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KARLHEINZ MUSCHELER Hermann Ulrich Kantorowicz

Hermann Ulrich Kantorowicz · 2020. 3. 10. · Hermann Ulrich Kantorowicz wurde am 18 Novembe. r 187 i7m damals deutschen, jetz polnischet Posenn1 al ältestes vos vien Kindernr 2

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K A R L H E I N Z M U S C H E L E R

Hermann Ulrich Kantorowicz

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Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen

Herausgegeben vom Institut für Rechtsgeschichte und geschichtliche Rech ta vergleich ung der Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg i. Br.

Neue Folge · Band 6

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Quelle: Deu t sche S t a a t s b i b l i o t h e k B e r l i n / D D R , P o r t r ä t s a m m l u n g

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Hermann Ulrich Kantorowicz Eine Biographie

Von

Dr. Karlheinz Muscheler

D U N C K E R & H U M B L O T / B E R L I N

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CIP-Kurzt i te laufnahme der Deutschen Bibl iothek

Muscheler, Karlheinz: Hermann Ulr ich Kantorowicz: e. Biographie / von Karlheinz Muscheler. — Ber l in : Duncker und Humblot, 1984.

(Freiburger rechtsgeschichtliche Abhandlungen; N.F., Bd. 6) ISBN 3-428-05692-2

NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1984 Duncker & Humblot, Berlin 41

Gedruckt 1984 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany

ISBN 3-428-05692-2

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Vorwort

Die B iograph ie eines Wissenschaft lers zu schreiben bedar f e iner Recht fer t igung. Noch mehr als be i dem bedeutenden K ü n s t l e r haben sich die Le is tungen des Wissenschaft lers verselbständigt , noch wen ige r als be i j enem ist be i d iesem der gängige Satz ein leuchtend, das W e r k könne n u r i m Zusammenhang m i t dem Leben vers tanden werden. Dies g i l t jedenfa l ls insofern, als die s imple Tatsache i n Rede steht, daß jedes W e r k i n e iner bes t immten Epoche entstanden ist, von i h r An regungen er fahren u n d auf sie zu rückgew i r k t hat . E rs t w o das W e r k selbst auf das Leben verwe is t , sei es, daß i n i h m eine a l lgemeine Ze i t s t r ömung z u m Ausdruck k o m m t , sei es, daß es i nha l t l i ch zu einer Ö f f nung der Wissenschaft u n d zu e iner Berücks ich t igung sozialer Phänomene füh r t , k a n n das anders sein. W e n n schl ießl ich i m Konkre t -B iog raph ischen Zeitgenössisch-Typisches durchscheint u n d dieses Typische bedeutsam f ü r den a l lgemeinen En tw ick lungsgang der Ze i t ist, mag biographische Bemühung , die v o n Erbau l ichem, Anekdot ischem oder Be lehrendem sich fe rnhä l t , l e g i t i m sein.

Gemessen an diesem Maßstab da r f eine B iograph ie über H e r m a n n U l r i c h Kan to row i cz mögl icherweise e in gewisses Interesse beanspruchen. I n seiner f re i recht l ichen Methoden lehre ist diese Ö f f nung der Wissen-schaft i n ähnl icher Weise w i e i n manchen anderen Ku l tu rbe re i chen zu Beg inn des 20. Jahrhunder ts vo l lzogen worden . I n seiner pol i t ischen W i r k s a m k e i t w ä h r e n d der W e i m a r e r Repub l i k of fenbaren sich die äußeren, aber auch die inneren Schwächen des l ibe ra len u n d demo-krat ischen Pazi f ismus der Ze i t . D ie A r b e i t l i e fe r t zugleich e inen B e i -t r ag zur Geschichte der jur is t ischen akademischen E m i g r a t i o n nach 1933, die b is lang noch bruchstückhaf ter geschrieben ist als d ie jenige der jur is t ischen „Anpassung" dieser Epoche. Sie ergänzt meine A b h a n d l u n g „Re la t i v i smus u n d Fre i rech t " (Heide lberg 1984), i n der ich m ich sachlich m i t dem W e r k Kan to row iczs auseinandergesetzt habe.

F r e i b u r g i m Breisgau, J u n i 1984

Karlheinz Muscheler

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Inhaltsverzeichnis

I . Elternhaus und jüdische Abstammung 9

1. Elternhaus 9

2. Jüdische Abstammung und Konvert ierung zum Protestantismus 12

I I . Studium und Freundschaft mit Gustav Radbruch 17

1. Studium und Promotion 17

2. Freundschaft m i t Gustav Radbruch 25

I I I . Die Entstehung der Freirechtsbewegung 28

1. „Gesellschaft für Rechtswissenschaftslehre" und „Der Kampf um die Rechtswissenschaft" 28

2. Bekanntschaft m i t Ernst Fuchs und Versuche zur Inst i tut ional i -sierung des Freirechts 30

IV . Habilitation und akademisches Wirken in Freiburg (1908—1929) . . 32

1. Habi l i tat ion und Universitätslaufbahn 32

2. Der Lehrer 34

3. Die „Offenen Abende" i m Hause Kantorowicz 36

4. Wissenschaftliche Veröffentlichungen der Freiburger Zeit 37

V. Politische Entwicklung Kantorowiczs bis 1918 42

1. Aust r i t t aus der SPD und „passives Zusehen" bis 1914 42

2. Loyal i tät und beginnende Umkehr während des 1. Weltkrieges 43

3. Die Elsaß-Lothringen-Denkschriften 44

4. Erste Bekanntschaft mi t englischer Pol i t ik 48

VI. Politische Tätigkeit während der Weimarer Republik 50

1. Untersuchungen zur Kriegsschuldfrage 50

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8 Inhaltsverzeichnis

2. Kampf gegen die politische Justiz 50

3. Versuche zur Inst i tut ional isierung republikanischer und demo-kratischer Gesinnung 52

4. Pazifismus und Eintreten für den Völkerbund 54

VI I . Der Fall Kantorowicz — von Below 59

1. K r i t i k an Bismarck 59

2. Die Angr i f fe v. Belows 62

3. Reaktion der Freiburger Studentenschaft 65

4. Die „Fronten des Zeitalters" 66

5. Die Hal tung der offiziellen Universitätsorgane 68

6. Reaktionen i m Ausland 71

7. Ende der Affäre und Würdigung 72

V I I I . Die badische Landtagsdebatte über die Schaffung des Freiburger Extraordinariats und die weitere Isolierung Kantorowiczs an der Universität 76

I X . Das Kriegsschuldgutachten 84

1. Äußere Geschichte des Gutachtens 84

2. Inhal t und Würdigung 90

X. Ordinarius in Kiel (1929—1933) 93

1. Politische Auseinandersetzungen u m die Berufung nach K ie l 93

2. Wissenschaftliche Tät igkeit 99

3. Die „Vereinigung unabhängiger Demokraten" 102

X I . I m Exil (1933—1940) 106

1. Entlassung und Emigrat ion 106

2. A n der „Universi ty in Ex i le" i n New York (1933/34) 110

3. London School of Economics und Vorträge i m Osloer Nobel-inst i tut 116

4. Cambridge, Oxford, Glasgow (1935—1940) 120

Sachverzeichnis 125

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I . Elternhaus und jüdische Abstammung

1. Elternhaus

Hermann Ulrich Kantorowicz wurde am 18. November 1877 im damals deutschen, jetzt polnischen Posen1 als ältestes von vier Kindern 2 des

1 Der jüdische Bevölkerungsanteil i n der Stadt Posen war immer besonders groß gewesen. Nach 1870 setzte sich jedoch die schon länger begonnene Abwanderung der jüdischen Einwohner verstärkt fort. „Die Gründe dieser Abwanderung lagen darin, daß bis zur M i t te des Jahrhunderts die Juden noch keine Freizügigkeit besaßen und i n der Stadt Posen sehr zahlreich waren. Ber l in und der Westen boten diesem Element v ie l größere w i r t -schaftliche Aussichten, und dort saßen auch schon längst zahlreiche Ver-wandte. Der nationale Gegensatz in der Provinz Posen war nicht geeignet, die Juden dort festzuhalten. Dem Deutschtum zugehörig und am Handels-verkehr stark beteil igt, empfanden sie die polnische, zugleich antisemitisch gefärbte Propaganda geschäftlich und menschlich als nachteil ig", Friedrich Swart, Die Stadt Posen i m deutschen Reich (1871—1918), in: Gotthold Rhode (Hrsg.), Geschichte der Stadt Posen, Neuendettelsau 1953, S. 127 ff. (147). E in Grund für die Abwanderung nach Westen lag woh l auch darin, daß die Rechts-stellung der Juden der Provinz Posen erst nach und nach derjenigen der übrigen preußischen Juden angeglichen wurde. Noch zu Beginn des 20. Jahr-hunderts wurden sie von mancherlei Berechtigungen, die den Juden wie al len übrigen Staatsbürgern Preußens zustanden, ausgeschlossen (Bernhard Bres-lauer, Die Abwanderung der Juden aus der Provinz Posen, Ber l in 1909, S. 4 und S. 9). I n der Stadt Posen wanderten von 1861 bis 1905 26 °/o der jüdischen Einwohner ab (Breslauer, a.a.O., Tabelle C, lfde. Nr. 16). Vor Beginn der großen Abwanderungswelle repräsentierten die Juden einen großen Ante i l an der Kaufmannschaft; i n politischer Hinsicht verfochten sie zumeist die Ideen des bürgerlichen Liberalismus und traten ohne Schwanken, obwohl manchmal in ihrem Selbstgefühl aufs tiefste verletzt, in der unruhigen Pro-vinz Posen für die deutsche Sache ein, Jacob Jacobsen, Zur Geschichte der Juden in Posen, in: Rhode, a.a.O., S. 243 ff. (255 f.).

2 Der jüngere Bruder Hermann Kantorowiczs, A l f red Kantorowicz (1880 —1962), Professor der Zahnheilkunde in Bonn, von 1933 bis 1947 in Istanbul, g i l t als einer der Begründer der modernen wissenschaftlichen Zahnheilkunde und als Reformator der deutschen Schulzahnpflege („Bonner Model l") ; Inge-borg Rose, A l f red Kantorowicz, Sein Leben und seine Bedeutung für die Zahnheilkunde, Med. Diss. Bonn 1969. Al f red Kantorowicz kam 1933, bevor ihm die Emigrat ion in die Türke i gelang, als Jude und akt iver Sozialdemo-krat für einige Zeit i n eines der ersten deutschen Konzentrationslager; ein erschütterndes Denkmal setzt i hm Walter Langhoff, Die Moorsoldaten, 13 Monate Konzentrationslager, 4. Aufl., Stuttgart 1978, S. 220—222. Eine Tochter A l f red Kantorowiczs, Dorothea, heiratete den amerikanischen Bio-logen Hermann Joseph Mul le r (1890—1967), den Begründer der Strahlen-genetik und Nobelpreisträger für Medizin 1946 (vgl. Thomas Würtenberger jun., Neue Deutsche Biographie, Bd. 11, Sp. 127). Der jüngste Bruder Kanto-rowiczs, Erich, starb schon 1906. Else, die Schwester, emigrierte später zu Bruder A l f red i n die Türkei. Die bei Gustav Radbruch, Der innere Weg,

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10 I . Elternhaus und jüdische Abstammung

jüd ischen Kau fmanns W i l h e l m Kan to row icz u n d seiner F r a u Rosa, geb. Gie ldz insk i , geboren 3 . W i l h e l m Kan to row icz besaß i n Posen e inen Sp r i t -g roßver t r ieb u n d ver legte die F i r m a 1884 nach Ber l i n , w o h i n auch die Fami l i e übersiedelte. V o n 1899 bis 1900 w a r er Ä l tes te r der Be r l i ne r Kaufmannschaf t . E r n a h m auch sonst am öffent l ichen, insbesondere wi r tschaf tspol i t ischen Leben regen An te i l . V o r a l l em t r a t er als übe r -zeugter L ibe ra le r gegen die sich damals b i ldenden Ka r t e l l e e in4 . Du rch die Ka r te l l e werde — so me in te er — der Grundsatz „Leben u n d leben lassen" durch den neuen Grundsatz „ T o d der Konku r renz . W i r a l l e in müssen leben" ersetzt 5 ; an die Stel le des Rechts u n d der Rechtssicherheit sei d ie Gewa l t get re ten 6 ; die den K a r t e l l e n nachgerühmten „Segnungen" bestünden i n W i r k l i c h k e i t gar n icht7 . A l s ob jek t i ve r Beobachter s te l l t W i l h e l m Kan to row icz die Pos i t ion der e inzelnen pol i t ischen Par te ien zum K a r t e l l p r o b l e m genau dar 8 . A l l e seine wi r tschaf tspol i t ischen Schr i f -

2. Auf l . Göttingen 1961, S. 73, erwähnte Hedwig Kantorowicz war eine Cousine Hermann Kantorowiczs. E in Vetter Kantorowiczs war K a r l Lehmann (1858 —1918), Prof. f. Deutsches Recht und Handelsrecht, seit 1888 in Rostock, seit 1911 i n Göttingen; neben seinen rechtshistorischen Arbei ten über langobardi-sches Lehensrecht vgl. v. a. „Das Recht der Aktiengesellschaften" (2 Bde., 1898 —1904) und „Lehrbuch des Handelsrechts" (1907, 2. Auf l . 1912, 3. Aufl., hrsg. von Hoeniger, Halbband 1, 1921); Lehmann war Herausgeber der Zeitschrift fü r das gesamte Handelsrecht und Mi tg l ied der Akademie Christiana.

3 Obwohl auch der berühmte Mediävist und Verfasser der nicht weniger berühmten Biographie Kaiser Friedrich II . , Ernst Har tw ig Kantorowicz (1895 —1963), als Jude i n Posen geboren wurde, besteht keine, jedenfalls keine nähere Verwandtschaft zwischen ihm und Hermann Kantorowicz. Interessant ist folgende Begebenheit: Ernst Har tw ig Kantorowicz wurde 1933/34 zu einem Studien- und Vortragsauf enthalt nach Oxford eingeladen; Cecil M. Bowra, Memories 1898—1939, Cambridge, Mass., 1967, S. 268 berichtet: „Refugees were coming to England and i n an unexpectedly generous moment New College had inv i ted Ernst Kantorowicz, author of a we l l -known and much debated book on Frederick I I , to study here and give some lectures. The inv i ta t ion was ambiguous since some of his hosts confused h im w i t h the legal scholar, Hermann Kantorowicz, who was no relat ion and whom he did not much l ike." Hermann Kantorowicz, der damals noch nicht i n England lebte, hatte — wie dieser Vorfa l l zeigt — durch drei frühere ausgedehnte Vortragsreisen i n Eng-land schon einen relat iv großen Bekanntheitsgrad; zu dem ganzen Vor fa l l vgl. auch Eckhart Grünewald, Ernst Kantorowicz und Stefan George, Wies-baden 1982, S. 125. Die Abneigung dürfte woh l gegenseitig gewesen sein. Ernst Kantorowicz, aus dem Kreis um Stefan George stammend, nahm während der Weimarer Republ ik eine polit isch stark national gefärbte Hal tung ein. M i t einem anderen berühmten Träger des Namens Kantorowicz, dem nicht aus Posen stammenden Schriftsteller und Li teraturhistor iker A l f red Kanto-rowicz (1899—1979), war Hermann Kantorowicz ebensowenig verwandt.

4 Bericht über die Denkschrift der Zentrale für die Spiritusv er Wertung zur Vorbereitung der kontradiktorischen Verhandlungen im Reichsamt des Innern (Einzelschriften zur Kartellfrage), Ber l in 1906, 29 S.; Kartellprobleme, Ber l in 1911, 108 S.; Zur Psychologie der Kartelle, Ber l in 1904, 87 S.

5 Zur Psychologie der Kartelle (Anm. 4), S. 13 ff. 6 Ebd., S. 26. 7 Ebd., S. 30 ff. 8 Kartellprobleme (Anm. 4), S. 2 ff., 7 ff.

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1. Elternhaus 11

ten® bekunden sein ethisch und geistig fundiertes Idealbild des Kauf-mannsberufs.

Die spätere pazifistische Einstellung beider Söhne wurde wohl auch durch das Vorbi ld des Vaters geprägt, der den Mut fand, mitten im Ersten Weltkrieg — seine beiden Söhne Hermann und Alfred hatten sich zu Beginn des Krieges noch freiwi l l ig zum Kriegsdienst gemeldet — eine kleine Schrift zu veröffentlichen, in der er den ,Erziehungspatrio-tismus' seiner Zeit kritisierte. Aus seiner rationalen und objektiven Einstellung heraus fand er „ in etwas altfränkischer Sprache"10 zu noch heute gültigen Einsichten: „Ist erst der Krieg erklärt, so gibt's kein Zurück mehr. Desto gewissenhafter w i rd man, bevor der Krieg erklärt, zu prüfen haben, ob er sich nicht vermeiden läßt, ob das winkende Ziel die großen Opfer lohnt, ob die Vorteile, die man in patriotischer Leiden-schaft dem Vaterlande zuwenden wi l l , auch wirkliche Vorteile sind, ob sie sich unter hohen Gesichtspunkten als solche rechtfertigen lassen, ob die Machtstellung, die man für sein Vaterland erkämpfen wi l l , sich ver-einbaren läßt mit den Rechten, die der staatliche Gegner billigerweise für sich beanspruchen darf. Rohes Faustrecht w i rd nicht edler, wenn man dessen Geltendmachung in den Dienst des Vaterlandes stellt. Mehr Mut gehört oft dazu, das Vaterland zu warnen, als es zu rücksichtsloser Gewalttat zu reizen"11.

Doch auch mi t ästhetischen Fragen beschäftigt sich der Vater, der zwar das humanistische Gymnasium besucht, aber kein Studium absolviert hatte. So veröffentlicht er unter dem Pseudonym Franz Hörmann18

zwei Broschüren unter dem Titel „Von Pyreicus dem ,Kothmaler f oder was nennen w i r ,Kunst4?" und „ I I Campanile di San Marco oder Kunst und Ästhetik"18 . Er lehnt den von Lessing im „Laokoon" entwickelten Schönheitsbegriff ab. Zu dieser Auseinandersetzung war er durch die

9 Vgl. i m übrigen Die Denkschrift des Bundes der Landwirte, Ber l in 1897; Die Branntwein-Steuer -Commission des Reichstages und der Rohspiritus-Handel, Ber l in 1891; Bericht über die neunjährige Wirksamkeit des „Spiri-tusringes", Berl iner Jahrbuch Bd. I I , 1908, S. 94.

10 Imanuel Geiss, Einlei tung zu: Hermann Kantorowicz, Gutachten zur Kriegsschuldfrage 1914, Frankfur t 1967, S. 11.

11 Wilhelm Kantorowicz, Psychologische Mißverständnisse, Ber l in 1916, S. 25.

1 2 Zusammengefaßt aus den Vornamen seiner Söhne (Franz Al f red und Hermann). Auch Hermann Kantorowicz hat später vielfach pseudonym ver-öffentlicht. Vielleicht hat man i m Vorb i ld des Vaters einen weiteren Grund dafür zu sehen; vgl. im übrigen Karlheinz Muscheler, Relativismus und Frei-recht, E in Versuch über Hermann Kantorowicz, Heidelberg 1984, S. 97 Anm. 42.

1 8 Beide Schriften waren m i r nicht zugänglich. Ich verlasse mich hier auf Rose (Anm. 2), S. 9, die bei der Wi twe von Al f red Kantorowicz die beiden Arbeiten in einem Konvolut von Veröffentlichungen Wi lhe lm Kantorowiczs einsehen konnte.