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Hipster Eine posttraditionale Gemeinschaft?
Universität der Künste Berlin Fakultät Gestaltung Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation Sommersemester 2009 Helge Peters Email [email protected]
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Inhalt
1. Einleitung S. 3
2. Posttraditionale Gemeinschaften und jugendliche Szenen
2.1 Posttraditionale Gemeinschaften S. 4
2.2 Jugendliche Szenen S. 5
2.3 Differenzierung S. 6
3. Hip and cool: Zum Hipster als Identitätsentwurf
3.1 Entstehung: The Hipster and the Organization Man S. 7
3.2 Popularisierung: Hip consumerism S. 9
3.3 Gegenwart: Hipsters never admit to being Hipsters S. 10
4. Hipster: Eine posttraditionale Gemeinschaft? S. 12
5. Zusammenfassung und Ausblick S. 15
6. Literaturverzeichnis S. 16
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1. Einleitung
„The key to coolhunting is to look for cool people first and cool things
later and not the other way round; cool things come and go but cool
people, on the other hand, are a constant.“ (Nancarrow & Nancarrow,
2007,S.139)
SoratenesdieAutorenvon„Huntingforcooltribes“demMarketing,demein
immensesInteresseamVerständnisvonCoolnessattestiertwird.Nurwersind
diesecoolenLeuteundwiekannmansiefinden?Undwollensiegefunden
werden?BeispielegescheiterterVersucheeinealscoolausgemachteZielgruppe
zuadressierenfindensichreichlich(Moore,2007).Esscheinteinegeradezu
konstituierendeEigenschaftderCoolnesszusein,sichihrerKommodifizierung
zuentziehenundimmerwiederneudortaufzutauchen,wosienichterwartet
wird.AndererseitsscheintesimAlltagsverständnisurbanerJugendlicher
durchauseinmehroderwenigerimplizitesWissendarüberzugeben,welche
GruppenundPersonengeradecoolsind:dieRedevondenHipsternmachtdie
Runde.AuchkonsumkritischeStimmenhabendieHipsterschonentdeckt.So
titeltedasAdbustersMagazineüberdie„Hipster:TheDeadEndofWestern
Civilization“undunterstellteihnennichtwenigeralsdieUnterminierung
subversiverJugendkulturenimSinneeinerallgemeinenKommerzialisierung
(Haddow,2008).Bemerkenswertist,dassindenBeschreibungendes
PhänomenszwarvoneinerGemeinschaftodergarSubkulturderHipsterdie
Redeist,einepositiveSelbstidentifikationalsHipsterjedochnichtaufzufinden
ist.Einepejorativebzw.ironischeVerwendungdesBegriffsherrschtvor,
dennochwirdeineGemeinschaftunterstellt,dieaufdenerstenBlickMerkmale
einerposttraditionalenGemeinschaftbzw.einerjugendlichenSzeneaufweist.
DahersolldieseArbeitherausarbeiten,inwiefernessichbeidenHipsternum
eineposttraditionaleGemeinschafthandeltundfallsdiesderFallist,obsieim
engerenSinnealsjugendlicheSzeneidentifiziertundabgegrenztwerden
können.DazusollenzunächstdieBegriffeposttraditionaleGemeinschaftund
jugendlicheSzeneentwickeltwerden,anschließenddasPhänomenHipstervon
seinerEnstehungbisheutebeleuchtetundzuletztdiskutiertwerden,obdie
entwickeltenBegriffedasPhänomenHipsterfassenkönnen.
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2. Posttraditionale Gemeinschaften und jugendliche Szenen
2.1 Posttraditionale Gemeinschaften
DerBegriffderposttraditionalenGemeinschaftbeschreibtzeitgenössische
Gesellungsformen,dieunterdenBedingungenspätmoderner
VergesellschaftungFunktionenderSinnsetzungundSozialisationerfüllen,sich
jedochvontraditionellenGesellungsformenwieKirche,Verein,Parteietc.
dadurchunterscheiden,dasssiewenigerverbindlichsindundstattdessenauf
der„VerführunghochgradigindividualitätsbedachterEinzelnerzur
(grundsätzlichpartiellen)habituellen,intellektuellen,affektuellenundvor
allemästhetischenGesinnungsgenossenschaftbasieren“(Hitzler,Bucher&
Niederbacher,2005,S.18).Individuenentscheidensichfürdiezeitweilige
ZugehörigkeitzueinerposttraditionalenGemeinschaftkontingentundfreiwillig
aufgrundderVermutungeinergemeinsamenInteressenfokussierung,wobeisie
dieIntensitätdieserZugehörigkeitselbstbestimmen(Hitzler,Honer&
Pfadenhauer,2008,S.9f).
DabeikommteineGemeinschaftsauffassungzumTragen,dieaufdie
individuelleReproduktionvonGemeinschaftundvorallemdieEntscheidung
fürTeilhabeaneinerGemeinschaftunterAbwägungdererheischtenVorteile
verweist.EinflussreichaufdieBildungdesBegriffsderposttraditionalen
GemeinschaftwarderfranzösischeSoziologeMichelMaffesoli,dermitseinem
KonzeptderpostmodernenStammeskulturenausdrücklichdieemotionale
HingabeundkultischeFokussierungdieserArtvonGemeinschaftenbetonte,die
mitdemVersprechenefferveszenterErlebnissezurMitgliedschaftimmer
wiederneuverführenmüssen,worausihreUnbeständigkeitundrelative
Kurzlebigkeitresultiert(Hitzleret.al.,2005).Dabeiwirddie„temporale
Begrenzung[...]durchIntensivierungkompensiert“(Prisching,2008,S.38).
MitgliedineinerposttraditionalenGemeinschaftist,wersichzudenfüreine
spezifischeGemeinschaft„symptomatischenZeichen,SymbolenundRitualen“
(Hitzleret.al.,2008,S.13)bekenntundsichdamitfüreineMitgliedschaft
entscheidet.PosttraditionaleGemeinschaftenfindensichnichtvölligbeliebig
zusammen,sondernverfügentypischerweiseübereinenspezifischen
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„Vergemeinschaftungs‐Content“(Prisching2008,S.43),dersichin
unterschiedlichenIntensitätenabbildenkann.Zusammengefasstlässtsich
sagen,dassposttraditionaleGemeinschaftenzwarstrukturelllabileGefäße
individuellerNeigungensind,aberfürihreTeilhabendeneinesozialintegrative
Funktionhaben,diedurchausvergleichbarmitderereingelebterMilieusist
(Hitzleret.al.,2008,S.18).
2.2 Jugendliche Szenen
EinealtersspezifischeAusprägungposttraditionalerGemeinschaftensind
jugendlicheSzenen,dievonHitzler,BucherundNiederbacher(2005)wiefolgt
definiertwerden:
„Thematisch fokussierte kulturelle Netzwerke von Personen, die
bestimmte materiale und/oder mentale Formen der kollektiven
SelbststilisierungteilenundGemeinsamkeitenantypischenOrtenundzu
typischenZeiteninteraktivstabilisierenundweiterentwickeln“(Hitzler,
Bucher&Niederbacher,2005,S.20)
DerSzenebegriffwirdvondenAutorenweiterausdifferenziert:Szenegänger
teilendaszentraleThemaderjeweiligenSzeneundkonstituierensie
kommunikativinInteraktionen.SieverortensichsozialinnerhalbvonSzenen
undeignensichfürdieSzeneteilhabeadäquatekulturelleKompetenzenan.
DabeiistvorallemdieStilisierungwichtig,dasnachszenespezifischen
ästhetischenKriterienselektierteVerwendenvonZeichenarrangementsmitder
Absicht,einenkulturellkompetentenundzugleichoriginellenEindruckzu
machen.InderBeherrschungderStilisierung,derenKriteriendiffusund
implizitbleiben,drücktsichdiewahrgenommeneAuthentizitätder
Szeneidentifikationaus.DertypischeSzenegängerverfügtübereinlangfristig
erworbenesWissenundKönnen,identifiziertsichmitderSzenekultur,handelt
wertrationalundstilisierendundpflegteinenLebensstil,indemdas
Szeneengagementdominiert.InAbrenzungdazugruppiertsichumdie
SzenegängerherumeinPublikum,dassichfürdasSzenegescheheninteressiert,
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wobeieinWechselvomPublikumsteilnehmerzumSzenegängerdurch
intensivierteTeilhabeamSzenegeschehenerfolgenkann.
SzenensinddurchihrenTeilzeitcharakterbedingtlabileGebilde.Siebrauchen
typischeTreffpunkte,interneMedienundmehroderwenigeraufwendigund
professionellorganisierteEvents,diedasWir‐Gefühlaktualisierenbzw.erst
herstellenundintensivieren.DieseEventsundMedienwerdenvon
Organisationselitenproduziert,umdiesichdieSzenealseinNetzwerkvon
Gruppenbildet.DieOrganisationselitenmüssensichdabeiaufeinen
dynamischenWechselprinzipiellinstabilerTrendsundModeninnerhalbder
Szeneeinstellen.EinetrennscharfeAbgrenzungzwischeneinzelnenSzenenist
oftmalsnichtmöglich:IhreRänderbleibendiffusundmehrereSzenenkönnen
ineinanderverwobensein.DennochunterscheidenHitzler,Bucherund
NiederbacherindreiverschiedeneSzene‐Typen:DieSelbstverwirklichungs‐
Szenen,derenFokusaufderHerausbildungpersönlichenKönnensliegt,die
Aufklärungs‐Szenen,dievoneinemWillenzurVeränderungderWeltgeprägt
sindunddiehedonistischenSzenen,dievorallemaufdenKonsum
vergnüglicherErlebnisangebotezielen.
2.3 Differenzierung
Hitzler,BucherundNiederbachergehendavonaus,dass„SzenenihreKohäsion
ausästhetisch‐stilistischenGemeinsamkeitenimHinblickaufeinen
gemeinsamenFokusbeziehen“(Hitzler,Bucher&Niederbacher,2005,S.31).
UmvoneinerSzenealswahrgenommenerRealitätfürihreSzenemitglieder
überhauptsprechenzukönnen,müssendieseGemeinsamkeitenkommunikativ
undinteraktivinSzenegesetztwerden.DieAutorenuntersuchendafürInhalte
vonKommunikationundInteraktionwiethematischenFokus,Einstellungen,
Motive,Lebensstil,TreffpunkteundEvents,Kleidung,MusikundMedien.Um
einejugendlicheSzeneimSinnederAutorenidentifizierenzukönnen,müssen
bestimmtepersonaleEigenschaftendesSzenegängersidentifizierbarsein:ein
langfristigerworbenesWissenoderKönnen,eineIdentifikationmitderSzene,
einwertrational‐stilisierenderHandlungsmodusundeinLebensstil,indemdas
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Szeneengagementdominiert.DarüberhinausmussdieLebensweltdes
SzenegängersdurchszenetypischeTreffpunkte,EventsundinterneMedien
strukturiertsein(Ebd.,S.220).
DerBegriffderposttraditionalenGemeinschaftistweitergefasst.Darunter
könnensounterschiedlichePhänomenewiejugendlicheSzenenund
„erwachsene“MarkengemeinschaftenwiedieApple‐oderHarley‐Davidson‐
Community,aberauchsituativeEvent‐GemeinschaftenwiedasPublicViewing
beiFußballweltmeisterschaftenoderkatholischeWeltjugendtagegefasst
werden(Hitzler,Honer&Pfadenhauer,2008,S.20ff).ImVordergrundsteht
hierdiemehroderwenigerflüchtigeVergemeinschaftungdurcheinegeteilte
ästhetischeErfahrungmitpotentiellefferveszenterQualität.Die
posttraditionaleGemeinschaftkanndamitalsOber‐unddiejugendlicheSzene
alsUnterbegriffangesehenwerden.
3. Hip and cool: Zum Hipster als Identitätsentwurf
3.1 Entstehung: The Hipster and the Organization Man
DerUrsprungdesBegriffshipbzw.Hipsteristumstritten(Tolstad,2006,S.3f),
wirdjedochmitderafroamerikanischenKulturder1950erJahrein
Zusammenhanggebracht.PopularisiertwurdeervonweißenIntellektuellen
wieNormanMailerundJackKerouac,dieinderNachkriegszeitdenals
konsumfokussiertundkonformempfundenenLebensstilderweißen
MehrheitsgesellschaftmiteineralsauthentischimaginiertenLebensweiseder
urbanenAfroamerikanerkontrastierten(Ross,1989,S.68f).UmNewYorker
JazzclubsgruppiertensichsogenannteHipsterundBeatniks,Weiße,dieinder
afroamerikanischenMusikeineFoliefürdieAktualisierungderzentralen
NarrativederBohèmefanden,diesichbereitsimfrühenneunzehnten
Jahrhundertherausbildeten:Rebellion,Zurückweisungökonomischer
SicherheitderMittelschichten,einLebeninRisiko,Armutundkonstanter
TransgressiongesellschaftlicherNormen;nichtzuletztExzess,extreme
ErfahrungenallerArtundeinkreativerEntwurfdesSelbst(Wilson,1999,S.13).
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EingebettetwardieseskulturellePhänomenineinenbreitrezipiertenDiskurs
umEntfremdungsempfindenundKonformitätineinerkonsum‐und
arbeitsorientiertenMassenkultur,derenProtagonistenimvonWilliamH.
Whytebeschriebenen„OrganizationMan“‐demAngestellteneinergroßen
Organisation,dergraueFlanellanzügeträgtundtäglichvonSuburbiazurArbeit
pendelt‐ihreprototypischeEntsprechungfanden(Frank,1997,S.10f).
AntithetischdazuwurdederHipsterkonstruiert:Einamerikanischer
Existentialist,dersichvonderArbeitsethikabgewandthatundfürden
unmittelbarenGenusslebt,seinerAbscheugegendieKonformitätmitJazz,Sex,
DrogenundschwarzemSlangAusdruckverleihtunddemgesellschaftlichen
AnspruchanAnständigkeitmitseinemVerlangennacheinem„orgasmmore
apocalypticthantheonethatprecededit“(NormanMailer,zitiertnachFrank,
1997,S.12)begegnet.
HipundcoolkönnenalsSynonymeangesehenwerden(Leland,2004,S.11)und
soverwundertesnicht,dassvordiesemzeithistorischenHintergrunddasbis
heutewirkmächtigeKonzeptderCoolnessausdifferenziertwurde.AlsStrategie,
sichgegendieReizüberflutunganonymisierterGroßstädtezuschützenund
gleichzeitigexpressiveIndividualitätzuinszenieren,wurdesiebereitszur
JahrhundertwendeinGrundzügenvonGeorgSimmelbeschrieben,freilichohne
diesexplizitCoolnesszunennen(Düllo,2005,S.55ff).Das„keepcool“,mitdem
derafroamerikanischeAktivistMarcusGarveywährendderHaftseine
Anhängerberuhigte,erweitertesichzueinerstrategischenPraxisrassistisch
Marginalisierter,derenLakonie,StilundDistanzgebarenvondenHipstern
bereitwilligalsDistinktionsmittelaufgegriffenwurden(Ebd.,S.61).Coolsein
hieß,wissendzusein,nonchalantundselbstbewusst:„unfazedbythebullshitof
life“(Tolstad,2006,S.4).AlsGleichzeitigkeitvonIndifferenzundInteresse
solltesichdieCoolnessvoneinerStrategiedermarginalisiertenAfroamerikaner
umaufdemFelddersieausschließendenweißenMehrheitsgesellschaft
navigierenzukönnen,zumattraktivenVerhaltensmodellderindividualisierten
Moderneentwickeln–biszumheutigenTage(Düllo,2005,S.60).Dabeiistcool
keineunveränderlicheQualitätfeststehenderDinge.DasDistinktionsmittel
CoolnessbildetkulturellesKapitalimBourdieuschenSinneundistalssolches
GegenstandständigerNeuverhandlungen(Nancarrow&Nancarrow,2007,S.
9
131f).JemehrMenschenandiesemDistinktionsmittelteilhaben,destoweniger
distinktivwirktes,sodasssichdiekonkretenZeichenundPraktiken,indenen
sichCoolnessmanifestiert,ständigverschiebenmüssen,umerneutKnappheit
zugewährleisten(Tolstad,2006,S.128f).
DieDynamikdieserVerschiebungwirddabeideutlichdurchdieVermarktung
vonCoolnessbeeinflusst,derenEntstehungimfolgendenKapitelskizziertwird.
3.2 Popularisierung: Hip consumerism
WährendsichAnfangdersechzigerJahredieHipsterundBeatnikszuHippies
undanderenSubkulturenausdifferenzierten,begannauchdieKonsumkultur
coolzuwerden.NichtnurwollteeinwachsenderJugendmarktbedientwerden,
auchließensichmitdenBildernimaginierterRebellionWarenandie
Mehrheitsgesellschaftverkaufen,diedurchLifeundReader´sDigestvomneuen
GeistderZeiterfahrenhatte(Frank,1997,S.14).Nichtzuletztspiegeltedas
BemühenderWerbung,einencoolenTonzutreffen,aucheinenWandelinder
UnternehmenskulturderWerbeagenturenselbstwieder,diesichnachdem
statistisch‐wissenschaftlichennunvermehrteinenkreativ‐künstlerischen
Anspruchsetzten:„Onedayin1967MadisonAvenueManshedhisgrayflannel
suitandleapedheadlongintoyouthculture“(Ebd.,S.106).
BeispielhaftnutztedieHerrenmodebranchedieGegenkulturmitihrer
VerachtunggegenüberKonformitätundMassenkonsumalsVehikelihres
eigenenWandels:
„In 1967, the menswear industry discovered the perfect symbol with
which to unite its fantasies of youth and rebellion: the counterculture.
Advertisers began to make heavy use of hip imagery to buttress the
revolutionaryclaimstheyhadbeenmakingandtoconvinceretailersof
theirproducts´rebelauthenticity“(Ebd.,S.215)
DembeschleunigtenLebenszyklusderModeprodukteaufgrundder
InszenierungvonmodischerundcoolerKleidungalsAusdruckindividueller
PersönlichkeitwurdeeineerhöhteProfitträchtigkeitbescheinigt‐wasinsofern
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ironischist,dadievondenHipsternrezipiertenKritikerdesMassenkonsums
desseneingeplanteObsoleszenzursprünglichbesondersablehnten(Ebd.,S.
197).
DieseAneignungzunächstoppositionellerZeichenundPraktikendurchdie
Konsumkultur,dieallerdingsimEuropadesneunzehntenJahrhundertsinder
WechselwirkungzwischenbourgeoiserKulturundBohème‐Kulturschonihre
Vorläuferhatte(Wilson,1999),solltesichbiszumheutigenTagebeider
EntstehungneuerSubkulturenundihrerVermarktungwiederholen(Moore,
2007).DieAblehnungvonKonformitätunddieBetonungdesindividuellen
Ausdrucks,dievondenHipsternnochinOppositionzumMassenkonsum
entworfenwurde,verändertenichtnurdieModebranche,sondernaffizierte
weiteTeilederKonsumkultur,diesichaufeineWeiseneuerfand,dienoch
heuteaktuellist:
„Notonlydoeshipconsumerismrecognizethealienation,boredomand
disgustengenderedbythedemandsofmodernconsumersociety,butit
makes of those sentiments powerful imperatives of brand loyalty and
acceleratedconsumption“(Frank,1997,S.231)
DieseVermarktungderCoolnesssolltefürdasSelbstverständnisderHipster
unsererZeitprägendsein.
3.3 Gegenwart: Hipsters never admit to being Hipsters
ImJahr2001wurde„TheHipsterHandbook“vonRobertLanham(2002)für
denMargaret‐Mead‐Awardnominiert,mitdemdieSocietyforApplied
AnthropologyjungeWissenschaftlerauszeichnet,dieanthropologische
ForschungeinembreitenPublikumbekanntmachen(Ebd.,S.2).Weitdavon
entfernteinakademischerTextzusein,typologisiertdasBuchleichtfüßigund
ironischdieHipsterderJahrtausendwendeinallihrenErscheinungsformen,mit
einemräumlichenFokusaufdenLebensmittelpunktdesAutors,denhippenund
jungenNewYorkerStadtteilWilliamsburg.LanhamkartographiertdasFeld
zeitgenössischerCoolnesszwischenallerleiStilpräferenzenfürFrisuren,
11
Barttrachten,Zigaretten‐undBiermarken,Kleidungsstilen,Filme,Bands,
KünstlerundDichter,sowiedemtypischenSprachgebrauch,Verhaltensweisen
undderLebensführungderHipsterNordamerikas.Bemerkenswertist,dass
sichalleinbeidenangeführtenLiteraturvorliebenmitWilliamS.Burroughsund
AllenGinsbergBezügeaufdiehistorischenHipsterderBeat‐Ärafindenlassen
(Lanham,2001,S.128).SounterscheidensichdieHipstervonheutedennauch
in(wenigstens)dreizentralenPunktenvonihrenhistorischenVorläufern:Ihre
stilistischenOptionenhabensichzueinerPalettevonZitatenausdiversen
EpochenundSubkulturenerweitert,dieinihrerUnterschiedlichkeitnurdavon
zusammengehaltenwerden,dasssiecoolsind.Waswiederumcoolist,wirdin
einemdynamischenProzessderSelbst‐undFremdbeobachtungständigneu
ausgehandelt(Leland,2004,S.8).Zuletzthängtdamitzusammen,dassdie
IdentitätszuschreibungHipstervondenProtagonistenderCoolnessnicht
angenommenwerdendarf,umimFeldderCoolnesszubestehen,gleichwohl
gemeinschaftsstiftendeMerkmaleoffensichtlichvorhandensind,dieeinesolche
Identitätszuschreibungnahelegenwürden:„Hipstersneveradmittobeing
Hipsters.Theyaretocooltobroachthesubject.“(Ebd.,S.13).AlsGemeinschaft
derIndividualisten,dieeifersüchtigüberdenZugangzumkulturellenKapital
Coolness–alsoderKompetenzzurlakonischenDifferenzinszenierung–wachen
muss,legendieHipstergroßenWertdarauf,ebenkeineGemeinschaftzusein,
dadiesimplizierenwürde,siesuchtendieCoolnessinderGemeinschaft,
anstattsieindividuellganzselbstverständlichzubesitzen:„Itiscooltobeon
theinside,butitisnotconsideredcooltowanttobeontheinsideortocare
aboutwhetheryouareontheinsideornot“(Tolstad,2006,S.60).Folgerichtig
lassensichheutezweiBedeutungendesBegriffsHipsterfesthalten,dievonder
Sprechpositionbestimmtwerden:einerseitsalsBeschreibungderGemeinschaft
derCoolendurchdieUncoolen,andererseitsalsabwertendeBeschreibungder
Uncoolen,diedanachstrebencoolzusein,durchdieCoolen(Ebd.,S.83).Denn
CoolnessresultiertnichtalleinausdersouveränenAnwendungderrichtigen
PraktikenundSymbole,esmussauchderAnscheingewecktwerden,diese
AnwendungentsprecheeinergleichsamauthentischeninnerenVerfasstheitdes
Handelnden(Ebd.,S.42).
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EineParadoxiederGemeinschaftsbildungspanntsichauf:Hipsterbegreifen
sichalsIndividueninOppositionzueinerMainstream‐Kultur,aufderenFeldsie
mithilfederCoolnessnavigieren.DiegeteilteErfahrungeiner,letztlichauf
eigenerEntscheidungberuhenden,MarginalisierungbildetdieGrundlageihrer
Vergemeinschaftung‐unddafür,CoolnessalskulturellesKapitalverhandelnzu
können,dasallerdingsnurimVerhältniszueinemausgeschlossenenAnderen,
derdiesesKapitalzwaranerkennt,abernichtkennt,bestehenkann(Bourdieu,
1987,S.503ff).DadiesesKapitalallerdings,wieinKap.3.2ausgeführtwurde,
vonrelevantenTeilenderMainstream‐KulturaktivnachgefragtundderZugang
zudenSymbolenundPraktikenderMarginalisierteneinigermaßenerfolgreich
vermarktetwird,musseineDifferenzzudieserNachfragekonstruiertwerden.
DarausresultierteindynamischerWandeldercoolenPraktikenundSymbole
undvorallemdieaktiveAbwehrwenigerderMainstream‐Kultur,zudersich
sowiesoinOppositionbegriffenwird,alsvielmehrderAspirantenderCoolness,
diesichoffenaufeineGemeinschaftderHipsterbeziehen:
GemeinschaftsbildungdurchNegationderGemeinschaftistdieFolge(Tolstad,
2006,S.58).
4. Hipster: Eine posttraditionale Gemeinschaft?
WieinKap.3.3gezeigtwurdeisteswenigzielführend,eineBeschreibungder
Stilpräferenzenmodischer,musikalischeroderähnlicherNaturderHipsterzu
unternehmen–siebefindensichineinemstetigenFluss.SobeschreibtIngridM.
TolstadinihreranthropologischenFeldforschunginmittenderHipster
WilliamsburgsdenWandeldesdominierendenMotivseinesPost‐PunkRevival
zumNew‐FolkRevival,eineRekontextualisierungderZeichenweistneuen
MotivenCoolnesszu,währenddiealtenimMainstreamaufgehen;die
Interaktionsmusterbleibenjedochdieselben(Tolstad,2006,S.99ff).Aussagen
zuquantifizierendenStrukturdaten,Szenedifferenzierungenund–
überschneidungensowieGeschlechterrollenwürdeneineempirische
Untersuchungvoraussetzen,diedenRahmeneinerHausarbeitübersteigt.
DennochlassensichindenUntersuchungenvonErikssonundGretarsdottir
13
(2006)sowiederbereitsgenanntenFeldforschungvonTolstadHinweiseauf
szenenkonstituierendeMerkmalefinden,dieeineBeantwortungderFrage
unterstützen,obessichbeiHipsternumeinejugendlicheSzenehandelt.
DerthematischeFokusderHipsteristderkreativeEntwurfunddieals
authentischdeklarierteAnwendungcoolerPraktikenundSymbole,wasein
langfristigerworbenesWissenundKönnenvoraussetzt.DieBetonung
individuellerKreativitätgegenüberKonformitätfindetineinemwertrational‐
stilisierendenHandlungsmodusihreEntsprechung.Massenhaftproduzierteund
vermarkteteKonsumgüterwerdenabgelehnt,wasmiteinerhohenSensibilität
gegenüberMarktingmaßnahmenundalsvorgefertigtempfundenenTrends
korrespondiert(Eriksson&Gretarsdottir,2006,S.9ff).IhrLebensstilkreistum
dieAblehnungeinesalskonformempfundenenLebensvollzugs,ausdemdie
Arbeitin‐zumindestdemSelbstverständnisnach–nichtvorrangig
kommerziellorientiertenKultur‐undKunstprojektenoftalsAusweg
empfundenwird(Tolstad,2006,S.55ff,59ff,68ff).TypischeTreffpunktesind
bestimmtePlattenläden,BarsundCafés,diealscoolangesehenwerden(Ebd.,S.
43ff).GroßenRaumnimmtderBesuchvonSzeneeventswieKonzertenund
Partiesein,fürdieüberszeneinterneMedienwieMailinglistenundBlogs
geworbenwird.DabeihabenexklusivePartieseinenhohenStellenwert,dievia
Mundpropagandakommuniziertwerdenundvondenenentsprechendnurder
SzenekernKenntnishat(Tolstad,2006,S.59f).BesonderenWertlegendie
HipsteraufeinendistinktivindividuellenKleidungsstil,dessenRequisitenin
SecondHandShopsbzw.Lädenerworbenwerden,diemitlimitiertenAuflagen
nochweitgehendunbekannterDesigneraufwartenkönnen.Oftwirdsichdann
durchUmnähenundkleinereVeränderungendieKleidungindividuell
angeeignet(Eriksson&Gretarsdottir,2006,S.29ff).Insofernsinddurchaus
Merkmalevorhanden,dieeineSzeneals„interaktivesNetzwerksamteiner
eigensinnigenKultur“(Hitzleret.al.,2005,S.222)konstituieren–bisaufdie
Selbstidentifikation,diesichausderBetonungvonIndividualitätherausalseine
paradoxeVergemeinschaftungaufderGrundlageeinerkollektivenNegation
vonGemeinschaftabbildet.Entsprechendplädiereichdafür,Hipsternichtals
einejugendlicheSzeneähnlichdenvonHitzleret.al.untersuchtenSkatern,
Kletterern,Antifasetc.sondernals„anderesozialeFormation“(Ebd.,S.219)zu
14
bezeichnen,dabeidenvonHitzleret.al.beschriebenenSzenegängerneine
positiveIdentifikationmitihrerjeweiligenSzenezentralfürihr
Selbstverständnisist.ElementederHipster‐vorallemdieOrientierungan
einemdistinguiertenundexklusivenKonsumverhalten,dessen
KonstruktionsprinzipiensichfürAußenstehendeverbergen‐lassensichzwar
indenvonHitzlerundPfadenhauer(2006)beschriebenenUrbanenStylern
wiederfinden,einemKonsumenten‐Typus,derbestrebtistTrendsbereitsvor
derbreitenMassezuantizipieren,wobeihieraberdasAugenmerkmehraufder
Neuheit,LimitierungundHochpreisigkeitderkonsumiertenLifestyle‐Produkte
liegt.
Der„Vergemeinschaftungs‐Content“derHipsteristCoolness,seinekonkreten
ÜberformungenändernsichjedochsoschnellwieihreVermarktungeinsetzt.
CoolnesserweistsichdabeialsparadoxeInszenierung,brauchtsiedochals
dezidierteigenmotivierteAufführungdennocheineBühneumalssolche
approbiertwerdenzukönnen.DieseBühnebildeteinerseitsdieGemeinschaft
derCoolenbzw.ebenderHipster,denendieKompetenzzurUnterscheidung
zwischencoolerunduncoolerAufführungunterstelltwird,undandererseits
eineMainstream‐Kultur,zuderDifferenzkonstruiertwird(Tolstad,2006,S.
75f).InAnlehnunganPrischingkannalsofestgehaltenwerden,dassbeim
VergemeinschaftungserlebnisderHipster„nichtdieGemeinschaft,sondernder
WiderscheinderGemeinschaftimIndividuumdasWichtige“(Prisching,2008,S.
38)ist.InderKonzeptionvonCoolness,dieeinerseitsaktivundimHinblickauf
einPublikumgestaltetundandererseitsalswesenshaftverankertaufgeführt
wird,spiegeltsichdieKonzeptiondespostmodernenIndividuums,dassich
selbstalsEinzelstückgestaltenundandererseitsseinenvorgefundenen„wahren
WesenskernzumVorscheinbringen“(Ebd.,S46)muss.Wiegezeigtwurde,
existiertbeidenHipsterntrotzderexplizitenZurückweisungeiner
Gemeinschaft,dieaufdenskizziertenVerhandlungsbedingungenvonCoolness
basiert,einefeststellbarehabituelle,affektuelleundästhetische
Gesinnungsgenossenschaft,diesichinsichdynamischverändernden
symptomatischenZeichen,SymbolenundRitualenausdrücktundaufEvents
sinnlicherfahrbarwird.InsofernkanndurchausvondenHipsternalseiner
posttraditionalenGemeinschaftgesprochenwerden,zuderenIdiosynkrasienes
15
gehört,sichgeradenichtalsGemeinschaftzubezeichnen,sondernsichnurals
solchezuerfahren.
5. Zusammenfassung und Ausblick
Eskonntegezeigtwerden,dassHipsterzwarkeinejugendlicheSzeneim
engerenSinnesind,jedochalsposttraditionaleGemeinschaftimweiterenSinne
bezeichnetwerdenkönnen.EsbleibtkünftigenArbeitenvorbehalten,die
AttraktivitätdesoffenenunddynamischenIdentitäts‐und
GemeinschaftsentwurfsHipstergegenüberanderenSzenen,Subkulturenund
GemeinschaftenvordemHintergrundeinerpostmodernen
Identitätskonzeptionherauszuarbeiten,dieKontingenzundMultioptionalität
bewältigenmuss.ErtragreichwäresicherlichaucheinekritischeBetrachtung
derAuthentizitätskonstruktioninnerhalbderInszenierungvonCoolness
mithilfederBeschreibungvonModealsBeobachtungzweiterOrdnung,wiesie
ElenaEsposito(2004)versucht.Schließlichundzuletztgründetsichauchdie
VergemeinschaftungderHipster,wiewohlsiesichganzindividualistischim
GegensatzzueineralskonformistischempfundenenKonsumkulturentwirft,
zuvörderstaufKonsumentscheidungen,waskaumimWiderspruchzum
herrschendenParadigmaderSpätmodernesteht:
DerIndividualismusistinderVerbrauchergesellschaftdas,wasdieWare
in der Industriegesellschaft war: ein Fetisch – ein ganz und gar
menschliches Produkt, dem man übermenschliche Autorität zuspricht,
indem man seine allzumenschlichen Ursprünge und die menschlichen
Aktivitäten,durchdieeshervorgebrachtwurde(dennwiesollteessonst
entstehen?) vergessen macht oder sie für irrelevant erklärt. [...] Die
IndividualitätdesVerbrauchersentstehtausdenEntscheidungen,dieer
beimEinkaufentrifft“(Bauman,2007,S.134)
WiedistinktivdieseEntscheidungenletztlichtatsächlichwirken,hängtdavon
ab,mitwelchemGeschickdenBestrebungendesMarketingszudenSymbolen
undPraktikenderCoolnessaufzuschließen,entgangenwerdenkann.
16
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