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5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
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BAYERISCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE
ABHANDLUNGEN . NEUE FOLGE, HEFT 83
HANS EBERHARD MAYER,
Das Siege lwesen
in den Kreuzfahrerstaaten
Vorgelegt von Herrn Fuhrmann
am 21. Oktober 1977
MONCHEN 1978
VERLAG DER BAYERISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
IN KOMMISSION BEl DER C.H.BECK'SCHEN VERLAGSBUCHHANDLUNG MONCHEN
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
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INHALTSVERZEICHNIS
Ii
Vorbemerkung ............. I .
I. Die Anlange des Siegelwesens im Konigreich Jerusalem. . . . . . . . .. 6
Ausgangssituation im Abendland S.6. - Anfange inJerusalem: Gottfried von Bouil-
Ion S.8. Balduin I. S.10. - Patriarchensiegel mit griechischer Legende S. 11. - Ver-
schlui3siegeJS. 12 - Siegelmaterial der Konigssiegel S. 14.
II. Der Aufstieg des Siegels . . . . . . . . . .. 17Siegelbeginn beim hohen Klerusvon Jerusalem S. 17.- Siegelausbreitung S.17.- Die
Grafschaft Ede5lS3:Grafen- und Vasallensiegel S. 18. - Das Fiirstentum Antiochia.
Das Ftlrstensiegel S. 19-- Das sigillum principale S. 19.- Ein angebliches antioche-
nisches Coldsiegel S. 20. - Siegel der Furstinnen S.22 - Siegel der antiochenischen
Vasallen S. 22-Die Grafschaft Tripolis: Das Grafensiegel S. 24. - Siegel dertripoli-
tanischen Vasallen S. 25. - Das Konigreich Jerusalem: Geistliche Siegel. Patriarch
und Erabischofe S. 28.- Bischofe S. 30. - Abte. Prioren, A.btissinnen S.32 - Cbor-
hcrrenstift "om Hl. Grab; Stiftsbulle und Priorensiegel S.33. - Die geistlichen Ritter-
orden S.35.- Das Konigreich Jerusalem: Weltliche Siegel. Die Koniginnen S. 37.- Die
geist lichen Seigneurs S.38.- Das Furstentum Galilaea S. 38. - Die Grafschaft jaffa-
Askalon S.41. - Die Herrschaft Caesarea S.44. - Die Herrschaft Sidon S.44. - Die
Herrschaft Bai-er S. 45. - Die Herrschaft Transjordanien S. 45. - Die vier Groflba-
ronien S. 45. - D1E'Herrschaft Haifa S.46. - Die Herrschaft Ramla und die Familie
Ibeli n S .47. - Die Herr schaft Tor an S . 52 - Die"Her rs chaf t" Nablus S .53 . - Aus-
Hinder im HI. Land S. 53. - D ie Rlc inva sa ll en S.55.
III. Le droit des coins im Konigreich Jerusalem . . . . . . . . . . . . . . . . 59
Forschungssrand S. 59.- Bleisiegel als Herrschaftszeichen S. 60. - Die neue Ankun-
digungsforme1 S.61. - Konigssi egel in Zypern S.62 - Die neue Ankiindigungsformel
dort S.66.- Die neue Formel bei den Baronen S.67.- Entstehung der neuen Formel
S. 68. r- Die ne-ueFormel und die Notare S. 6 9. - Keine neue Formel beim Klerus
S. 70. - Dieneue rormel bei den Rit terorden S. 70.
jI
IV. Oas Wachssiezel im lateinischen Osten . . . . . . . . . . . . . . . 72
Gcistlicher Bereicb: Das geistliche Wacbssiegel im 12. Jh . S. 72 - Das geist lich e
Wachssiegel im 1 . 3 . Jb. S .74. - Das Wachss iegel bei den Ri tt erorden S .76. - wel t-
licher Bereich S. So. - Das Wachssiegel der Barone S. 82
V. Der Charakter des Wachssiegels . . . . . . .. 84
Ungeniigend im we-ltlichen Bereich S. 84. - Wachssiegel Konrads IV., Friedrichs II.
und Isabel1asII. S.84. - Sonstige Praxis derWachsbesiegelung bei den GroOenS. 87.
- wacbsgeslegene \ "orvertrage S.89. - Zusammenfassung S.98,
ISSN 0005-710 X
ISBN 376960078 9
. .Erlauterungen der Abbildungen . . . . • • . . . . • . . . • . . . . • • . 100
Tafeln
o.,.......Akademie der Wissenschafteo llIiDchen 1978D I ac I E . . C. H. Beck' schen Buchdruckerei N6rd1 ingen
Printed in Germany ;
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
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,I, /
VORBEMERKUNG
Mit Recht hat Rudolf Hiestand' festgestellt, daf das Sregelwesen 10 den Kreuzfahrer-
staat en bisher wemg untersucht ist Zwar haben Schlumberger, Clermont-Ganneau, Laurent
und Chandon de Brrailles erne betrachthche Zahl von Kreuzfahrersiegeln beschneben,'
aber wirkhch wichtrg smd nur zwei Pubhkationen G Schlumberger, F Chalandon und
A Blanchet, Slglllograph,e de l'Orrent latin (Bibhotheque archeologique et hrstorique,
1943),wo die bekannten Siegel zusammengestellt und beschneben SInd, und Graf Chandon
de Brrailles, Le droit des "COIns"dans Ieroyaume deJerusalem, Syria 23 (1942{43) 244-257,
wo der Nachweis gefuhrt wird, daf es sich bel diesern droit des coins rucht etwa um das
Munzrecht handelte, sondern um das Recht zum Fuhren emer Bleibulie, welches bel
Johann von Ibehn'' zusammen mit dem elgenen Gencht die voll entwickelte Herrschaft
charaktensiert, also em hoheithches Zeichen ersten Ranges rst Diese und erst recht die
anderen sphragrsnschen Arbertcn zur Kreuzfahrergcscluchte kranken aber daran, daJ3sie
die Dinge rem formal und exklusiv sphragisusch, d h losgelost von einer historrschen
Betrachtungsweise, drskutieren Allein Rudolf Hiestand hat m seinem oben erwahnten
Aufsatz zum Problem der Wachssregel des 13 Jh wichtige Bemerkungen aus hrstorischer
Sicht bergesteuert, auf diewir unten zuruckkommen Irn folgenden sollen elnIge sphragisti-
sche Probleme aus den Kreuzfahrerstaaten des Fcstlandes behandelt werden, und auch
drese Arbeit rst h istonsch ausgenehtet, d h wir mteressieren uns mcht sosehr fur Form,
Aussehen und Grelle der Siegel, sondern fur histonsch-genetrsche Probleme oder rechts-
geschichthche Fragen, die rrut dem Siegel zusammenhangen
1 Rudolf HIESTAND, Zwet unbekannte Drplome der latetmschen Komge von Jerusalem aus Lucca, Quellen
u Forschungen aus rtaheruschen Archrven u Brbhotheken 50(1971) 4S Die Ltteratur wtrd nurhelm ersten
Zitat bibhograplusch genau artiert Bel werteren Zrtaten werden Kurzntel und die ubhchen Siglen fur Peno-
dica verwendet
• VgI Hans Eberhard MAYER, Brbhographre zur Geschrchte der Kreuzzuge (1960) ric 588-614
J Livre de Jean d'Jbelm c 270 Recued des Hrstonens des Crorsades (kunftrg gekurzt RHC) LOts1,419
. .
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Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 7
I DIE ANFANGE DES SIEGELWESENS 1M Kl>NIGREICH JERUSALEM
bleiben darnit im 10 Jh an ruchtkorughchen Laiensregeln nur diejerngcn des Herzogs
Arnulfvon Bayern von 927 und des Herzogs Otto von Worms aus dem Jahre 987, denn die
Ankundigung emes Siegels des Grafen Gottfried von Anjou aus dem Jahre 975 oder 976
mull gleichfalls als unecht abgetan werden 13 Aus dem II Jh verzerchnet Bresslau 14 an
weithchen Siegelfuhrern Herzog Bernhard I von Sachsen aus dem Anfang des Jahrhun-
derts, Herzog Hemrich von Bayern von 1045, Herzog Gottfned II von Nicderlothnngen
von 1069, Herzog Dietrrch von Oberlothnngen von 1078, Herzog Wratlslaw von Bohmen
von 1078, Herzog Friedrrch von Schwaben von 1102 und Herzog Heirmch von Karnten von
1103 Danach begmnt, wie allgemem bekannt, im 12 Jh em steiler Aufstieg der bcsiegelten
Furstenurkunde, aber fur das ganze II Jh kann das Furstensiegel nur als Ausnahme be-
zeichnet werden
In Frankreich sieht esmcht anders aus als in Deutschland In Anjou begegnet das erste
Grafensiegel 1060 oder 10851', denn fruhere Grafensiegel smd gefalscht oder von spateren
Grafen nachtraghch angebracht 16Wlewemg verbrertet der Gebrauch desSiegels irn 11 Jh
selbst unter GroBmagnaten war, belegt das Beispiel der Herzoge der Normandie 17 Von
Richard II sind zwei besregelte Urkunden aus den Jahren 1015 und 1025 bekannt (Fau-
roux nO18 34) Die zweite, deren verlorenes Siegelehemals aufgedruckt war, 1Stem Pseudo-
Original und zudem kundigt der Text kern Siegel an DIe erste 1Stzwar echt, kundigt aber
auch kem SIegel an Jedoch wurde fur dieses Stuck r rn 18 Jh emSIegel beschricben und
nachgezeichne t Es war em Hangesiegel und sorrut em Urnkurn fur den Begmn des 12 Jh ,
denn das Hangesregel Fulko Nerras von Anjou 1Steben gefalscht und vorderhand haben
Wr aus ruchtkornghchen Laienkreisen keine andere Parallele als em nachgezeichnetes Han-
gesiegel des Herzogs Robert I von Burgund'" aus dem Jahre 1054, beldem aber die ovale
Form Verdacht erregen muf (wenn essich bel dem ronusch gewandeten Krieger rncht urn
eme wiederverwendete Antike handelte) Fauroux hat hilfsweise darauf verwiesen, dafl
WIlhelm der Eroberer als Konig von England seine Urkunden nut emern Hangesiegel be-
siegelt habe, von dem noch etwa 10Abdrucke bekannt smd, aber das hilft naturhch rucht ,
welter, denn 1066 war erne Zasur, und was danach kam, 1Strm Bereich der Korugsdiplorna-
nk anzusiedeln Herzog Robert von der Normandie benutzte nach den Ankundigungen
zweirnal em Rmgsiegel (Fauroux nv 6190) m den Jahren 1030 und 1035, also zweimal in
31 bekannten Urkunden Von Wilhelm dem Eroberer haben wir uberhaupt kein norman-
Wer diesen Problemen seme Aufmerksarnkeit zuwendet, muf von zwei Voraussetzungen
ausgehen
1 Wahrend auf dem Ersten Kreuzzug lothnngische, normanrusche, franzosische und
provenzahsche Emflusserrutemander rrnWettstreit lagen, wurde das Konigreich Jerusalem
durch dieWahl desHerzogs Gottfried von Niederlothnngen zum weithchen Herrscher em
lothnngisches, m dem lothrmgisch-nordfranzosrscher Gebrauch dommierte Dies 1Stbisher
nicht genugend gewurdigt worden, aber die sofort anhebende Ausemandersetzung zwischen
dem Herzog Gottfried und dem Patriarchen Daimbert, dern ehemahgen Erzbischof von
Prsa und Herrn der pisanischen Flotte, geht rucht nur urn das Verhaltrus von Krrche und
Staat, sondern sehr wesenthch auch darum, ob hier em lothrmgisches oder em pisarusches
Reich gegrundet werden sollte,' und In den glelchen Zusammenhang gehort es, daBGott-
fned erfolgreich dieAnsiedlung Raimunds IV von Samt-Gilles und seiner Provenzalen in
Sudwestpalast ina verhmderte! und daB Baldum I den Italo-Normannen Tankred aus
Gahlaea nach Anuochra vertrieb 6
2 AIs Herzog Gottfried und sem Bruder Baldum, der nachmahge Konig Baldum I von
Jerusalem, aus demAbendland zum Kreuzzug aufbrachen, war der lothrrngrsch-nordfran
zosische Raum noch weitgehend siegellos Gewif kannte man SIegel Sowohl die Kaiser-
diplorne wie die der Kapetmger waren damals wachsgesiegelt und die Papsturkunden mit
Bleibullen versehen Auch bischofhche SIegel waren langst mchts Neues mehr Schon im
9 Jh wurden erzbischofhche Rmgsiegel benutzt,? Bresslau'' nennt an erzbischofhchen und
bischofhchcn Siegeln Mainz 888, Toul 898, Koln 950, Trier 955, Salzburg 958, Halber-
stadt 965, Utrecht 994/1008, Hildesherm 996 Fur Luttich hat Bresslau 1031 angegeben,
KIttel dagegen 980· Em monstroses Siegel des Bischofs Altfned von Hildesherm von 873
1Stsamt der Urkunde, an der eshangt, erne Falschung 101m 11 Jh gehte s dann mit erz
bischofhchen und bischofhchen Siegeln rapid aufwarts
Dagegen sind besiegelte Privaturkunden von Laten noch im 11 Jh erne Rantat Das
Thronsiegel des Markgrafen Arnulf von Flandern von angebhch 941 1StauBerordenthch
umstritten, auch wenn es in der belgrschen Forschung mit Patriotrsmus als echt verteidrgt
worden 1St11 Sicher gefalscht 1Stem Siegel des Markgrafen Gero von angebhch 964 12Es
(VgI Hans Eberhard MAYER,Brstumer, Kloster und Strfte rm Komgretch jerusalern (Schnften der Mo
numenta Germamae Hrstortca 26, 1977)S 5-42
5 Jean RICHARD,Le ccmte de Tripoh SOllSa dynastte toulousame (1102-1187) (Bibhotheque archeologi
que e t hrstortque 39 1945)S 10
• Hans Eberhard MAYER,The Crusades ( '972) S 68
, Arthur GIRY,Manuel de diplomatique (1894)S 656, A de BOUARD,Manuel de diplomatique francarse
et pontificale • Diplomatique generale ('929)S 356
8 Barf) BRESSLAU,Handbuch der Urkundenlehre fur Deutschland und Itahen 21(1912)694ff
9 BRESSLAU,Urkundenlehre 21,703, Ench KITTEL,Siegel (Biblrothek fur Kunst und Antrquttatenfreunde
11, 1970) S 120
10 BRESSLAU,Urkundenlehre 21,69; KITTEL,Siegel S 118f
11 Druck Maunts GYSSELING A C F KOCH,Diplomata Belgrca ante annum rmllesrmumcentesrmum
scnpta 1(1950) 143no 53 Zum Siegel vgl BRESSLA.U,rkundenlehre 21 707. Henn Prrenne bel GrRY,Ma
nuel de diplomatique S 637, P BONE'fFANT,Cours de diplomatique 21(1947) 66, Etienne SABBE,Etude
crttrque sur Je drplome d'Arnoul Ier , comte de Flandre, pour l 'abbaye de Samt-Pierre a Gand, In Ltudes
d htstotre dedrees a Ia memorre d 'Henn Prrenne (1937)S 299-330, zurnSiegel S 329f Gegen die Echthert
des Sregels Otto OPPERMANN,Die alteren Urkunden des Klosters Blandmum und die Anfange der Stadt
Cent (Bijdragen van het Instrtuut voor Mtddeleeuwsche Cesclnedems der Rijksumversrtert te Utrecht 11,
1928)S 39f
12 Codex drplornatrcus Anhaltmus hg v Otto VONHEINEMANN1(1867) 27 no38
13 GIRY,Manuel de dtplomatrq .te S 637 Anm 3
1& Urkundenlehre 21, 707f
15 LoutsHALPHEN,Lecomte d Anjou au XIe steele(1906) S 240 282no 130bis Vgl auch Joseph ROMAN,
Manuel de srgrllographie francarse (1912) S 289 Olivier GUILLOT,Le corote d'Anjou et son entourage au
XIesteele 2(1972) 216no 347b zurn SIegel von 1085 GUILLOT2 11Anm 31rstgenergt, das SIegel von 1060
fur nachtraghch angebracht zu halten
16 Zum Siegel Fulko Nerras von 1014-1027 vgl HALPHEN,Anjou S 242 256nc 3 GUILLOT,Anjou 2 11
Anm 31 steJIt acht gefalschte Urkunden mit Ankund.gungcn von GrafensIcgeln zusammen und halt die
grafhchen Siegel an den echtcn Urkunden von 977 und 1047(ebd 221 no2 und 8; no110)uberzeugend fur
nachtr aghch angebracht
17 Mane FAUROUX,Recuerl des actes des dues de Normandre de 911 a 1066(Memoires de la Societe des
Annquarres de Ncrmandie 36, 1961)S 45f
18 Pierre GRAS,Etude de srgillograpbie bourgurgnonne, Annalcs de Bourgogne 23(1951) 196
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8 Hans Eberhard Mayer
msches Siege l vor 1066, auch keme Ankundigungen DaB er a ls Komg von England zwei
verschiedene Siegelsternpel hatte,19 ander t daran ruchts und rechtferngt kemesfalls die
Annahme von Fauroux, er musse als Herzog der Normandie vor 1066gesregelt haben, well
er als Komg von England danach siegelte Darru t blerbt es bel zwei zweifelsfreren Ankundi-
gungen von Rmgslegeln, emem zweifelhaften aufgedruckten und emem zweifelhaften Han-
gesiegel unter 234 bekannten Urkunden Ungeachtet der angekundigten Ringsiegel hat
daher die Memung von Chaplar s'" Bes tand die Urkunden der Herzoge der Norrnandie
waren vor 1066 ungesregelt
Be lden Grafen von Flandern s teht es e twas besse r Von Baldum V (Mit te des 11 Jh) 1St
wemgstens erneNachzeichnung emes Rer tersiegels aus dem 17Jh bckannt.P und auf elm-
germaf3en s icherem Boden stehen wir be l dem Grafen Robert I Aus dem Jahre 1076 i st
von ihrn em Siegel erhalten Es Ist,zwar auBerordenthch umstntten , vor aIlem wegen semes
Rucksiegels.P aber das 1Stmsofern belanglos, als schon die verdachtige Urkunde Robertsvon 1072fur die Abtei Watten (Vercauteren 1nO1)em Siegel ankundigt, ebenso diejeruge
von 1085fur die Kollegratkirche von Cassel (Vercauteren 16nO6), wo ubngens em Vrdimus
von 1425 glerchfa ll s em Rucksiege l erwahn t DaB Vercauter en 11 nO 5 von 1080 fur die
Abtei Messmes des grafhchen Siegels entbehr t, wird darru t zusammenhangen, daf3 die
Urkunde von Konig Phihpp I von Frankr eich gesiege lt war Danach 1Stdas gra fhche
Siegel m Flandern haufig 23
Auch die Herzoge von Nicdcrlothnngen fuhrten em Siege l Herzog Go tt fned I I kun-
digte 1069emes an .. Auch fur Gottfned von Bouillon 1Stals Herzog von Nrederlothringen
em Siege l bezeugt 1m Jahre 1093 urkunde te er m Bouil lon fu r Gorze und St Dagobert m
Stenay und kundigte em Siegel an 26Wahrend Gottfried mit semen Brudern auf dem Kreuz-
zug war , schenkte seme Mutter Ida, die Grafin von Boulogne, 1098Besrtzungen an St -Ber-
, . Al fred Benjamm WYON,The Great Seals ofEngland (1887) S Sf, Abb Taf II Terence A BISHOPu
Pierre CHAPLA[SFacsnrules of Enghsh Royal Writs to A D llOO Presented to Vrvtan Hunter Galbraith
(1957) S XXII hal ten nur das zwette Siegel fur echt
IePierre CHAPLAIS, Une charte ongmale de GUIllaume IeConquerant pour l 'abbaye de Fecamp la dona-
bon deSteynmg etde Bury 10 L'abbaye benedictme de Fecamp Ouvrage scientifique du XIII" centenarre
658-1958, Bd I([959) 94
.. Ohvanus VREDIUS,Sigtlla conuturn Flandnae et mscrrptrones dip lomatum ([639) S 4
. . Max PR[NET,Sceau deRobert IeFrison comte deFlandre, Le Moyen Age 2 Ser 18([9[4) 303-307,
Charles VERL[NDEN,Robert Ierle Frison (1935) S 178f, Femand VERCAUTEREN,Actes des comtes de Flan
dre 1071-1128 (Recuerl des actes des pnnces belges, 1938) S Cff
II In der benachbar ten Grafschaf t Namur 1Steme Nachzerchnung des Siege ls des Geafen Alber t I II(1063/64-1102) em Phantasieprodukt des 16Jh ,vgl Fehx ROUSSEAU,Actes des comtes de Namur de la
premiere race (Recueil des actes des pnnces belges, 1936) S CXLI
14 Armand DHERBOMEZ, Cartularre de l'abbaye de Gorze (Mettensia 2 1898) S 240 no 138
2:5 Ebd S 242 no 139 Leider 1Stdies die emzige echte Urkunde, die WT von Gottfned von BOUillonbesit-
zen, vgl Godefroid KURTH,Chartes de I'abbaye de St Hubert en Ardenne 1(1903) 60 Diejemge von 1084
(SIC s ta tt wohl " '94, da auch md II) fur das zu St Hubert gehorende Pnora t St Peter m BOUll ion(ebd I,
59 no48) 1St etne dreiste Falschung die aber kem cmzrgcs SIegel ankundrgt, obwohl auch noch Gottfneds
Mutter Ida und seine Bruder Eustach und Baldum angebhch rmtwirkten Erne weitere Urkunde von Stenay .
aus dem Jahre 1096 die von Gottfned gememsam mit semern Bruder Baldum ausgestellt 1St, kundigt zwar
em SIegel an aber nur das Gott fneds rucht das Baldums Dieses Stuck 1St mit Sicherhert erne spate Fal
schung, da esnicht emmal Indas Chartular von Gorze aufgenommen wurde, woman eserwarten wurde, da
Stenay zuGorze gehorte Wu haben nur emen Druck bel Aubertus MIRAEUS u Johannes F FOPPENS, Opera
drplomanca 21(1723) 360 no27 gefunden Auch die Schenkung Cottfneds und seiner Mutter Ida aus dem
Jahre 10<}6 an das Kloster Affhghem, diedie Siegel beider Aussteller ankundigt (Edgar DEMARNEFFE,Car
tularre d'Affhghem [Analectes pour servir a 1histoire ecclesiasnque de Belgique, lIe section, fase 5, H)OI]
S 13no6) g"t a ls unecht
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Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 9
t in i n St .-Orner, ohne e in Siege l anzukiindi gen.P Schon 1070 ha tte s ie gemeinsam mit
ihr em Gemahl , dem Grafen Eus tach I I . von Boulogne , fur d ie Kanoniker von Lens im
Artois geurkundet , ohne daB einer von ihnen be iden s ich dabe i e ines Siege ls bedi ent
hiitte.n Auch Got tf rieds Bruder Eus tach, der nach seine r Rii ckkehr vom Kreuzzug a ls
dri tter Graf dieses Namens in Boulogne herrschte, benutzte kein Siegel, als er 1122 fii r
St.-Bertin eine Schenkung machte.P DaB er 1113eine Urkunde des Grafen Balduin VII .
von Flandern mitbesiegelt habe,21Iist eine nicht unrnogliche, aber ganzlich unbewiesene
Vermutung von Vercauteren.P' ' denn das Stuck kundigt nur das Siege l des Graf en von
Flandern an, wahrend das zwei te Si ege l nach der Besch re ibung des 18.Jh. in der Col l.
Moreau schon damals ver loren war; nur die Seidenfaden waren noch davon i ibrig geblie-
ben. So ist in der Familie Gottf rieds von Bouillon sein Siegel als Herzog von Niederloth:
ringen durchaus bezeugt, fiir ein Siegel seiner Mutter Ida haben wir einen Beleg, fiir seinen
Vater und seine Bruder Eustach III . und Balduin (den nachmaligen Konig Balduin I . vonJerusalem) gar kei nen, ja be i Eus tach II I. und Balduin spri cht a lles dafiir, daB sie kei ne
Siegel besaBen, wenigstens nicht, ehe sie zum Kreuzzug aufbrachen. Nachweislich wurden
aber hier wie iiberall selbst die vorhandenen Siegelstempel nicht immer verwendet.
Das Siegel war also im Bereich der, Privaturkunde 1096noch immer die Ausnahme und
bilde te nur be i Paps turkunde und Herrscherdiplom die Rege l. Wurde es hie r auch stet s
verwendet , so folgten doch nur die Papsturkunde und das Kai se rdi plom damals f es ten
Regeln. Das Kapetingerdip lom, das im niederlothr ingischen Raum ebenso bekannt war ,
machte hingegen unter Heinr ich I . von Frankreich und noch unter Phi lipp I . eine schwere
Krise durch , die sich erst in den letzten Jahren Phi lipps abschwachte, Es sank durch Uber-
wuchern der Empfangerfer tigungen in innerer und aui lerer Form auf das Niveau der Pri -
vaturkunde herab . Tessier '" hat ein wahrhaf t erschreckendes Beispiel aus den funfziger
Jahren abgebildet, dem nur das ver lorengegangene Siegel noch eine gewisse Digni tat ver-
liehen haben kann.
Got tfr ied von Bouil lon und Balduin I. von Jerusalem kamen a lso aus e inem Raum und
aus einer Zei t, in denen die groBen Magnaten erst allrnahlich begannen, Siegel zuverwen-
den. Sie gebrauchten sie aber nicht durchgehend, sondern nur sporadisch oder wie die Her-
zogeder Normandie sogut wie gar nicht. Es braucht unsdaher iibcrhaupt nicht zu wundern,
wenn wir in den Kreuzfahrerstaaten anfanglich uberhaupt nichts von Siegeln horen . Was
Got tfr ied als Vogt des HI. Grabes tat , wissen wi r nicht , d a wi r von Urkunden, die e r aus-
s te ll te , zwar hor en, uns aber ke ine davon uberkommen is t. Da seine Stel lung r echt lich I
schillernd war, er sich zweifellos als konigsgleicher Herrscher und in einem Durchgangs-
s tadium zum Konigtum befindl ich be tr achtete, ja sich ei nmal schon a ls rex bezeichnet
hat te" !, wird er kaum se in herzogl iches Siege l weiter gef iihrt haben. Er harte sons t der
gege:l ihn wie die Lothringer i rberhaupt ger ichteten Politik des Patriarchen Daimber t von
Jerusalem nur Vorschub geleistet. Daimber t bestr it t im Interesse der Kirche und Pisas, daB
Gottfried Konig sei; ein herzogliches Siegel an jerusalemitanischen Urkunden ware Wasser
auf seine Miihle gewesen. Es ware jedenfalls eine Abweichung von dem gewesen, was wir
28 Benjamin GUERARD, Cartula ire de St.-Bertin (Collection des documents inedits sur l 'his toire de France,
1840) S. 227ff. no 16.
27 MIRAEUS-FoPPENS, Opera diplomatica 21 , 1 59 nO38.
28 GUERARD, Car tu la ir e de St. -Ber tin S . 229 no 17.
28 VERCAUTEREN, Actes des comte s de Flandre S. 147 nO62.
80 Ebd. S. XCIXf.
"Georges TESS[ER,Diplomatique royale francaise (1961')Taf. VI nach S. 208.
I! MAYER, Bistiimer S. 19. z :
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/hemayer-das-siegelwesen-in-den-kreuzfahrerstaaten-1978 6/55
10 Hans Eberhard Mayer Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaalen 11
sonst im HI. Land zu Anfang des 12.Jh. feststellen konnen, wenn Gottfried seine Diplome
besiegelt hatte,
Dagegen scheint Balduin 1. von Anfang an e in Siege l benutzt zu haben. Ber eit s se in
e rs tes e rha ltenes echtes Diplom von 1106 (RRH [sodazu Anm. 38] nO51) war mit e ine r
Bleibulle besiegelt, die heute ver loren ist und auch nicht angekiindig t war . Sie ist in einer
Uberlieferung von 1255beschrieben und entspricht grosso modo den wenig Veranderungen
unterworfenen Bleibullen der Konige von Jerusalem. Allerdings lautet die Devotionsformel
auf den erhaltenen und 'nachgezeichneten Bullen unabanderlich dei gratia oder dei graeia
und nicht, wie hier, gra dei, und auch der Name Jerusalem ist nie gekiirzt "(mitAusnahme
eines gelegentlichen Kiirzungsstriches iiber dem letzten e), sondern immer als Jerusalem
oder Hierusalem ausgeschrieben. Doch kann die Kiirzung Ierlm cbenso wie die Umkeh-
rung der Devotionsformel eine Nachlassigkei t des Kopisten von 1255sein . Obgleich mannicht ausschliel3en darf, dal3das Stiick sparer mit der Bulle eines anderen Konigs Balduin
besiege lt wu rde , wo fr eil ich die Abweichungen von der Norm ebenso verkehrt waren,
braucht uns das in unserem Zusammenhang nicht zu tangieren , wei l der Konig nachweis-
Iich schon fr iihe r und auch zur gleichen Zeit wie RRH nO51 ein Siege l ha tte. In se in en
eigenen Diplomen verwendete Balduin 1. das Siegel n icht durchgehend. RRH n? 43 kann
aus der Betrachtung ausscheiden, auch wenn es einst besiegelt war, weil es eine Falschung
aus der Mi tte des 12.Jh. i st .33 Ansonsten haben wir den Befund berei ts dargelegt P! Ganz
ohne Beglaubigung sind nur des Konigs Diplome RRH nv 52.59. 76a, die samtlich nicht-
original i iber liefer t sind, davon RRH nO52.76a in Abschri ften erst des 17.Jh., RRH n? 59
in der Chronik des Wilhe lm von Tyru s. In a llen dre i Fa llen konn te stat t des SiegeI s ur -
spriinglich ein anderes Beglaubigungsmittel verwendet gewesen sein, namlich die eigen-
handige Unterschr if t des Konigs, die wir in RRH nO57.68a f inden. Sie ist schlecht lesbar,
soschlecht, dal3sie nur in einer von drei spateren Kopien von RRH nO57 nachgezeichnet,
in zwei dagegen weggelassen wurde, ebenso wie sie auch in der einen spateren Kopie von
RRH nO68a fehlt. Besiegelt waren auBer RRH nO51 noch die Diplome RRH 79.80, wah-
rend RRH nO68a.74 sowohl mit der Unterschr if t wie mit dem Siegel versehen waren. An-
gekiindig t wird das Konigssiegel erstmals in RRH nO68a, wobei man auf die Formel, dal3
das St iick mit dem proprium sigillum besiegelt sei , keinen besonderen Wert zu legen
braucht. Dies hei l3tn icht etwa, dal3der Konig erst jetzt ein eigenes Siegel hatte und dies
betonte und vorher etwa gar mit einem fremden Siegel seine Urkunden beglaubig t hatte.
Es handelt sich ledig lich urn die Ubertragung einer Formel inein Diplom aus dem Sprach-
gut der Privaturkunde, wo wirklich das Siegel eines anderen in fremder Sache so haufig
war , dal3 die Aussteller Vorhandensein oder Nichtvorhandensein eines eigenen Siegels
haufig eigens vermerkten.
Der erste Nachweis f ii r ein Konigssiegel Balduins 1. is t denn auch in fr emder Sache ,
was uns schon deshalb nicht zu wundern br aucht , we il das e rste e rha ltene echte Diplom
RRH nO51 erst aus seinem sechsten Regierungsjahr stammt. Aber schon RRH nO40 trug
das Konigssiegel. Es handelt sich urn eine Pfrundenregelung fiir die Sakularkanoniker des
HI . Grabes, d ie der Pa tr ia rch Ebremar von Jeru sa lem 1103 indo 11 im Vorgr iff auf e ine
endgi iltige Festsetzung der Pfr iinden durch eine vom Konig besiegelte und gebilligte Ur-
kunde verbriefte. Es heil3t dort: Hee predicta sic eonstituit (scil. Ebremar) et i stud privi -
legium sigillo regio signans, predicto rege taudanle et eoncedente, eonfirmavit . Die 11.Indik-
tion endete fruhestens am 31. August 1103. Kiihn8i hat Gebrauch des calculus Pisanus an-
genommen, der das Inkarnationsjahr 1103auf den Zei traum 25. Marz' 1102bis 24. Marz
1103verteilt, sodal3sich in der Kombination mit der 11. Indiktion der Zeitraum vom 1.Sep-
tember 1102b is zum 24. Marz 1103 a ls das Datum f iir RRH nO40 err echne t. Nun is t die
Annahme des calculus Pisanus keineswegs zwingend, da in diesem Fall Inkarnationsjahr
und Indik tion ja bis zum 31. August 1103 ubereinstimmen wii rden. Kuhns Vermutung
gewinnt aber an Wah rsche inl ichke it , wenn man si e kombini er t mit der Ta tsache , da13
Eb remar im Herb st 1102 zum Patr ia rchen erhoben wurde38 und dies die angemessene
Gelegenheit war , die Kanoniker mit Pfr iinden auszustaUen. Alles in allem wird man sich'
daher Kuhn anschliel3en, ja weiter einengend Herbst 1102vermuten konnen.
In der Besi ege lung von Ebremars Urkunde durch den Konig37
ware nichts aul3erge-wohnliches zu sehen, wenn der Patriarch damals noch kein Siegel besessen harte. Immerhin
sind noch die Urkunden und Briefe des Patriarchen Gibelin von Aries (tim Friihjahr 1112)
entweder unbesiegelt (RRH nO63) oder aber mit seinem friiheren Siegel als Erzbischof von
Aries versehen.P" Nun ist allerdings schon ein Brief Ebremars als Patriarch an den Bischof
Lambert von Arras 39 mit einer Bleibulle besiegelt gewesen, die nach der Beschreibung auf
einer Sei te die griechische Inschri ft: '0 &y,o.; T "'P 0'; T OU xuplou 'leo-ou Xp 'O " TOU , auf der
anderen die lateinische Inschrift Sigil lum Euremari Patriarchae Hierusalem trug. Die
Echthe it d ieser Bul le is t mehr a ls zweif elha ft . Einmal handel t es s ich bei dem Stuck urn
einen Brief , der keiner Besiegelung und Beglaubigung bedurfte, und zum anderen ist die
griechische Legende auf dem lateinischen Patriarchensiegel erst wesentlich spater in Ge-
brauch gekommen. Patriarch Warmund von Jerusalem verwendete 1123 eine Bulle (RRH
n? 101; Schlumberger, Sig illographie S. 73 Nr. I), d ie auf der einen Sei te die Umschri ft
+ SIGILLVM WARMVNDI PATRIARCHE IHER und auf der anderen Seite die
Legende + SEPULCHRVM DOMINI NOSTRI IHESU XPItrug, was immerhin die
lateinische Fassung der griechischen Legende der Ebremar-Bulle ware, aber eben nicht in
griechischer Sprache abgefal3t war . Gewil3hatte schon der Patriarch Daimber t von Jeru-
salem bei Herzog Gottf ried von Niederlothr ingen erfoIgreich die Resti tu tion des alten
Patriarchatsbesitzes aus griechisch-orthodoxer Vorkreuzzugszeit verlangt.w aber man kann
sich kaum vorstellen, dal3 er sich deshalb oder urn sich auch als geistlicher Oberherr der
Griechen zu ger ieren, eine griechische Umschri ft auf einem Siegel zugelegt hatte, sofern
er als Patriarch von Jerusalem i iberhaupt eines besal3. Daimber t war ebenso wie der Pat-
riarch Arnulf ein konsequenter Griechenfeind, der zwischen ihnen stehende Ebremar wird
kaum von dieser Linie haben abweichen wollen oder konnen.
85 Fritz KUHN, Geschichte der ersten lateinischen Patriarcben von Jerusalem (1886) S. 69 n? 2
36 Heinrich HAGENMEYER, Chronologi e de l 'h is to ir e du royaume de Jerusal em, Revue de I 'Or ient l at in
(kiinftig gekiirzt: ROL) 11 (1905-<>8)474 nO678.
37 Zur Besiegelung durch den Konig in fremder Sache in Deutschland vgl. BRESSLAU,Urkundenlehre 21,
714 mit Anm. I ; Jul ius F ICKER,Bei tr age zur Urkundenlehr e I (1877) S . 282f f. In F rankreich war d ie Er-
scheinung haufiger; vgl . Maurice PROU, Les diplomes de Phil ippe Ier pour l 'abbaye de Saint-Benoit-sur-
Loire, Melanges Julien Havet (1895) S. 164-169.
88 Reinhold ROHRICHT,Regesta regni Hierosolymitani (1893; Additamentum 1904; ktlnf tig gektirzt als
RRH) nc 69. Abbildung des Siegels bei Joseph Hyacinthe ALBANESu. Ulysse CHEVALIER,Gallia christiana
novissima 3 (1901) 193und bei Louis BLANCARD,conographie desbulles et dessceaux des archives departe-
mentales des Bouches-du-Rhone (1860) S. 122 Das Siegel befindet sich im Departementalarchiv Marseil le,
Sceaux eccles. , boite no2
39 RRH ric42; Druck bei MIRAEUS-FoPPENS,Opera diplomatica 23,315 nc 32
to Wilhelm von Tyrus, H is tori a r erum in par ti bus t ransmarini s ges tarum (ki inft ig gekti rz t : WT) IX 15,
RHC Historiens occidentaux (kiinft ig gekiirzt: Hoc) I, 387.
83 Hans Eberhard MAYERu. Marie-Luise F."·REAU Das Diplom Balduins I.f li r Genua und Genuas gol-
dene Inschrift in der Grabeskirche, Quellen u. Forschungen aus italienischen Archiven u. Bibliotheken 55/56
(1976) 22--95·
. . Ebd. S. 48.
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/hemayer-das-siegelwesen-in-den-kreuzfahrerstaaten-1978 7/55
Hans Eberhard Mayer
In der Tat i st die griechische Umschri ft auf dem lateinischen Patriarchensiegel erst um
die Mitte des 12.Jh. aufgetreten , als der Patriarch Fulcher (1146-1157) erstmals eine, nur
lose erhaltene, Bulle benutzte, die ihn auf der Vordersei te lateinisch als Patriarch der Auf-
erstehungskirche auswies, was f ii r die Griechen immer viel wichtiger war als das Grabes-
patrozinium, und auf der Riickseite die griechische Umschrift H ANA CTAC/C (= 'die
Wiederauferstehung) zeigte. Auch auf der Vordersei te entsprach dieses Metallsiegel mit
. seiner bildlosen mehrzeiligen Aufschrift stark byzantinischen Vorbildern. Diese Bulle ist
ein deutlicher Niederschlag des sei t der Mitte des 12.Jh . auf ein ige Zei t dominierenden
byzantinischen Einf lusses im HI. Lande, der sich auch in der Wiederzulassung einer grie-
chischen Klerikergemeinschaft am HI. Grabe auBerte.u Dieser Bullentyp (Taf. I , Abb. 1f .)
b lieb wei t i iber das Ende des byzantinischen Zwischenspiels in Gebrauch und i iber lebte
selbst die Katastrophe von 1187. Der letzte Patriarch , der eine Bulle mit lateinischer und
griechischer Legende f iihr te, war Jakob Pantaleon, der 1261als Urban IV. zum Papst auf-
ruckte." Eine Patriarchenbulle mit griechischer Legende im Jahre 1104, wie sie in RRH
nO42erwahnt wird, halten wir aber uicht fiir echt. So brauchen wir uns ihretwegen nicht
weiter zu verwundern, daB Ebremar 1102/03 seine Pfriindenregelung RRH nO40 noch mit
dem Kiinigssiegel beglaubigen lie13;er hatte wohl kein eigenes. Aber selbst wenn seine
Bulle von 1104echt ware, so ware die Besiegelung von RRH nO40 mit der Konigsbulle
gleichwohl verstandlich, wenn man die Pfriindenregelung fiir gleichzeitig mit Ebremars
Wahl ansieht und sie als eine Art Wahlkapi tu lation der Kanoniker betrachtet. Dann har te
Ebremar noch keine Zei t gehabt, sich einen Stempel schneiden zu lassen und hatte sich der
Konigsbulle bedient. Da wir nun aber bis 1112gar keine geistlichen Siegelfiihrer im latei-
nischen Os ten nachwei sen konnen, glauben wi r iibe rhaupt nicht an die Exis tenz e ines
Patriarchensiegels schon unter Ebremar.
In dem Pilgerber icht des russischen Igumen Danii l, der 1106/07 das HI. Land bereiste,
erfahren wir von einem vollig anderen G~brauch des Konigssiegcls. Daniil+' erwahnt nam-
lich bei seinem Bericht i iber das alljahr liche Feuerwunder am HI. Grab am Ostersamstag,
da13die Tiiren des Aediculum iiber dem eigentlichen Grab mittels des koniglichen Siegels
verschlossen waren. Uns sind Parallelen fiir eine solche Siegelverwendung kaum bekannt,"
aber sie drangen sich als Weiterentwicklung des seit romischer Zeit in Gebrauch gewesenen
Verschlu13siegels natii rlich auf und haben sich als Zollp lomben bis heute erhalten. Man
12
U MAYER, The Crusades S. 125. Derselbe, Bistumer S. 407.
(ZZu den Patriarchenbullen mit griechischer Legende s.Gustave SCHLUMBERGER, Sigillographie de l'Ori-
ent latin, continuce par Ferdinand eUALANDON. completee par Adrien BLANCHET (Bibliotheque archeologi-que et historique 37, 1943) S. 73-80.
•3 Vie et peler inage de Daniel, hegoumene russe, t lbers. v. B. DE KHITROWO, Itineraires russes en Orient
(Publications de la Societe de l'Orient latin. Serle geographique, 1889) S. 78.
UAus den Kreuzfahrerstaaten machen wir noch folgende, uns bekanntgewordene Beispiele namhaft :
Albert von Aachen, Historia Hierosolymitana VI 24, RHC Hoc 4, 480 erwahnt im Templum Domini ostio-
tum . .. l ap idetcrn sempe r s ignatum, also eine stets versiegel te, kleine Steintur. Das Steuerdekret von 1183
(WT XXI I 23, RHC Hoc I, 1112) bestimmte, das im Konigreich Jerusalem eingesammelte Steueraufkorn-
men sei in saccis singulis sigillata nach Jerusalem anzuliefem. Ais Amalr ich von Tyrus 1306die Herrschaft
iiber Zypern fur seincn Bruder tlbernahm, f ec e bol lar la s ec re tta del r e e t la vota, in la quale e ra e l thesor r e-
gale; vgl. Francesco Amadi, Chronique, ed. Rene DE MAS-LATRIE.Chroniques d'Amadi et de Strambaldi I
(Collection de documents inedits sur I'histcirc de France. Ser. 1. Histoire politique, 1891)249. Fur Geld- und
Edelmetalldepositen sind 6fters VerschluBsiegcI verwendet worden. So lieB der Graf Rudolf von PfuIIendorf
ein Geldpaket von 72 Mark Gold und 200 Mark Silber kolnisch, das er bei seiner Pilgerfahrt ins HI. Land
beim Prokurator von San Marco in Venedig deponierte, mit seinem Siegel verschlieBen; vgl . Marie-Luise
FAVREA, Zur Pilgerfahrt des Grafen Rudolf von Pfullendorf . Ein unbeachteter Originalbrief aus dem Jahre
1180, Zeitschrift fur die Geschichte des Oberrheins . 23 (1975) 45 Anm. 46.
,/' / (
(:I .',
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 13
wiiBte nicht zu sagen, welches andere VerschluBmittel der Russe fur ein Siegel gehalten
haben konnte, 1m Prinzip ist der Ber icht zuver lassig , denn beispielsweise wird statt des
Pa tr ia rchen e in f rankischer Bischof a ls anwesend erwahnt , Dies pa13t zu 1107, da der
Patriarch Ebremar sich damals nach Rom begeben hatte. Dennoch ist eine gewisse Vor·
sicht geboten, wenn man die anderen Feuerwunderberichte aus dem Anfang des 12.Jh. her-
anzieht, von denen wir noch vier haben. Der jenige bei Caffaro" gib t f ii r die Frage des Ver·
schlusses ii be rhaupt nichts her. Eben so s teht es mi t dem Bericht des 1101 ins HI. Land
gezogenen Ekkehard von Aura,48 der zwar nicht selbst an der Zeremonie tei lnahm, wohl
aber seine QueUe angibt, den Einsiedler Hermann auf dem Olberg. Caffaro und Hermann-
Ekkehard maBen dem Detai l des Tii rverschlusses am HI. Grab keinerlei Bedeutung zu.
Anders steht esmi t dem Feuerwunderbericht in der Hs. L der Historia Hierosolymi tana des
Fulcher von Chartres.s? den Hagenmeyer vielleicht doch nicht ganz zu Recht als spatere
Zutat zu Fulcher abgetan hat. Hier i st zweimal davon die Rede, da13der Patriarch Daim-bert die Tiiren zum Aediculum mit Schliisseln aufgeschlossen habe (reserare). Auch Bartolf
von Nangis48 schreibt in seinem Wunderbericht dreimal reserato ostia und fiigt beim drit-
ten Mal ausdriicklich hinzu: cuius claves in processione de/atae fuerant. Bartolf, iiber dem
noch immer Sybels Verdammung als abgeleitete Quelle lastet, war aber ein ernstzunehmen-
der Zei tbeobachter, der nach einer sehr ansprechenden Vermutung von Kiihn49 vor 1109
im HI. Lande geschrieben hat. Auch wenn er hier wie haufig Fulcher von Chartres als Vor·
lage benutzte, so ha tte eben se ine Vorlage bere it s e inen Feuerwunderbericht , und zum
anderen widersprach, was er ber ichtet, offensichtlich nicht dem Gebrauch seiner eigenen
Zeit , die nu r wenige Jahre nach dem von Danii l beobachteten Wunder lag. Se lbst wenn
man also Bar to lfs Ber icht f ii r 1101 und 1107 keine Bedeutung beimessen will, so miiBte
man doch daraus schlie13en, da131109 beim Feuerwunder das Tor der Grabkammer mit
Schliisseln verschlossen war, die der Patriarch verwaltete, nicht aber mit dem Konigssiegel,
Selbst nach Daniil war das Aediculum normalerweise mit Schliisseln, nicht mit Siegeln ver-
schlossen , da ihm der Bau zweimal vom "gardien des clefs" geoffnet wurde.49• Wir miissen
es bei einem Non liquet belassen, wollen aber auf diesen Bericht wenigstens aufmerksam
gemacht haben. Es ware der Miihe wert, in der russischen Tradi tion zu suchen, ob dor t
Siegel zu VerschluBzwecken verwendet worden sind.
SchlieBlich muB aus der Anfangszeit noch auf das Konigssiegel hingewiesen werden, das
in fremder Sache an RRH nO69von 1111hing, einem Schiedsspruch des Legaten Gibelin
von Arles.5OEs ist heute am Original im Depar tementalarchiv in Marseille n icht mehr er-
halten, sondern wir wissen davon nur noch aus einer Siegelbeschreibung von 1255.HDa
U Annali di Genova, ed. Luigi Tommaso BELGRANOI (Fonti per Ia storia d 'I talia, 1890) 7ff .
. . Hierosolymita c. 32, RHC Hoc 5, 36.
., Historia Hierosolymitana, ed. Heinrich HAGENMEYER1913) S. 831ff.
'8 Gesta Francorum Iherusalem expugnantium c. 46, RHC Hoc 3, 524ff .
. . Gesch. d . ers ten l at . Pat ri ar chen von Jerusal em S. 21.36.
. .. Daniel ed. KH.TRowo S. 76.81.
50 Zum Datum KUHN, Gesch. d. ersten lat . Patriarchen S. 70no 8. Zur Sache MAYER,Bisturner S.<JO-93.
" Das Original im Departementalarchiv von Marseil le (56 H 4089) hat neben dem Legatensiegel (s. oben
Anm. 38),das einst inder Mitte des unteren Randes hing (wo durch die Plica derselbe Pergarnentstreifen zur
Befestigung Iauft wie durch das Siegel) , noch rotseidene Siegelschniire eines weiteren Siegels l inks unten.
Zur Siegelbeschreibung vgl . Joseph DELAV.LLELE Rour.x, Cartulaire general de I 'Ordre des Hospitaliers
de Saint-jean de Jerusalem 2 ( .8 97 ) 899 ncIV. Die Umschrift ist falsch, aber sie war schon 1255 scbwer zu
l esen, denn d ie S iegelbeschreibung (Royal Malt a Libr ary, Archives of the Knight s of St . John, D ivis ion I
vol. InO7)lautet: bullajJ lumbea cumfilo pendenli, in qua ex una parle apparebatymago regis e t lales [ it lde:
Balduinus dei grd rex , e t ex altera parte apparebat ymago civ itatis e t tales tit tere: S.regu m u m . relique fI"O
l it tere non poterant bene Iegi,
"
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/hemayer-das-siegelwesen-in-den-kreuzfahrerstaaten-1978 8/55
'( 'i
14 Hans Ebe rhard Mayer
es nicht angekundigt wird und asyrnmetr isch angebracht war , i st eine gleichzei tige An-
bri ngung mit dem Si ege l des ausstel lenden Lega ten, de r - obschon bere it s seit Jahr en
Patriarch von Jerusalem £. noch immer sein Siegel als Erzbischof von Aries anhangte, nicht
sicher, ja wir wissen i iberhaupt nicht, wann es angebracht wurde,62obgleich eine gleich-
zei tige Anbringung mit dem Legatensiegel urn so mehr zu vermuten ist, als auch dieses
nicht angekiindigt wird.
In den Siegelankundigungcn der Diplome ist immer nur von sigillum die Rede, ganz
selten praziser von sigt"llum plumbeum, aber da schon das 1255 beschriebene Kiinigssiegel
an RRH nO51 eine Bleibulle war, und ebenso auch die ersten erhaltenen Kiinigssiegel aus
Blei sind (Schlumberger, Sigillographie 2 nO2.3) und wir mit wenigen Ausnahmen bei den
Staufem Friedrich II. und Konrad IV. uberhaupt keine kiiniglichen Wachssiegel in Jeru-
salem kennen, durfen wir als sicher unterstellen, daB die Kiinige von Jerusalem sich sofort
eines Bleisiegels bedient haben, alssie mit der Urkundensiegelung beganncn.P Wir werden
sehen, daB auch die Geistlichkeit und die Magnaten dieses Material verwendeten. Das soli
man, insbesondere bei den Herrschern, nicht iibcrbewerten. Natiirlich ist die Bleibulle eine
Imi tation , aber wir wissen nieht, ob hier der Papst, Byzanz oder andere das Modell waren .
DaB Balduin I. sich auf basileusahnliche, der mit der Bleisiegelung beginnende Patriarch
Amulf von Jerusalem auf papstahnliche Hoben habe aufschwingen wollen, soli man nicht
gleich unterstellen. Wir sind an nordalpine Verhaltnisse gewiihnt, wodie Bleibulle mit den
Karolingem aufgehi ir t hat. 1m ganzen mediter ranen Bereich aber hat sie for tbestanden,
und man tut gut, sichGirys alte, aber dochgrundsatzliche Erkenntnis inErinnerung zurufen,
daB \Vachssiegel im mediterranen Gebiet aus klimatischen Grunden vielleichter der Ver-
forrnung unter lagen als nii rdlich der Alpen." Man hat zwar auch dor t und im lateinischen
Or ient das Wachssiege l gekannt , aber wi r werden noch darauf zuruckkommen, daB im
lateinischen Osten dem Wachssiegel doch haufig nur ein begrenzter, ja vor lauf iger Wert
zukam im Gegensatz zur Bleibulle. Darauf hatte allein schon die Tatsache f iihren sollen,
daB der Patriarch Gerold von Jerusalem als erster neben seiner Bleibulle auch ein Wachs-
siegel fiihrte (Schlumberger, Sigillographie 69 n? 16.17), denn dieser Doppelung muB ja
eine Bedeutung zukommen, die nicht wie bei Wachssiegel und Goldbulle der stauf ischen
Kanzlei einfach zur Unters!reichung der Feier liehkeit dienen kann, da i iber mehr als ein
IrS In Siz il ie n hat man ganz ungenie rt d ie B le ibul le e ines Konigs Balduin von Jerusalem an e ine Urkunde
des Audi to rs d er S acr a Ro ta Roma na vom Ok tober 1458gebangt , u nd d iese s Ma chwer k is t n och i nd er Bi -
b liotec .a c iv ic a e di R icupero in Catania zu bewunde rn; vgl . C . ARDIZZONE, Un sugel lodi Balduino' I nel la
biblioteca dei Benedittini di Catania , Archivio storieo per la Sicilia orienta le 21 (1925) 300--302. Damals be-
fand sich das Stuck noch nicht in der Stadtbibliothek.
isDi e er ste n a us dr ii ck li ch en B le is ieg el anki in di gungen i n d en Koni gsu rkunden fi nd en wi r i n RRH nc
l00a.10C}.121.137.137a. Nicht erortert wird hier die Frage, warum manche Diplome der Konige von Jerusa-
lem (es sind nicht vie le) gar nicht besiegelt sind, weil dies im Einzelfall sehr schwer zu entscheiden ist (siehe
abe r unten S. 22) , denn e skonnen e inma l Ube rl ie fe rungsgri lnde vor li egen, d . h . das Escha tokoll kann in der
nur kopial vorhandenen Uberlieferung ganz weggelassen sein, zum anderen kann bei kopialer Uberlieferung
immer der Fal l e ines bes iege lt en Diploms ohne Anktindigung vor li egen, wenngle ich die se Erscheinung mit
der Ver fe st igung der anfangl ic h nicht s tr af f organis ie rt en Kanzleibrauche immer sel te ne r geworden sein
mull, wenn so etwas cberbaupt noch vorkam. - Vereinzelt werden auch Bullenstempel erwahnt. In einer
Qui ttung t iber ausge folg te Gegenstande , d ie s ein Vorganger bei den johannitern (wohl pfandwe is e) ins
Depot g eg eben hat te, erwahnt d er P at ri ar ch von An ti och ia in RRH n? 840 von 1209g l ei ch n ach de n edel-
steingeschmtickten Reliquiaren cuneos ferreos ad bullandum, und i n Au fn ahme der dur ch RRH nO 974 im
H. Lande bekanntgewordenen Goldbul lenankundigung Friedrichs I I.si ege lt Bal ian von S idon , d er RRH
no974 bezeugt h at te und sp ate r Ver tre te r d es Kai ser s i n Syr ien 'war , im Feb ru ar 1228 RRH nc 986 sigillo
plumbeo typarii mei.
" GIRY, Manue l de diploma tique S. 635.
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Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten
Jahrhundert hinweg im HI. Land fast unterschiedslos aile Urkunden in B1eigesiegelt wor-
den waren.
Da hier von SiegeImater ial und stauf ischer Goldbulle die Rede ist, mag gleieh die Frage
erorter t werden, ob die Kiinige von Jerusalem jemals aueh Goldbullen verwendet haben.
Positiv ist dies nur von Kaiser Friedrich II. bezeugt, woes aber mit dem Kanzleigebraueh
von Jerusalem nichts zu tun ha t, sondern aus der kaiserl ichen Kanz le i starnmt . Aber a ls
Konig Amalrich (1.) von Jerusalem 1171 Kaiser Manuel I.Komnenos in Konstantinopel
besuchte und dor t einen Vertrag mit ihm absehloB, war dieser nach den Worten Wilhelms
von Tyrus65 utriusque bulla signato, was der franzosische Ubersetzer wie folgt wiedergibt:
Letres enfurent fai tes e t seell ees en orde leur deus seaus . Die sonstigen Nachrichten iiber Ver-
trage der Kiinige von Jerusalem mit Byzanz und anderen auswartigen Machten , von denen
keiner auf uns gekommen ist, geben keinerlei Hinweis darauf, daB sich die Kiinige von
Jerusalem bei soJchen Gelegenheiten eines Goldsiegels bedient hatten. Aber natiirlich war
von solchen Dokumenten her das Chrysobull des byzantinischen Kaisers in Jerusalem
bekannt .... Fur die einmalige Gelegenheit des einzigen Besuehs eines Kiinigs von Jerusalem
in der byzantinischen Hauptstadt mag vielleicht wirklieh etwas anderes gegolten haben.
Allerdings laBt sieh eine Goldbulle mit einem normalen Bullenstempel nieht herstellen, da
mit ihm zwei massive Bleiplatten von beiden Seiten gepragt und sogIeich zusammengepreBt
wu rden, wahrend bei der Go ldbul le , di e fast n iemals massiv, sondern in der Rege l mit
Wachs gef ii ll t war , nur zwei einzeln gepragte diinne Goldblatter aufeinandergelegt und
langs des Umfanges schwach miteinander verbunden wurden, sodaBfur die Goldbullen in
der Regel eigene Holzkasten angefer tigt wurden, sieh aber dennoch die eine Sei te leicht
lii sen kann, wie am Beispiel der kaiserlichen Einwi lligungsurkunde fur die Universi tat
Kiel von 1652 zu sehen is t, von deren Goldbu lle s ich das e ine Blat t im Miinzkabine tt zu
Dresden befindet.P? Man hatte also zur Reprasentation in Byzanz eigens fur diese Reise ein
Instrument zur Herstellung einer Goldbulle anfertigen miissen. Wir wollen dies nicht ganz
ausschlieBen, aber im groBen und ganzen bleib t es bei der begrundeten Erkenntnis von
Hiestand,58 daB die Konige von Jerusalem mit Ausnahme Friedrichs II. an Metallsiegeln
nur Bleibullen verwendet haben. Die Erneuerung des Vertrags mit Byzanz unter Balduin IV.
war jedenfalls ein einseitiges Chrysobull des byzantinischen Kaisers Manuel, das nur seine
Goldbulle trug und vom Kiinig von Jerusalem iiberhaupt nieht besiegelt war.1iSaDabei ist
zu beriicksichtigen, daB die Literatur (Diilger, Kaiserregesten nO1526) die Erneuerung des
Vert rags zei tl ich in Verbi ndung b ringt mit de r Gesand tsehaft des Kaisers von "77, d ie
die Ausfi ihrung des Vertrags ver langte. Diese Hypothese wird weder vorn Text Wilhelmsvon Tyrus , nueh von der Log ik der Sache ges tii tz t, da nur d ie Ausfiihrung e ines bere it s
gesehlossener. Vertrags verlangt werden konnte. Da Jerusalem den Vertrag trotz byzanti-
n ischen Drant;ens damals nicht ausfi ihrte, kann esihn a for tior i n icht erst damals erneuer t
haben. Ware die Meinung der Literatur r iehtig , dann ware freilieh klar, daB essich bei dem
Dokument nur urn ein einseitig von Byzanz besiegeltes Chrysobull, namlich urn ein Ver-
.. WT XX 24, RHC Hoc I, 987.
. . E bd . XXI 16, a. a.O. I. 1031.
" Das Dip lom i rn L andesa rch iv S ch leswi g-Ho lst ei n zu SCh leswi g, Ur kundenab tei lu ng 7 Nr . 497 ; d as
Iosge loste Obe rbla tt der Goldbul le im Munzkabinet t der Sta at li chen Kunst sammlungen zu Dre sden. Vgl . z u
dem Problem Emil WASCHINSKI, Die Kaisergoldbulle fur die Kieler Universitat, Zeitschrift der Gesellschaft
fur schleswig-holsteinische Geschichte 65 (1937) 379-391.
. . Zwei Di pl ome au s Lucca, QFIAB 50, 45If.Ein angebliches Goldsiegel des Fursten von Antiochia haltenwi r f ur unech t ( s. u nt en S. 21).
. .. WT XXI 16, a. a.O. I, 1031. ., ,"
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Hans Eberhard Mayer
tragsangebot handeln konnte, aber das bleibt ganz unsicher und eher unwahrscheinlich.
Wir miissen davon ausgehen, dil l der Vertrag schon fruher unter Balduin IV. erneuert
worden war, daB diese Erneuerung aber nur die Goldbulle des Kaisers trug und die Gold-
bul le des Konigs Amalrich von 1171, wenn man iiberhaupt an sie glauben wil l, e ine ein-
malige Ausnahme bildete.
II. DER AUFSTIEG DES SIEGELS
Den StartschuB zur Ausbrei tung des Siegels im Konigreich Jerusalem gab nachodem
Konig die Spitze des Klerus. Gleich am Tage seiner Weihe (20. Juni 1112) urkundete der
Patriarch Arnulf, der zuvor lange Jahre Archidiakon am HI. Grab gewesen war, fii r das
Johanniterspi tal und kiindigte ein Siegel an (RRH nO68). Wenige Wochen sparer, am
18. Juli 1112, siegelte der als Patriarch abgesetzte Ebremar, der nach seiner Absetzung auf
das Erzbistum Caesarea iibergewechselt war, ebenfalls mit seinem Siegel fiir die Johan-
niter,·9 zog also sogleich nach, denn nach dem, was wir erkennen konnen, hatten weder ernoch sein Nachfolger Gibelin von Aries Patriarchensiegel gehabt. Aber wenn der Patriarch
Arnulf zu siegeln begann, sokonnte man dies Ebremar als dem nachsthochsten Kleriker
des Reiches und als ehemaligem Patriarchen schlecht verweigern. Wieder erweist s ich
Arnulf hier als derjenige, der das Patriarchenamt und die Kirche von Jerusalem iiberhaupt
in jener Anfangsperiode abschlieBend formte, wenn auch teilweise als Vollender der Ideen
Gibelins.s? Gibelin hatte zwar neben dem Konig gesiegelt, aber noch mit seinem ariesischen
Erzbischofssiegel. Arnulf lieBsich ein eigenes Patriarchensiegel schneiden, und zwar schon
a ls Elek t, da er am Tage der Weihe berei ts dami t si egeln konnte . DaB se in in RRH n?68
angekiindigtes Siegel etwa das seines friiheren Amtes als Archidiakon gewesen sein sollte,
ist schwer vorstellbar, da der Archidiakon schlechterdings kein eigenes Amtssiegel haben
konnte, wenn sich der Patriarch Gibelin mit seinem friiheren Amtssiegel als Erzbischof von
Aries behalf.
Nachdem der Konig, der Patriarch und der einzige Erzbischof des Landes zu siegeln
begonnen hatten, war der Aufstieg der Siegelurkunde a la longue unausweichlich. Auch dasbekanntlich ganz fragmentarische Material erlaubt doch die Fests tellung, daB die Aus-
breitung des Siegels ein langsamerer ProzeBwar, als man nach Lage der Dinge anzuneh-
men geneigt ware. Sclbstverstandlich gehen wiriiberwiegend vonden Siegelankiindigungen
aus, die ein vielreicheres Material bieten als die wenigen noch erhaltenen Siegel. Es scheint,
daB das Recht der Siegelfiihrung als ein besonderes Prarogativ gal t, das zunachst nur
hochsten Chargen vorbehalten war und an dem man hierarchisch nachgegliederte Personen
und Amter nur zogemd te ilhaben l ieB. Be i den hoheren Amte rn , insbesondere bei den
geist lichen, entzieht es s ich ganz unserer Kenntnis, ob die Ausbrei tung des Siegels auf
Usurpation oder auf Verleihung zuriickzufiihren ist. Irn weltlichen Sektor sehen wir etwas
klarer. Es gab dort Bereiche, in denen keine KontroUe herrschte. Der Konig von Jerusalem
konnte die von ihm unabhangigen nordsyrischen Kreuzfahrerfiirsten nicht an der Siegel-
fiihrung hindern, wenn sie sie wollten. Bei seinen eigenen groBen Kronvasallen ist es zwei-
felhaft, inwieweit er dies konnte. Hier war esja nicht nur eine verfassungsrechtliche Frage,
sondern auch eine Funktion der machtpoli tischen Konstel la tion. Es ist moglich, daB der
Konig gegeniiber den Magnaten in der Theorie ein Kontrollrecht hinsichtlich ihrer Siegel-
fiihrung beanspruchte; entscheidend war, ob er es durchsetzen konnte. DaB wir uberhaupt
in Erwagung ziehen, daB es in dieser Frage feste verfassungsrechtliche Vorstellungen ge-
51Sein Siegel als Erzbischof von Caesarea bei SCHLUMBERGER, Sigillographie S. 94 nc 57.
10 S. dazu demnachst HIESTAND, Die papstlichen Legaten im Orient bis 1204(Bibliothek des Deutschen
Historischen Instituts in Rom).
2 Ak.-ALh. phil .chlsr , 83: Mayer, Das Siegelwesen
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geben haben konne, hangt damit zusammen, daB die Lehnsherren, allen voran der Konig,
gegenuber der Schicht der nachgeordneten Vasallen eine solche Kontrolle straff ausiibten
und die Sicgelfuhrung der Kleinvasallen lange Zeit verhinderten, solange ihre Autoritat
ungebrochen war. Da im Prinzip zwischen dem Herrn von Caesarea und einem Inhaber
einesfeudum unius militis in der Krondomane hinsichtlich ihres Status als Kronvasall kein
Unterschied bestand, halten wir essogar fiir wahrscheinlich, daB theoretisch auch die Ma-
gnaten bei der SiegelfUhnmg mindestens einem Vetorecht des Konigs konfrontiert werden
konnten. Hiermit stimmt auch zusammen, daf auch diejenigen Seigneurs, die wir im allge-
meinen als Inhaber einer mit vollen Rechten ausgestatteten Herrschaft ansehen, doch nur
allmahlich mit der Sicgelfuhrung begannen. Es muf aber nochmals betont werden, daJ3
Theorie und Praxis auf diesem Gebiet wahrscheinlich nicht unbetrachtlich auseinander-
klafften.
In der Grafschaft Edessa ist i iber Siegel der ers ten beiden Grafen weder posi tiv nochnegat iv etwas bekannt , Aus der Tatsache, daB beide in ihrer spateren Funktion als Konig
von Jerusalem siegelten, darf fur ihre Zeit in dem unabhangigen nordsyrischen Edessa
nichts abgeleitet werden. Dagegen ist es wahrscheinlich, daf der Graf Joscelin I., der 1119
von Galilaea nach Edessa ging, dort siegelte, da er schon 1119in Galilaea ein Siegel gefuhrt
hat te (s. unten S. 39). Mit Bestimmtheit fiihrte sein Sohn Joscelin II. a ls Graf von Edessa
ein Bleisiegel in RRH n? 151.206aus den Jahren 1134und 1141.Von Vasallensiegeln dieses
urn 1150 ganz verlorenen Kreuzfahrerstaates haben wir nur eines von einem Balduin,
Herrn von Marash (RRH nv 390; Schlumberger, Sigillographie S. 50n? 116). Allerdings
ist RRH n? 390 aus dem Jahre 1163datiert. Der einzige uns bekannte Balduin von Marash,
ein Vasall von erheblichem Gewicht, der in den Quellen gut bezeugt ist, starb im November
1146 in Edessa, sein Sohn oder Bruder Rainald im J uli 1149 in der Schlacht bei
Inab;61 im selben Jahr f iel Marash in musl imische Hand. An einen wei teren Nach-
kommen namens Ba lduin , der 1163 im Exi l geurkunde t hatt e," wird man nich t den-
ken wollen, weil die Urkunde eine noch funktionierende Herrschaft Marash anzeigt ,
denn de r Ausst ell er hatt e seinen Kaplan Arthur, de r die Urkunde schri eb , und ebenso
hatt e er e inen Kaplan in dem zu seiner Her rschaf t gehor igen Cisson, de r die Urkunde
ebenso bezeugte wie der Seneschalk des Grafen von Edessa. Leider hat eine Kontrolle an
der Uberlieferung ergeben, daf im Text tatsachlich MCLX III s teht und nicht etwa, wie
wir hofften, MCXLIII, doch ist eine solche Verschreibung auch an einem Original nicht
ganz auszuschlieBen. Schon Cahen63wies darauf hin, daB das Datum nicht stimmen konne
und daB der die Schenkung empfangende Johanni ter Raimund de Palacio ansonst en
1141-1147 (RRH n? 201.204.2_~4)bezeugt sei und daB der Ort Platta, in dem den johanni-
tern hier eine Schenkung gemacht worden sei, spatestens 1150mit dem Rest der Grafschaft-------------------------
61 Rene GROUSSET, Histoire des croisades 2 (1935) 2°3.2°5.278.
62 Charles DUCANGE, Les famil les d 'Outremer, ed. Emmanuel G. REY (Collection de documents inedits
sur l'histoire de France. Serie 1. Histoire politique, 1869)S. 390glaubtc tatsachlich an einen "I'itularherren
von Marash alsAussteller.-Die Kirche von Marash wurde sparer tatsachlich im tripolitanischen Exil weiter-
geflihr t, wahl in der Hoffnung auf cine Riickeroberung der Stadt , die haufig den Besitzer wechsel te (wenn
auch nur zwischen den Muslimen), denn 1 1 57 war der fruhere edessenische, dann tripolitanische Kanzler
Radulf Von Chartres gleichzeitig Dekan von Marash (RRH no206; Jonathan RILEy-SMITH,The Templars
and the Castle ofTortosa, English Historical Review 84[1969]288), wonach einem freil ich unsicheren Zeug-
nis des Nerses von Lampron (Extrai ts de l 'ouvrage int itule Refiexions sur les insti tutions de l'Eglise et expli-
cat ion du mystere de la Messe, RHC Documents armdniens I, 577) die Kreuzfahrer ein Bistum eingerichtet
hatten.
63 Claude CAHEN,La Syrie du Nord a l 'epoque des croisades et la principaute franque d'Antioche (1940)
S . 514 Anm. 22.
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 19
" -
Edessa in die Hande der Muslime gefallen sei. Schon er wollte also, ohne dies ausdriicklich
zu sagen, die Schenkung an den 1146verstorbenen Balduin von Marash zuordnen. Dies
wird noch zusatzlich gestiitzt durch die Bestimmung, daJ3Platta an den Schenker zuruck-
fallen sollte, wenn die Johanniter den Ort nicht innerhalb eines Jahres zu befestigen bereit
seien. Wir wissen namlich, daB Balduin von Marash auf den Festungsbau groBen Wert
legte , denn -1145 begann er damit , die aus Ziegeln und Lehm bestehende Stadtmauer von
Cisson durch eine neue aus Steinquadern und Martel bestehende zu ersetzen."' Dennoch
bleibt ein chronologisches Problem bei dieser Urkunde bestehen. Ware Edessa nicht 1144
in muslimische Hande gefal len, so hat ten die Marashs in der Grafschaft eine glanzende
Zukunft gehabt, denn Rainald war verheiratet mit der Tochter Joscelins 11. , Agnes von
Courtenay, der femme fatale des lateinischen Ostens in der zweiten Halfte des 12.Jh. An-
gesichts solcher Famil ienbeziehungen brauchte es uns nicht zu wundern, wenn der 1146
verstorbene Balduin, der ein enger Waffengefahrte Joscelins II. war, ein Bleisiegel gefuhrthatte,
In Antiochia fiihrte der Furst zunachst kein Siegel. Obwohl die siiditalischen Norman-
nenherzoge siegelten,66 nahm Boemund I. von Antiochia, ein Sohn Robert Guiskards, in
RRH nO12furGenua davonAbstand, was um soauffallender ist, als er selbst 1087in Italien
ein Siegel gefuhrt hat te .66 Ebensowenig kiindigte sein Neffe, der Regent Tankred von
Antiochia (t 1112), in seinen Urkunden ein Siegel an (RRH n? 35.36.53). In Antiochia
taucht das erste Siegel 1114bei Roger vom Prinzipat auf, der als Regent auf Tankred folgte
(RRH n? 76).Es wird angekundigt, wenn auch im ersten Drittel des Textes, nicht am Ende.
Die Siegel locher s ind am Original noch vorhanden, doch ist ein Ortsname in eine zu groB
gelassene Lucke nachgetragen, fur einen weiteren ist eine unausgefUllte Lucke geblieben,
und die Zeugen, die im lateinischen Orient eigentlich unentbehrlich waren, wurden auch
hier als notwendig empfunden und angekundigt , s ind aber nicht genannt . Vielmehr sind
fur sie am Ende funf Zei len f rei en Raums ge lassen . Man mag al so be i dem Stuck einen
leisen Zweifel haben, zumal auch Rogers RRH n?86 unbesiegelt war.6' Furst Boemund II.
siegelte 1127 (RRH nO119), und dabei bleibt es nun in Antiochia.
1m Jahre 1144 kam es allerdings zu einer bemerkenswerten Ausgestaltung des Formu-
lars, als Furst Raimund (von Poitiers), der schon seit 1140seine Urkunden siegelte (RRH
n? 194.195, hier abgebildet Taf. I, Abb. 3 nach RRH nO253), inRRH nO228 fur Genua
sein sigillum principale (vgl. auch unten S.21f.) ankiindigte. Vorbereitet hatte sich diese
Formel schon in RRH n? 194, wo von e iner principalis quoque huius privilegz"t" nostrique
sigilli confirmatio die Rede ist , was zugleich die ohnehin abwegige - wenn auch vorkom-
mende (s. unten S. 21 Anm. 71) - Deutung ausschliefit, sigillum prindpale habe etwaHauptsiegel bedeutet; esist das Furstensiegel, und von kleineren Siegeln ist nichts bekannt.
Die Formel blieb von nun an wahrend des ganzen 12.Jh. in Antiochia ein fester Forrnular-
bestandteil; die Ausnahmen (RRH nO253.282.574) sind verschwindend gering und miiJ3ten
6. Michelle Syrien, Chronique, ube rs . v . J. B. CHABOT3 (1905) 269; Hansgerd HELLENKEMPER, Burgen
der Kreuzrit terzeit in der Crcfcchcft Edessa und im Konig reich Kleinarmenien (Geographica Historica 1,
1976) S. 6 < } .
65 Karl Andreas KEHR, Die Urkunden der normannisch-sicil ischen Konige (1902) S. 193.
66 Ebd.
67 Wenn RRH no76, das bei Henri-Francois DF.LABORDE,Chartes de Terre Sainte provenant de l 'abbaye
deNotre-Dame de josapbatf Bibliotheque des tcoles Francaiscs d'Athenes et de Rome 19, 1880) Taf . 2 nach
S. 26 faksimilier t ist , unecht sein soflte, so konnte man esam ehesten fur die noch nicht ganz abgeschlosscne
Empfangerhcrstcllung eines Ingrossats ansehcn, das nicht vollzogen wurde und dem man dann sparer mit-
tels eines Siegels den Charakter einer vollzogenen und ausgchandigten Urkunde gab. FUr ein Konzept i st
esjcdcnfalls viel zu sorgfaltig geschrieben.
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,',',II,
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20 Hans Eberhard Mayer
Das Siegelwesen In den Kreuzfahrerstaatea
daraufhin untersucht werden, obes sich um Empflingerausfertigu~gen handelt. Mit demAus-
bruch des antiochenischen Thronfolgekrieges 1201 zerbrach diese Stabilitat, RRH nO820.
845 des Fiirsten Raimund Rupen von 1207und 1210sind in der ~anzlei seines Gr~,ilonkelS"
Leo II. von Kleinannenien ausgestel lt , von dessen Gnaden Raimund Rupen Furst von
Antiochia war. 1mJahre 1207fiihrte er wegen Minderjahrigkeit noch gar kein Siegel. son-
dem lieil RRH nO820von Leo mit dessen Goldbulle siegeln und versprach, dail er die Sache
unter eigenem Siegel bestatigen werde, wenn er erst die venia aetatis habe. Dies ta t er in
RRH nO845, wo er dann einfach ein Bleis iegel ankundigen l iefi ,obwohl dieses den Typ
des antiochenischen Fiirstensiegels genau imitierte (Schlumberger, Sigillographie S. 36
nO86). RRH nO877 von 1215kiindigt gar kein Siegel an, obgleich es besiege.1twar, und
RRH nO878vom gleichen Jahr spricht von auctoritatis mee sigillum. Noch rm .Februa.r
12161ieil Raimund Rupen nur ein Bleisiegel ankundigen (RRH n? 885), und erst irn A~nl
und September 1216war in RRH nO887.888 der Kanzleigebrauch wieder so welt gef~stlgt,daf das sigillum pn'napale angekiindigt wurde, was sich in RRH n?921 von 1219wieder-
holte.
Eine solche Ankiindigung hat te der Gegner, Boemund IV. von Antiochia, schon 1209
in RRH nO839 benutzt und damit die Tradition seiner tripolitanischen. Vo.rga~ger verla~sen.
bei denen sich die ausdriickliche Ankiindigung eines Bleisiegels, wre sre hin und wieder
iiberall vorkam, zum Kanzleigebrauch verfestigt hatte (s, unten S. 25). Bo~mund IV. war
der jungere Sohn Boemunds III. von Antiochia (t 1201).Ais der Graf Rairnund III. von
Tripolis als letzter des tolosanischen Hauses 1187kinderIos starb, wandte er die Nachfolge
seinem Patensohn Raimund von Antiochia, dem altes ten Sohne Boemunds III., zu. Da
dieser ohnehin schon Prirnogenituranspruche in Antiochia hatte, setzte Boemund III. in
Tripolis die Nachfolge seinesj i ingeren Sohnes Boemund ~V. ~urch, und R~H n? ~39 be-
trifft eine ausschlielllich tripolitanische Angelegcnheit. Die Dinge komplizierten sich, als
Raimund von Antiochia gegen Ende des Jahrhunderts Alice, die Nichte Leos II. von Klein-
armenien heiratete , aber noch ehe Boemund III. s tarb, und zwar kurz nachdem aus der
Ehe das Kind Raimund Rupen hervorgegangen war. Dessen Anspruche wurden nun von
Leo II. verfochten, was in der Tat ant iochenischem Recht entsprach. Die Kandidatur
Boemunds IV. stutzte sich dagegen auf einen im Orient immer wichtiger werdenden Grund-
satz, er sei der nachste Verwandte des zuletzt regierenden Fiirstcn Boemund III. gewes.en,
also auf die Regel des plus dreit heir aparant. Vor allem pailte Boemund den armeruer-
feindlichen Griechen besser ins politische Konzept, die in Antiochia ein bedeutendes Ele-
ment darstellten. So war es nicht verwunderlich, dail Boemund IV. 1209das sigillum prin-
cipale aufgriff. Er betonte damit seine antiochenische Stellung. In RRH n? 731.742.754.757-759 aus den Jahren 11¢-1199 urkundete er in nichtantiochenischen Angelegenheiten
mit der tripolitanischen Ankiindigung eines Blcisicgels'" und setzte dies nach dem To~e
seines Vaters auch in antiochenischen Dingen zunachst fort (RRH nO792.799 von 1203bis
1204). RRH nv 807 von 1205ist ein Fall, der weiter~r~ufkIarung ~edarf, die ~~rie-Luis.~
Favreau in den ..Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken
dernnachst vorlegen wird, Boemund IV. bestatigte hier den Genuesen ihre Rechte sowohl
im Furstenturn Antiochia wie in der Grafschaft Tripolis. Rei causa bleibt daher offen,wel-
che der beiden Formeln harte zur Anwendung kommen sollen. Die antiochen~sc~e Formel
des sigillum principale wurde nicht verwendet, aber auch die tripolitanische B1eisiegelfor-
mel nicht , denn der Druck in der alten, notorisch schlechten Edition des Liber iurium von
Genua89redet davon, das Stuck sei sigillo aureo besiegelt worden. Das haIten wir als echt
fur ganz ausgeschlossen. Goldbullen benutzten in den christlichen Staaten des Ostens nur
der byzantinische Kaiser, der Konig von Kleinarmenien und Kaiser Friedrich II. Es ware
ganz aullergewohnlich, wenn Boemund IV. eine Goldbulle gefuhrt haben sollte. Man moch-
te zunachst einfach einen Lesefehler des Editors vermuten, und zwar cereo statt aureo,
zumal spater ein ant iochenisches Fiirs tensiegel aus Wachs bezeugt ist (s. unten S. 83).
Aber wi r werden noch dar Iegen (unten S. 88f f.) , wa rum die Genuesen s ich mit einem
antiochenischen Wachssiegel nicht zufriedengegeben hat ten. An der Lesung aureo ist
aber -Ieider! - nicht zu zweifeln. Nicht nur lesen die Handschriften der Libri iurium so,
sondern auch das Original (Staatsarchiv Genua, Materie politiche, mazzo 3nO9). Vor allem
aber ist dieses Goldsiegel durch Ogerius Pane in den genuesischen Stadt annalen bezeugt,
der schrieb: et inde opt£mum privilegium sigillo aureo munitum eis fecit (sci!. Boemund
den Genuesenj.w Das Goldsiegel erschien also schon den Genuesen als etwas ganz Auiler-
gewohnliches. Es gibt nun Anhaltspunkte, deren Darlegung sich Favreau vorbehaIten hat,
dai l dieses Siege!deshalb nicht echt ist , weil die ganze Urkunde, an der es hangt , unecht
ist; das Goldsiegel ist freilich selbst das starkste Glied in der Indizienkette.
Nachdem 1219 die antiochenische Thronfolge endgultig zugunsten Boemunds IV. ent-
schieden worden war, der von nun an in Antiochia und Tripolis herrschte, kehrte er alsbald
zum tripolitanischen Gebrauch zuriick (RRH nO979.989.1031-33), den er 1209 i n RRH
n? 839 einmal verlassen hat te . Auch sein Sohn und Nachfolger Boemund V. blieb dabei
(RRH n? 1041-42). Dabei machte eskeinen Unterschied, ob essich urn antiochenische oder
tripolitanische Dinge handelte. Die Grunde dafiir konnen wir nicht mehr erschlieflen. Es
mag sich urn cine Praponderanz von Tripoli tanern in der Kanzlei gehandeIt haben. Dail
aber die antiochenische Forme! nicht vergessen war und man den Zustand als unbefriedi-
gend ernpfand, daf mit der tripoli tanischen Forme! vom Bleis iegel in ant iochenischen
Dingeh geurkundet wurde, zeigt die verbliiffend einfache Weiterentwicklung unter Boe-
mund VI. , der beide Forme!n miteinander verband und 1255und 1256 see!principal deplomb ankundigen lieil.71
Die Formel vom sigillum prindpale bedarf einer Erklarung. Sie ware an sich am ehesten
darin zu suchen, dai l man das Furstensiegel im Gegensatz zu anderen Siegeln besonders
hervorheben wollte. Dabei konkurrierten natiirlich nicht die geistlichen, sondern die welt-
69 Historiae patriae monumenta 7 (1854) 522 ne477 . Auch RRH nc IlID des Fursten von Antiochia fur-
Montpellier von 1243 kilndigt ein Bleisiegel an. Alexandre GERMAIN, Histoire de la commune de Montpel-
lier 2 (1851)513nO43 hat dazu vermerkt, es sei in gelbern Wachs gesiegelt.Er hat auch den SchluJ3vermerkmitgedruckt: Et ce est Ie contrescrit dou privilege , qui est salle deplomb. Nach einer freundlichen Auskunft
von Monsieur Marcel Couron, Stadtarchivar VOn Montpellier , handelt es sich bei dem Stuck in Montpel lier
(Archivescommunales nO 4323) urn cine "charte partie". also urn cine Art von vertikalem Chirograph, von
dem die reehte Halfte (eben der contrescrit) in Montpellier erhalten ist. Da das Wachssiegel ein Agnus Dei
zeigt , handeIt essich ganz offensichtl ich urn ein geist liches Siegel, mit dem diese Kopie beglaubigt wurde. Ob
die Iinke Halfte ein Bleisiegel trug, stehe dahin; eher war auch siccine wachsgesiegelte Kopie. Hier ist vor
allem festzuhalten, dat3aus dem Stuck auf ein \Vachssiegel der Fursten von Antiochia schon urn 1243 nicht
geschlossen werden darf. Erst Boemund VII. hat te nachweisl ich 1278ein Wachssiegel (s. unten S. 83).
70 Annali Genovesi di Caffaro e de' suoi continuator i, ed. Luigi Tommaso BELGRANO Cesare IMPERIALE
DI SANT'ANGELO2 (Fonti per la storia d 'I talia, 19CU) 101 .
71 RRH nc 1229.1248, im Druck Paoli s f al sch uberset zt zu "gr and sceau de plomb", auch bei SCHLUM-,
BERGER, Sigillographie S. 38 nO93 falsch als "Grande bulle de plomb" verstanden. Mei plumbe; acprincipa.
lis sigilli impressio hat te einmal schon Boemund I II . im Jahre 1163angekiind igt (RRH no388), doch war
die Kombinierung in dieser Zeit, ehe Antiochia Ansprtiche auf Tripolis hat te, nur Zufal l.
68 Aus dieser Zeit vor dem Ausbruch des antiochenischen Thronfolgekrieges muf seine ganz in der tripoli-
tanischenTradition stehende Bulle mit der Legende ET HEC SVA CIVITAS TRIPOLIS auf dem Revers
stammen, wahrend erspater ein Siegel f tlhr te, das ihn sowohl als Furst von Antiochia wre als Gr~f ~on Tnp~-
lis bezeichnete, was auch ftlr seine Nachfolger richtungweisend wurde; vgl. SCHLUMBERGER,igillographie
S . 61 no 144 , 37 nO88.
',;
21
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" .
22 Hans Eberhard Mayer
l ichen Siegel. Wenn der antiochenische Adel siegelte, sohatte der Furst AnlaB, den Rang
seines einzigen Siegels zu unterstreichen. Es fehlt aber fast vollig an solchen Konkurrenten.
Diese Feststellung erlaubt selbst das fur Antiochia besonders diirftige Material. Nicht ein-
mal die Furstinnen von Antiochia f iihr tcn eigene Siegel. Im Abteiarchiv von La Cava bei
Salerno is t an einer Schenkung von 1123 zwar e ine Bul le von Konstanze , de r Tochter
des Konigs Philipp I.von Frankreich und Gemahlin des Fiirsten Boemund I.von Antio-
chia seit 1107, erhalten (Schlumberger, Sigillographie S. 31 Nr. 76), doch kam Konstanze
nie in den Osten, und die Bul le nimmt ke inerlei Bezug auf Ant iochia und is t dem italo-
normannischen Bleisiegelgebrauch zuzurechnen, wo ursprunglich auch Boemund I. in Blei
gesiegelt hatte (s. oben S. 19). Caecilia, die Gemahlin des Fiirsten Roger und irnmerhin die
Schwester des Konigs Balduin II. von Jerusalem, machte 1126eine ungesiegelte Schenkung
an Josaphat (RRH nO114c), obgleich ihr Gemahl vielleicht ein Siegel gefiihrt hatte und
Furst Boemund II., der seinen Konsens gab, nachweislich ein Jahr spater siegelte (s. oben
S. 19). Die Fiirstin Konstanze siegelte 1150mit dem Siegel des 1149verstorbenen Fiirsten
Raimund (RRH nO263; Schlumberger, Sigillographie S. 32n? 78). Noch viel interessanter
ist das Beispiel der herrschsuchtigen Alice von Antiochia, der altesten Tochter Balduins II.
Von Jerusalem, die als Witwe Boemunds II. von Antiochia von ihrem Wittum Latakia aus
unaufhorlich intrigierte, urn die Herrschaft in Antiochia zuruckzugcwinnen, was ihr 1135
auf e inige Zeit ge lang. In ihr en Urkunden RRH nO148.150 von 1133 und 1134, deren
letztere in Latakia einen eigenen Hofstaat fur Alice mit einem eigenen Konstabler und
einem Kanzler ausweist, verwendet sie als erste den Ausdruck, der dann wie kein anderer
die antiochenische Fiirstenurkunde charakterisierte, als sie das Stuck principali sigillo sie-
gelte. Dies sollte h ier natii rlich nur anzeigen, daB sie ein eigenes Siegel n icht besaB, aber
dasjenige Boemunds II. wei terf iihr te. Dar iiber hinaus bedeutet es zusammen mit dem
eigenen Hofs taat aber auch, daB sie sich gegen i hr en Schwager, den Konig Fulko von
Jerusalem, der nach Boemunds II. Tode zurn Regenten von Antiochia bestellt worden war,
als die eigentliche Tragerin des antiochenischen Staates ansah, denn wenn sie das principale
sigillum besaB, so konnte es nicht gleichzeitig im Besitz des Regenten sein. Das zeigt, wie
sehr das Siegel berei ts zur Verkorperung des Staa tes geworden war. Auch im Jul i 1134
blieb sie in RRH nO151a beim eigenen Konstabler und beim prindpale stgzllum. 1m glei-
chen Jahre 1134.2 stellte Fulko als antiochenischer Regent dor tselbst eine Urkunde aus,
die antiochenische Dinge betraf. Er siegelte sie sigillo nostro, und da Boemunds Siegel sich
in Alices Hand befand, rniissen wir annehmen, daB er sein jerusalemitanisches Konigs-
siegel benutzte. Ob man dies in Antiochia als anstoflig empfand, wissen wir nicht, aber als
e r im Augus t 1135 wieder a ls Regent in Ant iochia urkunde te, wohl kurz ehe Al ice die
Herrschaft dort wieder zuriickgcwann, da zog er esvor, die Urkunde unbesiegelt zu lassen,
wohl wei l er i iber das Staatssiegel nicht verfi ig te (RRH n? 149.157). Es kam sei t RRH
nO68a von 1112nur selten vor , daB ein Konig von Jerusalem eine seiner Urkunden nicht
besiegelte, und wenigstens fiir diesen Fall haben wir nun eine Erklarung,
Soweit wir erkennen konnen, siegeiten die Vasallen des Fursten entweder gar nicht oder
erst betrachtlich nach dem ersten Vorkommen des sigillum principale. Wido, mit dem
schiinen Beinamen Capreolus, den Albert von Aachen'3 immerhin als princeps der Stadte
Tarsos und Mamistra bezeichnet, machte vor 1114 eine dann von Furst Roger besti it ig te
Schenkung an Josaphat, ohne ein Siegel zu gebrauchen (RRH n? 73a). Hugo von Corbeil,
72 Zum Datum s.Hans Eberhard MAYER, Studies in the History of Queen Melisende ofJerusalem, Dum-
barton Oaks Papers (kunftig gekilrzt: DOP) 26 (1972) 104 Anm. 24.
" Historia Hierosolymitana XI 40, RHC Hoc 4, 682
~i(
I
II,',{
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten
d . ~er emer aus der ile-de-France ein d '.horte," machte 1160' S h k gewa~ erten antJochemschen Vasallenfami lie ange-
erne c en ung an die Leprosen VOnSt L (er ohne naher- Begrundung vom Abt des Benediktiner I . azarus ~RH nO348), die
Bergen bei Antiochia besiegeln lieJ3.Offensichtlich hat~ ::t~rsi St..Georg I~den Schwarzen
iahyun ~t 11_?0ber. erste antiochenische Vasall, der ein Sie;e~ :~~~:~i ;:e(~~~og:r vo)n
r war err u er eme besonders starke Bur di h n 473·erregt durch den tief in den F I h G
g, e .eut e noch das Staunen der Besucher
e s ge auenen raben in de . F Ilassen, iiber die einst die Zugbriicke I' f D' F ' 1. ' h m man erne e snadel hat stehenA . ier. re arm te atte schon ei R 11 '.usemandersetzungen zwischen der Furst in-Mutter Alic eIne. ? e gespielt In den
salem anfangs der dreiJ3i er Jahre und" e un~ dem Komg Fulko von jeru-FT' Ed .. ~ . begrundete dann eheliche Bande mit der g afli h.amlle In essa. Moghcherwelse konnten die Herren v ra IC en
ergenes Siegel gefuhrt haben abe das Bei . I d on Sahyun also s chon vor 1170 ein, r as elsple er M z . . h dbesaJ3en sie Valania seit 1118 die t k F M a OI.rssprrc t agegen. Seit 1109
, S ar e estung argat· ih L h dl .tendsten Vasallenfamilie im A ti h . h ' re e en, re sre zur bedeu-1174machte Reinald IIM .n I?C eSmhscn machte: ha t Cahen'5 beschrieben. 1m Jahre
. azorr erne c enkung an die J h . di .aber kein Siegel ankundigt (RRH ° 5 ) E . k' 0 an~Iter, ie zwar beslege1t war,
n 21. s ist emeswegs I h d 1 3d idenen Siegelschnure ehemals Rein ld S' I hi I s c er, a ie noch vorhan-
Fursten infremder Sache gewesen se:n. ~rs~e:~ 11I~~nt; es ~ann ~urc~a~s a.uch das des
(RRH nO 560.568.609.612.630.647). RRH nO67 a er ~t GewIBhelt e~neigenes Siegel
Mazoir 1186 die Herrschaft Marg t . 47 war die Urkunde, mit der Bertrand. a gegen erne J ahresrente di J h .
wet! er sie gegen die Sarazenen nicht h h I k an re 0 anruter verkaufte,
bedeutsam, daB die Johanniter sich ni~: ~it ~!enE o~~te. Schdondieser Vorgang War so
von Antiochia als des Lehnsherren fri d be rwa nung es Konsenses des Fiirs tenzu rre enga en od it ei .
urkunde desselben was beides f ii r L h k" c er rru emer eigenen Bestatigungs-. ' e nsver awe das Norm I d'ttgung des Fiirsten forderten I' di B r t d a e war, son ern erne Besta-
, n re e ran s Urkunde .. tli h . .sie auf uns gekommen MI't d V . wor IC mseriert war; nur so ist
. er errentung Ihres Besit . di .tischen Status verlustig denn e h d I . h eSIzes grngen te Mazolrs ihres vasalli-
, s an e te SIC urn ein . G ld .wand lung e ines Landlehens in e in (von d J h . e reme e rente, n ich t um die Um-d Len 0 anmtern Sozusagen g g di V f..es andlehens zu zahlendes) Geldlehen D" . e en ie erp andung
jeden Lehensdienst des Orden '1' ekrFurst verzlchtete namlich ausdriicklich aufs, wei unver ennbar war d 1 3 d i J h .
ohnehin kampfen muJ3ten wenn sie . h di H ' a re 0 anmter in Margat
derte nach Zypern aus wo e r 121 . .SIC re errschafr erhalten wollten, Bertrand wan-
Damals besaJ3er kein 'eigenes Si!glenlmmeehHerabdsetzunger Rente einwilligte (RRH nO896).
E . r, Son ern rnuBte den K" . Zrzbischof Von Nikosia darurn bitt . Uk' omg von ypern und den
d ' . . en, seine r unde zu besleg IS' T hann In die zyprische Farnilie B I' iib der en. erne oc ter heiraten-a r a is , u er eren palasti . h B' .
an anderer Stelle handeln '6 Schll'eJ3II'hit h R nensrsc en esi tz rm 13·Jh. wir. c IS noc RH nO648 86 .. .
chern der nachgeborene Sohn R' d B von 11 anzufuhren, In wel-aimun von yblos aus dern H E bri
tern ein Casale verkaufte Obw hi K b ause m naco den Johanni-. 0 er onsta ler von T' r (
er kein eigenes Siegel, wie RRH no6 8b eweist np.o IS ",:ar s. unten S. 27 f.), hatte
bleramt Amtssiegel besaJ3en (s t 4S 8 B' wen~glelch seme Nachfolger im Konsta-
halb wir die Familie insgesamt c i : :~ha~d;?~ yblos heg.t zwar irn Tripolitanischen, wes-
der Zustimmung des Fiirsten v A ti hi .' aber ~as hier geschenkte Casale muJ3wegenon n JOCi a im dortlg F"
Das a lles deutet da rauf hi n d 13 v d . :n urstenturn gesuchr werden," , a on en antJochemsche V II '.uberhaupt siegeln durften und h di '. nasa en nur die wlchtigsten
auc les erst zu emer Zeit, als der Furst schon lang d.. c e en7 5 AHEN, Syri e du Nord S .536.
Ebd. S. 537.
.70 Hans Eberhard MAYER, Die Kreuzfahrerherrschaf Ar '.ems 93 (1977) 204ff.; t rabe, Ze,ltschnft des Deutschen Paliistina.Ver_"
.~.
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Hans Ebe rhard Mayer
Ausdruck sigillum principale gebr auchte. Auch ist der Zusammenhang zwischen dem
Recht auf ein Siege l und der Anerkennung als eine r e igenen Se igneurie innerha lb des
Fiirs tentums unverkennbar. Das Siege l zeichne te den wahren Se igneur aus ; es war e in
hoheitliches Zeichen das er wie die Mazoirs abzulegen hatte, wenn er die Herrschaft verlor.
Kleinere Vasallen mufiten sich mit ungesiegelten Urkunden begni igen oder das Siegel
Dritter in fremder Sache bemiihen. Schon ein so herausragender Mann wie der Konstabler
der Fi irst in-Mut te r Al ice, Walter von Sourdeva l, dessen Vater in der Entourage Boe-
munds I . in den Osten gekommen war," muBte 1134seine Schenkung an die Johanni ter
mit dem sigillum principale siegeln lassen, das die Fii rstin-Mutter verwaltete (RRH
nO150).Wilhelm de Baronia war vielleicht ein uneheliches Kind, das indessen einen ebenso
hochmi:igenden wie eigenwilligen Vater hatte (wenn nicht an ein geistliches Vaterschaft~-
verhaltnis gedacht ist), narnlich den Erzbischof Radulf von Mamistra, der sparer als Patri-
arch von Antiochia f ii r Rom und das Fii rstentum inmehr als einer Hinsicht Sorgen machte
und sogar den papstlichen Primat in Frage stellte. Ais Wilhelm 1135eine Schenkung an
Josaphat machte, die nach den Zeugen zu urtei len antiochenisches Gut betraf, hangte .er
das Siegel seines Vaters an, der zusammen mit einem Monch der Abtei St. Paul InAntic-
chia die Urkunde auch bezeugte (RRH nO161a). 1m Jahr e 1154 machte Alexander , de r
Sohn des Schildtragers Bernhard, eine Schenkung iiber Gut inAntiochia an die Johanniter
und bemiihte wiederum das sigillum principaie (RRH n? 298).
Kehren wir in das fri ihe 12.Jh. zur iick . Damals f iihr ten auch die Grafen von Tripoli s
ke in Siegel , denn im Gegensatz zu Rohrichts Regest RRH n? 44 kiindigt Ra imund I. in
seinen Urkunden von 1103und 110578kein Siegel an, ebensowenig wie inRRH n? 38von
1103. Genau so steht es bei seinen tripoli tanischen Nachfolgern Wilhelm-Jordan (RRH
n? 48) und Bertrand (RRH nO55.58). Der Graf Pontius kiindig te 1116seine. Bulle ~n.79
Ein Jahr spa te r wurde in RRH n? 84 kein Siegel angekiindigt, was freilich m~hts heillen
will, da es an den graflichen Urkunden RRH n? 108.118 aus den Jahren 1125 bis 1127 un-
angekiindigt hing. Dagegen waren die Urkunden seiner Witwe Caecilia aus dem Jahre 1139
(RRH n? 192) und ihres Sohnes, des Grafen Raimund II ., aus demse!ben Jahr (RRH
n? 191)offenbar ungesiegelt, denn sie kiindigten im Gegensatz.zu RRH n? ~?3..198von 1140
kein Siegel an. 1st in RRH nO193.198 nur von einem Siegel die Rede, sokiindig te d:r Graf
in RRH n? 211.212 von 1142erstmals ausdriicklich ein Bleisiegel an, doch bheb dies vor-
erst nur ein Einzelfall, denn RRH n? 217.218 von 1143 sprechen nur von einem Sie-
gel, RRH nO233.236 von 1145 haben keine Siegelankiindigung, wenn au~h ~n RRH nO
233 eine Bleibul le hing,80 RRH n? 270 von 1151 in fremder Sache kiindigte wi eder
e in Bleisi ege l an, ebenso e ine j iings t edier te Urkunde aus dems: lben Jahr :81 RRH n?
389.519 von 1163 und 1174 redeten nur von einem Siegel, nicht ausdruckl.lch ~.on
einem Bleisiegel. Dieses Hin und Her deutet nicht gerade auf festgefugte Ka~zlelver.halt-
n isse hin .82Die Lage ander te sich schlagartig , als Graf Raimund III ., der b isher hicran
_--- --------
" Gesta Francorum I4 ed. Rosalind HILL (Medieval Texts, 1962) S. 7· . .
78RRH no 38. Jean RICHARD, Le chartrier de Ste.-Marie Latine et let~bhs5e.m~nt de Rayrnone de Saint-
Gilles a Mont Peler in , Melange s Louis Halphen (1951) S . 60 ? nO I ; Gal ha ch ri st ian a ed . nova I (1716) 97
nv L3 .
79 RICHARD, a. a. O .S . 611 no 2 .
80 Siegelbeschreibung destranssumierenden Notars Aliotto Uguccio ausdem Jahre, 1~~5bel Claude DEVl~
und Joseph VAISSETE, Histoire generale de Languedoc ed. Auguste MOLINIER, ze edition 5 (1875) 1056 n
551§ 2. B'br h' d I'E I d
81 Jean RICHARD, Lecomte deTr ipol i dans Ies chartes du Fonds des Porcellet, 1 rot eque e co e es
Chartes 130 (1972) 366 nOI; SCHLUMBERGER,Sigillographie S. 59 nv 137·
82 RICHARD, Comte de Tripoli s. 51.
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,{~~Y
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten
keinen AnstoB genommen hatte, 1174 die Regentschaft des Ki:inigreichs Jerusalem iiber-
nahm und damit in taglichen Kontakt mit einer Kanzlei kam, die schon sei t langerem ein
fest etabliertes Formular ausgebi ldet hatte. In RRH n? 535c von 1176 l ieBder Herr von
Nephin, e~ntripolitanischer Vasa II , seine Urkunde durch das grafliche Siegel beglaubigen,
aber da wir nur noch em Regest des 18.Jh. besitzen, wissen wir nicht, wie die Ankiindigung
g_enaulautete. In RRH nO549 von 1177war die Wendung vollzogen; es wurde ein Blei-
Siegel des Grafen angekiindig t. So fest verankert war die Formel sei ther daf sie selbst in
einer Urkunde Von 1179auftaucht, die gar nicht Tr ipolis betraf, sonder~ das Fii rstentum
Galilaea (= Her rschaft Tiberias) im Konigre ich Je rusalem, in das Graf Raimund III .
z~satzlich noch. eingeheiratet hatte (RRH n? 583) und wo die Fii rsten schon sei t langem
eigene Siegel fuhrten (s. unten S. 39). Obwohl der tripoli tanische Kanzler Matthaeus das
StUck ausfertigte, durfte es nur von galilaeischen Lehnsleuten bezeugt werden,83 und auch
die Formel vom Bleisiegel muBte ger ingf iigig modif iziert werden. Nicht von meinem
Bleisiegel" war die Rede, sondern ausdr iick lich vom plumbeo Tt'beriadensi sigili~, da die
unveranderte Forme! AniaB zu dem IvIi13verstandnis hatte geben konnen, das Stiick sei mit
dem tripoli tanischen Siegel besiegelt gewesen. Das zeigt, wie sehr die Formel berei ts als
Charakter istikum der graflichen Urkunden in Tripolis galt. Von nun an blieb die Ankiin-
digung eines Bleisiegels ein fester Bestandteil der tripoli tanischen Grafenurkunde auf
dessen Beibehaltung und Ausformung unter den Grafen aus antiochenischem Hause wir
schon oben S. 20f. eingegangen sind.
tiber die SiegelfUhrung bei den tripolitanischen Vasa lien entsteht kein sehr klares Bild.
~ reichlichsten f1ieBtdas Material f ii r die Familie Gibe!et (= Byblos), wobei wir aller-
dings d~n Hauptstamm der Familie, die eigentlichen Herren von Byblos, ausschalten rniissen,
denn se tt de r Schenkung von Byblos an die Domkir che von San Lorenzo in Genua durch
de.nG~a.fen.Bertrand von Tripolis 1109(RRH nO55)standen die in Byblos herrschenden Em-
briachi m :mem lockeren Lehnsverhaltnis zuGenua, n icht zuTripoli s, und sie waren schon
urn die Mit te des 12.Jh. semiautonom geworden.w So ers taunt es nicht daB Adala is die
Witwe Hugos Embriaco, der der zweite Herr von Byblos war ,80berei t: 1135eine SChen-
k~ng an da~ HI. G~ab s~egeln konnte, wobei allerdings aus der Ankiindigung nicht k lar
wird, ob essich urn ihr Siegel oder urn das ihres Sohnes Wilhelm II. Embriaco, des dri tten
Her ren von Byblos, hande lte (RRH nO 161). Al le in die Ta tsache , daf es in der Famil ie
s:hon fruh ein Siegel gab, beweist den Grad der Unabhangigkei t von der graflichen Auto-
ritat. Obwohl Wilhelm II. einen eigenen cancellarius als Urkundenschreiber hielt, hat die-
s~r entweder nicht immer fur eine Besiegelung gesorgt oder war in der Ankiindigung nach-laSSig,da RRH nO328 von 1157wohl von ihm ausgefertigt ist, aber kein Siegel ankiindigt.
Hugo II. s iegel ta 1168 RRH nv 445, "74 RRH n? 520, Guido I. 1212 RRH n? 856, 1217
RRH n? 904 und 1241RRH n? 1103, wobei in den letzteren vier Stiicken Bleisiegel genanntwerden.
Es war klar, da f die n~chgeborenen Sohne, f iir die in der kleinen Herrschaf t Byblos
kein Platz war, auf den Dienst beim Grafen von Tripolis und beim Fursten von Antiochia
angewiesen waren. Schon der zweite Sohn Wilhelms II. Embriaco wurde Konstabler von)'
Tripolis (RRH n? 602.605.632 von 1181 bis 1183). 1m Jahre 1183 nahm er auBerdem
------~--
" Ebd. S. 72. Eine undat ie rt e und am Ende auch unvol ls ta ndige Urkunde ~ Gra fen - ;~ irn- ;; -' ;; ;-~. (Jo~
s eph DHH 'I LLE LE RouLX , Char tes d e Ter re S ai nt e, ROL II [1905~19081Iih no4) hat te anscheinend zu
Be8lf nn dieses J ahrhunderts noch Reste eine~Siegelschnur, kundigt aber kcin Siegel an.
Eugene H . BYRNE, The Gcnoese Colonies in Syria, in: The Crusades and Other Historical Essays Pre-se nte d t o Dana C. Mun ro , e d. L ou is J. PAETOW(1928) S. 149ff."Emmanue l G. REY, L es s ei gn eu rs d e Gi bl et , ROL 3 (1895) 400.
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noch ant iochenischen Dienst, denn er bezeugte eine Urkunde des Fiirs ten Boemund III.
fur Venedig (RRH n? 632). Moglicherwcise war dies mit der Stellung eines Konstablers
von Tripolis auf die Dauer unvereinbar, denn von nun an erscheint er in den tripoli tani-
schen Urkunden ohne den Konstablert itel als Raimundus de Biblius (RRH nO637.642.
645.649), und 1186 urkundete er selbst ohne diesen Titel und bezeichnete s ich als Sohn
Wilhelms (II.) Embriaco, des verstorbenen Herrn von Byblos (RRH nO648). Die Urkunde
betraf ant iochenisches Lehnsgut und wurde nicht von Raimund selbst, wohl aber von
Furst Boemund III . mi t dem prz'ndpale sigillum gesiegeit. Raimund fuhrte also weder
ein Amts- noch ein personl iches Siegel und hat te es ers icht lich in Antiochia nicht bis zu
einer Herrschaft gebracht, die ihm ein Anrecht auf ein eigenes Siegel verliehen hat te , da
er selbst seinen sozialen Rang nicht anders zu bezeichnen wuflte, als daB er der Sohn des
frt iheren Herrn von Byblos sei , wo inzwischen sein alterer Bruder herrschte. Auch in der
Grafschaft Tripolis hat te er nur das Hofamt, nicht aber eine eigene Herrschaft erreicht.Ob die Nachkommen Wilhelms, des jungsten Sohnes Wilhelms II. Embriaco, wirkl ich
Herren von Besmedin bei Nephin waren, wie die Lignages d'Outremer8" behaupten, oder
Aftervasallen der Herren von Nephin, wissen wir nicht . Sie haben sich urkundlich nie als
Herren von Besmedin bezeichnet, aber fur diese These spricht imrnerhin, daB Johann III.
von Byblos-(Besmedin) in RRH nO1113von 1243ein Bleisiegel fiihrte. AIlerdings stehen
wir in einer Zeit des Umbruchs. Die staufische Verwaitung im Konigreich Jerusalem
brach damals zusarnmen ; von nun an herrschten weitgehend die Barone. Geordnete Ver-
hal tnisse wie unter Ludwig dem Heiligen waren rar, und selbstverstandl ich konnten die
Barone nicht mit derselben Energie die Ausbreitung des Siegels verhindern, wie fruhere
Herrscher dies versucht hat ten. Ein BIeisiegel allein reicht aber auch in dieser Zeit nicht
hin, urn daraus auf das Bestehen einer Seigneurie zu schliel3en. Es mi.il3teseit der Mitte
der fiinfziger Jahre eine bestimmte Formel dazukommen, die wir unten S. 59ff. behandeln
werden.
Ein anderer Zweig der Familie kam durch Einheirat in den Besitzder Herrschaft der Fa-
mi li e Porcel le t. Diese war schon mi t Raimund I . auf dem erst en Kreuzzug aus der Pro-
vence gekommen.s? und sie gehorten zu den bedeutendsten Vasallen des Grafen. Richard=
hat ihre politische Bedeutung und ihre Besitzungen herausgearbeitet, die tiber die ganze
Grafschaft verstreut lagen, aber doch bei Artusce =Ard Artousi, 15 Kilometer ostlich
von Tripolis am Meer, einen erkennbaren Kern hat ten. AIs die Porcellets in rnannlicher
Linie urn 1236ausstarben, brachte Maria PorceIlct, als sie in zweiter Ehe Hugo von Byblos
heiratete, diesem Vertreter der Seitenlinie die Porcelletschen Familienguter, und Hugos
Sohn Bertrand fiigte schon 1248auf seiner Bulle dem Stern der Embriachi von Byblos
das Wappen der Porcellets hinzu.89 Eine BIeibulle fuhrte schon 1209Wilhelm Porcellet'".
Aufgrund 'der von Richard konstat ierten Bedeutung wie auch angesichts des Alters der
Familie ist hier kein Zweifel moglich, dal3wir es mit einer Herrschah innerhalb der Graf-
schaft zutun haben. Wenn sich dies ebenso wie bei dem angeheirateten Zweig der Familie
Byblos nicht zu einem Familiennamen nach der neuen Herrschaft verdichtete, so liegt das
daran, dal3in Tripolis die adligen Familien meistens ihre Ursprungsnamen beibehielten
und sich nur selten nach ihren libanesischen Besitzungen bezeichneten ;91dasselbe mag
•
. ;
- , , -. . '
86Ligriages d'Outremcr c. 30, ReB Lois 2, 465.
87 RICHARD, Cornte de Tripoli S. 77.
88 RICHARD,Comte de Tripoli dans les chartes des PorceIIet, BECh 130, 348ff_, 3S8ff.
89 Ebd. S_348; SCHLUMBERGER,SigiIIographie S. 45 nO 106_
90 RICHARD, BECh 130,369 no 2; SCHLUMBERGER,SigiIIographie S. 68 nO 161.
• , RICHARD,Comte de Tripoli S . 73.
',1
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten
auch fii r die Herren von Besmedin gel ten. Da sich kein Herrschafts ti te l ftir die Familie
Gibelet-Porcellet bildete , bestand auch keine zwingende Notwendigkeit fur ein Herr-
schaftssiegel, dessen Ftihrung dem jeweils regierenden Herren allein zugestanden hatte,
sondern man hat te ein Famil iensiegel, was es erlaubte, dal3 1248 Bertrand von Gibelet-
Porcellet schon zu Lebzeiten seines Vaters und neben diesem ein eigenes Siegel fiihrte.92
Beim Bleisiegel dieses Zweigs der Famil ie blieb es.93 Zu die se r Zei t bes tand gar kein
Zweifel mehr, dal3es sich bei dem Besitz der Gibelet-Porcellet urn eine Seigneurie han-
deIte , denn sei t 1274tauchen in den erwahnten Urkunden ligische Vasal len der Gibelet-
Porcellets auf, und auch die Siegelankiindigung hat die neue Form fiir hochmogende Her-
ren mit einer eigenen Herrschaft: garnir de ma boledeplomb empreint en mes drois coins.
Wenn die Formel nicht vol ls tandig war und ihr der Hinweis auf die Seigneurie fehlte, so
konnte dies ein erneuter Hinweis sein, dal3es sich in der Form urn ein Familiensiegel han-
del te , mit dem aber gleichwohl, wie die Formel bezeugt , seigneurialer Rang bekundetwurde, der zu dieser Zeit und wahrscheinl ich schon fruher durch Gericht und Bleis iegel
symbolisiert wurde.
Nach den Gibelets waren die Herren von Maraclea wohl die machtigste Vasallenfamilie
des Grafen. Aber 1163hat te der dortige Herr noch kein Siegel (RRH nO378). Dabei war
dies kein unwicht iger Handel, denn der Herr verkaufte den Johannitem irnmerhin eine
Burg. Diese nahmen es damals noch hin, dal3das Stuck unbesiegeit blieb, aber 1180bei
der viel unbedeutenderen Schenkung dre ier Casal ien durch den Her ro von Maracl ea
insistierten sie auf einer Besiegelung (RRH nO595). Da dieser noch immer iiber kein eige-
nes Siegel verfiigte, wurde das Siegel des Grafen von Tripolis in fremder Sache angehangt.
Es braucht uns nicht zu erstaunen, wenn auch hier die inzwischen feststehend gewordene
grafl iche Forme! vom Bleis iegel verwendet wurde, denn ausgefert igt wurde das Stuck
von dem grafl ichen Kanzler Matthaeus. Ebenso hat te esschon Reinhard von Nephin (der
Bruder des letzterwahnten Herrn von MaracIea) gehal ten (RRH n? 535c von 1176),und
in beiden Punkten wurde noch 1185ebenso vorgegangen, als ein graflicher VasaII zweiter
Ordnung namens Raimund de Tr ibus Clavibus den Johanni tern e inen Verkauf se iner
Mutt er an den Orden best at ig te (RRH nO642) . Schon in RRH nO270von 115! war e in
k leinerer Vasa ll des Grafen so ver fahren . Den wei te ren Gebrauch bei den Her ren von
Maraclea konnen wir nicht verfolgen, da wir von ihnen keine Urkunden mehr haben, denn
Boemund Ill. von Antioch ia gab al s Vormund die Herrscha ft 1199an die Johannit er
(RRH n? 759), woriiber es zu einem bis 1241dauernden Rechtsstreit karn (RRH nO1102).
Ob es danach noch zu einer wirkl ichen Siegelfiihrung der Herren von Maraclea gekom-
men ist, wissen wir nicht. Immerhin ist aber ein loses Bleisiegel (Schlumberger, Sigillo-
graphie S. 49 n? 115)von einem Meillor von Ravendel, Herrn von Maraclea, erhal ten,
der von 1252bis 1282bezeugt ist (RRH n? 1201.1444).
Dagegen fiihrte 1202der Herr von Botron ein Bleisiegel (RRH n? 788; Schlumberger,
Sigillographie S. 41nO98). Es handelte sich urn einen reichen Pisaner, der in diese tripoli-
tanische Herrschaft eingeheiratet hatte.9' Ob er aufgrund se ines Re ichtums mi t de rn Ge-
brauch e ines Siege ls beg innen konnte ode r ob schon die vorhergehenden Herren von
Botron eines besal3en, mul3 offenbleiben. Im Jahre 1204 verkaufte der Konstabler von
Tripolis, Gerhard von Ham, den Johannitern gewisse Guter und stell te hieruber eine Sic-
gelurkunde aus (RRH nO800). Es handelte s ich hier noch nicht urn ein Arntssiegel , son-
" RICHARD,BECh 130, 371 no3.
93 Ebd. S. 371 n? 3; 373 nO 4; 376 n? 5; 377 nc 6; RRH nv 1272_1468.
•• Reinhold ROHRICHT,Geschichte des Konigreicus Jerusalem (1898) S. 417.
27
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,,I;' ";'1,\
,I;'.•{,
Hans Ebe rhard Mayer
dern zu diesem wurde eserst , a ls esvon Gerhards Sohn Thomas, der ihm im Amte folgte,
1228(RRH nO990) als Rucksicgel verwendet wurde,9s denn das Siegel Gerhards von Ham
(jetzt als Rilcksiegel gebraucht) nannte noch kein Arnt, sondern dieses erschien ers t auf
dem Wachssiegel seines Sohnes Thomas. Da dem Wachssiegel nur ein geringerer Wert
beigemessen wurde (s. unten S. 84 ff.), wurde die Urkunde noch zusatzl ich vom Bischof
von Tripolis und vom Templermeister gesiegelt. Aus RRH nO993 erfahren wir, daf Ger-
hard von Ham nur durch Hei rat an das erbli che Konst ab leramt gekommen war , denn
schon sein Schwiegervater Rainer war Konstabler der Grafschaft gewesen, und sein Sohn
Thomas wurde es gleichfal ls . Er selbst war offenbar aus dem Artois eingewandert, war
dort jedenfalls begiitert und Lehnsmann des franzosischen Konigs, Nachdem im Marz
1227 seine Witwe Maria diese Gti ter an ihren Sohn Thomas iibertragen und dessen Frau
Beatrix die ihr als Wittum zustehenden Teile ebenfal ls an Thomas iibertragen hat te , ver-
kaufte dieser 1228 das ganze Gut an die Konigin von Frankreich, Bianka von Kasti lien,
und sowohl Maria wie Beatrix bil ligten dies in einer besonderen Urkunde (RRH nO980.
988.990.991.993). Der Konstabler Thomas fiihrte dabei wie soc;• Vater ein Siegel (eben
das mit dem vaterlichen Siegel als Riicksiegel), aber die Frauen muilten fremde Hilfe in
Anspruch nehmen. Das Siegel des Thomas war also ganz deutl ich ein Amtssiegel, das nur
fiir den Amtsinhaber verbindlich war. Maria urkundete iiber die Besitziibertragung nicht
selbst, sondern lief den Bischof von Melfi dariiber ein Urkunde ausstellen, wahrend Bea-
trix, die als Tochter des Petrus de Ravendel aus einer der ers ten Famil ien der Grafschaft
stammte, den Bischof von Tripolis bemiihte. Die Bestatigung nahmen die beiden Damen
gemeinsam in einem Notariatsinstrument vor, das sie aber auch nicht selbst besiegelten,
sondern hierfiir dem Patriarchen von Jerusalem vorlegten. Hier spielt natiirlich schon die
Auffassung vom geistlichen Siegel als dem "glaubwiirdigen", dem "authentischen" Sie-
gel mit hinein, aber hat ten die beiden Damen selbst ein Siegel besessen, sohatten sie doch
wohl dieses benutzt , da j a die wich tigst e Urkunde der Se rie , der e igen tl iche Verkauf
durch Thomas, nur von diesem selbst besiegelt war.
Gehen wir zum Konigreich Jerusalem iiber und betrachten wir zunachst den geistlichen
Bereich. Anfangs siegelten nur der Patriarch und der einzige Erzbischof in Caesarea. Fiir
diese blieb es dabei . Die Ausnahmen sind verschwindend gering. Beim Patriarchen nen-
nen wir RRH n? 129a.205.251.822a, bei Caesarea war RRH n? 114d offenbar ungesie-
gelt, wahrend Amico im 17. Jh. fiir RRH nO114e, das gleichfalls ohne Siegelankiindigung
erging, ein Siegel nachzeichnete. Wenn im geistlichen Bereich eine Siegelhierarchie galt,
so war das Siegel ein Vorrecht der Metropoli tane. Ais 1122die Eroberung von Tyrus auf
dem politischen Programm stand, weihte der Patriarch von Jerusalem einen gewissen Odo
zum Erzbischof der noch nicht eroberten Stadt, urn einen Vorteil gegenuber dem Patriar-
chen von Antiochia in dem Strei t urn die Zugehorigkeit der Kirchenprovinz Tyrus zu er-
langen, die fruher zum Patriarchat von Antiochia gehort hat te , jetzt aber von Jerusalem
beansprucht wurde. Es leuchtet ein, dai l Jerusalem gewinnen muilte, wenn Odo nach der
Eroberung sein erzbischofl iches Amt wirkl ich ausiiben konnte, da er ja seine Erhebung
dem Patriarchen von Jerusalem verdankte. Ob er geurkundet hat , wissen wir nicht , wohl
aber , dai l e r noch vor der Erobe rung der Stadt 1124 starb, Ais diese gefallen war, wurde
ers t einmal das Chorherrenstift vom HI. Grab in der alten tyrensischen Kathedrale eta-
bliert,9. ehe 1128 der erste wirkliche Erzbischof von Tyrus erhoben wurde. Dieser Iieil sich
offenbar sofort einen Stempel schneiden, denn schon 1129 stellt er dem HI. Grab eine Sie-
,
fa SCHLUMBERGER, SigiJlographie S. 67 nO 160, wo es falschlich als Secretum bezeichnet wird.
Q6 MAYER, Bistiimer S. roof,
,<11. '-
',I "I. ,,';',' 'in
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 29
gelurkunde aus (RRH nO127). Von seinem Nachfolger Fulcher ist ein loses Siegel erhalten
(Schlumberger, Sigil lographie S. 90 nO47; s . unten S. 73). Der Erzbischof Petrus von
Tyrus siegelte seine Urkunden seltsamerweise nicht, wofiir uns die Griinde nicht mehr er-
kennt lich sind (RRH nO37°.375.385 von 1161 bis 1163). Das ist sel tsam, denn berei ts
1151 besai l e r ein S iege l, das er in f remder Sache anhangte (RRH nO266). 1m Jahre
1163/64 fiihrte Erzbischof Friedrich von Tyrus wieder ein Siegel in eigener Sache (RRH
nO393). Als im Jahre 1187 die Barone des Reichs nach der Niederlage bei Hattin den Ge-
nuesen in Tyrus anstelle des Konigs eine Urkunde ausstel lten (RRH n? 659), da erfuhr
das Siegel des Erzbischofs von Tyrus die Auszeichnung, als einziges an diesem Stiick an-
gebracht zu werden, obgleich auch die Erzbischofe von Caesarea und Nazareth anwesend
waren. Das entsprach dem Rang, den sich der Tyrenser inzwischen als der hochste Geist-
liche nach dem Patriarchen erworben hatte,87denn dieser war nicht anwesend und auch in
vielerlei Hinsicht moralisch und politisch kompromittiert.P Derselbe Erzbischof siegelteauch RRH nO691 'Ion 1190, an dem aullerdern noch die Siegel des Erzbischofs von Genua
und des genuesischen Kapitels, dann das des Thronpratendenten und Herrn von Tyrus
Konrad von Montferrat sowie der genuesischen Konsuln und des Genuesen Guido Spinola
hingen.
Interessanter als Tyrus ist Nazareth. Siegelte Bischof Bernhard 1121 in RRH nO97
noch nicht, sodoch in RRH nO106von 1125.Wir glauben nicht fehlzugehen in der Annah-
me, dai l ihm dies zugestanden wurde oder er dieses Recht usurpierte, gerade weil es den
Metropoliten vorbehalten war. Wir haben schon anderswo gezeigt,99 daf Nazareth seit
langem in Auseinandersetzungen mit dem Thaborabt und in Kampfen urn die Unterstel-
lung eines kiinftigen Suffragans in Tiberias auf die erzbischofliche Stellung zustrebte, die
man mit der Translation des alten Erzbistums Scythopolis begri indete. Die Aufnahme
der Siegelung durch den Bischof, der demonstrierbar eben nicht von Anfang an siegelte,
war ein weiterer vorbereitender Schritt auf die erzbischofIiche Wurde hin, und 1125 stand
man schon dicht vor dem Ziel, denn 1128 erscheint Bernhards Nachfolger Wilhelm als
Erzbischof von Nazareth (RRH nO121; das erste erhaltene Erzbischofssiegel stammt von
?em Erzbischof Letardus [1154-1187]; vgl. Schlumberger, Sigillographie S. 96f. nO64ff.).
Ahnli ch mag de r Fal l von Tr ipol is li egen. Urn 1115leg te der Bischof Pont ius dor t eine
seiner. Urkunden noch als Chirograph an OL 6700). Sie war also vermutlich ungesiegelt.
Aber In der ers ten Halfte der vierziger Jahre fiihrte der Bischof Gerald von Tripolis eine
noch lose erhal tene Bleibulle. 1st urn diese Zeit das Bischofssiegel weiter s iidl ich zwar
schon da, so sol lte die Aufnahme der bischoflichen Siegelung in Tripolis vielleicht nicht
ganz isoliert gesehen werden von den Versuchen, diesem Bistum gleichsam archi~pisko-'-
97 Hans Eberhard MAYER, Das Pontifik~le von Tyrus und die Kronung der lateinischen Konige von Jeru-
s alem , DOP 21 (1967) 195 Anm. 241. Seine Bul le i st beschrieben bei CRANDONDE,BRIAILLES Bul le s deI'Orient latin, Syria 27 (1950) 293 nO 12. '
98 Insbesondere wurden wahrend dec Regentschaft Johanns VO~ Ibelin (1205~1210) wichtige aufienpoliti-
sc~e ~okum~nte von .der h~hen Geist lichkeit ges iegelt , nicht vom Regenten, der nach innen hin als Regent
mit semem ergenen ..Siegel ~legel~e(R.RH no 812), d ieses aber im auswartigen Verkehr nicht als Amtssiegel
benutzte und auch uber kein Reicbssiegel verfi igte. Der Heiratskontrakt von 1206 zwischen der Thronerbin
und Peter I I. von Aragon ( s. unt en Anm. 115)wurde von einem anwesenden Kardinallegaten, vom Patriar-
chen von Jerusalem und den Meistern der Templer und Johanniter gesiegelt , und 1207siegelte derErzbischof
Clarem.bald von Tyrus einen Heiratskontrakt zwischen dem Kouig von Zypern und einer der Tochter des
ehemahgen Herrschers von Jerusalem, Heinrich von Champagne (RRH no 823), der s chon sei t 1197 verab-redet war.
8. MAYER, Bistumer S. 89-93.. .~
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
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I,' ,Ii \,
3 0 Hans Ebe rhard Mayer
pale Dignitat zu geben.89a Um dieselbe Zei t wie in Nazareth konnen wir Siegel auch in den
nordsyr ischen Erzbistiimern feststellen . Um 1123 siegelte berei ts der Erzbischof von
Edessa, und zwar mit dem bildlosen Revers, dessen Legende i iber f iinf Zei len ver teilt i st ,
also deutlich nach byzantinischem Vorbild (Schlumberger , Sig illographie S. 99 nO74),
1135f i ihrte der Erzbischof von Mamistra ein Siegel (RRH nO161a), der diese Praxis als
Patriarch von Antiochien bcibehielt.P" und schon ein Jahr zuvor konnen wir beim Erz-
bischofvon Hierapolis ein Siegel feststellen (RRH n? 153a; Schlumberger, Sigillographie
S. 100 nO75).
DaB es sich bei der Aufnahme der bischof lichen Siegelung wahrscheinlich um einen
Einbruch in ein erzbischofliches Vorrecht handelte, zeigt der Vergleich mit wei teren Bis-
tiimern. Das Material ist nicht ganz eindeutig, scheint aber darauf hinzuweisen, daf nach
Nazareth die Bischofe an der Kiiste die Siegelung zuerst aufnahmen, vermutlich wei l ein
Teil ihrer Parochialen eines bisch6flichen Siegels fiir Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit
nicht entbehr en wol lte, auch wenn dies in Akkon ers t 1245 zutage t rit t (RRH n? 1135).
Das vizegrafliche Gericht, das in Akkon sei t 1135 bezeugt ist (RRH n? 155), behandelte
und beurkundete solche Dinge zwar, siegelte damals aber noch nicht, wie wir den Verhalt-
n issen in Jerusalem entnehmen k6nnen (RRH nO 110.111.158). Das erste bischof liche
Siege l, das uns im K6nigre ich Jerusa lem begegne t, ist das des Bischof s von Bairut , das
an RRH n? 144von 1133hing, ohne angekilndig t zusein .l0l Wie die Dinge zuvor in Bairut
gelegen hatten, wo berei ts 1111ein Elekt auf tr it t (RRH n? 69),102ist n icht sicher, da wir
keine fri iheren Bischofsurkunden aus Bai ru t haben. Schon zwei Jahre nach Bairut treffen
wir in Akkon in RRH n? 155 auf ein Bischofssiegel (Schlumberger , Sig illographie S. 101
nO77; hier abgebildet TaL I, Abb. 4). DaB bischof liche Siegel damals noch ungewohnt
waren, erg ib t sich daraus, daB der Bischof von Akkon seine Urkunde auBerdem noch mit
einem eigenhandigen Lothringerkreuz als Handzeichen vollzog.103
AufschluBreich ist der Befund in Rarnla, wo 1099ein Bistum eingerichtet worden war.
Schlumberger (Sigi llographie S. 114 nO109) schreib t dem Bischof Roger 1115 in RRH
nO76b ein Siegel zu, das im 17.Jh . von Amico in der Handschr if t Stadtbiblio thek Palermo
Qq. H. 11nachgezeichnet worden sei . Das wii rde natii rlich eine sehr fri ihe Aufnahme der
••• Ebd. S. 88; RH~HARD,Comte de Tripoli S. 59. Geralds Bulle bei CHANDONDE BRIAILLES,Bulles, Syria
27,291 no 10. Der Beginn seines Pontifikats wird dort falsch mit 1133 angegeben, anderwarts in der Litera-
t ur mi t 1132. Der er st e Na chwei s fi ir Bi schof Ger al d i st J L' 7940 vom Janua r 1139; l et ztmal s i st er " 45 i n .
RRH nc 236 bezeugt , _.
100 Seine Bul len a ls Pat ri ar ch s ind beschrieben und abgebilde t bei CH,\NDON DE BRIA1LLES, Bulles, Syria27,290 nO8f .
101 Heute sind nur noch die Siegellocher vorhanden, aber Paoli zeichnete das Siegel im is.Jh. noch nach;vgl. Sebastiano PAOL I , Codice diplomatico del sacro militare ordine Gerosolimitano di Malta 1 ( 1 73 2 ) Taf
I nc 9; SCHLUMBERGER,Sigillographie S. 106 nO 88.
102 Der urn die se Zei t in RRH no 58auft re tende episcopus Biterrensis i st in der L iter atur gelegentl ic h mit
e inem Bischof von Bai ru t verwechse lt worden. Es hande lt s ic h natur li ch urn den Bischof von Bez ie rs .
103 1mlothringis chen Wappen e rs cheint d ie se s Kreuz mit dem doppe lt en Que rbalken, das zum bekannten
Symbol des Gaull ismus wurde , a ll erdings e rs t s ei t dem IS.Jh . Es wird in der L iter atur oft auch a ls das Pat ri -
a rchenkreuz von Jerusalem bezeichne t. Das i st f re il ic h auch keine ganz zut re ff ende Bezeichnung, denn die
Bul len der Pat ri ar chen zeigen e rs t s ei t Fulcher von Angouleme (1146--1157) das Kreuz mit dem Doppe lbal -
ken, das anscheinend gle ichzei tig m it der griechi schen SiegeUegende (oben S. 12) auftritt (SCHLUMBERGER,
Sigillagraphie S. 75 nO 8bis) und auch beim Kapitel n icht f rt lher varkommt (unten Anm. 112). Zuver zeigten
die Pat ri ar chenbullen e in Kreuz in Form c ines griechi schen Tau, d . h . m it nUT einem, ganz oben aufsitzenden
Querbalken (SCHLUMBERGER,Sigillographie S. 74f.no2~8). Vie! eher laBt sich von der Bulle des johanniter-
mei st ers ei n Boge n zu Jer usal em sc hia gen , d enn von An fang an (s . u nt en S . 35) wi rd h ier d er Mei st er VOT
einem Kreuz mit Doppe!balken abgebildet.
'/, i
1.', ',
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 3 1
bischof lichen Siegelung in Ramla anzeigen. Aber das Sti ick ki indigt kein Siegel an, und
Amico zeichnet in seiner Abschrift fol. 35r (friiher 188r) auch keines nach, und eine andere
Uberlieferung gibt es nicht. Es handelt sich bei Schlumberger, wie seine (alte) Folienzahl
225 ausweist, um eine Verwechslung mit RRH nO190. Der Bischof von Ramla war 1115
noch siegellos und siegelte auch 1136noch nicht (RRH nO165). Ais aber die Bischofe von
Bairu t und Akkon mit der Siegelung begonnen hatten, da lief sich der Inhaber des altesten
lateinischen Bistums im Konigreich auch einen Siegelstempel schneiden, hangte das Siegel
indessen 1138in RRH nO190 nicht allein, sondern zunachst einmal gemeinsam mit dem
des Patriarchen von Jerusalem an seine Urkunde. Seine Urkunde von 1147(RRH nO246)
kiindigt ke in Siege l an, is t aber in jeder Beziehung sehr kurz . Irn Jahre 1160 ha tte sich
das Bi schofssiege l von Ramla so weit emporgearbe itet , daB der Bischof es nunmehr in
RRH nO358in fremder Sache neben dem "minderwertigen" Wachssiegel des ausstellen-
den Abtes von St. Joseph und Habakuk einsetzte. Ebenso benutzte er es in fremder Sache
im se lben Jahr neben demjenigen des Herrn Balduin von' Ramla, das Hugo von Ibe lin
gebrauchte (RRH nO360). In eigener Sache siegelte er jedoch 1170 nicht (RRH n?490).
Hier haben wir , wenn auch i iber mehrere Ponti fikate ver teilt, denselben Befund wie beim
Erzbischof Petrus von Tyrus, daf narnlich das Bischofssiegel bevorzugt fiir den Gebrauch
in fremder Sache angehangt wird, und das bestark t uns inder Vermutung, daB der Beginn
de~ bischoflichen Siegelung in den Hafenstadten auf die Bediirfnisse des Wirtschaftsle-
bens dor t zur iickging, rechtlich gesehen aber einen Einbruch in ein Vorrecht der Erzbi -
schofe bedeutete. Das wii rde erklaren, warum der Bischof von Akkon zusatzlich noch sein
Handzeichen anbrachte und warum der Bischof von Rarnla in eigener Sache anf llnglich
allenfalls gemeinsam mit dem Patriarchen und allein nur in fremder Sache siegelte. Die
Erzbischofe konnten gegen den Gebrauch eines Bischofssiegels in fremder Sache wenig
einwenden, da sie selbst natiirlich diese Einnahmequelle fiir ihre Siegel auch haben wollten
und sie deshalb zogern muBten, die Glaubwi irdigkei t eines Bischofssiegels in fremder
Sache zu bestrei ten, wei l sie sonst Ri ickwirkungen auf die Glaubwi irdigkei t des eigenen
Siegels zu bef ii rchten gehabt hatten. In fremder Sache entging ihnen an Einnahmen kaum
etwas, wenn sie die Siegelf iihrung der Suffragane duldeten, wei l f ii r den Parochialen der
Gang zum Diozesan naher und auch na tiirl icher war a ls zum Metropol iten. Ihm in Ur -
kundendingen den Weg zum Diozesanbischof zu versperren, mit dem er auch in vie len
ander en kir chl ichen Sachen zu tun ha tte, ha tte noch kei nen Einwohner von Akkon und
Bairu t dazu gebracht, deshalb nach Tyrus zu gehen, um sich dor t das crzbischofllche Sie-
I;el zu holen. Wo die Diozesane aber in eigener Sache siegelten, da brachten sie anfanglich
zusatzliche Beglaubigungsmittel an, so daB ein Einschreiten der Metropolitane gegen das
Bischofssiegel die Urkunden nicht hatte kraftlos werden lassen. Da das Siegel an RRH
nv 144des Bischofs von Bairu t von 1133zwar hing, aber nicht angekiindig t war , mag man
in diesem Fall davon ausgegangen sein, daB die Urkunde, die keine anderen Beglaubi -
gungsmi ttel hat, wenn sie auch viel Wert auf die Vielsei tigkei t ihrer Zeugenliste legt, not-
falls auch ohne das Siegel beweiskraftig sein werde, so wie es bei den fri ihen Urkunden
. , der Bischof e von Ramla und Nazare th IllS, 1121 und 1136 der Fal l war . In Sidon und
Tiberias sind Bischofssiegel 1170 und 1174 festzustellen (RRH nO475.515), ohne daB
diesem Befund etwas abzugewinnen ware, weil wir aus friiherer Zeit dort keine erhaltenen
Bischofsurkunden haben. Ebenso verhalt essich in Bethlehem, 'no wir dem ersten Bischofs-
s iegel 1163-1168 in RRH nO393a begegnen, und in Hebron, wo es, wenn wir uns bei der
Durchsicht n icht gei rr t haben, erst 1253in RRH nO1207auftaucht. Wichtiger i st die Ent-
haltsamkei t des Bischofs von Ramla, die der Haltung von Akkon und erst recht von Naza-
reth ihre Bedeutung zukommen iaBt. Ubrigens hat auch der Bischof von Akkon anfangs
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
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nicht durchgehend gesiegelt, denn RRH n?435 von 1167war ungesiegelt, nachdem RRH
n? 180 von 1138 besiegelt gewesen war , und RRH nO532, ein Vergleich zwischen dem
Bischof von Akkon und den Johannitern von 1175, war zwar besiegelt, aber nur mit einem
(heute verlorenen) Siegel. Wahrscheinlich handelte es sich urn das bischofliche Siegel, denn
vermutlich hatte man gleichlautende Urkunden ausgestellt, von denen jeder Vertragspart-
ner die vom anderen besiegelte Fassung erhielt, und RRH nO532ist uber das Johanniter-
archiv iiberliefert. RRH nO771von 1200ist dann wieder zweifelsfrei besiegelt.
Es ware interessant, d ie Gegenprobe bei rn Thaborabt zu machen, der sich ja mit Naza-
reth urn die erzbischofliche Wiirde in Galilaea str it t und mit JL. 5948dafur einen papst-
lichen Rechtstitel besaB. Sowei t wir sehen, siegelte der Thaborabt von Anfang an, denn
schon seine Urkunde RRH nO277 von 11S2trug im 18.Jh.104sein Siegel, auch wenn es
nicht angckundigt wird, und gleichfalls besiegelt war RRH n? 871 von 1214, wahrend
RRH nO530von 1175unbesiegelt b lieb , essei denn der Abt habe wiederum ohne Ankun-digung gesiegelt . Mi t dem Ende des Klosters war natii rlich auch das des kloster lichcn
Siegels verbunden, denn als die Johanni ter 1256 nach der Inkorporation des Thabor in
den Orden drei ehemalige Monche dazu bewogen, dem Papst zu dieser Handlung zu gra-
tulieren, da muBten sie, qwmiam sigillum proprium non habemus, die Abte vorn Zions-
berg und von St. Samuel in Akkon bemiihen (RRH nv 1249). Fur die Frage, die uns hier
interessier t, g ib t aber der Befund beim Thabor nichts Entscheidendes her , wei l das Abt-
siegel erst 1152auftri tt . Das ist n icht nur fur die Auseinandersetzungen urn den Metropo-
litansi tz in Galilaea zu spat, sondern es kommt noch hinzu, daf nach der Jahrhunder t-
mitte das Siegel schon wei th in bei Klostern und Sti ften festzustellen ist: Bethanien 1157
(RRH n? 327; nicht angekiindig t, aber im 18.Jh. noch erhalten; Schlumberger, Sig illo-
graphic S. 122nO130),St. Joseph und Habakuk 1160(RRH nO358; anscheinend erst sei t
kur zem in Gebrauch, da ese in Wachss iege l war und der Diozesan in Ramla in fr emder
Sache mitsiegelte), Abt Gaufr id vom Templum Domini 1137-1160 in einer unedier ten
und undatierten Urkunde (RRH n? 173b; Stadtbiblio thek Palermo Ms. Qq. H.ll, fol. 70"
[fruher 223r Siegelnachzeichnung Amicos; h ier abgebildet Taf. I , Abb. 5) ohne Siegel-
ankundigung, Josaphat 1163-1168 (RRH nO393a), Zionsberg 1176 (RRH nO536). Ohne
Siegel b lieben bis 1163das Chorherrenstif t Hebron (RRH nO379), b is um 1164das grie-
chische Kloster von St. Sabas (RRH nv 409) und b is um 1171 das St ift auf dem Olberg
(RRH n? 492). Be i S. Maria La tina fi nden wir wegen des Verlustes des Archivs e ine
Bleibul le er stmals in RRH no' 1067 von 1235, dann wieder in RRH nO 1093 von 1239,
einem Vidimus von RRH nO129a von ca. 1240, sodann in RRH nO1164.1356 von 1248
und 1267(Schlumberger, Sigillographie S. 123 nO134), obgleich vermutlich schon friiherein Siegel benutzt wurde. Auch im Antiochenischen begegnen in dieser Zeit schon kloster-
liche Siegel, wenn auch das Mater ial dor t so ger ing ist, daB man daraus i iberhaupt keine
Schlusse ziehen kann. Der Abt von St. Georg im Schwarzen Gebirge hatte 1160ein Siegel
(RRH n? 348) , de r Abt von St . Paul in Ant iochia 1167 (RRH n? 429; beschri eben bei
Chandon de Briailles, Syr ia 27,292 no 11). Der Abt von Jubin f iihr te 1214eine Bulle, die
e r in ganz ungewohnl icher Weise mit der des Pa tr ia rchen von Ant iochi a zu sammen an
eine Urkunde des Patriarchen hangte, die sein eigenes Kloster dem Zisterzienserorden
eingliederte.l'" Generell gilt natiirlich, daB die angefiihrten Faile der Nichtbesiegelung
aufschluLlreicher sind als die Beispiele fur Klostersiegel, denn die vorgefiihrten Siegel sind
zugleich auch die fruhesten erhaltenen Urkunden der betreffenden Abte, Prioren und Abtis-
32 I"
. .. ., , . " .' : :, ; ., .. . " ". ,' , , ( .) \\ ,' ; Ii . .. \/\ . . . .. ,~ i ' i _ ( ( ( ' < / ; : ~ ; '>{i,~\ /. tt j) ;/ \\ I) ./") ' \" '. \ } < . : : : ~i . / y ; { t ' " . , . < ,,:\\~)tl:-';< \'1\.~''l1~!''-· .".I.i , "I..,'.,S., '.,.
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10' PAOLI, Cod. dipl. di Malta I, 204 nc 160; SCHLUMBERGER, Sigillographie S. 127 no 143.
105 Jean RICHARD, L'abbaye cistercienne de Jubin et Ie prieure Saint-Blaise de Nicosie, ' E r r e : ' t ' 7 ) . p l c ; ; 'TOO
XivTPOUE'''''TllflOVt''(;;v ' E p E U V W V 3 ( 1<Pr70 ) 67.
. v , ,.
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 33
sinnen, sodaB fiir die vorangegangene Zeit daraus kaum Riickschhisse moglich sind, auBer
daB urn 1160das Kloster- und das Sti ftssiegel da sind.
Eine Ausnahme bildet nur das Chorherrenstif t vom HI. Grabe, wo der Prior im selben
Jahre 1129 sich zuerst noch des Siegels des Patriarchen bediente, dann aber eine eigene
Sti ftsbul1e fuhrte (RRH nO128.129). Das wird nicht nur damit zusarnmenhangen, daB
wir hier noch das Chartular haben, also ein reichlicheres Quellenmaterial, sondern auch
mit dem besonderen Ehrenrang dieses Sti ftes, dessen Vorsteher in Bedrangnis ger iet, als
sich die anderen Prioren der Hauptstadt allmahlich zu Abten aufschwangen, was man an
der Domkir che of fenbar n icht zulassen wol lte. Der Pr ior l ie ll sich desha lb vom Paps t
Alexander III. beurkunden, daB er nach den Erzbischofen und Bischofen unter den Abten
und Prioren weiterhin den ersten Platz einnehme, auch wenn andere Prioren den Abtstitel
erh ielten (JL. 13524). Da der Prior also eine fast b ischofsartige Stellung hatte, die er in
Jaffa tatsachlich einnahm,l06 ist es nicht erstaunlich , daB er fri iher siegelte als andere
Pr ioren und Abte. Und man erkennt nun auch , warum man den Bischof en von Bai rut
und Akkon das Siegeln 1133/1135 nicht verweigern konnte, wenn ein ihnen im Range
Nachgeordneter bereits ein Siegel fuhrte. In RRH nv 133von 1130benutzte der Prior der
Grabeskirche neben dem eigenen Priorensiegel (das vom Konventssiegel verschieden war
[vgl. Schlumberger, Sigillographie S. 134ff.; hier abgebildet Taf. I, Abb. 6f.]) wieder das
Siegel des Patriarchen, worauf der Ernpfanger bestanden haben mag, urn auch diesen an
die Urkunde zu binden, die fur den Empfanger von besonderer Wichtigkei t war .107Dann
kommt eine ungewohnliche Epoche, denn RRH nO146.199 sind zwei Urkunden des Priors
Petrus von 1133und 1140, die unbesiegelt sind. Petrus siegelte allein (und hier geht es uns
zunachst nur urn allein gesiegelte Stucke) erst wieder 1142und 1144 in RRH nO209.223,
sein Nachfolger Amalrich 1151in RRH nO267. 1mersten Faile wurde ein Stiftssiegel ver-
wendet, in den zwei anderen Fallen ein Priorensiegel. Aber in RRH nO271aus derselben
Zei t war die Siegelser ie schon wieder zuende, und die Reihe der Priorenurkunden lauft
dann siegellos weiter bis 1160(RRH nO34°.343.345.346.349). Erst 1175 taucht in eigener
Sache das Stif tss iege l wieder auf (RRH n? 529; Schlumberger, S igil log raphie S. 134
nO163).in fremder Sache in RRH nO656 von 1186und in RRH nO879 von 1215. An einer
undatierten , aber vermutlich gleichzei tigen Abschri ft einer Urkunde von 1221 (RRH
nO945)108hing in fremder Sache das Wachssiegel des Priors (Taf. I , Abb. 8), auch wenn
es nicht angekundigt i st ,109und ebenso siegelte der Prior mit seinem eigenen Siegel in
Wachs und in fremder Sache RRH nO973.981 'von 1225 und 1227·Das heiBt: Sei t 1130
haben die Prioren des HI. Grabes zunachst nur zweimal allein in eigener Sache gesiegelt
(RRH no223.267), dann bis 1160in eigener Sache sechsmal gar nicht. Von 1175an habensie bei Alleinsiegelung wieder das Sti ftssiegel benutzt, einmal in eigener Sache (RRH nO
529), danach nur noch in fremder Sache.llC
",;
.---------.~------.-----~-----------
106 MAYER, Bistumer S. 16--21, 125 , 127 .
, ., Ebd. S. 284ff. I
, ., Zu dem Inhal t d ieser Urkunde s . Jonathan RILEy-SMITH,The Knights of S t. John in Jerusal em und
Cyprus c . 1050-1310 (AHistory of the Order of t he Hospit al of S t. John of Jerusalem " 1967) S. 406 ff .
108 Aulierdem hangt noch das Siegel eines der Vertragspartner an der Abschrift, obgleich es nieht dort,
sondern nUT in dem verlorenen Original angckundigt war.
110Wir brechen auch hier mit dem Kreuzzug Kaiser Friedrichs II . ab, der den Zerfall der Regierungskon-
trolle einleitete und damit der weiteren Ausbreitung des Siegels den Weg bereitete. Nicht das Siegel wurde
. ',- ':anscheinend im 13.Jh. kontrolliert, sondern, wenn uberhaupt etwas, die Formel, mit der es angektlndigt
i wurde; s . unten S.68. WiTweisen aber wenigstens hin auf RRH nO 1361von 1268 (Wachssiegel des Priors
und seelgenerau des Stifts) und auf RRH nO1363von 126<)(Stiftssiegel; vgl. SCHLUMBERGER. Sigillographie
S. 135 nO166)hin, beide in fremder Sache.
3 Ak. -Abh. phl k-hi sr . 83: Mayer , Das S iege lwes en
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
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lung des Priors (d. h. ohne den Patriarchen) in fremder Sache sind ~~ei, . in denc:n e~aus-
driicklich als Vikar des Patriarchen handelte, also dann selbstverstandhch allein siegeln
konnte (RRH nO973.981). .
Damit haben wir, ausgehend von der Aufnahme der Besiegelung durch den Bischof
von Nazareth, die geistlichen Siegel im wesentlichen abgeschritten, soweit das Material
uns dies erlaubt und die Befunde von his torischem Interesse sind. Die Siegel der geist-
lichen Ritterorden haben schon ihre Darstellungen gefunden, weil bei ihnen von den euro-
paischen Besitzungen her mehr Material vorhanden ist.113 ~ie set zen im HI. Land auc.h
nicht fri iher ein als die Siegel der Bischofe, die Templer mit RRH nO252 von 1148, die
Johanniter mit RRH n? 329 von 1157. Dieses Stuck fal lt gerade noch in die Amtszei t des
Meis ter s Ra imund Du Puy (1120-1158/60), von dem auch eine lose Bulle e rha lt en ist
(Schlumberger, Sigillographie S. 232nO165). Nach Paoli h~ngdiese ~~lle. auch an R~H
nO150 von 1134,was gewiBein Irrtum ist , da dort nur das Siegel der F~Sh~-~ut~er Ah.ce
von Antiochia angekiindigt wird (s. oben S. 22) und auch nur Locher fur em emziges Sie-
gel am Original sind. Eine Konventsbulle erscheint erst 1239in RRH nO109i.Die alteste
erhaltene Bleibulle der Templer ist diejenige, die der Meister Bertrand von Blanchefort
an RRH nO446 von 1167hangte (Taf. I, Abb. 9f. );11' die Urkunde ist zugleich der ers te
Nachweis fiir Templergut in Deutschland. Der Avers zeigt zwei auf einem Pferd sitzende
Rit ter mit der Umschrift + SIGILLVM MILITVM, wahrend auf dem Revers das
Templum Salomonis als Kuppelbau zu sehen ist mit der Legende + XRISTI DE TEM-
PLO. Aus dem HI. Land selbst haben wir nach der Ankiindigung eines Templersiegels
in RRH nO252(also eines Konventssiegels, wahrscheinlich einer bleiernen Ko~ventsbulle~
iiberhaupt keine Bleibulle der Templer bis zu RRH nO949 von 1221 (Nachzeichnung bel
34 Hans Ebe rhard Mayer
Bei diesem Befund ist zunachst zu beriicksichtigen, daf die Chartulare des Stiftes nur
noch wenige St ii cke aus dem 13.Jh . entha lt en . Die Urkunde des Konigs Pet er I I. von
Aragon von 1250spanischer Ara = A. D. 1212,111die nur im Chartular A steht und irn
Char tu la r B feh lt , ha lt en wir f ii r einen Nacht rag wie auch die anderen Stucke aus dem
Beginn des 13.]h., die in B fehlen, und wie insbesondere RRH nO1129 aus der Zeit von
ca. 1240oder kurz danach, das auf der Riickseite des Vorsatzblattes von A nachgetragen
ist . Auch war durch die Vertreibung aus Jerusalem 1187, den Vertrag Friedrichs II. mit
dem Sultan 1229 und die neuerliche Vertreibung von 1244der Stiftsbesitz im HI. Lande
derart dezimiert , daf er von vorneherein viel weniger Urkundengeschaft des Priors er-
forderte als im 12.]h. Und was das Siegeln in fremder Sache anging, sobestand in Akkon
im 13.Jh. eine derartige Konzentration von slegelfahigen Pralaten, daB man sich, wollte
man ein glaubwiirdiges geistliches Siegel, hoherstehende Siegelfiihrer aussuchen konnte;
den Patriarchen, Erzbischofe, Bischofe oder wenigstens einen Abt. Das eintragliche Vidi-
mierungsgeschaft wurde in der Hierarchie eigentlich erst vom Abt an aufwarts ausgeubt,
abgesehen natiirlich von den Archidiakonen als den ersten bischOflichen Verwaltungsbe-
amten. Der geist liche Vorrang des Priors vom HI. Grabe mufste s ich in eine Leerformel
verwandeln, wenn dahinter kein grofler Besitz im HI. Lande stand und vor allem der Prio-
rentitel im Laufe der Zeit in der allgemeinen Geltung immer starker hinter der Abtswiirde
zuriickgebl ieben war. Vielleicht hangt es damit zusammen, daB sich der Prior ]. vom
HI. Grab urn 1250zweimal als abbas s. Sepulchri bezeichnet hat, als er zusammen mit dem
Archidiakon von Akkon vidimierte (RRH nO100.423).
Aber all das kann die Zuriickdrangung, ja streckenweise geradezu das Verschwinden
des Stifts- und Priorensiegeis vom HI. Grabe in einer Zeit der Siegelausbrei tung doch
nur tei lweise erklaren. Wir s tollen namlich schon in der ers ten Halfte des 12.Jh. auf Be-
funde, die den Schluf nahelegen, eshabe zwischen dem Patriarchen und dem Prior Aus-
einandersetzungen urn die Siegelfrage gegeben und der Patriarch habe ein Kontrollrecht
beansprucht . Derselbe Prior Petrus, der ers t gegen das Ende seiner Amtszei t in RRH nO
223 allein mit dem Priorensiegel siegelt, besaB dennoch fruher das Stiftssiegel, das schon
sein Vorganger Wilhelm II. gefiihrt hat te , aber er durfte es offenbar nur neben dem des
Patriarchen einsetzen, denn RRH nO152ist eine Urkunde des Patriarchen von 1134, die
mit dessen und mit dem Stiftss iegel geziert war, und mit RRH nO170 von 1137 verhalt
es s ich ebenso, denn trotz nur einer Siegelankiindigung war es zweifach gesiegelt , und
wenn auch nur das Patriarchensiegel erhal ten ist ,so ist doch zu verrnuten, daf das andere
das Siegel des Stifts war, dessen Konsens irn Text festgehalten ist. Dieses Arrangement
b lieb kein Einzel fall , denn 1172 hangten der Pa tr ia rch sein eigenes und de r Pr ior das
Stiftssiegel neben das Konigssiegel an eine Schenkung, die Heinrich der Lowe der Grabes-
kirche fur die Lichter machte.P" Und unter den angefiihrten Fal len von alleiniger Siege-
I~,
I!
111 Eugene DEROZIERE, Cartula ire de I 'eglise du Saint-Sepulcre de Jerusalem (1849) s. 317 nO179.112 RRH no 494; MG DHdL nO94; SCHLUMBERGER,Sigil lographie S . 135 nc 165. E in gemeinsam vom
Patriarchen Eraclius und vomPrior Petrus II. vomHI. Grab verfaBter Originalbrief (RRH rio623; SCHLUM-
BERGER, Sigil lographie S . 77no 12; Taf . I nO9; A llgeme ines Sta at sa rchiv Munchen, KU Scheyern nO10)aus
der Zei t urn 1180, indem Konrad von Dachau gernahnt w ird, d ie von e iner dem Pat ri ar chen bekannten Per -
son aus der Umgebung seine s Vater s ent fr emde te Rel iquie des hI. Kreuzes zuruckzugeben und fur die Re-
l iquie e ine Kirche (Klos te r Scheyern) zu s ti ft en , i st bes iege lt mi t der normaJen Ble ibul le des Pat ri ar chen
( Taf. I ), Abb. 1f.). Es ist e in Irrtum SCHLUMBERGERS,Sigil lographie S . 135 no164; Taf . V no6 und 9,wenn
e r die se s Stuck auch mit der Kapitel sbul le bes iege lt s ein la6t. D ie se hangt vie lmehr an e inem zuvcr unter a ll -
gemeine r Adres se e rgangenen Brief des Pat ri ar chen Fulcher und des Prior s Ama lr ic h (RRH nc 317; A llge -
mei nes St aa ts ar ch iv Munc hen , KU Scheyer n no9 ; T af. I, Abb. 6 f. ), i n d em mi tg et ei lt wi rd , d af man au s
ver schiedensten Rel iquien e in Kreuz herge stel lt und die se s m it e iner Par tike l des hl. Kreuzes geschmuckt ..; ; I
Ii-'
Ii
,',
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 3 5
hat 50 daB die kranken und a rmen Glaubigen s ich die Wal lf ahrt nach Jerusalem e rspa ren und ihre Gaben
in Deuts chland darbr ingen konnen. Es hande lt s ic h auch hie r urn die heutige Schey re r Kreuzpa rt ikel . Das
Mif3yerstan~is hinsichtlich der Besiegelung des zweiten Briefes dilrf te aus Unkenntnis der ja bekanntlich
auBerordent li ch sel te nen Origina lbri ef e des 12. Jh . zu e rkla ren sein. D ie Bul le des Pat ri ar chen i st m it ihr er
Hanfschnur in zwe i Siegedocber e ingehangt, d ie s ich in der Mit te des r echten Rande s bef inden. Am obe ren
und unter enDr it te l d ie se s Rande s s ind abe r nochmals je zwe i Siege lloche r e rkennbar , von denen aus das I,"
Pergament jewei ls b is zum Rande hin e inge ri ss en i st . Man konnte bei vor schnel le r B~t ra ch:ung denken,
daB hier zwei weitere Siegel hingen, yon denen eines das KapiteIssiegel, das andere das Priorensiegel gewesen I
sein kcnnte. Der Anordnung ent spre chen abe r auch am l inken Rand dre ima l je zwe i Siege lloche r, d ie zum
Rand bin e inge ri ss en s ind. Fal te t man den Brief in der r ic ht igen Weise auf d~eGr~6e e iner . mi tt le ren Brief -"
marke (ca .' 3 ,5 X 2,5 em) zusammen, so s ind a ll e s echsma l zwe i Siege lloche r ube remanderhege lld und dek-' . . ' ,
kungsgleich , und ebenso die f tinfma I je zwe i E inri ss e zum Rand. Es i st a lso ga?z deutl ic h, daf d~s Stuck nur 'm it e iner e inzigen Bul le bes iege lt war , d ie a ls Ver schluBsiegel d iente. Bei der Offnung r iB man die Schnur an I
funf Ste ll en aus dem Pergament , das man nur an e iner Ste ll e unver le tz t l ieB, urn die Bul lenschnur mi t der
Bul le an dem Stuck zu e rhal te n.111 Edwin J . KING, The Sea ls of the Order of St. John of Jerusalem (1932); Joseph DELAVILLELEROULX,
Note sur les s ce aux de l 'Ordre de St. -J ean de Je rusa lem a Malte , Memoires de la Societe nationale des Anti-
qua ir es de France Se ser , 1 (1880) 52-8S; Louis DE MAS-LAT'IE, Lettre a M. Beugnot s ur . les s ce aux de
l 'O rdre duTemple e t sur leTemple de Jerusalem , Bibliotheque de rEcole desChar te s 9 (= 2esa. 4 , 1847/48)'
385-404. S. KEKULEVONSTRADONITZ,Uber die fruhesten Siegel des Ordens der Tempelherren, Der Deut-
sche Herold 58 (1928) 108. F. A. VOSSBERG,Geschichte der preuOischen Mtlnzen und Siegel von friihester
Zei t b is zum Ende der Her rs chaf t des Deuts chen Ordens lSdj). Bernhard SCHMID,Die Siegel des Deutschen
Ordens in PreuOen, A ltpreuOische For schungen 14(1937) 179-186; 15(1938) 63-75·
11& Das Datum berichtigt bei Marie Luise BULST-THIELE, Sacrae dornus Templi Hierosolymitani magistr i
(Abhandlungen der Akademie der Wis senschaf ten in Got tingen. Phi lo logi sch-hi stor is che Kla sse 3· Folge
86,1974) S . 74. Zu dem noch e rhaI tenenOrigina l, indem esurn Bes it z bei Dachau geht, vgL K.H . MISTELE,
Zur Geschichte des Templerordens in Suddeut schland, Mit te ilungen fur die Archivpflege in Bayern, Son-
d er hef t 5 ( 1967 ) 20; Abbi ldung der Bu ll e b ei BULsTTaf . 1n ach S. 416 .
(~ . . . .
a
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http://slidepdf.com/reader/full/hemayer-das-siegelwesen-in-den-kreuzfahrerstaaten-1978 19/55
. " , '
Hans Eberhard Mayer
Paoli , Cod. d ip!' d i Malt a Ta f. 5 nO51)und zu den Anki indigungen in RRH nO740a .
1269·1269a von 1198 und 1258. Zwar trug wahrseheinl ieh schon RRH nO572von 1179
ein Siegel des Templer- und des Johannitermeisters oder ihrer Konvente, denn es sind die
Siegel des Konigs von Jerusalem, des Fiirsten von Antioehia und des Grafen von Tripolis
angekiindigt, aber an der Urkunde finden sieh Siegellocher fiir fiinf Siegel, so daB es sieh
hier wegen der drei Siegel in fremder Saehe gut urn Wachssiegel der Meister gehandelt
haben kann. Ahnlich steht es mit einem anderen Vergleich zwischen Templern und Johan-
nitern (RRH nO1062von 1235), wo auBer den Siegeln (Wachssiegeln?) der beiden Parteien
noch die Siegel des Erzbischofs von Nazareth, des Bischofs von Akkon und des Konstab-
lers des Konigreichs Jerusalem angekiindigt werden. Es ist angesichts dieses Befundes
wie auch der oben erwiihnten Bleibulle des Konvents allenfalls am abendliindischen Ma-
terial prufbar, ob die Templermeis ter im 12.Jh. eigene, auf ihren Namen lautende Blei-
bullen besaBen wie der Johannitermeister, denn in RRH nO740a von 1198wird zwar eine
Bleibul le angekiindigt, aber es fehlt in der Kopie Amicos die Nachzeichnung, so daB es
sicl. auch urn die Konventsbulle gehandelt haben kann. Ein personliches Siegel des Temp-
lermeisters ist, soweit jedenfalls wir das bei den Ritterorden ja sehr weit gestreute Material
iiberblicken, erstmals 1206nachzuweisen, als Maria la Marquise dem Konig Peter II. von
Aragon die Ehe anbot ,n6 denn dort kiindigt der Meis ter sigillum meum an; daB es aus
Wachs war , er fahren wir aus RRH nO1039 von 1232. Der Wortlaut von RRH nO1413
von 1277, wo ausdriicklich eine Bleibul le des Templermeis ters angekiindigt wird, l iiBt
allerdings vermuten, daB auBer dem Wachssiegel des Meisters, wie es sich als Riicksiegel
zum Wachssiegel des Ordens an RRH nO1466von 1286findet (Schlumberger, Sigillogra-
phie S. 247 nO241), auch eine von der Konventsbulle verschiedene Bleibulle des Templer-
meisters existierte. Auf einen solchen Sachverhalt liiBt moglicherweise auch RRH n? 1335
von 1264 schlieBen, das besiegelt war appensione bulle nostre (scil. des Templermeisters)
etcum tuba. Tuba kann, muB aber nicht etwas anderes sein als die angekiindigte Bleibulle
des Meisters. Erstmals tritt der Ausdruck auf in RRH n? 1201, das zu 1259gehort und wo
es heiBt: seeler de nostre bole deplumb de la tube. Der Ausdruck ist nicht weiter zu verfol-
gen, weil seit der Mitte des 13.Jh. fur die Konventsbulle eine andere Formel von den dreiz
coins generals aufkam (s. unten S. 71), aber schon Mas-Latrie-P hat gezeigt , daB unter
tuba nichts anderes zu verstehen ist als die auf dem Siegel abgebildete Kuppel des Tem-
plum Salomon is, aber er bringt als Beispiel dafii r sowohl ein Wachssiegel von 1255 aus
dem Pariser Nationalarchiv (J 198, B nO 100) mit den bekannten zwei Rit tern und der
Umschrift SIGILLVM MILITVM XRISTI wie ein Wachssiegel mit der Abbildungdes Templum Salomonis und der Legende: S' TVBE TEMPLI XPI, die beide an der-
selben Urkunde hiingen.u7 Beim Deutschen Orden begegnen wir einem Konventssiegel
Illt Johannes VINCKE, DerEheprozeB Peters II. vonAragon, in: Gesammelte Aufsatze zur Kulturgeschichte
Spaniens 5 (Spanische Forschungen der Corresgesel lschaft Reihe 1 Bd. 5, 1935) S. 164ff .
111MAS-LURIE, Lettre, BECh 9, 385-404.
1.. Ta f II , Abb. 11, 12. Louis DOUET d'ARCQ, Collection de sceaux 3 (Archives de I'Empire. Inventaires
et documents, 1868) 242nv9862 der allerdings nur das zweite Siegel beschreibt. Esist cine unbewiesene An-
nahme von MAS-LATRIE, Lettre, BECh 9.398 , daf es s i ch beim ers ten Siegel urn das des Meis ters , beim
zweiten urn das des Konvents gehandelt habe, denn die Konventsbulle von 1221 (RRH no949) zeigt beide
Bilder auf Vorder- und Ruckseite, ohne allerdings das Wort tuba zu benut zen. Ebensowenig kann die An-
sicht von Natalis DEWAILLY,Elements de palecgraphie 2(1838) 239iiberzeugen, eshandle sich beidem einen
Wachssiegel mit der tuba von 1255urn das Konventssiegel, bei dem anderen mit den zwei Rit tern urn das des
P rior s von Frankr ei ch, da dasj enige mit den zwei Ri tt er n ber ei ts vom Meist er des Gesamtordens in RRH
nO 446von 1167 verwendet wurde (5. oben S. 35). Der Prior von Frankreich siegelte eine Urkunde von 1214
miteinem Wachssiegel , das einen Rundbau zeigte, mit der Legende: + MIL' TEMPLI SAL' und als Ruck-
)1 I
. .
."
I,tia'
II
I
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 37
erstmals 1230, als der GroBkomtur Haimo stellvertretend fiir den Meister Hermann von
Salza urkundet e (RRH nO1021); daB es aus Blei war, er fahren wi r aus RRH nO1093.
1120.1121 von 1239 und 1244. Die Bulle durfte im Typ derjenigen entsprochen haben, die
VoBberg und Schmid118 aus einer 1289in Akkon ausgestellten Urkunde im Stadtarchiv
Liibeck abgebildet haben, aueh wenn die Konventsbul le , die bald ganz auBer Gebrauch
kam, damals berei ts in Wachs ausgedriickt wurde, nieht mehr in Blei .118Auf dem Avers
zeigt dieses Siegel eine Biis te der Madonna mit dem Kind. Die Madonna hal t in der rech-
ten Hand ein Lil ienszepter, das Kind segnet mit der einen Hand und hal t in der anderen
den Globus. Die Legende lautet: + S' HOSPITALIS SANCTE MARIE. Der Revers
zeigt eine Fuf3waschung und die Legende: +DOMVS TEVTONICORVM IERLM.
Dagegen gehort das Hochmeistersiegel ganz in die Geschichte des Wachssiegels (s. unten
S.77f.). Die weitere Verbreitung derSiegelfiihrung in die unteren Bereiehe der Geistlichkeitwollen wir hier nicht nachzeichnen; s ie ist nur von rein sphragist ischem, nicht aber von
historischem Interesse, da sie von der Norm in Europa nicht abweicht.
Gehen wir nun zu den weltl ichen Siegeln im Konigreich Jerusalem ilber, so ist zu den
Konigssiegeln des 12.Jh. nichts weiter auszufiihren. Von den Koniginnen von Jerusalem
fiihrte die Konigin Melisendis sei t RRH nO256 von 1149ein eigenes Bleis iegel, das s ie
aber in RRH nO262von 1150mit demjenigen ihres Sohnes Balduin III. tei len muBte.lIlo
Von dessen Gemahlin, der aus Byzanz geholten Konigin Theodora, war bis vor noch nicht
langer Zeit eine lose Bleibulle im Besitz von Howland Shaw, der wahrend des zweiten
Weltkrieges Leiter der Personalabteilung des WeiBen Hauses in Washington war. Diese
Bulle war 1928 in Istanbul aufgetaucht und ist heute verschollen.l '" Ob auch die weiteren
Koniginnen von Jerusalem im 12.Jh., Maria Komnena und Isabella I., Siegel gefiihrt
haben, wissen wir nicht . Uber das Siegel Isabellas II. s iehe unten S. 85.
s iegel e in Sekrets iegel hat te , d as einen Abraxas zeigt e mit der Urnschri ft : + SECRETVM TEMPLI
(DOUETd'ARCQ, Collection des sceaux 3, 241 nO9860).
118 VOSSBERG,PreuBische Miinzen u. Siegel Taf. I nO4; SCHMID,Siegel, AltpreuB. Forsch. 14, 181, Ab-
bild. Taf. 2 nO1.
lUStadtarchiv Lubeck, Signatur Mecklenburgica nO30. SCHLUMBERGER,Sigil lographie S. 251 nO259
bezeichnet das Siegel falschlich als Bleibulle. Es wird als Bulle des Kapitels angekiindigt, ist aber aus Wachs.
Es handelt s ich also urn den Typ des sogenannten "Miinzsiegels" (vgl. Wilhelm EBBEN,Siegelkunde [19141
S. 89), bei dem mittels zweier verschiedener , jedoch gleich groBer Stempel ein d,oppelseit iges Wachssiegel
hergestel lt wurde. Die Ableitung aus der Bleibulle, die stets ein doppeltes Bild hatte, l iegt auf der Hand. Die
Gewohnheiten des Deutschen Ordens § 18a, cd. Max P'RLBACH, Die Statuten des Deutschen Ordens (1890)S. 102f. sehen eine besonders sorgfal tige Aufbewahrung der Kapitelsbulle (d. h. des Bullenstempels) in einer
Ki st e vor , zu der d ie d rei nur gemeinsam offnenden Schli issel in der Verwahrung des Meisters, des GroB-
komturs und des Tress lers waren. Nach dem Fal l Akkons 1291gab esdurch ander thalb Jahrhundert e hin-
durch keine Kapitelsbulle mehr, sondern der Orden als Korporation siegelte mit dem Siegel des preuBischen
Landmeisters, spater mit dem groBen Hochmeistersiegel. Die Griinde fur dieses Aufhoren des Kapitelssiegels
sind ungeklart , ebenso fur sein Wiederauftauchen. Seit 1451 werden wichtige Staatsvertrage des Ordens
bisweilen wieder mit einem Konventssiegel besiegelt (SCHMID,Siegel , AltpreuB. Forsch. 14, 182; Abbild.
Taf. 2 nO2),das wiederum ein Miinzsiegel aus Wachs war und sichvon der alten Kapiteisbulle auf dem Avers
i iberhaupt nicht , auf dem Revers nur ganz geringfiigig (IlIRLM statt IERLM) unterschied.
120 Zu den Details und ihrer Erklarung s. MAYER.Queen Melisende, DOP 26, 139ff . Die Doppelbesiege-
lung war ein Indiz fur den bereits sei t Iangerer Zeit in Gang befindlichen Zerfall des Reiches, dem erst indem
kurzen Biirgerkrieg von 1152gesteuert wurde. Eine andere Art , s ich von beiden Parteien mit Urkunden be-
dienen zu lassen, sehen wir in RRH no 258.259, die beide dieselbe Angelegenheit betreffen, von denen aber
die erste von Balduin III ., die zweite von Melisendis ausgestel lt ist ; vgl . dazu MAYER,Queen Melisende,
DOP 26, 144ff .
HI Vital ien LAURENT,Le sceau de Theodora Comnene, reine lat ine de Jerusalem, Bulletin de la section
historique de l'Academie Roumaine 23 (1942) 202-208.
"
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
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Hans Ebe rhard Mayer
Als der Bischof von Nazareth, dem urspr iinglich wie allen Bischofen des Reichs kein
Siegel zustand, kurz vor seiner Erhebung zum Erzbischof mit der Siegelf iihrung begann,
da legte er nicht nur eine Bresche in das Vorrecht der Metropoli tane, sondern er gab auch
den Vasallen ein Zeichen. Der Bischof von Nazareth war narnlich nicht nur ein geistlicher
Herr, sondern auch einer der ganz wenigen Pralaten, die gleichzei tig Kronvasallen waren
und eine geistliche Herrschaf t innehatten, f ii r die sie dem Konig Ritterdienst schuldeten.
Positiv wissen wir dies von Nazareth und dem Bistum Rarnla-Lydda aus der Servitienliste
bei Johann von Ibelin,122denen derselbe Autor auch einen Gerichtshof und das Recht auf
eine seigneuriale B1eibulle einraumt,123 und moglicherweise gilt dies auch fiir das Bistum
Bethlehem inder Fri ihzeit und f ii r das Quartier des Patriarchen in jerusalern.P' Man mag
einwenden, daB der Bischof von Ramla vor 1136 nachweislich noeh nicht selbst siegelte.
Aber die Entwicklung l ie f in Ramla insof ern anders a ls in Nazare th , a ls aus dem Bi stum
Ramla zwischen 1115und 1120 ungeachtet seines Charakters als Baronie noch eine welt-
liche Herrschaf t Ramla herausgeschni tten wurde, wahrend sich das dominium des Erz-
bischofs von Nazareth bis 1259intakt erhielt.l25 Die weltliche Herrschaft des Bischofs von
Ramla-Lydda schrumpfte auf ein winziges Gebiet in und urn Lydda. Wenn also der
Bischof von Ramla nicht sehr fri ih zu siegeln begann, obgleich er die Stellung eines Kron-
vasallen hatte, sodeshalb wei l er als solcher ein Zwerg war .
Ein Siege l des Bischo fs von Nazare th war f ii r d ie Barone e twas anderes. Der Kon ig
konnte sich, wenn ihm dieser Prazedenzfall vorgehalten wurde, nur in die Ausrede f ii ich-
ten , der Bischof siegele in seiner geistlichen, n icht in seiner weltlichen Eigenschaft. Da es
dem Konig nachweislich uberraschend lange gluckte, die Vasallen, die nicht der allerersten
Garni tur angehor ten, vom Si ege l fe rnzuhal ten, fr agt man s ich, ob der Nazarener nicht
durch cin geschicktes Doppe\spiel zum Siegel kam: Beim Patriarchen konnte er behaup-
ten , er siegle als Kronvasall, beim Konig konnte er sagen, er siegle als Geistlicher , und tat-
sachlich betreffen seine Siegel anfangs (RRH nO106.371.515) nur geistliche Angelegen-
hei ten und erst ab 1255(RRH nO1239.1280.1281; n? 594 ist ein Siegel in fremder Sache)
seine Herrschaft. Wir wollen aber nicht eine Hypothese von einem Doppelspiel aufstellen,
die unbeweisbar ist , denn vie! einfacher ist die Annahme, daB der Patriarch dem Bischof
1125 das Siegel zugestand, weil man bereits an die 1129 schon abgeschlossene Erhebung
zum Erzbistum dachte. Dennoch werden die Vasallen dem Konig dieses Beispiel vorgehal-
ten haben, da niemand den Bischof daran hindern konnte, mit seinem Siegel auch in Din-
gen seiner Herrschaf t zu urkunden, und vielleicht hat er es auch getan .Die Aufnahme der Siegelung durch den Bischof von Nazareth wurde zweifellos erleich-
ter t durch die Tatsache, daB der urn Nazareth herum herrschende FUrst von Galilaea, der
groBte Vasall des Konigs, berei ts vor dem Bischof siegelte. Galilaea nahm in der Fri ihzeit
zweifellos eine Sonderstellung unter den Kronvasallen ein, nicht nur wegen seiner schieren
GroBe, sondern auch weiI sich der Normanne Tankred dor t de facto in wei tgehender Un-
abhangigkei t vom Herrscher in Jerusalem befunden hatte. Dies entsprach nicht nur sei -
nem normannischen Unabhang igkeit sdr ang , sondern auch der Ta tsache , daf e r selbs t
Galilaea unterworfen hatte. Seine einzige erhaltene Urkunde als Herr von Galilaea (RRH
n? 36) ist ebenso ungesiegelt wie seine spateren Urkunden als Regent von Antiochia. In
di eser Urkunde g ibt e r si ch ke inen princeps-Titel und erkennt auch durchaus di e lehn -
122 L iv re d e J ean d 'I bel in c . 271 , RHC Lo is I, 422f.
123 Ebd. c . 2 70 , RHC Lo is 1 ,420 .
124 MAYER, Bisti imer S. 9. 70
125 Joshua PRAWER, Colonisation Activit ies in the Latin Kingdom ofJerusalem, Revue beIge de philologie
e t d 'h is to ir e 29 (1951) 1092; MAYER, Bis tt imer S . 70; RRH nv 1282.
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 39
rech tl iche Begri indung seiner Herrschaft i n Gali laea dur ch den Herzog Got tf ried von
NiederIothringen an, aber wie die Realitat aussah, zeigt doch sein Pokerspiel mit Balduin I.
1100/1101, dem er anfanglich glatt d ie Anerkennung verweiger te und mit dem er erst nach
Monaten zueiner Einigung kam, die aber vorsah, daf er sich aus Galilaea in die ihm ange-
botene antiochenische Regentschaf t zur iickziehe. Erst 1109, als er, wenn auch nur pro
forma, wieder mit Galilaea belehnt wurde, lei stete er dem Konig den Treueid.Ps Sowei t
wir erkennen konnen, haben weder Hugo von Falkenberg noch Gervasius von Bazoches,
denen der Konig nach Tankreds Weggang wenn nicht ganz Galilaea, so doch mindestens
dessen Kerngebiet urn Tiberias verIieh, den princeps- Titel gefuhrt, aber als dann Joscelin I.
von Courtenay folgte, wurde er schon 1114in einem Konigsdip lom als princeps Tyberiadis
beze ichne t (RRH n? 80 ), und so urkunde te e r im Februar 1119 selbst i n e ine r Urkunde ,
die uns viel Grund zur Nachdenklichkei t gegeben hat, an deren Echthei t wir aber festhal-
ten.127 Hier kiindig te sein ungelenker Kanzler Rorgo Fretellus, der als Literat ein ige Auf-
merksamkeit verdient, ein Bleisiegel an, das vielleicht in der staatlichen Miinzsammlung
in Miinchen noch erhalten ist.l28 Es ist das erste nichtkonigliche weltliche Siegel und ' in
d iese r Ze it ganz und gar e in Ausnahmefal l, de r ni cht e inmal in Galilaea Bestand ha tte.
Joscelin I.war ni cht ir gendwer. Er war 1101 ins HI. Land gekommen und von dem spa-
teren Konig Balduin I ., d er damals noch Graf von Edessa war, mit de r Herr schaft Tur -
bessel belehnt worden, was ihn zum machtigsten Vasallen des Grafen westlich des Euphrat
machte. 1m Jah re 1114 ii be rwarf e r s ich mi t dem neuen Grafen von Edessa , Ba lduin von
Le Bourcq, der ihn zur Riickgabe seiner Herrschaf t zwang, und zog sich zu seinem alten
Herrn Balduin I.zur iick , der ihn im Konigreich mit Galilaea ausstattete. Dort machte er
sich 1118verdient urn die Nachfolge Balduins von Le Bourcq im Konigreich Jerusalem,
so daB ihn dieser nach seinem Regierungsbeginn mit der nunmehr verwaisten Grafschaf t
Edessa belohnte, womi t e r nach e in er communis opin io der Fo rschung auch den a lten
Rivalen aus dem Konigreich entfernen wollte. Die groBte Zei t im Leben Joscelins kam
erst jctzt, aber zweifellos war er schon zu seiner Zei t als FUrst von Galilaea eine der f ilh-
renden Figuren des lateinischen Ostens. Mochte die Rechtslage sein, wie sie wollte: wenn
Joscelin I.ein Siegel f iihr te, so entschied nicht das Recht, sondern sein Ansehen. Schon
daB er im Gegensatz zu seinen Vorgangern denprinceps-Titel sowohl selbst fiihrte wie vor
allem von der koniglichen Kanzlei zugestanden erhielt, zeigt seine Sonderstellung, denn im
princeps schwang immer und i iberall der leise Anspruch auf Autonomie mit, erst recht im
lateinischen Osten , wo der princeps von Ant iochi a, a ls der schon Tank red urkunde te(RRH n? 53),eben unabhangig war . Solche Erwagungen spielten auch mit, als Hugo II.von Jaff a s ich die Titel comes, princeps, consul beilegte, obgleich ihn die Konigskanzlei
stets nur als dominus bezeichnete.P"
Auch das Aussehen von Joscelins Siegel, welches das Vorbi ld f ii r aile wei teren galilae-
i schen Fii rstensiegel abgab, unterstrich diesen Anspruch auf eine bestimmte Autonomie
i nnerha lb des Staatsverbandes . Das Konig ssi ege l von Jerusalem zeig te von Anfang an
auf dem Revers die Stadt Jerusalem.vdie ausdriicklich als solche bezeichnet wurde (Taf. II f.,
Abb. 1Sf., 17f., 29f.). Danach richteten sich alleSeigneurs-bis a';lfden Fursten vonGalilaea ..
.2 < Alber t von Aachen , H is t. Hi er as . XI 12, RHC Hoc 4 , 668.
.2 7 RRH nO87; vgl. MAYER, Bistiimer S. 329-332.
128Staatliche Munzsammlung Mtlnchen, obne Inventarnummcr (ehemalige Sammlung Longo, ca. 1846
aus Messina angekauft ); h ie r abgebilde t Taf . I I, Abb. 13f. Beschrieben ist dieses lose Siegel bei SCHLUMBER-
GER,Sigil lographie S . 56 no 130. Wie a il e Siege l aus dem HI. Land im Munchener Miinzkabine tt s tammt
auch dieses aus Messina und damit aus den Urkundenbestanden von S. Maria im Tal Josaphat, fur welches
RRH nO87 ausge stel lt war .
139 MAYER, Queen Melisende, nop 26, 1 08 Anm. 31a.
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i
II, .
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Hans Eberhard Mayer
Wir haben auBerhalb von Galilaea kein baroniales Bleisiegel im Konigreich Jerusalem,
das nicht di e Stad t oder die Burg , welche zent ra le r Ort der Herr schaft war, abb ilden
wiirde; selbst der Vizegraf von Nablus (s. unten S. 81), dessen Tatigkeitsmittelpunkt
Nablus und dessen Amtsbez irk di e ganze dazu gehorende Krondomane war, de r aber
selbstverstandlich Nablus als eine Konigsstadt n icht auf seinem Siegel zeigen konnte,
lieBsein cas trum Fonti s Tancredi abbilden. Ebenso ist es fiir die quasi-seigneuriale Stel-
lung Balians von Ibel in, des "Herrn" von Nablus, b ezeichnend , daB er s ich auf seine r
Bulle zwar NeapoNtanus dominus nannte, aber e twas abbilde te , was mehr e ine r Burg a ls
einer Stadt i ihnelte und jedenfalls ganz von einem ummauer ten Bergfried beherrscht wird
(Taf. III , Abb. 19). DaB dies die Stadt Nablus sein solle,i st ledig lich eineVermutung von
Schlurnberger (Sigillographie S. 52nO121), die urn so unwahrscheinlicher ist, als Nablus
zwar e ine Burg ha tte, a ls Stadt aber ansonsten unbef es tigt war, a lso ke ine Stad tmauer
besaB.llIOBalian hat jedenfalls n icht gewagt, das abgebildete Gebaude beim Namen zu
nennen, wie dies sonst auf den Baronssiegeln immer mit civitas oder castrum der Fall war .
Die eine Ausnahme von dieser Regel, daB das Siegel eine Baulichkeit zu zeigen habe, i st
Joscelins galilaeisches Siegel(Taf. II,Abb. 13f.) und dieSiegel seiner Nachfolger in Galilaea.
Der Revers zeigt das apostolische Briiderpaar Petrus und Andreas beim Fischfang auf dem
See von Genezareth. Damit ahmte Joscelin sehr wahrscheinlich das Siegel des wirklich
unabhangigen Fii rsten von Antiochia nach, das sei t 1114 vorkommt (oben S. 19), wenn
sein Aussehen auch ers t seit 1150 (RRH n? 263 ; Schlumberger, Sig il log raph ie S. 32 nO
78) bekannt ist . Damals und sparer b ildete es, natii rl ich in Imi tation der Papstbulle, die
Apos te l Pe trus und Paulus ab , wenn auch in ganzer Figur und ni ch t nur , wi e be im Papst ,
die Kopfe.
Ais Joscdin I.nach Edessa ging, wurde sein Hauptvasall Wilhelm von Buris sein Nach-
folge r in GaliIaea . Er ha t den princeps-Titel zunachst weitergefiihrt in seinen Urkunden
(RRH nO92.93), sparer aber darauf verzichtet und sich nur als Herr von Tiber ias (RRH
nO115) oder als Wilhelm von Buris (RRH nO131.142) bezeichnet, im ber iihmten Pactum
Wannundi, a ls er mit den anderen Regenten an Ste lle des Konig s hande lte, n ach se inem
Hofamt als Konstabler (RRH nO102). Es scheint, daB diese Titelanderung mindestens im
konigl ichen Sinne war, wenn si e nicht vom Konig verlangt wu rde , denn di e Kanz le i ha t
ihn , wie i ibrigens auch fast ausnahmslos andere Dri tte, bestenfalls Herrn von Tiber ias ge-
nannt, wenn nicht nur Wilhelm von Tiber ias oder, und so meistens, Wilhelm von Buris.
Der Siege lgebrauch wurde schwankend: RRH n? 92.93 .131 aus der Zeit von 1121 bis
11;19waren ungesiegelt, RRH n? 115.142dagegen gesiegelt. Von einem princeps Wilhelm vonGalilaea sind drei lose Bullen und eine Siegelnachzeichnung erhalten, wobei die letztere mit
hoher Wahrscheinlichkeit eine der erhaltenen Bullen abbildet. Schlumberger (Sigillographie
S.57n? 131-133; vgl. ein weiteres Exemplar bei Chandon de Briailles, Syria 27,286 n?4) hat
sie Wilhelm I.zugeschr ieben, was in der Ta t meh r fur si ch ha t a ls di e theor et isch auch
rnog liche Zuschre ibung an Wi lhe lm II . Die nachgeze ichnete - und dami t woh l e ine der
beiden losen Bullen - hing ehemals an RRH n? 115vom Jahre 1126,und nur hier siegelte
Wilhelm I. ganz allein. Diese Zuriickhaltung ist doch bemerkenswert, denn der Herr von
Tiberias war und blieb der bedeutendste der Kronvasallen, sowohl durch sein groBes Lehen
wie durch das Amt des Konstablers, das er 1123 erhielt und wohl bis zu seinem Tode inne-
hatte, da bis zudieser Zei t kein anderer Konstabler belegt i st . Damit war er der wichtigste
Kronfunktionar, Er f iihr t in der Regel in den Urkunden die weltlichen Zeugen an, so daB
. '
laG Ebd. S . 168 .Zur Burg von Nablus vgl . auch Balderi ch von Dol , His toria I erosol imitana, RHC Hoc 4 ,
100 Anm. 13 und Fretellus bei Bartolf von Nangis, Gesta Francorum Iherusalem expugnantium, RHC Hoc
3,542 unter dem Strich (in der Edition von DE VOGUE , Leseglises de Terre Sainte [1860] S. 433ausgelassen).
. . '
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 41
an seiner herausragenden Stellung kein Zweifel sein kann. Der Befund ist also ungleich-
maBig und nicht e indeut ig , doch schl ieBt e r ni cht aus , daB der Kon ig Balduin I I. be im
galilaeischen Fii rstensiegel hemmend eingr if f, wobei wir n icht einmal so sehr an ein Veto
zu denken brauchen, als daran , daB der Galilaeer sich den Vorstellungen des Konigs fugte,
denn bei aller Bedeutung Wilhelms I. hatten seine Arntsvorganger Joscelin I. und Tankred
doch eine andere Statur, die ihnen erlaubte, den Konigen von Jerusalem als fakti sch Eben-
biirtige gegeniiberzutreten. Es ist weniger die Siegelfrage allein, als vielmehr die Kombi-
nation von Titel- und Siegelbefund, die uns zu der Annahme bewegt, daB der Konig hier
br emsend gewirkt haben konnte, denn was dem Herrn in Gal ilaea ni ch t oder nicht vol l
zustand, konnte kein anderer loyaler Kronvasall fur sich beanspruchen.
Noche inmal kam eszu e iner Siege lung Wilhe lms I. von Bur is , und zwar in RRH n? 142
von 1132, als der neue Konig Fulko gegen den offenen Widerstand des Grafen von Tripolis,
den er in der Schlacht bei Chastel Rouge besiegte, auf das Wohlwollen seines Adels ange-
wiesen war . Damals machte Wilhelm eine mit seinem Siegel beglaubig te Schenkung an das
HI. Grab. Indessen lieBder Konig ihn nicht allein siegeln , sondern kiindig te dahin ter sein
Konigssicgel an, durch das er die Schenkung bestatigte. Wilhelm II . von Buris kam 1153
weder der princeps-Titel zu noch ei n Si ege l (RRH n? 283) , und ers t Fur st Walter von Ga-
l ilaea se tz te seit 1165 sowoh l den Fii rs tent itel wie das Si ege l auf Dauer dur ch (RRH n?
414-417.42°-447.448.479), wahrend seine Witwe Eschiva 1174 in RRH n? 522 als Herrin
von Tiberias urkundete und kein Siegel ankiindig te, so daB wir nicht wissen, ob das ver-
sti immelte Siegel, das Paoli im 18.Jh. noch erwahnt, aber nicht mehr entzi ffern konnte, das
ihr ige oder das ihres verstorbenen Gemahls oder das des Konigs war . Ais Eschiva wieder
hei ratete, war der princeps- Titel obsolet geworden, denn ihr neuer Gemahl war der Graf
Raimund Ill. von Tr ipol is , de r diesen Titel , un te r dem er ja vom Konig von Jerusalem
unabhangig war , auch dann f iihr te, wenn er in galilaeischen Angelegenheiten urkundete
(RRH nO583.585.605). Der princeps-Titel konnte Raimund III . auch nicht mehr reizen,
da es zu sein er Zeit e in en weiter en princeps im Konigreich Jerusalem gab, Rainald von
Chati llon , den Exfii rsten von Antiochia und Herrn von Transjordanien und Hebron, mit
dem Raimund politisch in scharfer Fehde lag und der sich bis zu seinem Tode als princeps
weitertitulierte, obwohl er das Fiirstentum Antiochia langst verloren hatte. Allerdings ge-
r ierte er sich in Transjordanien so, als sei er souveran. DaB Raimund Ill. ein eigenes Blei-
siegel f ii r Tiberias besaB, haben wir schon oben S. 25 erwahnt.
Allerdings hatte Balduin II. noch an einer anderen Stelle eingrei fen miissen , und da la-
gen die Dinge wesentlich schwier iger , denn in Galilaea haben wir keinerlei Indizien, daBjemals AniaB gewesen ware, die Treue des dor tigen Herrn in Zweifel zu ziehen. Wenn sein M
Titel vorerst zur iickgeschnitten wurde und er den Gebrauch des Siegels einschrankte, so
diente dies der Abriegelung des Siegelprarogativs nach unten , also gegeniiber den mitt-
leren und kleinen Vasallen, und dem Ziel, die Entstehung einer rangrnafligen Superbaronie
zuverhindern , aber nichts deutet darauf hin , daB es dar iiber zwischen dem Konig und sei -
nem Vasa llen in Gali laea zu Reibungen gekommen ware . Anders i n Jaff a. Die e rste Ur -
kunde Hugos II . von jaffa aus dem Jahre 1123, wo vor ihm sein Vate r Hugo I . und dann
sein Stiefvater, der Graf Alber t von Namur, geherrscht hatten (von denen keine Urkunden
erhalten sind) , trug im 18.Jh . ein Siegel, welches den Hugo Ioppe des Textes als COMES
HVGO bezeichnete (RRH n? 102a; Schlumberger, Sig illographie S. 48 n? 113; hier abge-
bilde t Taf. II I, Abb. 22 nach RRH n? 113). Form und Inhal t di eser Urkunde haben uns
anderswot'' ! zu langwierigen Uberlegungen veranlaBt, die aber insgesamt die Echthei t
131MAYER, Bistumer S. 137-168 .
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Hans Eberhard Mayer
des Stiicks ergeben, ja geradezu eine joppensische Kanzleimafslgkeit erwiesen haben.
Auch d ie po lit ischen Aspekte dieses St iicks in Verbindung mit RRH nO112.113 ha-
ben wir dort diskutiert und den Schluf gezogen, daB Hugo II. von Jaffa mit RRH nO
102a einen deutlichen Anspruch auf eine Herrschaft in Askalon anme ldet e, wenn e s
erobert sei, und RRH n? 102a wurde 1123 ausgestellt, als man heftig dariiber
diskut ie rte, ob d ie venezi anische Flot te zur Eroberung von Ty ru s oder von Aska lon
e ingese tz t werden so ll te , a ls a lso e ine Eroberung Aska lons schon i n gr eif ba re Nahe
gcruckt schien und gerade Ja ff a darauf dr angte, Ais dann s ta tt dessen dur ch Losent -
scheid Tyrus zum Angri ffsziel wurde, g ing das Pactum Warmundi (RRH n? 102),in dem
die Reichsverweser des inzwischen gefangengenommenen Konigs den Venezianern ihren
Lohn fur die Flo ttenhi lfe zusagten, zwar noch immer von der Moglichkeit aus, daB Tyrus
oder Askalon erobert werden konne, schlug aber Askalon fur den Fall der Eroberung klar
der Krondomane zu mit Ausnahme eines zu schaffenden venezianischen Dri ttels. Hugo
konnte, wie wir gezeigt haben, bei ein iger jur isti scher Raffinesse einwenden, das Pactum
Warmund i bi nde i hn nicht ; e r konn te dies aber spates tens ni cht mehr , seit de r Konig i n
RRH nO105 das Pactum bestat ig tc und sein Diplom auch von Hugo bezeugen l ieB, der
damit an die darin entha ltene Aska lon -Klausel gebunden war, d ie noch immer e ine Zu -
weisung von zwei Dri tteln Askalons an den Konig vorsah, Wir haben aber der Vermutung
Raum gegeben, daf der Konig rnoglicherwcisc Hugo doch Expektanzen auf dieVereinigung
Askalons mit Jaffa machte und daB dies erk lart , wie der Konig Balduin III . 1153nach der
erfolgten Eroberung Askalons vorging: Er entzog namlich zunachst seinem Bruder Amal-
ri ch, de r 1151 von Gnaden seine r Mut te r Graf von Jaff a gewo rden war, d ie Grafschaft
Jaffa, und wenn einer seiner Vorganger Versprechungen auf die Vereinigung der beiden
Stadte zu einer Doppelgrafschaf t gemacht hatte, so war der Konig dadurch davon befreit ,
daB er sie beide der Krondornane eingliederte. Nach 1154, als er Jaffa und Askalon wieder
austat und vielleicht auf den Druck der Magnaten austun muBte, da vereinigte er sie inder
Hand seines Bruders, nachdem er freilich unmittelbar nach der Eroberung Askalons die
Umgebung mit seinen Getreuen durchsetzt hatte, die im Zweifelsfalle seinen Bruder, der
mit der Mutter bis 1152gegen ihn gestanden hatte, politisch neutralisiert hatten. Wir haben
di ese Theori e nicht nur auf Hugos Anspruch in RRH nO102a und seine Behandlung in
RRH nO102,105 gestiitzt, sondern auch auf die Tatsache, daB bei genauer Interpretation
von RRH n? 112.113 zutage tri tt , daB Hugo noch 1126 an seinem Anspruch auf Askalon
festhie lt , wenn auch in weniger spektakulare r Fo rm als in RRH n? 102a , wo er iib erdi e
Hauptma'schee der Stadt und damit i iber die kunftige Kathedrale verfi ig te, daB er ferner
die Befugnisse seines Konstablers von Jaffa, Bar isans des Alten aus dem Hause Ibelin, auf
Askalon ausdehnte und gemeinsam mit Bar isan dor t berei ts eine Feudalstruktur zur Pra-
judizierung der politischen Verhaltnissc nach einer Eroberung aufzog,
Das Siegel Hugos in RRH nO102a unterstreicht naturlich diesen spektakularen Charak-
ter noch. Wir haben schon an andere r S te lle den Konsens des Konigs zu RRH nO102a a ls
undurchsichtig bezeichnet, der auch aus zeitlichen Grunden problematisch ist, wenn nicht
di e Handlung von RRH nO102a vo r der Gefangennahme des Konig s am 18. Apr il 1123 ,
die Beurkundung erst nach Hugos Heirat mit Emma, der Witwe des am 15,Juni 1123ver-
storbenen Eustach I . von Caesarea, erfolgte, die gleichfalls ihren Konsens gab, Politisch
wurde hier die Doppelgrafschaf t Jaffa-Askalon vorgebi ldet, was dem Konig nicht recht
sein kormte, Wie imrner der Konig letztlich zu RRH nO102a und zu Hugos askalonitani-
schen Ambitionen gestanden haben mag, so hat er die Siegelung Hugos jedenfalls n icht
unterbunden oder nicht unterbinden konnen, denn auch die beiden folgenden Urkunden Hu-
gos(RRH nv 113/14von 1126undRRH nO147von 1133) waren mit demselben Siegel Hugos
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Das Siegelwesen in den Kreuzfabrerstaaten 43
gesiegelt, obgleich der darauf gefiihrte Comes-Titel anstoflig' war (5 . oben S. 39). Ein Siegel
haben die Grafen von Jaffa nach Hugo erst wieder 1155unter dem ersten Doppelgrafen
Amalrich von Jaf fa -Aska lon, dem Bruder des Konigs Baldu in I II ., in RRH nO300 und
von da an i rnmer gefuhrt, und ab 1177war auch die Gratin siegelfiihig, jedenfalls wenn
si e unverheir atet war (RRH nO 545.553.570 ; Schlumberger, Si gil log raphie S. 48 nO
114),132
132Dieses Siegel ist insofern sehr bemerkenswert, als es nach unserer Kenntnis das einzige Seigneurssie-
gel des Konigreichs Jerusalem ist, das auf beiden Seiten eine Befestigung abbildet (Taf. III,Abb, 23), offen-
kundig doch Jaffa auf der einen, Askalon auf der anderen Seite. Dies kann nur als die Dokumentation einer
Realunion verstanden werden, wonach Jaffa und Askalon gemeinsam ein Lehen bildeten. DaB man dies so
deutlich dokumentieren muBte, zeigt, daB diese Auffassung offenbar nicht unbestritten war, auch wenn Jaffa
und Askalon vor dem Dritten Kreuzzug immer gesamthaft ausgetan wurden(vgl. oben S. 42und die Verga-
bungen von 1176 und 1180), Nach dem Dritten Kreuzzug wurde Jaffa nur desbalb aIlein an die Lusignans,
Ibelins und Briennes ausgetan, weilAskalon inder Hand derMuslime war. Sowar esdun:.hausin derOrdnung,
daB Richard von Cornwallis nach dem Wiederaufbau Askalons dieses 1241nicht an einen der heiden groBen
Ritterorden auslieferte, sondern an die staufische Administration als die Vertretung des Regenten, aber es
hatte den Anstrich des Unkonstitutionellen, daB Friedrich II. die Stadt nun niebt an den Grafen von Jaffa,
Walter IV. von Brienne, austat, sondern an dieJohanniter (vgl. HIESTAND, Zwei Diplome aus Lucca, QFIAB
50,34ff.), Daraus erklart sich auch, daBsich der Kaiser die Riicknahme in den Kronbesi.tz vorbehielt, dann
namlich wenn der Druck des AdeIs auf ihn zunehmen sollte, Askalon an den Grafen con Jaffa zuverleihen.
Auch dieJ ohanniter rechneten mit der Moglichkeit, daBihnen Askalon wieder entzogen werden konne und
bestanden auf einer Klausel, die ihnen fur diesen Fall Ersatz ihrer Aufwendungen in Askalon zusicherte,
wogegen der Kaiser wiederum die Anrechnung der von den Johannitem bis zur Ruckgabe genossenen Ein-
kiinfte setzen muBte. Wenn die Barone nach dem Sturz der staufischen Verwaltung den Johannitem Askalon
nicht entzogen, so ist nicht nUT fraglich, ob sicdies faktisch vermocht batten, sondem auch zu beriicksichti-
gen, daB Graf Walter 1244in agyptiscbe Gefangenschaft geriet, in der er verscholl. Auch sein Nachfolger
Johann von Ibelin nannte sich zwar anfanglich our Graf von Jaffa und Herr von Ra.mla (RRH nc 1149von
1247), ftigte aber sparer Askalon hinzu (RRH nO1245,1246 von 1256), Diesen Ansprucb muB er schon von
Anfang an oder doch relativ fruh vertreten haben, denn wenn ihn auch der KonigHeinrich I.von Zypern,
der als Regent des Konigreichs Jerusalem Johanns Herr war, nur als Grafen von J a f f a und Herro von Ramlabezeichnete (RRH n? 1156 von 1248), so wird doch aus der Besta tigung der Belebnnng durch den Papst
Innocenz IV, von 1253 (Potthast nO14297; Registres d'Innocent IV no 6465) klar, da6 esurnJaf fa und As-
kalon ging, auch wenn in der Anrede die Beschrankung auf Jaffa noch erhalten blieb. Konsequenterweise
fuhrte Graf Johann fiir die Doppelgrafschaft auch nur ein Siegel, denn RRH nO ''''5,'246 waren, obwohl
der Graf dar in entgegen dem Herkommen und wohl auch darn Recht zuwider ( ii~ns auch im Wider-
spruch zu seinem eigenen Rechtsbuch [Livre de Jean d'ibelin c. 269-271, RHC Lois 1, 4'7,419,422], wo
beide Teillehen als eine Seigneurie ausgewiesen werderr) zu seinen Gunsten einen Unterschied zwischen
seinem Lehen Jaffa und seinem Lehen Askalon konstruierte (vg!. Hans Eberhard )fAYER, Ibelin versus
Ibelin. The Fight for the Regency in the Kingdom of Jerusalem 1253-1258, Proceedings of the American
Philosophical Society 122 Nr. I [1978] 45), besiegelt mit dem (einen) Siegel der Grafschaft jaffa-Askalon,
und wirvermuten, daf eswie das der Grafin Sibylle auf jeder Seite eine Befestigung z.eigte.Wonur eine Per-
sonalunion vorlag, wurden getrennte Siegel gefilhrt, so wahrscheinlich in Zypern und Jerusalem unter Aime-
r ich II. (s. unten S. 62 f.), aber auch in Tyrus und Toron unter Johann, dem Sobn Philipps von Montfort,
des ers ten Herrn von Tyrus . Johanns Urkunden RRH nc 1286 (zum Datum vg!. Anm. '94),1372 betreffen
das eine Mal eine tyrensische Sache, das andere Mal eine Angelegenheit von Toron, In der ersten Urkunde
wird angekiindigt mon seau deplomb empre in t e nmes dre is coings de mase ignorie de Sur, in der zweiten da-
gegen mon seau d e p lomb empre in t e n mes d rei s c oi ng s d ema sei gnori e dou Thoron, Das zweite Siegel ist
nicht mehr erhalten, denn SCHLUMBERGER,igillographie S,64 no 153 hat einbei PAOLI,Cod, dip!. di Malta
I,TaL 6 nc 6. nachgezeichnetes Siegel (hier TaL III, Abb. 25) falschlich auf diese Urkunde bezogen. Es
hangt inWahrheit an dem auf Tyrus bez iig'ljchen Stuck RRH n?1286und weist auf dem Revers ganz unmiB-
verstandlich darauf hin, daB es sich hier urn das Siegel von Tyrus und nieht etwa urn dasjenige von Toron
handelt, denn der Avers zeigt urnden ublichen galoppierenden Ritter die Umschrift: -+ S' IOHAN' A10T-
FORT SEGNVR D SVR E DOU THORON, auf dem Revers aber eine sehr stark befestigte Stadt mit
anbrandenden Wellen und der Legende: + DOMINI TYRI ECCE TYRVS.
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44 Hans Eberhard Mayer
Bleisiegel s ind an sich im HI. Land sokommun und iiberdies hat eine Stelle im Rechts-
bu~h des. JO.hann von Ibelin133 iiber das Bleisiegel als besonderes Charakteristikum der
Seigneurie emen solehen Eindruck gemacht, daB man sich nie weitere Gedanken iiber den
ganzen Fragenkreis gemacht hat . Man ging offenbar s ti llschweigend davon aus, daB die
Barone schon sehr bald i iberhaupt gesiegelt hat ten, und dann nat ii rl ich in Blei. Auch wir
hatte~ durchau.s diese Vorstellung, bis wir das Material zusammenstellten. Es zeigt sich
d~.uthch, daB dIe.Barone im Konigreich erst relativ spat anlingen zu siegeln. Nachst dem
Fursten von Gahlaea war in der Anfangszei t, ehe Jaffa aufst ieg, Caesarea die wicht igste
Herrschaft , zumal als der ers te Herr Eustach I. Granier neben Caesarea noch Sidon inne-
hatte, das dann 1123von Caesarea abgetrennt wurde. Caesarea ist kein sehr brauchbares
Beispiel, weil wir von Eustach I. keine Urkunde haben und das erste Stiick seines Nachfol-
gers .~alt~ v~n Caes.area (RRH nO139von 1131) zwar kein Siegel ankiindigt, aber nach
Paoli nut semem Siegel v~rsehen war. Dabei sol lte es in Caesarea bleiben. Gegen Ende
des 12.Jh. aber kam es zuemer bemerkenswerten Ausweitung des Siegels . Die Rechte an
der Herrschaft Caesarea hingen darnals an Jul iana, einer Urenkel in Eustachs I. Ais s ie in
zweiter Ehe Ademar von Lairon heiratete , i ibte dieser nach dem Brauch des Landes die
Herrschaft ~iirsie aus und wur~e ausdriicklich als Herr von Caesarea bezeichnet (RRH nO
709): Nac~ ihrem T~ gab er die Herrschaft freiwil lig oder gezwungen auf, denn 1213 er-
schemt seme Gemahlin letztmals , und 1216war ihr Mann in den Johanniterorden einge-
treten un~ zu de.ssen Marschalk aufgeriickt (RRH nO866.885a). Man hatte erwarten sol-
len, daB sich Juhana wiihrend der Ehe zuriickgehaIten hatte, aber sie urkundete auch jetzt
als He~ von Caesarea (RRH nO736.810.818.819). Das war ungewiihnlich, denn nor-
malerwelSe urkundeten die adligen Damen als Herrinnen nur dann, wenn sie unverheiratet
waren. Diesem Befund entspricht aber, daB Juliana auch, wahrend ihr zweiter Gemahl die
Herrs:haf_t ~t ih~ tei lte, ein eigenes Siegel fiihrte . In RRH nO736.818.819 kiindigte s ie
ausdruc~c~ ihr eigenes Siegel an (sigillum meum). Man kiinnte annehmen, daB es sich
~m ..das Siegel der Herrschaft handelte, das s ie und ihr Mann benutzten, wiirde sie nicht
tnR_RHnO810 ausdriicklich das Siegel ihres Gemahls ankiindigen, und zwar nicht als ein
v~n I~ benutztes , sondem damit ihre Rechtshandlung Bestand habe, hangte ihr Gemahl
:remSiegel an das Stiick. Welche Vorstellungen bei dieser Verteilung der Siegel herrschten,
1Stdu:chaus ~och zu e rgrunden , denn die an RRH n? 819 als ihr Siegel angekiindig te
Bulle 1~aus .el~er Nachzeichnung des 18.Jh. noch be~annt (Schlumberger, Sigillographie
~. 44 n 104 ,h l~r abgebtlde t Ta f. I II , Abb. 25) und ist a ls Ehegat tensiegel ein UaikurnIII der;ganzen Siegelgeschichtc des lateinischen Ostens. Sie zeigte auf dem Avers die Le-
gende + S. ADEMARI DE LERON, und auf dem Revers die Urnschrift + IVLIANA
DOMINA CESAREE. Es handeIte s ich also urn eine Samtherrschaft, bei der man ein
und dasselbe Siegel einmal als das der Herrin von Caesarea und einmal als das ihres Man-
nes ankiindigen konnte. Vielleicht hangt es damit zusammen, wenn Ademar von Lairon-
in RRH nO768,das er mit Konsens seiner Gemahlin ausstel lte, die Urkunde an sich in der
iiblichen Weise auf Ego mit singularischen Forrnen aufbaute, zum SchluB aber nostrumsigillum ankiindigte. '
In Sidon fi ih rt e Eust ach II . Gran ie r, der zweit e Sohn Eustachs I ., de r nach seines
Vaters Tod die Her rschaft in dessen zwei te r Her rschaf t Sidon iibernommen ha tte
in RRH nO114b von 1126 noch kein Siegel. Daran hat te si ch 1164 noch nicht s gean-
de rt (RRH nO393c) , obgle ich Sidon eine bedeutende Baronie war und de r damal ige
133Livre deJean d'Ibelin c. ,89,270, RHC Lois I, 302.4'9.
' " Cod, dip l. d i Malta I, '4 nO13. '", '\ "
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Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 45
Seigneur Gerhard von Sidon schon 1153 be i der Belagerung Askalons die besche i-
dene Flotte des Reichs kommandiert hatte. Von Gerhards Sohn Rainald (1171 bis
1200), einem polit isch und offenbar auch kulturell bedeutenden Mann, der des Arabi-
schen machtig war, ist keine Urkunde erhalten, wohl aber haben wir von ihm zwei loseSie-
gel (Schlumberger, Sigillographie S. 55 nv 128f.). Auch Rainalds Sohn Balian von Sidon
fuhrte dann ein Siegel (RRH nO1027von 1231),aber zu dieser Zeit war Balian Regent des
Reiches und muBte als soIcher i iberein Siegel verfi igen. In der Tat ist die in RRH nO1027
beurkundete Sache eine Reichsangelegenheit, nicht eine sidonensische. RRH nO1076a von
1237 beurkundet zwar eine sidonensische Sache, ist aber nur in einem Regest erhal ten,
ohne daB wir etwas iiber die Besiegelung wiiBten, doch zweifeln wir nicht, daf das Stiick
besiegelt war. Der Gebrauch des Siegels war damals unter den groBen Magnaten ein fester
Usus. So ist etwa die Peti tion der Barone vom 7.Mai 1241an Kaiser Friedrich II., ermiige
ihnen Simon von Montfort, den Earl von Leicester, als Regent schicken, besiegelt von den
Herren von Bairut, Arsuf, Toron und Haifa (RRH n? 1099).
In Bairut l inden wir die Dinge nicht anders. Die Urkunden setzten ein mit RRH nO395
von 1164. Walter III. von Bairut, der Aussteller , s iegelte damals noch nicht , obwohl er
berei ts der fiinfte Herr von Bairut allein aus der Famil ie Brisebarre war. Ebensowenig
siegeIte seine Mutter Maria im selben Jahr (RRH nO401). Die Brisebarres verloren Bairut
urn 1166, als es in die konigliche Domane zuriickkchrte. Nach einem transjordanischen
Zwischenspiel erhielt Walter III. die Herrschaft Blanchegarde in Siidwestpalastina, die
fortan den Familienbesitz bildete, aber aus Blanchegarde sind uns keine Urkunden iiber-
kommen. Ais Bairut zwischen 1200und 1205an Johann von Ibelin, den . .a lten Herrn von
Bairut", wie er sparer hieB, ausgetan wurde, da siegelte dieser selbstverstandlich (RRH
n? 95°.951.957.963.977.1036; Schlumberger, Sigillographie S. 40 nO96), aber das gehort
nicht eigentlich mehr zur Siegelgeschichte von Bairut, sondern zu der der Familie Ibelin.
Ais Walt er II I. von Bairut 1164 in Bairut noch siegel los war, da ha tt e der Her r von
Transjordanien offenbar berei ts das Recht zur Siegelfiihrung erworben. Dort hat te s ich
sei t den zwanziger Jahren allmahlich eine Herrschaft gebildet, die 1161, wo wir in RRH
nO366 ihren Umfang greifen konnen, zu einem der griiBten Kronlehen herangewachsen
war. So vollzog Walter III. ganz selbstverstandlich den Schritt zum Siegel, als er von Bai-
rut nach Transjordanien iiberwechselte, denn seine Urkunde RRH nO454 von 1168 ist .
besiegelt . Der nachste Herr von Transjordanien wich von diesem Brauch ers t recht nicht , .
ab, denn eshandel te s ich urn Rainald von Chatil lon, der schon als Furst von Antiochia ge-siegelt hatte (RRH nO314) und jetzt 'natiirlich dabeiblieb (RRH nO551.596; Schlumber-
ger S. 51 nO118f. ), so wie er ja auch den princeps weiter im Titel fiihrte.
Gali laea, Jaffa , Caesarea-Sidon und Transjordanien waren GroBbaronien, wobei in
Caesarea-Sidon das Schwergewicht anfangs auf Caesarea lag und sich spater nach Sidon
verlagerte. Johann von Ibelin hat in einem viel diskutierten Kapitel seines Rechtsbuchest=
die Theorie entwickelt, daB das Kiinigreich Jerusalem vier Baronien (Jaffa-Askalon, Gali-
laea, Sidon-Caesarea und Transjordanien beziehungsweise Tripolis) und auBerdem noch
andere Herrschaften habe. Wir wollen uns hier in die Einzelhei ten dieser Theorie und die
Diskussion dariiber nicht verlieren, denn nicht nur ist esder Stand von circa 1266und nicht
nur war man sich auch damals nicht einig, da einige statt Transjordanien iiberraschender-
weise die Grafschaft Tripolis, die damals viel mehr mit Antiochia zusammengeschlossen
war als mit Jerusalem, aber doch sei t langem prinzipiell a ls souveran gal t, a ls die vierte
Baronie betrachteten. Vor allem dient Johann von Ibelins Einteilung aber dem Zweck,
, .. Livre de Jean d 'Ibe lin c . 26<}, RHC Lois " 4 '7 . Vgl . dazu auch MAYER,Ibe lin, Proceedings of the
American Philosophical Society 122, Nr. I, S. 41 Anm. 91
". "
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
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Hans Eberhard Mayer
seine eigene Stellung als Graf von Jaffa und Askalon zu untermauern, und bezeichnender-
weise leitet die Doppelgrafschaft die Liste der vier Baronien ein. Johann entwickelte Kri-
terien fur die GroJ3baronien, die wohl der Zeit entsprachen: sie muJ3ten dem Reichsheer
einhundert Rit ter s tellen und einen Konstabler und einen Marschalk haben, also die fii r
den Krieg verantwortlichen Funktionare aufweisen. Transjordanien, so makelte Johann,
stelle nur 60 Ritter, auch habe er nie etwas davon gehiirt, daJ3es dort einen Konstabler und
einen Marschalk gabe, Er war deshalb geneigt , denen Recht zu geben, die Tripolis fii r die
vierte Baronie hielten. Lieber akzeptierte er also eine auswartige Macht als gleichgestellte
Baronie als den Herrn von Transjordanien mit seinem geringeren Ritterdienst, obgleich
das Problem langst akademischer Natur war, denn sei t 1187gab esdie Herrschaft Trans-
jo rdanien nur noch auf dem Papier ; s ie war und blieb in der Real it at mus limisch. Man
fragt sich, ob die allgemeine Meinung nicht in Wirklichkeit Transjordanien fiir die vierteBaronie hielt, Johann aber Tripolis ins Spiel brachte, das als Verbiindeter dem Reichsheer
oft Kontingente zugebracht hat te und sicherl ich hundert Rit ter mobil is ieren konnte. Jo-
hann wuJ3tenatiirlich ganz genau, daJ3Tripolis nicht zum Reich gehiirte, denn in seiner
Liste von Ritterservitien, die nach Herrschaften geordnet ist, taucht Tripolis iiberhaupt
nicht auf. Der Einwand, daf diese Lis te nach allgemeiner Ansicht aus der Zeit urn 1186
stammt.P" Johann aber urn 1265schrieb, verfangt nicht, denn just dieser Liste hat Johann
die 60 Rit ter von Transjordanien entnommen, die ihm zuwenig waren. Auch im Konig-
reich kam Johann nur dadurch zu GroJ3baronien, dil l er in seinem theoret ischen Kapitel
ebenso wie in der Servitienliste rechtlich oder faktisch langst Getrenntes wieder verband.
So rechnete er zu Jaffa-Askalon noch seine Familienbesitzungen Ramla, Mirabel und Ibe-
l in als Afterlehen hinzu. Das war einmal richt ig gewesen, aber niemand hat te intensiver
daran gearbeitet, diese Herrschaften aus dem Verband der Doppelgrafschaft herauszuliisen
und zueigenen Seigneurien auszubauen als gerade Johanns Ahnen. Zum Grafen von Jaffa-
Askalon aufgestiegen, war Johann natiirlich auf der anderen Seite der Barrikade. AuJ3er-
dem bedeutete das fii r ihn keine Minderung der Stellung Ramlas, da er selbst Herr von
Ramla war. Auch Sidon und Caesarea muJ3te er wieder zusammenschweiBen, urn eine
GroBbaronie herauszubringen, obgleich sieseit 1123 getrennt waren. Auch zu Transjorda-
nien rechnete er die Herrschaft Hebron dazu, urn wenigstens auf 60 Rit ter zu kommen,
denn Transjordanien allein stellte nur 40 Ritter. Hebron war aber eine eigene Herrschaft,
die nur in Personalunion mit Transjordanien verbunden gewesen war.
Immerhin zeigt aber Johanns Baronieliste, daf wir esbei Galilaea, Caesarea, Sidon und
Transjordanien mit Herrschaften der ers ten Ordnung zu tun haben, wahrend das gleich-
fal ls schon behandelte Bairut zu den mit tleren Herrschaften gehiirt , denen aber noch Be-
deutung zukam. Es stellte immerhin 21 Ritter. Eine andere dieser mittleren Herrschaften
war Haifa, mit s ieben Rittern deutl ich kleiner. Die ers te Urkunde eines Herrn von Haifa
(RRH nO418 von 1165)ist bereits besiegelt, und wir wissen nicht, wie die Dinge hier zuvor
lagen. Nun war der damalige Herr von Haifa namens Vivianus schon lange indiesem Amt,
denn berei ts 1138begegnet er mit dem Titel eines Herrn von Haifa (RRH nO174), auch
wenn er nach der in RRH n?299von 1155zutage tretenden, freilich keineswegs mit Johann
von Ibelin iibereinstimmenden und deshalb undurchsichtig bleibenden Scheidung der Va-
sallen in barones und homines regis zu den letzteren gehorte.l37
~----------
136 R. C.SMAIL,Crusading Warfare (1<)97-1193). A Contribution to Medieval Military History (Cambridge
Studies in Medieval Life und Thought NS. 3, 1956) S. 89.
137 Es werden dort drei Barone genannt: Humfred II. von Toron als Konstabler, Johannes Gotman wohl
als Gunstling des Konigs (5. unten S . 56) und der Herr von Caesarea. Jaf fa und Calilaea Mitten wahl auch
daeugehort, aber Amalrich von Jaffa unterschreibt ebensowenig wie Wilhelm von Tiberias.
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Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 47
Scheinbar regelwidrig sind die Verhaltnisse in Ramla, aber nur dann, wenn man auch
Ramla zu den mit tleren Herrschaften rechnet . Das ist fii r den Beginn des 12.Jh. nach der
Flache und der rni li tarischen Leistungskraft zwar richt ig, denn Ramla, das gegen Ende
des Jahrhunderts nach der Servi tienliste des Johann von Ibelin 40 Rit ter schuldete , hat te
1102nur eine Garnison von 15Rittern.l38 Es gilt aber nicht fur die strategische Bedeutung
der Herrschaft, die zu Beginn des Jahrhunderts das Reich gegeniiber Agypten und seinem
AuJ3enposten in Askalon abzuriegeln hatte. Die akuten Bedrohungen aus Askalon wahrten
bis 1107 , aber la tent bl ieb diese Stadt e ine Drohung fi ir das Re ich , b is si e unte r Konig
Fulko in den vierziger Jahren mit einem Kranz von Gegenburgen zerniert wurde. Bis dahin
brauchte der Konig in Ramla einen Mann, auf den er s ich verlassen konnte. Das gab urn-
gekehrt dem Herrn von Ramla eine i iberproportionale Bedeutung. Er fiihrte schon vor
1120 ein Siegel, denn Hugo von Ibelin, Herr von Ramla, s iegelte 1160eine Urkunde fii rdas Chorherrenstift vom HI. Grabe mit dem Siegel seines GroBvaters miitterlicherseits,
Balduini ... Ramathensis Latinorum domini primi (RRH n? 360), und Balduin ist 1120
in RRH nO go und auf der Reichsversammlung in Nablus le tz tma ls bezeugt. Wen~
Hugo ihn als dominus bezeichnete, so mag dies eine Riickproj izierung der damals
jedermann selbstverstandlichen Verhaltnisse und Titulaturen in das friihe 12.Jh. gewesen
sein, denn sonst wird Balduin I.von Ramla nirgends ausdriicklich als Herr von Ramla
bezeichnet, und das kann eigentl ich auch nicht so sein, denn als der Konig 1118Jaffa und
sein Gebiet aus der Krondomane ausgliederte, da gehiirte allem Anschein nach Ramla mit
dazu. Jedenfalls wurde es spater als Afterlehen der Grafschaft Jaffa-Askalon angesehen.
Da also 1118auch Ramla als Teil Jaffas aus der Krondornane ausschied, sank Balduin I.von
Ramla formal vom Kronvasallen zum Aftervasallen abo Das bedeutete theoretisch, daB er
in damaliger Zeit seine Mitgl iedschaft im Rat des Konigs verlor, aber fii r die pol it ische
Stellung Balduins im Reich war dievasallitische Unterstellung unter Jaffa relativ belanglos,
denn sie betraf ihn nur einige Jahre gegen Ende seines Lebens, als sein politisches Gewicht
schon so stark war, daJ3sich an den wirkl ichen Verhaltnissen nichts anderte . Er hat te
1120 eine Bedeutung, die der der fiihrenden Barone nicht nachstand, denn Wilhelm von
Tyrus nennt in seinem Bericht iiber die Reichsversammlung von Nablus139 1120 als welt-
liche Teilnehmer die Herren von Caesarea und Tiberias (=Galilaea), ferner den Konstab-
le r von Ja ffa (dessen Herr noch rninde rjahr ig war ; vgl. RRH n? go) als Vertreter dieser
GroJ3baronie und eben Balduin I. von Ramla, der damit zur ers ten Garnitur gerechnet
wird, auch wenn ihm Wilhelm formal richt ig den dominus- Titel vorenthalt, Da B er ein
Siegel fiihrte, unterstreicht seine Bedeutung und erweist seine seigneurahnliche Stellung.
Da wir keinen anderen Aftervasallen kennen, der injener Zeit bereits gesiegeIt hatte, halten
wir es fii r wahrscheinl ich, daJ3er das Siegel schon vor 1118angenommen hat , als er noch
direkter Kronvasal l war. Wir haben dann in der Fri ihzeit Siegel in genau jenen (und nur
jenen) Gebieten belegt, die Wilhelm von Tyrus als die fiihrenden auf dem Konzil von Na-
blus ausdriicklich nennt: Ramla vor 1118, Galilaea 1119, Jaffa 1123, Caesarea 1131. Es
scheint so zu sein, daJ3die wirklich bedeutenden Kronvasallen unter Balduin I.das Recht
zur Siegelung erhielten oder es s ich nahmen, wobei Jaffa unter dem 1118 verstorbenen
Konig ja noch nicht ausgetan, sondern Bestandteil der Krondornane war, so daJ3wir unter
Balduin I.dort kein Siegel erwarten diirfen. Wir halten esdurchaus fiir moglich, daB Cae-
sarea auch schon unter Eustach I.Granier, der auch noch iiber Sidon herrschte, ein Siegel
hat te , denn das ers te uns bekannte Siegel von 1131scheint schon zur zweiten Welle zu ge-
138 Fulcher von Chart res, His t. Hieros. I I 15, 2 S. 426.
lag WT XI I 13, RHC Hoc 1, 532.
.~
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
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Hans Eberhard Mayer
horen, da unter Balduin II. wenigstens in Galilaea ein Ruckgang der Siegelung des Fursten
e inget re ten war (s . oben S.40f .), wahr end der Befund in Ja ffa , wo s ich Graf Hugo sein
Siegel voll erh ielt , n icht aussagekraf tig ist , wei l alles darauf hindeutet, daB Hugo, schon
unter Balduin II. , dem er die Einsetzung in Jaffa verdankte, seine eigenen Wege gegen den
Konig ging, indem er auf eine Ti telerhohung aus war , die der Vermutung der Halbauto-
nomie Vorschub leistete, und in der askalonitanischen Sache Vorstellungen verfolgte, die
denen des Konigs diametral zuwider liefen , Seine eigenwi llige I lloyalitat kulminier te
schlief ilich in seiner offenen Rebellion gegen Konig Fulko im Jahre 1134, bei der er sich
zum Anfuhrer des Teils des Adels aufgeworfen zuhaben scheint, der auf die Ausfiihrung des
Testaments Balduins II. drangte,UO was angesichts seiner doeh recht offenen Negierung
Balduins II. in bezug auf die kiinfrige Herrschaf t in Askalon ein igermaBen ironisch ist.
Jedenfalls leg te Konig Fulko, obwohl er aus Anjou an maehtgier ige Vasallen und deren
Zahmung gewohnt war, den Magnaten be i i hrem Siege l nichts in den Weg, wenigs tens
nicht in sein en Anfangs jahren, a ls e r b is 1134mit dem Grafen von Tripol is und der Re-
volte Hugos von Jaffa zu karnpfen hatte. RRH n? 139mit dem ersten uns bekannten caesa-
rensischen Siegel ist wenige Tage nach Fulkos Kronung ausgestellt, ein Jahr spater siegelte
der Herr von Gal ilaea noch e inmal , und 1133 fi ihr te Hugo I I. von Jaff a immer noch sei n
Grafensi ege l ( s. oben S. 42) . Walter von Caesarea hangte sein Siege l i n f remder Sache
aueh an RRH nO159, das unte r dem Jahr 1135 lauft, ohne daB da s Dat um in Ordnung
ware. Gehor t das Stuck wirklieh zu 1135, so batten wir hier eine besiegelte Magnatenur-
kunde aus der Zei t nach der Niederwerfung von Hugos Revolte vor uns, sodaBder Siegel-
gebrauch der GroBvasallen unter Fulko auch dann eher weiterlief als nicht, obgleich keine
anderen Magnatenurkunden aus seiner Regierungszei t erhalten sind, an denen wir diese
Theorie iiberprufen konnten. Die nachste stammt erst wieder von 1145(RRH nv 237 Wal-
ters von Caesarea) . Sowiees nur eine ungesicherte Moglichkeit i st , daB Balduin II. , wenn
auch mit wechselndem Erfolg, das Magnatensiegel einzudammen suchte oder es wenig-
stens nur ungern sah, i st es ebensoeine unbeweisbare Hypothese, daB Konig Fulko es so-
for t wieder zulieB und damit die zweite Welle der Vasallensiegel ein leitete. Aber beides
sind denkbare Moglichkciten , denen es entspricht, daB in die Spatzei t Balduins II. und
die Fri ihzeit Fulkos die ersten bekannten Magnatenrevolten fallen, was auf ein Erstarken
und ein vermehrtes Selbstbewulitsein dieser kleinen Schieht der GroBvasallen hindeutet
bei denen das Siegel eine Prestigefrage sein muBte. '
Wenn der Herr von Ramla von 1160das Siegel seines GroBvaters Balduin I. gebrauchte,
so wird es sich bei allen friiheren ramlensischen Siegeln urn einen Abdruck desselberr Bul-
lens tempels gehande lt h aben. Das vermuten wir schon fur das Siege l, mit dem Rainer
von Ramla (1144-1148) eine Urkunde zu besiegeln gedachte, woran ihn nur der Tod hin-
derte (RRH nO252). Barisan-le- Vieux, der Stammvater des Hauses Ibelin und langjahriger
Kons tabler der Grafschaft Jaff a bis zur Revol te des Grafen Hugo I I. von 1134 , di e zur
vorubergehenden Einziehung der Grafschaf t f iihr te, hatte die Tochter Balduins I. von
Ramla namens Helvis gehei ratet und damit die Familiengii ter der Ramlas sich und seinen
Sohnen aus der Ehe mit Helvis zugewandt. Er selbst hat den Titel eines Herrn von Ramla
nie gef iihr t, sondern hat ihn seinen Sohnen i iber lassen , denn der Konig Fulko hatte ihm
zur Belohnung seiner Rolle in der Grafenrevolte, als Bar isan die joppensischen Vasallen
indas Lager des Konigs gef iihr t hatte, die anfangs der vierziger Jahre erbaute Burg Ibelin
und damit die darum herum entstehende gleichnamige Herrschaf t ver liehen, sparer ein
Afterlehen der Grafschaft Jaffa-Askalon, als diese wieder aus der Krondomane ausgeglie-
1<0 MAYER,Queen Melisende, DOP 26, !07f.
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Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 49
der t wurde. Ibelin war die r :wei te der drei Gegenburgen, mit denen der Konig Fulko 1136
bis 1142Askalon von Norden her halbkreisformig umsaumte, und kontrollierte die Kiisten-
straBe Askalon-Ramla-Lydda- Jaffa, langs deren das Fatimidenreich bis 1107von Askalon
aus standige Angri ffe gegen das Konigreich Jerusalem vorgetragen hatte, die allemal in
der Ebene von Ramla aufgehalten werden muBten. Es war daher nur natir rlich, die Grenz-
verteidigung gegen Askalon, sollte sie notwendig werden, derselben Familie zu iibertragen,
die bereits Ramla kontrollierte, da sie das allergrofite Interesse daran haben muBte, musli-
mische Einfalle von Suden her schon bei Ibelin zu stoppen.
Obwohl Bar isan-le-Vieux sich nie off iziell Herr von Ramla nannte, lenkte er eindeutig
auch die Geschicke Ramlas und des damit verbundenen Mirabel. Dies geht gerade aus dem
hi er behande lten Stuck RRH nO252hervor . Die Sehenkung , die Rainer von Ramla den
Leprosen von St . Lazarus be i Jeru sa lem gemach t, aber nieht mehr beurkunde t h at te ,
wurde nunmehr von Barisan und seinen Sohnen Hugo und Balduin 1148bestatigt. Da die
Leprosen sieh gerade dadurch beschwert f iihlten, daB ihne'n Rainer eine Siegelurkunde
versprochen hatte, muBte natur lich auch die Bestatigung gesiegelt werden. Bar isan-le-
Vieux bediente sich dazu des Siegels des Templerordens und wir haben schon oben S. 35
darauf hingewiesen, daB dies das fruheste Templersiegel i st , das uns im HI. Land bekannt
ist . Zuvor hatte Bar isan-le-Vieux seine Urkunden entweder gar nicht besiegelt (RRH nO
100.112) oder mit dem Siegel seines Lehnsherrn (RRH nO120)versehen, also wie RRH nO
252mit einem anderen Siegel in fremder Sache. Dennoch scheint RRH nO252darauf hin-
zudeuten, daB Barisan 1148auch selbst ein Siegel f iihr te, denn er lieBdas Stuck mit dem
Templersiegel siegeln sigillo meo carens, und harte e r gar keines gehabt , sohat te esnahe-
gelegen, das Possessivum wegzulassen und sigillo carens zu schreiben. Er hatte anschei -
nend eines, hatte es aber imMoment nicht greifbar. Ob esein eigenes Siegel der Herrschaft
Ibelin war , wissen wir nieht. Es ist f fiag lich , aber die Tatsache, daB sein Sohn Hugo noch
1160nach seines Vaters Too. als er in Ibelin und Ramla herrschte, n icht ein eigenes ibelin-
sches Siegel, sondern das ramlensische Siegel seines GroBvaters Balduin I.von Ramla
gebrauchte, laBt uns vennuten, daB 1148auch Barisan-le-Vieux dieses Siegel besaB und
bei anderen Gelegenheiten auch verwendete.
Erst recht handelte es sich urn das alte Siegel Balduins I.von Rarnla, a ls Radu lf , e in
kleiner Lehnsmann der lbelins (der sich wie Hugo von Ibelin selbst aus der sarazenischen
Gefangenschaf t f reikaufen muBte, in die er mit seinem Herrn 1157geraten war) im Jahre
1158 RHH n> 335 mit dent sigillum Ramatense (Taf. I II , Abb. 26) besiege ln l ieB.U1
lU Dieses Siegel hat Antonino Amico im Ms. Qq. H. 11 fol . 107v (fruber 259V) der Stadtbibl iothek zu Pa-
lermo nachgezeichnet; Beschreibungbei SCBLU"BRRGBR,Sigillographie S. 54nO126mit Abbild. ebd. Taf. 19
no3.Das Siegel zeigt auf dem Avers einen Rit ter mit Lanzeund der Umschrift : + SIGILLVM BALDVINI,
auf dem Revers eine ummauerte Stadt mit dem Tor, einem Festungsturm und zwei f lankierenden Kuppel-
gebauden, e ines von einem Krenz, das andere von einem Halbmond gekront , sodaB SCHLUMBERGER an die
Kirche und die Moschee von Ramla dachte, aber wir hal ten eine solche Bezugnahme auf ein muslimisches
Kultgebaude auf einem Kreuzfahrersiegel fiir ausgeschlossen und fur einen Fehler des Nachzeichners, zu-
mal das Siegel der Nachzeichnung des Siegels Balduins von Ibelin-Ramla an RRH nc 533so ahnlich ist , daB
wir in der Tat beide ident is cb und fur Abd rucke des selben Bull enst empels hal ten (vg!. unt en Anm, 148).
Doch zeigt die zweite Nachzeichnung (Taf. lII, Abb. 27)wehende Banner auf den beiden Kuppeln und d ie
Legende: + CIVITAS RAMA. Es handelt s ich ohne Zweifel urn den Abdruck des Bullenstempels, den sich
Balduin I.von Ramla (t 1120) herstel len l ieB. - PAOLI,Cod. dip!. di Malta I , Taf . III no29bildet die Nach-
zeichnung eines Siegels eines sonst unbekannten Radulf von Ibelin ab (SCBLUMBERGER,igillographie S. 47
no 111), bei dem es sich am ehesten urn eine Verwechslung mit dem Siegel Balians des Jiingeren von Ibelin
(5. unt en Anm. 151)handelt . J edenfall s i st unt er den von PAOLIged ruckten Urkunden das S tuck, an dem
Radulfs Siegel gehangen haben soli, nicht zu linden.
. . Ab, -ALh, phi l. ch is t. 8): Mayer , Das S iecdwesen
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
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5° Hans Eberhard Mayer Ir erklarte, dafl er diesesanbringen lasse, wei!er selbst kein eigenes hatte, ja quia proprium
sigillum minime habebat. Die Formel, daB man ein fremdes Siegel benutzt, weil man kein
e igenes hat, kommt in diese r Zeit auf (RRH n? 209.252.3°1.333.335.433 von 1142-1167;
vgl. auch RRH nO783. 784von 1201). Sie zeigt prinzipiell an, daf die Siegelurkunde mehr
und mehr als das Normale angesehen wurde, aber hier in der Verbindung mit dem Super-
lativ minime zeigt s ie , daf einem einfachen Ritter, der der Lehnsmann der noch nicht in
den ersten Rang der Aristokratie aufgestiegenen, wenngleich schon bedeutenden Ibelins
war, ein Siegel nicht zustand. Man muf freilich beachten, daf von den hier vorgefuhrten
Belegen fii r diese oder ahnliche Formeln RRH n? 252.3°1.333.335-433 aus dem Bereich
der Ibelins stammen. Es wird also klar, daf die Ibelins mit der ihnen eigenen Tatkraft, die
sie selbst unaufhaltsam nach oben spiilte, ihre Herrschaft nach unten sicherten, auch da-
durch, daB sie den Gebrauch des Siegels ihren Kleinlehnsleuten verweigerten. Dagegen
verdeutlichten sie, wo sie selbst sich der Formel bedienten, daf sie nach Siegelurkundenund damit nach einer Verfestigung ihres sozialen Ranges strebten, esjedenfalls bereits fur
unter ihrer Wiirde hielten, s iegellos zu urkunden. Dabei ist es geradezu erhei ternd zu se-
hen, mit welcher Umsicht Hugo von Ibelin zu Werke ging. Derselbe Mann, der 1158in
RRH nO335und 1160 in RRH n? 360 das Siegel seines Groflvaters Balduin von Ramla
benutzte, also de facto ein Siegel fuhrte, auch wenn es nicht auf seinen Namen lautete, lief
RRH nO 301.333 von 1155-1158,die beide gewissermallen unter den Augen seines eigenen
Lehnsherren, des Grafen von Jaffa-Askalon ausgestellt sind, nicht mit dem Siegel seines
Grollvaters, sondern kreuzbrav mit dem Grafensiegel siegeln, dazu noch in beiden Fallen
mit der Begri indung : tum quia ipse sigil lum non habeo, was rechtlich korrekt, faktisch
falsch war. Eswar ihm vollig klar, dafl ihm die Fuhrung des sig£llum Ramatense eigentlich
nicht zustand, weil Ramia seit 1118keine eigene Seigneurie mehr war.
Irn Innenverhal tnis hat ihn, der jeder Zoll ein echter Ibelin war und viel dazu beitrug,
seine Familie zur fUhrenden Adelsfamilie des Reiches zu machen, dies nicht geschert, son-
dern er hat das grofsvaterliche Siegel gebraucht, wo er konnte, auch wenn er (oder verrnut-
lich eher die Empfanger) diesem hinsichtlich seiner Rechtsverbindlichkeit nicht immer
ganz trauten, denn RRH n? 360 war aufierdem noch mit dem Siegel des Bischofs Konstan-
tin von Ramla - Lydda versehen . Ubr igens war auch Hugos Urkunde RRH n? 330 von
1158/59 besiegelt, jedenfalls hat das erhaltene Original in Malta Siegellocher, auch wenn
das Siegel verloren ist. Es ist anzunehmen, daB es sich hierbei ebenfalls urn das ramlensi-
sche Siegel handelte, da Hugo kein anderes hat te . Auch irn Inneren der Famil ie achtete
Hugo wie schon sein Vater Barisan auf die notwendige Kohasion. Straffe Familiendisziplin
und einheitliches Handeln gehorte zu den Erfolgsrezepten der Ibelins, die bis wenigstens
1236stets ein klar erkennbares Familienhaupt hatten.142 Am 16. August 1162urkundete
Hugos jiingerer Bruder Balduin, dem die Teilherrschaft Mirabel aus den ramlensischen
Familiengutcrn iiberlassen worden war, fur die Abtei Josaphat, jedoch sigillo Ramathensz·
iubente fratre mea domino Hugone (RRH nO370b). Hugo, der selbst noch kein eigenes voll-
gultiges Siegel hatte, lieB naturlich erst recht keines bei scinem ihm nachgeordneten Bru-
der Balduin zu.
1mfolgenden Jahr gelang der Famil ie cin entscheidender Sprung nach oben, der wich-
tigste, seit Barisan-Ic-Vieux Helvis von Ramla geheiratct hatte. Es war zugleich der ent-
scheidende Schritt zum eigenen Siegel. Hugo von Ibelin heiratete Agnes von Courtenay,
die Tochter des Grafen Joscelin II. von Edessa und die Witwe Rainalds von Marash (s.
oben S. 19). Ihre zweite Ehe mit dem Grafen Amalrich von Jaffa-Askalon, dem Bruder
II ·
---------------- - -------- ----
1'2 S. dazu MAYER, Ibelin, Proceedings of the American Philosophical Society 122 NT. 1, S. 31
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 51
des Konigs Balduin III. von Jerusalem, wurde nach dem Tode des Konigs am 10. Februar
1163eilends annulliert, um Amalrich den Weg zum Thron zu ebnen, den er am 18.Februar
1163 erhielt, so daf die Ereignisse offenbar sehr rasch abrollten.P'' Es war daher nur fol-
gerichtig, wenn Agnes statim, d. h. nach der wegen einer eventuellen Schwangerschaft
notwendigen Pause von neun bis zehn Monaten, noch im Jahr 1163u4 Hugo von Ibelin,
den machtigsten Vasallen der Grafschaft, heiratete, urn ihren Einfluf in den Dingen der-
selben zu zementieren. Fur die Ibelins bedeutete die Heirat die Verbindung mit der Familie
der Grafen von Edessa und die ers te Beruhrung mit dem Konigshaus. Da zudem Agnes
eine der machthungrigsten Frauengestalten des lateinischen Orients war, konnte sie die
Aufst iegsbestrebungen der Ibelins nur fordern, und so ist es nicht ers taunlich, daf Hugo
sich jetzt ein eigenes Siegel schneiden Iief].War RRH nO370b vom August 1162, also vor
seiner Heirat mit Agnes, mit dem sigillum Ramatense gesiegelt, so anderte sich das jetzt,
denn in RRH nO433 von 1167gab Hugos Bruder Balduin von Mirabel mit dem Konsens
Hugos, der Grafin Agnes und seiner anderen Verwandten ein Casale an die Johanniter.
Besiegelt wurde das Stuck von Hugo als Chef des Hauses Ibelin, und zwar wie folgt : Ego
Ugo de Ibelino laudavi et concessi et rogatu fratris met"Balduini, qui bullam memorialem
non habebat , proprii sigil li mei auctentica impressione hoc privi legium munivi e t robo-
ravi.146Man sieht deutl ich, was die Ehe mit Agnes, auch wenn sie kinderlos blieb, fur den
Aufstieg der Ibelins bedeutete.
Man muf dabei beach ten, daf sich mit dem Aufs ti eg des Grafen Amal ri ch von J affa-Askalon zurn Konig auch Hugos rechtliche Stellung veranderte, Da die Doppelgrafschaft
nun bis 1176der Krondomane einverleibt wurde, riickte Hugo - wie die joppensischen Va-
sallen insgesamt - zum direkten Kronvasallen auf, erlangte also die Stellung wieder, deren
sein Groflvater Balduin I.von Ramla 1118verlustig gegangen war. Hugo konnte nun seine
Besitzungen Ramla, Mirabel und Ibelin als echte Seigneurien betrachten, und es war nicht
einzusehen, warum er nicht ebenso ein eigenes Siegel haben sollte, wie sein Grofivater es
besessen hat te , als er Herr in Ramla und als solcher Kronvasal l gewesen war.
Es fragt s ich sofort, ob der mit der Neuerung eines eigenen Siegels Hugos von Ibelin-
Ramla vol lzogene Wechsel auch auf seinen Bruder Balduin von Ibelin-Mirabel durch-
schlug. Die oben zitierte Formulierung in RRH nv 433 laBtimmerhin die Deutung zu, daf
Balduin dieses Stuck deshalb mit Hugos Siegel siegeln lassen mulite, weil er zwar ein Siegel,
vielleicht sogar eine Bleibulle, aber keine bulla memorialis hatte, also kein glaubwurdiges
Siegel von dauerhaftem Wert . Allerdings ist eine solche Scheidung von "memorialen"
und "nicht-memorialen" Siegeln in HI. Land nicht einmal andeutungsweise belegt. Es
gab zwar nichtseigneuriale Bleisiegel wie diejenigen der Vizegrafen von Nablus (s. unten
S. 81) und dasjenige Barisans des jungeren von Ibelin-Nablus , aber wir miissen davon
ausgehen, dafl diese Bleisiegel die mit ihnen besiegelten Urkunden voll und fur aile Zeiten
beglaubigten und in beiden Fal len, wo es sich ja urn sehr machtige Leute handelte, den
seigneursahnl ichen Anspruch untermauern sol lten, auch wenn wir schon sahen, daf das
Siegel Barisans des jungeren vom iibli chen Typ sich doch unte rsch ied (s. oben S. 40).
Am ehesten hatten Wachssiegel und B1eibullejener moglichen Scheidung von vorlaufigern
und dauerhaftem Siegel entsprochen, der mit dem Wort memorialis bezeichnet wird, und
U3 WT XIX 1 .4 , S . 883 f ., 8 88 I f.
lU 1164be i MAYER,Queen Mel is ende , DOP 26,156 dur ft e zu spa t und e in Fehle r s ein, der s ich auch sonst
i n d er Li ter at ur f in dct und au f DUCANGE-REY, FamilIes d'Outremer S. 363 zuriickgeht.
145Ube r RRH no410a von 1164. s chon mit dern Konsens der Gra fin Agnes ausge stel lt , l 30Btsich nicht s
sagen , da der Text nur a ls Reges t uberuefert ist und auch die verlorene Vorlage nieht gesiegelt war, da es
s ich urn e inen Rotulus mi t v ie r anderen Ibe lin-Urkunden hande lt e.
"
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/hemayer-das-siegelwesen-in-den-kreuzfahrerstaaten-1978 27/55
' ) ,I . !i /' " ' ", ', , ' , ' , i i , ' I , , > ! I i i i l i i " . ;
wir werden in der Tat weiter unten zeigen, daBWachssiegel nur vorHiufige~ Wert besaBen. "
Aber wi r haben aus dem ganzen 12. Jh. n ich t ein einziges l aikale s Wachssiege l in den
Kreuzfahrerstaaten. Man kann denn die Siegelankiindigung in RRH nO433 auch so deu-
ten, daf Balduin von Mirabel nach wie vor i iberhaupt kein eigenes Siegel haben durfte,
sondern sich jetzt des briiderIichen Siegels bedienen mufite, so wie zuvor des vom Bruder
verwalteten grolivatcrlichen. Das hatte ganz dem im Interesse der Gesamtfamilie immer
auf den Familienchef konzentrierten ibelinschen Denken und Handeln entsprochen.
Auch ein Blick auf das urkundliche Material erhartet diese These, wenngleich nicht mit
der wiinschenswerten Eindeutigkeit. Von Balduin von Ibelin-Mirabel sind narnlich aufler
RRH n?433 noch vier Urkunden iiberliefert, die meist aus der Zeit nach Hugos Hochzeit
mit Agnes stammen. Das gil t nicht fur RRH n?376a von 1162,das nur als Regest erhal ten
ist und fiir das ein Bleisiegel erwahnt wird, ohne daf wir wiillten, wessen Siegel es war.146
Ebenso verhalt essich mit RRH n? 384a vom 23.November 1163, bei dem ein Hangesiegel
erwahnt wird.147RRH nO419 von 1165und RRH nO423 von 1166kiindigen kein Siegel
an, waren aber nach Ausweis der noch erhal tenen Originale besiegelt . Es ist vor al1em
diese Kombination von vorhanden gewesenem Siegel und fehlender Ankiindigung, die
uns vermuten lal lt ; daf hier Hugos Siegel verwendet wurde und kein eigenes Balduins,
so dall wir auch RRH nO433 so interpretieren miissen, daB die Existenz eines Siegels Bal-
duins von Ibelin-Mirabel dadurch nicht erwiesen wird. Der Befund andert sich denn auch
sofort nach Hugos Tod. Er siegelte 1169noch RRH n?472 am Vorabend seiner Wal1fahrt
nach Santiago de Compostela. Danach horen wir nichts mehr von ihm. Ais Herr von Ramla
folgte ihm nun sein Bruder Balduin, von dem wir aus den Jahren 1175und 1176eine Reihe
von Urkunden haben, die al1esamt met' sigilli impressione besiegelt sind.1'8 Nach wie vor
hielten die Ibelins mit eiserner Konsequenz die eigenen Vasal1en klein, denn eine Schen-
kung Hugos des Flandrers von 1181 (RRH nO611) war von seinem Lehnsherrn Balduin
von Ibelin-Ramla gesiegelt sigillo meo Ramatensi, und dieser Hugo war nicht irgendwer,
sondern Kastel1an von Ramla (RRH n? 597 von 1180).
War Ramla, jedenfal1s am Anfang, doch mehr als eine durchschnittliche Herrschaft, so
bewegte sich Toron umfangrnafs ig unter den mit tleren Herrschaften und arbei tete s ich
gegen Ende des 12.Jh. auf einen Rit terdienst von 18Rit tern empor. Ais Humfred II. von
Toron, der bedeutendste Mann seiner Famil ie , der viele Jahre hindurch Konstabler des
Reiches war und damit das hochste Kronamt innehatte, 1148eine Schenkung an die Laza-
riter machte (RRH nO251),hatte er noch kein Siegel, sondern liell das ganze Geschaft von
dem Patriarchen Fulcher beurkunden, und eine weitere Schenkung aus dem Jahre 1151(RRH n? 266) li el l er vom Erzbischof Pet rus von Tyrus bes iegeln. Ob Humfred II. vor
, ').
S2 Hans Ebe rhard Mayer
148 Inventar des Archivs von Manosque (vgI. HIESTAND, Zwei Diplome aus Lucca, QFIAB 50, 4 Anm,
13) fol. 41". Freundlicher Hinweis von Prof. Rudolf Hiestand (Dusseldorf).
" , Ebd. f ol . 6 57r. Freundlicher Hinweis Prof. Hiestand.
us RRH nO533.539.546.RRH n?530a i st nur a ls Reges t ube rl ie fe rt und macht keine Angaben. Das Siege l
'Von RRH nO 533. beschrieben bei SCHLUMBERGER, Sigillographie S. S4 ric 127, hat PAOLI I II ~c~ncmCo~.
dipl. d i Mal ta I, Taf . 2 no 21 nachgezeichne t; vgl . a uch die Abbildung bei SCHLUMBERGER,Slglllogr~phle
Taf . 18nO4und hie rTaf . I II , Abb. 27. Es i st dem auch nur a ls Nachzeichnung bekannten SIege l Balduins I.
von Ramla so ahnlich (5. oben Anm. 141). daf WiT glauben, daf Balduin von Ibclin-Ramla, als er Herr von
Ramla wurde, einfach den alten Bullenstempel Balduins L von Ramla reaktivierte, den sein Bruder Hugo
abgelegt hatte, alser Agnes von Courtenay heiratete und sich eineigenes Siegel schneiden lien. Wcnn diese
Vermutung richtig ist, so wurde es sich hier urn einen der ehrwiirdigsten Bullens~empel der .Kreuzfa~rer-
staaten gehandelt haben, der nacheinandcr von Balduin 1. von Ramla, moglic~erwelse von Ban~an-le-VleUx.
von Ibe lin, s ic her z ei twei se von des se rt Sohn Hugo von Ibe lin und ehen anscheinend auch von semem Brude r
und Nachfolge r Balduin von Ibe lin-Ramla benutzt wurde .
•
,.;il I
,III
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten S3
seinem Tode 1179 noch die Besiegelung aufgenommen hat , wissen wir nicht . Zwar hat
Chandon de Briailles=" eine lose Bleibul1e von ihm veroffentlicht, aber das Stuck wirkt
alles andere als einwandfrei, denn es zeigt, entgegen allem Usus bei den Seigneurssiegeln,
die Burg Toron nicht auf dem Revers , sondern auf dem Avers mit der grammatisch fal-
schen Legende: +SHEMFRIDVS DE TORONE(stattHemfridi),wahrendderRevers
die i ibliche Rit terfigur mit der Umschrift : + CONSTABVLARII REGIS HIELM
aufweist. Wenn dieses ganz ungewohnliche Siegel echt sein sollte, so miillte die Bullen-
zange dafiir nach Humfreds Ernennung zum Konstabler des Reichs 1152160erfolgt sein,
ja diese ware vermutl ich, da er 1151noch nicht s iegelte, der Anlal l f ii r die Aufnahme der
Siegelung gewesen. Humfreds Enkel Humfred IV. (der Sohn Humfreds II. war vor dern
Vater gestorben) fiihrte 1183ein eigenes Siegel (RRH n? 628), Iie ll aber auflerdern das
Siege! des Konigs Balduin IV. an die Urkunde anhangen. Auch Alice von Toron, die alsTitularherrin von Transjordanien in historisch verkehrter Ankniipfung an den aus Antic-
chia nach Transjordanien verschlagenen Fursten Rainald von Chatillon sich principissa
nannte, blieb beim Siege! (RRH nO1065von 1234) und nach ihr Philipp von Montfort
(RRH n? 1099von 1241).
Uber weitere Herrschaften l iegt aus dem 12.Jh. kein Material zur Siegelfrage vor mit
der Ausnahme von Nablus, das wir allerdings nicht als vol le Seigneurie ansprechen.P!
auch wenn sein Herr, Balian von Ibelin, den dominus-Titel von Nablus und auch ein Siegel
fiihrte (RRH nO570.640b aus den Jahren 1178-1185).
Vielleicht sol lte man auch einen Blick auf die im HI. Lande nur voriibergehend anwe-
senden Auslander werfen. Ganz hochrnogende Herren brachten selbstverstandlich ihr Sie-
gel mit, ein paar Beispiele mogen geniigen. Heinrich der Lowe kiindigte in seiner Schen-
kung an das HI .Grab von 1172sein eigenes Siegel an /52 auch wenn an dem in Wolfen-
bii tte! erhal tenen Original nicht seines hangt , sondern das des Konigs von Jerusalem,
des Patriarchen und des Priors der Grabeskirche, weiles sich offenbar urn das von Heinrich
mit in die Heimat genommene Zweitexemplar handelte. Die Diplome (nicht die Briefe
und Mandate), die Philipp II. Augustus von Frankreich im HI. Lande ausstel lte, waren
ausnahmslos besiegelt+". Die Urkunde des Konigs Richard Lowenherz fur Pisa, lM die er
HI CHANDON DE BRIAILLES , BulIes, Syria 27. 287 nO 5.
1 . WT XVII 14, RHC Hoc I, 781.
151 MAYER, Bistiimer S. 353f. Der Siegelbefund besta tigt diese Auffassung. Balian siegelte 1180. obwohl
berei ts m it Mar ia Komnena verhe ir atet und darni t Her r ihr es Wit tums Nablus , -RRH no597mit e inem Siege l,das ihn a ls Herrn von Ibe lin auswies , der e r b is 1187 tatsachlich war (SCHLUMBERGER, Sigillographie S. 46 e
nO110; h ie r abge bil det Ta f. IV, Abb. 28). Er st al s 1185das Ki nd Ba ldui n V. au f d en Thron gekommen und
das Ansehen des Konigshause s sowei t gesunken war , daB Plane zur Ablosung der Dynas ti e e rnstha ft bet ri e-
ben werden konnten (dazu MAYER, Bis tume r S. 27£.) , nahm Bal ian auf e inem neu geschni tt enen Siege l, das
l ose und an RRH ric 640b als Nachzeichnung erhalten ist (SCHLUMBERGER,Sigillographie S. 52 nO121.122;
h ier abgeb il det T af . I II , Abb. 19) . d en Ti tel e in es Her rn von Nab lu s an , au ch wenn er si ch imTex t s ei ner
Urkunden berei ts s ei t s eine r Hei ra t m it Mar ia Komnena sogenannt hat te . Abe r Titulaturen in Priva turLcn-
den waren rechtlich naturlich unverbindlicher und unauffalliger als Siegellegenden. Der Siegelbefund unter-
mauer t n icht nur unsere The se , daf Nablus bei der Hei ra t Mar ia Komnena s mit Bal ia n von Ibelin rechtlich
Teil des Kronguts blieb und keine eigene Herrschaft wurde, sondem die Usurpation eines Siegels von Nablus
durch Bal ian von Ibe lin z eigt auch, w ie sehr s ich die Kri se des Reichs mit dem Tod Balduins IV. zugespi tz t
hatte.
rsa RRH no 494; MG DHdL no 9 4.
10.Henri Francoi s DELABORDE,Recuei l des a ctes de Phi lippe Augus te , roi de France 1(Cha rtes e t d ip lo-
mes relatifs a I 'h ist oi re d e F ra nce 6 ,1 1916) S. 464 no376 b is S . 479 nv389 .
mRRH nO706. L ione l LANDON,The I tine ra ry of K ing Richa rd I w ith Studies on Cer ta in Mat te rs of In-
t er es t Connected with his Reign (Publ ic at ions of the Pipe Rol l Soc ie ty 51=N.S. 13, 1935) S . 56 nO365. "
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/hemayer-das-siegelwesen-in-den-kreuzfahrerstaaten-1978 28/55
54 Hans Eberhard Mayer
im HI. Lande ausstellte, war gleichfalls besiegelt. Auch die Griindungsurkunde Ludwigs
des Heiligen fiir das Erzbistum Damiette vom November 1249war nach der Ankiindigung
besiegelt.P' ' Wie sah es wei ter unten auf der sozialen Lei ter aus? A1 s 1138 ein spanischer
Graf, der mit spanischen Pilgern im HI. Lande war , dem HI. Grab eineSchenkung machte,
da f iihr te er kein Siegel mit, sondern erbat das des Patriarchen.Ps Nicht anders hielt esder
schwabische Edelfreie Bertold, der 1142anlafslich einer Pilgerfahrt dem HI. Grab die von
ihm urn 1130gegriindete Kirche in Denkendorf bei Esslingen schenkte. U1 Mit der Begriin-
dung, daJ3er ein eigenes Siegel nicht habe, bat er die Chorherren urn Besiegelung. Im iibri-
gen ist die Urkunde kur ios beglaubig t, denn auf propria manu subscri60 folgt uberraschen-
derweise in lapidarer Ki irze der Name Witte/mus, womit vielleicht der Patriarch gemeint
i st , wahrend man Bertoldus erwar ten wii rde. An den beiden Testamenten , die der Graf
Heinrich von Rodez 1221 und 1222 in Akkon errichtete (RRH n? 949a.959a), hingen amersten das Siegel des Grafen, am zweiten merkwiirdigerweise beide Siegel des Grafen, was
immer dies auch heiJ3en mag. Ebenso selbstverstandlich wie dieser f ranzosische Graf im
13. Jh. im Osten sein Siegel fiihrte, tat dies auch der Graf Otto von Henneberg-Botenlau-
ben, den man allerdings nicht mehr reinlich als einen "Auslander" bezeichnen kann. Er
war mit dem Kreuzheer von 1197 ins HI. Land gekommen und har te dort vor 1208 Bea-
trix, die altere Tochter des verstorbenen Titulargrafen Joscelin III. von Edessa geheiratet.
An ihr hingen die Anspr iiche auf die von Joscelin in den Soer Jahren in der Krondomane
von Akkon zusammengeraffte sogenannte Seigneurie de Joscelin. Irn Jahre 1208machten
Otto und Beatrix daraus eine Schenkung an den Deutschen Orden (RRH nO829), die der
Graf sigillo meo siegelte. Wir wissen aus Deutschland, daJ3der Graf 1231 ein prachtiges
Wachss iege l f iihrte, be i dem se ine Gemahl in Beat rix das Riicks iegel anbr achte, was
Kittel158als ein Beispiel von Ehegattensiegel bezeichnet hat. Aus RRH nO 933, als der Graf
vor der Ri ickkehr nach Deutschland die ganze Erbschaf t Joscelins III . an den Deutschen
Orden verkaufte, erfahren wir aber, daf er sich nach dem Usus der frankischen Seigneurs
im Osten eine Bleibulle zugelegt hatte. Mi t seinem Wachssiege1 aus Franken in Deutsch-
land hatte er keinen Eindruck gemacht, ja geradezu Zweifel daran auf tornmen lassen, ob
er denn i iberhaupt zum Verkauf berechtig t sei . Nun hatte Beatrix den Antei l ihrer jiinge-
ren Schwester an der Erbschaf t mit verkauf t, und deren Mann Wilhelra "on Amigdala, der
ein zugewanderter Kalabreser war,109gedachte natiirlich nicht, dies hinzunehmen, ebenso-
wenig ihr Sohn Jakob. Es kam zu einer sich durch Jahrzehnte hinschkppenden Ser ie von
Prozessen . In RRH n? 777 von Oktober 1200kiindig te Wilhelm und in RRH nO1002von
1229 Jakob von Amigdala sein sigillum an, aber daf dieses aus Blei war. urn seine Ansprii-
•
Vgl. zu dem Stuck Hans Eberhard MAYER,Die Kanzlei Richards I.von England wi dem Dritten Krenz-
zug, Mitteilungen des Instituts fur osterreichische Geschichtsforschung 85 (1977) 31-J+
155Jean RlcaARD, La fondation d 'une eglise lat ine en Orient par Saint-Louis: Darniette, Bibliotheque de
l 'Ecole des Chartes 120 (1962) 54.
156 ROZIERE, Cartutaire du Saint-Sepulcre S. 164 nO 84.
15 7RRH nO 209. Es handelt s ich u rn e in e Wiederholung der Schenkung anHiB~ se iner Anwesenheit
in Jerusalem und unter der Bedingung, daf Bertold die Kirche auf Lebenszeit von Patriarchen innehabe.
Seine ursprungtiche Schenkung hatte er schon VOT 1129/30 gemacht (JL. 7398 =BL-CKHANN. Germania
ponti fi ci a 2/1(1923)5. '209 nc1; vgI . auch MG DK III .35 von "39. Ber to ld war vermutl ich aus dem edel-
freien Gcschlecht von Beutelsbach im Remstal ; vgl . dazu zuletzt Kaspar ELM. St. Pelagius in Denkendorf.
Die alteste deutsche Propstei vom HI. Grab in Geschichte und Geschichtsschreibung. in: Landesgeschichte
und Geistesgeschichte. Festschrift Otto Herding (Veroffentl, d. Kommission fiir gesdrichti. Landeskunde in
Baden-Wur tt emberg, Reihe B, Bd.92 1977) S . 87.
158 Erich KITTEL,Siegelstudien, Archiv fur Diplomatik 8 (1962) 306 Taf. I nO1und 2
mEsto ire de Eracl es XXVIII " RHC Hoc 2 262
'.
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 55
che auf se in zu ei ner Se igneur ie gehor endes Erbgut zu untermauern, er fahr en wir aus
RRH nO1120.1121 von 1244.
Aber bei den Amigdalas handelt essich noch immer urn Leute, die in eine der ersten Fa-
milien des Landes eingeheiratet hatten, auch wenn deren For tune verblichen war . Gehen
wir i iber zu den wirklichen Kleinvasallen . Rober t vom Casale Saint-Gilles war ein After-
vasall Rohards des Alteren , der "35-1147 Vizegraf von Jerusalem war und der Konigin
Melisendis nach ihremSturz 1152in ihrWittum nach Nablus folgte.160Rober t hatte "41
sein Afterlehen Emmaus an die Johanni ter fur eine Geldrente verkauf t (RRH nO201), die
dem Betrag cines Geldlehens fiir einfeudum unius mititis entsprach. Schon dies beurkun-
dete er nicht selbst, sondern lieJ3es durch den Patriarchen von Jerusalem beurkunden, und
zwar offenkundig wegen dessen glaubwiirdigen Siegels, denn feudalrechtlich hatte Robert
keine Rechtsbeziehungen mit dem Patriarchen, sondern direkt mit Rohard dem Alterenund indirekt mit dem Konig. Spatere Anderungen der urspriinglichen Vertragsbedingun-
gen beurkundete er dann zwar selbst, aber ungesiegelt , so daf deutlich wird, daf die Emp-
fanger fiir grundlegende Rechtsgeschafte bereits auf Siegelurkunden bestanden und sich
nur in weniger wichtigen Dingen mit siegellosen Urkunden begni ig ten.P! Da ja die Her-
stellung cines Bullenstempels, seine Verwahrung und die Herstellungskosten fiir Bleisiegel
fur einen Vasallen wie Robert vom Casale Saint-Gilles-'" nicht ubermafsig hoch waren und
ein eigenes Siegel doch offenbar erhohtes Prestige brachte, miissen wir unterstellen, daf
ihm und seinen ranggleichen Standesgenosscn das Siegel verwehr t wurde und sic nicht
etwa aus Bequemlichkeit, Kostengriinden oder mangelndem Geschaftsurnfang nicht sie-
gelten. Ais Rober t 1150in RRH nO257die Zahlungstermine ander te, war diese Urkunde
unbesiegelt . Ais der Rechtshandel 1152in RRH nO274 in komplizierter Weise wei terge-
sponnen wurde, b lieb die erneute Verbr iefung wieder ungesiegelt . Es war wohl Rober ts
Sohn Balduin , der Stephanie, die Tochter Rohards des Jiingeren hei ratete, der als Kastel-
Ian von Jerusalem nach dem Tode des Konigs Amlarich (I.) voriibergehend maf3geblichen
pol it ischen Einfluf3 im Lande ausiibte, und es mag e in Nachklang und Abgianz dieser
Stellung sein, wenn sein Schwiegersohn sich 1175in RRH n? 531 dei gratia dominus Ca-
salis Sancti Egidi£ nannte, obgleich damit keinesfalls eine eigene Herrschaft verbunden
war. Auch Balduin siegelte sein Stiick noch nicht, sondern bediente sich zur Beglaubigung
des Chirographs.
Robert von Francoloco war ein jerusalemitanischer Patrizier , der indessen nicht zur
Bourgeoisie, sondern zur Schicht der reinen Kronvasallen gehor te (RRH nO134.174.
245) und 1152 in den St rudel nach dem Sturz der Konigi n Melisendis hineingezogen
wurde.163Die Servitienliste bei Johann von Ibelin1M weist fUr die nachste Generation einen
Diens t von vie r Rit te rn aus der Krondornane von Jerusa lem fiir das Lehen aus , Eine
Schenkung, die Robert 1153 den Lazar itern machte, wurde vom Patriarchen besiegelt .
Die Familie Tortus gehorte zu den Kronvasallen in der Krondornane von Akkon. Ihr erster
Ver treter tri tt in RRH nO105von 1125 als Zeuge in einer wichtigen Konigsurkunde auf ,
160 MAYER.Queen Melisende, DOP 26, '52'77.
161Noch weiter ging man 1157, als Roger Clericus cinen Hausertausch in Jerusalem mit dem Johanniter-
spital vornahm. Der Urkunde wurde die Form des Chirographs gegebcn, von dem aber beide Exernplare,
auch das ins J ohanniterarchiv gelangte. mit dem J ohannitersiegcl, also vom Empfanger bcglaubigt waren,
162DaB er eine Burg dart besessen habe, ist allerdings ein Ubersetzungsfehler bei Fretellus, Description
of the Holy Land (Palest ine Pilgr ims Text Society 5, 1896) S. 35. Die lateinische Edition von Melchior DE
VOGUE,Les eglises de Terre Sainte (1860) S. 425 schreibt nicht castrum, sondern casale.
163MAYER, Queen Melisende, DOP 26,154.177.
. .. Livre de Jean d'Ibelin C. 271, RHC Lois 1,423,
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
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;6 Hans Eberhard Mayer
in der dem Konig an einer reprasentativen Vertretung der Vasallen gelegen sein rnu13te.
Im Jahre 1128 bezeugte ein Gaufr idus Tortus ein Diplom des Konigs Balduin II. (RRH
flo 121), das Land in der Krondornane von Nablus betraf. Hier k iindig t sich die lehnrecht-
t iche Bindung an die in Nablus mal3gebliche Farni lie Milly an, aus der wir inRRH n? 366
von 1161 erfahren, als der Konig sich von Phi lipp von Nablus im Tauschwege das Lehen
des Gaufridus Tortus geben lie13und dieser dafiir direkter Kronvasali wurde. Dieses Lehen
lag fr eil ich n icht im Krondomanenbez irk Nablus , sondern in dem von Akkon, wo a ller
Wahrscheinlichkeit nach auch das Lehen Heinrich des Bliffels aus dem Hause Milly, eines
Bruders des Phi lipp von Nablus, lag . Da Gaufr id nur durch Zufall Kronvasall geworden
war , war esohne wei teres miiglich, ihn wieder zum Aftervasallen zumachen, was 1182 ge-
schah, als der Konig die Mannschaf t des Gaufr idus Tortus an Joscelin III . von Courtenay
5chenk te (RRH nO 614). Foigerichtig weist die Servi tien li ste Johanns von Ibelin den ge-
.!.amten Dienst vom Lehen des Gaufr idus Tortus mit sechs Rittern unter der Seigneurie
de Joscelin aus. Dieser Dienst wurde 1183 in RRH nO624 urn zwei Ritter geklirzt, als Gau-
fr id gezwungen war, 14 Casa li en in der Gegend von Akkon an Jo scel in zu verkauf en,
:Jleichwohl aber ein Restlehen behielt , das ihm noch immer den Dienst von vier Rittern er-
e aubt haben mufl, Angesichts dieser vasallitischen Bindung an Joscelin ist begreiflich, daB
ein Gaufridus Tortus (natiirlich nicht mehr derjenige von 1128) im Oktober 1186 nach dem
~aatss tr eich Guidos von Lusi gnan und se iner Gemahl in unter denen ersche int , di e die
ersten Gunsterweise des neuen Konigs an seine Parteiganger bezeugten (RRH nO653-655).
{:shandelte sich also bei der Familie Tortus urn eine Familie von wir tschaf tlichem Ge-
wicht, bei der der Umfang des Lehens vom Geschaf tsaufkornmen her wohl ein Siegel ge-
~echtfertigt hatte, Gleichwohl aber lief man 1159 in RRH nO339 das Konigssiegel an eine
Schenkung des Gaufr idus hangen, und eine Schenkung Gaufr ids an das Thabor-Kloster
; ;ehn Jahre spare r (RRH nO468) war iiberhaupt unbesiegelt.
Johannes Gotman war ein Kronvasall, der einer schon sei t 1102 im HI. Lande nachweis-
baren Brilsseler Farnilie entstammte'P und 1147 sein besonders beriihmtes Pferd dem Ko-
~ig fiir eine Flucht zur Verfiigung stellen wollte.OO Auch er bediente sich 1169 des konig-
( ichen Siegels, als er dem HI. Grab zur Abdeckung von Losegeldverpf lich tungen einen
Tei l seines Lehens verkauf te (RRH nO369). Er lieBdiese Besiegelung durch den Lehns-
herren nicht weniger als dreimal in seiner Urkunde ankimdigen, legte sie auBerdem noch
als Chirograph an und erwirkte uberdies noch eine eigene konigliche Bestatigung (RRH
n° 368). Wieviel einfacher ware es gewesen, wenn er ein eigenes Siegel hatte fiihren diirfen,
aber das war ihm offenbar verwehr t, obwohl er zu diesem Zei tpunkt seine Tochter schon
in e ine glanzendc Ehe mit dem Herrn von Caesarea manov rie rt ha tte. Ei ne Stuf e t ie fe r
. . tanden Roger und Johannes von Haifa, die in RRH nO418 von 1165 eindeutig als Vasallen
des Herrn von Haifa ausgewiesen werden, also als Aftervasallen . Ais Roger dem HI. Grab
<"ine kleine Landschenkung machte, b lieb das Sti ick unbesiegelt . Noch seine Tochter
Christiana lie13,quia proprium sigillum non habui, eine Schenkung vorn Herrn von Haifa
besiegeln (RRH nO784 von 1201). Moglicherweise entstand innerhalb der Herrschaft Haifa,
~urch Landesausbau eine Kleinherrschaft Palmarea.W doch hat sie sich bis zu dem ent-
$cheidenden Merkmal eines eigenen Siegels nicht konkretisiert , denn die Herrin von Pal-
rnarea schenkte dem Thabor 1180 ein Haus daselbst (RRH nO 594), l ieBdies aber vom
Erzbischof von Nazare th besiege ln . Da e ine e igene Herrschaft Pa lmarea auch n icht in
'15 Albert von Aachen. Hist. Hieros. IX 1, RHC Hoc 4. 591.
116MAYER, Queen Melisende, DOP 26 , 123 .
117PRAWER, Colonization Activities, Revue beIge 29, 1108ff .
!.
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten
der Servitienliste Johanns von Ibelin auftaucht, obwohl diese die Dienstverschiebung des
Gaufr idus Tortus von 1182 bereits berlicksichtigte, mu13man wohl damit rechnen, daB
Palmarea doch nur ein After lehen von Haifa war . Dies ist eines der Indizien dafur , wofii r
sich aber noch wesentlich mehr Belege anfiihren lieBen, dall aus dem dominus-Titel allein
nicht auf das Vorhandensein einer Seigneurie geschlossen werden darf, selbst dann nicht,
wenn wie hier grundherr liche Rechte ausgelibt werden. Hugo Flandrensis, der Kastellan
von Ramla (RRH nO 597), verkaufte 1181 sein ramlensisches Afterlehen Cola in der Curia
seines Lehnsherren Balduin von Ibelin-Ramla an die Johanniter und lie13dies von seinem
Herrn besiege ln (RRH nO611). Nicht aussagekra ft ig i st RRH nO 954 von 1222, wo ein
Iniorannus dominus Bova in der koniglichen Kurie seines Herrn , des Konigs Johann von
Brienne, ein Haus in Tyrus verkauf te und diese Urkunde selbst besiegelte, wei l wir n ichts
i iber den Verkaufer und seine "Herrschaft" Bova ausmachen konnen, auBer daB ein wohl
gleichnamiger Vorfahre Ingelramus de Bova 1138 als Pilger im HI. Land war (RRH nO
174). Da Iniorannus von Bova sparer n ie mehr auf taucht, war er vielleicht i rn Gefolge des
Grafen von Brienne ins HI. Land gekommen und mag diesem auf seinen unsteten Wande-
rungen durch Europa und nach Konstantinopel gefolgt oder nach Hause zur lickgekehr t
sein. Ebenfalls unsicher ist es, ob der Giraldus Alemannus, miles die/us Magnus, der 1242
dem Deutschen Orden zweiHauser in Akkon und seine Rustung und sein Pferd unter dem
Vorbehalt lebenslanglichen NieBbrauches und gegen das Versprechen der Ordenssepultur
schenkte, ein Mitglied jener Familie Alamannus war, deren Ahnherr Wicher ein Kraftprotz
mit Verdiensten urn die Sicherung derlothringischen Dynastie nach dem Tode Gottfrieds
von Bouillon war ,U8 oder ein einfacher deutscher Ritter, der mit der stauf ischen Verwal-
tung ins HI. Land gekommen war . Sein relativ niedr iger sozialer Rang steht jedoch fest,
und er fiihrtc kein Siegel, sondern gebrauchte fur seine Schenkung dasjenige des Bischofs
von Akkon (RRH nO1108). Viel k larer sehen wir bei den Maugastels. Die Familie ist erst-
mals mit Thomas 1207 im HI. Lande nachweisbar (RRH nO819), der 1212 Kastellan von
Tyru s war (RRH n? 857). Die nachste Generation ging politisch sehr verschiedene Wege.
Fii r die Behauptung bei Ducange-Rey, daf der Erzbischof Simon von Tyrus, der Kanzler
.des Konig re ichs Je rusalem von Gnaden Fr iedr ichs I I. (RRH nO974), ein Maugastel ge-
wesen sei , f inden wir vorderhand keinen Beweis, auch wenn diese Meinung in den Index
einer der gro13en Kreuzzugsgeschichten eingegangen ist.169 Gervasius von Maugastel tritt
erstmals 1226 a ls Zeuge in Fr iedr ichs II . RRH nO974 auf, schlug sich aber spatestens 1241
in RRH n? 1100 auf die Sei te der antistauf ischen Barone und erscheint 1245 in RRH nO
1135 denn auch als Vizegraf VonAkkon. Ob er ein Siegel f iihr te, wissen wir nicht, Ganz
anders Phi lipp von Maugastel, den wir f ii r seinen Bruder halten. Ihn sehen wir sei t 1234
fest auf der stauf ischen Sei te, woer sogar lig ischer Vasall wurde (RRH nO 1058.1086); die
Gestes des Chiprois beschuldigen ihn ganz offen, mit Richard Filangieri, dem kaiserlichen
Regenten im HI. Lande, ein homosexuelles Verhaltnis gehabt zu haben.P" doch mag das
damit zusammengehangen haben, daB der Kaiser ausgerechnet ihn daau ausersah, sein
neuer Verwaltungsregent in Syr ien zu werden, was einen Entrlistungssturm der Barone
ausloste. Philipp siegelte als Konsensgeber bei einem Lehnsverkauf in der Herrschaft Toron
bei Tyrus in RRH n? 1073 von 1236 und machte 1241 dem Deutschen Orden eineSchen-
kung in seinem Patrimonium und Erblehen, bestehend aus dem Casale Corsy in der Herr-
188Albert von Aachen, Hist. Hieros., RHC Hoc 4 , Index s .v . Wicherus.
". DUCANGE-REY.Les famil ies d 'Outremer S. 547. A History of the Crusades. ed. Kenneth M. SETTON2
(1962) 850.
"0 Gestes des Chiprois § 205. RHC Doc arm 2722 Jonathan RILEy-SMITH,The Feudal Nobil ity and the
Kingdom of Jerusalem, "74-1277 (1973) S. 201.
57
1
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
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58 Hans Eberhard Mayer
schaf t Tiberias. Da dieser Ort am Ostufer des Sees von Genezareth liegt, war sein Vater
Thomas also schon vor 1187 im HI. Lande begii tert , wei l diese Gegend schon damals ver-
lorenging. Phi lipp siegelte auch diese Schenkung, aber in Wachs (RRH nO1104). Es ist
das letzte, was wirvon ihm horen. A1s 1243 die staufische Verwaltung in Syrien zusamrnen-
b rach, die ih r Zent rum in Tyrus gehabt ha tte, wo auch Phil ipp lebte, da war es hochs te
Zei t fur ihn abzureisen. Er war offenkundig nicht sehr hoher Herkunf t, da er esnicht ein-
mal zu einern Bleisiegel gebracht hatte, denn wir haben keinen Hinweis darauf, daf seine
Urkunde nur aus den noch zu erorternden Grunden (s. unten S. 88 If.) nur in Wachs gesie-
gelt gewesen sei, Schon daran, dill er offenbar keine Bleibulle fiihrte, zeigt sich, wie wenig
Fingerspi tzengefi .ihl der Kaiser mit seiner Ernennung gegenubcr den Baronen gezeigt
hatte, denn die Ernennung Philipps mullte fur sie eine Bruskierung darstellen.
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III. LE DROIT DE COINS 1M KONIGREICH JERUSALEM
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Unter di esem Titel ha t de r Graf Chandon de Br ia il le s in Band 23 der Zeitschrift Syria
(1942-43) einen viel beachteten Aufsatz publiziert, der das Problem zwar wesentlich weiter-
brachte, gleichzeitig aber beweist, wie sehr die Sphragistik noch immer dem rein Deskrip-
tiven verhaftet i st , wahrend mehr und mehr ihre Aufgabe im Analyti schen zu liegen hatte,
Chandon de Briailles versuchte sich zwar gerade hieran, g ing aber in die Irre, obwohl er
das Material relativ vollstandig sammelte. Johann von Ibelin, Graf von Jaffa und Askalonund Herr von Ramla und mit Phi lipp von Novara zusammen wohl der bedeutendste Jur ist
in dem an dieser Gattung so reichen Konigreich Jerusalem, schrieb urn 1265seinen Liore
deJean d'Ibelin, eines der berirhmtesten feudalen Rechtsbiicher ilberhaupt.P! Hier handelt
Kapitel 270172 von: Ces sont les leus, qui ont court et coins etjustise ou reiaume deJerusalem.
Dieses Recht auf coins war von Ducange und Schlumberger-ls als Miinzrecht miBverstan-
den worden, obgleich nur von dr ei de r 22 be i Johann von Ibe lin mit dem droit de coins
ausgestatteten Seigneurien Munzer. vorlagen, namlich von Bairut, Sidon und Tyrus, viel-
Ieicht noch f ii r Toron. Unter Hinweis auf einen wei teren Passus bei Johann von Ibelin und
einen im Livre au roi erklsrte Chandon de Briai lles den droit de coins fiir das Recht der
Bleisiegelfiihrung, prufte dies nach und fand, daB die genannten 22 Herrschaften, soweit
bei ihnen die Besiegelung bei dem geringen Material iiberhaupt feststellbar war, samt und
sonders in Blei siegelten , und darni t h ielt er das Problem fur erledig t. Bei der Gegenprobe
hatte ihm auffallen miissen, daB auch der Quasi-Seigneur Balian von Nablus ein Bleisiegel
fiihrtc (s. oben S. 53; Schlumberger, Sigillographie S. 52 nO121 f .) , obwohl er im Sinne der
Definition von Johann von Ibelin weder court nochjustise ausiibte und somit kein vollgul-
tiger , ja i iberhaupt kein Seigneur war , auch wenn er sich auf seinem Siegel den dominus-
Titel zulegte. Erst recht hatte ihm auffal!en mussen, daB sogar der Vizegraf von Nablus
eine Bleibulle f iihr te (Schlumberger S. 53 n? 123; s. unten S. 81), obgleich er ganz be-
stimmt bei aller Bedeutung kein Seigneur war. Auch ist es aufschlufireich, daf Jakob von
Amigdala noch 1244 ein Bleisiegel fiihrte (s. oben 5.54 f.), obwohl er nur noch ein Vasal!
des Deutschen Ordens war , wie wir aus RRH nO1013 von 1229 ausdriicklich erfahren, und
die Rechte an der Seigneurie de Joscelin feudalrechtlich betrachtet erst auf Jakobs TanteBeatr ix und von ihr auf den Orden i ibergegangen waren, so daf l Jakob nach der Theorie
von Chandon de Briai lles kein Bleisiegel mehr zustand, auch wenn er mit der Fuhrung des-
selben wahrscheinlich zu dokumentieren suchte, daf er trotz aller Prozesse und Vergleiche
den Anspruch auf eine eigene Herrschaf t im Prinzip noch nicht aufgegeben hatte. So sehr
man also nach unseren Feststel!ungen prinzipiell das Bleisiegel nach unten abriegelte und
es im Grunde im weltI ichen Bereich nur den Seigneurs zustand, nachdem es am Anfang
wahrscheinlich iiberhaupt nur den graBten Magnaten zugedacht war, sogab esdoch immer
wieder Ausnahmen, die besonders energische oder mit dem Hochadel gut genug versippte
Manner zugebilligt erh ielten oder sich nehmen konnten . Die Gleichung von Chandon de
Briailles: coins =Bleisiegel =eigneur ie geht also nicht auf , zumal im Konigreich noch
In Maurice GRANDCLAUDE , Etude c ri ti qu e s ur leslivres des Assises de Jerusalem (1923) S. 88.
172RHC Lois I, 419.
178 Charles DUCANGE, Glossar ium med iae ac inf imae Iat in it at is s . v . cuneus. Gustave SCHLUMBERGER,
Numismatique de l 'Drient lat in (1878) S. 84.
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' , ".> J
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
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t ."'
60 Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 61Hans Eberhard Mayer
ein Bleisiegel der Kommune von Akkon belegt ist,l74so wie auch die Kommune von Antic-
chia und die Stadt Famagusta Bleis iegel hat ten (Schlumberger, Sigil lographie S. 71 n?
168; 157nO36). Das Bleisiegel von Famagusta mag aus einer Rechtsanschauung stammen,
wonach Famagusta theoretisch das ins Exil gegangene Konigreich Jerusalem war.l?5
Fur Chandon de Briailles war esgenug, daf er in den von ihm untersuchten Herrschaf-
ten Bleisiegel angekilndigt fand und daf diese Ankilndigungen in der Spatzei t lauteten
seeier demon seeldeplomb empreint enmes droiz coins dema seignorie deSaiette (=Sidon)
oder ahnlicn. An sich hat te Chandon de Briail les nicht einmal sounrecht, denn schon im
Livre au roi, der friihesten Rechtskodifikation des lateinischen Ostens, die aus der Zeit
zwischen 1198und 1205starnrnt.F" hieBes anschiieflend an die Aufzahlung von zwolfHerr-
schaften, diese Barone soliten coings (= Stempel) haben und damit ihre Schenkungsurkun-den besiegeln; etsont auciferme les dons qu'il font en leur tenement, par prevelige celee de
plomp, come sont Ies dons dou roi en son tenement, par droit."? Aber das war nur die Dar -
legung eines Prinzjps, dem Inder Praxis nichts Erkennbares entsprach, schon weil die Zahl
der genannten Herrschaften mit zwolf vie! zu niedrig angesetzt war, denn Johann von
Ibe!in brachte es auf 22, die mit Ausnahme von Tyrus 1205aile schon existierten. Wer sich
also auf den Livre au roi verliefl, hatte ein Prinzip, mit dem er nichts anfangen konnte, weil
ihm im Alltag eine Masse anderer Bleisiegel begegnete, die von anderen Siegelfiihrern als
den zwolf genannten Baronen stammten, die s ich aber auBerl ich im Typus in nichts von
denen der aufgelisteten Seigneurs unterschieden und weder hier noch dort von einer For-
me! eingefilhrt wurden, die auf Stempel Bezug genommen hatte, da ja allein schon die An-
kilndigung eines Bleisiege!s, wenigstens im 12.Jh., in der Rege! nicht gebrauchlich war,
sondern man meistens nur ein Siege! ankilndigte, das dann selbstverstandlich aus Blei war.
Es war viel eher die Ausnahme des Wachssiegels, die genannt wurde. Es kam damals beim
Bleisiegel ilberhaupt nicht auf die Ankilndigung an. Wir sehen das noch deutlich an RRH
nO342des Herrn von Caesarea von 1160, wokein Siegel angekilndigt wurde. Ais das Stiick
aber urn die Mit te des 13.Jh. in Akkon vidimiert wurde, hielten die drei vidimierenden
Pralaten nicht nur fest, daB es gesiegelt war, sondern dafses bullatum vera bulla plumbea
war . Die Ze it der Vidimatoren verl angte, daf ein Bleisi ege! an der Urkunde hing, und
gerade weil der Text iiberhaupt kein Siegel ankilndigte, legten die Vidimatoren Wert auf
die Feststellung, daB es in Blei gesiegelt gewesen sei. Man sieht, daB sich die Auffassung
gewandelt hat te: Was 1160 cin reines Beglaubigungsmit te! gewesen war, war urn 1250
sichtbar zum Herrschaftszeichen geworden, denn Johann von Ibelin schrieb vor, daf die-
jenigen Kleinvasallen, die nicht ilber cour et coins verfiigten, bei Lehnsverkaufen in der
•
Lehnspyramide so lange nach oben gehen mullten, bis sie bei Lehnsherr oder Oberlehns-
herr auf eine Haute Cour stielien, in der sie ihr Geschaft erledigen und sich dies vom Herrn
beurkunden lassen konnten, et lepreoeligue qui ensera fait doit estre coignie dou coi" dou
seignor.178 DaB es hier urn ein Herrschaftszeichen ging, hat de Briailles zwar erkannt, auch
wenn der Begriff zu seiner Zeit sich noch nicht durchgesetzt hatte, aber eskam nicht sosehr
aufs B1eisiegelan, sondern auf die Ankiindigung, daf es gepragt sei en mes droiz coi~ de
ma seignorie. Erst die Formel machte das Bleisiegel zum Herrschaftszeichen. Nicht jedes
Bleisiegel bewies, dall sein Fuhrer eine Herrschaft hatte, sondern erst wenn die Formel da-
zutrat, hatte er cour et coins und damit eine Seigneurie vollen Rechts. DaB es auf die For-
mel ankam, hat de Briail les so wenig bemerkt, daf er auch den Erzbischof von Nazareth
und den Bischof von Ramla in seine List e mi t aufnahm, abe r le tzt erer f ii hr te 1286 einWachssiege! (RRH n? 1466; Schlumberger, Sigillographie S. 114nO110),wenn er daneben
auch eine Bleibulle gehabt haben mag, wahrend der Erzbischof Heinrich von Nazareth
zwar auch nach der Mit te des 13.Jh. in Blei s iegelte (RRH n? 1239.1242.1280-82 und
noch RRH n? 1314.1316 von 1262), aber nur ein Bleisiegel ohne besondere Formel ankfin-
digte, selbst wenn er in franzosischer Sprache urkundete (RRH n? 1239von 1255), was im
Klerus selten genug vorkam. Zwar waren die beiden Pralaten auch Seigneurs (s. oben S.
38), und folgerichtig hat Ihnen Johann von lbelin auch court et coins zugestanden, aber
im Gegensatz zu den Seigneurs warbei Ihnen die Ankundigung von droi» coins ganz witz-
los , weiI der gesamte Episkopat und die Kapitel Bleis iegel hat ten, auch wenn sie s ich irn
13.Jh. daneben noch Wachssiegel zulegten. Wenn die beiden Pralaten siegelten, so taten
sie dies in ihrer Eigenschaft als Fuhrer eines geistlichen Siegels, das im episkopalen Rang
allemal offentliche Glaubwilrdigkeit hatte.
Man wird einwenden, dall doch das vorangegangene Kapitel gezeigt hat, daf die Dinge
im 12.Jh. nicht viel anders lagen, daf zuers t der Konig gegenuber den GroBvasal len mit
wenig Erfolg, dann aber Konig und Seigneurs gegenilber den Kleinvasallen mit sehr vie!
Erfolg die weitere Ausbreitung des Bleisiegels inhibierten. Es war also de facto schon im
12.Jh. ein Herrschaftszeichen, doch wurde es bis in die Mitte des 13.Jh. nicht so verstan-
den, auch wenn es der Magnatenschicht selbst dann noch gelang, die weitere Verbreitung
zu verhindern. Der von Johann von Ibelin geschilderte Gerichts- und Beurkundungszwang
mit dem Bleisiegel diente ja nicht der Selbstdarstel lung der Seigneurs , sondern einem
eminent prakt ischen Zweck. Nur mit dieser Regelung konnten die Seigneurs den nicht
aufzuhaltenden Prozef der Lehnsentfremdung wenigstens unter Kontrolle hal ten. DieVerschleuderung der Lehen, die ja auf die Dauer dienstmindernd wirken muBte, erfolgte
so wenigstens mit Wissen und unter den Augen des Seigneurs. Er konnte die schlimmsten
Auswilchse eindammen, hat gewiB haufig Verkaufe zu verhlndern gewuBt und konnte bei
Verkaufen auf die Dienstwahrung achten. Die Seigneurs waren der Krone gegenuber ja
sonst sehr rasch in VerdruB gekommen, da sie bis zu 50Prozent ihrer Kronlehen unter-
verlehnen durften. Wenn Ihnen aus diesen Afterlehen der schuldige Dienst nicht mehr ge·
leistet wurde, so waren sie selbst auBerstande, den schuldigen Krondienst zu erbringen,
dem sie sich ohnehin durch ein bis zum ExzeJ3formalisiertes Ladungsverfahren zu entzie-
hen suchten, denn schon der geringste Formfehler wirkte dienstbefreiend. Angesichts der
fortschreitenden Lehnsvcrkaufe, denen sie urn so weniger steuern konnten, als sie selbst ja
ihre Kronlehen und Seigneurien beispielverderbend an die Ritterorden verkauften - oft
als langlaufende Pachtvertrage kaschiert -, konnten sie froh sein, daf es seit Friedrich 11 .
eine Krone meist nur auf dem Papier gab, aber das machte das Problem nicht vie!weniger
174 SCHLUMBERGER, Sigillographie S. 140 nc 178. Joshua PRAWER, Estates , Communities and the Consti-
tut ion of the Latin Kingdom (The Israel Academy of Sciences and Humanit ies. Proceedings 2 no. 6, 1969)
S. 21. Ob auch die spatestc Kommune im HI.Land, diejenige von Tripolis, ein Siegel hatte, ist ungewiB. Irn-
merhin wissen wir aber aus eine- Inschrift (Joshua PRAWER,The World of the Crusaders [1972] Tafel nach
S. 72), daf sie das Mtinzrecht ausubte.
175 Jean RICHARD,La situation juridique de Farnagouste dans le royaume de Jerusalem, IIpIXKTtx(;}v'rou
7t'P~'rou 8te: .&vouc ;Kurrp_oAoytxOu(J 'Uve8p tot) 2 (1972) 221-229 . Ein Uni cu rn mag h ie r doch Erwahnung fin-
den, auch wenn es nicht strikt zur Kreuzfahrersphragistik gehort, namlich der 1972 gefundene Siegelstempel
des 1267ins HI. Land gekommenen Rabbi Nahmanides; vgl . Isaiah SH'CHAR,The Seal of Nahmanides (The
Israel Museum, Jerusalem. Special Exhibit 1972 Nr. 3). Esist freil ich angesichts der Bedeutung von Nah-
manides , der die Ruckwanderung der J uden nach Palastina zur religiosen Pflicht erhob, fast zu schon, urn
wahr zu sein, daB ausgerechnet er bei e inem Spaziergang vor Akkon sein S iege l ver loren haben sol lt e. Die
Frage nach der Echtheit bleibt noch immer offen.
176 RILEY-SMITH,Feudal Nobility S. 142.
177 Livre au roi c . 39, RHC Lois 1 ,634 .
.~--- ..- --.----- --~------ __---
noL ivre deJean d 'Ibeli n c. 189,RHC Loi s 1, 303.
'
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
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t . ;
I,
Hans Eberhard Mayer
drangend, denn wenn der Dienst ihrer Vasallen unter eine gewisse Schwelle absank, niitz-
ten ihnen auch cour et coins nichts mehr, sondern sie verloren ihre seigneuriale Stellung, die
ja den vasallitischen Dienst begrifflich voraussetzte, durch die normative Kraft des Fakti-
schen.
Da sich auJ3erl ich an den Siegeln gar nichts und am Bestand der Bleis iegelfUhrer im
13.Jh. nur wenig anderte, muB sich das eigentliche Interesse auf die Ankiindigungsformel
der droiz coins richten, der de Briailles genetisch iiberhaupt nicht nachgegangen ist. Da es
in der juristischen Literatur die Vorstellung des Bleisiegels als eines Herrschaftszeichens
seit dem Livre au roi gab, hat te man die Formel schon bald nach 1205erwarten sol len,
wenn sichdenn die Siegel aul lerl ich nicht anderten. Man muf aber noch ein voiles halbes
Jahrhundert zuwarten, bis die Formel auftaucht, und den Beginn machte die Reichsspitze,
allerdings aus einem ganz banalen Anlali, der mit Reprasentation oder Selbstdarstellung
nichts zu tun hat, sondern eine reine Unterscheidungsfunktion hatte. Urn dieser Erschei-
nung nachzugehen, betrachten wir kurz die Siegel der Konige von Zypern. Seit 1197waren
immer einmal wieder zyprische Konige aus dem Hause Lusignan auch Konige VonJerusa-
lem oder doch wenigstens Regenten. Ja schon der abgesetzte und vertriebene Konig Guido
von Jerusalem fiihrte als Herr von Zypern auch seinen Titel als Konig von Jerusalem weiter
und kiindigte sein Bleisiegel an.179Dabei bleibt ungewiB, ob sich Guido fur Zypern einen
neuen Bullenstempel herstel len l ief oder ob er sein altes Siegel weiterfiihrte . Ais er 1194
starb, folgte ihm sein Bruder Aimerich von Lusignan als Herr von Zypern und fiihrte als
solcher ein B1eisiegel(RRH nO723). Es hatte auf dem Avers die Umschrift AIMERICUS
DE LIZINIACOund aufdem Revers die LegendeNICOSIE CIVITAS (Schlumberger,
Sigil lographie S. 143 n? 1). Ais er im November 1197erneut urkundete (RRH nO737),
war er in Zypern zum Konig aufgeri ickt und war im Konigreich Jerusalem Konstabler.
Er kilndigte wiederum ein Bleisiegel an. Jetzt hatte man bei gleichbleibender Umschrift
auf dem Revers die Legende auf dem Avers geande rt zu AIMERICUS REX CIPRI
(Schlumberger, Sigillographie S. 144 n? 2). 1mAugust 1198hatte er dann die Nachfolge
auch im Konigreich Jerusalem angetreten, wo Heinrich von Champagne im Jahr zuvor
gestorben war. Er blieb in seiner zyprischen Kanzlei bei der ausdrilcklichen Ankilndigung
eines Bleisiegels (RRH n? 780 von 1201), wahrend er in seiner jerusalemitanischen stets
nur ein Siegel schlechthin ankiindigte, das natiirlich auch aus Bleiwar (RRH nO737.740b.
743.744.746.774.776). Wir besitzen zwei lose Bullen, die ihn auf dem Avers als AIME-
RICVS DEI GRA REX IER ET CIPRIbezeichnen und auf dem Revers Jerusalem
mit der alten Legende CIVITAS REGIS REGVM OMNIVM abbilden (Taf. IV, Abb.
29 f.).180Wir wissen allerdings nicht, ob Aimerich mit dieser Bulle unterschiedslos zyprische
und jerusalemitanische Urkunden besiegelte. Die Wahrscheinlichkeit spricht dagegen.
Zwar begleitete das Siegel, soweit wir erkennen konnen, in Jerusalem den Herrscher, aber
es ist doch zweifelhaft , ob man soweit ging, daf man das Siegel auch ins Ausland hat te
reisen lassen, schon gar nicht nach Zypern, das mit Jerusalem lediglich in Personalunion
gefuhrt wurde. Das war zwar nicht im Sinne der Magnaten, die Aimerich auf den Thron
. '
179 A. FERRETO, Contributi alta relazione tra Genova e l 'Oriente. Una lettera del Pontefice Innocenzo III
e un privilegio di Guido. re di GerusaIemme e signore di Cipro, Giornale ligustico 21 (1896) 44 und beiJean
R1CH~l\D,L'abbaye de Jubin (5. oben Anm. 105)S. 6<).
180SCHLUMBERGER, Sigillographie S. 12 no 22; 144 nc 3bs• Von einer weiteren Bul le an RRH n?740b
existiert eine Nachzeichnung. Hingegen ist es ein Irrtum bei Schlumberger S. 144 nO 3, daB PAOLI, Cod.
dipl. di Malta 1einesolche Bulleabbilde. DieTafeln Paolis enthalten nur ein Siegel Amalrichs (I.) vonJ eru-
salem, und die beiden von Paoli gedruckten Diplome Aimerichs (11.) RRH nO743.746 t rugen nach ihm
schon im IS.Jh. keine Siegel mehr.,i
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten
berufen hat ten, urn sich damit die Unters ti ltzung des Kaisers Heinrich VI. , aber auch die
Finanzkraft des noch unausgebluteten Zypern zu sichern. Aimerich hat te sofort einen
Strich durch die Rechnung gemacht , indem er die Realunion der beiden Reiche nicht her-
ste ll te . Damit ha tt e er ein Inte re sse daran, d ie Trennung der Inse l vom Festl and auch
durch zwei getrennte Siegel zu unterstreichen, so wie er ja auch zwei verschiedene Kanz-
leien mit zwei Kanzlern unterhielt. Und die festlandische Kanzlei unter dem Erzbischof
von Tyrus hat te ein vitales Interesse daran, das jerusalemitanische Siegel auf dem Fest-
land zu hal ten, denn hat te s ie es nach Zypern ausgeliefert, so ware sie Gefahr gelaufen,
durch die zyprische Kanzlei unter dem Erzbischof von Nikosia ausgetrocknet zu werden.
Diese Kompetenzerwagungen sind nicht miiBige Hypothesen, denn unter Aimerich (II.)
s ind Produkte der zyprischen Kanzlei , die Zypern betreffen, in Nikosia dat iert , Erzeug-
nisse der Kanzlei von Jerusalem in jerusalemitanischen Dingen in Tyrus oder Akkon.P!
Auch hatte man in Zypern wahrscheinlich gegen ein Konigssiegel opponiert, welches Jeru-
salem - statt des von Aimerich bereits eingefiihrten Nikosia - auf der Riickseite abbildete,
gerade weil man auf Zypern die Realunion nicht wollte, der ein solches Siegel Vorschub
geleistet hatte. DaB auf der Vorderseite der wohl jerusalemitanischen Bleibulle beide Ko-
nigst itel Aimerichs genannt wurden, tut nichts zur Sache, denn dadurch wurde ja gerade
die Personalunion unterstrichen. Entscheidend ist, daf auf dem Revers , woauf das Reich
abgestell t wurde, nur Jerusalem erschien. Die Personalunion hat te ja handfeste Hinter-
gri inde, und die Vasal ien waren auf Zypern in dieser Frage sehr sensibel. Bei der Real-
union waren si e in voll em Umfang aus ihren zypris chen Lehen auch auf dem Fest land
dienstpflichtig gewesen, und iiber dieser Frage kam es noch 1272zu einem schweren Kon-
flikt zwischen dem Konig und seinen zyprischen Vasal len, in dem die Opposit ion ausge-
rechnet von Jakob von Ibelin angefiihrt wurde, der zur machtigsten Festlandsfamilie ge-
horte. Dennoch dachte ergar nicht daran, sichund seine Standesgenossen von seinen zypri-
schen Lehen unbeschrankter Dienstpflicht im Konigreich Jerusalem auszusetzen, und es
dauerte bis 1273,bis wenigstens ein KompromiB auf vier Monate pro Jahr erreichtwerden
konnte.P" Es blieb iibrigens bis 1253dabei, daf die Konige von Zypern festlandische Ange-
legenheiten auf dem Festland beurkundeten, oder - wie man praziser sagen mull- zypri-
sche Sachen auf Zypern, denn wir haben fiirdas Festland fast kein Material und fur Zypern
nur wenig.
Mit Aimerichs Tod 1205ging die Personalunion fiirs erste zu Ende. In Jerusalem regierte
Johann von Brienne und nach ihm Kaiser Friedrich II. Schon ihn erkannten die Barone
nur als Regenten fii r seinen unmiindigen Sohn Konrad IV. an und hielten seine Regent- . '
schaft fii r erledigt, a ls Konrad 1243voll jahrig wurde. Jedenfalls gaben sie die Regent-
schaft damals an die Konigin Alice von Zypern, die Tochter aus dritter Ehe Isabellas 1. von
Jerusalem mit Heinrich von Champagne. Als Halbschwester der Grofsmutter Konrads IV.
auf der miitterlichen Seite erhielt sie die Regentschaft, wenn auch mit rechtlich dubiosen
Argumenten.P'' Mit ihr beginnt die lange Reihe der zyprischen Regenten fii r Jerusalem.
Auf Alice folgte 1246ihr Sohn, Konig Heinrich 1. von Zypern, der die Regentschaft bis
zu seinem Tode im Januar 1253innehatte. Auf ihn folgte 1258-{)7als Regent sein unrniin-
diger Sohn, Konig Hugo II. von Zypern, fiir den nun Vorrnimder bestellt werden muBten,
urn die Regentschaft auszuiiben: zunachst seine Mutter, die Konigin Plaisance von Zy-
pern, die damit faktisch Regentin wurde, obgleich sie selbst zum rechtmafiigen Konig von
181RRH no737.776 sind ohne Ortsangaben.
'8 2 MAYER,The Crusades S. 23Sf.18.RILEy.SMITH, Feudal Nobility S. 211. .\t;.•
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
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Hans Eberhard Mayer
1erusalem Konrad IV. keine nennenswerte Verwandtschaf t mehr hatte. Nach ihrem Tode
1261wurde Isabella von Zypern, die Schwester des Konigs Heinr ich I ., 1263-1264 stell-
vertretende Regentin, und als sie 1264starb, wurde in einer aufsehenerregenden Verhand-
lung vor der Haute Cour in Akkon ihr Sohn Hugo von Antiochia-Lusignan zum Regenten
bestellt, obwohl ein anderer Enkel der Konigin Alice, Hugo von Brienne, wahrscheinlich
die besseren Anspr iiche hatte, ohne daB dies hier zu untersuchen ware. Hugo von Antio-
chia-Lusignan i ib te die Regentschaf t aus bis zum Tode Hugos II. von Zypern, der 1267,
noch immer minderjahr ig , s ta rb. Nunmehr wurde Hugo von Ant iochia -Lus ignan a ls
Hugo III . rechtmafsig Konig von Zypern und erhielt 1268in Akkon die Regentschaf t fur
den jungen Staufer Konradin. Als dieser 1268in Neapel enthauptet wurde, beanspruchte
Hugo III . in einem im Vergleich zu 1264nicht minder turbulenten Verfahren erfolgreich
die Krone von Jerusalem, die er 1284erst an seinen Sohn Johann I., dann 1285an seinen
anderen Sohn Heinr ich II. wei tergab, der 1286zum Konig von Jerusalem gekront wurde
und 1291 das Festland verspielte. Wo hier Lucken sind, wurden sie ausgefi il lt durch Re-
gentschaf ten der Vasallen, wei l auch die Regentschaf t erst personlich in der Haute Cour
beansprucht werden muBte, ehe sie angetreten werden konnte.P!
Wenn trotz dieser seit 1243nahezu ununterbrochenen Serie von Regenten und Konigen
relativ wenig geurkundet wurde, sodeshalb weil nach dem Zusammenbruch der staufischen
Verwaltung im HI. Lande keine Kanzlei von Jerusalem mehr eingerichtet wurde; sie lag
nicht mehr im Interesse der nunmehr tonangebenden Magnaten. Diese dupierten sofor t
1243Alice von Zypern, mit der sie eine Wahlkapi tu lation schlossen , die im Gegensatz zur
Rechtslage zweien von Ihnen die Kontrolle i iber die koniglichen Burgen einraumte. Und
als 1243Tyrus zuriickerobert wurde, nutzten sie diese Klausel, urn nicht nur die Zitadelle,
sondern gleich d ie ganze Stadt mit der zugehori gen Krondomane e inem der beiden a ls
Seigneurie zuzuschieben, ohne daJ3Alice oder das wenigstens ebenso geprellte Venedig,
dem ja sei t 1123 ein voi les Dri ttel der Stadt und ihrer Umgebung zustand, daran etwas zu
andem vermocht hatten.185Was die Magnaten wollten, war ein Regime von Verwaltungs-
bai llis , d ie von den Regenten oder stellvertretenden Regenten aus ihrem Kreise ernannt
wurden. Hier war natur lich das Standesin teresse am besten aufgehoben, wenngleich uns
auch von diesen Verwaltungs6aillis nur wenige Urkunden uberkommen sind.
Fur die Frage der Besiegelung sind natii rlich nur jene zyprischen Konigsurkunden in-
teressant, die ausgestellt wurden, wenn die Konige oder Koniginnen gleichzeitig auch Re-
genten oder Konige von Jerusalem waren. Wir konnen daher RRH n? 844.846.900:903.
1017.1°37.1049.1054.1°55.1071.1078.1092 ausschalten. Sie kiindigen iibrigcns fast aile
e in Bleis iege l an. Eine Ausnahme is t RRH nO 1017, das led igl ich e in Si ege l vor sieht ,
wahrend RRH nO1049ein Schutzversprechen des Konigs fur die Genuesen in beiden Ko-
nigreichen ist, bei dem man die hier heikle Siegelf rage dadurch umging, daB man es vor-
sichtshalber gar nicht besiegelte, sondern als ungesiegeltes Notariatsinstrument ergehen
lieB.186Von der Konigin Alice haben wir aus dem Osten - wir lassen hier ihre Urkunden,
[
' , . 1 . .!
,,
I i
II
, . . Vg!. zu diesen Ablaufen ebd. S. 211-224.
'" Ebd. S. 211.188RRH nO 1156 i st e ine zyprische Konigsurkunde, in der nach dem Druck von Mas-Latrie nUT ein Siegel
des Kardinallegaten Odo von Chateauroux angekundigt ist, auf dem der Empfanger ausdrucklich bestand.
Aber nur scheinbar ist das Stuck vom Konig nicht gesiegelt. Mas-Latrie hat namlich in seinem Druck aus-
drucklich gewisse "Ratifikationsformeln" weggelassen und auBerdem noch die Siegelbeschreibungen. Eine
Nachkontrclle an der Hs. (Venedig, Bib!. Naz. Marciana Lat. class. IV nO56 = 2303 ric 48) hat ergeben,
dall das Stuck zwei Siegel trug, das Wachssiegel des Legaten und die Bleibulle des Konigs Heinrich I.von
Zypern. Esist also etwa mit RRH no174zu vergleichen, das vom Konig Fulko von Jerusalem und vom Pa-
triarchen von Jerusalem gesiegelt war.
Das Siegelwesen in den Krenzfahrerstaaten
di e Fr ank re ich be tr ef fen, auJ3er acht - nu r Stucke aus der Zei t, ehe s ie 1243 Regent in
wurde. Schlumberger (Sigi llographie S. 145f. nO7-10) kennt von ihr aus dem Osten und
Westen nu r Wachssi ege l. S ie hat auch nie e in Bleis iege l angekundigt , sondern in RRH
nO912von 1218gar nichts, in RRH n?929.938.1°38 aus den Jahren 1220--1232lediglich
ein Siegel, wobei fur RRH nO929.938 ausdrucklich Wachssiegel bezeugt sind (Schlum-
berger, Sig illographie S. 14Sf. n? 8f.). Sie kiindig te auch nur ein Siegel an, als sie einmal
in Akkon urkundete, wo sie 1232versprach, daB sie das Haus der "alten Konigin", wenn
iib erhaupt , nur an di e Johanniter v erkauf en werde (RRH n? 1038) . Dies mag wohl i hr
zyprisches Wachssiegel gewesen sein, da sie ja im Konigreich Jerusalem noch keine offi-
zielle Funktion hatte.
Als nach i hr em Tod 1246 ihr Sohn Hein ri ch I . von Zypern in der Regentschaft fo lgte,
da griff er in die Ze it zuriick, in der der Livre 11# roi erstll!als von den coings als Herr-
schaftszeichen sprach. Er legte sich narnlich einen Titel zu, den Heinrich von Champagne
in seiner Spatzeit (t 1197) gefUh rt ha tte, urn anzudeuten , daB er auch ungekron t und
ohne Konigstitel konigsgleicher Herrscher in Jerusalem sei : regni Ierusaiem dominus
(RRH nO727). Einmal im Marz 1244fiihr te auch Konrad IV. diesen Titel eines Herrn des
Kon igr eichs Jerusalem, und zwar of fenbar mit de r g le ichen Absicht .P? Dies war auch
die Position des zyprischen Konigs Heinr ich I. in Je rusalem, zumal der s tauf ische An-
spruch auf den Thron immer schemenhafter wurde, sei t Innocenz IV. auf dem Konzi l von
Lyon 1245Kaiser Friedrich II. abgesetzt und danach selbst mit der Bestatigung, ja sogar
mit der Ver leihung von Handelspr iv ilegien im Reich von Jerusalem begonnen hatte.188
Immerhin erkannte der Papst nach auBen hin den Anspruch Konrads IV. noch an, unter-
nahm aber alles, urn die stauf ische Stellung im Osten praktisch zu unterminieren . Hierzu
gehor te auch, daB er Heinr ich I . von Zypern am 17·April und 9. Juli 1247und wiederum
am 29. Juli 1252als Herrn des Konigreichs Jerusalem bezeichnere.P" Heinrich I. nahm dies
auf. RRH n? 1156 (vgl . dazu oben Anm. 186 ) s teHteer i n e ine r zypr ischen Sache im Fe-
bruar 1248noch ledig lich als rex Cipri aus , aber im Jul i 1252urkunde te e r i n Akkon in
einer jerusalemitanischen Sache als rei de Chypre et se ignor del reaume deJerusalem (RRH
nO1200). Hier kiindig te er in der bisherigen Manier der Konige von Zypern ein Bleisiegel
an. Es war sieher nieht der jerusalemitanische Rechtsinhalt des Sti ickes, der ihn dazu be-
wog, den Titel eines Herrn des Konigreichs Jerusalem wiederzubeleben, den sonst keiner
der anderen Regenten je wieder fuhrte, sondern die Notwendigkeit, s ich wahrend der An-
wesenheit Ludwigs des Hei ligen im HI. Lande i iberhaupt zur Geltung zu bringen. Hein-
r ich tat auf diesem Gebiet mehr, als man ihm bisher zugetraut hat.1ooBei dieser Titelfrage
kam ihm zustatten , daB der groJ3eJur ist Johann Yon Ibelin, als er urn 1265seine eigenen,
aber auch die Rechtsanschauungen der Zei t kodif izierte, im Konigreich prinzip iell nur
e ine Se igneuri e sah. An zah llosen Ste llen seines Rechtsbuches sp ri cht e r vom Reich a ls
der Seignorie und vom Konig als dem Chef-seignor. Das entspr ach sein em Wunsch, im
Konig nichts anderes zu sehen als den pri rnus inter pares. In diesem Klima der Feudalju-
ri sten, d ie auf Zypern ebenso e if rig deba tt ie rten wi e auf dem Fest land , ja s ich dor t noch
mehr entfalteten , hatte Heinr ichs Titel eines Herrn des Konigreichs Jerusalem einen ganz
konkreten Inhalt, den Ludwigder Hei lige vielleicht gar nicht begri ff . Heinr ich pochte da-
mit, im Adel fur jedermann verstandlich, auf eine konigsgleiche SteHung gegenuber dem
franzosischen Konig . Aber zugleich lei tete er natii rlich Wasser auf die Muhlen des Adels,
187 HIESTAND,Zwei Diplome aus Lucca, QFIAB 50, 53f.
'8 8 RILEy-SMITH,Feudal Nobility S. 213.
'8 9 Registres d'Lnnocent IV nO2531.3067.5893.
190 MAYER, Kreuzfahrerherrschaft Arrabe, Zeitschrift des Deutschen Palastina-Vereins 93,207.
5 Ak. ·Abl l. phi l. .h is t, 83: Mayer . Das S iege iwes en
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66 Hans Eberhard Mayer Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten
sal em immer die Formel von den coins gebraucht (RRH nO 1368.1370.1375.1461), ja in
RRH nO1518,als die Pisaner dem Konig auch noch ihr eigenes Idiom als Urkundensprache
abnotigten, wurde die Forme! sogar ins Italienische iibersetzt: impremuto di nostro diricto
cunio di nostro reame di Cipri. Es spielte jetzt auch keine Rolle mehr, woder Konig urkun-
dete: RRH nv 1368ist in Akkon fiir Zypern, RRH nO1374b in Nikosia fiir Jerusalem aus-
gestellt. Die Ankiindigung der coins von Jerusalem oder Zypern war, wenigstens am An-
fang, wohl nicht mehr als eine Anweisung an die nun fiir beide Reiche arbeitende zyprische
Kanzlei, welches der beiden Siegel zu verwenden sei.
Wer sich mit seinem Titel und mit seiner Siegelankiindigung sosehr auf die Ebene jener
begab, die argumentierten, daBder Konig nur chef seignor sei, muBte damit rechnen, daBdie
Seigneurs nun wirklich Gebrauch machen wiirden von jenem droit des coins, das ihnen der
Livre au roi schon seit einem halben Jahrhundert zubilligte. In den Urkunden der Barone
setzt die Formel jetzt ein, zuerst in Sidon. RRH nO1205von Marz 1253zeigt mit soeler de
mes coigns deplomb einen ers ten tas tenden Versuch, der s ich aber noch mehr an der alten
Bleisiegelkiindigung orientiert als an der Betonung des wahren Stempels der Herrschaft,
wenn das Datum richtig ist.193Aber in RRH nO1217vom August 1254ist die neue Forme!
voll entwicke!t da: bulle deplomp empreint en mes dreis coz'ngde ma set'gnorie de Saette,
und von nun an verschwindet sie auch nicht mehr.P! Bedenken wir, daB wir nur einen win-
zigen Teil der Baronsurkunden noch haben, so kann man von einem schlagartigen Auftre-
der mehr als ein J ahrzehnt den staufischen Zentralismus bekampft und schlieJ31ichobsiegthat te . Denn hier erkannte ja die Vertretung der Reichsspi tze an, daB das Reich nur eine
Herrschaft sei wie die der Magnaten.
War die Titelfrage hochpolitisch, so war die Siege!frage wahrscheinlich eminent prak-
tisch, obgleich Heinrich I. hier auf dasse!be Repositorium feudaljuristischen Gedankenguts
zuriickgriff, wie es sich seit dem Livre au roi zu einem Corpus ausgebildet hatte, in dessen
Dunstkreis er ja selbst aufgewachsen war, denn in Jerusalem und Zypern debattierten die
Barone ohne Ende iiber juristische Fragen, nicht nur um ihr Standesinteresse zu wahren,
sondern auch als intellektuelles Vergniigen in Mulsestunden.P! Als Heinrich drei Monate
nach RRH nO1200im Oktober 12521• Johann II. von Ibelin-Bairut (nicht dem Juristen)
sein vaterliches Lehen Caselimbert bestatigte (RRH nO1208),da gebrauchte er neben dem
neuen Titel auch eine vollig neue Siegelankiindigung: mon seel deplomb de mes coins dou
reaume de Jerusalem. Der sachliche Unterschied dieses Diploms zu allen friiheren eines
Konigs von Zypern war, daf es in Nikosia ausgestel lt wurde, obwohl es eine ausschl ieB-
lich jerusalemitanische Sache betraf. Das hatte es zuvor, so weit unser fragmentarisches
Material SchluBfolgerungen erlaubt, nicht gegeben. Es kam deshalb darauf an zu betonen,
dafl das richtige Siegel verwendet worden war, ja wir miissen aus dieser Ankundigung un-
bedingt folgern, was wir fiir Aimerich (II.) schon vermuteten, daf Heinrich I. fur Jerusa-lem ein anderes Siegel fiihrte als fii r Zypern. Ohne dies ware die Ankiindigung sinnlos .
Freil ich war dieses jerusalemitanische Siege! nun in Zypern, und auch das mag seine
Griinde gehabt haben, da esdamit dem Zugriff des franzosischen Konigs entzogen war, der
es ganz gewif3nicht selbst benutzt hatte, wohl aber auf Heinrichs Verwaltungsbailli auf
dem Festland Druck ausiiben konnte, esbenutzen zulassen. Wie alles im lateinischen Osten
wurde auch RRH nO1208zurn Prazedcnefall, denn kiinftig wurde fiir Zypern wie fiir Jeru-
--_-----------
193 Auch beidieser Urkunde, die auch im dritten Teil des Kopialbuches des Deutschen Ordens iiberIiefert
ist, ist die Datierung umstritten. Das Datum lautet an de l'incarnadon . . . mil e t doucenz e t c inquante
t ro is , lundi a v in t e tunjor demois demars. Aber der 21. Man 1253fiel auf einen Freitag. Schon Ernst
STREHLKE,Tabulae ordinis Theutonici (1869)S. 82hat in den Anmerkungen deshalb erwogen, das Datum
auf 1254zu legen, aber selbst schon festgestellt, daf 1254der 21. Mara auf einen Samstag tiel. Eine ganze
Serie von Urkunden Julians, die aIle im dritten Teil des Deutschordenskopialbuches uberliefert und vom
4.-10. Januar 1256datiert sind (RRH no 1253-1256), geh6ren zu 1257, weil in ihnen schon der Deutschor-
densmeister Anno von Sangershausen genannt ist, der am 29.Juni 1256noch als livlandischer Landmeister
in Frankfurt war (Dieter WOJTECKI,Studien zur Personalgeschichte des Deutschen Ordens im IJ.Jahrhun-
dert [Quellen und Studien zur Geschichte des ost lichen Europa 3, 1971] S. 154)·
. .. RRH no 1253-1257.1265.1267.1300.13°1. In Jaf fa-Askalon erscheint d ie Formel 1257 in RRH no
1245.1246. In Caesarea wurde 1249 noch einfach ein Bleisiegel angekundigt und ab 1255die neue Formel
verwendet (RRH nc 1175.1233.1238), in Arsuf wurde 1241 noch ein Bleisiegel angekiindigt, ab 1255jedoch
ebenfaHs die neueFormel bcnutzt(RRH no 1100.1241.1302). DieAmigdalas, 1244nur einBleisiegel ankundi-
gend(RRH ric 1120.1121),bedienten sich sparer alsHerren vonScandalion 1263der neuen Formel inRRH n?
1327,die inTyrus ab 1269ihren Einzug hielt (RRH nO1366.1286; zum Datum dieses letztgenannten Stticks,
das wahrscheinlich 1270heiden mull, vgl. CRASDONDE BRIAILLES,Droit descoins, Syria 23, 255 Anm. 7).
DerHerr von Tyrus war gIeichzeitig Herr von Toren, wo 1234Iediglich auf das BleisiegeIverwiesen worden
war, 1270 aber dieneue Formel erschien (RRH nc 1056.1372). Und woin Bairut Johann I.lediglich ein Blei-
s iegel angekiind igt hat te , benut zt e Johann I I. di e neue Formel (RRH no 9 5 Q- < } 5 1.957.963.977.13°7. 1308.
1310; zu RRH nc 1250s. unten S.<)Off.).Der Grafvon Jaffa siegelt im Juni 1247in einer zyprischen Sache
noch mit der Ankundigung eines seel deplomb (RRH nc 1149), aber das ist wenig aufschlullreich, denn in
die zyprischen Besitzungen drang die Formel nie vor, da es in Zypern anders als auf dern Fcstland keine
Seigneurien im Konigreich gab. Die Herren von Margat verloren mit der Herrschaft auch ihr Siegel (s. oben
S. 23). Als es der Familie gelang, auf dem Festland wieder Full 7.U fassen und dort sogar noch cine kleine
Seigneurie zu grunden, da beurkundete Amalrich Barlais eine fcstlandische Sache mit seinem Wachssiegel,
versprach aber, die Sache binnen 15Tagen nach seiner Ruckkehr nach Zypern mit seiner (dort aufbewahr-
ten) Bleibulle empreint en mes dreis coins ncu zu beurkunden (RRH no 1367von 1269).Er hat te den Bullen-
s tempel a lso in Zypern, e r war aber auch fur fes tlandische Dinge bes timmt und wurde dann auch mit der
neuen Formel angekundigt : vgl. zu dem Wiederaufstieg dcr Familie Barlais auf dem Festland MAYER.
Kreuzfahrerherrschaft Arrabe, Zeitschrift des Deutschen Palastina-Vereins 93,204-212. In Tripolis kundig-
ten die Giblet-Porcellet 1248noch ein Bleisiegel, aber ab 1274dieses in der neuen Form an (RICHARD,Comte
de Tripoli dans les chartes des Porcellet , BECh 130,371 nc 3 von 1248; 373ff . nO4-<;aile von 1274, aber in
Akkon ausgestellt).
lO RILEy-SMITH, Feudal Nobility S. 128f.
192 Das Diplom RRH no 1208, mit dem diese Bestatigung vorgenommen wurde, ist datiert aus Nikosia
vom Oktoher 1253. Es ist nur im dritten Teil des Kopialbuches des Deutschen Ordens in Merseburg uber-
liefert, und auch dieHandschrift hat 1253. Der Aussteller starb aber schon am 18.Januar 1253.Wahrend das
J ahr ber ei ts i n Quell en des 13. Jh . bezeugt i st (Es toir e de Eracl es XXXIV 2 RHC Hoc 2 441; Annal es de
Terre Sainte, ed. Reinhold ROHRICHT,Archives de l'Orient latin 2b [1884]445), ist der Todestag erstmals im
fruhen 16.Jh. genannt von dem Venezianer Amadi (Chroniques d'Amadi et de Strambaldi, ed. Rene DE
MAs-LATRIE1,202), dem freilich diegesamte zyprische Ubcrlieferung als Folge der venezianischen Beherr-
schung Zyperns zur Verfugung stand und der ein ausgcpragtes Interesse an exakten Daten hatte.Ohne ihn
rrriifltevieles in Zyperns spatmittelalterlicher Geschichte unsicher bleibcn. Da das Formular des DiplOIDS
anderweitig erstklassig ist, da es uberdies nebst seiner Ausfolgung an den Deutschen Orden die Vcrausser-
zung fiir die Rechtsgescbafte in RRH no12;0.1307 bildete und da eine Deutschordensfalschung fur diesen
Besitz (RRH nc 733; vgl. dazu Hans Eberhard MAYER,Marseilles Levantehandel und ein akkonensisches
Falscheratelier des 13. Jahrhunderts [Bibliothek des Deutschen HistorischenInsti tuts in Rom 38, 1972)
S. J61 fl.) formularma13ig miserabcl isr, ist an eine Falschung von RRH no 1208 keinesfalls zu denken. Wir
mussen vielmehr einen Schreibfehler in der uberlieferung oder vielleicht schon im Original unterstellen und
das Diplom zu 1252stellen. Ware Heinrich nicht schon zu Anfang 1253gestorben, sohatte fur den Grafen
Johann vonJaffa kein Anla13bestanden, sich schon im Mara 1253seine Belehnung mit der Doppelgrafschaft
J affa-Askalon durch Heinrich I. seitcns des Papstes bestatigen zu lassen (Potthast no 14297=Registres
d'Innocent IV no6465). DieUberlieferung der Daten in dem dritten Teil des Kopialbuches istnicht ubertrie-
ben gut. Ohne RRH no1208entbalt dieser Teil aj Urkunden, von denen nur bei dreien (RRH n?921.1120.
1121) das Datum uberprufbar r icht ig ist , wahrend es in fiinf Fallen (RRH nO2105.1253-1256; vgl . dazu
Anm. 193)demonstrierbar verkehrt ist. Irn Oktober 1252wurde beispielsweise auch RRH ne 1201falsch da-
t iert ; vgl . dazu Jean RICHARD,Chartes deTripoli dans IeFonds des Porcellet , BECh 130, 354 Anm. 3 und
BULST,Templi magistri S. 234 Anm. 11. Wer als Nichtfachmann Zweifel hat, was im Mittelalter bei Datie-
rungen alles mogtich war, sehesich die beiden Originale von DO. 1.97an; vgl. dazu BRESSLAU,Urkunden-
l ehre '2 443 .
s
_,II
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/hemayer-das-siegelwesen-in-den-kreuzfahrerstaaten-1978 35/55
OIS Hans Eberhard Mayer
t en der Formel ab 1254 reden, Es bedar f denn doch einer Erklarung, warum die Barone
so lange damit warteten. Die juristische Literatur hatte ihnen schon seit fUnfzig Jahren die
Verwendung dieser Forme! erlaubt, aber sie benutzten sie nicht. Mange!nde Kenntnis der
Li teratur war es gewiJ3nicht, was sie davon abhielt . Die aus zwei verschiedenen Siegeln
herruhrenden Zwange des Konigs von Zypern gab es fur die Magnaten auJ3er in Tyrus-
Toron195 nicht, d ie jewei ls nur ein Siegel hatten. Die Empfanger konnen auf der Forme!
nicht bestanden haben, denn sonst hatten sie sie langst verlangt, und wir werden sehen, daJ3
sie auch Seigneursurkunden ohne diese Forme! akzeptierten.
Die Erklarung dii rf te anderweitig zu suchen sein. Das Auftreten der neuen Formel voll-
zog sich in einem Machtvakuum, das in der Geschichte des Reichs beispiellos war und in
dem auch der letzte Schatten von Zentralgewalt verschwand. Ais die Regentschaft 1254
von Johann von Arsur auf den groJ3en Jur isten und Grafen von Jaffa-Askalon, Johann von
Ibelin, uberging, der konsequenter als aile anderen das Reich als eine Adelsoligarchie sah,
da war der letzte dynastische Regent Heinrich I.von Zypern 1253verstorben, im Mai 1254
der rechtmalsige Herrscher Konrad IV., i rn Juni 1254der Patriarch von Jerusalem, schon
1253sein Stellvertreter, der Erzbischof von Tyrus, und im gleichen Jahre auch der Bischof
des wichtigsten Bistums Akkon, so daJ3nach der Abreise des Kardinallegaten Odo von
Chateauroux im September 1254 die Kirche praktisch f iihrungslos war , und Ludwig der
Heilige von Frankreich hatte schon imApri l 1254den Osten ver lassen .P'' Nach dem Tode
Heinrichs I.von Zypern hatte sich zunachst Johann von Arsur zum Regenten aufschwin-
gen konnen, der die meiste Zeit seines Lebens im Gegensatz zu den Traditionen des Hauses
Ibelin, aus dem er stammte, sich als Forderer der Zentralgewalt gezeigt hatte. Ais Johann
von Ibelin, der Graf von Jaffa, ihn 1254abloste, kam der Mann an die Macht, der scharfer
als jeder andere die Vorstellung ver trat, daJ3das Reich nichts anderes sei als ein lockerer
Verband gleichberechtigter Seigneurien mit einem chef-seignor, der fiir die Krondomane
und als Lehnsherr der Kronvasallen dieselben Befugnisse ausiibte wie die Seigneurs in
ihr en Herrschaften, aber kaurn mehr. Wie ke in andere r kannte Johann von Ibe lin die
Rechtsbucher, die den Baronen die coins ebenso zubilligten wie dem Konig, und sicherlich
ha t e r die Urkunde RRH nO1208 vom Oktober 1252zu sehen bekommen, in der der Re-
gent Heinrich I.erstmals aus praktischen Erwagungen die Formel von den coins gebrauch-
teo Dieses Stuck beIehnte ja den Sohn seines Vetters Balian von Bairu t mit Case!imber t,
und zwar en creissement de tonjie de Baruth, a lso das, was man im 12.Jh. in augmento
feodi formuliert hiitteY7 Das war eine Formel von erheblicher Bedeutung, denn sie stellte
sicher, daJ3zwar das Lehen, n icht aber der Dienst vermehr t wurden, wie in RRH n? 1208
auch ausdrucklich gesagt wird. Nicht nur aus familii iren Grunden hatte Johann von Jaffa
ein Interesse daran , sich mit dem Inhalt dieser Belehnung ver traut zu machen, sondern
er wurde wahrscheinlich ais Regent von Amts wegen damit befaJ3t, wenn er den Dienst
des Herrn von Bairut anforderte, ihn aber fur das zusatzliche Lehen in Caseli rnbert n icht
erhohen durfte. Wir halten esfur sehr wahrscheinlich, daJ3es der Regent Johann von Jaffa
war, del' den Vasallen die neue Forme! zur Benutzung freigab. Sie muJ3zuvor von der Zen-
tralgewalt inhib iert worden sein, wei l anders sie schon vie! f ruher har te erwar tet werden
miissen , nachweislich aber nicht gebraucht worden war . Einmal in Umlauf gekommen,
konnte- Johann von Arsur sie natur lich nicht wieder abschaffen, als er die Regentschaft
1256wieder iibernahm, urn somehr, als er und sein Sohn sie jetzt sogar se!bst gebrauchten
"'/. ';~}
" ..
105CHANDON DE BRIAILLES, Droit des coins , Syria 23, 256 und oben Anm. 132.
196 Zu diesem Machtvakuum und zu den Kampfen urn die Regents chaf t in den funfz iger J ahren vgl.
MAYER,Ibelin versus Ibelin, Proceedings of the American Philosophical Society 122, Nr. 1, S. 42f .
107 Zu d ie se r Fo rme! s. RRH n ' 4 65 .
:..!
I
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten
(RRH nO1241vom August 1255; 1302vom Mai 1261). Einen Versuch daz~ mag.er aber
doch gemacht haben, denn kaum finden wi r ihn am 15. September 1256 wieder rm Amt
(RRH nO1250), als Johann II. von Bairut se in Lehen in Casel imber t auf zehn Jahr e a .n
den Deutschen Orden fur 13000 Byzantiner jahrhch verpachtete. Hierf ii r brauchte er die
Zusti rnmung des Regenten, die zwar an sich der Dienstwahrung diente, was bei Caselim-
ber t n icht in Betracht kam, da esein dienstf reies Zusatzlehen zu Bairu t war , was aber eine
allgemein geltende Regel war, da von den meisten Lehen Dienst zu leisten war. Der Regent
war bei der Rechtshandlung auch anwesend, und die Urkunde wurde nur unter Wachs ge-
siegelt, was moglicherweise - wenn nicht die Urkunde nur als eine vorlaufige geda~ht war;
S. unten S. 88f f. - a ls e in Kompromi13 anzusehen ist , wenn der Regent den Verz icht auf
die neue Formel ver langte, Johann II. von Bairu t aber nicht zu einer einfachen Bleisiegel-
ankiindigung wie vor 1254 zuruckkehren wollte.
DaJ3die Vasallen unter Berufung auf die ja von ihnen selbst verfaJ3ten Rechtsbucher und
unter der Fiihrung ihres besten Jur isten mit der neuen Forme! ein Stuck Zentralgewalt
usurpiert hatten, das ihnen von dort aus nicht zugestanden wurde, ergibt sich schon dara~s,
daJ3es eine Gruppe von Mannern gab, die kraft Amtes zur Redlichkeit besonders verpfiich-
tet waren und sich weigerten , die neue Formel zu verwenden, die sie offenbar fur rechts-
widrig hielten . Das waren die offentlichen Notare. Unter dem Einfluf der I talie.ner hatte
das Notariat mit seinem Notariatsinstrument auch im lateinischen Osten seinen Einzug ge-halten, und auch die Seigneurs bedienten sich hin und wieder des Notariatsinstr.umentes.
Dieses hatte als solches offcntliche Glaubwurdigkeit, weiI ja eine Abschrift, rrundestens
eine Imbreviatur , im Register des betreffenden Notars (der Urkundenrolle, wie wir heute
sagen wiirden) zuruckblieb. Das Notariatsinstrument bedurfte also keines Siegels, sondern
nur des Notarssignets als Beglaubigungsmittel. Tatsachlich erfreute sich aber die auch aus
Europa bekannte hybride Form des besiege!ten Notariatsinstrumentes einiger Beliebtheit,
an dem zusatzlich zur Beglaubigung durch den Notar noch das Siegel des Ausstellers, rich-
tiger des Auftraggebers, hing oder ein glaubwiirdiges geistliches Siegel. Aliotto Uguccio
fer tigte 1254ein Instrument i ibcr eine Schenkung des Herrn von Sidon aus, die unbesie-
gel t bl ieb (RRH n? 1220). Am 1. Mai 1255schr ieb derselbe Notar eine Schenkung des
Herrn von Caesarea i n der Form des Inst ruments, das vom Erzbischof von Caesar ea be-
siegelt wurde. Zu dieser Zei t gebrauchte der Herr von Caesarea in den von ihm selbst aus-
gestel lt en Urkunden bere it s die neue Formel (RRH n? 1234. 1233). Ais der Her r von
Blanchegarde 1265 durch den Notar Pierre de la Chassagne mittels eines Notar iatsin-
struments an Amalrich Barlais eine Jahresrente von 400 Byzantinern zuriickverkaufte, die
er einst von Amalr ich erworben hatte, wahlte der Notar wieder einen Weg, der die Formel
von den droiz coins vermied. Er lieJ3den Aussteller das Instrument mit seinem Wachssiegel
besiegeln, das ordnungsgemaf angekiindigt wurde, aber natiirlich ohne die neue FormeI,
die sich ausschlieJ31ich auf Bleisiegel bezog. Da nun aber das Wachssiegel in der Regel nur
vorlaufigen Wert hatte (s. unten S. 88ff.; ein anders gelager ter Fall des Aliotto S. unten
S. 88), JieJ3 er zugleich die glaubwi irdige Bleibulle des Patriarchen von Jerusalem an-
hangen (RRH n? 1324). Hie r ging es urn eine abschl ieJ3ende Beurkundung, und da wirkeinen Anlaf zu der Annahme haben, daB der Herr von Blanchegarde als einziger Seigneur.
neben dem Wachssiegel keine Bleibulle gehabt und allein die neue Formel nicht benutzt
haben sollte, deren Gebrauch ihm das Rechtsbuch des Johann von Ibelin ausdr tick lich zu-
billigte, sehen wir in der Besiegelung des Instruments einen Ausweg des Notars, urn ihm
einerseits abschIieJ3enden Charakter xu geben, andererseits die neue Formel zu umgehen.
So hie !t es noch 1277 der Notar Bar tholomaeus de Firmo, der von dem Vert rag RRH n?
1413 zwischen Venedig und dem Herrn von Tyrus zehn gleichlautende Notar iatsinstru-
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
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Hans Eberhard Mayer
l.mente aus£ert igte , vier fii r Venedig, drei fii r Johann von Tyrus, je eines fUr den Patriar-
chen, den Templer- und den Johannitermeister. Die Sti icke waren allesamt mit den Blei-
bu ll en der drei let ztgenannten bul li er t und mi t den Siege ln (d. h. im Gegensatz zu den
Bullen mit Wachssiegeln) beider Parteien versehen. Nun kam Bartholomaeus aber aus
dem geistlichen Geschaftsbereich, denn er war der Notar des Patriarchen (RRH nO1388.
1418), und in diesem Sektor war das geistliche Siege! am Notariatsinstrument durchaus
iiblich. Das Problem der neuen Forme! stylite sich iiberhaupt nicht, wenn im geistlichen
Bereich ein geistliches Siegel an ein Notariatsinstrument gehangt wurde. Noch deutlicher
t ri tt d ies he rvor bei dem Kler iker Johannes, einem vie lbeschaf tig tcn Notar mit einer
Pfriinde im Domkapitel von Akkon (RRH nO 1384.1390.1399.1414.1417.1419.1420.
1424c.1435.1441). Auch er arbeitete vorwiegend im geistlichen Bereich und hangte seinen
Instrumenten in der Regel glaubwiirdige Siegel an. DaB er seine Instrumente besiegelte,
war ihm offenbar soselbstverstandlich, daB er zu Beginn seiner Notarszeit in RRH nO1384.
1399sogar die Regel durchbrach und das Siegel der Herrin von Scandal ion anhangte, aber
selbstverstandlich ohne die Forme! von den droiz coins zu gebrauchen, obwohl s ie s ich
hier angeboten hatte, denn da ein Siegel, nicht ausdriicklich ein Wachssiegel, angekiindigt
wird, miissen wir vermuten, daf die Bleibul le von Scandal ion verwendet wurde. Ais er
1280 in RRH n? 1435 erneut in Dingen der Herrschaft Scandal ion tat ig wurde, hat te er
s ich dem allgemeinen Usus so weit angeglichen, daf er nur noch das Siegel des Archidia-kons von Akkon anbringen Iiefl, 1m Gegensa tz zu Bar tholomaeus und Johannes war
Aliot to ein Notar anderen Typs. Zwar arbei tete auch er nach dem Quellenbefund vorwie-
gend fiir eine geistliche Korporation, namlich fiir die Johanniter, als deren Notar in Akkon
man ihn geradezu bezeichnen darf, aber gerade von diesem Auftraggeber her mufite er mit
der neuen Formel von den droiz coins und ihrer Problematik vol l vertraut sein, denn der
Johannitermeister verwendete sie ab 1256 selbst (5. unten S. 71). Neben seiner Tatigkeit
fur die Johanniter war Aliot to aber auch der we!tl ichen Verwaltung zugeordnet, was ihn
wiederum mit der neuen Forme! vertraut werden lassen mufste. Denn nachdem 1251das
Amt eines Gerichtsschreibers in der Cour des Bourgeois in Akkon eingerichtet worden
war, begegnet Aliotto 1253-1260 als deren erster Schreiber (RRH nO1209.1212.1291).
DaB auch diese drei Stucke aus dem Johanniterarchiv starnmen, spricht nicht dagegen.
Das Material fliel it hier eben viel reicher als sonst irgendwo im HI. Land. Aber nachdern
das Schreiberamt ers t einrnal eingerichtet worden war, konnten die Parteien nat irrl ich
nicht mehr mit ihren eigenen Schreibern im Gericht erscheinen, so daf Aliot to Gerichts-
schreiber gew.esensein muff.
Es versteht s ich von selbst, daf der Klerus die neue Formel nicht gebrauchen durfte,
weilihm keine seigneurialen Befugnisse zustanden. Er hatte daran auch kein Interesse, wei!
seine Bleisiegel ohnehin 6ffentliche Glaubwiirdigkeit besaflen, und allein daran waren die
Pralaten interessiert. Dies gal t sosehr, daf se!bst der Erzbischof von Nazareth und der
Bischof von Rarnla keinen Versuch machten, die neue Formel zu benutzen (s. oben S. 61),
obwohl sie als einzige Mitglieder des Episkopats auch Seigneurs und Kronvasallen waren
und von Johann von Ibel in den droit de coins ausdriicklichzugebilligt erhielten. Andersstand esnatiirlich mit den Ritterorden, die zwar theoretisch keine seigneuriale Stellung be-
saflen, aber in zunehmendem Malle den Seigneurs ihre Herrschaften abkauften oder ab-
pachteten. Beim Deutschen Orden ist das Material diirftig, weil der erste Teil des Kopial-
buches schon 1243/44 zusammengestell t wurde und der bis 1263 reichende Nachtrag in
Teil III nur einen kleinen Teil des Archivs umfafst haben kann.198Immerhin naherte sich
.,
. '
, .. Hans Eberhard Mayer bei STREHLKE, Tabulae ordinis Theutonici (21975),praefatio S. 70-81.
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten
der GroBkomtur Hartmann von Heldrungen der neuen Formel, als er 1261Johann II. von
Bairut die neuerliche Verrentung seines Lehens Caselimbert beurkundete und eine bolle
deplomb . .. enpraint es dreiz coins generaus de nostre devant dite maisos: ankiindigte
(RRH n? 1309).Mit der Formel von einem Bleisiegel enprdnt en noz dreiz coins generals
war ihm der Johannitermeister schon am 30. Apri!1256 in RRH nO1247vorausgegangen,
und der Templermeister benutzte 1262in RRH nO1318.1319.1321 dieselbe Formel. Die
Ordensmeister machten also einen quasi-seigneurialen Anspruch geltend, der ihrer tat-
sachlichen Stellung durchaus entsprach und vom Hochadel angesichts des militarischen
Ubergewichts der Orden ebensowenig inhibiert werden konnte, wie der Regent Johann
von Arsur beim Hochadel die neue Siegelankiindigung abzuschaffen vermochte, wenn in
RRH nO1250ein Versuch hierzu zu sehen ist .
, '.
.».
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
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IV. DAS WACHSSIEGEL 1M LATEINISCHEN OSTEN
Das Wachssi ege l begegnet im latein ischen Ori ent zuers t im ge is tl ichen Bere ich. Das
fruheste, von dem wir Nachricht haben, war das erzbischofliche Siegel des Gibelin vonAries,
der als papstlicher Legat nach Syrien geschickt und dort 110<)/10Patriarch von Jerusalem
geworden war. Es hing, obgleich unangekiindig t, an RRH nO69von 1111(s. oben S. II) .
Immerhin handelte es sich hier gleichsam urn ein Amtssiegel eines Legaten, das den ohne-
hin noch nicht verfestig ten, ja noch nicht einrnal ausgebi ldeten Siegelvorstellungen des
lateinischen Ostens nicht zu folgen brauchte. Obwohl Gibelin bei der Ausstellung von RRH
nO69 berei ts Patriarch war , i st sein erzbischofliches Siegel doch kein Hinweis darauf,
wie Gibelin sonst als Patriarch urkundete und ob er seine anderen Urkunden i iberhaupt
besiegelte. Denn er gab sich in RRH nO69 nicht den Titel eines Patriarchen, sondern ur-
kundete, wie Hiestandl.> r icht ig gezei gt ha t, a ls Lega t. Fr agt man s ich, warum er sich
einer solchen Zuriickhaltung befleilligte, so karin man nur vermuten, daf er in Sachen,
die aulierhalb des Sprengels von Jerusalem sich abspielten, lieber als Legat urkundete,
eine Miiglichkeit, die seine Nachfolger erst im 13.]h. wieder erlangten, als in der Regel die
Legation mit ihrern Amt als Patriarch verbunden war . Als Legat besaf er natii rlich mehr
Kompetenzen, und die Frage der kiinftigen Diozesangliederung des Reiches konnte nicht
prajudizier t werden, wenn er als Legat urkundete. Er wuflte natur lich , daf hin ter der ihm
zur Entscheidung vorgelegten Frage das Problem einer eigenen Kirchenprovinz Nazareth
stand.2° ° Gibelins Legatensiegel ist also eine Besonderheit, die nichts iiber den allgemeinenBrauch im Konigreich Jerusalem aussagt.
Ebenso wenig lillt sichmit den nachsten Wachssiegeln des Bischofs, des Kapitels und des
Kantors von Tripoli s anfangen. In einer undatierten Urkunde (RRH n? 117)ein ig te sich
ein Magister Philipp, Kantor vonTripolis, mit dem ]ohannitermeister vor den vom Aposto-
lischen Stuhl delegierten Richtern, dem Erzbischof von Caesarea, dem Abt von St. Samuel
in Akkon und dem Archidiakon von Nazareth, iiber gewisse Zehnten in der Diozesc Tripo-
lis , von denen der Kantor behauptete, daB sie zu seiner Pfrunde gehor ten. Die] ohanniter
leg ten dagegen einen Vergleich in der tripoli tanischen Zehntfrage vor , der zwischen dem
Bischof Bernhard und dem Johannitermeister Raimund du Puy im Jahre 1125 durch Ver-
mittlung des Bischofs von Le Puy, des Abtes von San Feliu de Guixols und des Petrus von
Puy Laurent geschlossen worden war (RRH nO107). Nach Einsicht in diesen Vergleich
verzichtete der Kantor Phi lipp auf seine Zehntforderungen. Dieser Verzicht wurde beur-
kundet unter Inser ierung von RRH nO107, das nur so auf uns gekommen ist. Obwohl der
Verzicht undatiert ist, haben ihn schon Paoli und Riihricht201zu 1125 beziehungsweise zu
ca. 1126 eingereiht, weil sie davon ausgingen, daB der Vergleich zwischen Bischof Bern-
hard und den Johanni tern nicht allzu lange vor dem Verzicht gelegen habe. Auch Riley-Smith202hat sich dieser Datierung angeschlossen und in der Auseinandersetzung zwischen
Magister Phi lipp und den ]ohannitern den fri ihcsten dokumentier ten Zehntstreit des Or-
(.
UI"HIESTAND Papstliche Legaten; s .oben Anm. 60.
200MAYER, Bistumer S. 92
201 PAOLI, Cod. dipl, di Malta 1, 7 ne 7; ROHRICHT, RRH ne 117
eu RILEy·SMITH, Knigh ts o f S t. John S . 404 .
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 73
dens mit dem Episkopat im HI. Lande gesehen. In einer unpublizier t gebliebenen Studie
hat Marie-Luise Favreau mit betrachtlichem Scharfsinn die Ungereimtheiten dieser Da-
tierung aufgezeig t. Die Sprache des Verzichts i st die Sprache des kanonischen Prozesses
des 13.]h .; ein Kantor von Tripolis mit so fri ihem Magistertitel i st n icht denkbar , jeden-
falls dann nicht wenn es sich urn einen akademischen Grad handeln sollte; Prokuratoren
und delegierte Richter , wie sie hier auf treten , gab es 1125noch nicht; 1125 amtierte an der
Kirche von Tripolis noch ein Kantor Garzio, sodaB nicht recht zu sehen ist, woher pliitzlich
der Kantor Phi lipp kam; ein Abt von St. Samuel inAkkon ist auch erst i rn 13·Jh . denkbar .
Wenn diese Studie unveriiffentlicht blieb, so deshalb, weil sie zum Ziel hatte, die Echtheit
des Verzichts des Kantors Phi lipp in Zweifel zu ziehen, da der Unstimmigkeiten zu viele
waren. Erst ganz am Ende kisten sich die Schwierigkeiten in verbliiffend einfacher Weise
durch eine Nachkontrolle an der Uberlieferung, die zutage forderte, daB beide Drucke von
RRH n? 117203an zwei Stellen falsch lesen. Magister Philipp lag nicht, wie die Druc~~ an-
geben, mit einem ]ohannitermeister R. (=Raimund du Puy) im Strei t, sondern die Uber-
lieferung hat an dieser Stelle wie auch vor den Namen der delegierten Richter die ublichen
zwei Punkte. Ebenso stammt der Bestatigungsvermerk am Ende nach dem Insert von RRH
nO107,wo auch die Siegel des Bisehofs, des Kapitels und des Kantors angekiindigt werden,
n ieht von einem Bischof B. (= Bernhard 1.oder 11.,was beides nicht paf lt), sondern von
einem Bischof O. (Opizo), Damit konnte Favreau RRH nO117miihelos einordnen in einen
Zehntstreit, den der auf Befehl des Papstes Innozenz IV. am 26.Oktober 1250 zum Kantor
von Tripolis berufene Magister Philipp20' mit dem] ohannitermeister Hugo Revel anzettelte.
Das Ende dieser Auseinandersetzung haben wir in dem undatierten Stuck RRH nO117, in
das der schon 130 Jahre zuriiekliegende Verglcieh RRH nO107 von 1125 inseriert wurde,
vor uns und gleichzei tig in RRH n? 1274.1274a vom 17. ]uli 1259. In dieser Zei t braucht
uns ein Wachssiegel des Bischofs Opizo , des Kapitels von Tripoli s und des Kantors Phi -
l ipp ebenso wenig zu wundern wie die anderen auf das 13.Jh. deutenden Elemente von
RRH n? 117.Die ovale Form des Siegels des Bisehofs, das Paoli Tafel I n?2nachgezeich-
net hat braucht uns nun auch nieht mehr zu wundern, wohl aber muf Paol i das Siegel
falsch nachgezeichnet haben, da es den Namen des Bischofs Bernhard aufweist.
Schalten wir also die bisher behandelten Wachssiegel aus.so ist der erste Wachssiegelfiih-
re r im HI . Lande angebl ich der Erzbischof Fulcher von Tyrus . Ir n Nati ona lmuseum in
Neapel solI sich sein Siegel lose erhalten haben (Schlumberger, Sigillographie S. 91 n?47)·
Schlumberger sagt zwar ni cht , da f esaus Wachs is t, aber da er Bul len s te ts a ls "bu lle de
plomb" beze ichne t, hie r aber von "sceau" und "con tre -sceau" r ede t, muf man au f \¥achs "
schlief len. An der Zuschreibung ist kein Zweifel, denn wenn auch das Siegelb ild schlecht
erhalten ist, so ist doch auf Schlumbergers Photo die Umschrift deutlich zu lesen: + FVL-
CHERIVS ARCHIEPIS auf demAvers, + CIVITAS TYRI auf dem Revers. Ein erz-
b ischof liches Wachssiegel in so fri iher Zei t i st so ungewiihnlieh , daf man geneigt i st , an
eine Falschung zu denken. Wenn essich urn ein echtes Wachssiegel handelt, sornuf esaus
der Amtszeit Fulchers als Erzbischof 1132-1146 stammen. Personlich angestellte Recher-
ehen im neapoli tanischen Nationalmuseum nach diesem Siegel b lieben erfolglos. Es war
1977nicht mehr aufzufinden, und Inventare existieren keine. Allerdings wurde ich in die
geschlossene Munz- und Siegelsammlung nieht vorgelassen, sondern man legte mir ledig-
lich die wenigen dor t aufbewahr ten Siegelstempel vor und gab mir die Auskunf t, das Mu-
• .. PAOLl ,Cod. d ip !. d i Mal ta 1 ,7 nO7 . Joseph DELAVILLELE ROULX,Cart ul ai re gener al de l'Ordre du
S t. -Jean de Jer usal em 1 (1894 ) 69 nO72 .
. .. Reg is tr es d 'I nnocen t IV nO5390 .
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
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74 Hans Ebe rhard Mayer
seum besitze iiberhaupt keine Siegelabdriicke. Angesichts der fehlenden Inventare laBt
s ich dies nicht uberpri ifen. Der Leiter der s taat lichen Miinzsammlung in Miinchen hat
freundlicherweise fUr mich die Photographie bei Schlumberger begutachtet und ist mit
mir der Ansicht, daBes sich moglicherweise hier doch urnein B1eisiegelhandelt, daBjeden-
falls das Photo einem Bleisiegel ahnlicher sieht als einem Wachssiegel, ohne daB dies jedoch
allein nach der Photographie mit Sicherheit zu entscheiden ware, selbst nicht fur das Ex-
pertenauge. Das nachste Wachssiegel, bei dem wir dann auf s icherem Grund sind, ist das
des Abtes des Pramonstratenser-Klosters St. Joseph und Habakuk, das nie eine sehr groBe
Rolle gespiel t hat . Ais der dortige Abt 1160einen Tausch mit Hugo von Ibelin vornahrn
. (RRH nO358), kiindigte er zunachst sein Siegel an, worunter wir ein Bleisiegel verstehen
miiBten, wenn er nicht nach der Zeugenliste hinzufiigte, daB er zur Bekraftigung noch das
Siegel des Bischofs Konstantin von Ramla angehangt habe una cum sigillo nostro cereo,
Ein Wachssiegel muBte also im 12.Jh. mit seinem Siegelstoff eigens angekiindigt werden.
Auch ist es gleich bei Anfang seiner Geschichte von deutlich geringerem Beglaubigungs-
wert als die Bleibulle, weil der zustandige Diozesan seine Bulle noch mit anhangen muBte.
Wenn wir uns bei der Durchsicht des Materials nicht getauscht haben, ist damit die Ge-
schichte des Wachssiege1s im 12.Jh. im HI. Lande bereits zuende, denn ein Wachssiegel
der Templer von 1147stammt aus Europa (s. unten S. 77).
ErwartungsgemaB finden wir im 13.Jh. mit der Zunahme des schriftlichen Rechtsver-
kehrs auch eine Zunahme des Wachssiegels . Fur die Geis tl ichkeit lag dies nahe, wei! ihr
der Siegelstoff Wachs ohnehin ins Haus geliefert wurde, denn auch im lateinischen Osten
sind Wachszinsen an Kirchen nicht sel ten bezeugt (beispielsweise RRH n? 56a.370b.
371.529.539.543.8°9.1066). Dieser Rohstoff war natiirlich primar fiir die Lichter gedacht,
aber man konnte ihn auch fiir die Besiegelung hernehmen. Bleiben wir zunachst beim Kle-
rus , so ist vor allem der Brief der Pralaten des Konigreichs Jerusalem an den Konig Phil-
ipp II. Augustus VonFrankreich wohl aus dem Jahre 1220 interessant (RRH n?937). Er
ist geschrieben im Namen der Erzbischofe von Caesarea und Nazareth, des Bischofs von
Bethlehem, der A.bte vom Templum Domini, vom Chorherrenstift auf dem Sionsberg, von
S. Maria im Tal josaphat, vom Olbergst if t, vom Erloserkloster auf dem Thabor und von
S. Maria Lat ina. Das Originall iegt im Pariser Nationalarchiv 0.443 nO2) und war einst
mit neun Siegeln gesiegel t, die nicht angekiindigt werden. Von diesen Siegeln sind acht
noeh erhal ten und bestehen aus gri inem Wachs, das des Abtes von Josaphat aus weiBem
Wachs. Wir diirfen also folgern, daB auch das heute fehlende Siegel, narnl ich das von
S. Maria Latina, aus diesem Stoff war. Wenn ein so reprasentativer Querschnitt des hohen
Klerus damals Wachssiegel fiihrte, soerlaubt uns das die Feststellung, daB sich das Wachs-
siegel damals im Episkopat und unter den A.bten und Prioren durchgesetzt hatte, freilich
ohne daB die Bullen deshalb versehwunden waren. Wir finden auch sie bis zum Ende der
festlandischen Kreuzfahrerstaaten 1291, so daB wir ganz von selbst auf die Frage geflihrt
werden, worin denn der saehliehe Untersehied bestand oder ob esdem Ermessen iiherlassen
blieb, ob ein Pralat Wachs oder Blei benutzte.
Wir fiihren zuvor noch weitere Beispiele fur geist liche Wachssiegel aus der Zeit urn
1220 an: Der Bischof von Akkon und der Prior des HI. Grabes siegelten 1221 mit Wachs
(RRH nO945). Es git!g hier urn eine Beilegung eines Strei tes zwischen Jakob von Vitry,
dem Bischof von Akkon und den Johannitem urn bestimmte Zehnten und Sepulturreehte
in Akkon, die im Mai 1221 in Damiette von dem Kardinallegaten Pelagius zustande ge-
_lJr~eht_wu~d.e.2~5_: ) ! S dort ausgestel lte Original, dessen Text die Siegel der Parteien an-
205 Marie-Luisc FAVREAU, Studien zur Fruhgeschichte des Deutschen Ordens (Kieler Historische Studien
21, o . J. [1974]) S. 51.
,
,
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 75 , :
I Ii
kiindigt, also des Kardinallegaten, des Bischofs von Akkon und des Johannitermeisters,
wurde dann an einen ungenannten Ort (wohl Akkon) gebracht und dort abgeschrieben,
wahrscheinlich in zwei Exemplaren, von denen je eines der Bischof und der Johanniter-
meister bekamen. Das Johanniterexemplar dieser Abschrift t rug die beiden erwahnten
Wachssiegel. Der Prior der Grabeskirche siegelte diese Ausfertigung wohl nur der Beglau-
bigung der Abschrift halber. Die A.btissin des Zisterzienserinnenklosters der hl. Maria
Magdalena in Akkon, der Abt der Zis terze Belmont im Tripoli tanischen und der Erzbi-
schof von Nikosia siegelten 1222eine Urkunde in Wachs, in der das Priorat des Nonnen-
klosters in Nikosia zur Abtei erhoben wurde (RRH n? 962; Schlumberger, Sigillographie
S. 125 nO140; 121 n? 128; 158 n? 39)·
Wir wollen uns hier mit dem zyprischen Siegelwesen nicht weiter befassen und begnilgen
uns mit dem Hinweis, daB sowohl im Klerus wie im Adel das Wachssiegel dort gebrauch-
Iicher gewesen zu sein scheint als auf dem Festland, was einerseits damit zusamrnenhangt,
daB der Kreuzfahrerstaat Zypern erst entstand, als das Wachssiegel im lateinischen Osten
bereits im Aufstieg war, andererseits davon beeinflufit worden sein mag, daB es in Zypern
zur Ausbildung wirklicher Herrschaften nicht kam, so daB der Konig im wesentlichen sich .
das Bleisiegel reservieren konnte. Es sei immerhin darauf verwiesen, daB die Konigin Alice
von Zypern, die sonst nur ein einfaches Wachssiegel benutzte, das sie als Konigin von
Zypern auswies, doch einmal in Frankreich ein Wachssiegel mit einem Riicksiegcl ge-
brauchte, auf dem die Legende + CIVITAS NICOSSIE auftaucht (Schlumberger,
Sigil lographie S. 146 n? 10),wie sie sonst fur die Bleibulle der Konige von Zypern nebst
der Abbildung der Stadt Nikosia charakteris tisch ist . Dies war eine deutl iche Imitation
des zyprischen Konigssiegels, ohne daB Alice das Recht der B1eisiegelflihrung zu usurp ie-
ren wagte. Freil ich sind von den Erzbischofen Alanus und Eustorgius von Nikosia auch
Bleibullen belegt (Schlumberger, Sigil lographie S. 158 n? 37-40), aber nach 1217 nicht
mehr.
Nach diesem Seitenblick auf Zypern konstatieren wir noch, daB bei den Patriarchen von
Jerusalem erstmals von Gerald von Valence (1225-1229) der AbguB eines losen Wachssie-
gels in der Sammlung Smitmer-Loschner im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien erhal-
ten ist , das angeblich aus dern Jahre 1229 stammte (Schlumberger, Sigil lographie S. 79
nO16). Von anderen Erzbischofen, Bischofen und A.bten haben wir Wachssiegel erst von
der Mitte des 13.Jh. ab, aber nicht weiIsiezuvor etwa nicht in Wachs gesiegelt hatten, son-
dern aus Mangel an Material . Wir begniigen uns mit einer Aufzahlung des jeweils ers ten
Vorkommens: Basilius, Erzbischof der Armenier in Jerusalem von 1300 (Schlumberger,
Sigillographie S. 85 nO32), Patriarch Albert von Antiochia von 1254,206der Erzbischofvon
Apamea urn die Mitte des 13.Jh.,207der Erzbischof Bonacursus von Tyrus 1277(RRH nO
1420), der Bischof von Lydda 1232(RRH n? 1039), der Bischof von Bairut 1283(Schlum-
berger, Sigillographie S. 106n? 89), im selben Jahr und 1286der Bischof von Hebron (ebd.
S. 113n? 107 und RRH nO1446) , dessen Wachssi ege l wohl schon an RRH nO1390von
1273 hing, das jedenfalls lose zusammen mit RRH n? 1390 im Deutschordensarchiv des
Staatsarchivs Venedig iiberliefert ist, und schlieBlich der Bischof von Valania urn 1250
206 Joseph DELAVILLELE RouLX, Les a rchive s, l a bib liotheque e t I e t re sor de l 'O rdre de St. ·J ean de Je ru·
salem a MaIte (Bibliothequc des Ecoles francaises d'Athenes et de Rome 32,1883) s. 50 nc 31. SCHLUMBER-GER,SigiI Iographie S . 88 nc42, der s ich S. 98f . nc73 daruber mokie rt e, daf DelaviI Ie Le Roulx das Siege l,
das in Wahrheit dasjenige des Erzbischofs von Apamea sei , falsch zugeordnet habe, wies gleichwohl ein und
das seIbe S iege l h ier wie dort aus und konnte sich nieht einmal zwischen 1244 und dem (richtigen) 1254 als
Datum seines Vorkommens entscheiden.
27 RICHARD,Abbaye de Jubin (oben Anm. 105) S . 68 Anm. 20.
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Hans Ebe rhard Mayer
I
lSchlumberger, S. 120 nO125f.). Auf die Wachssiegel des Bischofs, des Kapitels und des
Kantor s von Tr ipol is von 1259 gingen wir schon oben S. 72f . e in. Von den Stiften is t
noch das Kapitelssiegel des HI. Grabes nachzutragen, das 1269 aus Wachs war (RRH nO
1365).
Demgegenilber war der Johannitermeister recht fruh dran, denn Garinus von Montaigu
fU~rte schon 1221 und 1224 ein Siegel aus schwarzem Wachs (Schlumberger, Sigillogra-
ph te S. 235 nO17(}-181; hier abgebildet Taf. IV, Abb. 31). In den Statu ten des General-
kapitels von 1206wird schon ein Siegel des Meisters erwahnt, und aus dem Vergleich mit
den Gebrauchen des Deutschen Ordens (s. unten S. 79) miissen wir vermuten, daf es sich
hierbei um das Wachssiegel des Meisters handelte. Es heiflt dort,208wenn der Johanniter-
meis te r auf den Too erkranke, so sol ie e r unter den anwesenden Brildern den loya ls ten
und angesehensten auswahlen und ihm sein Siegel anver trauen. Nach seinem Tode solie
dieser dann das Siegel an den Konvent des Ordenshaupthauses ausliefern, und der Kon-
vent solie das Siegel behalten und damit die Ordensgeschafre f iihren . Wenn das General-
kapitel zur Wahl cines neuen Meisters zusammentrat, dann sollte das Siegel in der Mitte
der Versammlung aufgestellt werden. Der Charakter als Herrschaf tszeichen ist also im
Johanniter orden ii be rhaupt nicht zu i ibe rsehen, und so verwundert es nicht , da il de r
Konvent 1278den Gebrauch des Meistersiegels drastisch einschrankte zugunsten der seit
1239 (s. oben S. 35) nachweisbaren Konventsbulle. Diese wurde jetzt dadurch verandert,da il man s ie auf der Umschr ift a ls di e Bul le des Meis te rs und des Konvents bezeichnete
(Schlumberger , Sig illographie S. 244 nO224; hier abgebildet nach dem Exemplar in der
StaatI. MOOzsanunlung Munchen Taf. IV, Abb. 32f .) . Auch wurde auf der Vordersei te
nieht mehr der Meister allein, sondern eine Gruppe von Johanni tern abgebildet, wahrend
die Riickseite praktisch dem Vorbi ld der alten Bulle des Meisters folgte. Die Statu ten von
1278 sehen ausdriicklich vor, daf ein neues Siegel hergestellt werden sollte, welches in der
Umschrift Meister und Konvent nennen sollte. Hiermit sollten aile wichtigen Urkunden,
insbesondere aile Veranderungen des Ordensvermogens, aile Absetzungen von Kapitular-
baillis, ferner aile Verleihungen von Kommenden an einen Ordensbruder oder deren Entzug
besiegelt werden. Es wurde zwar festgesetzt, daf diese Bulle hierarchisch der des Meisters
und dem Siegel des Groilprazeptors, dem des Ordensmarschalls und dem des Ordensspirt-
lers nachgeordnet sein sollte, aber das war eine reine Formsache, denn die Aufbewahrung ,
des Siegels wurde ..on den Statu ten dem Tressler anver traut, sodaf die Bulle dem Meister
entzogen war . Nur gemeinsam mit dem Konvent konnte er sie benutzen. Ausdr iick lich nur
f ii r die minderen Geschaf te, die in den Statu ten nicht genannt waren, sollte das Siegel des
Meisters die alte bindende Kraft behalten.209 Die Statu ten von 1302gingen noch wei ter,
wenn sie vorschr ieben, daf l das Siegel nur in der Anwesenheit des "grand commandeur
d 'Outremer" einerseits und entweder des Marschalls oder des Spi ttlers oder des Tresslers
andererseits sowie des Ordensschreibers i iberhaupt benutzt werden durfte. Ja sogar eine
Vertretung der vorerwahnten Funktionare war f ii r den Gebrauch des Siegels verboten,
ausgenommen im Falle der Krankheit.210 Da das Siegel des Meisters (wie schon von An-
fang an seine Bulle) berei ts unter Gar inus von Montaigu bei seinem ersten Auftreten den
Namen des Meisters trug, vermuten wir , daf der Siegelstempel nach der Wahl des Nach-
'\.. ~
. .. S tat ut en von 1206 § 5-{ ), e d. DUAVILLE LE ROULx, Car t. gen . de I 'O rdre de St. -J ean de Jerusalem 2
(1897) 31 nO1193.
'0 9 Statuten von 12i8 § 1-2 , ebd. 3 (1899) 368 nO3670.
210 S tat ut en von 1302§ I I, u ber s, v . E dwi n J. KING, The Rule, Sta tutes and Customs of the Hospita llers
1099-1310 (1934) S. 123f.
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 77
folgers zerstor t wurde. Wir werden auf diese Frage noch beim Deutschen Orden zuruck-
kommen. Bei einer solchen Abwertung des Meistersiegels konnte es nicht ausbleiben, dail
auch die Kapitularbaillis allmahlich eigene Siegel erh ielten . Die Statu ten von 1206sehen
in § 12vor, dai l der Groflprazeptor des Ordens als dessen Stellvertreter das Wachssiegel
des Meisters in dessen Abwesenheit f iihren soi l und sich dann voller Autor itat in allen Ge-
bieten diesseits des Meeres (vom HI. Lande aus gesehen) erfreut. Dail er als Stellvertreter
des Meisters dessen Siegel f iihr te, braucht wenig zu erstaunen, aber man muf daraus doch
erschlieilen, daf fur den Groflprazeptor ein zweiter Siegelstempel des Meistersiegels ange-
fer tigt wurde, da der Meister , wenn er nach Europa reiste, ganz gewii l sein Petschaft mit-
nahm. In einem aus der zweiten Halfte des 13.Jh . stammenden Text Ci d£t des bul les que
Ie maist re et l es autres bai ll is de/hospital bul lent211 werden schon die folgenden Kapitular-
bai llis mit eigenen Siegeln aufgefi ihrt: der Grolsprazeptor d 'Outremer, d . h . (wiederum
vom HI. Lande gesehen) der hochste Ordensfunktionar fur Europa mit einem Wachssiegel
wie der Meister, wahrscheinlich deshalb auch in schwarzer Farbe; der Groliprazeptor dies-
sei ts des Meeres, d . h . der Grollprazeptor des Gesamtordens, mit einem grunen Wachssie-
gel mit einem Vogel Greif , sodaf er also das Siegel des Meisters n icht mehr fuhrte, sond~rn
bere it s e in ei genes Amtssi ege l ha tte, was nicht ausschl ie fl t, daB er in Abwesenhe it des
Meisters dennoch dessen Wachssiegel im Osten verwenden durfte. Ferner siegelten der
Marschall, der Spittler, die Komture von Zypern und Arrnenien, der Kastellan von Margatund Krak des Cheva lie rs , d. h. de r be iden gra il ten Ordensburgen im Osten, fe rner der
Tress le r und d ie Pr ioren von St. -Gi lles , Fr ankre ich, Deutschland, Spanien, Navarr a,
Kasti lien , Katalonien sowie der Kastellan von Amposta .
Die altesten erhaltenen Wachssiegel der Templer haben Douet d 'Arcq und Kekule von
Stradonitz212 beschrieben. Das alteste stammt von etwa 1147und hangt an einer Urkunde
des spateren Templermeisters Ebrardus des Barres213und zeigt einen kleinen Kuppelbau.
Die Legende i st unleserl ich. Dber ei n Wachss iege l des Meis te rs sagt dies nichts aus . Es
ist erstmals erhalten von Wilhelm von Beaujeu aus dem Jahre 1286an RRH nO1466.Zwei-
fellos hat aber nach Analogie der anderen Ritterorden auch der Templermeister berei ts
wesentlich fruher ein Wachssiegel gefuhrt (s. auch oben S. 36zu RRH nO1039), nur ist es
wegen der Dezimie rung des Archiv s ni ch t e rha lten , und die Untersche idung zwischen
Bu lle und Siege l wird in den Siege lank iindi gungen des 13.Jh. nicht meh r mit der wii n-
schenswerten Klarhei t durchgefi ihrt, so daB wir von hier aus keine wei teren Einsichten
gewinnen konnen, Erst recht n icht informier t sind wir i iber die Siegel der hohen Ordens-
funktionare der Templer . Aus dem abendlandischen Mater ial werden hier wohl Befunde
zu erheben sein, die man aber zusammenzustellen sich noch nicht die Miihe gemacht hat.
Daf das Ordenssiegel mit dem Ausdruck der tuba fur den Tempel Salomons auch in
Wachs vorkommt (Douet d 'Arcq nO9862) haben wir schon oben S. 36gezeig t.
Da der Deutsche Orden unter dem Meister Hermann von Salza groBe und erfolgreiche
Anstrengungen machte, die Privilegien der beiden alteren Ritterorden, insbesondere aber
der Johanniter zu erha lten , was si ch in e ine r ganzen Serie von Paps tpr ivilegien aus den
Jahren 1221 und 1222niederschlug, imitierte Hermann auch sogleich das Wachssiegel des
Johanni termeisters. Hermann von Salza f iihr te schon 1225 und 1226 ein rotes Wachssie-
~~~~~~~~-----~-
211 Joseph DELAVILLE LE ROULX, Note sur les sceaux deI 'Ordre de St.•Jean de Jerusalem a Malte, Memoi-r es de la Soc ie te nat iona le des Ant iqua ir es de France 5. Ser , I (1880) 54-56.
'" DOUET d'ARCQ, Collection de sceaux 3 nc 9858-9865; S. KEKULEVONSTRADONITZ,Siegel der Temp.
lerhe rr en , Der Deuts che Herold S9(1928) loS .
mRobert DELASTEYRIE,Cartulaire general de Paris I (1887) 366 nO420.
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gel.2lCDie Umschrift des friihesten lautet: S' MAGIST H HOSPITAL S M, wobei das
erste H unvermeidlicherweise zu Hermann aufzulosen ist. Dies ist insofern bemerkenswert,
weil die spateren Hochmeistersiegel, und zwar schon das zeitlich nachste noch aus demsel-
ben Jahr, den Namen des Meisters zunachst nicht mehr trugen. Das altere wich auch im
Siegelbild ab, indem esstatt der thronenden Madonna mit dem Lilienszepter und dem Kind
in Ganzf igur nur die Bi ist e der Madonna mi t Szepte r und Kind ze ig te. Das ji ingere der
beiden Siegel von 1225 (Taf. IV, Abb. 34) zeigt eben die Ganzfigur und hat als Legende:
+ S MAGISTRI HOSPITAL S MARIE THCM. Die Vermutung Schmids,215das
jiingere sei das Hochmeisterhauptsiegel, das altere das auch separat verwendete Sekretsie-
gel des Hochmeisters gewesen, findet in der Siegelgeschichte des Deutschen Ordens keine
Sti itze, denn waren die Dinge so gelagert, so ware nicht einzusehen, warum Hermanns
Nachfolger noch ein Jahrhundert lang auf personliche Sekretsiegel verzichtet haben soll-
ten. Hier zeigt sich wieder deutlich die Schwache der rein deskriptiven Sphragistik. Man
beschreibt, was man hat , und nimmt alles fii r echt. Ehe man einen so sel tsamen Befund
in die Rich tung deute t, d ie Schmid eingeschl agen hat , ware doch - wozu hier n ich t de r
Ort sein kann - die Echthei t des alteren Siegels von 1225 (ja der hessischen Urkunde, an
der es hangt , i iberhaupt) zu untersuchen. Nach den Zusammenstellungen von VoJ3berg
und Schmid216 stammt das nachste Hochmeistersiegel von Heinrich von Hohenlohe aus
dem Jahre 1246mit der Umschrift + S MAGRI HOSPITAL'S' MARIE THEVTO-NICOR' (Schlumberger, Sigillographie S. 252n? 263), wozu Schlumberger S. 252n? 264
noch ein Riicksiegel anfiihrt mit der Umschrift: + MAGRI HOSPITAL'S' MARIE,
von dem VoJ3berg und Schmid nichts wissen. Dafur verzeichnet Schmid'"? zwei weitere
wachserne Hochmeistersiegel , die an Urkunden von 1254 und 1264 hangen und bei der
prinzipiell immer gleichbleibenden Abbildung der thronendenMadonna mit dem Lilien-
szepter und dem Kinde andere Urnschriften aufweisen: + S MAGISTRI HOS.....
CORVMund+S MAGIS TRI HOSPI ... . L' S MARIE THEVT. EinweitererSiegel-
stempel fiirWachssiegel des Deutschordensmeisters fand unter den Hochmeistern Burchard
von Schwanden (bis zu dem hauptsachlich der unter Heinrich von Hohenlohe hergestellte
verwendet worden war) bis Karl von Trier (1283-1324) Verwendung. Er zeigte die Legen-
de: + S MAGRI HOSPIT S,CE MARIE TEVT IRLM.21s Nach dem Tode Karls
von Trier wurde dann ein neuer Stempel geschnitten, der bis ins 15. Jh. in Gebrauch blieb
unddieUmschriftaufwies: +S MAGRIGENERAL'HOSPITAL' S' MARIE THEVT
IERLMTAN.219 Die Anfertigung dieses neuen Stempels hangt mit dem allgerneinen
Ubergang zu dem erstmals unter Burchard von Schwanden mit Sicherheit festzustellenden
Titel eines Hochmeisters (magister generalis) des Ordens zusammen, dessen Haupt s ich
zuvor nur als Meister, gelegentlich als magnus magister bezeichnet hatte. Der Vorteil aller
. . ( Hes si sche s Urkundenbuch ed. Arthur WySS I (1879) 13nO14mit Beschre ibung des Siege ls und Abbil -
dung auf der beigegebenen Tafel nO 7; Beschreibung auch bei SCHMID, Siegel des Deutschen Ordens, Alt-
preul l. For sch. 14, 179, Abbild. ebd. TaL I nO I.Karl ZEERLEDER, Urkunden fur die Geschichte der Stadt
Bern I (1 853) 225 nO142m it Abbi ldung des S ieg el s i n Bd . 2 ( 1854 ) T aL 6 nc 19; SCHMID,Siegel des Deut-schen Ordens, AltprcuB. Forsch. 14. 180, Abbild. Taf. 1 nO 2. Otto DOBENECKER, Regesta diplomatica nee-
non epistolaria historiae Thuringiae 2 (1900) no2313. gedruckt bei Adolf KOCH,Hermann von Salxa, Meister
des Deuts chen Ordens (1885) S . 138.
mi egel des Deuts chen Ordens, A ltpreull . For sch. 14, 179.
216 VOSSBERG,Gesch. der preuB . Munzen u. Siege l S . 51f. , 57. SCHMID, Siegel des Deutschen Ordens,
Altpreull. Forsch. 15, 63ff.
2? Ebd. 15, 64 nc 3 und 4; Abbild. von no 4 TaL 6 nO 4.
218 Ebd. 15,64; Abbild. Taf. 6 nc 5.
a rs Ebd . 15, 65; Abbi ld . TaL 6 nc 6 .
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 79
dieser Wachssiegel der Meister war, daJ3sie keinen Namen in der Umschrift zeigten, wes-
halb sie beim Tode des Meisters nicht vernichtet zu werden brauchten. Vielmehr schreiben
die Gewohnheiten des Deutschen Ordens220in § 1in Anlehnung an die Johanniterstatuten
vor, daJ3der Meister vor seinem Tode einen Bruder als Stellvertreter einsetzen und ihm
sein Siegel anvertrauen solie. Spatestens seit 1335, vielleicht schon seit 1323,gibt es dann
neben einem allgemeinen und deshalb auch namenlosen Sekretsiegel des Hochmeisters
mit dem Hochmeisterwappen im SechspaJ3221personliche Hochmeistersekretsiegel, die
den Namen des Hochmeisters zeigen222und deshalb bei seinem Tode auch zerschlagen
werden muJ3ten, wie wir aus einem Brief des Ordensmarschalls von 1448erfahren.i23 Das
personliche Sekretsiegel in schwarzem Wachs zeigte in einem gegitterten und punktierten
Feld das Hochmeisterwappen: in einem gewohnlichen Ordensschild (weiJ3mit schwarzem
Kreuz) ein auf das Ordenskreuz aufgelegtes goldenes Krt lckenkreuz von Jerusalem und
ein darauf im Schnittpunkt der Balken ruhender Adlerschild ..
Priift man die vorgefiihrten geistlichen Wachssiegel des 13.Jh. unter AusschluB derjeni-
gen der Ritterorden nach dem Sachinhalt der mit ihnen besiegelten Stiicke, solallt sogleich
auf, daJ3sich das Wachssiegel am seltensten an solchen Stiicken findet, die Transaktionen
zwischen der Kirche und weltIichen Partnern beurkunden. Wir konnen hier nur RRH nO
1391.1433.1466 namhaft machen. Ansonsten haben wir zwei Briefe (RRH nO937.1339),
eine Indulgenz fur die Kirche der HI. Kunigunde in Graz (RRH nO1451), eine Reliquien-authentik (RRH nO1365) und eine ganze Reihe innerkirchlicher Rechtsgeschafte (RRH
nO 117.945.962.973.1337.1437.1471.1483.1484). Fur die letzteren wurde offenbar in der
Regel das Wachssiegel fii r ausreichend gehal ten, auch fil r kirchliche Prozesse, die urn
solche Rechtsgeschafte ja gefiihrt wurden. Manche Stiicke waren allerdings mit Blei und
Wachs gleichzeitig gesiegelt, so RRH nO1483.1484,2Udie die Verwaltung des dem Sions-
s ti ft gchorcnden Priorats St. -Samson in Orleans betrafen und mit dem Wachssiegel des
dortigen Abtes und der B1eibulle des Kapitels vom Berge Sion gesiegelt waren. Hier wird
kein Rangunterschied zwischen den Siegeln zu konstruieren sein, sondern man ...ird diesen
Fal l so erklarcn konnen, daJ3das Kapitel die Verpachtung des Priorats an den exilierten
Bischof von Valania mit seinem Siegel billigte, aber nur iiber eine Bleibulle verfiigte, weil
es ein Wachssiegel nicht benotigte . Denn anders als die kirchlichen Amtstrager wurden
Korporationen ja kaum fur das Vidimierungsgeschaft herangezogen,und vor allem hierfiir
empfahl sich das Wachs siegel mit seinem billigeren Siegelstoff. DaJ3tatsachlich das Vidi-
mierungsgeschaft den groJ3ten Umfang an Wachssiegeln der Geistlichkeit hatte, ergibt
schon der Blick auf unser Material, denn hier fuhren wir - ohne Volls tandigkeit crs trebt
zu haben - das Wachssiegel des Erzbischofs von Caesarea von ca. 1220 an (Scblumberger,
Sigil lographie S. 95 nO62), das des Patriarchen von Antiochia von 1254 und des Erzbi-
schofs von Apamea aus der Mit te des Jahrhunderts (s. oben S. 75),die Vidimussiegel des
Bischofs von Valania aus derselben Zeit (s. oben S. 75), ferner des Bischofs Thomas von
Bethlehem von 1263 (Schlumberger, Sigil lographie S. 108 n? 93) sowie RRH nO1217.
1414.1418.1420, womit die Aufzahlung gewiJ3noch nicht vollstandig ist, dena in den Ur-
220 PERLBACH,Statuten S. 9Of.
221SCHMID,Siege l des Deuts chen Ordens, A ltpreuB. For sch. 15, 66f f. nO1-3; Abbild. TaL 9 nO 2.3. Dieses
a llgeme ine Sekre t i st e rs tmals 1346 und von da an bis 1489 nachzuweisen.
222 Ebd. 15, 68f . n o iff., Abb ild. TaL 9 nO l und 4.
128 VOSSBERG,Gesch. d. preuB. Miinzen u. Siegel S. S1 .
2201 I n Wah rh ei t h andel t es s ich d abei u rn d rei St uc ke; vgl . Al ex andr e BRUEL, Char te s d 'Adam, abbe de
Notre-Dame du Mont-Sion, concernant Gerard, eveque de Valanea, e t Ieprieure de Saint-Samson d'Orleans,
ROL 10(1903-1904) S . 7-15.
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
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80 Hans Eberhard Mayer
kundendrucken sind die Vidimusvennerke sehr haufig weggelassen . Urn die Bewertung
des Materials nicht zu verzerren, haben wir aus der groBen Vidimierungsaktion des Deut-
schen Ordens von 1277 nur die dr ei letztgenannten Nummern vorgef iihrt , wo wir mi t
Sicherheit Wachssiegel feststellen konnten, obwohl es sich bei der ganzen Sache urn RRH
nO1414 bis 1420 handelt und insgesamt iiber 70 Stucke vidimiert wurden, die vennutlich
aile mit Wachs gesiegelt waren.
Nicht immer laBt sich ein Nebeneinander von geistlichen Blei - und Wachssiegeln mit
der einfachen Annahme erklaren, daB einer der beiden Partner vielleicht kein Wachssiegel
hatte. Zum ersten gib t es durchaus auch korporative Wachssiegel. Auf die des Kapitels
von Tripolis und des HJ.Grabes haben wir schon hingewiesen(s.oben S.72f. 75) und fiigen
jetzt noch das des Kapitel s von Nazare th hinzu (RRH nO1280.1314 ). In beiden Fa llen
hing a llerdings auch die Bleibul le des Erzbi schofs Heinrich von Nazare th mit an den
Sti icken. Der Erzbischof scheint darauf geachtet zu haben, daB aus seiner Kirche neben
ihm niemand inBlei siegelte (RRH nO1239, wo neben dem Erzbischof in Blei sein Archi -
diakon in Wachs siegelte) . Das zeigt, daB auch hierarchische Abstufungen zwischen B1ei
und Wachs bestehen konnten. Allerdings hat man eine solehe bewuflte Zuruckdrangung
des Kapitelssiegels n icht nach auBen dringen lassen, ja sogar den Eindruck zu erwecken
versucht, als bestehe sie nicht, denn in RRH n? 1280versprach der Erzbischof , daB das
Wachssiegel des Kapitels so rasch wie moglich von der Urkunde entfern t und durch eine
Bleibulle ersetzt werden solie, wenn das Kapitel erst eine habe. Was passier te, wissen wir
nicht, wei I schon im 18. Jh. Paoli nur noch die erzbischofliche Bulle sah und das andere
Siegel als ver loren meldete, aber wir g lauben nicht daran , daB der Erzbischof Heinr ich je
die Absicht hatte, seinem Kapi tel eine Bleibulle zuzugestehen, denn drei Jahre spater sie-
ge lte das Kapitel neben ihm in RRH nO1314 noch imrner i n Wachs . Ei n ahnl icher Fa ll
scheint bei RRH n? 1106von 1242vorzuliegen, wo der Bischof von Akkon ausdr iick lich
sein Bleisiegel, aber nur das Siegel seines Kapitels ankiindigte.
Interessanter sind die Wachssiegel im weltlichen Bereich . Wir beginnen unten auf der
sozialen Leiter . Der erste Wachssiegler , dem wir im Osten i rn 13·Jh . begegnen, war ein
Genuese namens Marinus Mazuc, der 1201den Johanni tern eine Schenkung machte und,
quia sigillum proprium p!umbeum non habu;, seine Urkunde als Chirograph anlegte, das
er mit seinem Wachssiegel versah (RRH nv 783). Sehr wahrscheinlich handelte es sich
auch urn ein Wachssiegel, als Mathilda, die Witwe des Vogtes von Schwarzenberg , der
mit dem Abt Mart in von Pai ris i n den Os ten gegangen war, 1215 dem Deutschen Orden
i n Akkon e in Haus verkauf te , f ur das der Orden mit 400 Mark Silbe r zwei Wochen nach
Pfingsten in StraBburg zahlungspflichtig wurde (RRH n? 879). Sie kundigte zwar nur ihr
sigi!!um an, aber lief auBerdem noch die Kapitelsbulle des HI. Grabes anhangen , Phi lipp
von Maugastel, ein tyr ischer Ritter n icht sehr hoher Abkunft, der es nur dank stauf ischer
Protektion fast b is zum BaiJli gebracht hatte (s. oben S. 57), f iihr te ein Wachssiegel, das
er allerdings aJlein einsetzte, ohne dafiir noch die Bleibulle eines anderen heranzuziehen
(RRH nO1104).
Eine Stufe hoher fiihr en uns d ie Amtss iege l, auf denen also nicht nur ein Name und
eine Herrschaft angegeben waren, sondern die zusatzlich zum Namen noch eine Funktion
nannten. Streng genommen gehoren hierher auch die Siegel der Ordensfunktionare unter-
halb der Meister. Im 12.Jh . waren die Amtssiegel aus Blei. Das gilt wahrscheinlich schon
fur den alteren der beiden Vizegrafen Wilhelm von Tripolis (1145-1174), dern Schlumber-
ger (Sigil lographie S. 61 n? 145) e ine lose Bleibul le zuschre ibt . Das gil t auch fur sechs
weitere lose Bleisiegel der Vizegrafen von Tripolis, die Schlumberger (S. 62f. nO146--151)
dem Vizegrafen Gerhard von Montoli f und dem alteren Vizegrafen Johann von Tripolis
\,
I '·
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 81
zuweist, Moglicherweise siegelte Humfred II. von Toron als Konstabler des Reiehs (1152
bis 1179; s. oben S. 53) und sieher der Vizegraf Amalr ich von Nablus mit einer Bleibulle
(RRH nO542.565.687d; Schlumberger, Sigillographie S. 53nO123-125); jedenfalls ahneln
die Siegelnachzeiehnungen so sehr dem damals allgemein verbreiteten Typ der B1eibulle,
daf wir aueh ohne die ausdr iick liche Versicherung der Ankiindigung auf ein Bleisiegel
schlielien konnen. Nun waren die Vizegrafen von Tripoli s und Nablus zusammen mit dec
nen von Jerusalem, Akkon und Tyrus, von denen keine Urkunden iiberliefert sind, Manner
von erhebliehem Gewieht, da sie die wichtigsten Verwaltungsfunktionare fur die konig-
liche und grafliche Domane waren. Insbesondere bei den Vizegrafen von Nablus wissen
wir, daB sie durch Heirat mit dem Hochadel versippt und selbst mit Amtslehen ausgestattet
waren '26 die sie es bis zu einer noch nicht identif izierbaren Burg, dern Castellum Fontis
Tancredi, bringen lieBen. Wie es bei kleineren, insbesondere bei seigneurialen Vizegrafen
s tand, wissen wi r ni cht . Ein Amtss iege l konnte auch im 13.Jh. noch aus Blei sein. Nach
der Nachzeichnung des 18.Jh. be i Paol i"· hande lte es si ch be i dem Siege l Ba li ans von
Ibelin des Herrn von Arsur, den auch das Siegel als Konstabler von Jerusalembezeichnet
(Schlumberger, Sigillographie S. 65 nv 154), dem Typ nach urn ein Bleisiegel, das Paoli227.
mit Sicherhei t falsch als an RRH n? 1027 hangend beschrieb . Vielmehr gehor t die Bulle
zu RRH n? 1371, wo Paoli sie in seinem Druck auch vermerkt.P" sie aber falschlich einem
Johann statt einem Balian von Arsur zuschrieb .
Die anderen Amtssiegel, von denen wir wissen, sind aber aus Wachs. Selbst ein so hoch-
gestellter Funktionar wie Richard Filangier i, Reichsmarschalk , Reichslegat fur Syr ien
und Verwaltungsbailli des Kaisers Friedrich II . f ii r das Konigreich Jerusalem, siegelte in
Wachs. Allerdings unterstellt ihm Philipp von Novara.P daB er von einem Kaiserdiplom
eine Bulle abschni tt , urn mit ihrer Hi lfe ein kaiserliches Schreiben zu Ialschen, das er nach
Tripolis schickte. Kiindigte Richard in RRH nO1059.1107 nur sein Siegel (Schlumberger,
Sig illographie S. 66n? 156f.) an, sosprach RRH nO1086von bulla cerea. Die Bezeichnung
eines Siegels als Wachsbulle ist zwar unlogisch, kommt aber in Sizilien schon seit Roger II.
und insbesondere in der staufischen Zeit vor und findet sich beispielsweise auch in RRH n?
975 der Konigin Isabella II. unter dem Einf luB der kaiserlichen Kanzlei .P? Ebenso war
aus Wachs das Siegel Gottf rieds von Sargines, der als Ver trauter Ludwigs des Heiligen
zum Seneschalk und Bailli des Konigreichs Jerusalem aufstieg, aber da sein Siegel keinen
Titel nennt, ist es nicht als Amtssiegel anzusprechen und deshalb bei Schlumberger (Sigil-
lographie S. 67 nO158f .) falsch eingeordnet. Ebenso unsicher bleib t es, ob das Wachssie-
gel des Gerhard von Ham (Schlumberger , Sig illographie S.67 n? 160)als Amtssiegel an-
zusehen ist. Gerhard war von 1198-1217 Konstabler von Tripolis , aber das Siegel nennt
keinen Ti te!' Lediglich aus der Verwendung als Riicksiegel auf dem Waehssiegel seines
Sohnes Thomas (5 . oben S. 28), der gleichfalls Konstabler von Tripolis war und dies auf
seinem Siegel festhalten lieB, ohne auch nur seinen Namen zu nennen, kann gefolgert wer-
den, daf Thomas die beiden Stempel zusammen als Amtssiegel betrachtete, aber wir wis-
sen nicht , ob auch Gerhard so dachte oder in dem spa te ren Ri icksiege l nur sei n person-
liches Siegel sah.--~--------.~~ -__-- -~-~-~~~~-~~--~~
H5 MAYER, Bisturner S. 180f.
eaeCod. dip!. di Malta 1, Ta f. VI n? 64 .
'" Ebd. I, 255.
228 Er vermerkt sie also irr tumlich zu zwei Urkunden.
:m Gestes des Chiprois § 167,RHC Doc arm 2 706.
Z30 Zu bulla cerea vg!. KEHR, Urkunden der norrnannisch-sicilisehen Konige s.• 83; BRESSLAU,Urkunden-
lehre '2568; Wilhelm EWALD,Siegelkunde (19'4) S. 144.
6 Ak, -Abh. phi l.vh is t. 83: Mayer . Das Slegelwesen
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82 Han s Ebe rh ar d May er
Etwa~ ganz ~nd~res als die koniglichen oder seigneurialen Vizegrafen waren diejenigen
der Italiener, die die exempten Quartiere in der Levante verwalteten und hierfiir natiirlich
(sofern sie sich nicht der Notariatsinstrumente bedienten) der Amtssiegel bedurften. Nach-
richten daruber haben wir nur Vonvenezianischer Seite. RRH nO858von 1212, ein Schieds-
spruch des Patriarchen von Jerusalem, des Bischofs von Akkon und des venezianischen
Vizegrafen in Akkon Andrea Vitale, war mit den Bleibullen der beiden Pralaten und dem
Wachssiegel des Vizegrafen besiegelt , ebenso trug RRH nO1273a von 1259 ein Wachs-
siegel des venezianischen Vizegrafen in Akkon Marco Giustin ian. Irn Jahre 1277 wurde
der bekannte ":'er trag zwischen Johann von Montfor t und Venedig , der Venedig wieder
nach Tyrus zulief (RRH n? 1413),von einem Notar in zehn gleichlautenden Ausfertigun-
gen geschrieben, von denen vier fur Venedig , drei f ii r Johann von Montfor t und je eine f ii r
die V:ermittler , den Patriarchen von Jerusalem und die Meister der Templer und dcr Jo-
hanni ter, bestimmt waren. Jede Ausfertigung War bullier t mit den Bleibullen der beiden
letzteren und den Siegeln der beiden Par teien, und aus dem Gegensatz zwischen Bleibulle
und Siegel miissen wir schlieBen, daB Johann von Montfor t und der venezianische Bai lli
fur Syr ien Alber to Morosin i in Wachs siegelten . Mehr war nicht notig , denn als b leibul-
lierte Notariatsinstrumente waren die Ausfertigungen hinreichend beglaubigt. Auch eine
Ratifikation war nicht vorgesehen, weil die venezianischen Unterhandler eine bleibullierte
Dogenurkunde vorweisen konnten, die ihnen plein pouvoir verlieh. Irn Museo Civico Cor-
rer in Venedig ist noch ein Siegelstempel fiir den venezianischen Bailli in AkkQn Nicolo
Quirini. erhalten.P! der zweimal in Akkon amtierte (1261-1264 und 1274). Er zeigt, wie
auch die anderen venezianischen Bai llissiegel aus dem Osten , die dor t publizier t sind
(Konstantinopel, Tripoli s und Zypern) , den gef lugelten Lowen von S. Marco, der sein
Evangelium aber zugeklappt inden Klauen halt. Pax tibi Marce evangelista mea war daher
auf dem Siegel nicht zu lesen, Die Umschrift lautet: + S.NICOLAI QRINOBAIVLIIN
ACON. Wie die Dinge bei den pisanischen und genuesischen Kolonialbeamten lagen,
wissen wir nicht. Schliel3!ich siegelte auch die Cour des Bourgeois in Akkon unter dem
Vorsitz des dortigen Vizegrafen in Wachs.232
Werf en wir noch e inen Bl ick auf die GroBen. DaB d ie Konigin Al ice von Zypern e in
Wachssi egel f uhr te , haben wir schon oben S. 65 erwahn t, Auf das Wachssi ege l der Ko-
nig in Isabella II. von Jerusalem kommen wir unten S. 85 zuruck. Beim festlandischen
Adel s ind die Wachss iege l wesen tl ich inter essanter a ls a lles andere , was wir bisher an
wachsernen Siegeln betrachtet haben und was vornehmlich Materialbetrachtung war. Das
Wachssiegel der Barone aber f iihr t uns zur Frage des Wertes des Wachssiegels im weltli-
chen Bereich. In RRH nO1202von ca. 1252verabredete der Konig von Kleinarmenien mit
dem Herrn von Sidon und seiner Mutter eine Heirat, wobei die wechselseitige Mitgi ft ver-
e inbart wurde . Hie riibe r soUten der Herr und die Herr in von Sidon perviliges sayele de
sayel deplump et de eire auss te llen. Man konnte dar an denken, daBes si ch h ie r um das
B1eisiegel des Herrn von Sidon und das Wachssiegel seiner Mutter handelte. Wir werden
aber sehen, daB auch eine ganz andere Deutung miiglich ist, d ie in Verbindung steht mit
dem Charakter des weltlichen Wachssiegels.
.'.
I. . . .
231 Giovanni MAJER, Sigilli di baill i veneziani in Oriente, Archivio Veneto 5. Ser. 2 9 ( 19 41 ) S. 113 mit
Abbild. Taf . Inach S . 124 . Ansonst en i st der Auf sa tz meh r a ls dur ft ig : f u r d ie v ie r pub li zi er ten S iege ls tem-
pel aus dem Museo Civ ico Correr hatten drei Seiten genligt.
232. RRH r ic 1 36 4 = SCHLUMBERGER,Sigil lographie S. 6g nO163. Riccardo PREDELLI, Le Reliquie del l' -
archivio dell'Ordine Teutonico in Venezia, Atti del R. Ist ituto Veneto discienze, lettere ed arti 64 ( l <) o 4 ~ 5 )
' 44 4 n o 6 2; 1 44 5 nO64 . RRH n c 1 40 0 = PREDELLI S. '447 nO66.
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten
Boemund VII., FUrst von Antiochia und Graf von Tripoli s, von dem keine Bleibulle
mehr ausdriicklich bezeugt ist, benutzte 1278 in RRH n? 1422.1425 ein Wachssiegel, das
in RRH n? 1422beschrieben wird und im wesentlichen der Vorderseite der B1eibulleseines
Vaters Boemund VI. (Schlumberger , Sig illographie S. 38nO93) entsprach. Es war rund
und zeigte in rotem Wachs einen galoppierenden Ritter mit Schild und Fahnenlanze. Die
Umschri ft hat der Notar Freilichoffenbar nicht ganz genau lesen konnen. Er gib t sie wie-
der als: + B. prine. Antioch. etcomes Tpolfili principis et com Ri (sic = Raimundi ?). Es
muB wahl, wie bei Boemund VI., wodie Legende schon bei Schlumberger falsch wiederge-
geben ist, heiBen: + B PRINCEPS ANTIOCH ET COM TPOLFILl B PRINCIPI
ET COMI. DaB Boemund VII. keine Bleibulle mehr besessen haben solite, g lauben wir
nicht, zumal er den Stempel seines gleichnamigen Vaters weiterbenutzen konnte. Die hei-
den wachsgesiegelten Urkunden sind denn auch inhaltlich nur von minderem und zeitlich
definitiv befristetem Wert. Bei RRH nO1422handelte essich urn litterae patentes, mit denen
der Furst seine Gesandten bevollmachtigte, in Neapel einen Heiratsvertrag fur ihn mit einer
Enkelin des Konigs Johann Von Brienne abzuschliefsen, wahrend er sich in RRH nO1425
berei t erk larte, sich einem Schiedsgericht zu unterwerfen , das demnachst stattzufinden
habe. Wir werden auf diese Frage der zei tlichen Befri stung im nachsten Kapitel zur iick-
kommen. Den Fall des Wachssiegels des Herrn von B1anchegarde in RRH n? 1324 haben
wir berei ts oben S. 69 behandelt.
,'I,
6'
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V. DER CHARAKTER DES WACHSSIEGELS
Aus RRH nO 1324 ergibt s'ich bereits mit hinreichender Sicherheit, daJ3 im weltlichen
Bereich ein Wachssiegel allein nicht genug war, sondern einer zusatzlichen Bekraftigung
bedurfte. Das galt nicht fill die Amtssiegel in Wachs und auch nicht durchweg fiir den un-
teren sozialen Bereich, obwohl sich auch dort zeigt, daB man dem Wachssiegel allein mit
MiJ3trauen begegnet ware, da sonst nicht zusatzliche Bleisiegel angebracht worden waren,
ja bei Marinus Mazuc die Begriindung fiir das Wachssiegel gegeben wird, er gebrauche
es am Chirograph, weil er ein eigenes Bleisiegel nicht besitze (s. oben S. 80), und selbst
bis in den geistlichen Bereich drang dieses MiJ3trauen vor, wenn der Erzbischof von Naza-
reth versprechen muJ3te, er werde das Wachssiegel seines Kapitels so rasch wie moglich
durch ein bleiernes ersetzen (5. oben S. 80). DaJ3das Wachssiegel nicht geniigte, gilt erst
recht fUr den seigneurialen Sektor. Das war, mindestens im normannischen Unteritalien,
wo die Metallsiegelung gebrauchlich war, bereits vorgebildet. DaJ3das Wachssiegel bei
den Normannen dem Metallsiegel nicht gleichgeachtet, daJ3vielmehr dieses als das eigent-
lich ordnungsgemalie und wiinschenswerte angesehen wurde, zeigt eine Stelle aus einem
Diplom Boemunds von Tarent vom Jahre 1087: Il X O tt y pO tc p& v X O tt . . - n o 1t oX E ,f llv Y j E X x Yj po u
( 30 U A AY j a < p pO ty ,a W v · ' l" O U' I" O 11&: 7 t O L Y j a o c I - ' Y j V I l, a ' 1" 0 I -' ~ lX E LV W i lE ro Ex 1 - ' 0 ). ! v8 o u a ' P po c y ,a I - 'O t . Dies
heiJ3ts inngcmafi , Boemund siegele mit einem Wachssiegel, da er sein Bleis iegel ge-
rade nicht zur Hand habe. Dem entspricht es, daJ3von den herzoglichen und koniglichen
Urkunden in Unterital ien die Mandate durchweg mit Wachssiegeln versehen sind, die
groJ3eMasse der Prazepte hingegen mit Bleibullen, was schon unter Robert Giskard das
Gewohnliche ist.·33
Wir haben noch keineswegs aile seigneurialen Wachssiegel aus dem HI. Lande vorge-
fiihrt. Zu dem ganzen Fragenkreis , wie er s ich dort s tell t, hat bisher allein Hiestand234
etwas beigetragen, als er ein Wachssiegel Konrads IV. fill die Johanniter behandelte. Er.
hat richtig erkannt, daJ3Wachssiegel weniger wert waren als Bleisiegel, aber er hat keine :'
Parallelen dafur beigebracht und die Erklarung in der Richtung gesucht, daJ3bei Wachs-
s iegelung vorsichtige Empfanger die Gefahr drohen sahen, daB allein hieraus gegen die
Echtheit argumentiert werde, wei!die Bleisiegelung das Dbliche fur Konigsurkunden war.
Das ist sopauschal nicht ganz zu hal ten, denn schon Hiestand hat darauf aufmerksam ge-
macht , daJ3Friedrich II. selbst fii r das HI. Land gelegentl ich in Wachs und nicht in Gold
siegelte. Blei hat der Kaiser ja nicht benutzt . Der Fal l von RRH n?974 ist einfach, denn
hier l iegen zwei Originale vor, von denen eines in Gold und eines in Wachs gesiegelt war.
Da sie sich mit Ausnahme der Siegelankiindigung in nichts unterscheiden, ist Hiestands
Vermutung'30
sicher richtig, daJ3man aus Kostengriinden nur eines der zwei Exemplarein Gold bullieren lieJ3.DaJ3man iiberhaupt zwei Ausfertigungen erbat, wird damit zu er-
klaren sein, daJ3man eines der beiden Exemplare, in denen der Kaiser den fii r den Orden
in Palas tina grundlegenden Ankauf der Seigneurie de Joscel in urn Akkon bestatigte, fii r
das Archiv des Haupthauses inAkkon benotigte, und zwar wohl das goldbullierte, wahrend
113KEHR, Urkunden der normannisch-sicilischen Konige S . 193-
, . . Zw ei Di pl ome au s Lucca, QF IAB 50, 47If.
... Ebd. S. 49 Anm. 56.
) t :
. .i
, ,,
lI
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 85
das wachsgesiegelte vermutlich fiir das Archiv des Meisters Hermann von Salza b~stimmt
war, das dieser getrennt vom akkonensischen Konventsarchiv fUhrte.-.Dag~~en wird ~an
das Wachssiegel von Friedrichs Gemahlin Isabella II. in RRH nO975 mit politischen Ruck-
sichten erklaren miissen. Isabella bestatigte wie der Kaiser imJ anuar 1226 den Ankauf der
Seigneurie de Joscelin. Ais Friedrich 1225 Isabella heiratete, nahm ersofort den Konigstitel
von Jerusalem an, obwohl Isabellas Vater, Johann von Brienne, welcher Regent fiir Isabella
war, sich die Foigen der Ehe seiner Tochter anders gedacht hatte. Ais Isabella 1228 starb,
war Friedrich nur noch in seinem eigenen Selbstverstandnis Konig von Jerusalem. Kon-
stitutionell gesehen war er nur noch Regent fur seinen unmiindigen Sohn K~nrad Iy . Ob-wohl der Kaiser in RRH n? 974 den Konsens seiner Gemahlin verankerte, reichte dies dem
vorsichtigen Orden noch nicht , und er wollte auBerdem noch eine Be~tatigung .von Is~-
bella II. Eine Goldbulle kam fill Isabella natiirIich nicht in Betracht; esist von kemer Kai-
serin eine Goldbulle bekannt . Hiestand'" fragte s ich, warum Konrad IV. s ich zukeinem
Zeitpunkt eine Bleibulle anfertigen lieJ3,obwohl er von den Empfangern der von Hi:stan~
behandelten Urkunde darauf hingewiesen worden war, daB more regum Ierusalem in Blei
zu siegeln sei . Vie! eher als Konrad IV. hat te s ich aber Isabella einen Bullenstempel ma-
chen lassen konnen, denn im Gegensatz zu Konrad IV., den sein Vater immer in der S~el-
lung eines Thronerben hiel t, war Isabell a wirkli ch Konigin von Je rusalem, und ihrBleisiegel hat te theoret isch keinen Einbruch in Prarogative Friedrichs II. bedeutet, ~a
dieser ja niemals Anstalten gemacht hat , fur das HI. Land in Blei zu siegeln, sondern die
Empfanger entweder fur die kaiserl iche Goldbulle zu zahlen hat ten oder s ich.mit einem
Wachssiegel begniigen muBten. Ein Bleisiegel Konrads IV. hingegen hatte dl~ Usurpa:
tion koniglichcr Rechte durch ihn bedeutet. Es werden sich bei Isabellas Wachssicgel zwei
Uberlegungen gemischt haben. Einmal waren, wie wir an der Konigin Alice von Zypern
sehen die ausschliefilich in Wachs siegelte, die Zeiten vorbei, da die Konig'innen von Jeru-
salem'wie Melisendis und Theodora im 12. Jh. Bleibullen gefiihrt hatten. AuBerdem wird
der Kaiser niemandem aus seiner Familie Bleibullen erIaubt haben, urn die Moglichkeit
von Einbriichen in seine Prarogative gar nicht ers t entstehen zu lassen. Wenn man sieht ,
wie er die bescheidenen Versuche Konrads IV. , s ich 1236 den Konigstitel von Jerusalem
beizulegen (BF n? 4384.4385), ebenso unterband wie die einmalige Verwendung des Titels
eines Herrn des Konigreichs Jerusalem in dem von Hiestand edierten Diplom Konrads fiir
d ie Johanni te r, wie er a lso Konrad IV. immer wieder in die Stell ung und zum Tit el des
.Thronerben zuriickzwang, dann verwundert nicht mehr, daB der Kaiser weder Isabella ·II.
noch Konrad IV. ein Bleisiegel gewahrte.
Konrad konnte n ich t mehr tun, a ls se in Dip lom vom Marz 1244 fiir die Johanniter in
Wachs zu siegeln und zu versprechen, daB er die Besiegelung in Blei nachholen werde,
sobaid er eine Bleibul le habe. Damit und daB er den Titel eines Herrn des Konigreichs
Jerusalem annahm und die von ihm bestatigte Vorurkunde seines Vaters nicht wie zuvor
wortl ich in den Text aufnahm sondern nur der Sache nach bestatigte, ohne seinen Vater
iiberhaupt zu erwahnen, war er, wie Hiestand richtig gezeigt hat, schon bis zum AuBersten
gegangen. Mehr hat ten die Johanniter auch wirkl ich nicht erreichen konnen, denn wenn
Konrad ein Bleisiegel gefiihrt hatte und dies am kaiserlichen Hofe ruchbar geworden ware,
ware ein schwerer Konflikt mit dem Kaiser unausweichlich gewesen.
Es bleibt somit nur noch das Wachssiegel Friedrichs II. in RRH nO1112vom 30. August
1243. Das Sti ick, das nur als Insert in der Bestatigung durch Konrad IV. i iberliefert ist ,
. .. Hans Ebe rhard Mayer bei STREHLKE,Tabula e ordin is Theutonic i ( '1975) , pra efat io S . 76f .
. ., Zwei Di pl ome au s Lucca, QF IAB 50, 50.
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86 Hans Ebe rh ard May er
~ar in Mel~ ausgestellt , wo man natli rlich zu dieser Zei t berei ts wuBte, daB imJuni 1243
~nAkkon die Regentschaft Friedrichs II. fiir beendet erklart worden war, weil Konrad IV.
im Mai 1243 volljahrig geworden war . Spatestens der Gesandte der Johanni ter in Melfi
Go~tfried Balia~, muBte die~ber ichtet haben. Die nun eingetretene Rechtslage war ver-
zwickter, als HlestandZ38 in Uber ei ns timmung mit La Mon te"· s ie dargestel lt h at . Es is t
r ichtig , da~ die Haute Cour 1243 aile Rechtsverfiigungen Friedrichs filr ungliltig erklart
hatte und ihrn a for tior i keine fiir die Zukunft zubilligte, so daJ3RRH nO1112 und seine
Bestatigung durch Konrad IV. im November 1243 beide nach Ansicht der Barone rechts-
unwirksam waren. Es ist auch r ichtig , daJ3man, wie Hiestand meint, den Johanni tern dies
bei einem ProzeB in der Haute Cour vorgehalten har te, wenn sie RRH nO1112 vom August
1243 oder Konrads Bestatigung vom November vorgelegt hatten, Aber wir kiinnen hierin
n icht den Grund dafi ir sehen, daJ3s ie s ich im Marz 1244 in dem von Hiestand edier ten
Diplom Konrads mit dem Wachssiegel und der versprochenen Bleibulle Konrads die Ver-
f iigung Friedrichs - wenn auch ohne seine Erwahnung - erneut bestatigen lieJ3en.Man
~uJ3 sich doch fragen, warum sich die Johanni ter i iberhaupt noch die Miihc machten ,
im August 1243 in Melfi und im November 1243 in Niirnberg Diplome einzuholen, von
deren Rech tswi rk samkeit s ie so wenig ii be rzeug t gewesen waren , daJ3 s ie bere it s im
Marz 1244 auf eine Wiederholung drangen.
. Riley-~mith '" hat gezeigt, daJ3die Entmachtung Friedrichs im Juni 1243 mittels einer
interprctierenden Weiterentwicklung der Gesetze iiber die Regentschaft durchgeflihrt
, :urde, mit der _~ I_(aisernicht hatte zu rechnen brauchen. Phi lipp von Novara trug narn-
I tch vor , die korughche Erbschaft falle so lange dem plus dreit heir aparant (Alice von
Zypem) zu, wie der plus dreit heir (Konrad IV.) n icht in den Osten komme, um das Reich
zu beanspruchen. War dies noch pfi ff ige Rechtsauslegung, so war der BeschluJ3, Fried-
richs friihere Urkunden aus seiner Regentschaftszeit fiir ungliltig zu erklaren, rechtswidrig,
wie iibrigens auch die Bestimmung, daJ3wahrend der Regentschaft nicht der Regent, son-
dern die Vasallen die koniglichen Burgen verwalten sollten , dem Herkornmen nicht ent-
sprach, sondern erst 1243 als Prinzip formuliert wurde, um Philipp von Montfort kiinftig
T~us zuschanzen zu konnen »Dies war in dem hier behandelten Fai le wichtig , wei les sich
bel den Diplomen Friedrichs II. und Konrads IV. f li r die Johanni ter von 1243 und 1244
ausnahmslos urn Verleihungen der Burg Askalon handelte. Was die fri iheren Urkunden
Friedrichs, ja gar noch kiinftige betraf, sodurfte der Kaiser von einer ganz anderen Rechts-
interpretation ausgehen, die schon zu Ende des 12. Jh. im Livre au ""i241 forrnuliert worden
war und die be i L a Monte242 leider verkiirzt und damit falsch wicdergegeben ist. Fuhrte
der Vater die Regentschaf t f ii r seinen unmiindigen Sohn, so waren und blieben seine fri i-
heren Urkunden rechtskraftig. Erreichte der Sohn die Volljahrigkeit und War handlungs-
fahig , wurde aber nicht gekront und erhielt auch nicht die Mannschaf t der Vasalien (kam
also mit anderen Worten nicht in den Osten), sowaren die vom Vater als seinem Regenten
von nun an besiegelten Urkunden ungii lt ig , wei lder Sohn jetzt seiber urkunden konnte,
esseidenn, der Sohn habe an die Urkunden des Vaters son ceau de ces coins gehangt, d . h ."
sein Bleisiegel. Es wird ausdriicklich versichert, daB solche Urkunden des Vaters, an denen
der Sohn jetzt sei n Si egel neben dem des Vaters anbr inge, vo lle Gl il tigke it h at ten. Der
238 Ebd . S . 37.51 .
. .. J oh n L . LAMosTR , F eu da l Mon arc hy i n t h e Lat in Ki ng dom o f J eru sa lem 1 100 t o 1 29 1 (Mon og ra phs
o f t he Med ie va l A ca demy o fAme ri ca 4 , 1 93 2) S . 5 3f .
2< . Feuda l Nob il it y S . 211 .
IUC. 6, RHC Lois 1,610.
34 , Feuda l Monar chy S . 53.
I 'I
.1".
l
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten
Kaiser hatte also weder damit rechnen brauchen, daB seine fruheren Schenkungen 1243
nichtig wurden, noch damit, daB er i iberhaupt nicht mehr urkunden kiinne. Ob sich die
Auffassung des Livre au roi oder d ie Phi li pp s von Novara du rchsetzen wii rde , war ja
1243/44 noch vollig offen. Wenn die Johanniter also sichergehen wollten, mul3ten sie Ur-
kunden in ganz bestimmter Form von Friedrich und Konrad erhalten. RRH nO1112 kam
mit seiner Bestatigung BF nO4481 der Auffassung des Livre au roi sehr nahe. Zwar war
es fiir den Kaiser v6I1iginakzeptabel, ein Siegel seines Sohnes an seinem eigenen Diplom
zu dulden, aber eben diese Schwier igkeit umging man ja auf der stauf ischen Sei te im No-
vember und Dezember 1243 (so auch in RRH n? 1112) auf die eleganteste Weise, indem
man die Vorakte des Kaisers alle wortlich indie Diplome Konrads IV. inser ierte und dann
von diesem besiegeln lieJ3(BF nO4481-4486). Man hatte damit zwar nicht eine Urkunde
des Regenten nach der VoIljiihrigkeit des Thronerben mit beider Siegel, wohl aber beider
Diplome in einem mit einer inserierten Ankiindigung des Regentensiegels und einem tat-
sachlich vorhandenen Siegel des volljahrigen Thronerben.
Der durch die Barone einseitig geschaffenen Rechtssituation trug dagegen das Diplom
Konrads IV. vom Marz 1244 wei tgehend Rechnung, denn es verschwieg den Vater ganz
und beurkundete die Sache im eigenen Namen. Damit begriindete Konrad die Rechtsstel-
lung der Johanniter in Askalon vollig neu, wornit man den Einwand der Barone auffangenkonnte, Friedrichs Verfi igungen seien wertlos. Das hat Hiestand r ichtig gesehen. Er hat
auch erkannt, daf f ii r Konrads Diplorn von 1244 nach allem Herkommen eine Bleibulle
erforderlich war, wenn sie als vollgiiltige Kiinigsurkunde angesehen werden sollte. Aber
das war f ii r die kaiserliche und die kiinigliche Kanzlei aus internen Grunden unmiiglich,
so daB man nicht wei tergehen konnte als b is zum Versprechen eines Bleisiegels. Nun er-
k lart sich aber auch Friedrichs Wachssiegel an RRH n? 1112. Dieses ganze Diplom sollte
ja kei nem ander en Zweck d ienen, a ls von Kon rad IV. i n e in e ig enes Dip lom in serie rt zu
werden, urn dem Erfordemis des Livre au roi nach gemeinsamer Beurkundung von Vater
und Sohn Geni ig e zu tun , wenn der Vate r Regent , der Sohn vo ll jahr ig , aber noch unge-
kront und ohne Mannschaf t der Vasallen war . Das war ja tatsachlich ein vernlinftiger Ge-
sichtspunkt des Livre au roi, denn aUein die Mannschaft begriindete den Militardienst der
Vasallen. Wenn sie das homagium nicht leisten konnten , wei l der an sich volljahrige Ko-
nig nicht in den Osten kam, so muJ3tefolgerichtig die Regentschaf t des Vaters tro tz Voll-
jahrigkei t wei terlaufen, denn ihm als Regenten hatten sie ja die Mannschaf t geleistet.: so
daf er wei terh in den Dienst anfordern konnte. Der Livre au roi rechnete freilich mit Re-
genten, die im Lande waren, n icht mit der urinati ir lichen Situation eines Iandfernen Re-
genten. In jedem Fal l k am es bei Urkunden, di e der va te rl iche Regent nach der Vol ljah-
rigkeit seines Sohnes ausstellte, entscheidend auf das Metallsiegel (coins) des Sohnes an,
Daneben wares belanglos, wie der Regent siegelte. So ist es durchaus folgerichtig, daB die
Barone 1241 in einem Friedensangebot an den Kaiser noch forderten , dal3er sein diesbe-
ziigliches Diplorn in Gold siegeln solie, wie Hiestanc243 r ichtig bemerkt hat, daB aber die
Johanniter sich im August 1243 in Melfi mit einem Wachssiegel des Kaisers zufriedenga-
ben. Ihr Ziel muBte es sein, ein Bleisiegel Konrads IV. zu erwirken. Die Kanzlei taxe f ii r
die kaiserliche Goldbulle konnten sie sich sparen. Ob sie eine Bleibulle Konrads IV. erhal-
ten wii rden, war offen , aber nachdem es im ersten Anlauf von November 1243 nicht ge-
gli ickt war , kamen sie im Marz 1244 der Sache schon betrachtlich naher .
Die Johann iter h at ten f re il ich auch mit dem Marz-Diplorn in der Hau te Cour kei nen
sonderlichen Eindruck gemacht, denn die Einbeziehung der seigneurialen Urkunden in
• .. Zwe i D ip lome a us Luc ca , QFIAB 5 0, 47 . B le i w ar v om Kais er j a n ic ht z u h a be n,
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
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1 1 1 1 Hans Eberhard Mayer
die Untersuchung zeigt, daJ3das Wachssiegel n icht die Echthei t der Urkunde tangierte,
sondern die Dauer ihrer Gi iltigkeit . Dabei werden wir auch die Natur der beurkundeten
Rechtsgeschafte ansehen miissen, urn die Besiegelung voll zu verstehen. Werfen wir aber
zuerst einen Blick in die Bestimmungen der Rechtsbucher. Prinzipiell muBte das Privileg
eines Seigneurs mit einem Hangesiegel besiegelt sein.2U Der Livre au roi ging in der Regel
von Bleisiegeln aus, mit denen die Urkunden des Konigs und der Barone zu besiegeln seien
(s. oben S. 60). In Kapitel 2 sprach dassel be Rechtsbuch zwar unterschiedslos von Blei-
und Wachssiegeln f ii r Konig und Barone, aber wie das gemeint war, zeigt Kapi tel 3, daB
ein Baron seine Urkunden zu siegeln habe deson seaupropre ou deplomp ou de eire s'i l
autre n'aveit.245 Das Wachssiegel war also die geduldete Ausnahme.
Interessanter ist die Praxis. Die Wachsbesiegelung mit dem Versprechen eines kunftigen
Bleisiegels, die Konrad IV. imMar» 1244iibte, war im lateinischen Osten nichts Neues. Wir
haben schon 1207ein Vorbild dafiir, allerdings mit einer anderen Rechtslage. Damals ver-
brief te Raimund Rupen, der Furst von Antiochia, den Johanni tern eine Schenkung, die
sein Vormund Leo II. von Kleinarmenien ihn i iberhaupt nicht siegeln Iiefl , sondern mit
seinem eigenen armenischen Goldsiegel und seiner purpurfarbenen Unterschrift beglau-
bigte (RRH nO820). Raimund Rupen versprach aber, daB er nach der Erre ichung der
Volljahrigkei t die Schenkung mit seinem eigenen Siegel wiederholen werde, was er dann
gleich zweimal tat (RRH n? 845.878), vielleicht weil es Anstof erregte, daJ3die erste Wie-derholung noch von dem Protonotar des Kleinarmeniers ausgefertigt worden war , ohne
daB dies e ine sehr iibe rzeugende Erklarung ware . Viel leicht darf man auch den oben
S. 82 angefUhrten Fall der in dem Heiratskontrakt zwischen dem Konig von Kleinarme-
nien und dem Herrn und der Herrin von Caesarea von 1252(RRH nO1202) vorgesehenen
Urkunden mit Wachs- und Bleis iege l so deuten, daf die e rforderl ichen Urkunden aus
Caesarea vorlaufigen beziehungsweise endgiiltigen Charakter hatten. Wenn der Herr von
Caesarea nur eine wachsgesiegelte Urkunde hergab, so har te er sie in Blei wiederholen
rniissen ; diese Interpretation bleibt freilich mit Unsicherheiten belastet.
Vorlaufigen Charakter hatten auch die Wachssiegel des Regenten Johann von Arsur und
acht weiterer Kronvasallen, mit denen diese 1257die Unterstiitzung Ankonas im Krieg von
St. Sabas gegen Venedig und zugunsten des mit ihnen verbimdeten Genua zu erkaufen
suchten (RRH n? 1259). Das Stuck war als Chirograph und i iberdies als gesiegeltes Nota-
riatsinstrument angelegt, das ausdriicklich neun Wachssiegel ankiindigt. Naturlich harte
der Notar auch Bleisiegel beurkundet, wenn wohl auch nicht mit der Formel von den droie
coins, da derselbe Notar s ie auch in RRH nv 1220.1234 weglieB (5. oben S. 69). Aber das
Problem stellte sich gat nicht, denn der ausgehandelte Vertrag bedurfte, wie eigens gesagt
wird, noch der Ratifikation durch die Stadt Ankona, und da er weitgehende Konzessionen
des Reiches an Ankona vorsah, namlich die Gri indung eines eigenen Quartiers in Akkon
mit den fiir Italiener ublichen Zoll- und Gerichtsprivilegien, hiiteten sich die Barone davor,
schon den Vorvertrag mit Blei zu besiegeln, da dies ihre Konzessionen schon ohne Ratifika-
tion durch Ankona endgiiltig gemacht hatte. Ankona hatte Zeit bis Allerheiligen 1259, um
den Vertrag zu ratifizieren, und war gehalten, hieriiber ein mit dem Stadtsiegel besiegeltesNotariatsinstrument auszustellen. Was hieraus geworden ist, wissen wir nicht, da uns nur
der Vorvertrag i iberkommen ist. Er sah zwar eine Konventionalstrafe von 10000 Byzan-
tinern vor, wenn er nicht eingehalten werde, d . h . wenn Ankona ihn nicht ratif iziere, aber
,\
•
21 . Liv re de Phi li ppe de Novar e c . 29 , RCH Loi s 1 ,505 : Leprivilege de l'home porte garentie contre Ie seignor
pour son see l quiy pent; L iv re d e J ea n d 'I be lin c . 1 55 , RHC Loi s 1 ,2 34 : Lepr iv il tge que ie s eignor fai t arome porte garentie encontre Ieseignor par son seel qui ipent.
U5 Livre au roi c . 2 .3 , RHC Lo is 1, 608f.
, _
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten
Vertmgsstrafen in dieser Hohe waren in der Regel rein theoretisch. Es ist durchaus denk-
bar, daB nach der Kehr twendung im Krieg von St . Sabas , a ls 1258 Genua auf der Reede
vor Akkon von Venedi g bes iegt wurde und di e neue Regent in, Konigin Plaisance von
Zypern, das geeinte Reich auf die Seite der Venezianer gegen Genua fiihrte, der endgultige
Ver trag nicht mehr zustande kam; jedenfalls war das Reich daran nicht mehr interessier t.
Der Vorvertrag ist uns i iberhaupt nur i ibcr das Johanniterarchiv i iberkornrnen, ohne daB
wir dies anders erk laren konnten , als daf eine der beiden Par teien ihn dor t ins Depositum
gegeben hatte, was eine im Osten wie im Westen haufig bezeugte Praxis war.
Ais das Grobste im Krieg von St. Sabas vorbei war , ein ig te sich der neue Bischof Flo-
rentius von Akkon im Januar 1260mit den Venezianern im Osten tiber die Pfarrechte der
venezianischen Markuski rche in Akkon (RRH nO1285). Er stellte dabei die hohe Forde-
rung, daB bis zum Septemberpassagium des Jahres die Venezianer eine vom Dogen mit
einer Goldbulle besiegelte Ratifikationsurkunde beibracnten und aushandigten. Die Dogen
von Venedig hatten urspr iinglich ihre Urkunden nur durch ihre eigene Unterschri ft be-
glaubigt . Die a lteste Bleibul le eines Dogen stammt aus dem Dukat des Pie tro Polani
(1130-1148), und das Wachssiegel des Dogen wurde nach einem Zeugnis des 13.Jh . an'
Urkunden der Mitte des 12.Jh. verwendet.P'' Gelegentlich kamen im 13.Jh. auch Goldbullen
vor, vor allern zu Ratifikationszwecken.w" Wurde fiir RRH nO 1285 eine goldgesiege!te
Ratifikationsurkunde beigebracht, so versprach der Bischof, seine Urkunde (cartam istam, sigillo nostro cereo interim sigillatam) mit seinem Bleisiegel zu versehen, also die Siegel
auszuwechseln. Wenn die Ratifikation nicht erfolgte, so waren die Venezianer verpflichtet,
die wachsgesiegelte Bischofsurkunde wieder zuruckzugeben, die dann ex tunc rechtsun-
wirksam sein sollte. Das bischofliche Wachssiegel, das im innerkirchlichen Bereich volle
Gultigkeit hatte, wurde gegenuber Weltlichen deutlich nur alsvon vorliiufigem und voriiber-
gehendem Wert angesehen, vom Bischof ebenso wic von den Venezianern. DaB der Herr von
B1anchegarde 1263, als er in RRH nO1324an Amalrich Barlais eine von ihm erworbene Teil-
rente, die von den Johannitern gezahlt wurde, in einem gesiegelten Kotariatsinstrument
zuriickverkaufte, neben seinem Wachssiegel noch die Bleibulle des Patriarchen von Jeru-
salem anbringen lieB, urn die Sache mit Ewigkeitswert auszustatten, erwahnten wir schon
oben S. 69. Amalri ch Barlais se inerseit s erl ief 1269 den Johannitern 84 Byzant ine r
dieser Rente (RRH nO1367), siegelte dies in Akkon mit Wachs und versprach, daB er bin-
nen fiinfzehn Tagen nach seiner Riickkehr nach Zypern eine vergleichbare bleigesiege!te
.Urkunde empreint en mes dreis coins ausstellen werde. Sollte ihn aber vorher der Tod er-
eilen oder er das neue Privi leg nicht mit seinem Bleisiegel versehen, sosolle - dies war aus-
drucklich vorgesehen und mithin keineswegs normal- die wachsgesiegelte Urkunde ebenso-
vie! Geltung haben wie eine bleigesiegelte.
Am intercssantesten sind aber einige Siegelfalle von wachsgesiegelten Vorvertragen, bei
denen eine Doppelausfer tigung vor lieg t, ohne daB dies bisher erkannt worden ware. Den
Auftakt macht ein Vergleich tiber die in Galilaea ge!egenen Orte Arraba und Sakhnin ,
mit dem wir uns inhaltlich an anderer Stelle befaBt haben.248Es ist bisher in der Forschung
nicht beachtet worden, daB im venezianischen Staatsarchiv nicht nur eines, sondern zwei
~--~~--'-'-'--'---------------------
" . Bar to lomeo CECCHETTI ,Bol le dei dog i d i Venez ia ( 1888 ) S . g f.: Vittorio LUlARINI, Originali anti ,
chissimi della cancelleria veneziana, Nuovo Archivio Veneto NS 8 (1904) 214 .
2<, CECCIIETTI,Bolle S. 7. Gottlieb L.F .TAFELu . Geo rg M.THOMAS,Urkunden zur a lt er en Hande ls - und
S ta at sg es ch ic ht e d er R ep ub li k V en ed ig m it b es on de re r B ez ie hu ng a uf Byz an z u nd d ie Lev ant e 3 ( Fo nte s
rerum Austriacarum II14, 1857) nO342 (S. 31) ; nO375 (S. 307 ); nc 379 (S. 353 ).
us MAYER, Kreuzfahrerherrschaft Arrabe, Zeitschrift des Deutschen Palastina- Vereins 93, 207 f.
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/hemayer-das-siegelwesen-in-den-kreuzfahrerstaaten-1978 46/55
Hans Eberhard Mayer
Exemplare dieses Vergleichs lagern.MO Sie unterscheiden sich nur dadurch voneinander
~aB nO~z am Ende gegeniiber nO41 leicht verkiirzt ist. Bei Vergleichen werden gewohn-
Itch zwei Exemplare ausgefertig t, eines f ii r jede Par tei. Sind also zwei originale Ausfer-
tigungen i'_llAr:hiv einer der beiden Parteien, so ist daraus normalerweise zu folgern, daB
der Vergleich nicht durchgefiihrt wurde, denn da Amalrich am Ende die Casalien erhalten
sol1te, ~uBte .er ein Exemplar haben, urn sein Recht, das ihn 1Z000 Byzantiner gekostet
h~tte, jcderzeit nachweisen zu konnen, Man hat aber bei dem Vergleich ein sehr kornpli -
ziertes Verfahren angewandt. Am Ende von nO41160 heiBt es, man habe hieri iber eine Ur-
kunde (Ntterae patentes) aufgesetzt und sie mit den Wachssiegeln beider Parteien besiegelt.
Innerh~lb der na.chsten fiinfzehn Tage werde man jedoch zwei gleichlautende privt"legia
ausf~~lg.en und sre ~t den Bleibul1en beider Parteien besiegeln und ihnen je ein Exemplar
aushandigen. Zwar 1Stder Vergleich lang und umfallt bei Rey sieben Druckseiten zu je
40 ~ei len, aber er i st .wiederum nicht solang, daB ein schri ftgewandter Notar nicht g leich
zwei Exemplare an emern Tage hatte ausfertigen konnen W'lS immer die Griinde fiir die
Regelung waren, sie erklart jedenfal1s, warum imOrdensarchiv noch zwei Ausfertigungen
des Vergleichs vorhanden sind. Es handelt sich bei nO41 urn die vorlaufige wachsgesiegelte
Fassung, bei n? 42 urn die endgiiltige bleigesiegelte Ausfertigung. Zwar fehlen beiden Aus-
fer tigungen die Siegel, auch wenn wir an den Siegelschni tten und -lochern sehen konnen
daf beide Urkunden je zwei Siegel trugen. Aber n? 42 kiindigt nur Bleibul1en an und laB;konsequenterweise den ganzen Passus iiber die vorlaufige wachsgesiegelte Fassung sowie
d~e Verpflichtung zur Herstel1ung von endgiiltigen, bleigesiegelten Exemplaren weg, was
bisher unbeachtet geblieben ist. Eine wei tere bleigesiegelte Fassung muf an Amalr ich
Bar lais gegangen sein. So deutet die Ubcrlieferung dieses Sti ickes wie auch der anderen
Urkunden zu dem ganzen Besitzkomplex darauf hin , daf der Vergleich tatsachlich durch-
gefiihrt wurde. 251
Beim nach sten Fa l1lohnt ess ich, noch meh r ins Deta il zu gehen. Am 14 .oder 15. Sep-
tember 1256252 beurkundete in Akkon Johann II. von Ibel in, Herr von Bai rut , da f e rvom
Al1erheiligenfest des Jahres 1256 auf zehn Jahre an den Bruder Eberhard von Sayn, den
GroBkomtur und Stel1vertreter des Meisters des Deutschen Ordens im HI. Lande, und an
den Orden sein Tei l1ehen Caselimbert mit seinem Zubehor , namlich den Orten Le Fierge,
Le Quiebre, La Scebeique, Jahson, Kapharneby, Deuheireth, Benna, Samah, Laguille,
Karcara und vier unbewohnten Gastinen namens La Messerephe, La Ghabecie, La Qua-
tranye und La Tyre, gegen eine jahrliche Zahlung von 13000 sarazenischen Byzantinern
verpachtet, d ie je zur Halfte im April und im September zahlbat sind. Besondere Bestfm-
mungen werden getroffen iiber je z4 und acht Mansen von Zuckerrohr verschiedener Art
das auf diesem Land imWechsel mit Getreide angebaut wurde.253 Der Orden ist verpflich-
tet , d ie Rechte der Bourgeois in Caselimbert zu bewahren, ihre Abgaben nicht zu erhohen,
. .. S. Maria dei Teutonici (SS. Trinita) nO41.42; vgl . PREDELLI.Reliquie, Att i del R. Ist ituto Veneto 64.
1432f. no 41 f. ,
260 Gedruckt bei Emmanuel G,REV. Recherches geographiques et historiques sur la domination des La-
t ins en Or ient ed. I . (1877) S . 24; ed. I I. (1877) S . 29.
2&1MAYER, Kreuzfahrerherrschaft Arrabe, Zeitschrift des Deutschen Palastina-Vereins 93,210 .
. .. Original im Staatsarchiv Venedig, S. Maria dei Teutonici (SS. T'r inita) nO49; gedruckt bei REV, Re-
cherches ed. I .S. 33. ed. II. S. 38auseiner fehlerhaften Abschrift von Leon Alishan (vgl. ebd. S.3); Regesten
bei Max PERLBACH.Die Reste des Deutschordensarchivs in Venedig, AltpreuJlische Monatsschrift 19(1882)
641 nO 41; Henry SIMONSFELD,Zur deutschen Geschichte aus Venedig. I.Urkunclen den Deutschen Orden
be~reffend, Forschungen zur deutschen Geschichte 21 (1881) 500 nc 20 bei PREDELLI,Reliquie, Atti del R.
Ist ituto Veneto 64, 1436n? 49 sowie RRH nO1250.
m RILEV-SMITH,Feudal Nobility S. 49f.
< I I I I ! '
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 91
keine neuen Abgaben einzufi ihren und Rechtsstrei tigkei ten mit ihnen nach dem Recht des
Konigreichs Jerusalem abzuwickeln. Ebensowenig darf er die Bauern mit neuen Abgaben
be legen und nu r verlangen, was durch das Recht des Reiches gedeckt wi~~. ~ol lte . .de r
Herr des Konigr eichs Jeru sa lem oder sein Stat tha lter den Pachtvert rag ganzl tch ruck-
gangig machen oder tei lweise abandern, so sind Johann II. von Ibc:lin .und seine Erben
verpflichtet, dem Orden al1eSchaden zu ersetzen, die dieser an den Emk~nfte~ des la~.fen-
den Jahres dadurch erleidet. Dasselbe gilt. wenn der Deutsche Orden gletchartlge Schaden
durch Gewalteinwirkung von Sarazenen oder anderen UngHiubigen erleidet (also durch
Krieg oder Rebellion), ebenso aber durch andere Christen: in~besondere durc~ Johann
selbst oder seine Erben. In allen anderen Schadensfallen, set es infolge von Pesti lenz oder
ander en Ursachen, si nd Johann II . von Ibe lin und seine Erben zu Schadensersa tz nicht
verpf lich tet. Nach Ablauf des Pachtvertrages fallt der gesamte Besit~ sofor t an Jo?ann II.
oder seine Erben zur iick mit Ausnahme von Wertvermehrungen, die der Orden InForm
von Gobauden oder Utensilien (en ostilz) vorgenommen h~t und die e r beha lten bezie -
hungsweise entfernen kann, sofern Johann ihn nicht durch esgart254 zweier Prud'hommes
davon abhalt, Zur Bekraftigung dieser so geregelten Angelegenheit laBt Johann II. ce
pre sen t e se ri t ouve rt , saele en pendan t de mon see l de e ir e herstellen und von seinen Lehns-
leuten bezeugen. Zusatzlich werden als Garanten der Rechtshandlung und als anwesend
noch aufgefii hrt Johann von Ibe lin , Her r von Arsur , de r Konstabler und Regent des Ko -
nigreichs Jerusalem, ferner Balduin von Ibelin, der Seneschalk des Konigreichs Zypern,
Phi lipp von Montfor t, der Herr von Tyrus und Toren, sowie zwei wei tere Mitglieder der
Familie Ibelin.Die vorangehende Inhaltsangabe haben wir deshalb so ausfi ihrlich gehalten, weiI der
Druck bei Rey sehr fehlerhaf t i st . Das Tagesdatum der Urkunde, die vo~ 15· Septembc:r,
dem Fest der Kreuzerhohung, datiert i st , i st n icht ganz sicher, da das Ktrchenfest berci ts
auf den 14 : September fallt . Die Datierung nach dem Festkalender ist wahrscheinlich die
richtigere, weil Kreuzerhohung in den Kreuzfahrerstaaten intensiver als anderswo began-
gen wurde, so daf der Urkundenkonzipient h ieri iber wenig Zweifel gehabt h .aben kann.
'Konig Heinrich I.von Zypern ha tte in se in er Eigenschaft a ls Regent 1253m RRH n?
. ,lz0 8 Johann II. von Ibelin Caselimbert (az-Zib , Palestine Grid 160/273) als ein vermeh-
.' rendes Teillehen der Herrschaft Bairut bestatigt,'wobei bereits die meisten hier namentlich
' ,,~,aufgefi ihrten Per tinenzien genannt werden. Dabei setzen wir Deuheire~h in Johan~s
":: Urkunde mit Douheyrap in RRH nO 1z08 in eins, ebenso Kapharneby mt Quafreneblt.
Danach handelt es sich bei Le Fierge urn UI)\ITlal-Faraj (Palestine Grid 162/268), bei Le
. i Quiebre um al-Kabri (Palestine Grid 164/z69), bei La Scebeique u~ Khirb.at ash-Shubeik~
(Palestine Grid 166/z68), bei Jahson urn Khirbat Ja'tun (Palestine Gnd 168/z68), bel
Kapharneby urn Bir Kafr Nabid (Palestine Grid 163/274). b~i Deuheireth vielle.icht u~
Khirbat Suweijira (Palestine Grid 165/Z7Z), bei Benna urn Khirbat Banna (Palestine ~nd
167/275), bei Samah urn Khirbat Samah (Palestine Grid 169/275), bei Laguille um.Khtrb~t
al-'Ijliya (Palestine Grid 178/z78), bei Karcara urn Khirbat Karkara (Palestine ~nd
17 1/z75) . bei La Messerephe urn Minat al-Mushei ri fa (Palestine Grid 160/z77), bet LaGhabecie urn al-Ghabisiya (Palestine Grid 164/267), wahrend La Quatranye und La Tyre
unidentifiziert bleiben.
Die be iden letztgenann ten kommen in RRH n? 1z08 nicht vor, ebensowenig Khirbat
Karkara, das zusammen mit La Tyre (als Aithi re) schon in RRH nO341 als Per tinenz von
Mi' ilya genannt wurde. Dieses kam nebst seinen Per tinenzien im Jahre 118z in RRH nO
. .. Ebd. S. 132
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92 Hans Ebe rhard Mayer
614 in die Hand Joscelins III. von Courtenay, dessen Erben seine Herrschaft im Jahre 1220
an d~n Deutsc~~~ Orden verkauften (RRH nO934). Bei den damals aufgezahl ten Perti-
nenz~en .von MI i lya waren Khirbat Karkara und La Tyre nicht mehr dabei, so daB es
fra~hch rst, ob sie 1182iiberhaupt noch zu Mi'i1ya gehorten, so wie das mit Sicherheit fiir
Kh~rbat Ja'tun (Jahson) auszuschlieBen ist (vgl. RRH nO341.625). Dasselbe diirfte fiir
Kh1rb~t Banna gegolten haben, wahrend al-Ghabis iya im Jahre 1183 in RRH nO624 an
joscelin kam und beim Verkaufvon 1220in RRH nO934 noch immer als Teil seines Erbes
a~fgezahlt wurde. Da es dem Orden in der Zwischen zeit zweifellos legal oder illegal ent-
g.htten war, mochte dieser beim Studium von RRH n?341, das er in seinem Archiv hat te ,
erne Ent fremdung auch fi ir Khi rbat Karkara, La Tyre und Khi rbat Banna vermuten
wahrend Khirbat Ja' tun, auch fur den Orden erkennbar, i iberhaupt niemals an Joscel i~
gekommen war, was nicht ausschlofl, daf der Orden dennoch nach einer Wiedervereini-
gung des Ortes mit dem jetzt ihm gehorenden Mi'i lya strebte. Neben den in RRH nO1208
angefUhrten geographischen Gegebenheiten, die an sich schon den Erwerb von Caselim-
be.rt (az-Zib) fiir den Orden nii tz lich machten, mogen Bestrebungen im Spiel gewesen
sern, die 1220 angekaufte Seigneurie de Joscelin im alten (wahren oder vermeintlichen)Umfang zu erlangen.
Es ist .nicht n~.twe~digerweise ein Zeichen fiir die Schwache der Zentralgewalt, daB die
Genehmlgung fur erne so langfrist ige Verpachtung eines bedeutenden Teillehens der~errs~haft Bairut , das zudem noch raumlich VonBairut getrennt war, nicht mehr durch
erne eigene Urkunde des Regenten erfolgte, sondern daB dieser die Urkunde mit anderen
Baronen Jerusalems, aber auch Zyperns , nur noch bezeugte. Nicht die Zustimmung des
Regenten, sondern seine und die Zustimmung der Vasallen insgesamt ersetzten den Kon-
sens der Zentralgewalt , da der Regent und die Barone in einer eigenen Zeugenlis te auf-
gefuhrt werden, die von den den Vertragebenfalls bezeugenden Vasallen Johanns II. durch
das Datum getrennt ist . Die Bezeugung durch den Regenten allein hat te also schon keine
rechtliche Verbindlichkeit mehr, sondern muBte durch das Zeugnis fiihrender Kronvasal-
len erganzt werden beziehungsweise "garantiert", wie die Rechtsbiicher es ausdriickten.w
Einer eigenen Urkunde des Regenten bedurfte esin diesem Faile aber deshalb nicht weil
der Militardienst nicht tangiert war, da Heinrich I.von Zypern das Teil lehen in RRH nO
12~8als Ve~ehrung des Lehens von Bairut und ausdriicklich ohne Vermehrung des fii r
Ba~rut schul~lgen Dienstes verliehen hat te . Was nun das Wachssiegel Johanns II. von
Bai ru t an seiner Urkunde RRH nO1250 bet ri ff t, so konnte man daran denken , daB der
Deutsc~e Orden diesen Pachtvertrag nur als ein Ubergangsstadium zum 1261erreichten
~ollbes1tz ansah,. und man sich deshalb mit einer vielleicht fur ein Lokalarchiv (az-Zib ?) ,
Jedenfal.ls wohl nicht fur das Archiv des Meisters bestimmten Urkunde zufriedengab, die
als escrit ouoert unter dem Wachssiegel des Ausstellers erging. Hier haben wir wieder die-
selbe Unterscheidung wie bei Vorvertrag und endgiil tiger Fassung des Vergleichs von1253.iiber Arraba, wo den wachsgesiegelten litterae patentes bleigesiegelte privilegia ge-
genuberstanden. Wenn auch mindestens fur letzteres andere termini technici eintreten
konnen, so li!terae, escrit, scriptum (RRH nO1262.1267.1269), so deutet doch litterae pa-
tentes oder escrit ouvert. in Verbindung mit Wachssiegeln auf einen anderen Urkundentyp,
auch wenn dem kein erkennbarer Unterschied im Formular entsprach. Das Wachssiegel .
an RRH n? 1250laBt sich aber auch mit politischen Erwagungen erklaren. Wir haben oben
S. 67f. darge!eg t, daf d ie Formel von droiz coins offenbar sehr plotzlich und bewul3t von
Johann von Ibe!in, dem Grafen von Jaffa und grol3en Juris ten, eingefuhrt wurde, als er
i
-)",.
--------
151 L iv re au ro i, c. 2 RH C Loi s t, 608.
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 93
1254 Johann von Arsur aus der Regentschaft verdrangte, Im Herbst 1256 erlebte Johann
von Arsur sein Comeback.Ps Er, der in seinem Wesen eher zentralistisch als ade!sfreund-
l ich eingestel lt war, ging offenbar sogleich gegen die fruher nur vom Konig benutzte und
unter Johann von Jaffa von den Vasal len usurpierte neue Forme! vor und hat s ie in RRH
nO1250, bei dessen Ausstellung er anwesend war, nicht geduldet. Von Erfolg war dies
freil ich nicht , wie unsere Ubersicht oben Anm. 194 zeigt . Schon im Januar 1257verwen-
dete Julian von Sidon, als er die lange Serie seiner Lchensverkaufe im libanesischen Schuf
einleitete, die neue Forme! wieder. Allerdings beteiligte er den Regenten in keiner erkenn-
baren Form an den Verkaufen, so daf dieser die Verwendung der Forme! nicht bemerken
konnte. Wir haben auBer den Urkunden Jul ians von Sidon aus dieser Regentschaft Jo-
hanns von Arsur keine seigneurialen Urkunden mehr aul3er dem schon besprochenen Vor-
vertrag RRH n? 1259 fiir Ankona, der sowohl seines vorlaufigen Charakters wegen wie '
auch wegen der damals offenbar umstri ttenen Formel von den droiz coins, mit der si ch
stets ein Bleisiege! verband, vom Regenten und dem ihm anhangendcn Teil der Kronva-
sallen in Wachs gesiegelt war.
Verfolgt man die Geschichte von Caselimbert (az-Zib) weiter, so stol3tman wieder au!
Vorver trage. 1mJahre 1261 war es so weit, daB Johann II. von Ibe lin so knapp an Geld
war, daf er den 1256verpachteten Besi tz noch vor dem Ablauf des Pachtvertrages fur eine
Annuitat verkaufte , die noch unter der alten Pachtsumme lag. Johann war 1260in Gefan-genschaft gekommen und hat te s ich gegen ein Losegeld von 20000 Byzantinern freige-
kauft.267Hierfiir borgte er furs erste 16000 Byzantiner bei seinem Vetter Julian von Sidon
(s, unten S. 95). Am 16. Dezember 1261268beurkundete Johann II. von Ibelin in Akkon
seinen Verkauf von az-Zib und Toron Aghmid (Levant Grid 146/203) in den Bergen von
Ba iru t an den Deutschen Orden. Fur az-Zib sol lte er riickwirkend ab 1.November 1261
jahrlich 11000 Byzantiner erhalten, fiir Toron Aghmid einmalig 5000 Byzantiner, die bis
Mitte Februar 1262fallig waren. Aul3erdem sollte der Orden (neben Pachtruckstanden)
ebenfal ls bis Mitte Februar 1262eine einmalige Ablosung von 4000 Byzantinern dafii r
entrichten, daB Johann II. von Ibelin ihn aus der Restlaufzeit des Pachtvertrages entlassen
hat te . Das war vermutl ich nur eine formale Begriindung, denn Johann ersetzte ja einen
befristeten durch einen unbefristeten Pachtvertrag mit demse!ben Vertragspartner, so daB
ihm der Orden an sich nichts dafii r schuldete , daf die Laufzei t des ersten Vertrages vor-
zeitig im gegenseitigen Einverstandnis beendet worden war. Allenfalls war die Ablosung
ein Ausgleich dafii r, daB Johann jetzt fur weniger Geld verpachtete als 1256. Die Hohe
dieser Ablosung wurde wahrscheinlich durch Johanns Losegeldverpflichtung bestimmt,
denn die erste Jahresrate von 11000 Byzantinern fur az-Zib (mit der er trotz der notorischen
Saumseligkeit der meisten Pachter doch rechnen konnte) gaben ihm innerhalb eines Jahres
zusammen mit der Ablosung von 4000 Byzantinern und dem Kaufpreis von 5000 Byzan-
tinern fur Toron Aghmid genau jene 20000 Byzantiner, die er aus seinem Loscgeld schuldig
war, und zwar im wesentl ichen bei seinem Vetter. Da der Regent Heinrich I.von Zypern
Johann II. noch 1253mit RRH nO1208im Besitz des Lehens bestatigt hat te , dieser den
Verkauf jetzt aber ohne die Genehmigung des Regenten Gottfried von Sargines vornahm
258 Vgl. Zll diesen Kabalen MAYER, Ibe lin, Proceedings of the American Phi losophic al Soc ie ty 122 Nr.
I, S.45-51.
'" Reinhold ROHRICHT,Geschichte des Konigreichs Jerusalem (1898) S. 916 Anm. I.
268 RRH no 1307; PREDELLI, Reliquie, Atti del R. Istituto Veneto 64. 1440 nc55; Rsr , Recherches ed. I.
S . 36; e d. II. S . 41 nach ei ner f eh le rh aft en Kopi e Al ish an s au s d em Ori gi na l im S taat sar ch iv Vened ig , S .
Maria dei Teutonici (SS. TrinitA) nO 55, zu vergleichen mit dem besseren Druck der Parallelurkunde bei
STREHLKE,Tabulae S. 106 nO 119 ( s. unten Anm. 262).
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/hemayer-das-siegelwesen-in-den-kreuzfahrerstaaten-1978 48/55
Hans Eberhar d Mayer
(die Regentin Plaisance von Zypern war im September 1261 gestorbenllli9 und ihr Nachfol-
ger Gott~ried war irn Februar 1262 noch in Europa280), baute man eine auch sonst in jenen
Jahren mcht ungebrauchliche KlauselZ61 e in, n ach der Johann I I. in di ese r Sache den Or-
den gegen den Regenten oder seinen Verwaitungsbailli zu ver teidigen hatte, es sei denn,
daB der rechtmaBige Herr des Reichs, also Konradin, ins HI. Land komme und den Ver-
kauf nicht billige.
Es wurden weitere privt"leges vorgesehen, und zwar sollte bis Pfingsten 1262 Johann II.
den Verkauf von Toran Aghmid und az-Zib beurkunden (offenbar in getrennten Privi le-
gien), die Deutschordensritter ihre Zahlungsverpflichtung fur az-Zib. Aile drei vorgese-
henen Urkunden sind tatsachlich noch erhalten ;242 uberraschenderweise sind aber aile
drei, obgleich ihre Ausstellung im Dezember 1261 erst in Aussicht genommen wurde, von
Anfang November 1261 datiert. Dies ist fur die Siegelfrage wesentlich. Schon die Urkunde
vom 16. Dezember 1261 hatte vorgesehen, daf die Annuitat fiir az-Zib ab Anfang Novem-
ber 1261 laufen solie, und schon der vorangehende Pachtvertrag RRH nO 1250 lief
jewei ls vom 1.November bis 31. Oktober . Man hat also die drei endgi iltigen Fassungen
sichtlich ruckdatiert , und zwar pri rnar sicherlich, um den Beginn der Annui tat im Datum
der Urkunden festzuhalten, da er in ihnen sel bst nicht, sondern nur im Vorvertrag
vom 16. Dezember 1261 erwahnt wird. Das erklart aber nur RRH nO 1307.1309,
wahrend es in RRH nO 1308 gar n icht u rn e in e Annui ta t fu r az-Z ib, sondern u rn Toron
Aghmid g ing. Immerhin mag man d ieses Stuck auch mit zurii ckda tie rt haben, da der
Vorvertrag vom 16. Dezember 1261 beide Transaktionen in einer einzigen Urkunde be-
handelt hatte.
Wir halten es aber dariiber hinaus furmoglich, daBAnfang November 1261 eine "regen-
tenlose" Zei t war (denn Hugo II. von Zypern war zwar 1258 als Regent anerkannt worden,
war aber noch immer rninderjahrig, sodaB er selbst handlungsunfahig war und ein weiterer
Regent in seinem Namen handeln mufite, erst seine Mutter Plaisance, dann Gottf ried von
Sargines) , da Plaisance gewiB tot und der im Westen abwesende Gottf ried von der Haute
Cour vielleicht noch nicht bestellt war . Das har te dern ungenehmigten Verkauf einen An-
str ich der Legalitat gegeben, zurnal man ihn - vielleicht wei l wegen der Bezeugung von
RRH nO1250 durch den damaligen Regenten die Prasumption dafiir sprach, daB auch der
ewige Pachtvertrag von 1261 genehmigungspflichtig war - in der endgiiltigen Urkunde
RRH nO 1307 als einen Tausch hinstellte, wahrend im Vorvertrag noch die Rede von einer
Verpachtung oder einem Tausch gewesen war . In der Tat wurde der Orden in der Endur-
kunde verpf lich tet, Geldlehen und -renten , die Johanns Vater , er selbst und seine Erben
auf die Einkiinfte von az-Zib (beziehungsweise die an ihre Stelle tretende Annuitat) ange-
wiesen hatten oder anweisen wii rden, vorrangig zu honor ieren, wobei sich dann die Zah-
lungen des Ordens an Johann entsprechend minderten . Es kann wenig Zweifel daran be-
stehen, daB der Obergang von az-Zib an den Deutschen Orden dennoch genehmigungs-
pflichtig war . Es lag nicht im Interesse der Zentralgewalt, derar tige Verschiebungen von
258 Louis DE MAS-LATRIE, Histoire de rile de Chypr e sous I e r egne des p ri nces de l a mai son de Lus ignan 1
(1861) 385.
. .. RILEy ,SMITH, Feuda l Nob il it y 217 Anrn. 156 .
'" E bd. S. 188 Anrn. 16.
IU RRH nO 1307-1309; STREHLKE, Tabul ae S . 106 nO119; 10<) nO120 ; 111 n c 121 . RRH nO1307 regestiert
die Beurkundung Strehlke nO 119 von Anf ang November 1261 und e ine "Bestatigung" vom 16. Dezember
1261, abe r Roh ri ch t g ing h ie r, w ie wir zei gen wcrden, dem Bet rug der Par te ien auf den Leim, I n Wahrhei t
f ol gen s ich d ie bei den Urkunden t ro tz der Dat en inze it li ch umgekeh rt er Reihenf ol ge und bei der angeb li chen
..Bestatigung" hande lt e ss i ch i n Wahrhei t u rn den soeben oben bespr ocheuen Vorve rt rag ( 5. Anm. 258).
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 95
Kronlehen beliebig zuzulassen, auch wenn hier in az-Zib keine militarische Dienstpflicht
tangiert war und obwohl in dem unter ausdriicklicher Dienstwahrung erfolgten "Verkauf"
der Herrschaf t Arsur (RRH nO1302. 1313) aus der Zeit der Regentin Plaisance ein gravie-
render Prazedenzfall vor lag, den Hugo III . von Zypern denn auch 126g in RRH n? 1371
riickgangig machte. Dem GroBkomtur des Deutschen Ordens, Hartmann von Heldrungen,
war d ie dubio se Rechtslage klar, denn er s icherte s ich in se ine r Gegenurkunde RRH nO
1309 dergestalt ab, daB der gesamte Handel n ichtig sein soLIe,wenn der amtierende Or-
densmeister oder sein Nachfolger nicht b innen eines halben Jahres, nachdem er ins HI.
Land gekommen sei ,den Ankauf von az-Zib ineinem erneuten, mit der Bleibulle des Mei-
sters versehenen Privi leg bestatige, Es ist daher verstandlich, daB Hartmann eine Kopie
seiner Urkunde zuruckbehielt und diese in das Kopialbuch seines Ordens aufgenom-
men wurde , wo si e si ch in dem nach 1263 zusammengestellten Teil III findet.263 Recht-
lich noch anriichige r war der Verkauf von Toron Aghmid, denn hier legt e der Vor-
ver trag vom 16. Dezember 1261 fest, daB der Deutsche Orden daf ii r 5000 Byzantiner
zu bezahlen habe, stipulier te aber, daB dieser Byzantiner in der vorgesehenen abschlie-
Benden Fassung ii be rhaupt ke ine Erwahnung ge tan werden dur fe , um den Verkauf
dieses Tei les des Kronlehens Bai ru t, der im Gegensatz zu dem Verkauf von az-Zib miig-
licherweise die Dienstfahigkeit des Lehens beeintrachtigte, als eine nicht genehmigungs-
pflichtige Almosenschenkung zu kaschieren. RRH n? 1308, die endgi iltige Fassung des
Verkaufs von Toron Aghmid von angeblich Anfang November 1261, stellt die Sache denn
auch genau sodar, wenngleich Hartmann von Heldrungen sovorsichtig war , sich von Jo-
hann II. von Ibelin, gleichfalls angeblich Anfang November 1261, den Empfang der 5000
Byzantiner, die er nach RRH n? 1308 nicht bekommen und nach RRH n? 1307 nicht hatte
erwahnen dii rfen , doch qui ttieren zu lassen (RRH nO1310). Wenn beide Vertragspartner
schon sooffenkundig betrogen, so is! die Annahme einer Ruckdatierung von RRH nO1307
bis 1310 nicht mehr weit hergeholt.
Der Meis te r des Deutschen Ordens scheint dem Ankauf von az-Zib zumindest nicht
widersprochen zu haben, jedenfalls war am 16. September 1263- der Verkaufsvertrag von
angeblich Anfang November 1261 noch in Kraft , denn an diesem Tage wi es Johann I I.
von Ibelin 10000 Byzantiner auf die ihm zustehende Jahresrentevon 11000 an, und zwar zu-
gunsten des Johanniterordens, bei dem seinVetter Julian von Sidon und Beaufort verschul-
det war , denn diesen Betrag hatte Julian bei den Johanni tern aufgenommen, um Johann II.
e n mon grant b esoz"ng , d. h. f ur sein Losege ld von 20000 Byzantinern, die Surnme von
16000 Byzantinern leihen zukonnen. Hieri iber hatte Julianeinen Schuldschein Johanns II. •
von Ibelin. Entsprechend den oben angefiihrten Bestimmungen des endgiiltigen Vertrages
tiber az-Zib von angeblich Anfang November 1261 konnte Johann die ihm zustehende
Annui tat b is zur vollen Hohe an Julian abtreten, f reilich nur mit der MaBgabe, daB die auf
diese Rente bereits angewiesenen Zahlungen den Vorrang hatten, so daB sich die Tilgung
der Schuld bei Julian i iber mehr als ein Jahr erstrecken muflte. Am Ende sollte der Johan-
nitermeister i iber die erhaltene Summe dem Deutschen Orden qui ttieren und dieser auch
den Schuldschein Johanns II. von Ibelin erhalten, den er an Julian von Sidon ausgestellt
hatte, da Julian, der von Johann bereits 6000 Byzantiner erhalten hatte,24lidann vollstandig
befriedigt war.
DaB diese Anweisung Johanns II. das letzte ist , was wir i iber az-Zib als Besitz des Deut-
schen Ordens ho ren, wird schon dadurch erzwungen, daB das Chartular des Ordens im
II
i
'43Mayer bei STREHLKE,Tabulae ( '1975) , praefat io S. 41.80.
. .. PREDELLI, Rel iqui e, A tt i d el R . I st it ut o Veneto 64, 1441no 56 .
"'Ebd.
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/hemayer-das-siegelwesen-in-den-kreuzfahrerstaaten-1978 49/55
Hans Eberhard Mayer
zweitenTeil(TeilIII derHs.)nach 1263geschlossen wurde,so daB unklarbleibt,obHugo III.
von Zypern wie in Arsur auch diesen Lehensverkauf r iickgangig machte. Wenn es dabei
b lieb , so war Johann II. von Ibelin in az-Zib zum reinen Geldrentenempfanger abgesun-
ken, Wasrechtlich immer schlechter war als die Stellung des landbesitzenden Barons. Da
az-Z ib techni sch aber e in Te il de r Herr schaft Bair ut war ( s. oben S. 92) , tang ie rte der
Verkauf die soziale Stellung Johanns II. und seiner Erben nicht. Der endgi iltige Verkauf
von az-Zib und Toran Aghrntd an den Deutschen Orden ist auch insofern interessant, als
er erweist, daB die Zentralgewalt, wie schwach sie auch immer sein mochte, dennoch in den
Erwagungen der Magnaten noch immer eine gewisse Rolle spielte. In den endgtiltigen
Transaktionen von 1261tiber az-Zib und Toran Aghmid, also in den auf November 1261
rtickdatierten Urkunden RRH nv 1307-1310, wurde die ZentralgewaIt zwar tiber- und
hintergangen, aber die zahlreichen rechtlichen Fiktionen, die Rtickdatierung, die Kaschie-
rung des Verkaufs von az-Zib als eines Tausches und von Toran A;;hrnid alseiner aumosne
perpetuel unter arg li stiger Verschweigung des Kaufpreises, deuten doch darauf hin , daB
man mit der Moglichkeit von GegenmaBnahmen der Zentralgewalt immerhin noch rech-
nete.
Wenn wir nun zurucklenken zur Siegelf rage, so war sowohl beim Vergleich von 1253
tiber Arraba und Sakhnin (RRH nO1206)wie beim Verkaufvon az-Zib und Toran Aghmid1261 (Vorver trag vom 16. Dezember 1261 RRH n? 1307, endgtiltige, aber ruckdatierte
Ver trage vom November 1261 RRH nv 1307-1310) die vorlaufige Fassung in Wachs, die
endgtiltige in B1eigesiegelt. Der Deutsche Orden hatte in den f iinfziger und sechziger
Jahren des 13.Jh . ohnehin eine Tendenz zur Doppelausfertigung von Urkunden, die fUr
ihn bestimmt waren. Wir haben diese damit erklart,266daB der Orden je eine Ausfertigung
f ii r das Zentralarchiv und fur ein Lokalarchiv haben wollte. Daran wird festzuhalten sein.
Klassische Beispiele hierfur sind etwa die besonders wichtigen Urkunden RRH nO934.974,
die den Verkauf der Seigneurie de Joscelin an den Orden bestatigten, Von beiden befinden
sich im Staatsarchiv Venedig noch je zwei Originale, und die wachsgesiegelte Fassung von
RRH nO974 wurde 1336in Bar letta abgeschrieben, wahrend die goldgesiegelte Fassung
1393in Passau kopiert wurde.267Eine solche Ubcrlieferungslage laBt sich nur durch archi-
valische Notwendigkeiten erklaren. Aber die Aufteilung von Doppelausfertigungen in ver-
schiedene Archive war vielleicht nur eine Folge einer beim Deutschen Orden in jener Zei t
gleichfalls zu beobachtenden strafferen Biirokratisierung der Geschaftsvorgange mit Vor-
ver tragen und endgtiltigen Fassungen, die damit zusammenhangen mochte, daB dieOr-
densspi tze im HI. Land die eigentlichen Verhandlungen, wie sie in Vorvertragcn festge-
halten wurden, n icht mehr personlich f iihr te, sich aber die Ratif izierung der von den Be-
auf tragten getroffenen Vereinbarungen vorbehieI t und deshalb nur Abmachungen unter
Bleibulle als abschlieBend verbindlich anerkannte. Am 2. September 1256268stellte Julian,
Herr von Sidon und Beau fo rt , dem GroBkomtur des Deutschen Ordens Eberhard von
Sayn inAkkon eine Urkunde aus, in der er dem Orden alle seine Rechte schenkte, die er in
dem Lehen besaB,das Johann von Schufvon ihm innehatte. Er besiegelte die Urkunde mit
einem Wachssiegel, versprach aber eine bleibullicrte Urkunde, sobaid er die Matrize seiner
Bulle in Handen habe. Leider ist auch dieser Vorvertrag wie diejenigen von 1253und 1261
He Mayer bei STREHLKE,Tabulae ('1975), praefatio S. 74.
2 8 ' Originale von RRH n?934: S. Maria dei Teutonici (5S. Trinita) busta 1nO15.16. Goldgesiegelte Fas-
sung von RRH nO974: Ebd. busta 1 nO23, wachsgesiegelte Fassung busta 1 nO24. Kopie aus Barletta von
1376 im Staatlichen Archivlager Gottingen (fruher Staatsarchiv Konigsberg), Schieblade 20 nO6, Kopie aus
Passau von 1393ebd. Schieblade 20 nO1.
2 8. PREDELLI,Reliquie, Atti del R. Istituto Veneto 64, 1436 nc 48.
Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 97
nicht beachtet worden, nicht einmal von PredeUi und Rey, die diese Urkunden regestierten
oder edierten, weil man sie fiir im wesentlichen gleichlautend mit den endgtiltigen Fassun-
gen und daher f ii r identisch mit diesen hielt . Man ging offenbar davon aus, b loBe Doppel-
ausfertigungen zu haben, ohne zu beachten, daB sie sich hinsichtI ich der Besiegelung und
ihrer Anktindigung wie auch hinsichtlich gewisser Details des Inhalts unterschieden. Am
10. Januar 1257stellte Julian in Sidon die Schenkung erneut aus,269diesmal aber f ii r den
Ordensmeister Anno von Sangershausen-i? und gesiegelt de ma boul le deplomb emprint
de mes droiz coins de ma seignorie de Seyete. Hier wurde gewiB Predelli n?48 fur das Or-
denskonventua la rchiv in Akkon oder Qal 'a t a l Qu re in, S tr ehlke nO III fur das Archiv
des Meisters ausgestellt.
Beim Vorvert rag t ib er den endg iil tig en Verkauf von az-Z ib und Toran Aghmtd vom
16. Dezember 1261, der fiir drei Ordensfunktionare ausgestellt wurde, zu denen zwar der
OrdenstreJ31er Konrad gehorte, die aber der hierarchisch relativ unwichtige Komtur Hai-
mon von Sidon anfiihrte, wurden die unspezifizierten SiegelJohanns II. von Ibelin, Balduins
von Ibelin, des Seneschalks von Zypern, und des OrdenstreJ31ers Konrad angektindigt, wor-
aus zu erschlieBen ist, daB der eigentliche Verhandlungsfuhrer Haimon entweder tiber kein
Siegel vcrfiigte oder aber die Besiegelung an den GroBgebietiger Konrad abtreten muJ3te.
Mindestens die Siegel der beiden Ibelins aber waren Wachssiegel, da sie an der Urkundenoch erhalten sind (TaL IV, Abb. 35f.).271Fii r die im Vorvertrag vorgesehenen endgi il-
tigen Fassungen (privileges) war ausdrucklich Bleibullierung vorgeschrieben, und die vier
auf November 1261ri ickdatierten Urkunden, die den Handel abschlossen (RRH nO1307
bis 1310),sind auch tatsachlich unterBleibulle ergangen. In den dreiUrkunden Johanns II.
von Ibelin lautet die Siegelanktindigung: ai je fai t cepresent previlege bolle de plomb
emprint en mes dreiz coins generous, und geringftigig anders und auf den anderen Ausstel-
ler zugeschni tten in der Gegenurkunde des GroBkomturs RRH n? 1309·
Fiir die Zweistufigkeit in den Ordensvertragen ist es bezeichnend, daB bei den endgulti-
gen Fassungen nicht mehr der Komtur Haimon von Sidon und der OrdenstreJ31erKonrad
den Orden vertraten, sondern der Stellvertreter des Meisters im HI. Lande, der Grolskomtur
Har tmann von Heldrungen. Das hatte natii rlich auch fur die Archivierung bestimmte Fol-
gen, indem diese Urkunden nunmehr in s Archiv des Haup thauses im HI. Lande kamen
und von dor t in den zweiten Tei l des Kopialbuches des Ordens, das sei t 1244im HI. Land
war .272In der Gegenurkunde Hartmanns von Heldrungen (RRH n? 1309) ist schlieJ31ich ,
sogar eine Dreistufigkeit des Geschaftsganges festzustellen, weil der GroBkomtur sich fiir
den Meister verpf lich tete, daB dieser binnen eines halben Jahresnach seiner Ankunft im
HI. Lande den Handel erneut unter seiner eigenen Bleibulle beurkunden werde, andern-
falls alles, was vorangegangen war, nichtig sein sollte. Umgekehrt bedeutet dies, daB Hart-
mann dem Meister den Rtickzug aus dem Geschaf t offenhielt, sei es wei l der GroBkomtur
eine so bedeutende Transaktion , welche die Ordenskasse jahrlich mit 11000 Byzantinern
belastete, nicht auf eigene Verantwortung abschlielien wollte, sei es weiIer sich der rechts-
widrigen Aspekte des Ver trages wohl bewuBt war . Diese Dreistufigkei t wird kaum die
Regel gewesen sein, weilsie sonst die Amtstatigkeit des Grofskomturs in Palastina praktisch
vollig lahmgelegt hatte, auch wenn RRH n? 1021.1106 von 1230 und 1242ahnliche Ver-
hal tnis se of fenbar en und e in ahn licher Fal l be im Ab t von Josapha t auf taucht (RRH nO
289 RRH nO 1256; STREHLKE, Tabulae S .90 nc I ll .
110 Zum Datum d ieser Urkunde s .oben Anm. 193 .
m SCHLUMBERGER,igil lographie S. 40 nO97; 154 nO28, Abbildungen des ersten Siegels bei RILEY-
SMITH,Feudal Nobility Tafel nach S. 216und beider Siegel bei REY,Recherches ed. 1. S .39f .; ed. I I. S .44f .
212Mayer bei STREHLKE,Tabulae (2975), praefatio S. 71.78ff.
7 Ak . •Abb. p hi f. -h is t, 8 3: May er , Das S iege lwesen
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
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Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten 99
12gC>a.1424c).Eine Dreistufigkeit des Geschaftsganges muJ3te aber, wenn sie durchgefiihrt
wurde, wiederum Folgen fiir die Archivierung haben, denn wenn der Ordensmeister eine
solche Neubeurkundung ausgestellt harte, so hatte er mindestens Kopien der Urkunden
Johanns II. von Ibelin vorn November 1261mit in sein eigenes Archiv genommen, wenn
nicht sogar sich seinerseits von Johann II. neue Ausfertigungen dafiir erbeten. Der Zwei-
und Dreistufigkeit des Geschaftsganges mit verschiedenen Empfangern auf seiten des Or-
dens auf jeder Stufe muf eben auch jene Aufspaltung des Archivrnaterials in "zenrtalen"
und "lokalen" Ordensarchiven entsprochen haben, die wir vermuten (s. oben S. 96). Im
i ibrigen haben wir einen ahnlichen Vorgang in Kurland, wo am 4. und 5. April 1253die
Teilung Kurlands zwischen dem Deutschmeister und dem kurlandischen Bischof beur-
kundet wurde,273was am 7. Mai (1253?) ein ziemlich umstrittener Hochmeister Wilhelm
von Urenbach in Venedig bestatigte.274 Auch nach neueren Forschungen271i ist die Figur
des Hochmeisters h istori sch, seine Bestatigung echt, doch vermutet Forstreuter aus der
Farblosigkeit der Bestatigung, die der zuvor ergangenen Urkunden nicht gedenkt, ein
Pratendent habe sich hier ins Spiel bringen wollen. Aber nicht Ge1tungsbediirfnis wird die
Ausstellung der Bestatigung veranlaflt haben, sondern wir werden darin eine Ratifizierung
dieses wichtigen Vertrages durch die Ordensspitze zu sehen haben, die ja auch nach Forst-
reuters Meinung nur erfolgen konnte, weil der Deutschmeister den Teilungsvertrag nach
Venedig an den Ordensmeister geschickt hatte.
Ais schlieBlich Johann II.von Ibelin 1263auf die ihm Yom Deutschen Orden geschuldete
Annuitat 10000 Byzantiner an seinen Vetter Julian von Sidon anwies (s. oben S. 95), da
besaJ3Julian einen unter Wachs gesiegeJten Schuld schein Johanns, und Johann selbst sie-
gelte seine Anweisung ebenfalls mit Wachs, gab ihr aJlerdings jetzt auch eine von den iib-
lichen Urkunden abweichende Form, namlich die des Briefes mit einer GruJ3formel nach
der Adresse.
Aus allen diesen Beispielen ergibt sich f ii r die Wachssiegelung, daJ3 urn die Mitte des
13.Jh . das Wachssiegel im HI. Lande in verstarktem MaJ3eauch bei den Baronen neben
das Bleisiegel trat. Das Wachssiegel beglaubigte durchweg Urkunden von ger ingerem
Beweiswert und geringerer Dauer wie Schuldscheine, Zahlungsanweisungen, Pachtver-
trage von begrenzter Dauer, insbesondere aber die Vorvertrage, die in der Forschung fii r
die Siegelfrage wie auch fiir die Frage der zunehmenden Schriftlichkeit des Rechtsverkehrs
bisher nicht beachtet wurden. Gerade an dem Vorver trag und der endgii Itigen Fassung
des Verkaufs von Toren Aghmid kann man ablesen, daB im Vorvertrag die Praktiker fest-
legten, was wirklich zu geschehen hatte, wahrend die endgiiltige Fassung von den Juristen
fur die Bediirfnisse des Rcchtsgeschaftes und sogar fur die Tauschung der Zentralgewalt
formuliert wurden. Der Vorvertrag hatte noch offengelassen, ob man die endgiiItige Fas-
sung als Verpachtung oder als Almosenschenkung ausformulieren werde. Auch scheint
mit dem Hochkommen des Wachssiegels eine sorgfaitigere Aufbewahrung der Bleibulle
einhergegangen zu sein, da der Herr von Sidon in Predelli nO48 den Vorvertrag mi t der
Begriindung in Wachs siege!te, daJ3er die Bleisiegelung nachholen werde, wenn ihm erst
die Matrize der Bulle zur Verfiigung stehe, die er offenbar aus Sidon nicht mehr entfernte,da der Vorvertrag inAkkon, der SchluBvertrag jedoch in Sidon gesiegelt ist. Ob ein Zwang
bestand, die Bleibulle fiir Verbriefungen mit Ewigkeitswert nicht mehr aus dem zentralen
Ort einer. Seigneurie mit court, coins etjustise zu entfernen, i st ganz und gar offen , aber es
213 Liv -, Est h- und Cur land isches Urkundenbuch 1 ( 1853 ) 70f . nc 279 f.
:17 Ebd. 1, 283 nO 224.
mKurt FORSTREUTER, Der Deu tsche Orden am Mit te lmee r (Quel len u . S tudi en zur Gesch icht e des Deu t-
schen Ordens 2, 1967) S. 208 f.
i
I
ware immerhin rnoglich. Die Barone unterlagen ja in ihren eigenen Herrschaften mutatis
mutandis denselben Sachzwangen wie die Zentra!gewalt im Reich. Nachdem die Barone
mit der urspriinglich dem Konig vorbehaltenen Forme! von den droi» coins das Bleisiege!
als Herrschaftszeichen usurpiert hatten, ware es durchaus denkbar, daB die AftervasaJlen
auf die Barone dahingehend eingewirkt hatten, nur noch in ihrer Gegenwart, d. h. im zen-
tralen Ort, mi t BIeizu siegeln , urn ihrem Recht auf "Garantie", d . h. Gegenzeichnung, der
Privilegien des Barons volle Wirksamkeit zu geben. Je mehr die Konigsgewalr schernen-
haf t wurde, je mehr die Zentralbehorden zerfielen, und dieser Prozef war urn die jahr-
hundertmitte in vollem Gange, desto mehr muJ3ten die Aftervasallen, auch wenn sie durch
die !igische Vasallitat in demselben Verhaltnis zum nicht mehr vorhandenen Konig stan-
den wie die Barone, darauf achten, ihre Rechte innerha!b der Seigneur ie zur Gehung zu
bringen, schon wei! die Anrufung des Konigs gegen Rechtsverletzungen des Barons weit-
gehend wirkungslos geblieben ware. Die AftervasaIIen standen in kleinerem Rahmen vor
derselben Aufgabe wie die Magnaten des 12.Jh., namlich ihrem Herrn Fesseln anzulegen.
Ein Aufsichtsrecht iiber die Bleibulle, verbunden mit einem Ratifizierungsanspruch fiir
Vorvertrage des Barons, mag zu ihren Mitteln gehort haben.
7·
:1
\
II
I
5/12/2018 H.E.mayer-Das Siegelwesen in Den Kreuzfahrerstaaten-1978 - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/hemayer-das-siegelwesen-in-den-kreuzfahrerstaaten-1978 51/55
ERLAUTERUNGEN DER ABBILDUNGEN
Soweit erhaltene Siegel abgebildet werden, erfolgt dies in der Originalgrolse. Fur die Abbildungen
der Nachzeichnungen ist d ie s ohne Bedeu tung .vda uns iche r ist , ob d ie Nachzeichner s ich an d ie
Originalgrolse hielten.
1. Ble ibulle des Patriarchen Eracl ius von Jerusalem, urn 1180, Vorderseite, Hauptstaatsarchiv
Munchen, KU Scheyem 10. S.oben S. 12 undAnm. 112.
2.dito, Riickseite.
3. Bleibulle des Fiirsten Raimund von Antiochia, 1149, Vorder- und Riickseite. Nachzeichnung von
Paoli, Cod. dip!. di Malta 1 (1733) Taf . II n= 16. S.obenS. 19.
4. Bleibulle des Bischofs Johannes von Akkon, "35, Vorder- und Riickseite. Nachzeichnung von
Paoli, Cod. dip!. di Malta 1, Taf. I no 11. S.obenS. 30.
5. Bisher unedierte BIeibulle des Abtes Gaufrid vom Templum Domini in Jerusalem, 1137-1160,
Vorder- und Riickseite. Nachzeichnung von Amico imMs. Qq. H. 11 fo!. 70r der Stadtbibliothek
Palermo. S.oben S.32.6. Bleibulle des Chorherrenstifts vom HI. Grabe in Jerusalem, um "55, Vorderseite. Hauptstaats-
archiv Miinchen, KU Scheyem 9. S. obenAnm. 112.
7.dito, Riickseite.
8. Wachssiegel des Priors Petrus vom HI. Grabe in Jerusalem, 1221. Nachzeichnung von Paoli,
Cod . d ip !. d i Malta 1, Taf . V nO53. S.obenS. 33.
9. Bleibulle des Templerordens, 1167, Vorderseite. Hauptstaatsarchiv Munchen, KU Waldsassen
7 /1 . S . o be n S . 3 5.
10. dito, Riickseite.
11. Wachssiegel des Templerordens, 1255. Nationalarchiv Paris, D 9863. S.oben S.36.
12. Wachssiegel des Templerordens, 1255. Nationalarchiv Paris, D 9862. S.obenS. 36.
'3. Bleibulle des Fiirsten Joscelin von Galilaea (1119?), Vorderseite. Staatliche MUnzsammJung
MUnchen, SammJung Longo, ohne Inventamummer. S.obenS. 40.
'4. dito, Riickseite.
15. Bleibulle des Konigs Balduin IV. von Jerusalem, 1174-1185, Vorderseite, Staatliche Munzsamm-
lung Miinchen, SammJung Longo, ohne Inventamummer. S.oben S.39.
16. dito, Riickseite.
17. Bleibulle des Konigs Johann von Jerusalem, 1210-1225, Vorderseite. Staatliche MUnzsammlung
MUnchen, Sammlurig Longo, ohne Inventarnummer. S.obenS. 39.
18. dito, Ruckseite.
19. Bleibulle Balians des JUngeren von Ibelin als "Herr" von Nablus, 1185, Vorder- und Ruckseite.
Nachzeichnung vonArnica imMs. Qq. H. 11 fo!. 136r der Stadtbibliothek Palermo. S.obenS. 40
undAnm. 151.
20. Bleibulle eines Fursten Wilhelm von Galilaea, ohne Datum, Vorderseite. Staatliche Munzsamm-
lung Munchen, SammJung Longo, ohne Inventamummer. S.oben S.40.21. dito, Ruckseite.
22. Ble ibulle Hugos II. von Jaffa , 1123, Vorder- und Riickseite. Nachzeichnung von Paoli, Cod.
dip!. di Malta 1, Taf. I no8 . S .obenS.4 '.
23. Bleibulle der Gratin Sybille. von Jaffa-Askalon, "77, Vorder- und Ruckseite. Nachzeichnung
von Pao li , Cod . d ip !' d i Malta 1, Taf . IV nO37. S. oben Anm. 132.
24. Bleibulle Johanns von Montfort als Herr von Tyrus, 1270 (?) , Vorder- und Riickse ite. Nach-
zeichnung von Paoli, Cod. dip!' di Malta 1, Taf. VI nO61. S.obenAnm. 132.
25. Bleierne Ehegattenbulle des Herm und der Herrin von Caesarea, 1207, Vorder- und Riickseite.
Nachzeichnung von Paoli, Cod. dip!. di Malta 1, Taf . IV n? 45. S.obenS. 44.
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ErIauterungen der Abbildungen 101
26. BIeibuIle Balduins 1.von Ramla, vor 1120, Vorder- und Riickseite. Nachzeichnung von Amico
im Ms. Qq. H. 11 fol. 107' der Stadtbibliothek Palermo. S.obenS. 49·
2 , . dito, Vorder- und Riickseite. Nachzeichnung von Paoli, Cod. dipl. di Malta 1, Taf . II nO 21. S.
obenAnm. 148.
28. BleibuIle Balians des Jiingeren als Herm von Ibelin, 1180, Vorder- und Riickseite. Nachzeich-
nung von Pao li , Cod . d ip !. d i Malta 1, Taf . IV n v 3 9. S. obenAnrn. 151.
29. Bleibulle des Konigs Aimerich (11.)vonJerusalem undZypern, 1'98-1205, Vorderseite. National-
bibliothek Paris, Cabinet des Medailles, Coll. Schlumberger nO1256. S.obenS. 62.
30. dito, Rtickseite.
31. Wachssiegel des Johannitermeisters Garinus von Montaigu, 1207-1228. Nationalarchiv Paris,
D 9881 . S . o be n S . 7 6.
32. Konventsbulle des Johanniterordens, ohne Datum, Vorderseite. Staatliche Munzsammlung
Munchen, SammJung Longo, ohne Inventamummer. S.oben S. 76.
33. dito, Ruckseite.
34. Wachssiegel des Deutschordensmeisters (Hermann von Salza), 1225. Staatsarchiv Bern, Fach
Trachselwald. S.oben. S. 77f.
35. Wachssiegel Johanns II. von Ibelin, Herrn von Beirut, 1261. StaatsarchivVenedig, S. Mariadei
Teu tonici (SS . Trini ta ) bus ta 3 no 55. S.obenS. 97.
36. Wachssiegel des zyprischen Seneschalks Balduin von Ibelin, 1261, ebenda. S.obenS. 97.
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