entwicklungsabschnitt der Geschichte von Hennersdorfund seiner Bewohner. Das Dorf konnte auf 370 Jahre seines Bestehens zurück-blicken.

Wohl nur noch wenige Ortsbewohner dürften zu der Zeit noch direkte Nachkom-men der Erstansiedler gewesen sein, denn zu groß war der Verschleiß an Men-schen in den Jahrzehnten seit dem Siedlungsbeginn. Obwohl vom Beginn derGrundherrschaft an der Grundstücksverkehr als auch der Zuzug und Weggangvon Menschen, Tieren und Gerätschaften einer Zustimmung bedurfte, habendennoch rege Bewegungen dieser Art, d.h. Besitzveränderungen stattgefunden.Der Hang zur Seßhaftigkeit dürfte sich erst im 17. Jahrhundert ausgeprägt haben.

Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges gab es in Hennersdorf 70 Bauerngehöfte,10 Feldgärtner und 32 Gärtner bzw. Häusler. Hinzu kommen noch die Kirche, dasPfarrhaus und die herrschaftliche Mühle. Unermeßlicher Mühen und Opfer bedurf-te es, ein Hennersdorf mit t12 Hausbesitzern und ca.800 Ortsbewohnern von1250 an bis 1618 aufzubauen. Dieses große Kultivierungs- und Aufbauwerk wur-de im Verlaufe des Dreißigjährigen Krieges, der weite Teile Europas erschütterte,zu einem Großteil in Schutt, Asche und Trümmer gelegt. Kriegseinwirkungen undKrankheiten, insbesondere auch die Pest, hatten zur Folge, daß sich im Verlaufevon dreißig Jahren die Bevölkerung um über zwei Drittel verringerte.

Bald nach der Übernahme der Grundherrschaft von Wartenberg in den Besitz Al-brechts von Wallenstein, des Herzogs von Friedland, wurde in diesem Herr-schaftsbereiche die Rekatholasierung eingeleitet. Vorerst wurde mehr eine äußerli-che Wiederherstellung des Katholizismus auf dem Dorfe angestrebt. Man begnüg-

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te sich damit, die geistigen Träger des Protestantismus, den Pastor und den Leh-rer auszuweisen. Um die Besitzungen der Grundherrschaft nicht noch mehr zuentvölkern, vermied man es zunächst, in den Belangen des Glaubens bei denUntertanen in den Ortschaften gewaltsam vorzugehen.

Die nach der Schlacht am Weißen Berge im Jahre 1620 einsetzende Gegenrefor-mation katholischerseits erreichte erst nach dem Westfälischen Frieden von 1648,insbesondere auch in Böhmen, ihren Höhepunkt. Dae zu der Zeit die Macht aus-übenden habsburgischen Kaiser und Könige von Böhmen, Ferdinand ll. (1619 -1637) und Ferdinand lll. (1637 - 1657), betrieben mit viel Nachdruck die Rekatho-lisierung. Sie konzentrierten sich besonders auf Böhmen, wo der verheerendeDreißigjährige (Glaubens-) Krieg begonnen hatte. Es galt hier der national-hussitisch-protestantischen Bewegung der Tschechen entgegenzutreten und ihrEinhalt zu gebieten. Das hatte für das künftige Zusammenleben von zwei Natio-nalitäten dieser Größenordnung in einem Lande sehr nachteilige Auswirkungen.

tn diesem Zusammenhange muß von einer besonderen Situation berichtet wer-den, die im Ergebnis des Westfälischen Friedens entstand und besonders fürBöhmen und die weiteren Länder der Monarchie typisch war. Während in denLändern des Reiches beiden Konfessionen, sowohl der katholischen als auch derprotestantischen, in der Praxis Toleranz zugestanden wurde, verfuhr man in denErbländern des habsburgischen Machtbereiches, insbesondere in Böhmen, ex-trem einseitig zugunsten des Katholizismus. Für Böhmen traf dies deshalb in vol-lem Maße zu, weil das Land von stark protestantisch orientierten Ländern desReiches, außer Bayern, umgeben war. Die Tätigkeiten der Jesuiten und ihre Ein-ffußnahme auch auf außerkirchliche Belange hatte zu der Zeit einen besonderenStellenwert erreicht.

Die Unduldsamkeit dieser Handlungsweise hatte zur Folge, daß viele deutscheAnsiedler in Böhmen, die sich auch weiterhin zum Protestantismus bekannten,das Land ihrer Väter, die es gerodet und kultiviert hatten, verlassen mußten. Fürdie Deutschen in Böhmen war das bevölkerungspolitisch ein unschätzbarer Ver-lust.

So flohen die Hennersdorfer Leute, die Protestanten geblieben waren, über denGebirgskamm nach Sachsen oder in die beiden Lausrtzen. Seit dem Sonderfrie-den zu Prag im Jahre 1635 waren Ober- und Niederlausitz erblicher Besitz Sach-sens geworden und dem Einfluß der Monarchie entzogen. In einer historischenAbhandlung über die sächsische Lausitz wird aus der Zeit nach dem Dreißigjähri-gen Kriege wie folgt berichtet:"Den allmählichen wirtschaftlichen Wiederaufstieg nach den z.T. erheblichenKriegsverwüstungen (Bautzen) brachte nach 1650 auch der Zuzug tschechischer,slowakischer und deutsch-böhmischer Exultanten." Demzufolge wanderten nichtnur Deutsche aus Böhmen und Mähren aus, sondern auch Tschechen. Auch ausdem slowakischen Siedlungsraum kamen Bewohner.

Von Hennersdorf liegen darüber, wie viele Einwohnerfamilien den Ort aus Glau-bengründen verließen, keine Zahlenvermerke vor. Dennoch soll in Ermangelungeines eigenen ein Beispiel aus dem Herrschaftsbereiche Friedland herausgezo-gen werden. Dort steht aus der Zeit von 1651 152 tolgendes zu lesen: "Die Herr-schaft Friedland hatte am 8.4.1655 statt 7.859 Einwohnern nur noch 3.634, weil4.225 kurz zuvor religionshalber entwichen waren. Am 12. August 1652 betrugdie Zahl dieser Flüchtlinge gar 4.568 Personen und im Jahre 1654, als der Haupt-mann Chr. Strauch von Blumenthal feststellen konnte, daß im Herrschaftsberei-che 'keine Uncatholischen Unterthanen mehr' vorhanden seien, da betrug dieZahl derer, die zur (pflichtmäßigen) österlichen Beichte gegangen waren, 2.684Personen; der jüngste davon war 10 Jahre alt."

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Dieses Beispiel kann, wenn auch nicht zahlenmäßig, so aber in der Tendenz,auch auf die Hennersdorfer Verhältnisse nach 1650 übertragen werden. Die gro-ße Anzahl verwüsteter und verödeter Gehöfte und ein großer Bevölkerungs-schwund sind die Folgen von dreißig verheerenden Kriegsjahren. Nicht genug da-mit, daß es ohnedies an Menschen im Dorf mangelte, kam erschwerend hinzu,daß nunmehr auch Menschen aus Glaubensgründen das Dorf verlassen mußten.

So wurde die durch den Dreißigjährigen Krieg und dessen Folgen schon stark de-zimierte Einwohnerzahl von Hennersdorf durch die Flucht aus religiösen Gründenabermals vermindert. Wenn schätzungsweise 2/5 der Ortsbewohner das Dorf ver-ließen, weil sie protestantisch bleiben wollten, dann hatte Hennersdorf um 16Ssetwa noch 200 Einwohner. Jene, die sich der Rekatholisierung fügten und zu-rückblieben, waren nicht imstande, das Dorf aus eigener Kraft wieder aufzubauenund die brachliegenden Felder zu bestellen. Söhne, Schwiegersöhne und sicherauch Ortsbewohner, die bisher keinen eigenen Grund und Boden besaßen, über-nahmen verlassene Gehöfte. Aus dieser Zeit resultiert auch die Häufung von glei-chen Familiennamen im Orte. Diese Feststellung soll das Beispiel belegen, daßes vor dem Dreißigjährigen Kriege nur das Gut von Nr.B9 mit dem FamiliennamenGutmann gab, im Jahre 1654 waren es jedoch vier Güter mit den BesitzernamenGutmann.

Um sich über das Ausmaß an Verwüstungen in Hennersdorf eine Vorstellung zumachen, sei noch einmal dargelegt, daß vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krie-ges, im Jahre 1618, im Dorfe 70 Bauerngüter, 10 Feldgärtner, sowie 32 Gärtnerund Häusler, die Kirche, das Pfarrhaus und die herrschaftliche Mühle vorhandenwaren. Demgegenüber wird in der Steuerrolle von 1654 nachgewiesen, daß zuder Teit 28 Bauernhöfe, 3 Feldgärtner und 6 Häuslerstellen zerstört und die Fel-der brachliegend waren. Die Folgen dieses Krieges waren für Hennersdorf so gra-vierend, daß auf seinen Beginn und verlauf kurz eingegangen wird.

Obwohl sich die Glaubensspaltung in Katholiken . und Protestanten über ganzMittel-, Nord- und Westeuropa erstreckte, stand Föhmen von Anbeginn an in be-sonderem Maße im Mittelpunkt des Geschehens. In diesem Lande standen sichnicht nur zwei Glaubensrichtungen gegenüber, hier brodelte es auch bei denTschechen in national-religiösen Belangen. lm Bestreben, die Macht des HausesHabsburg im Bunde mit der Katholischen Kirche zu festigen, nimmt Böhmen um1618 eine Schlüsselstellung ein: Böhmen ist Hammer und Amboß zugleich.

Um dieser gefährlichen Lage entegegenzuwirken, erläßt Rudolf ll. (1576-1611),dessen liebste Residenz Prag war, schon im Jahre 1609 einen an alle Bewohnerin Böhmen und speziell an die Tschechen gerichteten "Majestätsbrief". In diesemwird ihnen die freie Religionsausübung innerhalb der dem Protestantismus an-genäherten"Böhmischen Konfession von 1575" zugestanden. Auch seinemNachfolger Matthias (1612-1619) gelingt es nicht, die böhmischen Stände umzu-stimmen. Als er, da seine Ehe kinderlos blieb, seinen von den Jesuiten streng ka-tholisch erzogenen Vetter, den Herzog von Steiermark, Kärnten und Krain, Ferdi-nand ll. (1619-1637), auch die Königskrone von Böhmen verschafü, läuft das Maßim Lande über. Am 23. Mai 1618 kommt es zum Aufstand in Prag, der mit dembekannten Fenstersturz auf der Prager Burg beginnt. Sowohl die böhmischenStände als auch die Protestanten in Böhmen lehnen Ferdinand als ihren König abund berufen den Protestanten Friedrich V., Kurfürst von der PIalz, zum König vonBöhmen (1518-1620). Wegen seiner nur kurzen Regierungszeit in Prag ist Fried-rich V. als "Winterkönig" in die Geschichte eingegangen. Nach der im Jahre1620 für die böhmischen Stände und protestantischen Seite verlorenen Schlachtauf dem Weißen Berge bei Prag, flüchtete er nach Holland.

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Als Folge dieser verlorenen Schlacht setzte in Böhmen die Gegenreformation einund die Sieger übten ein strenges Gericht gegenüber den Aufständischen. Überdie Auswirkungen auf die Besitzer der Wartenberger Grundherrrschaft wurdeschon berichtet. In diese Zeit fällt das Auftreten Albrecht von Wallensteins, 1619Oberst, 1620 Fürst und 1 625 Herzog von Friedland. Als kaiserlicher Armeegene-ral kämpfte er auf katholischer Seite von Böhmen aus mit einem selbst organi-sierten Söldnerheer, welches durch ständige Requirierungen von kampffähigenMännern, Geld, Getreide, Futter und Vieh einsatzbereit gehalten wurde. Wennauch nicht direkt durch Kämpfe,, aber durch die Art und das Ausmaß dieser Re-quirierungen wurde der ganze nordböhmische Raum maßlos belastet.

Die weiteren Stationen des Krieges lagen zunächst vornehmlich auf deutschemGebiete. Erst im Jahre 1631, als die Sachsen unter Arnim, den früheren Unter-feldherrn Wallensteins, in Böhmen einfallen und auf Prag vorrücken und Wallen-stein im Gegenzuge die Sachsen wieder vertreibt, kommt auch Nordböhmen sehrzu Schaden. lm Jahre 1633 operieren abermals Wallensteinsche Sötdner vonBöhmen aus auf Schlesien zu.

Was Hennersdorf drrekt betriff, so haben regelrechte Kampfhandlungen in diesemRaume nicht stattgefunden. Der Ort und die Bevölkerung hatten vielrnehr unterdem Durchzug und den Einquartierungen von Truppen, den Requinerungen undPlünderungen sowie den im Gefolge des Krieges auftretenden Krankheiten bis hinzur Pest zu leiden. Sich den Plünderungen und der Zwangsrekrutierung in dasSöfdnerheer zu widersetzen, hatte schwerwiegende Folgen.

In einer Geschichtsschreibung über Gabel wird von dieser Zeit sehr aufschluß-reich berichtet: "Schrecklich war das Jahr 1632 besonders für die Stadt. Unbe-schreiblich die Verheerungen, welche die Sachsen unter Kalkstein, die Schwedenund auch die Kaiserlichen unter Don Balthasar de Maradas, anrichteten. Die Fel-der lagen öde und unbearbeitet. Die Ackersleute wurden teils aus ihren Wohnun-gen vertrieben, teils von dem wütenden Feinde als Geiseln in die Gefangenschaftgeschleppt. Diejenigen, welche noch im Lande blieben, mußten sich öfters vorden schwedischen Truppen mit Weibern und Kindern in Gebirgen, Wäldern,Steinhöhlen und Sümpfen verbergen." Weiter erzählen die alten Schriften, wiedie Schweden diejenigen quälten, von denen sie erfahren wollten, wo sie dasGeld und die Lebensmittel verborgen hätten. Sie schnitten ihnen die Fersen aufund streuten Salz in die Wunden. Nicht selten wurde auch die sogenannteschwedische Tränke, auch Schwedentrunk genannt, angewendet. Man band denOpfern Hände und Füße, legte sie auf den Rücken, stetkte ihnen einen Trichterin den Mund und füllte einige Töpfe von Mistpfütze in den Leib, daß derselbe sichso ausdehnte,als wolle er bersten. Hierauf wurde der Körper mit dem Kopfe nachabwärts gehoben und diese Qual zwei- und dreimal wiederholt, bis das beabsich-tigte Bekenntnis erzwungen war. Wegen dieser Unmenschlichkeit war die Furchtvor den Schweden so allgemein, daß niemand mehr zu Hause blieb und die Men-schen in die Wälder flüchteten. Beim Herannahen des Feindes hatte man bei je-der Gemeinde auf einer Anhöhe eine "Lärmstange" mit Reisig oder einen Stroh-bund aufgestellt und dabei Wache gehalten.

"Nach dem Jahre 1632 war die ganze Gegend verödet und verlassen. Da denLandleuten das Vieh aus dem Stalle geraubt wurde, sahen sie sich genötigt,selbst den Pflug zu ziehen. Es war traurig anzusehen, wie sich öfters G - B Bau-ern an den Pflug spannten, mit welchem der neunte ackerte."

fm Frieden zu Prag im Jahre 1635 kam es zwischen Ferdinand ll. von Habsburgund dem Kurfürston von Sachsen u. a. zustande, daß sich Sachsen bereiter-kfärte, nicht mehr im Bunde mit den Schweden zu kämpfen, wofür Ferdinand ll.den Preis des erblichen Anschlusses der Lausitzen an Sachsen zahlen mußte.

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Seit dieser Zeit verlagerten sich die folgenden Kämpfe mehr in die Reichsgebiete,wodurch Böhmen von weiteren Kriegshandlungen verschont blieb.

Zu den ohnedies schon schweren Jahren im Dreißigjährigen Kriege kam die indieser Zeit grassierende Pest noch hinzu. Es ist ubeäietert, daß röhon im Jahre1600 in Hennersdorf 390 Menschen an den Folgen der Pest zu Tode gekommensein sollen. Weitere Pestjahre waren 1632, 1633, 1648 und 16g0. lm lJtztgenann-ten Pestjahre brach die Krankheit im Wrtshause "Zum Rössef" in Wartenbergaus, wo sie durch einen Fremden, der dort übernachtete,eingeschleppt wurde.Schon bald darauf verstarb der Rösselwirt und die "schwaÄ" Krani<heit griffrasch um sich. Viele Erkrankte wurden außerhalb der Stadt gebracht. Sie lageienin den Auewiesen entlang der Polzen, die Toten wurden aui Karren geladen undzur Beisetzung auf eigens dafür bestimmte Plätze gefahren. Mit fäfUrfine ge-strichene Kreuze an den Häuserwänden bezeichneten die Anzahl der Toten undwarnten zugleich davor, diese Häuser zu betreten.

Die Pestsäule auf dem Marktplatz von Wartenberg

Zum Dank für die Abwendung der Pestkrankheit war es üblich, daß man inStädten und Marktflecken auf dem Marktplatz Pestsäulen errichtete. So geschaheg auch in Wartenberg, wo kirchticherseits seit dem Jahre 1683 der Gelöbnistag"Maria Opferung" eingeführt wurde. Dieser Gedenktag blieb bis in unsere Tageerhalten. Viele Hennersdorfer pilgerten jedes Jahr im November zu ,,Maria- Opie-rung" nach Wartenberg.

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Besonders eindrucksvoll ist die Pestsäule auf dem Gabler Marktplatze gestaltet.Sie wurde im Jahre 1684 in Dankbarkeit für die Überwindung der Pest des Jahres1680 errichtet. Eine hochragende, massive Mittelsäule aus Sandstein trägt dieStatue des triumphierenden Heilands. Symbolisch für das Ende des Pest-schreckens und den Sieg über den Tod steht die Statue des Heilands auf einemSkelett. Umgeben ist die Pestsäule von den 13 Heiligenstatuen: der hl.JungfrauMaria, St.Josef, St.Wenzel, St.Sebastian, St.Rosalia, St.Joachim, St.Johannesder Täufer, St.Johann von Nepomuk, St.Johanna, St.Vincens, St.Adelbert,St.Laurentius und St.Florian

Aus der Entstehungszeit der Gabler Pestsäule blieb noch eine Inschrift, z. T. nurnoch in Fragmenten, erhalten: "Du triumphierender Jesu, vermenschter Gott,glorreich hast abgesiegt die Hand wie Gott den Tod durch Deiner Mutter, Gottund Deines Sieges Zeichen, wolltest uns Deine Gnaä, Huld und Segen allzeit rei-chen. Beschütz uns allzusam, insbesondere diese Stadt, welche zu Ehren Dirdiese Säule gesetzt hat. Durch Deiner Bürger und unserer Patronen. Hier zeitlichwolltest und ewig dort verschonen durch dieses Mal. Anno 168/".

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Pestsäule auf dem Deutsch-Gabler Marktplatz (Vom Süden gesehen)

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Unbeschreiblich war die Trostlosigkeit nach dem Dreißigjährigen Kriege. Die Pest-jahre vor, während und danach, die hohe Sterberate im Gefolge des Krieges unddie Abwanderungen aus Glaubensgründen verminderten die Einwohnerzahl vonca.800 vor Kriegsbeginn im Jahre 1618 auf noch etwa 200 Einwohner um dasJahr 1650. Einen ebenso trostlosen Zustand boten die Gebäude im Dorfe. Vonden 70 Gehöften, 10 Feldgärtnereien und 32 Häuseln im Jahre 1618 waren nachdem Kriege um 1650 28 Gehöfte, 3 Feldgärten und 6 Häusel total verwüstet, d. h.dem Erdboden gleichgemacht. Desweiteren waren viele Gebäude z. T. abbruch-reif beschädigt oder in einem stark reparaturbedürftigem Zustand. lm Ackerbaulag alles brach darnieder, die Felder waren total abgewirtschaftet, es fehlte anMenschen und Haustieren, insbesondere Zugtieren. An Acker- und sonstigen Ge-räten war vieles abhanden gekommen oder unbrauchbar geworden. Der begin-nende Wiederaufbau von Hennersdorf kam praktisch einem Neubeginn gleich,und es bedurfte einer Zeitspanne von über einem Jahrhundert bis alleKriegsschäden beseitigt, die Einwohneranzahl aufgestockt, die Gehöfte, Feldgär-ten und Häusel wieder bewohnt und auch alle Felder wieder in Kultur genommenwaren.

Das schon einmal erwähnte kleine "Gebendorf" wurde durch die Kriegseinwirkun-gen total verwüstet und entvölkert. Als die "Wächter" genannt, ließen sich dienoch Uberlebenden von vier Familien in Hennersdorf nieder und bauten für ihreUnterkünfte später die Häusel von Nr.185, Nr.186, Nr.187 und Nr.188.

Die heillose Lage und den verheerenden Verfall Hennersdorfs nutzte die Grund-herrschaft von Wartenberg durch Landnahme von Ackerland aus der Hennersdor-fer Ortsflur für sich aus. Es wurde bereits darüber berichtet. Es handelte sich umzwei größere Güter, die ihren Standort in der an Wartenberg angrenzenden, west-lichen Ortsflur hatten. Deren letzte Besitzer hießen mit Familiennamen Eliger undTischer. Eine weitere Landnahme zu Lasten der Hennersdorfer Ortsflur erfolgtean der südlichen Ortsflurgrenze entlang dem "Hegeholze" und betraf das Gut vonNr.2.

Was den Wiederaufbau der Gebäude nach dem Dreißigjährigen Kriege betrifft, sokann festgestellt werden, daß die Bauern, obwohl es an vielem mangelte, räum-lich großzügig bauten, wobei viele Erfahrungswerte aus den vergangenen Jahr-hunderten mit einflossen. So wurden eine günstige Hoflage, verbesserte Wohnbe-dingungen sowie geräumigere Ställe und Bergeräume in der Projektierung undBauausführung berücksichtigt. Drei typische Gehöfte blieben als Zeugen aus derdamafigen Teit des Wiederaufbaues nach dem Dreißigjährigen Kriege um 1650bis 1945 erhalten und waren noch bewohnt. Es sind dies die Gehöfte der Wirt-schaften von Nr.7,Nr.1 13 und Nr.1 71 .

Auf der Aufnahme auf der nächsten Seite ist sehr anschaulich die südlicheHausgiebelfront des Gehöftes von Nr. 113 dargestellt. Gut zu erkennen ist dasnoch im Jahre 1945 vorhandene Strohdach, nicht nur des Wohnhauses, sondernauch des im rechten Winkel zum Wohnhaus stehenden Scheunenteiles. Baldnach 1945 wurden diese Gehöfte völlig abgerissen.

Die weitaus schwierigste Arbeit und für die Menschen eine unvorstellbare Plagewar in den Jahrzehnten des Wiederaufbaues die Fortführung des Ackerbaues unddie Neukultivierung der brachliegenden Flächen. Es mangelte an allem und insbe-sondere an Zugvieh. In der Tat, die Katastrophe war so total, daß sich Menschenvor den Pflug spannten, uffi eine flache Furche zu ziehen und weiter mit Ackerge-räten zu bearbeiten. Die Erträge aus der anfänglichen Feldwirtschaft und demViehbesatz waren zu gering, als daß außer den Naturalmengen an die Grundherr-schaft noch ausreichende Mengen zur Ernährung der Bauernfamilie, des Gesin-des und für das Vieh übrigblieben. Was seinerzeit in Hennersdorf geschah, warein Opfergang seiner Bewohner, in maßloser Armut und Not!

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Gehöft von Nr.1 13

Nach dem Dreißigjährigen Kriege waren der gesamte deutsch besiedelte Grenz-raum Böhmens, ja das ganze Land und weite Gebiet des Reiches stark ent-völkert. So ist kaum anzunehmen, daß in der nach dem Westfälischen Friedenvon 1648 einsetzenden Aufbauphase, die sich über mehrere Jahrzehnte bis indas folgende Jahrhundert erstreckte, besondere Hilfe von außerhalb kam. Dienoch übriggebliebenen Bewohner von Hennersdorf mußten daher mit dem Wie-deraufbau aus eigener Kraft fertig werden, denn der Zuzug aus dem sächsisch-fausitzisch-schlesischen Räumen war ungleich geringer als in der Teit nach demHussitenkriege. Nur durch gegenseitige Unterstützung und Gemeinschaftsarbeitwar der Wiederaufbau nach 1O4B möglich.

Was die nahezu zum Stillstand gekommene Zuwanderung von außerhalb betrifft,so entstand dieser Zustand aus einer besonderen Situation heraus, die sich fürden Fortbestand und einer noch möglichen Ausweitung des deutschen Siedlungs-raumes in Böhmen sehr negativ auswirkte. Die vom Jahre 152T an geltende ge-setzliche Verfügung der Zulässigkeit des nur katholischen Glaubens in Böhmenwirkte sich für das Land nach dem Dreißigjährigen Kriege wie eine " Einwanderer-spene" in der Weise aus, daß aus den Böhmen umliegenden Ländern, die, außerBayern, überwiegend protestantisch waren, außer Katholiken keine weiteren Zu-wanderer nach Böhmen gelangen konnten und wotlten. Mit dieser Verfügung hatF.enlt13ng ll., als Uhreber und Ausführender derselben und durch die ihm totg"n-den Könige von Böhmen: Ferdinand lll. (1637-1657), Leopotd l. (1657-170S);Jo-sef f.(1705-17111, Karl Vl. (1711-17401 und Maria Theresia (1740-1780), denDeutschen in Böhmen einen sehr schlechten Dienst enuiesen. Erst als der durchseine Reformen bekannte Kaiser und König von Böhmen Josef ll. vom Hause

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Habsburg- Lothringen, mit seinem "Toleranzedikt" von 1781 zugunsten der nichtkatholischen Untertanen die Verfügung Ferdinands ll. aus dem Jahre 1627 außerKraft setzte, durften vom Gesetz her auch Anhänger anderer Konfessionen nachBöhmen und die übrigen Länder dbr Monarchie zuwandern. Für das Anwachsendes Siedlungsraums der Deutschen in Böhmen war es aber bereits zu spät, dennzu der Zeit war die bekannte "Sprachgrenze", die den deutschen vom tschechi-schen Siedlungsraum trennte, längst entstanden und gezogen.

An dieser Stelle soll darauf eingegangen werden, daß der deutsche Volksteil inBöhmen, gemessen an der allgemeinen Bevölkerungsdichte im Lande, vor demDreißigjährigen Kirege schon so erstarkt war, daß er auch Menschen in den mit-tefböhmischen Raum abgeben konnte. Es war zu keiner Zeit so, daß die Deut-schen in ihren Siedlungsräumen völlig isoliert und abgeschirmt von den Tsche-chen lebten. Was Hennersdorf betrifft, so liegen über die Abwanderung von Orts-bewohnern in das nahe tschechische Gebiet in den Schöppenbüchern Aufzeich-nungen im Zeitabschnitt von 1590-1630 vor. Bevorzugtes Ziel waren Gebiete zubeiden Seiten der lser, einem Nebenfluß der Elbe. Aber auch ins LandesinnereBöhmens übersiedelten Hennersdorfer. Ungefähr 30 Leute wechselten damals ins"Böhmische" über, worüber in einigen Beispielen berichtet wird:

Benatek - Bez. Jungbunzlau - an der lser"Magdalena Andres Sömmertes hinderlassene Wittibe von Benatken."Andres Sömmert stammte aus der Wirtschaft Nr. 174 (1617).

Hrdforez - Bez. Jungbunzlau - an der lserDer aus Nr.1 13 stammende Jakob Otte war mit einer geb. Schubertaus Nr. 182 verheiratet und wohnte in diesem Orte (1604-1618).

Lin - Bez. Münchengrätz - an der lser"der Bergk Steyer wegen ihrer Vettern zum lihn aus Böhmen (1598)."

Kreschmost - Bez. Münchengrät z - an der lser o '

"Habel Publigk vom Kreschmost" (1600). Publigk war mit einerHennersdorferin verheiratet.

Radelitz - Bez. Münchengrätz - an der lser"der Barbara zu Radelitz" (1619). Diese Frau war eine geb. Steyeraus Nr. 35.

Straka - Bez. Jungbunzlau - an der lserDie in Straka wohnhaften Hennersdorfer Georg Hammerlen (1619) und GeorgSchneider (1604-1 6241 hatten Erbansprüche auf Nr. 182. Des Georg SchneidersFrau war eine geborene Hammerlen aus Nr. 190. Georg Seidel und Adam Seidelin Straka hatten Erbforderungen auf Nr. 37. Des Adam Seidels Frau war einegeb. Leubner aus Nr. 1 73.

Weißwasser - Bez. Münchengrätz - Georg Künzner aus Nr. 105 wohnte daselbst(1606).

Wefwarn - Bez. Kralup - "Lorentz Scheybel Hindern Welwar in Böhmen lst under-thennig Herrn Borine" (1602) . Er stammte aus Nr. 12.

In einigen Fällen stehen im Schöppenbuche an Stelle ddr Ortschaften lediglichdie Vermerke "in Böhmen" oder "im Lande Böhmen", so z. B.:

"Merten Schneider in Böhmen" (1604) - "Georg Mentzel Auß dem landt zuBöhmen" (1616), er war mit einer Tochter des Peter Horn aus Nr. 83 verheiratet.Der Bruder des Paul Steyer in Nr. 29, Adam Steyer, wohnte von 1587 bis 1625

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"in Böhmen", ein "Hanß.schubardt in Böhmen" (1620) hatte Erbansprüche aufNr. 182.

Als Hennersdorfer zu jener Zeit den Ort verließen, war einer der Beweggründe,auf besseren Böden wirtschaften zu können. Diese Voraussetzungen botän sichim nicht allzu entfernten Gebiet der lser, wo sich zu beiden Seiten des Flussesfruchtbare Auen, Wesen und Felder erstreckten. Sicher bedurften derlei Abwan-derungen der Zustimmung der Grundherrschaft, doch es ist kaum anzunehmen,daß es Vorstößte zur Ausweitung des schon bestehenden deutschen Siedlungs-raumes waren.

Seit der Zeit vor dem Dreißigjährigen Kriege war der Umfang der deutsch besie-delten Räume in Böhmen und Mähren mit wenigen, Ausnahmen konstant. Bereitsansässige und auch zugezogene Besitzer der Wirtschaften konnten sich vom 1g.Jahrhundert an zwar mühsam aber stetig so entwickeln, daß sie seßhaft wurden.Die Nachfahren dieser Generationen des Aufbaues nach deni DreißigjährigenKriege hatten vom 18. Jahrhundert an in der weiteren Generationsfolg"-i'nr" ö"-höfte stets in Familienbesitz, zum größten Teil bis 1g45.

Auf der folgenden Abbildung sind die deutschen Siedlungs- und Sprachgebiete inBöhmen und Mähren dargestellt.

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Wallenstein war seit 1623 Besitzer der Grundherrschaft von Wartenberg. Als gro-ßer Feldherr, ständig in das Kriegsgeschehen verwickelt, hatte er wohl nie dieGelegenheit, seine neue Grundherrschaft näher kennenzulernen. Einen Monat vorseiner Ermordung in Eger, im Januar 1634, verkaufte er Wartenberg an seinenObersthofmeister, den Grafen Christoph Paul von Liechtenstein. Dieser besaß dieGrundherrschaft bis zum Jahre '1714. 14 Jahre im Dreißigjährigen Kriege und wei-tere 66 Jahre in der schwierigen Zeit des Wiederaufbaues oblagen die obrigkeitli-chen Rechte und Pflichten diesem Adelsgeschlecht. Der Wiederaufbau und ins-besondere der Bevölkerungszuwachs im Dorfe nahmen in der Folgezeit einen gu-ten Verlauf. Schon im Jahre 1677 zählte Hennersdorf wieder 440 Kommunikat-nen, d. h. Ortsbewohner vom 12. Lebenslahre an. Werden die Kinder unter 12Jahren hinzugezählt, so dürften im genannten Jahre etwa wieder 520 Einwohnerirn Orte gelebt haben. Aus eigener, bodenständiger Kraft und nur durch geringeZuwanderung von außerhalb nahm die Bevölkerung von Jahrzehnt zu Jahrzehntzu. Die Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges wurden überwunden und-des-weiteren auch die Felder wieder in Kultur gebracht. Die grqße Erwartung aber,daß für die Untertanen die Zeit geringerer Tribute an die Origkeit kommen werde,erfüllte sich nicht, im Gegenteil. Für die Bauern und alle weiteren Untertanen derGrundherrschaft begann nach dem Dreißigjährigen Kriege eine noch härtere Zeitan Verpflichtungen als zuvor. Die noch erträglichen Schuldigkeiten von damalsschlugen um zu einer kaum erträglichen Last in der Zeit nach diesem Kriege, d.h. nach 1650.

Der Obrigkeit war es gestattet, willkürlictr und nach ihrem eigenen Ermessen dieTributverpflichtungen der Bauern festzulegen. Die außer persönlicher Arbeit andie Grundherrschaft zu erbringenden weiteren Leistungen an Naturalien undGeldzins waren bei dem Leistungstiefstand der Bauernwirtschaften zu damaligerZeit, kaum mehr und nur zum Schaden ihrer selbst zu erbringen. Die zunehmen-den Obrigkeitsrechte gipfelten in einer unerträglichen Unterdrückung und Ausbeu-tung des Bauernstandes bis in das 19. Jahrhundert. Alle Versuche der Bauernzur Selbsthilfe durch Einsprüche bis hin zu Aufständen, ihr Los zu mildern, schei-terten und verschlechterten die Lage eher noclu Noch viele weitere Jahrzehnteder Untertänigkeit mußten die Bauern ertragen, bis Kaiser Josef ll. (1280-1790)im Jahre 1781 die Aufhebung der Leibeigenschaft anordnete. Dennoch aber blie-ben die Bauern mit leicht geminderten Verpflichtungen noch solange Untertanen,bis im Revolutionsjahre 1848 der Grundherrschaft das Recht endgültig entzogenwurde, über die umliegenden Dörfer und deren Bewohner zu verfügen.

Die Dorfkirche "St. Mariä Geburt" zu Hennersdorf

An dieser Stelle soll noch einmal auf die Geschichte der neuen Dorfkirche einge-gangen werden. Es ist bereits bekannt, daß diese Kirche nach einer Bauzeit von1698 bis 17O1 erbaut und im nächsten Jahre zu Ehren von "Mariä Geburt" ge-weiht wurde. Das schnelle Reagieren des damaligen Patronatsherrn, des Grafenvon Lieclttenstein, zum Neubau einer so stattlichen Kirche, steht im Widerspruchzur großen Not und Armut in der damaligen Zeit.

Andererseits ist dieser Kirchenbau bemerkenswert und spricht firr clen StellenwertHennersdorfs innerhalb des Herrschaftsbereiches von Wartenberg. In der Bau-austülrrung ist die Hennersdorfer Barockkirche in den Außenfassaden einfach undunauffällig würdig gehalten.

Umso prunkvoller und zahlreicher an religiösen Motiven ist der Innenausbau derKirche gestaltet, der durch eine umfassende Restaurierung, einschließlich der Or-gel, in den Jahren von 1934 bis 1945 in herrlichem Glanze neu erslrahlte.

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Die Hennersdorfer Dorfkirche "St. Mariä Geburt"Südseite

Eine Innenaufnahme von der Dorfkirche zur weihnachtszeit

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Auf eine Anfrage über den kirchgeschichtlichen Ablauf und die innere Ausgestal-tung der Kirche gab der letzte deutsche Ortspfarrer von Hennersdorf, Geistl. RatDechant Josef MariaTittel, die folgende Darlegung:

"So gut es geht, will ich lhrem Wunsche entsprechen, nur dürfen Sie nicht allzu-viel von mir erwarten. Meine 86 Lebensjahre und die 37 Jahre seit der Aussied-lung haben wenig Erinnerungen übriggelassen.

Mit 1.9.1931 wurde ich Pfarrer von Hennersdorf, nach Abgang von Pfarrer MartinRausch, der angeblich 15 Jahre Plarrer in Hennersdorf war. Vor ihm war AdolfPlischke Pfarrer und übersiedelte nach Klagenfurt in den Ruhestand.

Hennersdorf, lateinisch Henrici-villa, war mit Wartenberg verbunden, und ich weißnicht, wann es wieder selbständige Pfarre wurde. Die Pfarrgutstücke blieben beider Trennung weiter bei Wartenberg und wurden zu meiner Zeit noch von PfarrerJosef Steffan in Wartenberg verpachtet. Nach 1918 konnten HennersdorferPächter Pfarrgrund erwerben. lch erinnere mich, daß Pfarrer Steffan Schwierigkei-ten hatte.

Das Pfarrhaus soll vor der Abtrennung von Wartenberg Schulhaus gewesen sein.Pfarrer Plischke ließ das Holzhaus innen verrohren und verputzen und malern,äußerlich mit Holzbrettern verschalen.

Patron der Pfarre Hennersdorf war der Reichsgraf Johann v. Hartig in Niemes,und dem Patronatsamt oblag die äußere Erhaltung von Kirche und Pfarrhaus. Einfreiwilliger Kirchenerhaltungsverein öffentlichen Rechts in Hennersdorf sorgte fürdie Innenausstattung der Kirche und vor allem für die Anschaffung von drei neuenGlocken nach dem ersten Weltkrieg. Sie trugen die Inschrift: Eigentum der Ge-meinde Hennersdorf.

Unter Pfarrer Rausch wurde um das Jahr 1909.die Kirche vom KirchenmalerNeumann aus Rumburg ausgemalt. Drei Deckengemälde aus dem Leben Mariä,ein gemafter Orgelprospekt mit dem Bitd der Hl. Zäzilia und schönen Ornamentenim Altarraum. Hochaltar, Seitenaltäre und Kanzel wurden zu meiner Zeit vom Ver-golder und Maler Hawlisch in Niemes vollständig und stilgerecht renoviert.lch sel-ber konnte dabei eine ganze Reihe fehlender und wurmstichiger Verzierungen er-neuern, da mein Vater, der vorher Kunsttischler war, mir mit Rat und Tat zur Sei-te stand.

Zur Innenausstattung der Kirche ist zu berichten, das große Hochaltarbild stelltMariä Geburt dar. Der 8. September war jährliches Patronatsfest. Über den Sei-tendurchgängen des Hochaltars standen große Figuren von St. Joachim und An-na, den Eltern Marias. Die schöne Kanzel war mit den Bildern der abendländi-schen Kirchenväter geziert: Ambrosius, Augustinus, Hieronymus und Papst Gre-gor. Gegenüber der Kanzel war der Kreuzaltar mit Kreuz, Maria und Johannes, inder Mitte ein Bild des Hl. Antonius v. Padua. Das Bild des rechten Seitenaltarszeigte den Tod des Hl. Josef. Das Bild des linken Seitenaltares zeigt die Hl. Mut-ter Anna mit Maria und dem Jesuskind. Zwei Figuren: Johannes d. Täufer undSebastian, dazwischen in einem kleinen Glaskasten das Prager Jesuskind. Ge-genüber dem Seiteneingang war ein Herz-Jesu-Altar, der in der Karwoche alshl.Grab und zu Weihnachten als Krippe umgebaut werden konnte. Auf demPfarrboden hatte ich barocke, auf Bretter gemalte Krippenfiguren entdeckt, dieich erneuerte und in der Weihnachtszeit in einem selbsigeb"rlen Stall aufstellte.Unter der Orgelempore hingen zwei große Bilder. Eins von Heinrich Hinkenikelsigniert mit den hl. Vierzehn Nothelfern.

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fn der Vorhalle des Haupteinganges wurde zu meine r Zeit eine Figur der Hl. The-resia v. Kinde Jesu von Frl. Mariä Steier zum Dank nach einer wunderbaren Hei-lung von lebensgefährlichem Tetanus gestiftet.

Die Vorhalle wurde durch ein kunstvolles Eisengitter abgesichert, welches vonBaumeister Jaksch in Wien entworfen und von SöntosserÄeister Vogt ausgeführtwurde. So konnte die Kirche gut durchlüftet und zugleich diebessisChet gööffnetbleiben.

Am 4. August 1946 wurde ich nach Mecklenburg ausgesiedelt und mein Nachfol-ger in Hennersdorf wurde Plarrer Johann Böhm, da seine Pfarrei Gablonz b. Nie-mes aufgelassen wurde. Später wurde er nach Niemes versetzt, wo er auch ver-starb.

Was mit den Hennersdorfer Matriken, der Chronik und anderen Büchern gesche-hen ist, weiß ich nicht.

ln Feldberg konnte ich 1971 mein goldenes (50) und 19g1 mein diamantenes (60)Priesteriubiläum feiern. Seit 1971 bin ich Rentner, darf im pfarrhaus wohnen undlann noch täglich die Hl-Messe feiern, ein unverdientes Gesclrenk der göftlichenGüte.

Es grüßt sie und alle meine ehemaligen ffarrkinder

herzlichst

lhr alter Heimatpf arrer

Josef Maria Tittel"

Die nun folgenden Aufnahmen sollen die Erinnerung an unsere Dorfkirche bildhaftund gedanklich noch vertiefen:

Dorfkirche Nordseite(Aufnahme nach 1945)

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Herz Jesu Altar

Herz Jesu Altarmit Weihnachstkrippe

(Teilaufnahme)

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Blick auf die Kirche vom Osten

Eingang zur Kirche vom Süden

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Das Kirchengrundstück wurde so groß bemessen, daß sich um die Kirche derDorffriedhof anlegen ließ. Eine breite, aus Feldsteinen errichtete Friedhofsmauer,die gegenüber der Wobischmühle eine beträchtliche Höhe erreicht, umgibt dasgesamte Kirchengelände. Entlang der Innenseite des Friedhofes standen Linden-bäume, die mit ihren schattenspendenden Laubkronen zur friedlichen Stitte einerletzten Ruhestätte besonders beitrugen. Am Friedhofsausgang zum Oberdorfstand eine zu unserer Zeit leere Kapelle, die sicher zu Teiten des Kirchenbauesmit errichtet wurde . Zum Abstellen von Gerätschaften des Totengräbers befandsich an der Südwestecke des Friedhofes ein massiv erbauter Schuppen. Von derNord- und Südseite führten Fahrwege auf den Friedhof, von der Osiseite gelangteman auf einem Gehwege mit steinstufen auf den Kirchhügel.

Ermittlungen durch die Königliche Statthalterei zu prag

Von der Königlichen Statthalterei zu Prag wurden durch die "steuerrolle" im Jah-re 1656 und die "Bekenntnistabelle" von 1719 alle landwirtschafllichen Be-sitzstände im Lande Böhmen erfaßt. Durch beide Emittlungen sollte festgestelltwerden, wie groß die Verwüstungen durch den Krieg waren, in welchem Umfangedie Felder brach lagen und wie groß die Viehbestände waren. Was den Bereichder Grundherrschaft Wartenberg betrifft, so besteht bezüglich der "Bekenntnista-belle" folgender Vermerk: "Bekenntnis Tabella für die im buntzlauer Crais liegen-de Herrschaft Warttenberg und daß darbey befindlichen Stadtls und Dorfschaften,,(Verfaßt "zufolge Patent der Königl. Statthalterey in Prag v.2. Martij Ao 1713,,). Ineinem weiteren Vermerk zu den Eintragungen in die Bekenntnistabelle steht ge-schrieben: "Nahmen des Possesoris, welcher zur Zeit der Ersten visitation oderrevisitation den Grundt lhnen qehabt, dern darinnen Wyrthe, pauern, Calupuern,Gärtnern und Häußlern."Aus affem, was darüber zu lesen steht, ist zu erkennen, daß zum Zeilpunkt der"Bekenntnistabelle" von 1713 die Schäden des Dreißigjährigen Krieges bei wei-tem nicht behoben waren. Man liest auch darüber,.daß Bauörn auf <len Hof ,,ge-setzt" wurden, was nichts weiter bedeutet, als daß mit Genehmigung des Grund-herrn freie Gehöfte und weitere Besitze durch die Dorfrichter vergeben wurden.

In Belangen der Besteuerung wandte sich die Königliche Statthalterei in pragnicht an die Bauern direkt. Vielmehr, und das resultiert aus dem Verhältnis derErbuntertänigkeit, war die Grundherrschaft für das Steueraufkornmerr in ihrem Be-reiche verantwortlich. So oblag es auch der Grundherrschaft von Wartenberg, so-wohl die Steuerrolle von 1654 als auch das Einbekenntnis des untertänigenGrundbesitzes vom Jahre 1713 anzufertigen. Die Eintragungen in der Bekenntnis-tabelle sind z- T. so unklar abgefaßt, daß eine sichere fntsJneiOung darüber, wel-chem Besitz dieselben zuzuordnen sind, sehr gewagt erscheint.

Bei dieser Niederschrift der Ortsgeschichte beschäftigt, weil nicht nachweisbar,weniger die Frage, woher die im Verlaufe der Jahrhunderte nach Hennersd ort zu-gezogenen Leute kamen. Viel mehr Aufmerksamkeit wird den Familiennarnen ge-widmet, denn in mehr oder weniger veränderter Schreibweise erschernen vieledieser Namen irnmer wieder und finden Anschluß zu den meisten Fanriliennamenvon 1945. Mit großer Sicherheit läßt sich deshalb auch die Erkenntnis ableiten,daß mit nur wenigen Ausnahmen die Vorfahren der Besitzer von 1g4S erst im 1g.Jahrhundert auf ihren Höfen in Hennersdorf seßhaft wurden. Sie, die Träger die-ser Familiennamen, waren zwar schon durch viele Generationen vorher orts-ansässig, doch an einen Erbbesitz ständig gebunden waren sie in der Mehrzahlder Fälle jedoch erst vom 18. Jahrhundert an.Trotz der bereits geäußerten Bedenken, bezüglich der Auswertbarkeit der Be-kenntnistabelle von 1713, soll an einigen Beispielen dennoch dargelegt werden,wie sich die Namensfolge der Besitzer von Gehöften in den Zeitabständen ottizt-eller Ermittlungen bis zur Seßhaftigkeit vollzog.

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Tabelle 7

Besitzername Besitzernamerm neuen in der Steuer-Schöppenbuche rollevon von1580 b2w.1595 1654

Besitzernamein der Be-kenntnista-belle von1713

BesitzernameimJahre1 945

MatthesThomas

JacoffKuenczener

WenczelHennrich

MichelOtthe

ChristophKüntzener

ValtenWoerner

PeterHorn

PeterLihmen

ChristoffGirlich

MatthesLihmen

MartinBrandt

MichelMildner

ChristoffScherfman

JanHöllebrandt

GirschikKüntzner

ChristophLange

LorentzSchäffer

Küntzener

JacobKüntzner

PeterHorn

MathesLehmann

ChristophGörlich

JolarLehmann

MichlLehmann

GeorgScholz

GirschikStrubel

HannßHüllebrandt

FranzGlathe

KarlHillebrandt

JosefKünstner

JosefSchröter

AntonSchäfer

EmilieKünstner

HeinrichLehmann

FranzGürlich

FranzLehmann

JosefGürlich

RudolfScharfen

Fam. Kühn -Prag

FranzLehmann

BrunoZimmermann

AntonGürlich

AntonTeumer

HannßKüntzner

EliasWerner

CasperSchäffer

Küntzener

GeorgeSchrütter

GeorgHorn

EliasLehmann

CasperGörlich

HannßLehmann

GeorgeLehmann

EliasLehmann

CasperZimmermann

ValtinStrubel

HannsStrubel

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Schon an diesen wenigen Beispielen von 16 Gehöften ist die Vielzahl der Besit-zer - Farniliennamen zu erkennen. Es fällt auch eine Häufung von Familiennamenauf, über deren Entstehen bereits berichtet wurde. Die Anzahl der Familiennamenim Orte ist natürlich um ein vielfaches größer.

Zum besseren Verständnis und Kennenlernen aller in der"steuerrolle" von 1654namentlich genannten Besitzernamen seien dieselben in der niedergeschriebenenReihenfolge nach laufender Eintragungszahl genannt:

Christoph Prockoph, Christoff Scharffman, Michl Lehman, John Lehman, FanHöllebrand, Jacob Veith, Lorentz Schäffer, Michel Steier, Michel Zimmermann,Christoff Thumerth, Christoff Reinelt, Christoph Brandt, Jan Scheibel, GirschikKüntzner, Casper Steyer, Girschik Strubel, Georg Scholz, Jacob Küntzner, MichlScholz, Valtin Henich, Peter Horn, Girschik Schaffer, Girschik Kuche, paltzerRenger, Michel Reinelt, Jan Steyer, Christoph Görlich, Mathes Lehman, JanGuth, Michel Steyer, Georg Küntzner, Jakob Küntzner, Girbchik Steyer, GeorgWollman, Marthin Schöne, Jacob Wollmann, Christoph Lange, Wagnerowsky,Winserowsky, Buchnelsky, Pinkowsky, Hoffmanowsky, Hendrichowsky, Gu-towsky, Pinkowsky, Hornowsky, Wernersky, Lehanowsky, Hybnerowsky, Ellyge-rowsky, Fischnowsky, Schulzowsky, Gellertowsky, Kluzesowsky, Turnsowsky,Lehmanowsky, Schwarz-Pechowsky, Pelensky, Winserowsky, Christoph Schwarz,Chr.Jan Lehman, Casper Lehman, Jutowsky, Strulowsky, Künzerowsky, MichelZimmermann, Chr.Prokop, Matthes Künstner, Chr.Jann, Jan Guth, Matthes Hoff-man, Elias Strubel, Georg Brandt.

Die zur slawischen Schreibweise hin akzentuierten Familiennamen und weitereBemerkungen, wie z. B. "Guttowsky Druhy = der zweite Guttmansche oderGuttsky Czwrty = der vierte Gutt(mann)sche", sind schon mehrfach erwähntworden. Das kam daher, daß zu jener Zeit und während folgender Jahrhunderte,mit nur wenigen Ausnahmen, die Grundherrschaft dem Namen nach deutsch war,die Verwaltung aber zum überwiegenden Teil durch tschechische Beamte, die da-mals noch "böhmische" Beamte genannt wurden, abgewickelt wurde. Das galtfür den grundherrschaftlichen Schreiber bis hin zum Beamten in der KöniglicÄenStatthalterei in Prag.

In diesem Zusammenhange sei hier vermerkt, daß die deutsche Sprache inBöhmen wegen ihrer Bedeutung im Jahre 1627 offiziell zweite Landessprachewurde. Dennoch dominierte die tschechische Sprache in der Königlichen Statthal-terei zu Prag bei Verhandlungen und im Schriftverkehr als Amtssprache. Ebensoverhielt es sich in den deutschsprachigen Teilen des Landes, wo meistensdeutschstämmige Besitzer der Grundherrschaft waren, wie es auch in Warten-berg der Fall war.

Nach der Bekenntnistabelle von 1713 zählte Hennersdorf 152 Besitzungen, diesich in 66 Bauernwirtschaften, 10 Feldgärten, 33 Häusler und 43 "AusgediengteHäußel" aufgliederten.

Von den 66 Bauernwirtschaften und 10 Feldgärten werden die folgenden Besit-zernamen genannt: Christoph Prokoph, Chr. Scharffmann, Elias Lehman, HannßLehman, George Lehman, Hannß Hüllebrandt, Michel Schrötter, CasperSchäffer, Michl Küntzner, Casper Steyer, Heinrich Kühnel Nad., Michl Küntzner,George Brand, Valten Scheibel, Hannß Küntzner, Casper Steyer, Valtin Strubel,Casper Zimmermann, Michl Scholtz, Casper Tomas, Clrr. Stru6el, George Horn,George Schafer, Hannß Niesig, Chr. Ranger, George Reinelt, George bchafer,Casper GÖrlich, Elias Lehmann, Georg Werner, Christoph Steyer, ChristophMießig, George Schrütter, Hannß Steuer, Chr. Wollman, Hennrich Hullebrandt,Valtin Vogtin, Elias Werner, George Krauß, George Schultz, Michel Müldner,Hannß Voith, Michel Voith, Michl John, Georg Görlich, Christoph Jona, Michl

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Horn, Chr. Küntzner, Michl Lehmann, Michel Scharffmania, Christoph Voith, Hen-rich Kühnel, Jacob Richter, Hanns Schaffer, Michl Schicht, George Hanich, Mi-chel Mießig, George Seydel, Hanß Müldner, Caspar Görlich, Junger, Hanß Wer-ner, Valtin Zimmermann, Georg Küntzner, Mathes Glathe, Chr. Regner, GeorgHänich, Valtin Prockop, Christoph Pfeiffer, Chr. Jan, Michl Wollman, Chr. Görlich,George Scharffman, Georg Zucker, Andres Treßler, Chr.Guth, Elias Strubel, Ge-orge Brandt.

Von den 33 "Häußeln" sind die folgenden Besitzernamen bekannt:Andreas Wanko, George Küntzner, Michel Stäuerin, Casper Nießig, Michel Kühn,Christoph Guth, Michel Zocker, Casper Scharffman, George Mildner, MichelScharffman, Friedrich Scholtzin, Michel Kießling, Tobias Gürlich, Henrich Tumb,Wentzel Lehman, George Hönig, Michl Strubl, Michl Horn, Christian Wachter,Michl Steüer, Chr. Horn, Hanß Strubl, Elias Steuerin, George Grublich, CasperSteüer, Christoph Vogt, George Kühn, Kristoph Wollman, Valtin Steüer, HanßThumb, Michl Strubl, Maria Lehmanin, Michel Reinelt.

Die Familiennamen der Leute in dem "Außgediengte Häußel" waren:Casper Prokop, Christoph Schrietter, Chr. Renger, Michel Küntzner, HelenaSteyerin, Maria Regnerin, Hans Brand, die Scheybelin Wittib, Maria Künznerin,Georg Kühn, Dorothea Renltin, Elias Richter, Mattes Scharffman, Heinrich Zinke,Georg Weygert, Adam Reinelt, Valentin Seydl, Andres Mikesch, Georg Görlich,Georg Reinelt, Valentin Lehmann, Georg Steüer, Anna Wernerin, Christoph Stru-bel, Heinrich Langer, Frantz Kießlich, Caspar Steüer, Michel Lehmann, GeorgKüntzner, Christoph Mildner, Michel Werner, Anna Küntznerin, Georg Klatte,Chr.Wächter, Heinrich Prokop, Michel Hanig, Georg Scharfen, Michel Liman, Jo-hann Scholtze, Georg Leman, Christoph Pfeyfer, Christoph Schrnidt.

In mehreren Ausgedingehäusern wohnten auch Leute zur Miete, worüber der fol-gende Vermekr Auskunft gibt: "Seyn lauter Taglehner, helffen denen Bauern stattder Besoldung auff dem Felde, arbeiten in Schnitszeith." Das ist eine weitereBestätigung dafür, daß bei den Bauern, die gleichzeitig auch Besitzer eines Aus-gedingehäusels waren, der Mieter statt der Miete auch Taglöhnerarbeit verrich-ten mußte. Zur Schnittzeit hatte er im Auftrage des Bauern auch Robotarbeit aufden Feldern der Gutsherrschaft von Wartenberg zu leisten.

Erstmalig erschien in der Bekenntnistabelle von 1713 auch eine Aufzählung derortsansässigen Gewerbetreibenden. Es sind dies:3 Fuhrleute, 8 Zimmerleute, 1 Schmied, 1 Schneider, 1 Maurer, 1 Weber, ("einBettler, treibet das Handtwercke nicht mehr"), 1 Bäcker, 1 Garnhändler ("kaufetdes Jahresstraudel vor 150 fl.") und ein Maurergesell. Die Gewerbebetreibendenbesaßen auch damals schon, so wie es sich bis in unsere Teit fortsetzte,Feldgärtnereien oder waren Häusler mit wenig Land und einer kleinen Viehhal-tung.

Nach den Angaben in der Bekenntnistabelle von 1713 waren in Hennersdorf diefolgenden Viehbestände vorhanden: 86 Pferde, 76 Ochsen,210 Kühe, 136 Stück"Galtes" Vieh,60 Ziegen. Interessanterweise ist die Anzahl von Schweinen undSchafen nicht aufgeführt. Es ist kaum vorstellbar, daß diese zwei Haustierarten65 Jahre nach dem Dreißigjährigen Kriege nicht auch wieder gehalten wurden.

Auch die gesamten Felder und Wiesen waren im Einbekenntnis des untertänigenGrundbesitzes von Hennersdorf mit erfaßt. Diesem zufolge befanden sich in derGemarkung des Ortes:1.312 1/2 Stück ackerbare Felder (mit dem Vermerk: "al-les auf schlechtem Boden"), wovon 320 1/2 Stück "triesch", d. h. brach lagen,und 59 Stück wüst oder verwachsen waren. 1713 waren an Wiesen 229 Stückvorhanden, von denen 130 zweispännige Fudern Heu und 68 Fudern Grummetabgefahren wurden. An Obst- und Grasgärten besaßen die Bauern, Feldgärtner

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und Häusler 54 1/4 Stück. Wohl zu niedrig wurde der Waldbesitz mit nur 16"Landteilen" = 24,5 ha angegeben.

Der erschreckend niedrige Ertrag'an Heu und Grummet, aber auch an allen übri-gen Feldkulturen, ist bezeichnend für den damaligen Leistungsstand in der Land-wirtschaft. Die Bezeichnung "schwanzvieh" charakterisiert die armselige Lageder Bauern in der Weise, daß insbesondere die Kühe mitunter während des Win-ters aus Futtermangel dermaßen abmagerten, daß sie im Frühjahre am Schwanzhochgezogen werden mußten, um überhaupt noch auf die Beine zu kommen.Erst als im 18. Jahrhundert die "Dreifelderwirtschaft" abgeschafft wurde und aufden Flächen der bisherigen "Brache" Klee und andere Fufterpflanzen wuchsen,verbesserte sich das Mengenangebot an Futter für das Vieh. Für diese epochaleTat wurde der Initiator der Beseitigung der Brache und Einführung der ';Fünffel-derwirtschaft', Schubart, durch Kaiser Josef ll. zum"Ritter von Kleefeld" g:adelt.

Für verschiedene Ausgaben "auf reparierung der Weeg undisteeg, aufherumge-hende Abgebrannten-, Kirchen- und Klöster- Sambler und andere, wie auch auf

. abgedankte plessierte Officir und gemeine Soldaten, welches alles zwar beywei-them nicht erklecklich" standen dem Ortsrichter die zusätzlichen Einnahmen von3 Ackern im Ausmaß von I 112 Strich auf "schlechtem Boden" zu. Von dieserFläche waren 2 Strich brach und auf drei Wiesen fiel die Ernte von drei zwei-spännigen Fudern Heu und 1 112 Fudern Grummet an. Die finanziellen Einnah-men daraus flossen der Kasse des Dorfrichters als Zubuße für die vorerwähntenZwecke zu.

In der Bekenntnistabelle von 1713 sind, wie schon erwähnt wurde,ls2 Besitzer-namen genannt, d. h., zu der Zeit waren in Hennersdorf 152 bewohnte Haus-grundstücke vorhanden. Aus dieser Anzahl bewohnter Hausgrundstücke läßt sichableiten, daß zu der Zeit etwa 600 Einwohner im Dorfe waien. Ein beachtlicherFortschritt im Vergleich zu 1654 mit damals 200 Dorfbewohnern. Bei näherer Be-trachtung aller bisher bekannten Familiennamen u.nd der Häufigkeit ihrer Vorkom-men fällt auf, daß die meisten dieser Namen, wenn auch in abgewandelter Form,von 1544 an mehrmals in den Aufzählungen erscheinen. Nach dem Dreißigjähri-gen Kriege muß sich deshalb der Aufbau Hennersdorfs und der Bevölkerungszu-wachs nicht mehr durch Zuwanderungen vollzogen haben, sondern aus der kraftder hier altansässigen Bevölkerung.

Bauernaufstände im Bereich der Wartenberger Grundherrschaft

Es wird mehrfach und übereinstimmend darüber berichtet, daß es im 1g. Jahr-hundert in mehreren Jahren infolge von Mißernten zu einer schweren Hungersnotkam' Darüber, wie erschreckend niedrig zu der Zeit die Erträge im Ackerbäu und9"t Wiese lagen, wurde schon berichtet. In dieser Armuislage der Bauern,Feldgärtner und Häusler reichte es gerade so zum Leben der Menschen und zumUberleben des Viehs. Eine Bevorratung an Lebensmitteln und Mehfutter kannteman zu der Zeit noch nicht, sie wäre auch in der damals allgemeinen Notlage garnicht möglich gewesen

So war, wie infolge von Mißernten und Kriegszuständen schon in den Jahren zu-vor, auch im Jahre 1719 eine große Hungersnot ausgebrochen. Um den Hungerzu stillen, verzehrten die Menschen auch Kräuter und Gras, ja, sie sollen in äerNot des Hungers gogar verendetes Vieh vom ,,schinderrasen,, heimlich geholtund abgekocht gegessen haben. Eine weitere große Hungersnot war in den Jah-ren von 1770 bis 1772 ausgebrochen, an deren Folgen in Hennersdorf 182 Men-schen gestorben sein sollen. Die Ursachen zu diesen Hungersjahren lagen insbe:sondere an Getreidemißernten. Durch anhaltende Spätfröste in der Zeii der Korn-blüte kam kein Kornansatz zustande und taube Ahren waren die Folge. Eine wei-

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tere große Mitschuld an der Not im Lande trugen aber auch die SchlesischenKriege in der Zeit von 1740 - 1763.

fm Zusammenhange mit der durch die Hungersnot von 1 770 bis 17TZ entstande-nen allgemeinen Verschlechterung der Lebenslage und besonders durch die Not-situation der Bauern, die trotz Mißernten die vollen Mengen an Naturalabgaben andie Grundherrschaft erbringen mußten, begann in den ersten Monaten des Jahres1775 ein Bauernaufstand, der sich über den ganzen nördlichen Raum Böhmensausbreitete. Am Anfang standen die Bauernaufstände in den ersten Märztagen1775 in Nachod, einer kleinen Stadt in Nordostböhmen. Mit jeder Ortschaft, diedie Aufständischen passierten, wurden es mehr, die sich ihnen anschtossen. Am25- März hatten die Aufständischen schon Liebenau erreicht, von wo sie über AltAicha in Richtung Svetla - Kriesdorf zogen. Inzwischen waren es schon weit übertausend Bauern, die sich am Aufstand beteiligten. Von Kriesdorf aus, versuchteder eine Teil über Seifersdorf -Hennersdorf nach Wartenberg zu gelangen, derandere Teil kam über Oschitz. Obwohl zum Schutze des herrschaftlichen Besit-zes Kaiserliche Husaren in Eilmärschen anrückten, kam es auf Schloß Warten-berg zu Verwüstungen. Am 27. März zogen die Bauernaufständler weiter in Rich-tung Niemes und Reichstadt. Auf dem Weitermarsche dorthin wurden die Bauernvon Einheiten des Kochschen Infanterieregimentes von Leipa gestellt und auseilr-andergetrieben. Es hat Tote und Verwundete gegeben. Viele Bauern wurden inNiemes, Wartenberg und Jungbunzlau eingekerkert.

lrn Juli 1775 weigerten sich Hennersdorfer Bauern, die vielen Robottage in derGetreideernte abzuleisten. Bewogen und aufgemuntert dazu, wurden sie durch ei-nen Kriegsoffizier, der den Bauern den Rat gegeben hatte, sie sollten sictr beizei-ten und jetzt um ihre Rechte kümmern. In den Ortschaften UnterwartenbergNeuland - Großgrünau - Brins und Luh wurden die Bauern verständigt. Viele ro6e-ten sich zusammen und trafen sich im "langen Busch" an der StraßeWartenberg-Luh. Nach stürmischer Beratung wurde entschieden, auf friedlichemWege den Wartenberger Schloßhof zu erreichen, urn.dort die Forderungen derBauern vorzutragen. Dabei ging es insbesondere um die Durchsetzung einesEdikts zur Erleichterung der Leibeigenschaft, welches die herrschende Kaiserin,Maria Theresia, erlassen hatte. Man versprach dort den versammelten Bauern dieBedingungen der Robot im Sinne des kaiserlichen Erlasses zu regeln. Am 2. No-vember 1775 mußten sich die Untertanen der Grundherrschaft auf Schloß War-tenberg einfinden. Man eröffnete den versammelten Bauern und Landarbeitern,dafl es für sie zwei Möglichkeiten gäbe: entweder bei den bisherigen Verpflichtun-gen zu bleiben oder die neuen Verpflichtungen in Anlehnung an den kaiserlichenErlaß einzugehen. Es ist nicht überliefert, welche Unterschiäde zwischen beidenbestanden. lm Ergebnis der Auseinandersetzungen entschieden sich die "Befel-derten" Bauern für die Beibehaltung der bisherigen Robotform, und die "Unbefel-derten" entschieden sich für die neuen Robotverpflichtungen. So verlief das Auf-begehren der Hennersdorfer Bauern im Sande. Es blieb für die weiteren 73 Jahrealles beim alten, bis das Revolutionsjahr 1848 die entscheidende Wende brachte.

fn die schlimme Zeit der Schlesischen Kriege, 1740 - 1742, 1744 - 1745 und1756 - 1763, die vielen Hungerjahre und in der Folge davon das Aufbegehren derBauern, fällt die Einführung des Kartoffelanbaues durch den Preußenkönig Fried-rich f f. Man mußte zu Anbeginn Twang anwenden, daß die Bauern diese Boden-frucht überhaupt anbauten. Erst allmählich erkannte man ihre Bedeutung alsSpeisefrucht, die dann auch eine tragende Säule der Ernährung für die Henners-dorfer wurde.

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Das Jahr 1714 ist für Hennersdorf insofern von Bedeutung, weil in diesem Jahredie Grundherrschaft von Wartenberg durch Kauf in den Besitz des Freiherrn Lud-wig Josef von Hartig überging. Der neue Grundherr war der Abkömmling einesZittauer Adelsgeschlechts. Er muß besondere Fürsprecher gehabt haben, da erbereits im Jahre 1719 durch Kaiser Karl Vl., König von Böhmen (1711 - 1740), inden Grafenstand erhoben wurde. Mit dem späteren Gräflichen Sitz auf SchloßNiemes erweiterten sich die Gräflich Hartigschen Besitzungen über ein weitesGebiet von Ortschaften und Waldungen, wozu die Ortschaften: Großgrünau,Brins, Luh mit Smirdak (seit 1990 Neu-Luh), Neuland, Wartenberg, Hennersdorf,Krassa, Hultschken, Nahlau und Schwabitz gehörten. An Meierhöfen waren ingräflichem Besitz: Niemes, Großroll, Zedlisch, Tolzbach, Kleinroll, Wartenberg,lfassa und Medwey b. Hultschken. Die Wälder erstreckten sich in einem ge-schlossenen Bestande von Krassa bis Niemes. Auf den meist sandhaltigen Bödenwuchsen überwiegend Kiefern, an den Hängen zum Krassaberg, des Dewin,Hammerspitzberg, Hirschberg und Roll waren es überwiegend Buchenbestände.Südlich von Niemes, im Kummergebirge, erstreckten sich vrieitere umfangreicheBuchenwälder, die ebenfalls zum Graf Hartigschen Großgrundbesitz gehörten.

Hennersdorf von der Zeit der Schlesischen Kriege bis 1848

Die Zeit des Siebeniährigen Krieges 17SG - 1ZG3

Von den Schäden des Dreißigjährigen Krieges kaum erholt, wurde Böhmen inder Zeit von 1740 bis 1763 durch die Geschehnisse der drei Schlesischen Kriege(1740 - 1742, 1744 - 1745, 1756 - 1763) erschüttert. Insbesondere der letzte,auch Siebenjähriger Krieg genannt, hinterließ im nordböhmischen Raume tiefeSpuren.

Die Nachfolge Kaiser Karl Vl. (1711 - 1740, löste insofern Spannungen aus, weilseine Ehe ohne einen männlichen Erben blieb. Um dennoch das ausgedehnteReich der Habsburger Dynastie zu erhalten, verfügte er bereits im Jahre 1T2O dieProgrammatische Sanktion. In derselben wurde die Unteilbarkeit der zur österrei-chischen Monarchie gehörenden Länder ausgesprochen und festgehalten, daßnach dem Aussterben der männlichen Linie des Hauses Habsburg auch die weib-lichen Nachkommen, nach dem Recht der Erstgeburt, den Thron besteigenkönnen. Dies bedeutete, daß nach dem Tode Karls Vl. seine älteste Tochter, Ma-ria Theresia, Monarchin der Erblande in der Österreich-Ungarischen Monarchiewurde (1740 - 1780). Diese Thronfolge durch eine amtierende Kaiserin löste so-wohl in den Thronländern der Monarchie als auch in den Ländern des Reiches,Unruhe und Anfeindungen aus.

So kam es von 1740 - 1748 zum Österreichischen Erbfolgekrieg. Der größte Wi-dersacher der Kaiserin war Friedrich ll., der Große, König von Preußen. Noch imJahre der Thronbesteigung von Maria Theresia stellte er Gebietsansprüche aufTeile Schlesiens und es kam dadurch zu den Schlesischen Kriegen, in deren Ver-lauf von Erfolgen und Niederlagen die Preußen als Sieger hervorgingen. Was dennordböhmischen Raum betrifft, so sind die Jahre -von 1 757 und 1758 von beson-derer Bedeutung. Pinkava schildert das Geschehen in dieser Zeit in Gabel undUmgebung wie folgt:"Nach der Schlacht bei Kolin (18. Juni 1757') - wo Daun über Friedrich siegte -zogen sich die Preußen in zwei Abtheilungen zurück. Ein Theil, unter dem Ober-commando des Königs, über Leitmeritz nach Sachsen, der andere über Leipaund Gabel in die Oberlausitz, um die großen Mehlvorräthe (900 vierspännigeWägen) in Zittau zu decken.

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Am 14. Juli kam ein kaiserliches Militärdetachement, d. i. ein vom Hauptcorps ab-gesonderter Heerhaufen, über Seifersdorf nach Gabel und besetzte die Höhenbei Markersdorf und Lämberg, um den Preußen den Rückzug nach Sachsen ab-zuschneiden. Von Hennersdorf kamen 200 Mann K. K. Husaren, von Niemesebensoviel Dragoner, welche sich auf einer Anhöhe bei Böhmischdorf (Katzen-berg) postierten.

Die Stärke der feindlichen Mannschaften, die während des Marsches kleinere Ge-fechte mit den Kaiserlichen zu bestehen hatten, wird auf drei oder vier Batailloneund 500 Husaren geschätzt.

Die große K. K. Armee kam erst am 15. Juli aus der Gegend von Niemes überBarzdort nach Gabel. Als die Preußen, welche sich in Gabel verschanzt hatten,die Avantgarde (Vorhut) von weitem bemerkten, zogen sie sich schleunigstzurück und befestigten in aller Eile die beiden Tortürme. Die Kaiserlichen kamenimmer näher, besetzten alle Höhen um Gabel und beschossen

'von vier Seiten

die Stadt. Der südliche Torturm wurde noch am 15. Juli gegen 1 0 Uhr zusam-mengeschossen, das Tor selbst konnten sie aber wegen der davorstehendenHäuser nicht zerstören, obwohl das zwischen den Häusern der Vorstadt lagerndeFußvolk unaufhörlich in das Tor und die Stadtmauer schoß. Das Bild der Abnan-me Christi vom Kreuze über dem Tore war von 38 Kugeln durchlöchert. DerSturm wurde nun von der nördlichen Seite unternommen. Durch häufige Kano-nenschüsse wurde das Tor gesprengt, während vom Vogel- und Galgenbergeund von Markersdorf her die Stadt beschossen wurde. Durch die Bresche im To-re drangen nun die Kaiserlichen Grenadiere in die Stadt, wurden aber von beidenSeiten mit Kartätschen empfangen. Viele blieben am Kampfplatze. Die übrigengelangten über die Leichenhaufen ins Innere, wo ein hartnäckiger Straßenkaäpfentstand. Wegen anbrechender Dunkelheit und Kleingewehrfeuer mußten sich dieKaiserlichen zurückziehen, um am nächsten Tage (16. Juli) den Angriff auf dieStadt umso energischer fortzusetzen. Besonders auf das von den preußen be-setzte Kloster hatten sie es abgesehen. Als die Preußen jedoch sahen, daß sieeingeschlossen waren und von Leipa keine Hilfe karn, hißtbn sie aus dem nebender Kirche gelegenen letzten Zimmer des Klostergebäudes die weiße Friedens-fahne und capitulierten. Unter den Gefangenen soll auch der bekannte GeneralPuttkamer gewesen sein, außerdem ein Oberstleutnant,22 Secontlieutenants, 11Fähnriche, ein Cornet (Fähnrich bei der Reiterei) und ein Adjutant. Auch Z2O pter-de und 7 Kanonen (Dreipfünder) wurden erbeutet.

Es gab an die 200 Tote und viele Verwundete, die vorläufig im Kreuzgange undim Kloster untergebracht wurden. Die Capitulationserklärung umfaßte sechs punk-te, welche lauteten:

Die Garnison ergibt sich zu Kriegsgefangenen.Die offiziere dürfen das Seitengewehr tragen und Equipagen undPferde zum persönlichen Gebrauche behalten. Die proviantwägendagegen und Pferde sind abzuliefern.Unterofficiere und Gemeine behalten ihre Tornister.Dem Postamte und dem Commissariate werden die nöthigen pferdebeigestellt.Für Kranke und Blessierte wird gesorgt.Die Thore sind den Kaiserlichen einzuräumen.

Die Preußen haben zwat eine empfindliche Niederlage erlitten. Aber auch dieStadt und ihre Bewohner, die sich während der Belageiung in den Kellern aufhiel-ten, hatten einen großen Schaden zu verzeichnen. Die H-äuser waren arg zuge-richtet, die Kuppel der Kirche hatte bedenkliche Risse, die Fenster *aänzertrümmert und die Mauern erschüttert. Die sogenannte Bauernpforte war wieein Sieb durchlöchert und an der Vincenzstatue Kopf und Hand abgeschlagen.

1 .2.

3.4.

5.6.

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8 l

Damit war aber die Leidenskette noch nicht abgeschlossen, weil die mit Rechtgefürchteten militärischen Durchmärsche auch in den folgenden Kriegsjahren bis1763 andauerten.

Während des Siebenjährigen Krieges, besonders nach der Schlacht bei Hoch-kirch (Lausitz) am 14. Okt. 1758, wurden das Gabler, Waltener und WartenbergerSchloß als Militärspitäler eingerichtet. Das Hauptspital blieb in Lämberg. Die Nie-derschriften des Anton Lehmann, Schullehrer in Neuland, der Augenzeuge war,schildern das Elend der unglücklichen Verwundeten in ergreifender Weise: 'Die-

selben lagen in den Zimmern des Schlosses auf feuchtem Stroh in Schmutz undUngeziefer aller Art. Jammer und Wehklagen erfüllte die Räume - und Tag undNacht hörte man ein unausgesetztes Jesus Maria.

Die im Schlosse starben, wurden im nahen Walde in einem Schlachtgrabe verei-nigt. lm Waltner Schlosse warf man sie nur zum Fenster in den Garten hinunterund dennoch kroch einst einer noch davon. In anderen Schlössern schleppte mansie wenigstens noch die Stiegen herab, daß die Köpfe auf jedem Staffel klingendaufschlugen. Nur einmal', sagte Anton Lehmann, 'habe )ch 24 Stunden in einemsofchen Zimmer aufwarten müssen; und ich werde nie vergessen, was ich gese-hen und vernommen, gefühlt und empfunden habe.'

In einem weiteren Berichte schreibt Schullehrer Lehmann aus Neuland bei Nie-mes: 'Als Daun mit seiner Armee zurückkam, um in der Gabler Gegend Winter-quartiere zu beziehen, mußten vor allem die Spitäler weiter nach rückwärts ver-legt werden. Um die Kranken fortzubringen, wurden auf der Herrschaft Gabel bin-nen 24 Stunden 200 vier- und zweispännige Wagen gefordert und da diese nichtreichten, wurden Schubkarren (Rabern) herbeigeschafft. Es war geradezu schau-derhaft, als am 22. November Tagelöhner und Bauern, diese mit Wagen, jene mitSchubkarren abfuhren, um aufzuladen. Noch schauderhafter war es, als die ar-men Leidenden, der ganzen Kälte ausgesetzl, aut Wagen und Rabern gelegt wur-den; am schauderhaftesten aber ging es im Hauptgpitale Lämberg zu. Dort sagteman den Aufladern, sie müßten noch eine Stunde warten, bis 300 gestorben sei-en. Da sahen die Fuhrleute einander an und frugen: 'Woher weiß man denn, daßin einer Stunde 300 gestorben sein werden?' Aber bald konnten sie sich überzeu-gen, daß auch 'Feldschere' Propheten sein können. Nach Verlauf einer Stundebrachte man der Toten so viele über die Stiegen geschleppt, daß nun nicht alleSchubkarren benötigt wurden.

Der Ekel vor den Blessierten, der üble Geruch des Eiters und anderes mehr, da-zu der neblige Herbst und der nasse Winter führten zu hitzigen Fiebern, Blatternund anderen Krankheiten. Wie der Herbst jede Stube zu einem Soldatenspital ge-macht hatte, so ward im Winter jedes Haus ein Lazarett seiner eigenen Bewoh-ner. Das Sterben herrschte allgemein; hauptsächlich starben die alten Leute, diesich der Verwundeten und Blessiertn am meisten angenommen hatten. So beka-men die meisten Häuser junge Wirte oder es wurden die Wirtschaften an Fremdeverkauft, wenn die Kinder zu jung waren, um heiraten zu können.'

In dem Massengrabe bei Lämberg sollen über 1000 Krieger ruhen. Ein ebenerPlatz im Walde machte es kenntlich. Später setzte man in der Nähe (nicht aufdem Grabe) ein einfaches Holzkreuz, das allgemein als Totenkreuz bezeichnetwurde. lm Jahre 1901 wurde an dessen Stelle ein neues Kriegerdenkmal errichtetund eingeweiht und an demselben Tage, am 18. August, eine am SchlosseLämberg angebrachte Gedenktafel feierlich enthüllt."

Über Hennersdorf,'speziell im Siebenjährigen Kriege, sind keine geschichtlichenNiederschriften überliefert. Dennoch ist anzunehmen, daß der Ort von den Kriegs-geschehen nicht unbehelligt blieb. Wenn auch nicht durch Kriegshandlungen di-rekt, so waren die Folgeschäden durch Durchmärsche und Einquartierungen der

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feindlichen preußischen "Rackers" und der kaiserlichen Truppen, sicher groß.Wer weiß es schon, sicher waren auch Hennersdorfer mit daran beteiligt, dasschreckliche Leid der Verwundeten und Kranken, die im Wartenberger Schloßund anderswo untergebracht waren, mit lindern zu helfen.

Kaiserin Maria Theresia und ihr Nachfolger Josef ll.

Maria Theresia machte sich durch verschiedene Verwaltungsreformen im Landeverdient. Es wurden u. a. Verordnungen erlassen, die sich im ländlichen Bereichauf eine Verbesserung des Ackerbaues, der Erleichterung der Leibeigenschaftund Abschaffung der Folter bezogen. Jedoch reichte die Regierungsgewalt zu derZeit und der folgenden Jahrzehnte bis 1848 nicht aus, diese Verordnungen beiden Grundherrschaften an der Basis durchzusetzen. Zur Hebung der Allgemein-bildung im Volke diente die Gründung von Volksschulen. Auf der Ebene derStädte und Landgemeinden bezog sich die Verwaltungsreform u. a. auf die na-mentliche Kennzeichnung von Straßen und Plätzen und die Nummerierung derHäuser im Jahre 1771. In Hennersdorf erfolgte zu der Zeit die Kennzeichnung derbestehenden Hausbesitze von Nr. 1 bis Nr. 193, deren Anzahl sich bis 1g4S auf246 erhöhte.

Die schon bekannte Skizze von 1780 diente zum Zwecke, im Zuge der eingelei-teten Verwaltungsreform die bestehenden Wirtschaftsgrenzen kartographisch dar-zustellen und darüber hinaus auch den Grenzverlauf der Gemarkung von Hen-nersdorf zu den ringsum angrenzenden Gemeinden festzulegen. Die Anzahl dermit der Hausnummer ausgewiesenen Wirtschaftsstreifen ist nicht identisch mitder Anzahl von 193 Hausbesitzern zur ZeiI der Hausnummerierung vom Jahre1771. Der kartographische Nachweis der damals schon bestehenden Feldgärtne-reien und Häuselbesitze war bei dem Maßstab der angefertigten Skizze der Wirt-schaften um 1880 nicht möglich und thematisch sicher nicht gefragt, ganz abge-sehen davon, daß sich deren Felder in Sträulage befanden. Der vorerwährrtenSkizze zufo lge fehlen d ie Besi tze von Haus-Nr. 1 ,3;4,6, 10, 11, 19, 14, 17, 1g,19, 22, 23, 24, 25, 26, 27 , 29, 30, 31 , 32, 33, 36, 39, 40, 41 , 42, 43, 46, 47 , 48,49, 50, 51, 52, 57, 59, 59, 60, 64, 66, 67, 68, 69, 70, 72, 75, 76, 79, 96, 90, 91,9 4 , 9 5 , 9 9 , 1 0 1 , 1 0 3 , 1 0 4 , 1 0 9 , 1 0 9 , 1 1 0 , 1 1 1 , 1 1 4 , 1 1 5 , 1 l g , 1 2 0 , 1 2 1 , 1 2 2 ,123, 124, 129, 129, 131, 132, 134,135, 136, 139, 139, 1 40,142, 143, 1 44, 147,148 , 151 , 152 , 153 , 154 , 155 , 156 , 159 , ' t59 , 160 , 163 , 164 , 165 , 166 , 167 , 168 ,169 , 172 , 177 ,179 , 190 , 191 , 193 , 194 , 195 , 196 , 197 ,199 , 191 , 192 , 1g3 , ( s ie -he Anhang - Ortsplan von Scholz).

fm Jahre 1771 waren in Hennersdorf 77 bäuerliche- und 116 Häuselbesitze vor-halrden. Diese 116 Häusel verdienen es, in der Ortsgeschichte besonderserwähnt zu werden. Für elnen kargen Lohn und einige Naturalien zum Leben, ar-beiteten die Bewohner mit den Bauersleuten und dem Gesinde auf den Feldernund ließen sich zu Arbeiten auch auf dem Wartenberger Maierhofe verpflichten.Ziegen und Hühner, im günstigerr Falle eine Kuh oder ein Schwein, war derenHaustierbestand, von dem sie, mit noch etwas Mahlgetreide hinzu, lebten. So ge-hörte oftmals zum Häusel auch ein angemessener Stall und ein überdachter Ber-geraum. In einem hohen Maße trugen auch die Häusler durch ihren Fleiß zur Fort-entwicklung des Dorfes mit bei.

In den zur Verfügung stehenden geschichtlichen Aufzeichnungen über Henners-dorf sind keine Mitteilungen über die Anzahl der Einwohner bekannt. Um dennocheinen ungefähren Überblick darübet zu bekomnren, sollen auf der Grundlage derzahlenmäßig bekannten Gehöfte, Feldgärtnereien und der Häusler Scträtzwerteüber deren Bewohnerzahl ermittelt werden:

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Tabelle I

83

3

Die Anzahl der Einwohner von Hennersdorfin der Zeitspanne von 154r'. - 1771

Jahr

154r',

1 6 1 8

1 648

1713

1771

+ +

+ + +

Anlaß der Anz.derBesitzzäh- Gehöfte u.lung Feldgärtn.

Vertrag 70zur Hen-nersdorferErbteilung

zu Beginn 80des Dreißig-lährigenKrieges

Ende des 46Dreißig-jährigenKriegesSteuerrollevon 1654

Anz.derHäusel u.Ausge-dingeh.

22

Besitzeinsg.

70

geschätzteEinwohner-zahl

650

1 9

1O2 +

:800

6 5 + + 200+ + +

Bekennt-nistabelle

75 152 650

Numerier- 77 1 16 193 800ung derWohnhäuser { .von Nr.1 -193

- ohne die Kirche, das Pfarrhaus und die herrschaftliche Mühle

- hinzu kommen noch 31 verwüstete, zu der zeit unbewohnte Ge-höfte und Feldgärtnereien und 6 verwüstete Häuslerstellen

- der katastrophale Rückgang der Einwohnerzahl resultiert ausden Tagen des Dreißigjährigen Krieges, der Pestjahre von 1632,1633, 1648 und der Flucht aus religiösen Gründen

Außerdem läßt sich aus den Zahlen ablesen, daß noch im Jahre 1654 an"zerstörten und wüsten Gebäuden" (Stawenf Rozborzeny a Pusty) vorhandenwaren: 28 bäuerliche (Sealsky), 3 Feldgärtner (Zahradniczky) und 6 Häusler(Chalupnicky).

Obwohl diese Einwohnerzahlen auf Schätzwerten basieren, geben dieselben inVerbindung mit der Anzahl der vorhandenen Wohnhäuser dennoch einen gutenEinblick über die Entwicklung Hennersdorfs nach dem Dreißigjährigen Kriege biszum Jahre 1771.

Maria Theresia war eine Monarchin besonderen Formats. Während ihrer Regie-rungszeit hatte sie sich überwiegend kriegerischen Auseinandersetzungen undweiterer Anfeindungen zu erwehren. Wie groß und weiträumig zu ihrer Zeit dieMonarchie war und welche Bürde die Kaiserin zu tragen hatte, zeigt eine Auf-

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zählung ihrer Titel und Verantwortlichkeiten anläßlich der Unterzeichnung des -Maria Theresianischen Bienenschutzpatentes für Böhmen - vom 30. August 1776:

"Maria Theresia von Gottes Gnaden, Römische Kaiserin, Wittib, Königin zu Un-garL, Böhmen, Dalmatien, Croatien, Slavonien, Galicien, Lodomerien, Erzherzoginzu Osterreich; Herzogin zu Burgund, zu Steyer, zu Kärnten und zu Crain, Groß-fürstin zu Siebenbürgen; Markgräfin zu Mähren, Herzogin zu Braband, zu Lim-burg, zu Luxemburg und zu Geldern, zu Würtemberg; zu Ober- und Niederschle-sien, zu Mayland, zu Mantua, zu Parma, zu Piacenza, zu Guastalla, zu Auschwitzund Zator; Fürstin zu Schwaben, gefürstete Gräfin zu Habsburg, zu Flandern, zuTyrol, zu Hennegau, zu Kyburg, zu Görz und zu Gradisca, Markgräfin des Heil.Röm. Reichs, zu Burgau, zu Ober- und Niederlausitz; Gräfin zu Namur; Frau aufder windischen March und zu Mecheln; verwittibte Herzogin zu Lothringen undBaar; Großherzogin von Toscana".

Nachfolger Maria Theresias wurde ihr Sohn Josef ll. (1780 - 1790). Er stand be-reits vom Jahre 1765 an im Range eines deutschen Kaisers, war aber wie seinVater, Franz von Lothringen, auch nur Mitregent ohne bedeutenden Einfluß aufdie Regierungsgeschäfte der kaiserlichen Mutter, Maria Theresia.

Nunmehr auch Kaiser der Österreich-Ungarischen Monarchie, begann er seineStaatsführung mit vielen Reformbestrebungen:

- Seinem ldeal, einem starken Einheitsstaat zustrebend, versuchte er die Machtdes bevorrechtigten Adels und der Geistlichkeit zu brechen, die provinzielleSefbstständigkeit der Länder zu beseitigen und eine einheitliche Verwaltung her-zustellen.

- Sein Toleranzedikt zugunsten der nicht katholischen Untertanen hatte zur Folge,daß er über 700 Klöster schließen ließ, den noch über 1.300 verbleibenden Klö-stern eine staatliche Mitaufsicht vorschrieb und den Verkehr der Geistlichkeit mitRom stark einschränkte.

- Die Aufhebung der Leibeigenschaft wurde im Jahre 1781 angeordnet. (Dennochblieben noch viele Dienstverpflichtungen der Bauern an die Grundherrschaft biszum Jahre 1848 bestehen.)

Es ist verständlich, daß die Absicht des Kaisers, die Selbständigkeit der Ländereinzuschränken, eine große Unruhe in die vielen zur Monarchie gehörendenLänder brachte. So widersetzte sich auch die Königliche Statthalterei zu Prag der-lei Bestrebungen, weil sie befürchtete, daß Böhmen dadurch seine tschechisch-nationale ldentität verlieren könnte.

Ein wahrer Segen, auch für Hennersdorf, war die Anordnung zu( Aufhebung derLeibeigenschaft. Frei von der Last der Erbuntertänigkeit zu sein, schien den Bau-ern vorerst unfaßbar. In der Tat, der schockierte Adel wand sich nach allen Rich-tungen, diese Anordnung zu umgehen. Welch eine lronie des Miteinanders derVölker in Böhmen. In diesem Falle waren sich der tschechische und deutscheAdel völlig einig. Das Tauziehen um die endgültige Aufhebung der Leibeigen-schaft zog sich über weitere 67 Jahre hin, bis das Revolutionsjahr 1848 die Ein-lösung der Verordnung von 1781 brachte.

Durch seine Einstellung gegenüber den unterdrückten Bauern entstand um KaiserJosef ll. ein Mythos in der Weise, daß man ihn leibhaftig hinter den von einemPferdegespann gezogenen Pflug darstellte. Dieses Bild trurg den Untertitel "KaiserJosef ll. am Pfluge" und zierte manche deutsche Bauernstube. In diesem Zusam-menhange sollte auch noch einmal der Hans Kudlich erwähnt werden, der sichum die Bauernbefreiung in Böhmen große Verdienste erworben hat.

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Daß die Verwirklichung der Aufhebung der Leibeigenschaft so schwerfällig underst 57 Jahre nach der Anordnung zustande kam, liegt nicht zuletzt auch darinbegründet, daß die nachfolgenden Kaiser Leopold ll. (1790 - 1792r, Franz l. (1792- 1835) und Ferdinand V. (1835 - 1848) den Fragen der Bauernbefreiung zugleichgültig gegenüber standen. Diese Schwäche der Monarchen wußte dergrundherrschaftliche Adel für seine lnteressen auszunutzen.

Darüber hinaus kommt erschwerend für die Monarchie hinzu, daß sie in der Zeitvom Beginn der französischen Revolution bis zum Wiener Kongreß (1789 - 1815)in die Koalitionskriege und die weiteren Kriege gegen Napoleon verwickelt warund demzufolge Reformen im Lande zurückstehen mußten.

Sicher gab es in der Folgezeit nach der Bekanntgabe der Abschaffung der Leibei-genschaft durch Kaiser Josef ll. im Jahre 1781 für die Bauern gewisse Erleichte-rungen in ihren Verpflichtungen gegenüber der Grundherrschaft. In dem MaBe,wie die Bauern gegenüber der Grundherrschaft persönlich freier wurden und dieZwangsabgaben an Naturalien und Geldzins sich minderten, stieg für sie dieMöglichkeit zur Verbesserung der eigenen Feld- und Viehwirtschaft und damitauch die Verbesserung ihrer eigenen Wirtschafts- und Lebenslage.

Der Aufenthalt Napoleons in Gabel

Von den blutigen Kriegen Napoleons, die verheerend über Europa hinwegzogen,blieb Böhmen unberührt. Erst im Jahre 1813, als der Befreiungskampf gegen sei-ne Armeen auf den sächsischen Kriegsschauplätzen zur entscheidenden Völker-schlacht bei Leipzig führte, geriet ab Juni der nordböhmische Raum in eine be-denkliche Situation.

lm Bündnis mit Preußen und Rußland kam es in Böhmen zur Aufstellung einesösterreichischen Heeres von 123.000 Mann, unter.dem Oberbefehl des Fürstenvon Schwarzenberg. Die Österreicher operierten gegen Napoteons verbündeteTruppen von Westböhmen aus der Elbe entlang in Richtung Dresden.

In der Festschrift zur "Tausendjahrfeier der Stadt Deutsch-Gabel" vom 7. - 15.August 1926 wurden von Wilhelm Moidl die Tage von 1813 in Gabel und Umge-bung so vortrefflich geschildert, daß darüber wörtlich zitiert wird:

"Die Polen trugen weite, weiße Hosen, die bis auf die Füße reichten und dunkel-blaue Röcke. Jeden Morgen brachen sie aus ihren Quartieren in Hennersdorf undWartenberg auf, zogen mit herrlicher Musik durch Gabel bis gegen Zittau, wo sievon den Franzosen mit Salutschüssen begrüßt wurden, marschierten dann zurückund langten nachmittags wieder in ihren Quartieren an. Dieses Korps nächtigtedreimal und zog dann ab.

lm August wurden zur Sicherung der Grenze kaiserliche Truppen herbeordert undzwar zwei Kompanien des 6. Feldjägerbataillons und zwei Eskadronen Blanken-steinhusaren. Sie standen unter dem Kommando des Generalmajors Grafen vonNeipperg und waren in Herrndorf und Petersdorf einquartiert, während die sechsKanonen auf der Höhe von Böhmischdorf in Stellung gebracht wurden.

Napoleon hatte erwartet, daß nach Ablauf des Waffenstillstandes, am 11. August,die Verbündeten bei Gabel die Grenze überschreiten und gegen Zittau marschie-ren würden. Deshalb kam er am Vormittag des 19. August von Görlitz her nachZittau. Nach der Besichtigung seiner Truppen hielt er mit seiner GeneralitätKriegsrat und befahl dann den Einmarsch nach Böhmen. Die Vorhut bildeten fran-zösische Jäger mit sechs Geschützen unter Marschall Kellermann und das Polni-sche Korps unter Poniatowski, der aber auch diesem Marschall unterstellt war.

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Die Vorhut wurde kurz vor Gabel mit den Österreichischen in ein Gefecht ver-wickelt, wobei beiderseits heftig kanoniert wurde. Die österreichischen Jägerschossen aus den Getreidefeldern, während die Husaren auf den Fluren umher-sprengten. Aber einen Feind von mehr als 30.000 Mann konnten sie nicht aufhal-ten; deshalb flohen sie in der darauffolgenden Nacht über Brins nach Niemes undam nächsten Morgen über Neuland und Hammer in die Heide.

Gegen Abend des 19. August waren die Fluren von der Landesgrenze bis nachGabel ein einziges Heerlager. Furcht und Entsetzen bemächtigte sich der Bewoh-ner, denn seit einigen Tagen war jede Nacht über Sachsen der Himmel gerötet,ein Zeich en tranzösischer Tätigkeit.

Napoleon ritt auf seinem Falben über Eichgraben, Olbersdorf, Oybin und Lücken-dorf nach Petersdorf, während die Truppen geradeaus über Lückendorf gegenGabel marschierten. In seinem Gefolge waren:

König Murat (sein Schwager), Berthien, Poniatowski, der Staatssekretär Maret,der Mameluk Rustan u. a. In Petersdorf stieg Napoleon ab und studierte im dorti-gen Zollhause die Karten; dann ritt er weiter und langte nach kurzern Halt bei derLehmschenke (in Großherrndorf) abends 9 Uhr in Gabel an, wo er im damaligenPosthause (Postmeister Feuereisen) abstieg. Zur Erinnerung daran wurde späterin diesem Hause eine Gedenktafel angebracht, die aber inr Jahre 1924 von denTschechen mit der Gedenktafel Kaiser Josefs ll. wieder entfernt wurde.

Als nach der Ankunft Napoleons die Frau des Postmeisters schnell auf den Hofgehen wollte, um für den hohen Gast Geflügel schlachten zu lassen, stieß sie inder Eile an einen in der Hoftür stehenden Mann ziemlich unsanft an, erkannteaber zu ihrem Schrecken sofort, daß dieser Mann der Kaiser selbst war. Sie batum Vergebung, die ihr Napoleon, freundlich lächelnd gewährte.

Napoleon wünschte zwei Mitglieder des Magistrats und den Pfarrer zu sprechenund bald erschien vor ihm der Stadtrat Turek und in Vertretung des gelähmtenPfarrers Honorius Kraus, der administrierende Kooperator Josef Zückert. Der Kai-ser fragte sie über Verschiedenes aus, so über den Aufenthalt der Osterreicher,die Preise der Lebensmittel, die Religiosität der Bewohner und versicherte, daßnicht er, sondern Metternich (der Kanzler des österreichischen Kaisers) den Kriegwollte. Stadtrat Turek, den die freundliche Behandlung (der Kaiser überließ ihmsogar seinen Stuhl zum Setzen) ermutigte, bat um Schonung der Stadt mit demHinweise, daß sie vor erst 25 Jahren (1788) gänzlich abgebrannt sei und seit die-ser Zeit die Bewohner verarmt seien. Napoleon entließ beide Herren huklvoll undbefahl darauf die Vorführung des österreichischen Kundschafters, eines Bewoh-ners der Herrschaft Lämberg. Dieser meldete ihm, daß die in den Schanzen beiNiemes vermuteten Österreicher, sich mit den Russen und Preußen vereinigthätten und bereits gegen Dresden marschierten. Nach den Worten "lch bin ge-täuscht worden", befahl der Kaiser den sofortigen Aufbruch und fuhr um 10 Uhrmit Murat und Berthien bei Fackelschein nach Zittau zurück, wo er gegen halb 12Uhr nachts anlangte und am nächsten Tage, vormittags halb 11 Uhr, gegenGörlitz weiterreiste. Gabel ist die einzige Stadt Böhmens, die Napoleon betretenhat. Die Vorhut unter Kellermann, der nach der Abreise Napoleons vom SchloßNeufalkenburg ins Posthaus übersiedelte, blieb in Gabel und den nächsten Orten,während das polnische Korps die Ortschaften Herrndorf, Petersdorf und Lücken-dorf besetzt hielten.

In Gabel, wo die Generalität einquartiert war, ging es ziemlich ruhig zu. Die Be-wohner erlitten freilich manche herbe Kränkung und auch großen Schaden, dochwurden sie immerhin menschlich behandelt. Ein Zeitgenosse schreibt in seinenhinterlassenen Aufzeichnungen: 'Die größte Angst hatten die Bürger, wenn sieum ihre Töchter gefragt wurden; diese hielt man in Kellern und Gewölben ver-

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steckt oder im Kloster verborgen. Allein in Dörfern und im Schlosse Lämberg wares unausstehlich. Solange die Soldaten aßen und tranken, war es erträglich; alssie aber zu Bett gehen wollten und Weibsleute forderten, wurden sie ärger alsTeufel. Alle Türen wurden zerbrochen, die Öfen, Fenster und Kästen zerschlagenund das Geschirr zerschmettert; kurz alles, was da war, ward verderbt und aus-geplündert. Von den Häusern riß man Bretter und Dächer, trug Tische, Bänkeund Bettstätten aus den Stuben und baute daraus Hütten. Die junge Waldungwurde abgehauen und zu Hütten und Pallisaden verwandt. Die Korngarben muß-ten zum Hüttendache und zur Streu dienen und man kann behaupten, daß siedarüber voll Schadenfreude waren.'

Am 21. August patroullierten die Feinde über Neuland bis Niemes und requiriertenin den folgenden Tagen in der ganzen Umgebung. Am meisten begehrten sieBranntwein und konnten nur damit befriedigt werden, weshalb sich Bewohner mitdiesem Getränk versehen mußten. 'Aber schon den ersten Tag', so schreibt derZeitgenosse weiter, 'war der Gablische Jude ganz ausgeplünder-t, und da derWartenberger Jude am nächsten Tag entflohen war und der Niemeser nicht ge-nug Branntwein erzeugen konnte, um die ganze Gegend zu befriedigen, so muß-te man sich mit Wein versehen.'

Am 28. August hörte man in der Richtung von Friedland her heftigen Kanonen-donner und man glaubte, daß die Russen kämen, urn den Feind irn Rücken anzu-greifen. Der Donner kam aber aus Schlesien, wo sich Blücher mit den Franzosenschlug. Arn 31. August und 1. September zog der Feind endlich ab und bereitsam Abend des letztgenannten Tages zeigten sich die Blankensteiner Husarenwieder hier.

Den Franzosen folgten nur zu bald die Russen nach. Vom 21. bis 25. Septemberzogen durch die Gegend gegen 80.000 Mann. Sie kamen aus Preußen, überLÖbau her, hatten den Weg über Sachsen gemieden, weil einerseits dort die Stra-ßen noch von den Franzosen besetzt, anderersgits die Lebensmittel nahezuerschöpft waren. Die Furcht vor ihnen ging ihnen weit voran und war bedeutendschlimmer als die vor den Franzosen. Sie war deshalb so groß, weil die kreisämt-fichen Tirkulare unter Strafen verboten, gegen die Russen eine Klage zu führen;auch war streng befohlen worden, Mann und Pferd gut zu bewirten. Es schien,als wollten die Behörden den Russen jeden unfug gestatten.

Der erste Marsch ging von Gabel über Brins gegen Niemes. In Brins selbst wur-den 4.000 Mann einquartiert, so daß mancher Bauer über 100, mancher Häuslerüber 50 Mann beherbergen und beköstigen mußte. Die Kost sollte aus Rindfleischund Zugemüse, Bier und Branntwein bestehen und die Pferde sollten hinlänglichmit Hafer und Heu versorgt werden. Nun hatten aber bereits die Österreicher undFranzosen an Hafer und Heu genommen, was aufzutreiben war. Als nun die Rus-sen ihr Verlangen nicht erfüllt sahen, wurden sie zornig, beschimpften die Leuteund schlugen sie sogar. Mit brennenden Fackeln durchsuchten sre Kammern,Böden und scheuern und raubten dabei, was ihnen anstand.

Am Morgen des 22. September zogen sie über Grünau nach Reicfrstadt uncl vondort gegen Teplitz zu. Dabei trieben sie alles Vieh, das sie aul den Feldern sa-hen, mit fort. Auch mußten die Bauern Vorspann leisten, bekarnen aber wederBrot für sich noch Futter für ihre Pferde, weshalb sie vom Raube leben mußten.Gar mancher Fuhrmann ließ Vieh und wagen im Stiche und entfloh.

Noch am selben Tag, dem 22. September, kam die zweite Eilrquartierung. DieRussen wurden hier (Gabel) zumeist nach Hennersdorf, Wartenberg und Neulandgeschickt. Die Einteilung bzw. Zuweisung hatte der ersle Rat der Stadt Gabel,Franz Turek, zu treffen, der als kaiserlicher Kommissär seines Arntes waltete.

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Da nun in einzelnen Gemeinden das Herbeigeschafte nicht ausreichte, ging dasSuchen und Schlagen wieder los. Viele Bauern wurden gezwungen, noch in derNacht zu dreschen, um für die Pferde Hafer zu beschaffen. So ging es auch dennächsten und übernächsten Tag.

Am 26. September blieb es den Tag über ruhig, die Bewohner atmeten auf. Dochschon den nächsten Tag kam ein neues Korps, lauter Landwehrmänner; damitwurden die Orte Gabel, Hennersdorf und Neuland vollgestopft. An diesem Tagesollten auch die Vorspanne abgelöst werden. Da aber die Bewohner ihr übrigge-bliebenes Vieh in die Wälder getrieben hatten und es nicht hergaben, konnten dieVorspanne nicht abgelöst werden, sondern mußten weiterfahren.

Kaum waren diese Abteilungen abgezogen, so kamen Kosaken gelagt. lhnen gingder schlechteste Ruf voraus. lhr Aussehen war grauenerregend. Sie trugen langeweille Hosen, die eher Weiberröcken glichen und sehr abgegriffen waren. Als Be-deckung des Oberkörpers diente ein Bauernpelz oder eine Weiberjacke; um denLeib hatte jeder einen Strick gezogen; Sporen fehlten ganz. Unter dem rechtenfume trug jeder Kosake eine Lanze, in der Hand hielt er ein Stäbchen nrit einemkurzen Stricke, urn das Pferd anzutreiben. Jeder Unteroftizier war rnit einer Knuteversehen. Ein Teil der Mannschaft trug große Bärte, der andere Terl war barbiert.Sie waren einander in nichts als den hohen Tschakos und den langen Lanzerrgleich. Den Kosaken folgte ein Bataillon Landwehrmänner. Diese hatten keineHemden an, sondern trugen auf dem blofJen Oberkörper eine Turrika (ärrnellosesUntergewand) aus Hanffäden. Über diese hatten sie einen ungefütterten Bauern-rock gezogen. Die Hosen, auch aus Hanffäden angefertigt, waren rot oder blau,die Stiefel ganz zerte|zl. Trotz der elenden Kleidung und trotz der groflenBeschädigungen an den Füßen, zeigten sie doch keine Ungeduld. Ganz für Gotteingenommen, erhoben sie die Hände und Augen gegen den Himmel, machtengroße Kreuze, neigten sich bis zur Erde und küßten sie. Solche Ehre erwiesen sieauch den Heiligenbildern, die sie mit entblößtem Haupte andächtig ansahen. BeiTische stießen sie die Teller zur Seite, aßen zuerst das.Rindfleisch und schlürftendann die Brühe nach, zu welcher sie Brot nahmen. "Das Fleisch wurde auf demTische zerteilt, worauf alle mit den Händen zulangten. Die Kartoffeln zerquetsch-ten sie zu einem Teige, zu dem sie so viel Butter rührten, als Teig war. DenQuark strichen sie nicht aufs Brot, sondern aßen ihn mit Löffeln. Vor dem Essen'soff' jeder zwei Gläser Branntwein aus, so auch nach dem Essen. Dann gofi ernoch eine halbe Maß Bier hinunter.

Jeder russiche Durchzug war schrecklich, die Einquartierung noch schrecklicher,die Bewohner wurden arg mißhandelt; oft wurden sie durch die Feuerglocke zu-sammengerufen.

Vom 27. bis 29. September sollten die Russen in und bei Gabel lagern; da aberdie Zufuhr von Lebensnritteln sich verzögerte, weil infolge Mangels an Zugvietr al-les auf Rabern (Schubkarren) herbeigeschafft werden rnußte, rückten sre weiterbis Neuland (bei Niemes). Sie wurden zwar, so gut es ging, verpflegt, hatten sictraber doch auch vorgesehen, um an Orten, wo keine Verpflegung möglich war,versorgt zu sein. Daher führte ledes Regiment eine Herde Kühe und Schafe mitsich, die aber nicht auf der Heerstraße, sondern über Wiesen und Felder getrie-ben wurde. Dieses Vieh, da und dort aus den Ställen geraubt, war an Ordnunggewöhnt. Nun mußte es ohne diese sein Leben fristen, während der Nacht derKälte ausgesetzt unter freiem Himmel liegen und morgens das oft mit Reif be-deckte Gras fressen. Es wurde nicht getränkt und nicht gemolken, es war daherkein Wunder, daß es erkrankte und massenhaft verendete. Man hielt diese Krank-heit für Rinderpest. Viele Tierleichen lagen umher, die Luft verpestend. Die Be-wohner hatten eine schreckliche Angst vor der Ansteckung. Trotzdem kam esvor, daß ein Bauer sein Vieh auf einer Wiese weiden ließ, über die Russen ihrVieh getrieben hatten. Bald darauf erkrankte dann das Vieh des Bauern und ver-

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endete. So starben ganze Ställe aus. Deshalb mochte kein Bauer mehr Wiesenabmähen oder das Kraut vom Felde füttern. Meist rotteten sich die Bauern einerGemeinde zusammen, bewaffneten sich mit Stangen und vertrieben von ihrenGründen die russischen Herden und Hirten.

Ende September und Anfang Oktober kamen russische Transporte mit Lebens-mitteln durch. Auch erhielten die Truppen weite Pelze für den Winter. So kamenam 5. Oktober auf einmal 'l7O Wagen an. Jeden Transport begleiteten Soldatenmit Offizieren. Da die Mannschaften in den Nächten das Vieh bewachen mußtenund es schon ziemlich kalt war, verbrannten sie beim Lagerfeuer nicht nur Holzder Bewohner, sondern stahlen auch Zäune, ja selbst Tische und Bänke und ver-brannten sie. Mit ihren Viehherden und Vorspannforderungen wurden sie gerade-zu überdrüssig, so daß es oft zu argen Schlägereien kam, wobei mancher Bauermit der Lanze verwundet wurde.

Am 10. Oktober fuhr ein großer Transport von mehr als 300 Wagen durch und inden nächsten zwei Tagen weitere 50 Wagen, beschützt von 300 grün gekleidetenfnfanteristen. Am 14. Oktober ritten Kürassiere und ein rotes Hrsaränregimentdurch die Gegend. Diese zwei Regimenter führten viele Wagen mit sich, die mitelenden fast im Kote kriechenden Pferden bespannt waren und voll etwazwölfjährigen barfüßigen Knaben aus der Bunzlauer Gegend in Schlesien getrie-ben wurden. Am 15. Oktober, es war ein Freitag, kamen sieben Eskadrone Kosa-ken an. Da sie das Fleisch verschmähten, das man für sie gekocht hatte undauch kein mit Butter zubereitetes Gemüse aßen, sondern alles in Ol gernacht ver-langten, wurde es so schlimm, daß die Bewohner flüchten muflten und die Kosa-ken dadurch die beste Gelegenheit zum Plündern fanden. Als man deshalb beimOberst vorstellig wurde, sagte dieser: 'Meine Kosaken nehmen, was sie habenwollen. Sie werden aufhören, wenn sie genug haben und Alexander wird alles er-setzen.' Dieser Oberst hatte auch recht, denn nach dem Kriege wurde alles er-setzt, d. h. von Zar Alexander wurde alles bezahlt, was die russischen Soldatengenommen hatten.

Am 16., 17. und 20. Oktober kamen noch Infanterie und Kavallerie, bis zum 22.November. An diesem Tage war der letzte Durchzug. Es waren 8.000 Reiter, gro-ße, starke Leute mit schönen Pferden, die alle um Gabel bis gegen Neuland

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Niemes einquartiert wurden. Für sie sollte die ganze Fourage nach Gabel geliefertwerden. Da aber Heu und Hafer erst gegen 10 Uhr abends eintrafen, kam es wie-der zu argen Auseinandersetzungen und Beschimpfungen der Bürger und Bau-ern. Nun hörten die schrecklichen russischen Durchzüge und Einquartierungen,welche die Bewohner fast zur Verzweiflung getrieben hatten, endgültig auf.

Die andauernden Lieferungen an Freund und Feind, an österreicher und Russen,an Franzosen und Polen, hatlen die Bewohner Nordböhmens, insbesolrcJere dievon Gabel und Umgebung, fast an den Bettelstab gebracht. Daher war es keinWunder, daß eine unerhörte Teuerung einsetzte, die erst im Frühjahr 't g 14 etwasnachließ. Auch die Witterung war das ganze Jahr 1813 ungünstig gewesen. lmNovember und Dezember war es ungemein naß, so daß die Saaten in e"fahr ge-rieten, zu verfaulen. lm Januar 1814 setzte große Kälte ein, die bis zum A. Märzanhielt und so grimmig war, daß die Kartoffeln in den Kellern erfroren. Bei dieserKälte mußten damals unsere Soldaten in Frankreich im Felde stehen. Am 20.März fing es an zu tauen, es folgten warme Tage und Nächte, so daß bereits am5. April die Frösche quakten. Doch danach kam am 24. Aprrl ein ungemein star-ker Frost, der die grünen Blätter braun färbte. Diese Bäume wurden erst im Juliwieder grün, und späte Sorten, die im April noch nicht belaubt waren, grüntenund blühten erst Anfang Juni. Also viel später als andere Jahre.

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Infolge der starken Fröste dieses Mai konnten die Saaten nicht treiben, sie warenEnde Mai noch nicht fingerlang. Infolgedessen fing die Kornernte erst nach MitteAugust an und brachte nur wenige Körner; der Preis des Kornes stieg wieder auf15 Gulden, für die damalige Zeit ein hoher Betrag. Anfang September setzte Re-genwetter ein, das lange anhielt. Weizen und Hafer lagen auf den Feldern, Ahrenund Rispen grünten. lm Gebirge grünte das Korn stehend. Die Pflaumen hingengrün an den Bäumen und verdarben im Oktober durch Reif und Fröste; die Kar-toffeln waren klein geblieben und ergaben keine Ernte.

Bei all dem Elend brauchte der Staat frische Soldaten; es mußte eine Reservear-mee aufgestellt werden. Da keine volljährigen Leute vorhanden waren, nahm man16jährige Knaben von den Eltern, die Männer von den Weibern. Die Eltern, derenSöhne geflüchtet waren, und die Weiber, deren Männer sich auf den ersten Be-fehl nicht gestellt hatten, zog man zu scharfer Strafe heran. Man belegte ihreHäuser mit Soldaten, die außer guter Kost noch am ersten Tage für jede Stundevier Groschen, den zweiten Tag einen Gulden, den dritten Ta$ einen Guldenmehr erhalten mußten, so daß nach wenig Tagen bei Leuten, die nicht zahlenkonnten, eine Kuh, ein Ochs oder ein Pferd aus dem Stalle oder Tische undStühle aus der Wohnung geholt wurden. Jede Gemeinde hatte den Befehl erhal-ten, die Mannschaft der Nachbargemeinde abzufangen und abzuliefern. So warauf der Straße kein Reisender und in der Werkstatt kein Geselle mehr sicher. AllePässe wurden für ungültig erklärt und jeder, der zum Kriegsdienst tauglich war,konnte zum Soldat werden.

fn einer solchen Zett, in welcher der Glaube erloschen und kein Gott gefürchtetwar, über Sünde und Hölle nur gelacht wurde, einer den anderen zu betrügentrachtete, und der Spruch galt: 'Was diesem erlaubt ist, kannst auch du tun!', wares kein Wunder, daß viele den Raub als Erwerb wählten. In Hennersdorf bei Ga-bel wurde im Oktober eine ganze Bande, welche die Gegend längere Zeit inFurcht und Schrecken gehalten hatte, entdeckt, überfallen und eingeliefert."

Die Zeit bis zum Revolutionsjahr 1848

Bis die Schäden aus den Sommer- und Herbsttagen des Jahres 1813 behobenwaren, bedurfte es wieder vieler Jahre. In dieser Situation der leeren Viehställe,war es zu jener Zeit wahrscheinlich möglich gewesen, von Bauern im InnernBöhmens, denen eine militärische Invasion in dem Maße wie im nordböhmischenRaume erspart geblieben war, Tug- und Nutzvieh käuflich zu erwerben. Aus derSicht der damaligen Verhältnisse ist es schwer vorstellbar, daß die Grundherr-schaft den geschädigten Bauern materielle Hilfe bieten konnte. Es war vielmehrdie Kraft der Bauern zur Selbsthilfe, die entstandenen Schäden zu beheben, wo-zu sicher auch die finanzielle Entschädigung durch das zaristische Rußland bei-trug, sofern gezahlt wurde.

Aus der Zeit von 1842 bis 1847, den letzten Jahren der Erbuntertänigkeit Hen-nersdorfs an Wartenberg, in Graf Hartigschem Besitz, liegen außerordentlichwertvolle Beweisstücke, die Wirtschaft Nr. I betreffend vor, deren letzter BesitzerKarl Hillebrand war. Obzwar vollständig vorhanden, werden nur das Deckblatt voneinem "Roboth Büchel", Anno 1842 ausgestellt, und eine Seite der Eintragungenvom Jahr 1847 in Fotokopie wiedergegeben.

Wie schon einmal an anderer Stelle mitgeteilt wurde, blieben, trotz des DekretesKaiser Josefs ll. aus dem Jahre 1781 über bie Rufnebung der Leibeigenschaft,die Bindungen und Untertänigkeit der Bauern an Wartenberg bestehen. In Ge-genüberstellung ztJ Dienstleistungsverpflichtungen im 18. Jahrhundert, scheintaus den Eintragungen von 1847 eine Minderung an Leistungsverpflichtungen er-kennbar zu sein. Kein Wunder, am Vorabend des Revolutionsjahres 1848!

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Das vorstehende Blatt zeigt die erste Seite eines Erbkaufvertrages des BesitzersAnton Hildebrand an seinen Sohn Franz Hildebrand. Daraus geht nicht hervor, inwelchem Jahre derselbe getätigt wurde, doch sicher erst nach dem Jahre 1800,weif es sich um denselben Franz Hillebrand handelt, auf dessen Namen das "Ro-both Büchel" ausgestellt war. Jedoch ein Unterschied ist in der Schreibweise desFamiliennamens festzustellen. Der Erbkaufvertrag lautet auf Franz Hildebrand unddas "Roboth Büchel" aut Franz Hillebrand. Letztere Schreibweise wurde sichernach 1850 amtlich bestätigt.

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Die zu Robotdiensten verpflichteten Hennersdorfer Bauern bekamen schriftlichausgehändigt, in welchem Umfange Handarbeiten, Arbeiten mit Gespannen, Ab-gaben an Naturalien und finanziellen Tributen im Jahre zu leisten waren. Zu Endejeden Jahres wurde abgerechnet und entstandene Schulden den Verpflichtungendes Folgefahres zugeschlagen. Die Gutsherrschaft war in diesen Belangen un-nachsichtig. Ubrigens war auch der Dorfrichter ,mit verantwortlich, daß die Robot-pflichten seiner Bauern im Dorfe erfüllt wurden.

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Die Eintragungen und Bestätigungen über geleistete Hand- und Gespannarbeitenin das "Roboth-Büchel" wurden von einem beauftragten Schreiber vollzogen.

Die Zeit nach der Niederwerfung Napoleons bis zum Revolutionsjahr 1B4B verliefin Böhmen äußerlich ruhig. Obwohl immer noch erbuntertänig und zu Frondien-sten bei der Grundherrschaft verpflichtet, begannen sich die Wrtschaften, dasHandwerk und das Leben im Dorfe allmählich der Zeit entsprechend zu verbes-sern.

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Umsomehr schwelte es innenpolitisch im Vielvölkerstaat der Österreich-Ungarischen Monarchie. Von den nicht deutschsprachigen Völkerschaften be-gehrten am meisten die Ungarn und Tschechen auf, die Kaiser Franz Josef l.(1848-1916) aus dem Hause Habsburg-Lothringen und die Zugehörigkeit zurMonarchie nur gezwungenermaßen anerkannten. Den Anstoß zum Ausbruch offe-ner und revolutionärer Ausschreitungen gab die Februar-Revolution des Jahres1848 in Frankreich. Schon im März des gleichen Jahres schwappte die Revoluti-on auch auf das Zentrum der Monarchie, Wien, über und auf weitere Hauptstädteder integrierten Länder.

Dieses gewaltige Aufbegehren für Freiheit und gegen politische Mißstände in denLändern, bis hin zu Forderungen nach nationaler Eigenstaatlichkeit, erschüttertendie Monarchie schwer. Nach diesen bewegten Revolutionsereignissen, die sichvon März 1848 ein Jahr lang hinzogen, kam es am 4. März 1849 zu einer für dieganze Monarchie gültigen neuen Verfassung. Leider löste sie nicht die gewünsch-te Beruhigung und Zufriedenheit im Vielvölkerstaat der Monarchie aus.

Hennersdorf nach dem Revolutionsjahr 1848

Die allgemeine Entwicklung

Von den Ereignissen des Revolutionsjahres 1848149 bekam Hennersdorf sichernur wenig zu spüren.. Dennoch prägten sie sich in die weitere Geschichte desDorfes stark ein, denn nach 67 Jahren der Verordnung zur "Aufhebung der Leib-eigenschaft" durch Kaiser Josef ll. kam es im Ergebnis der Revolution zumendgültigen Vollzug derselben. Ein für den Bauernstand und das ganze Dorf zeit-historisches Ereignis. Aus Hennersdorf entstand aus der über Jahrhundertewährenden Erbuntertänigkeit ein selbständiges Gemeinwesen. Groß muß die Ge-nugtuung und Dankbarkeit der Bauern und aller übrigen Ortsbewohner darübergewesen sein, nicht mehr auf den Feldern des Wartenberger Meierhofes arbeitenzu müssen und in allen Entscheidungen und Dispositionen eigenständig verfahrenzu können.

Noch eine weitere Entscheidung der nunmehr kostitutionellen Gesetzgebung inWien war von besonderer Bedeutung. Vom 1 . Februar 1850 an wurde die Einrich-tung von K. K. Bezirkshauptmannschaften wirksam. Für Hennersdorf bedeutetees, daß es fortan verwaltungspolitisch zum Bezirk Gabel gehörte und die Bindun-gen an Wartenberg sich in gleichem Maße lösten. Was die geschäftlichen Bezie-hungen zum näher gelegenen Wartenberg betrafen, so blieben dieselben stetsund bis 1945 bestehen.

Die über Jahrhunderte wahrende Funktion von zwei Dorfrichtern und derSchöppen hörte aut zu bestehen. Das Dorf wurde nach seiner neuen Verwaltungeine selbständige Gemeinde, geführt von einem gewählten Gemeindevorsteher.lhm zur Seite stand die gewählte Gemeindevertretung, aus deren Reihen sich derGemeinderat konstituierte. Die Gemeinden verwalteten sich selbst und waren juri-stisch selbständige Institutionen.

Die Abschaffung der Leibeigenschaft wirkte sich in allen Bereichen des Lebensauf dem Lande fördernd aus. Es vollzog sich eine zum Guten hingerichtetemenschliche und wirtschaftliche Wende, von der aile Ortsbewohner profitiertenund die sich alsbald im gesamten Dorfgeschehen niederschlug. Mit Ausnahmeder finanziellen-steuerlichen Belastungen durch Abgaben an den Staat und dieGemeinde kam alles, was draußen auf den Feldern wuchs und in der Viehhaltungerwirtschaftet wurde, den Bauern, Feldgärtnern und Häuslerbetrieben zugute. Mitihrer ganzen Kraft konnten sie sich ihrer Wirtschaft im großen und kleinen wid-men.