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Die Ebola-Seuche in Westafrika bringt nicht nur immenses menschliches Leid, sondern droht die Wirtschaft der betroffenen Länder sowie das Image des Kontinents Afrika langfristig negativ zu beeinflussen. Es ist jetzt wichtig, den Kontinent in seiner Vielfalt und Unterschiedlichkeit zu begreifen und nicht in althergebrachte Klischees zu verfallen.
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Hintergrund: Ebola Nr. 54 / September 2014 | 1
Ebola in dem Land Afrika Inge Herbert
Die Ebola-Seuche in Westafrika bringt nicht nur immenses menschliches Leid, sondern droht die Wirt-
schaft der betroffenen Lnder sowie das Image des Kontinents Afrika langfristig negativ zu beeinflus-
sen. Es ist jetzt wichtig, den Kontinent in seiner Vielfalt und Unterschiedlichkeit zu begreifen und nicht
in althergebrachte Klischees zu verfallen.
Whrend eines Staatsbesuchs in Schweden sprach der damalige US-Prsident George W. Bush von
Afrika als einem Land, das unter einer furchtbaren Seuche leidet. Auch wenn Prsident Bush in der Folge durch mehrfache Besuche verschiedener Lnder Afrikas die Vielfalt des Kontinents entdeckt hat,
ist die allgemeine Wahrnehmung des Kontinents Afrika noch immer von undifferenzierter Betrachtung
und Berichterstattung gezeichnet. So droht auch die Ebola-Seuche in den westafrikanischen Lndern
Liberia, Sierra Leone und Guinea das Image und die wirtschaftliche Entwicklung des ganzen Konti-
nents negativ zu beeinflussen.
Afrika im Aufwind die Ebola Bremse Noch vor gut einem halben Jahr titelte The Economist Africa Rising a hopeful continent (Afrika im
Aufwind, ein hoffnungsvoller Kontinent). Kriege und Brgerkriege haben abgenommen, mehr Men-
schen engagieren sich in Politik und Zivilgesellschaft und viele Lnder haben Abstand vom sozialisti-
schen konomischen Modell genommen. In dem Artikel wurde weiterhin beschrieben, dass das Brutto-
inlandsprodukt in den Lndern Afrikas durchschnittlich um 6% pro Jahr wchst und, dass sich ausln-
dische Direktinvestitionen in den 54 afrikanischen Staaten in den letzten zehn Jahren von 15 Milliar-
den USD auf 46 Milliarden USD mehr als verdreifacht haben.
Seit einigen Monaten jedoch beherrschen der Ausbruch und die massive Ausbreitung der Ebola-
Seuche in den westafrikanischen Lndern Liberia, Sierra Leone und Guinea die weltweiten Afrika-
Nachrichten. Neben dem dramatischen menschlichen Leid droht die Seuche nun die Wirtschaft der
von Ebola betroffenen Lnder, aber auch die der benachbarten Lnder, sogar die ganz Afrikas negativ
zu beeinflussen. So wird in einem Artikel im Reiseteil der sdafrikanischen Zeitung The Star berich-tet, dass amerikanische Reiseveranstalter Reisen nach Sdafrika wegen des Ebola Risikos absagen. Die Mo-Ibrahim-Stiftung, eine Initiative des sudanesischen Milliardrs Mo Ibrahim, die gute Regie-
rungsfhrung in Afrika untersttzt und mit dem renommierten Ibrahim Preis belohnt, hat das fr Ende November geplante Ibrahim-Forum in Accra abgesagt.
Hintergrund:
Afrika
Nr. 54 / 19. September 2014
Hintergrund: Ebola Nr. 54 / September 2014 | 2
In Abstimmung mit der ghanaischen Regierung sind alle nicht notwendigen internationalen Konfe-renzen in Ghana bis auf weiteres verschoben.
Galgenhumor in Kenia
Auch Kenia ist von Ebola betroffen. Nairobi ist ein internationaler Hub-Umsteigeplatz internationa-ler Fluggesellschaften. Kenya Airways fliegt weiterhin westafrikanische Flughfen, jedoch nicht mehr
die Flughfen in Liberia, Guinea und Sierra Leone an. Kenia wurde krzlich von der Weltgesundheits-
organisation WHO als Hochrisiko Ebolabertragungsland eingestuft. Spontan ergibt sich die Frage:
Warum wird Kenia und nicht Frankreich als Hochrisiko-bertragungsland von Ebola eingestuft? Auch
von Paris aus starten viele Flge nach Westafrika.
Westafrikas Wirtschaft wird
lngerfristig leiden
Senegal gilt seit der Einreise
eines mit Ebola infizierten Stu-
denten aus Guinea ebenfalls als
Ebola-Land. Der Student, der in
einer Klinik in Dakar behandelt
wurde, ist inzwischen geheilt
und aus dem Krankenhaus ent-
lassen. Seine Kontaktpersonen,
die unter einer kontinuierlichen
rztlichen Beobachtung standen,
sind nicht von dem Virus infi-
ziert.
Trotzdem wurden zahlreiche
internationale Konferenzen und
Besuche in Senegal abgesagt.
Auch das amerikanische Basketballteam, das Ende August zu einem Freundschaftsspiel gegen das se-
negalesische Team nach Dakar kommen sollte, hat den Senegal-Besuch wegen des Ebola-Risikos ab-
gesagt.
Viele lokale und internationale Nichtregierungsorganisationen wie die Friedrich Naumann Stiftung fr
die Freiheit (FNF) in Dakar mussten ihre Arbeit aufgrund von Reisewarnungen und Grenzsperrungen
einschrnken.
Senegal und Cte dIvoire, das eine lange Grenze mit Liberia teilt, haben inzwischen medizinische
Auffangstationen eingerichtet, um mgliche weitere aus den von der Seuche betroffenen Lndern
eingeschleppte Ebola-Kranke zu behandeln. Die Bevlkerungen werden kontinuierlich ber die Medien
und Kampagnen des Gesundheitsministeriums ber die Ursachen, Ansteckungswege und Behandlung
der Krankheit informiert.
Senegal gilt als das stabilste Land in der Region Westafrika. Es gibt eine rege Zivilgesellschaft und eine
freie Presse, die sich auch jetzt an der Bewltigung der Ebola-Krise aktiv beteiligt. Seit der Ausbrei-
tung der Seuche wurde die Bevlkerung kontinuierlich informiert, ohne Panik zu erzeugen. Es herrscht
ein breites Vertrauen der Bevlkerung, dass Senegal fr den Kampf gegen Ebola gewappnet ist. Das ist
nicht zuletzt der Verdienst der kompetenten Gesundheitsministerin Dr. Awa Marie Coll Seck, Medizi-
nerin und Mitglied der Regierungspartei APR.
Nicht jeder nimmt die Lage mit Humor wie diese beiden jungen Mnner, die eine alterna-
tive Form der Begrung anstelle von Hndeschtteln demonstrieren.
/ Quelle: FNF-Projekt Westafrika
Hintergrund: Ebola Nr. 54 / September 2014 | 3
Es herrscht jedoch die Sorge, dass
sich die Krankheit ber die Grenze
mit Guinea auch nach Mali ausbrei-
ten knnte. Mali ist immer noch von
den Folgen der Krise im Jahr 2012,
als Islamisten weite Landesteile ein-
nahmen, gezeichnet.
Die nicht von Ebola direkt betroffe-
nen Lnder in Westafrika leiden also
schon jetzt an den Auswirkungen
der Seuche und es ist zu erwarten,
dass sich ihr Wirtschaftswachstum
wegen des Einbruchs von Tourismus
und des Rckgangs von Direktinves-
titionen abschwcht.
Weitaus strker sind jedoch Liberia, Sierra Leone und Guinea betroffen. Die franzsischsprachige Wo-
chenzeitschrift Jeune Afrique berichtet, dass Menschen in den betroffenen Lndern aus Angst vor An-
steckung ihre Huser nicht verlassen. Die Ernte auf den Feldern wird nicht eingefahren. Zudem blo-
ckiert die Sperrung der Grenzen die Einfuhr dringend bentigter Lebensmittel und Hilfs- sowie medizi-
nischer Gter. Mehrere Nachbarlnder wie Senegal und Cte dIvoire haben jedoch inzwischen Korri-
dore fr die Einfuhr dringend bentigter Hilfsgter und die Einreise von Hilfspersonal erffnet.
Die Wirtschaft Sierra Leones hat durch die Ebola Krise 30% eingebt berichtete Sierra Leone's Landwirtschaftsminister Joseph Sam Sesay der BBC Ende August. Konservative Schtzungen von Ex-
perten gehen davon aus, dass die Wachstumsraten von Sierra Leone, Liberia und Guinea um zwei oder
sogar mehr Prozentpunkte nach unten korrigiert werden mssen.
In einem Kommuniqu vom 17. September 2014 fhrt die Weltbank aus, dass aufgrund des Angstfak-
tors die Wachstumsraten eventuell weiter nach unten korrigiert werden mssen. Die Erfahrungen von Reaktionen auf Seuchen wie SARS htten gezeigt, dass die Berechnungen der wirtschaftlichen Aus-
wirkungen einer Seuche nicht allein die direkten Kosten wie Todesflle, Ausfall von Arbeit durch
Krankheit etc., sondern auch den Panikfaktor bercksichtigen mssen, der durch die Angst vor An-
steckung genhrt werde. Dies knne zu einer Rezession in den betroffenen Lndern fhren. Das Wirt-
schaftswachstum in Liberia knnte daraufhin im nchsten Jahr um 11,7% und in Sierra Leone um
8.9% fallen.
Dies ist dramatisch fr Lnder, die auf Platz 175 (Liberia), 179 (Guinea) und 183 (Sierra Leone) des
Human Development Index 2014 stehen. In dem Index werden 187 Lnder aufgefhrt.
Internationales Eingreifen erforderlich
Die Welt hat die Gefahr der Ausbreitung der Seuche in das schon jetzt mit 13 registrierten Ebola Fl-
len betroffene Nigeria mit Mega-Stdten wie Lagos, aber auch ber den afrikanischen Kontinent hin-
aus, erkannt. Fr diese Woche ist eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats anberaumt. Es
geht um 988 Millionen USD fr die Bekmpfung von Ebola in Liberia, Sierra Leone und Guinea. Dies ist
erst das zweite Mal in der Geschichte, dass sich dieses hchste Gremium der internationalen Staaten-
gemeinschaft eines Themas der ffentlichen Gesundheit annimmt.
Plakat am Zaun des Gesundheitsministeriums in Dakar: Ebola - Um uns gegen die Krankheit zu schtzen, waschen wir uns regelmig die Hnde mit Wasser und
Seife. / Quelle: FNF-Projekt Westafrika
Hintergrund: Ebola Nr. 54 / September 2014 | 4
Die amerikanische Botschafterin bei den Vereinten Nationen Samantha Powers sagte in einem Inter-
view am 15. September: Die Entwicklung der Krise ist schwerwiegend, und ohne unverzgliches in-
ternationales Eingreifen stehen wir vor der Gefahr einer Gesundheitskrise, die weit mehr Leben fordern
knnte als wir im Moment annehmen und, die die Lnder Westafrikas eine Generation zurckwerfen
knnte.
Am letzten Dienstag, den 16. September verkndete Prsident Barack Obama, dass 3000 amerikani-
sche Soldaten nach Westafrika geschickt werden, um die betroffenen Staaten beim Kampf gegen die
weitere Ausbreitung der Seuche zu untersttzen. Sie werden beim Aufbau von 17 weiteren Behand-
lungszentren in den am schlimmsten betroffenen Gebieten eingesetzt und bauen ferner ein Trainings-
zentrum auf, in dem 500 medizinische Hilfskrfte pro Woche geschult werden sollen. Gleichzeitig hat
Obama eine Luftbrcke fr medizinisches Personal und Hilfsgter angekndigt, die ber die Zwischen-
station Senegal operieren wird.
Die Europische Union hat ihrerseits zustzlich zu den bereits zugesagten 150 Millionen EURO weitere
78 Millionen EURO zugesagt.
Die Ebola Seuche zeigt einmal mehr, dass die Zusammenarbeit der internationalen Staatengemein-
schaft bei der Bewltigung von lokalen Krisen, die sich rasch zu globalen Krisen ausweiten knnen,
gefordert ist. Regionale Organisationen wie die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS und
die Afrikanische Union sind allein nicht in der Lage, Krisen dieses Ausmaes zu bewltigen. Kritische
afrikanische Stimmen htten sich dennoch ein strkeres Engagement dieser Institutionen gewnscht.
Es ist zu hoffen, dass die mit den von der internationalen Gemeinschaft finanzierten Manahmen,
Gesundheits- und Ausbildungszentren auch lngerfristig die Gesundheitssysteme der betroffenen Ln-
der strken. Nicht nur die von Ebola betroffenen Lnder in Afrika bedrfen dringend einer Reform und
einer Strkung des Gesundheitswesens sowie des politischen Willen, die Ausbildung von rzten und
Personal im Gesundheitssektor zu frdern.
Langfristig fhrt kein Weg an der Reform von Institutionen, dem Einfordern von guter Regierungsfh-
rung durch eine starke Zivilgesellschaft und der kontinuierlichen Investition in Ausbildung vorbei.
Wichtig bleibt es jedoch vor allem, einen Kontinent wie Afrika in seiner Vielfalt und Unterschiedlich-
keit wahrzunehmen und nicht in althergebrachte Klischees zu verfallen.
Inge Herbert ist FNF-Projektleiterin fr Westafrika mit Sitz in Dakar.
Impressum
Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit (FNF)
Bereich Internationale Politik
Referat fr Querschnittsaufgaben
Karl-Marx-Strae 2
D-14482 Potsdam