24
Adelige und bürgerliche Erinnerungskulturen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit herausgegeben von Werner Rösener mit 27 Abbildungen Vandenhoeck&Ruprecht 0111 4 31-

herausgegeben von Werner Rösener - MGH-Bibliothek · 2013. 4. 29. · rungen der Helden spielen ihre Schwerter immer wieder eine zentrale Rolle.Besonders effektive Schlägewerden

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: herausgegeben von Werner Rösener - MGH-Bibliothek · 2013. 4. 29. · rungen der Helden spielen ihre Schwerter immer wieder eine zentrale Rolle.Besonders effektive Schlägewerden

Adelige und bürgerlicheErinnerungskulturendes Spätmittelalters

und der Frühen Neuzeit

herausgegeben vonWerner Rösener

mit 27 Abbildungen

Vandenhoeck&Ruprecht0111431-

Page 2: herausgegeben von Werner Rösener - MGH-Bibliothek · 2013. 4. 29. · rungen der Helden spielen ihre Schwerter immer wieder eine zentrale Rolle.Besonders effektive Schlägewerden
Page 3: herausgegeben von Werner Rösener - MGH-Bibliothek · 2013. 4. 29. · rungen der Helden spielen ihre Schwerter immer wieder eine zentrale Rolle.Besonders effektive Schlägewerden

Sönke Jaek

»lch qelere si Durndarten«!

Schwerter in der höfischen Erinnerung

Der Dom Santa Maria Matricolare zu Verona wird durch einen baldachinar-tigen Portalvorbau geschmückt, der als letztes Meisterwerk des berühmten»Maestro Nicolao« bekannt ist. Die von verschiedenen Säulen strukturierteromanische Bauplastik zeigt ein Ensemble von im Hochrelief gearbeitetenProphetenstatuen, die zu den frühesten mittelalterlichen Gewändeskulptu-ren zu zählen sind.2 Die Darstellungen der neun Heiligen und König Davidswerden von den Statuen zweier gerüsteter Ritter eingerahmt, die wesentlichgrößer ausgefallen sind als die biblischen Figuren. Namentlich werden dieseBewaffneten nicht weiter bezeichnet. Auf dem Schwert eines der beidenRitter findet sich jedoch eine Inschrift, die einen Namen nennt und somitdie Identität preisgibt: DVRINDARDA. Die beiden Ritter können somit alsRoland und Olivier angesehen werden, die Paladine Karls des Großen ausdem großen Epos des Mittelalters, der Chanson de Roland. Das SchwertDurndart garantiert die Wiedererkennung dieser idealen Repräsentantender militia Christi.3 Der Künstler konnte demnach voraussetzen, daß seineZeitgenossen in der Lage waren, anhand eines Schwertnamens die Ritter-skulpturen zu identifizieren und sie in ihren Kontext einzuordnen.Einzigartige Schwerter, als ritterliches Attribut und »Inbegriff der Waffen

aller Art«4 verstanden, führen offensichtlich in der Epik des Mittelalters einenEigennamen und sind daher konkret benennbar. Es sind also nicht ausschließ-lich die Helden, deren Taten als vorbildhaft rezipiert wurden, es haben ebensoWaffen mit individuellen Merkmalen Einzug in die mittelhochdeutsche Lite-ratur gehalten und somit die Vorstellungs- und Erinnerungswelt einer ritterlich-höfischen Gesellschaft geprägt. Sie sind Programmträger und identifizieren dieZentralfiguren. Ansprüche werden durch ihre Inbesitznahme fundamentiert; es

1 Der Pfaffe Konrad, Das Rolandslied, hg., übersetzt u. kommentiert v. Dieter Kartschoke,Stuttgart 1993, V. 5909.

2 WillterPippke u. Ida Pallhuber,Gardasee, Verona, Trentino. Der See und seine Stadt - Land-schaft und Geschichte, Literatur und Kunst (DuMont Kunst-Reiseführer) Köln 41989, S. 290.

3 Deborah Kahn, La chanson de Roland dans le decor des eglises du XIIe siecle, in:Cahiers de civilisation medievale 40 (1997) S. 337-372, S. 364.

4 HerJried Münkler, Schwert-Bilder, in: ders., Politische Bilder, Politik der Metaphern,Frankfurt am Main 1994, S. 64-79, S. 66.

Page 4: herausgegeben von Werner Rösener - MGH-Bibliothek · 2013. 4. 29. · rungen der Helden spielen ihre Schwerter immer wieder eine zentrale Rolle.Besonders effektive Schlägewerden

58 SönkeJaek

baut sich die Erwartungshaltung auf, daß sich der Protagonist seiner Aufgabewürdig erweist. In der Herstellung einer Tradition werden bestimmte didakti-sche Intentionen dem Publikum gegenüber transportiert, die der Vermittlungvon Idealvorstellungen dienen. Die Vorbildhaftigkeit, die wechselseitig zwi-schen Held und Waffe besteht, fördert die beiderseitige Identifikation.Die Schlacht bei Roncesvalles, bei der 778 die fränkische Nachhut von

den »Wascones« aufgerieben wurde, etablierte einen Heldenmythos um denMarkgrafen Roland von der Bretagne, der sich zum Märtyrerkult mit derVerehrung seiner Reliquien in der Basilika des hI. Romanus in Blaye entwik-kelte. Die Roland-Legende verbreitete sich nach ihrer ersten schriftlichenFixierung, der Chanson de Roland, seit dem 12.Jahrhundert in zahlreichenÜberarbeitungen im ganzen, von der römisch-lateinischen Kirche geprägtenmittelalterlichen Europa.! Die große Abwehrschlacht eignete sich daher zurausführlichen Thematisierung von heldenhaften Leistungen, die zumeistmit dem Schwert erbracht wurden.

Die Chanson de Roland und das Rolandslied werden deshalb nebenein-ander zur Erörterung des Verhältnisses von Schwert und Erinnerung in derhöfischen Gesellschaft herangezogen. Die altfranzösische Vorlage und ihregegen 1172 vom Pfaffen Konrad am Regensburger H~f des WelfenherzogsHeinrich des Löwen bearbeitete mittelhochdeutsche Ubertragung6 decken

5 Zu Entstehung, Verbreitung und Rezeption vg!. Vlrich Müller, Roland, in: Herrscher,Helden, Heilige, hg. v. Ultith Müller u. Werner Wunderlich (Mittelalter-Mythen 1) St. Gallen1996,S.305-325,S.305f£

6 Volker Mettens, Deutsche Literatur am Welfenhof, in: Heinrich der Löwe und seine Zeit.Herrschaft und Repräsentation der Welfen 1125-1235, Katalog der Ausstellung Braun-schweig 1995, Band 2, hg. v. Jochen Luckhardt u. Pranz NiehoJJ, München 1995, S. 204-212,s. 204ff. Hinsichtlich der Auftraggeberschaft Herzog Heinrichs des Löwen herrscht ziem-liche Einigkeit. So stellt Georg Steer als Indiz für die welfische Perspektive die Formel dergenealogischen Repräsentation heraus, die anderen Dotationsvermerken herzöglicher Stif-tungen entspräche. Er weist zudem auf den engen Zusammenhang zwischen den Darstel-lungsformen Heinrichs des Löwen und Karls des Großen hin, wonach sder Herzog zumTypus des gerechten und gottesfürchtigen Herrschers stilisiert [werde], wie er in der GestaltKarls präfiguriert erscheint .• Ceorg Steer, Literatur am Braunschweiger HofHeinrichs des Lö-wen, in: Die Welfen und ihr Braunschweiger Hof im hohen Mittelalter, hg. v. Bernd Schneid-muller; Wiesbaden 1995, S. 347-375, S. 349, S. 354. Ähnlich die Einschätzung bei Katl-ErnstGeith, Karlsdichtung im Umkreis des welfischen Hofes, in: ebd., S. 337-346, S. 342ff: Einge-denk der Möglichkeit, ,Iiterarische Werke als Mittel der Repräsentation oder zur Propagie-rung bestimmter politischer oder ideologischer Absiehrene pragmatisch einzusetzen, er-scheint das Rolandslied als .Repräsentationskunst«, das Ebenbürtigkeit und Gleichrangigkeitzu den Staufern propagiert; vg!. dazu ebenfalls Katl-Ernst Ceith, Das deutsche und das franzö-sische Rolandslied, Literarische und historisch-politische Bezüge, in: Kultureller Austauschund Literaturgeschichte im Mittelalter, hg. v. [ngrid Kasten, Werner Paravidni u. Rene Pirennec(Beihefte zur Francia 43) Sigmaringen 1998, S. 75-83, S. 79ff. Den seit dem 11.Jahrhunderteintretenden Wandel hinsichtlich der Nutzbarmachung von Schriftlichkeit im Kontext mit-telalterlicher Konfliktführung diskutiert Monika Suchan, Königsherrschaft im Streit. Konflikt-austragung in der Regierungszeit Heinrichs IV. zwischen Gewalt, Gespräch und Schriftlich-keit (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 42) Stuttgart 1997.

Page 5: herausgegeben von Werner Rösener - MGH-Bibliothek · 2013. 4. 29. · rungen der Helden spielen ihre Schwerter immer wieder eine zentrale Rolle.Besonders effektive Schlägewerden

»Ich gelere si Durndarten« 59

einen bedeutenden Teil des alteuropäischen Sprachraums ab, in dem eine -kulturell betrachtet - relativ homogene Gesellschaft zu beobachten ist. Ver-eint im christlichen Bekenntnis, geprägt von einer dreigeteilten gesellschaft-lichen Ordnung feudaler Ausrichtung," expansiv orientiert.s werden über-greifende Ideale formuliert und verbreitet. Neben der Rolandsepik werdenweitere Beispiele anderer Texte, insbesondere aus dem Eckenlied, die Mög-lichkeiten und Funktionen der Beziehung zwischen Schwert und Träger,zwischen Erinnerung und Epik dokumentieren. Hierbei ist der Blick zu-nächst auf den Zusammenhang zwischen der Individualität des Schwertesund der Identifikation des Helden durch sein Schwert zu richten, bevor derFrage nach der Bedeutung von Herkunftserzählungen nachzugehen ist. Einweiterer Aspekt soll die höfische Rezeption der Heldenepen sein: WelchenEinfluß hatten die Erzählungen von Helden und ihren Schwertern aufdie hochmittelalterliche Vorstellungswelt? Wurden die Idealvorstellungenvon der literarisch-kulturellen Ebene in die politisch-kulturelle Lebenswelttransportiert?

Auf die Rolandsepik bezogen, stellt sich die Frage, in welcher Form dieLiteratur des Mittelalters das Schwert thematisiert und funktionalisiert hat.Bergen die Schwertdarstellungen die Möglichkeit, Formen des Selbstver-ständnisses und der Selbstvergewisserung eines ritterlich-höfischen Publi-kums zu identifizieren? Was erscheint neben der Beschreibung materiellerAusstattung bemerkenswert, welches Bild wird von einem Schwert entwor-fen? Was swissenx die Protagonisten von der Geschichte und Entstehung ih-res Schwertes, und wie gehen sie damit um? Es finden sich in der mittelhoch-deutschen Epik Beispiele sich erinnernder Helden. Ihre Erinnerung ist ganzkonkret aufbestimmte Objekte gerichtet: ihre Schwerter. Diese bleiben häu-fig nicht anonym, sondern sind namentlich bekannt. Das berühmtesteSchwert dürfte wohl Excalibur von König Arthur sein, das eine Vielzahlkünstlerischer Produktivität bis in die heutige Zeit motiviert hat. Die Epikkennt weitere Exemplare: Hagen von Tronje nimmt nach der Mordtat anSiegfried dessen Schwert Balmung an sich, besteht damit die verheerendenKämpfe an Etzels Hof, um schließlich durch eben dieses Schwert in der HandKriemhilds getötet zu werden. In einem altenglischen Waldere-Fragmentwird der Held Walther mit folgenden Worten ermutigt: »In der Tat läßt Wie-lands Werk keinen derer im Stich, die das scharfe Mimming halten können.«?

7 Georges Duby. Die drei Ordnungen. DasWeltbild des Feudalismus, Frankfurt am Main21993; Marc Bloch. Die Feudalgesellschaft,Frankfurt am Main-Berlin-Wien 1982.

8 Robert Bartleu. Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt. Eroberung..Kolonisie-rung und kulturell~r.Wa~del von 950 bi.s1350.Münche.n 1996.pie re.cht~reieUberset~u?gdes englischen Originaltitels .The Making of Europe« Ist dabei zu reißerisch und damit Ir-releitend geraten.9 Übersetzung nach Ursula Schaefer.in: Waltharius, übersetzt u. hg. v. Gre~or Vogt-Spira,

Stuttgart 1994,S. 182f:>Hum Weland[es}wore neJeswiceo I monna trn;]Um oara oe Mimminj can /hearne Jehealdan.c

Page 6: herausgegeben von Werner Rösener - MGH-Bibliothek · 2013. 4. 29. · rungen der Helden spielen ihre Schwerter immer wieder eine zentrale Rolle.Besonders effektive Schlägewerden

60 SönkeJaek

Zu der Perspektive des individuellen Schwertnamens tritt der Aspekt derTraditionsbildung.

Das interessanteste Beispiel der in den beiden Versionen des Rolandsmy-thos namentlich genannten Schwerter ist zweifelsohne DurendallDurndart,das in seiner Trefflichkeit synonym für die Taten Rolands thematisiert wird.Anders jedoch als in der Chanson de Roland wird Durndart im Rolandslieddes Pfaffen Konrad wesentlich intensiver behandelt. Der Erzähler schenktDurndart die größte Beachtung, wenn er Rolands Ausstattung beschreibt.Nachdem er die reiche Verzierung des Brustpanzers mit dem goldenen Dra-chen und den Helm Venerant mit dessen Warnung an jeden Gegner, keineWaffen der Welt könnten ihm etwas anhaben und selbst im Beutefall würdeder neue Besitzer den Schaden davontragen.l? beschrieben hat, wendet ersich dem Schwert zu:

»sin swert hiez Durendart,wan unter dem himele nie gesmidet wartnicht, des im gelich wsere.sine site wären seltsrene.in swelh ende man ez böt,dä was geraite der töt,alle die ie smiden begunden,die ne wessen noch ne kunden,wie daz swert gehertet was.siniu ecke wären was.ez vorchten alle, die wider im wärenunt die ez ouch nie gesähen.ez vorcht elliu haidenscaft,der stäl ne het dä wider nehaine craft,ne weder bain noh horn,ez was allez verlorn,joch die herten vlinsstaine.durch nöt entsäzen ez die haiden.« 11

Durndart erhält eine eindrucksvolle Einführung, die verschiedene Elementeumfaßt: Das Wissen um seine Herstellung liegt im Verborgenen, die Schärfeder Klinge ist unwiderstehlich, Tod und Schrecken sind sein Programm. Ausdiesen Eigenschaften formt sich sein Ruf, der ihm vorauseilt. Seine Zielrich-tung ist ebenso deutlich: Die Heiden, die Gottesfeinde, fürchten Durndartschon aus den Erzählungen anderer und werden es mit Leib und Leben be-zahlen, sobald sie dieser überlegenen Waffe gegenübertreten. Die NennungDurndarts im Kontext der Bewaffnung Rolands findet ihre religiöse Ent-sprechung in Paulus' Epheserbrief Hier werden die Gläubigen aufgefordert,die Waffenrüstung Gottes anzuziehen, um den Anschlägen des Teufels

10 Der Pfaffe Konrad (wie Anm. 1) V. 3297-3300: .,eHiu werlt wäfen, / die müezenmich maget läzen, / wilt du mich gewinnen, / du füerest scadcn hinnen.o

11 Der PfaffeKonrad (wie Anm. 1) V.3301-3318.

Page 7: herausgegeben von Werner Rösener - MGH-Bibliothek · 2013. 4. 29. · rungen der Helden spielen ihre Schwerter immer wieder eine zentrale Rolle.Besonders effektive Schlägewerden

»lch gelere si Dumdarten« 61

standhalten zu können: »assumire ... gladium spiritus, quod est verbum Dei«(Eph. 6,17).12 Diese spirituelle Dimension wird im Rolandslied dinglich er-weitert. Durndart wird als außergewöhnliches Schwert dargestellt und kannals individueller Streiter verstanden werden, dessen Entstehung in mythisch-himmlische Dimensionen entrückt ist und dessen einzigartige Qualität aufErden keinen Kontrahenten verschont. Durndart ist daher in der mittel-hochdeutschen Übertragung der Chanson de Roland das Schwert, dem diehöchste Beachtung geschenkt wird. Die weiteren, namentlich erfaßtenSchwerter stehen ihm gegenüber in dieser Fassung zurück. Auch in derChanson wird Durendal von allen anderen Schwertern am häufigsten direktgenannt. Weitere Paare bilden Olivier-Halteclere/Alteclere, Turpin-Almi-celAlmace, Kaiser Karl-] oiuse/] oiose, Guenelun/Ganelun-Murgleis/Mula-gir sowie Emir Baligant/Paligan-Preciuse/Preciosa. Im Rolandslied tretenzusätzlich Engelirs-Clarmie und Targis-Palswende aufP Der Umstand, daßes sich hierbei nicht nur um die Schwerter der christlichen Helden, sondernauch um die ihrer heidnischen bzw. verräterischen Gegenspieler handelt,unterstreicht die besondere Position der Protagonisten, indem sie sie zusätz-lich individualisieren.14 Jedoch unterscheiden sich diese Schwerter zumeistin der Häufigkeit ihrer Nennung, was in engem Zusammenhang mit derDarstellung der jeweiligen Ritter und ihrer Taten steht.

Im Verlauf der schweren Kämpfe bei Roncevalles ruft der christliche HeldRoland seinem Verwandten und Waffengefährten Olivier folgende Mah-nung zu, nachdem diesem die Lanze zerbrochen ist:

IHwaist Alteclere?Olivier, tuot des nicht mere!das swert ist ain riterlich gewant.ez zimt wol in iuwer hant.(cls

Olivier zieht daraufhin sein Schwert, Alteclere, und vollbringt eine lobens-werte Tat, indem er seinen Gegner durch den Helm hindurch in zwei Hälf-ten spaltet. Einige Verse zuvor heißt es wie folgt: »sin swert Durndart I er-kös im iemer aine vart I in almitten durch die scar.«16 Die Feinde ergreifenvor ihm - und damit kann sowohl Roland als auch Durndart gemeint sein -die Flucht.

12 Vgl. dazu auch Andreas Wtmg, Der sMiles Christianuse im 16.und 17.Jahrhundert undseine mittelalterliche Tradition. Ein Beitrag zum Verhältnis von sprachlicher und graphi-scher Bildlichkeit (Mikrokosmos 1)Bern-Frankfurt am Main 1975,S. 82f£

13 Bei der Aufführung der Namen erscheint der Name des Helden vor dem des Schwer-tes. Der altfranzösischen Version ist die mittelhochdeutsche nachgestellt.

14 Münkler, Schwert-Bilder (wieAnm. 4) S.75f, hebt im Kontext der Modernisierung dieindividualisierende Funktion des Schwertes von der anonymisierenden Wirkung des Ge-wehrs ab, »individuelle Kampfbereitschafte steht dem »Symbol kollektiver Disziplinie-rungs gegenüber.

15 Der PfaffeKonrad (wie Anm. 1)V.5575-5578.16 Der Pfaffe Konrad (wie Anm. 1)V.5179-5181.

Page 8: herausgegeben von Werner Rösener - MGH-Bibliothek · 2013. 4. 29. · rungen der Helden spielen ihre Schwerter immer wieder eine zentrale Rolle.Besonders effektive Schlägewerden

62 SönkeJaek

In den zahlreichen Kampfszenen werden die Schwerter synonym für ihreBesitzer verwandt. In den wechselseitigen Aufmunterungen und Anfeue-rungen der Helden spielen ihre Schwerter immer wieder eine zentraleRolle. Besonders effektive Schläge werden laut gelobt, das »guote swert« be-stätigt seine Güte. So dankt Engelirs seinem Schwert Clarmie, nachdem ermit ihm einem Gegner den Schädel gespalten hat, mit den Worten: »>ichhandir erloube«, [... ] sdü scolt in disem volcwige / dine tugent hiute erzai-gen.<((17Ebenso erlangen die Schwerter Berühmtheit: Wiederholt wird ge-lobt, der Gegner werde Bekanntschaft mit Durndart, Alteclere und Almicemachen. So greift Roland König Marsilie mit den Worten an: »Einen Schlagsollst du dafür von mir erhalten, ehe wir uns trennen, und den Namen mei-nes Schwertes sollst du noch heute erfahren,«18 und ermuntert den halbtotenTurpin in der letzten gemeinschaftlichen Offensive: »Noch heute werdendie Heiden bei diesem Angriff die Namen Almace und Durendal kennen-lernen.st? Das gleiche Motiv verfolgt Roland, als er seinem Freund Olivierzu dessen herausragenden Leistungen gratuliert:

.>dinmuoter truoc aine selige bürde,guot wile, daz dü gebornwürde!du hast daz riche hiute wol geret.Altederen sint si gelöret. [ ]ich gelere si Durndarten. [ ]<<<20

Die hochgelobten Waffen erlangen Ruhm, der Gegner lernt sie kennen undverbreitet das Geschehen auch umgehend. Der Heide Clarien berichtetBaligant, dem Emir, von der Niederlage König Marsilies gegen Roland: »Ro-land gab ihm mit Durendal solch einen Schlag, daß er ihm die rechte Handvom Leibe trennte.s-! Die Taten Rolands haben somit Einzug in den Ge-sprächsstoff der heidnischen Gegner gehalten, wodurch ebenso DurendalTeil der Erzählung wird. Das von Roland angekündigte Kennenlernen läßtsich als didaktischer Aspekt über die Textebene hinaus auf das höfische Pu-blikum erweitern: Roland kann durch Durndart identifiziert werden, wasvoraussetzt, daß Durndart zu einem festen Begriff innerhalb der mittelalter-lichen Gesellschaft geworden ist. Erinnert sei an die Rolandsdarstellung inVerona: Durndart garantiert die Wiedererkennung Rolands. Liefern die epi-

17 Der Pfaffe Konrad (wie Anm. 1) V.4806-4809.18 Der Verständlichkeit halber bediene ich mich im Falle der Chanson de Roland der

Übersetzung: Hans-Wilhe/m Klein, La Chanson de Roland (Klassische Texte des romani-schen Mittelalters in zweisprachigen Ausgaben) München 1963, Str. 141, V. 1900f, S. 110f:.Colp en avras, einz que nos departum, I E de m'espee enquoi savras le nom.«

19 Chanson de Roland (wie Anm. 18) Str. 158, V. 2142f, S. 122f: .Encui savrunt paiens acest asalt I Les nums d'Almace et eels de Durendal.«

20 Der Pfaffe Konrad (wie Anm. 1) V. 5901-5904, 5909.21 Chanson de Roland (wie Anm. 18) Str. 198, V. 2780f, S. 156f: »De Durendal li dunat

un colp tel, I Le destre poign li ad del cors sevret.e

Page 9: herausgegeben von Werner Rösener - MGH-Bibliothek · 2013. 4. 29. · rungen der Helden spielen ihre Schwerter immer wieder eine zentrale Rolle.Besonders effektive Schlägewerden

.Ich gelere si Durndarten« 63

sehen Zweikampfdarstellungen etliche martialische Bilder, die sich etwa inStreichen ausdrücken, die den Gegner von Kopf bis Sohle durchfahren unddamit wohl eher der literarischen Übertreibung zuzuschlagen sind, so gibtes doch auch eine Reihe von Beschreibungen, aus denen das Selbstverständ-nis einer ritterlich-höfischen Gesellschaft spricht. In dem Hineingehen inden Schlag, in der greifbaren Verschwendung von Besitz und Körper wirdEhre erworben bzw. mindestens propagiert.22 Das Schwert als Schlagwaffedient dabei nicht filigraner Fechtkunst, sondern dem früher oder später Ef-fekt zeitigenden Dreinschlagen.

Dient Durndarts Darstellung zu Anfang des Rolandsliedes der Be-schreibung der ritterlichen Erscheinung und Ausstattung des Zentralhel-den, so wird in der Sterbeszene Rolands die starke Beziehung zwischenihm und seinem Schwert noch deutlicher. Erneut spricht er Durndart di-rekt an und hebt die Einzigartigkeit dieser Waffe hervor. Durndarts himm-lischer Ursprung erhöht es gegenüber allen Schwertern, die jemals vonMenschenhand gefertigt wurden. Die Übergabe durch einen Engel- mög-licherweise der Erzengel Gabriel-> - an Karl ist mit einem klaren Auftragan die Zielperson-+ gebunden, Schwert und Ritter sind füreinander be-stimmt. Göttliche Vorsehung waltet, Roland nennt Durendal »schön undheilig«.25

.)jine wart din gelichenie gesmidet Cif dirre erde,noch newirt ouh hinne für niemer mere.daz bewertestu wol an disem wal.ze Moriana in dem talder engel dich minem herren brachte.gnredicltchen er min gedachte,benamen er mich nante.er hiez mir, Ruolante,Karln, den kaiser,ze beschirmen witewen unt waisen,dich, Durndarten, umbe binten.<<<26

Der Schutz von Witwen und Waisen wird als göttlicher Auftrag mit derSchwertleihe verbunden; die Umgürtung mit dem Schwert entspricht einem

22 Peter Czenoinski, Kampf als smateriale Kommunikationr, Zur Logik edler Körper imMittelalter, in: Mediaevistik 9 (1996)S. 39-76, S. 60ff. .23 Erzengel Gabriel tritt am häufigsten auf, insbesondere erscheint er Kaiser Karl im

Traum.24 Im Rolandslied wird Roland direkt bestimmt, die Chanson spricht von einem cunteca-

taignie (wie Anm. 21,Str. 171,V. 2320, S. 132). '25 La Chanson de Roland (wie Anm. 18)Str. 172,V. 2344, S. 132f: )E!Durendal, cum es

be1eet seintisrnek26 Der Pfaffe Konrad (wie Anm. 1)V. 6858-6869 ..

Page 10: herausgegeben von Werner Rösener - MGH-Bibliothek · 2013. 4. 29. · rungen der Helden spielen ihre Schwerter immer wieder eine zentrale Rolle.Besonders effektive Schlägewerden

64 SönkeJaek

sakralen Akt.27So wie Roland sein Schwert Durndart führt und dieses sich indie Erinnerung einprägt, so führt Gott seinen christlichen Helden, der sichim Falle der altfranzösischen Version als Verteidiger Frankreichs, in der mit-telhochdeutschen Fassung mit schärferer Akzentuierung als Gottesstreiterdas Martyrium erleidet.28 Gott wirkt über Roland durch Durndart.Rolands Position wird durch diese Auswahl weiter erhöht, steht er bereits

als Neffe in enger verwandtschaftlicher Beziehung zu Karl, Im Kontexteiner oralen Verbreitung dieser Gegebenheiten-? kann so die Exklusivitätpersönlicher Eignung und göttlicher Vorsehung propagiert werden. Die Ver-knüpfung von Schwert und Schirmfunktion erinnert zugleich an die For-derungen der Gottesfriedensbewegung, die Waffenträger zum Schutz vonWehrlosen zu verpflichten; die Kirche propagierte gegenüber der adligenbzw. bewaffneten Führung zum Zweck der Gewalteindämmung ein neuesLaienethos, das Elemente der alten Herrscherethik enthielt. Schutzfunktionverband sich mit der Verpflichtung zu Tapferkeit, Dienst und Treue gegen-über einem Herren, Kampf gegen Häretiker und Schismatiker sollte im Ver-laufe der Auseinandersetzungen um die Politik Gregors VII. das Bild von ei-ner militia christiana erweitern.'?Wie eng Rolands Ruf an Durndart gekoppelt ist, wird in seiner Sterbe-

szene deutlich. Zunächst versucht ein überlebender Sarazene, dem schein-bar toten Helden die Waffen zu rauben. Durndart soll als Zeichen des Sieges

27 Zur Entwicklung der Schwertleite und ihrer Einbettung in eine höfische Liturgie vgl,Elsbeth Orth, Formen und Funktionen der höfischen Rittererhebung, in: Curialitas. Studienzu Grundfragen der höfisch-ritterlichen Kultur, hg. v. Josef Fleckenstein (Veröffentlichungendes Max-Planck-Instituts für Geschichte 100) Göttingen 1990, S. 128-170, sowie JoachimBumke, Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter; München 81997,S. 318-341; Schwertsegen führt Carl Erdmann, Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens,Darmstadt 1955, S. 329ff., an.

28 Roben Frands Cook, The Sense of the Song of Roland, Ithaca-London 1987, S. 246, be-merkt dazu: .But his [Rolands] heroism is the heroism of obedience and conformity. Hegoes to Heaven - directly - because he does what he is expected to do and is not afraid of theparadox of duty. [... ] Martyrdom is the ultimate exernplum.e

29 Patrick J. Geary, Songs of Roland in Twelfth Century Germany, in: Zeitschrift fürDeutsches Altertum und Deutsche Literatur 105 (1976) S. 112-115.

30 Vgl. dazu Gerd AlthoJJ, Nunc fiant Christi milites, qui dudum extiterunt raptores. ZurEntstehung von Rittertum und Ritterethos, in: Saeculum 32 (1981) S. 317-333. Wemer Rbse-ner, Rittertum und höfische Kultur zur Zeit Heinrichs des Löwen, in: Heinrich der Löweund seine Zeit. Herrschaft und Repräsentation der Welfen 1125-1235, Katalog der Ausstel-lung Braunschweig 1995, Band 2, hg. v. Jochen Luc~hardt u. Franz Nieho.fJ, München 1995,S. 502-510. Eine allgemeine Einführung bzw. einen Uberblick zur bisherigen Forschung mitzahlreichen Literaturhinweisen bietet Wemer Paravuini, Die ritterlich-höfische Kultur des Mit-telalters (Enzyklopädie deutscher Geschichte 32) München 1994. Eine Auswahl der vielzähli-gen Aspekte des Rittertums findet sich in der jüngsten Aufsatzsammlung von Josef Fleckenstein:Vom Rittertum im Mittelalter. Perspektiven und Probleme (Bibliotheca eruditorum 39) Gold-bach 1997. Zu verweisen ist in diesem Kontext auch auf den Artikel.Ritter, -tum, -stand« in:Lexikon des Mittelalters, Band 7, hg. v. Notbett Angermann et al., München 1995, Sp. 865-876,insbesondere Abschnitt I.• Allgemein und Mitteleuropa« vonJosefFleckenstein, Sp. 865-873.

Page 11: herausgegeben von Werner Rösener - MGH-Bibliothek · 2013. 4. 29. · rungen der Helden spielen ihre Schwerter immer wieder eine zentrale Rolle.Besonders effektive Schlägewerden

,Ich gelere si Durndartens 65

nach Arabien gelangen, über den Tod Rolands ,fröut sich iemer mere / elliuarabiskiu erde.«31 Mit der Präsentation des berühmten Schwertes wäre alsoder Sieg der heidnischen Welt bekannt gemacht worden, der Ruf des Heldenist demnach an sein Schwert gekoppelt. Jedoch erwacht Roland aus seinerOhnmacht und erschlägt den überrumpelten Gegner mittels seines HornesOlifant. Des eigenen Endes gewiß, sieht er sichjetzt gezwungen, Durndartzu zerstören, da er verhindern muß, daß dieses Schwert in die Hände derHeiden fällt. Seine Beweggründe erfahren wir aus einer dreiteiligen Anspra-che an Durndart. Zunächst erklärt er: »)fiU ich din nicht scol tragen, / dunewirst niemer mennisken ze scaden.«(32 Die mehrmaligen Versuche, Durn-dart an einem Stein zu zerschlagen, richten aber wenig aus: Durndart be-stätigt nur aufs Neue seine Vortrefflichkeit, präsentiert es sich doch »äne malunt äne scarte.«33 Roland gerät in Wut, erkennt er doch vorher schon dietodbringende Gefahr, die von dieser einzigartigen Waffe ausginge, gerietesie in die falschen Hände:

'll:rgestu in des meres grunt,daz du dehainem christen manniemer mere würdest ze ban.scol dich dehain haiden tragen,daz will ich ierner gote c1agen.(4(34

Sein letztliches Scheitern an der Unübertrefflichkeit Durndarts beklagt Ro-land, indem er sich daran erinnert, welche Leistungen dank seines Schwertesmöglich waren: die Eroberungen von Anjou, Poitou, Provence, Aquitanien,Lombardei, Apulien, Amalfi, Palermo, Alemannien, Ungarn, die Bretagne,Böhmen, Irland und England sowie die Siege über Sorben, Baiern, Sachsen,Franken, Friesen und Schotten.P Geographisch betrachtet, steckt Rolanddamit die Einflußsphäre des Christentums ab.36 Ausbau und Sicherung der

31 Der Pfaffe Konrad (wie Anm. 1)V. 6789£32 Der Pfaffe Konrad (wie Anm. 1)V. 6807-6808.33 Der Pfaffe Konrad (wie Anm. 1) V. 6823.34 Der PfaffeKonrad (wie Anm. 1)V. 6816-6820.35 Der PfaffeKonrad (wieAnm. 1) V. 6830-6857: ,lich hän mit dir ervochten / daz lant

ze Ajune, / die ma:ren Petüwe, / ich twanc mit dir Provinciam / unt die starken Protega-nearn. / Lancparten ich mit dir revacht. I Pülle machete ich zinshaft. / Malve unt Palerne, /die betwanc ich minern herren. / die grimmigen Sorbiten / unt Baire, die stritegen / mit irscarphen swerten, / Sachsen,die dicke wol herten / in manigem grözen volcwige,/ si rnuo-sen im alle nige. / Alemanniam ich ervacht, / Ungeren nam ich ir craft./ Britannia nemachtmir nicht widerstän, / Behaim unt Polän, / Franken, die küenen, / ne liez ich nie geruowen,/ unze si körnen an ir rechten stam. / Friesen ich mit dir gewan. / Scotten unt Irlant / er-vacht ich mit miner zesewen hant./ Engellant ze ainer kamere / ervacht ich dem küncKarle / unt andriu vii manigiu rtche.«36 Das Rolandslied erweitert im Gegensatz zur altfranzösischenChanson die Perspektive

auf die östlichen Nachbarn, was einen weiteren Hinweis auf die AuftragsgeberschaftHein-richsdes Löwen gibt.Vgl.dazu Herbert Kolb, Rolandslied-Lesungim Deutschen Orden, in: In-ternationales Archiv für Sozialgeschichteder deutschen Literatur 15(1990)S. 1-12,S.8ff.

Page 12: herausgegeben von Werner Rösener - MGH-Bibliothek · 2013. 4. 29. · rungen der Helden spielen ihre Schwerter immer wieder eine zentrale Rolle.Besonders effektive Schlägewerden

66 SänkeJaek

Herrschaft sind dank Durndart realisiert worden. Nun versagt Roland des-halb, weil dieses Schwert eben niemals versagen kann; wo die Kraft desMenschen erlahmt, besteht Durndart auch die härtesten Prüfungen.

Die religiöse Dimension und das Einschwören auf die Tugenden desmiles christianus werden aber noch verstärkt. Der sterbende Held plagt sichmit Selbstvorwürfen, wie er mit Durndart umgegangen ist, birgt das Schwertdoch

,>mines herren sent Petres bluot,diu herschaft sent Bläsien,des hares mines herren sent Dionisien,des gewsetes miner frouwen sent Marien.ce-?

Die in Durndart eingelassenen Reliquien weisen dem Schwert eine weiterereligiöse Funktion zu. Nicht nur als Schwert, sondern als Reliquienschrein istes zu verstehen, mußte doch nach dem geltenden Verständnis die Wirkkraftdes Heiligen auf den Träger übergehen bzw. ihm beistehen. Der Träger hatteil an ihrer Virtus, da schon ein Partikel ausreichend ist, die vollständige Prä-senz des Heiligen herzusrcllen-" Die Heiligen werden zu Garanten des Sie-ges, da sie durch ihre Reliquien gegenwärtig sind und aktivauf das Schlacht-geschehen einwirken können.t? Zugleich erfolgt durch die Nennung derReliquien eine aktive Anknüpfurig an den Auftraggeber der mittelhochdeut-schen Bearbeitung, Herzog Heinrich den Löwen.w Durndarts religiöse Di-

37 Der Pfaffe Konrad (wie Anm. 1)V. 6874-6877. In der Chanson führt der todgeweihteRoland aus, Durendal enthalte» La dent seint Per{r)e et del sane seint Basilie, / E des chevelsmun seignor seint Denise, / Del vestement iad seinte Marie.« Darum dürfe Durendal nichtin die Hände der Heiden fallen, sondern müsse im Dienste der Christenheit bleiben. LaChanson de Roland (wie Anm. 18) Str. 172, V. 2346-2350, S. 134.

38 Arnold Angenendt, Der Heilige: auf Erden - im Himmel, in: Politik und Heiligenver-ehrung im Hochmittelalter, hg. v.Jürgen Petmohn (Vorträge und Forschungen 42) Sigmarin-gen 1994, S. 11-52, S. 41ff; Peter Dinzelbather; Die sRealpräsenze der Heiligen in ihren Re-liquiaren und Gräbern nach mittelalterlichen Quellen, in: Heiligenverehmng in Geschichteund Gegenwart, hg. v. Peter Dinzelbacher u. Dieter R Bauer, Ostfildern 1990, S. 115-174. Eineweitere Perspektive der unterstützenden Funktion von Heiligen zeigt Lothar Kolmer, Heiligeals magische Helfer, in: Mediaevistik 6 (1993) S. 153-175.

39 Franti!ek Graus, Der Heilige als Schlachtenhelfer - Zur Nationalisierung einer Wun-dererzählung in der mittelalterlichen Chronistik, in: Festschrift für Helmut Beumann zum65. Geburtstag, hg. v. Kurt-U/richJäschke u. Reinhard Wenskus, Sigmaringen 1977, S. 330-348,S. 335ff: Neben den Reliquien können auch Schwert, Lanze und Fahne des Heiligen in dieSchlacht geführt werden, die stellvertretend für das aktive Eingreifen des Heiligen wirken.In Hinblick auf die in Durndart eingelassenen Reliquien ist es interessant zu beobachten,daß Graus St. Petrus und die Jungfrau Maria zu den beliebtesten Verleihern des Sieges zählt.Ausgangspunkt der Funktion als Schlachtenhelfer ist die Hagiographie, derer sich die Chro-nistik rezipierend bedient. '

40 U/rich Ernst, sKollekeive Aggression: in der Chanson de Roland und im Rolandslieddes Pfaffen Roland. Die Idee des Gottesfrieden als Legitimationsmodell für Reconquistaund welfische Expansionspolitik, in: Euphorion 82 (1988) S. 211-225, insbesondere S. 218ff,verweist auf den Unterschied zwischen sane (Chanson de Roland) und hersehafi (Rolands-

Page 13: herausgegeben von Werner Rösener - MGH-Bibliothek · 2013. 4. 29. · rungen der Helden spielen ihre Schwerter immer wieder eine zentrale Rolle.Besonders effektive Schlägewerden

.Ich gelere si Durndarrene 67

mension ist für das Rolandslied einzigartig. In der Chanson de Roland hin-gegen wird Joiose, das Schwert Kaiser Karls, ausgezeichnet: »[N]ie gab essolch ein Schwert.Jeden Tag wechselt es dreißigmal den Glanz. Viel wissenwir von der Lanze zu erzählen, mit der unser Herr am Kreuze verwundetwurde. Durch Gottes Gnade hatte Karl davon die Spitze erhalten, und er ließsie in den vergoldeten Schwertknauf einfügen. Wegen dieser Ehre und we-gen dieser Tugend wurde dem Schwert der Name Joiose gegeben. Die frän-kischen Ritter dürfen es nicht vergessen, denn daher haben sie ihr Feldge-schrei >Monjoie<, und deshalb kann ihnen kein Volk widerstehen.e+' Joiosestiftet Gemeinschaft, der Schlachtruf als Devise wirkt identitätsstiftend.

Die Chanson de Roland nennt aber noch ein drittes Schwert, das Reliquienenthält: Murgleis, das Schwert des Verräters Ganelon. Mit seinem Schwur aufdie Reliquien seines Schwertes, mit dem er seinen Verrat an Roland und seineMitstreiter bekräftigt, versündigt sich Ganelon.v Von dieser Form der eid-lichen Verpflichtung findet sich nichts im Rolandslied,jedoch wird dort Mu-lagir als das beste Schwert Frankreichs eingeführt, das als unübertroffen gilt.43Neben seiner äußerlichen Besonderheit, die in Form eines glühenden Karfun-kels im Knauf besteht, kann über den Ursprung berichtet werden:

tNaimes, der wigant,vuorte ez vone Beieren.daz urkunde wit ich iu zeigen.der smit hiez Madelger,daz selbe swert worchte erin der stat zuo Regensburc.ez wart msere unde guot.dö sin Naimes, der herzoge, phlac,waz der heiden dä vore erstarp!er gab ez Karle, sinern herren,ez rou in sit söre.Genelün brächte ez in der heiden gwalt.vile manic cristen des sit engalt.s+'

lied) und führt dieses auf die Stiftungstätigkeit des Welfen nach seiner Rückkehr aus Palä-stina 1173zurück. Die Datierungsfrage des Rolandslieds scheint somit noch nicht gänzlichbeantwortet.41 La Chanson de Roland (wieAnm. 18)Str. 182,V. 2501-2511, S. 142f.: sunches ne fut

saper, / Ki casunjur rnuet trente dartez. / Asez savumde la lance parler / Dunt nostre Sirefut en la cruiz nasfret: / Caries en ad la mure, mercit Deu, / En l'oret punt l'ad faitemanuv-rer; / Pur ceste honur et pur ceste bontet / Li nums Joiuse l'espee fut duner, / Baruns Fran-ceis nel deivent ublier: / Enseigne en unt de .Munjoie!« crier; Pur eo nes poet nule gentcuntrester.« .42 La Chanson de Roland (wie Anm. 18)Str. 46, V. 607-608, S.42: .Sur les reliques de

s'espee Murgleis / La tralsu~jurat, (et) si s'[en] est forsfait.« . '43 Der PfaffeKonrad [wie Anm. 1)V. 1584-1586: .Mulagtr, daz beste sachs,/ sö über al

Franken en was / sin tiurer nehein.s44 Der PfaffeKonrad (wie Anm. 1)V. 1597-1609..

Page 14: herausgegeben von Werner Rösener - MGH-Bibliothek · 2013. 4. 29. · rungen der Helden spielen ihre Schwerter immer wieder eine zentrale Rolle.Besonders effektive Schlägewerden

68 SönkeJaek

Im Gegensatz zur französischen Vorlage führt hier der Übersetzer einenneuen Namen ein: den Schmied Madelger. Offenbar ist der Verweis auf denUrsprungsort Regensburg als Qualitätsnachweis zu verstehen, da es keines-wegs ungewöhnlich war, aufSchwertklingen ein mittelalterliches >Qualitäts-siegek des Herstellers zu gravieren. So sind beispielsweise Exemplare aus derSchmiede des Gicelin erhalten, die mit einem klaren GICELINMEFECITauf den Schmiedemeister hinweisen.O Ein Reliquien enthaltender Schwert-knauf hingegen kann nicht anhand von Realien belegt werden.w In der hö-fischen Literatur des hohen und späten Mittelalters finden sich ebenfalls et-liche Beispiele für Waffeninschriften, die den unterschiedlichsten Zweckendienten. Sie konnten beispielsweise zur magischen Abwehr möglicher Geg-ner beitragen oder die Bindung von Minnedame und Ritter anzeigen.s?

Ganz anders als mit den Schwertern der christlichen Protagonisten verhältes sich mit den Waffen der heidnischen Widersacher. Einzig zwei Schwerterwerden im Rolandslied mit Eigennamen gekennzeichnet, Palswende, dasSchwert des Targis, und Preciosä, das Schwert Paligans. Erfährt man fast garnichts außer einer Nennung über Palswende, so wird Preciosä eine ähnlicheAufgabe zugewiesen, wie sie schon Joiose inne hat: Sein Name dient denHeiden als Schlachtruf. Jedoch schränkt die Chanson den Wert der N amens-gebung ein: Hochmut habe Baligant geleitet, als er für sein Schwert einenNamen erfand, zudem habe er dieses nur getan, nachdem er von KarlsSchwert habe reden hören." Auch bergen die Schwerter im Gegensatz zuJoiose und Durndart ganz andere Werte. In der Chanson läßt sich dies be-sonders beobachten, als der Sarazene Valdabrun dem Verräter Ganelun ein

45 U/rich Schäfer,G 100 Schwert (12. lh.). in: Heinrich der Löwe und seine Zeit. Herr-schaft und Repräsentation der welfen 1125-1235. Katalog der Ausstellung Braunschweig1995. Band 1.Katalog. hg. v.Jochen Luckhardt u. Franz Niehoff, München 1995. S. 605. Insge-samt sind zehn Schwerter mit der Signatur des Schmieds Gicelin bekannt. In die andereSeite ist eine Anrufung Gottes graviert. was durchaus typisch für die Schwerter des 11. undlZ.Jahrhunderts ist; vg!. dazu Ian Peirce, The Knight. his Arms and Armour in the Eleventhand Twelfth Centuries. in: The Ideals and Practice of Medieval Knighthood. Papers fromthe first and second Strawberry Hill Conferences. hg. v. Christopher Harper-Bill u. Ruth Har-vey. Woodbridge 1986. S. 152-164, S. 163. Weitere Beispiele für diese Qualitätsnachweisesowie für die Entwicklung und die Verbreitung hochwertiger Schwerter liefert ders .• TheDevelopment of the Medieval Sword. c. 850-1300. in: The Ideals and Practice of MedievalKnighthood Ill. Papers from the fourth Strawberry Hill conference. 1988, hg. v. ChristopherHarper-Bill u. Ruth Haroey; Wood bridge 1990. S. 139-158. Grundlage für die Erforschung desSchwertes im Mittelalter sind und bleiben die Sammlungen und Studien von Ewart Oakes-holt. so etwa ders .• Records of the Medieval Sword. Woodbridge 21998, sowie ders .• TheSword in the Age of Chivalry. Neudruck der Auflage Woodbridge 1964, Woodbridge 1998.

46 Olivier Bouzy. Les armes symboles d'un pouvoir politique: l'epöe du sacre, la SainteLance. l'Oriflamme, aux VIIIe - XIIe siecles, in: Francia 22 (1995) S. 45-57, S. 52.

47 U/rich Ernst. Formen der Schriftlichkeit im höfischen Roman des hohen und spätenMittelalters, in: Frühmittelalterliche Studien 31 (1997) S. 252-369, S. 278ff.

48 La Chanson de Roland (wie Anm. 18) Str. 227, V. 3144-3146, S. 176: .Par sun orgoillliad un nurn truvet / Por la (spee) Carlun dunt ilOlt parler / [La sue fist Preciuse apeler] .•

Page 15: herausgegeben von Werner Rösener - MGH-Bibliothek · 2013. 4. 29. · rungen der Helden spielen ihre Schwerter immer wieder eine zentrale Rolle.Besonders effektive Schlägewerden

.Ich gelere si Durndarten« 69

Geschenk besonderer Art macht: »Nchmt mein Schwert! Ein besseres be-sitzt kein Mensch. Im Knauf sind mehr als hundert sarazenische Goldmün-zen. Aus Freundschaft, lieber Herr, schenke ich es Euch, daß Ihr uns zu demGrafen Roland verhelft und wir ihn in der Nachhut treffen können.s+? DieBesonderheit des Schwertknaufs ist Teil einer Wertediskussion, die an ande-rer Stelle mit den Worten zusammengefaßt wird: sDie Heiden haben un-recht und die Christen recht.«so Christentum und Recht sind unabdingbarmiteinander verbunden, entsprechend ist die Lebenswelt des mittelalterli-chen Ritters ganz und gar von diesem Grundsatz durchdrungen. Auch dieDefinition des Rittertums aus dem christlichen Glauben heraus ergibt sichaus der Beschreibung eines heidnischen Emirs: »Sein Leib ist sehr edel undsein Antlitz stolz und klar. Als er zu Pferd gestiegen ist, gebärdet er sich stolzin seinen Waffen. Wegen seiner Tapferkeit ist er hochberühmt. Wäre erChrist gewesen, er hätte wahres Rittertum besessen.s» Aus säkularer Per-spektive erscheint der Sarazene als vorbildhaft, sein mangelndes Glaubens-bekenntnis zum Christentum qualifiziert ihn aber ab. Diese negative Beur-teilung der heidnischen Gegner ergibt sich bereits aus der Darstellung ihrerSchwerter, die mit Goldstücken gefüllt sind und somit nur materiell vonWert sind, für die Namen erfunden werden müssen und deshalb in keineehrenhafte Tradition eingebunden sind. Ihnen fehlt der religiöse, heilsbrin-gende Auftrag.

In der Klage Rolands, mit dem mittels Reliquien erhöhten Durndart Todund Verderben über die Gegner gebracht und doch zugleich Ehre in der Ver-teidigung des rechten Glaubens bzw. des Frankenreiches erworben zu ha-ben, tritt das ambivalente Verhalten der Gesellschaft hinsichtlich der Fragenach der Legitimität von Gewalt zutage. Diesbezüglich hat es unter Einbin-dung der Schwertsymbolik genügend Diskurse gegeben. die in eine religiöseSinnstiftung des abendländischen Adels mündeten.e? Ein Beispiel hierfür ist

49 La Chanson de Roland (wie Anm. 18) Str. 48, Z. 620-624, S. 42f: ••Tenez m'espee,meillur nen at nuls horn! / Entre les heiz ad plus de mil man guns. / Par amistiez, bel sire. lavos duins, / Que nos aidez de Rollant la barun, / Qu'en rereguarde trover le poüsum.<<<Ichverweise auf die Freiheit des Ubersetzers, der für .mil •• hundert. setzt.

50 La Chanson de Roland (wie Anm. 18) Str. 79, V. 1015, S. 62f: .Paien unt tort et ere-sriens unt dreit .•

51 La Chanson de Roland (wie Anm. 18) Str. 72, V. 895-899, S. SM: »Cors ad mult gent ele vis fier et c1er; / Puis que it est sur sun cheval muntet, / Mult se fait fiers de ses armes por-ter. / De vasselage est il ben alosez: / Fust cresriens, asez oüst barner.e

52 Die Formulierung eines gerechten Krieges wurde zunehmend ab dem 11.Jahrhun-dert betrieben. Die Entwicklung von Ivo von Chartres über Anse1m von Lucca und Urban11.bis hin zu Gratian und Bemhard von Clairvaux schildert Ernst-Dieter Hehl, Was ist eigent-lich ein Kreuzzug?, in: Historische Zeitschrift 259 (1994) S. 297-336, s. 305ff. Vgl. dazuauch ErJmann, Kreuzzugsgedanken (wie Anm. 27), RuJolf WeiganJ, Krieg und Frieden inden Rechtssammlungen des Ivo von Chartres (Beiträge zur Friedensethik 13) Barsbüttel1992, Peter Dinzelbacher, Bernhard von Clairvaux. Leben und Werk des berühmten Zister-ziensers, Darmstadt 1998.

Page 16: herausgegeben von Werner Rösener - MGH-Bibliothek · 2013. 4. 29. · rungen der Helden spielen ihre Schwerter immer wieder eine zentrale Rolle.Besonders effektive Schlägewerden

70 SönkeJaek

Peter von Dusberg, der in seiner Preußenchronik mittels Belegen aus der Bi-bel die verschiedenen Waffen- und Rüstungsarten aufführt und sie theolo-gisch rechtfertigt. Er führt in seinem Kapitel De armis catnalibus et spiritualibusaus, das Schwert bedeute .das Werk, durch welches der Feind fällt, und, wiees auf beiden Seiten scharf ist, so schützen die guten Werke einesteils den,der sie tut, vor der Höllenstrafe, andererseits aber führen sie ihn zur ewigenPreude.e= Durch den Einsatz des Schwertes wird das Wort Gottes erfülltdie christliche Ritterschaft aber zum ausführenden Arm: »Das Schwert be~deutet die guten Werke, weil der Glaube ohne Werke tot ist.«54Bezüglichdes Gebrauchs der fleischlichen und der geistlichen Waffen stellt Peter sechsGründe fest: Übung im Umgang mit Waffen, Schutz gegen die Nachstel_lungen der Feinde, Abwehr offener Angriffe, Friedenssicherung, Rück-gewinnung verlorener Güter und Abschreckung der Feinde.55 PräventiveAbschreckung zwecks Friedenssicherung wie abwehrend-restaurative Ver-geltungsmaßnahmen rechtfertigen somit den Einsatz von Waffen. DieKriegsschuld des Gegners regelt die Frage nach dem bellum iustum, der Waf-fengebrauch stellt den Frieden wieder her.56.Wenn im Rolandslied Durndart und Alteclere sich Schneisen und Bahnen

durch ihre Gegner schlagen, so treten sie agierend auf. Ihre Dynamik undunerbittliche Effektivität hat genügend Entsprechungen, so beispielsweise inder nordischen Epik. Die Skaldendichtung kennt ausreichend Beispiele, indenen Schwerter und weitere Waffen als »singende, »bluttrinkend« und»fleischfressende dargestellt werden. Sie treten dabei analog zu den Wal-statt-Tieren, Rabe und Wolf, auf. Ihnen werden sBlutdurste und »Freßgier«nachgesagt; die drastischen Beschreibungen personifizieren daher die Waf-fen, die sich heulend auf den Gegner stürzen, sein Blut schlürfen oder sicham Fleisch des getöteten Gegners sättigen.f? Das Rolandslied hat ähnliche

53 Peter von Dusberg, Chronik des Preussenlandes, übers. u. erl. von Klaus Stholz und DieterWojtecki (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 25) Darmstadt1984, S. 72f: .gladius se extendit ad opus, quo deicitur adversarius, et sicut ex utraque parteest acutus, ita bona opera ex una parte actorem suum defendunt a pena infernali, ex alia adeterna gaudia introducunt.«

54 Peter von Dusberg, Chronik (wie Anm. 53) S. 72f: .Pro gladio accipe bona opera, quiafides sine operibus mortua est.«

55 Peter von Dusberg, Chronik (wie Anm. 53) S. 84-91: .De usu armorum carnalium etspiritualium.«

56 Erdmann. Kreuzzugsgedanken (wie Anm. 27) S. 4-6. Erdmann sieht hierbei insbeson-dere Augustin als Wegbereiter der Idee der .Kriegsschuld«, wobei der Gute nur aus derNotwendigkeit Krieg führen darf, den Frieden wiederherzustellen.

57 Ute Schwab, Lebendige Schwerter und lateinische Schlachrvögel, in: Verborum amor.Studien zur Geschichte und Kunst der deutschen Sprache. Festschrift für Stefan Sondereg-ger zum 65. Geburtstag, hg. v. Harald Burger, Alois M. Haas u. Peter von Matt, Berlin-NewYork 1992, S. 3-33, insbesondere S. 19ff. Neben den vielzähligen Beispielen aus der nordi-schen Epik umfaßt dieser Beitrag auch antike Traditionen sowie Belege aus dem Nibelun-genlied.

Page 17: herausgegeben von Werner Rösener - MGH-Bibliothek · 2013. 4. 29. · rungen der Helden spielen ihre Schwerter immer wieder eine zentrale Rolle.Besonders effektive Schlägewerden

.Ich gelere si Durndartene 71

Szenen. So erklingt das Schwert lieblich in der Hand des Pairs Samson, alsdieser den König der Iren, Scarpulon, so schwer niederschlägt, daß diesemdas Blut aus den Augen spritzt.58 Generell finden die in der Epik in den Vor-dergrund gehobenen Schwertkampfszenen eine Vielzahl an Entsprechun-gen in den germanischen Heldensagen, wo unter anderem auch die Verwen-dung einzelner, berühmter Schwerter hervorgehoben wird. So bleibt derHeld Uffo erfolgreich, als er sich des Schwertes Skrep bedient, das er von sei-nem Vater geerbt hat. 59Mit der Inbesitznahme dieses einen, ganz auf seinen künftigen Besitzer

abgestimmten Schwertes liegen Herrschaftssymbolik und Auserwählungeng beieinander. Wird Arthur entsprechend der Prophezeiung, nur derrechtmäßige König könne das Schwert aus dem Amboß herausziehen, nacherfolgreicher Demonstration zum König erhoben, so zeigt sich in parallelerErzählweise in der Volsungasaga der Held Sigmund in der Lage, das vonOdin in einen Baum gestoßene Schwert herauszuziehen, womit seine öf-fentliche Bevorzugung und somit Auserwählung durch die Götter offenbarwird.60

Die Auszeichnung kann sich aber auch ins Gegenteil verkehren, wie esbeispielsweise Parzival erfahren muß: Sein Versagen am Hofe des leidendenGralskönigs Anfortas wird durch das ihm übergebene Gralsschwert doku-mentiert. Das Schwert, dessen Schmied Trebuchet sowie die wundersameMethode seiner Wiederherstellung bekannt sind, wird zum »Dingsymbolverscherzter Königswürde und versäumter Menschlichkeite.e!Ein weiteres Beispiel für die Parallelität der Qualität von Ritter und

Schwert findet sich in der Dietrichsepik. In dem aventiurehaften Eckenliedbricht der Held Ecke von Köln aus auf, um sich im Kampf mit dem sagen-haften Dietrich von Bern zu messen. Getrieben von dem Vorsatz, sich selbstzu bewähren und somit seinen Platz in der Gesellschaft und zugleich damitEinzug in die Erzähltradition der höfischen Gemeinschaft zu finden,62durchstreift er zu Fuß - übrigens völlig untypisch, ja geradezu unhöfisch,

58 Der Pfaffe Konrad (wie Anm. 1) V. 5102-5107: .er sluoc Scarpulön, / den künc vonden Iren, / vii nahen sinem libe, / daz im daz bluot üz den ougen spranc. / daz swert im er-clane / vii süeze in der hant.« ;

59 Ute Schwab, Die Zweikämpfer von Monkwearmouth (Abb. 125-144), in: Iconologiasacra. Mythos, Bildkunst und Dichtung in der Religions- und Sozialgeschichte Alteuropas.Festschrift für Karl Hauck zum 75. Geburtstag, hg. v. Hagen Keller u. Nikolaus Staubach (Ar-beiten zur Frühmittelalterforschung 23) Berlin-New York 1994, S. 496-518, S. 512.

60 Jan de Vries, Baum und Schwert in der Sage von Sigmundr, in: Zeitschrift für Deut-sches Altertum und Deutsche Literatur 85 (1954/1955) S. 95-106, S. 101ff.

61 J#rner Schröder,Parzivals Schwerter, in: Zeitschrift für Deutsches Altertum und Deut-sche Literatut 100 (1971) S. 111-132, S. 122ff.

62 Das Eckenlied (im weiteren entsprechend seiner Fassung als E2 zitiert), Text, Über-setzung und Kommentar von Froncis B. Brevatt, Stuttgart 1986, Stt. 14, Z. 11-12: no hosrtman in den landen sagen / und sprechent: -seht, her Egge / hat den Berner erslagenke

Page 18: herausgegeben von Werner Rösener - MGH-Bibliothek · 2013. 4. 29. · rungen der Helden spielen ihre Schwerter immer wieder eine zentrale Rolle.Besonders effektive Schlägewerden

72 SönkeJaek

was auch in der laufenden Handlung beanstandet wird63 - die Länder aufder Suche nach Dietrich.Über Eckes Schwert erfahren wir zunächst im Moment seines Aufbru_

ches, als er von Königin Seburg nebst dem Auftrag, Dietrich zum Besuch desHofes zu zwingen, seine Ausrüstung erhält:

.Ain swert das hies si tragen dar.noch besser danne guldin garwan im die helzan baideietwederthalb vor der hant.sin knoph was ain scho-n jochant,guldin so was dü schaide .• 64

Die materielle Güte ist klargestellt, es stellt sich jetzt die Frage, wieviel Eckevon seinem Geschenk weiß bzw. wissen kann.

Nachdem Ecke Dietrich eingeholt und ihn wiederholt zum Kampf aufge-fordert hat, ruft er ihm zu:

.,vil werder degen, ker an mich!ain vii güt swert das trag ich,das smittont vil getwerge.<<<65

Es folgt die Geschichte des Schwertes von seinem mythischen Ursprung, in-dem auf die Goldschmiedeleistungen der Zwerge eingegangen wird,66 hishin zu seinem vormaligen Besitzer Herhold, der es von seinem Vater KönigRoudlieb bei der Schwertleite erhalten haben soll: sder wart da mit ze ritter:/ des menger not gewan.«61Erneut ist zu beobachten, daß das Schwert fürdie Ritterschaft bestimmt ist, denn mit dem Heranwachsen Herboldskommt diese besondere Waffe zu der ihr gebührenden Geltung:

lUSUSwühs Herport ze ainem man;sin türlieh sahs er an sich nan -er was ain degen kusne.da mit er Hugebolden slökund wurchte wunders gar genükin ainem walde gru"nemit siner ellenthafter hautdes wart im lop ze lone.sus er den degen überwant,

63 Im Rahmen seiner Ausstattung durch Königin Seburg lehnt Ecke .das beste ras überallü lante mit dem Argument ab, es sei der Aufgabe nicht gewachsen, ihn zu tragen, da er zuschwer sei; es würde ihn daher nur behindern. Daraufhin befürchtet die Königin, sein un-konventionelles Auftreten würde ihren Ruf schädigen: »phi im und sinem künne.ce E2 (wieAnm. 62) Str. 34-35.

64 E2 (wie Anm. 62) Str. 31, Z. 1-7.65 E2 (wie Anm. 62) Str. 79, Z. 1-3.66 E2 (wie Anm. 62) Str. 79-81.67 E2 (wie Anm. 62) Str. 82, Z. 12-13.

Page 19: herausgegeben von Werner Rösener - MGH-Bibliothek · 2013. 4. 29. · rungen der Helden spielen ihre Schwerter immer wieder eine zentrale Rolle.Besonders effektive Schlägewerden

»Ich gelöre si Durndartens 73

der trük des landeskroneund wasain ris unmassengros;er tet cristan laide.es lebt niht sin genos.(<<68

Wieder erinnert sich also der Held an die Herkunft seines Schwertes, dassich schon in der Hand seiner Vorgänger im Kampf gegen scheinbar über-mächtige Gegner, die zudem als Christenbedränger in Erscheinung getretenwaren, bewährt hat. Herbold stellt dabei den eigentlichen Prototypen des le-gitimen Besitzers des Schwertes dar. Die Reaktion Dietrichs, der in seinerritterlichen Vorbildhaftigkeitja den Auslöser zu Eckes aventiure-Fahrt bildet,ist daher nur im ersten Augenblick erstaunlich, wenn man die folgende Aus-sage nicht möglicherweise als ironisch auffaßt:

»sit es so gütist, das es risen schadentUtmit siner scharphensniden,sowil ich dich niht hie bestan.ich het es e vil nach getan,nu wil ich dich vermiden.ich haste gürer wizze niht,swen ich dran gedashte,dasman im so-lches prises gihtund ich dan mit dir fa<hte:so brüft ich mir selben asrebait.ich wil mit dir niht fehten,es sigdir widersait.oe?

Der Berner, beileibe kein Feigling, sondern vielmehr aufgrund seiner über-legenen Ritterschaft Stein des Anstoßes für Ecke, macht also einen klarenRückzieher angesichts der Ausführungen. Die preisende Darstellung desSchwertes durch seinen Träger kann also auch geradezu kontraproduktivsein. Ecke muß handeln, seine Reaktion verblüfft:

»ich han gelogen!mit dem swert bin ich betrogen;ichwais niht, wie es snidet.ich sait dirs durch din manhait.ce"?

Die bisherigen Auskünfte werden also schlagartig der gegebenen Situationangepaßt; eben noch mythischen Ursprungs, wird esjetzt durch die Behaup-tung der Lüge herunterqualifiziert und tritt in eine diffuse Anonymität zu-rück. Das Erinnern erfährt somit eine opportune Anwendung: Die selbstauf-wertende Darstellung des Trägers, die sich im Wissen um Machart undTradition der Waffe ausdrückt, wird augenblicklich in Unwissen umgekehrt,

68 E2 (wieAnm.62) Str. 83, Z. 1-13.69 E2 (wieAnm.62) Str. 84, Z. 1-13.70 E2 (wieAnm.62) Str. 85, Z. 1-4.

Page 20: herausgegeben von Werner Rösener - MGH-Bibliothek · 2013. 4. 29. · rungen der Helden spielen ihre Schwerter immer wieder eine zentrale Rolle.Besonders effektive Schlägewerden

74 SönkeJaek

wenn das gewünschte Ziel, nämlich das Kräftemessen zwischen den beidenHelden, in weite Ferne zu rücken droht. Damit wäre dann das eigentlicheZiel, die persönliche ere zu mehren, verfehlt.Jetzt hilft im Falle des HeldenEcke nur noch die Rücknahme der eben noch zum besten gegebenen Ge-schichte, um im gleichen Atemzug zur direkten Schmähung seines Wunsch;gegners überzugehen, d.h. lauthals Dietrichs ere zu verletzen.?' Mit dieserTaktik erzielt er tatsächlich den gewünschten Effekt, der Zweikampf brichtlos. Erinnerung bezüglich Herkunft kann entsprechend der jeweiligen Ziel-setzung flexibel gehandhabt werden. Trotzdem zeigt diese Passage desEckenlieds, daß versucht wird, aus dem Besitz eines bestimmten Gegenstan;des ideelles Kapital zu schlagen. Mit dem mündlichen Rekapitulieren dervormaligen Besitzer reiht sich der Held in eine Tradition ein, aus der er Mo-tivation schöpft." Diesem Denken stehen die realen Zeitgenossen nicht we-sentlich fern, wenn es darum geht, durch Erwerb und Zeigen außergewöhn.licher Dinge den eigenen Namen mit zusätzlichem Ruhm auszustatten_73

Der Besitz eines ungewöhnlichen Schwertes garantiert nicht das Überlebendesjenigen, der es führt. Ecke unterliegt Dietrich, indem der Berner den Ohn-mächtigen fachmännisch mittels Hochheben der Rockschlitze ersticht. DerSieger übernimmt nun Schwert, Helm und Rüstung des Toten, derer er sichschon bald bedienen muß. Bedenkt man, daß auch Hagen das Schwert Sieg-frieds an sich genommen hat, so liegt die Vermutung nahe, daß eine derartigherausragende Waffe auf keinen Fall verlorengeht, sondern entsprechend derHierarchie der agierenden Helden auf den einzigen, aus seiner Fähigkeit her-aus legitimierten Ritter übergeht. Nicht anders ist dies im Rolandslied, da auchhier Durndart vom Kaiser an Winemann mit dem Auftrag weitergegebenwird, Rolands Platz einzunehmen: »>diibist ein helt ze dinen hanten.<<<74Wie-derum ist somit Durndart an das Amt gebunden, dem Reich treue Dienste invorderster Linie zu leisten. SeinWert wird sogar so hoch veranschlagt, daß sichder sterbende Roland einzigJesus Christus als legitimen Erben wünscht:

71 Zum Stellenwert der ere in der adligen Gesellschaft vgl, OtJrid Ehtismann, Ehre und Mut,Aventiure und Minne. Höfische Wortgeschichten aus dem Mittelalter, München 1995, S.65-70.

72 In der Version der RolandsIegende .Aquilon de Baviere« nimmt Rolands superbia zu,nachdem er ausführlich die einstigen Besitzer Durindardes anruft. Die Erinnerung wirkt soprovozierend, daß sich Roland in eine Raserei steigert, die für seine Umwelt - gleich, obFreund oder Feind - lebensbedrohlich wird. Peter Wunderli, Rolandus epilepticus, in: DasRitterbild in Mittelalter und Renaissance, hg. v. Forschungsinstitut für Mittelalter und Re-naissance (Studia humaniora 1) Düsseldorf 1985, S. 105-130, S. 113f. Wunderlis Epilepsie-diagnose möchte ich eher die Beobachtungen vonjonathan Shay, Achilles in Vietnam. Com-bat Trauma and the Undoing of Character, New York 1994, S. 77-99, bezüglich desDerserkerverhaltens im Rahmen eines posttraumatischen Streßsyndroms entgegenstellen.

73 Gerd A/thoff, Gloria et nomen perpetuum. Wodurch wurde man im Mittelalter be-rühmt], in: Person und Gemeinschaft im Mittelalter. Karl Schmid zum fünfundsechzigstenGeburtstag, hg. v. Gerd A/thoff, Dieter Geuenith, Gtto Gerhard Oexle u. [oachim Wollasch,Sigma-ringen 1988, S. 297-313.

74 Der Pfaffe Konrad (wie Anm. 1) V. 7771.

Page 21: herausgegeben von Werner Rösener - MGH-Bibliothek · 2013. 4. 29. · rungen der Helden spielen ihre Schwerter immer wieder eine zentrale Rolle.Besonders effektive Schlägewerden

»Ich gelere si Durndarten« 75

.>nune will ich nehainen erben zuo dir merewan den adelherren,der durch sünteere geborn wart.der gebör mir dise hervart.ce"

Der göttliche Auftrag wird erneut wiederholt. In der altfranzösischen Versiongeht Roland nicht so weit, sondern verbindet mit der Hoffnung, das Schwertfalle nicht in die Hände der Heiden, sondern bleibe auch weiterhin im Dien-ste der Christen, den Wunsch, daß kein Feigling Durendal besitzen solle.76Eckes Bestreben, sich selbst zu erhöhen, indem er seiner Umwelt vom

Wert seines Schwertes berichtet, sowie Rolands Sorge, sein Schwert könntein die Hände eines unwürdigen Nachfolgers fallen, sind stark von dem Mo-tiv der Traditionsbildung geprägt, das der Selbstverortung des Individuumsin den Kontext einer erinnerungswürdigen Geschichte dient. Mit der For-mulierung einer ruhmreichen bzw. ehrenvollen Vergangenheit und durchdie Ansippung von Spitzenahnen etabliert ein Geschlecht ein auf sich be-zogenes dynastisches Erinnern, das der Behauptung von Rang und Würdedienen soll. Mythen erklären Herkunft, Besitz und Stellung einer Familie,>korrigieren< zuweilen auch weniger ruhmreiche Episoden,"? Die dabei ent-stehenden Leitbilder finden durch spezielle Medien wie »Monumente, Bil-der, Lieder und Erzählungen« Einzug in das skulturelle Gedächtnis., die kul-turelle Überlieferung wird sprachlich vergegenwärtigt.7B Die Teilhabe ander Vermittlung von Macht und Prestige formt die kollektive Erinnerung,wobei »bildhafte Wahrnehmung und nichtsprachliche Zeichen« im Ver-gleich zu schriftlichen Mediel_leinc:n weitaus größeren Einfluß auf die Zeit-genossen gehabt haben.?? Hierbei fällt der Focus der Rückblende nichtzwangsläufig auf eine Person, sondern es können auch Gegenstände in einenerklärenden Kontext gestellt werden. Traditionen werden entwickelt, Herr-schaft wird aus der Darstellung von Kontinuität legitimiert, Gemeinschaftwird gestiftet. Ansprüche können so gezeigt werden, was sich beispiels-weise an der figürlichen Darstellung der vierzehn Herrscherfiguren auf derScheide des Reichsschwertes demonstrieren läßt.BO Das Reichsschwert mag

75 Der Pfaffe Konrad (wie Anm. 1) V. 6881-6884.76 La Chanson de Roland (wie Anm. 18) Str. 172, V. 2349-2351, S. 134: .Il nen est dreiz

que paiens te baillisenr; / De crestiens devrez estre servie, / Ne vos ait hume ki facet cuardie.e77 Gerd Althoff, Formen und Funktionen von Mythen im Mittelalter, in: Mythos und Na-

tion. Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewußtseins in der Neuzeit 3, hg. v. HelmutBerding, Frankfurt am Main 1996, S. 11-33.

78 Zur Auseinandersetzung mit den Thesen Jan Assmanns im Verhältnis von Memoriaund Literatur vgl. Horst ~nzel, Hören und Sehen, Schrift und Bild. Kultur und Gedächtnisim Mittelalter, München 1995, S. 37f.

79 ~nzel, Hören (wie Anm. 78) S. 45ff.80 Mechthild Schulze-Dottiamm, Das Reichsschwert. Ein Herrschaftszeichen des Saliers

Heinrich IV. und des Welfen Otto IV. (Monographien / Römisch-Germanisches Zentral-museum, Forschungsinstitut für Vor- und Frühgeschichte 32) Sigmaringen 1994, S. 82ff.

Page 22: herausgegeben von Werner Rösener - MGH-Bibliothek · 2013. 4. 29. · rungen der Helden spielen ihre Schwerter immer wieder eine zentrale Rolle.Besonders effektive Schlägewerden

76 SönkeJaek

als Hinweis auf die unbestrittene Funktion des Schwertes als Herrschaftszei_chen genügen, was im Rahmen der Investitur und der Veröffentlichung VonHerrschaft eindrücklich zu belegen ist. Auch als Mittel, in besonderer Artund Weise die öffentliche Rangordnung sowie die Ehrenstellung der Prota-gonisten hervorzukehren, ist es einsetzbar: Es sei nur an den Schwertdiensterinnert, bei dem nicht nur derjenige ehrend hervorgehoben wurde, demdas Schwert, das Zeichen seiner Macht, voraus- oder nachgetragen wurde,sondern auch der Träger wurde in seiner Rolle am Hof für alle demonsn-s,tiv-öffentlich aufgewertet. SI

Waffen und Ausrüstungsgegenstände waren auch als Träger der Memoriaverwendbar. In Kirchen wurden einfache Schwerter zusammen mit anderenErinnerungsstücken von Glaubensvorkämpfern bewahrt, zum Teil in engerNachbarschaft zu den Reliquien der Heiligen.82 Das Schwert als Attribut rit-terlicher Herkunft kennzeichnete repräsentativ den adligen Stand auf spätmit-telalterlichen Grabmalen und sicherte auf diese Weise das gesellschaftlicheSelbstverständnis gegenüber der Nachwelr.s! Die Ausstellung von Waffenund anderen militärischen Ausrüstungsgegenständen in Kirchen und anderenöffentlichen Orten mit dem Ziel der kollektiven Erinnerung läßt sich auch amBeispiel der Totenschilde verstorbener Adliger demonstrieren: Die in Kirchenaufgehängten Schilde sicherten nicht nur das Gedenken einer einzelnen Per-son und seiner Familie, sondern bezogen im Falle der genossenschaftlichenOrganisation in einer Adelsgesellschaft eine ganze Gruppe ein.s4Die Verwendung von Schwertern ging somit offensichtlich weit über ih-

ren primären Zweck hinaus. Sie dienten als Statussymbole hinsichtlich derKennzeichnung von Herrschaft, Macht und Rang. Bezogen auf die Rezep-tion höfischer Epik bedeutet dies, nach dem Einfluß der Schwert- und Hel-denlegenden auf das politische Handeln zu fragen. Tatsächlich haben die Er-zählungen über Wunderschwerter und ihre Helden die mittelalterlichenZeitgenossen nicht unberührt gelassen: Schwerter wurden vielmehr zu di-

81 Für diese und weitere Anregungen bedanke ich mich hiermit bei Herrn ProfessorDr. Hans-Dietrich Kahl, der mich u.a. auf folgende Arbeiten verwies: Hans-Dietrich Kahl,Slawen und Deutsche in der brandenburgischen Geschichte des zwölftenjahrhunderts. Dieletzten Jahrzehnte des Landes Stodor (Mitteldeutsche Forschungen 30/I,II) Käln-Graz1964, mit zahlreichen Beispielen, insbesondere S. 621f, sowie Tadeusz Dobrzenieeki, DrzwiGnielnieüskie, Krakau 1953, Abb. 5, 8, 19, 20. Hier sind Bronzetürreliefe zu sehen, dieSchwertdienstleistende neben Kaiser Otto II. und König Boleslaw II. zeigen.

82 Percy Ernst Schramm, Herrschaftszeichen: gestiftet, verschenkt, verkauft, verpfändet.Belege aus dem Mittelalter (Nachrichten der Akademie der Wissenschaften. I. Philolo-giseh-historische Klasse) Göttingen 1957, S. 212.

83 He!fried Valentinitsch, Die Aussage des spätmittelalterlichen Grabmals für die adeligeSachkultur, in: Adelige Sachkultur des Spätmittelalters. Internationaler Kongreß Krems ander Donau 22. bis 25. September 1980 (Veröffentlichungen des Instituts für mittelalterlicheRealienkunde Österreichs 5) Wien 1982, S. 273-292, S. 283.

84 Andreas Ranft, Adelsgesellschaften. Gruppenbildung und Genossenschaft im spätmit-telalterlichen Reich (Kieler Historische Studien 38) Sigmaringen 1994, S. 89f.

Page 23: herausgegeben von Werner Rösener - MGH-Bibliothek · 2013. 4. 29. · rungen der Helden spielen ihre Schwerter immer wieder eine zentrale Rolle.Besonders effektive Schlägewerden

.Ich gelöre si Durndarten« 77

rekten Trägern der Herrschaftspropaganda, wie Emma Mason eindrucksvollbelegt hat. Die Söhne des englischen Königs Heinrich 11. nahmenjeweils fürsich in Anspruch, eines der ihnen aus der höfischen Literatur bekanntenSchwerter zu besitzen. Der junge Heinrich trug Durendal, das er 1183 wäh-rend seines Aufstandes gegen den eigenen Vater durch Plünderung desSchreins von Rocamadour in seinen Besitz gebracht haben wollte. Das le-gendäre Durendal sollte dazu beitragen, ihm »a charismatic image« zu ver-leihen, um als Heldenfigur im Kampf gegen den König und Vater zu er-scheinen." Sein jüngerer Bruder, König Richard I., stand ihm nicht nach.Richard nannte König Arthurs Excalibur sein Eigen. Interessant ist jedoch,daß er auf seinem Kreuzzug 1191König Tankred von Sizilien dieses Schwertüberließ, als sie mit Geschenken ihre geschlossene Freundschaft dokumen-tierten. Tankred mag dabei das vermeintliche Excalibur als Mittel der Herr-schaftssicherung betrachtet haben.s6 Der jüngste Bruder,Johann, führte Tri-stans Schwert als Waffe, dessen Empfang er im Dezember 1207 als Teil derKroninsignien quittierte." Prestigegewinn und Herrschaftsanspruch wur-den durch den Besitz und das demonstrative Zeigen dieser Schwerter beab-sichtigt, da man sich ganz in die Tradition der legendären Feldherren undKönige stellte. Aber auch ein weiterer Aspekt der Bildung eines heroischenImages ist nicht zu unterschätzen: Man konnte mit diesem Selbstverständnisder bestehenden Konkurrenz der kapetingischen Könige entgegentreten,die die angevinischen Kontinentalbesitzungen massiv unter Druck setzten.Die Tradition der Heldenschwerter wurde so gegen die Tradition der Ori-flamme, des St. Dionysius-Kultes und der propagandistischen NutzungKarls des Großen gestellt.8S Der Stolz auf den Besitz dieser Schwerterkönnte darüber hinaus Aufschluß geben, wieso gerade Durendal-Durndarteine intensive Rezeption in der Bearbeitung des Rolandsliedes am HofeHeinrichs des Löwen erfahren hat. Heinrichs Ehe mit der angevinischenPrinzessin Mathilde 1168 ist mehrmals propagandistisch-künstlerisch ge-nutzt worden, die Verbindung des Welfenhauses mit dem englischen Kö-nigshaus zu dokumentieren. Im berühmten Krönungsbild des EvangeliarsHeinrichs des Löwen werden Spitzenahnen der englischen Krone und Hei-lige wie Thomas Becket auf seiten Mathildes abgebilder.s? Im Epilog des Ro-landsliedes schreibt Konrad:

85 Emma Mason, The Hero's Invincible Weapon: an Aspect of Angevin Propaganda, in:The Ideals and Practice of Medieval Knighthood Ill. Papers of the fourth Strawberry Hillconference, 1988, hg. v. ChristopherHarper-Bill u. Ruth Harvey; Woodbridge 1990, S. 121-137,S.126f.

86 Mason, Weapon (wie Anm. 85) S. 127ff.87 Mason, Weapon (wie Anm. 85) S. 131f.88 Mason, Weapon (wie Anm. 85) S. 136£.89 Joachim M. Plotzek, D31 Evangeliar Heinrichs des Löwen, in: Heinrich der Löwe und

seine Zeit. Herrschaft und Repräsentation der Welfen 1125-1235, Katalog der AusstellungBraunschweig 1995, Band 1, hg. v. Jochen Luckhardt u. Franz Nieholf, München 1995,

Page 24: herausgegeben von Werner Rösener - MGH-Bibliothek · 2013. 4. 29. · rungen der Helden spielen ihre Schwerter immer wieder eine zentrale Rolle.Besonders effektive Schlägewerden

78 SönkeJaek

.daz buoch hiez er [Heinrich der Löwe] vor tragen,gescrihen ze den Karlingen.des gerte diu edele herzoginne,aines riehen küniges barn.«90

Der Auftrag Herzog Heinrichs geschah demnach auf Wunsch Mathildes.Könnte es daher nicht ebenso möglich sein, daß bei der literarischen Bearbei_tung der Chanson de Roland Durndart deshalb besonders hervorgehobenwurde, weil sich dieses im Einflußbereich der englischen Krone befand? IhrBruder Heinrich sollte jedenfalls wenige Jahre später das berühmte Schwertund damit dessen Autorität in den Kampf gegen seinen Vater führen.Welche Bedeutung hat daher das als vorbildlich und in seiner Entstehung

als einzigartig gekennzeichnete Schwert für die mittelalterliche Epik? DasSchwert, im besten Fall mit Eigennamen, kennzeichnet den herausragendenRitter; es wird zum Synonym des Helden. Im Rahmen der Rolandsepik kön-nen so die Ideale des miles christian us einem ritterlich-höfischen Publikum inErinnerung gebracht werden. Ist Roland .le miles Christi par excellencee.n soist Durndart sein Äquivalent. Das Schwert vollzieht ebenso den Auftrag seinesHerren, wie der christliche Held dem göttlichen Willen entspricht, d.h. derRitter muß als Schwert Gottes verstanden werden. Die Tradition der Waffegarantiert die kontinuierliche Wertigkeit seiner Träger. Der persönliche Rangsteht dabei in einem engen Verhältnis zur Qualität der Waffe, die orale Ver-breitung des Wissens ist demnach unabdingbar mit der Erweiterung des eige-nen Rufes verbunden. Die Schwerter sind Bestandteile der Kommunikation:Sie werden nicht nur direkt angesprochen bzw. besprochen, sondern die Hel-den kommunizieren auch durch sie. Ein Schwert mit Geschichte trägt zur In-szenierung der Protagonisten bei, es komplettiert die Merkmale seines Ran-ges. Die höfische Gesellschaft rezipierte diese Vorbilder und stellte sich durchdas Tragen und Zeigen vorgeblicher Heldenschwerter konsequent in die Tra-dition ihrer Heroen, was sich nicht zuletzt in der Aufnahme von Schwerternin den Kaiserschatz ausgedrückt hat, deren angeblichen Vorbesitzer sogar Be-dränger des Christentums gewesen sind.92

S. 206-210, S. 208. Ouo Gerhard Oexle, Fama und Memoria. Legitimationen fürstlicherHerrschaft im 12.Jahrhundert. in: Heinrich der Löwe und seine Zeit. Band 2, hg. v.JochenLuckhardt u. Franz NiehoJJ,München 1995, S. 62-68. S. 66f.

90 Der Pfaffe Konrad (wie Anm. 1) V.9022-9025.91 Kahn. Chanson (wie Anm. 3) S. 367.92 PercyErnst Schramm, »Attilas Schwerte, ein ungarischer Säbel des 9.110. Jahrhunderts.

zum Kaiserschatz seit der Salischen Zeit gehörend. in: Ders., Herrschaftszeichen und Staats-symbolik. Beiträge zu ihrer Geschichte vom dritten his zum sechzehnten Jahrhundert (Schrif-ten der Monumenta Germaniae historica 13/I1) Band 2. Stuttgart 1995. S. 485-491, S. 487 ff.