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Priorität für Großgeräte Das Plenum der Hochschulrekto- renkonferenz (HRK) hat sich nach- drücklich dafür ausgesprochen, die Großgeräteausstattung der Hoch- schulen zu verbessern. Dabei geht es um Geräte, die mehr als 250 000 DM kosten. Die Chance dazu lie- fern die zusätzlichen Mittel, die die Bundesregierung für den Hoch- schulbau zur Verfügung stellt (28. Rahmenplan). HRK-Präsident Prof. Klaus Landfried erklärte, die anhal- tende Unterfinanzierung der ver- gangenen Jahre habe sich vor allem zu Lasten der Geräteausstattung an den Hochschulen ausgewirkt. Diese sei inzwischen vielfach veraltet. Trotz eines hohen Sanierungsbe- darfs bei Bauten müsse deshalb jetzt die Geräteausstattung Priorität erhalten. Der Investitionsstau für Großgeräte belaufe sich inzwischen auf etwa eine Milliarde DM. Das Finanzvolumen für Großgeräte ist im Zeitraum 1992 bis 1998 etwa halbiert worden. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit vor allem der experimentellen Fächer ist nach Ansicht der HRK in Frage gestellt. Sie könne auch durch Drittmittel nicht aufgefangen werden. Die Un- terbrechungen des Computer-Inve- stitions-Programms beeinträchtige eine zeitgemäße Ausbildung, der Anschluß an internationale Daten- übertragungsnetze werde behindert. Die HRK stimmt mit dem Wissen- schaftsrat überein, daß die anhal- tend unzureichenden Reinvestitio- nen für wissenschaftliche Großgerä- Physikalische Blätter 55 (1999) Nr. 4 6 Aktuell te der Ausbildung und der For- schung gleichermaßen schaden und die internationale Anziehungskraft der deutschen Hochschulen beein- trächtigen. „Diploma Supplements“ Die Hochschulrektorenkonferenz empfiehlt, den Abschlußzeugnissen deutscher Hochschulen künftig ein „Diploma Supplement“ beizufügen. Dieses gibt in einer standardisierten englischsprachigen Form ergänzen- de Informationen über Studienin- halte, Studienverlauf, die erworbe- nen akademischen und beruflichen Qualifikationen und über die verlei- hende Hochschule. Dies soll die Anerkennung und Bewertung deut- scher Abschlüsse im Ausland er- leichtern. Einen ähnlichen Vor- schlag hatte im vergangenen Jahr die Konferenz der Fachbereiche Physik vorgelegt (Phys. Bl., Juli/ August 1998, S. 580). Innerhalb Deutschlands soll das „Diploma Supplement“ auch dazu dienen, Inhalte und Qualifikationen der neu eingeführten Studienpro- gramme mit Bakkalaureus/Bache- lor- und Magister/Master-Abschluß transparent zu machen. Das „Di- ploma Supplement“ ist aus einer ge- meinsamen Initiative der EU, des Europarates und der UNESCO ent- standen. Nach erfolgreichen „Test- läufen“, an denen 1997/98 42 inter- nationale Hochschulen beteiligt wa- ren, soll das Zertifikat nun in fast allen europäischen Staaten einge- führt werden. KMK: Strukturvorgaben für Master- und Bachelor-Grade Die Kultusministerkonferenz hat auf ihrer 285. Plenarsitzung am 4./5. März 1999 länderübergreifen- de Strukturvorgaben für die Ein- führung der neuen Bachelor/Bak- kalaureus (BA) und Master-/Magi- sterstudiengänge (MA) beschlossen. Die Regelstudienzeiten sollen – wie im novellierten Hochschulrahmen- gesetz festgelegt – für BA-Studi- engänge mindestens drei und höch- stens vier Jahre betragen, für die MA-Studiengänge mindestens ein und höchstens zwei Jahre. Wird der MA-Studiengang im Anschluß an den BA-Abschluß absolviert, so be- trägt die gesamte Regelstudienzeit höchstens fünf Jahre. Das neue Graduierungssystem steht eigen- ständig neben den herkömmlichen Studiengängen: Es kann jeweils nur ein Abschluß verliehen werden, al- so z. B. entweder der Master oder das Diplom. Möglich sind aber Gleichwertigkeitsbescheinigungen, wobei im internationalen Vergleich Diplom- und Magisterabschlüsse der Universitäten dem Master ent- sprechen. Ein „Diploma Supple- ment“, wie es auch die Hochschul- rektorenkonferenz anregt, gibt Aus- kunft über Einzelheiten des absolvierten Studiums. Zugangsvoraussetzung für den MA-Studiengang ist ein erster be- rufsqualifizierender Abschluß, z. B. ein Bachelor-Grad, nicht jedoch das Vordiplom. Allerdings sind Übergänge zwischen herkömmli- chen und den neuen Studiengängen möglich. Sie werden durch Prü- fungsordnungen oder in landes- rechtlichen Bestimmungen geregelt. Der Master-Abschluß einer Uni- versität oder einer Fachhochschule berechtigt grundsätzlich zur Pro- motion. Die Abschlußbezeichnungen müssen die inhaltliche Ausrichtung des neuen Studienganges klar machen. Die stärker theorie- orientierten Studiengänge sollen mit einem Bachelor of Arts/Bakkal- aureus Artium (B. A.) und Master of Arts/Magister Artium (M. A.) abschließen sowie mit einem Bachelor of Science/Bakkalaureus Scientiarum (B. Sc.) und Master of Science/Magister Scientiarum (M. Sc.). In den stärker anwen- dungsorientierten Studiengängen treten Fachzusätze hinzu, z. B. Hochschulrektorenkonferenz 50 Jahre Fraunhofer-Gesellschaft Zum 50jährigen Jubiläum der Fraunhofer-Gesellschaft gibt die Post eine Sondermarke heraus. Das Motiv zeigt die Entwicklung von der farbigen zur weißen Leuchtdiode, an der Fraunhofer- Wissenschaftler maßgeblich betei- ligt waren. Die Überreichung der Sondermarke am 11. März bildete den Auftakt zu einer Reihe von Jubiläumsveranstaltungen. Die Fraunhofer-Gesellschaft wurde am 26. März 1949 gegründet und verfügte zunächst nur über drei Mitarbeiter und ein kleines Büro in München. Heute ist sie mit 47 Instituten, 9000 Mitarbei- tern und einem Budget von 1,3 Mrd. DM der wichtigste Part- ner für Forschungs- und Entwick- lungsaufgaben der deutschen Wirtschaft.

Hochschulrektorenkonferenz: Priorität für Großgeräte/KMK: Strukturvorgaben für Master- und Bachelor-Grade/Physik zuerst: Der neue Trend an amerikanischen High Schools/Italien:

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Page 1: Hochschulrektorenkonferenz: Priorität für Großgeräte/KMK: Strukturvorgaben für Master- und Bachelor-Grade/Physik zuerst: Der neue Trend an amerikanischen High Schools/Italien:

Priorität für Großgeräte

Das Plenum der Hochschulrekto-renkonferenz (HRK) hat sich nach-drücklich dafür ausgesprochen, dieGroßgeräteausstattung der Hoch-schulen zu verbessern. Dabei gehtes um Geräte, die mehr als 250 000DM kosten. Die Chance dazu lie-fern die zusätzlichen Mittel, die dieBundesregierung für den Hoch-schulbau zur Verfügung stellt (28.Rahmenplan). HRK-Präsident Prof.Klaus Landfried erklärte, die anhal-tende Unterfinanzierung der ver-gangenen Jahre habe sich vor allemzu Lasten der Geräteausstattung anden Hochschulen ausgewirkt. Diesesei inzwischen vielfach veraltet.Trotz eines hohen Sanierungsbe-darfs bei Bauten müsse deshalbjetzt die Geräteausstattung Prioritäterhalten. Der Investitionsstau fürGroßgeräte belaufe sich inzwischenauf etwa eine Milliarde DM. DasFinanzvolumen für Großgeräte istim Zeitraum 1992 bis 1998 etwahalbiert worden. Die internationaleWettbewerbsfähigkeit vor allem derexperimentellen Fächer ist nachAnsicht der HRK in Frage gestellt.Sie könne auch durch Drittmittelnicht aufgefangen werden. Die Un-terbrechungen des Computer-Inve-stitions-Programms beeinträchtigeeine zeitgemäße Ausbildung, derAnschluß an internationale Daten-übertragungsnetze werde behindert.Die HRK stimmt mit dem Wissen-schaftsrat überein, daß die anhal-tend unzureichenden Reinvestitio-nen für wissenschaftliche Großgerä-

Physikalische Blätter55 (1999) Nr. 46

Aktuell

te der Ausbildung und der For-schung gleichermaßen schaden unddie internationale Anziehungskraftder deutschen Hochschulen beein-trächtigen.

„Diploma Supplements“

Die Hochschulrektorenkonferenzempfiehlt, den Abschlußzeugnissendeutscher Hochschulen künftig ein„Diploma Supplement“ beizufügen.Dieses gibt in einer standardisiertenenglischsprachigen Form ergänzen-de Informationen über Studienin-halte, Studienverlauf, die erworbe-nen akademischen und beruflichenQualifikationen und über die verlei-hende Hochschule. Dies soll dieAnerkennung und Bewertung deut-scher Abschlüsse im Ausland er-leichtern. Einen ähnlichen Vor-schlag hatte im vergangenen Jahrdie Konferenz der FachbereichePhysik vorgelegt (Phys. Bl., Juli/August 1998, S. 580).

Innerhalb Deutschlands soll das„Diploma Supplement“ auch dazudienen, Inhalte und Qualifikationender neu eingeführten Studienpro-gramme mit Bakkalaureus/Bache-lor- und Magister/Master-Abschlußtransparent zu machen. Das „Di-ploma Supplement“ ist aus einer ge-meinsamen Initiative der EU, desEuroparates und der UNESCO ent-standen. Nach erfolgreichen „Test-läufen“, an denen 1997/98 42 inter-nationale Hochschulen beteiligt wa-ren, soll das Zertifikat nun in fastallen europäischen Staaten einge-führt werden.

� KMK: Strukturvorgaben fürMaster- und Bachelor-Grade

Die Kultusministerkonferenz hatauf ihrer 285. Plenarsitzung am4./5. März 1999 länderübergreifen-de Strukturvorgaben für die Ein-führung der neuen Bachelor/Bak-kalaureus (BA) und Master-/Magi-sterstudiengänge (MA) beschlossen.Die Regelstudienzeiten sollen – wieim novellierten Hochschulrahmen-gesetz festgelegt – für BA-Studi-engänge mindestens drei und höch-stens vier Jahre betragen, für dieMA-Studiengänge mindestens einund höchstens zwei Jahre. Wird derMA-Studiengang im Anschluß anden BA-Abschluß absolviert, so be-trägt die gesamte Regelstudienzeithöchstens fünf Jahre. Das neueGraduierungssystem steht eigen-ständig neben den herkömmlichenStudiengängen: Es kann jeweils nurein Abschluß verliehen werden, al-so z. B. entweder der Master oderdas Diplom. Möglich sind aberGleichwertigkeitsbescheinigungen,wobei im internationalen VergleichDiplom- und Magisterabschlüsseder Universitäten dem Master ent-sprechen. Ein „Diploma Supple-ment“, wie es auch die Hochschul-rektorenkonferenz anregt, gibt Aus-kunft über Einzelheiten desabsolvierten Studiums.

Zugangsvoraussetzung für denMA-Studiengang ist ein erster be-rufsqualifizierender Abschluß, z. B.ein Bachelor-Grad, nicht jedochdas Vordiplom. Allerdings sindÜbergänge zwischen herkömmli-chen und den neuen Studiengängenmöglich. Sie werden durch Prü-fungsordnungen oder in landes-rechtlichen Bestimmungen geregelt.Der Master-Abschluß einer Uni-versität oder einer Fachhochschuleberechtigt grundsätzlich zur Pro-motion.

Die Abschlußbezeichnungenmüssen die inhaltliche Ausrichtungdes neuen Studienganges klarmachen. Die stärker theorie-orientierten Studiengänge sollenmit einem Bachelor of Arts/Bakkal-aureus Artium (B. A.) und Master ofArts/Magister Artium (M. A.)abschließen sowie mit einemBachelor of Science/BakkalaureusScientiarum (B. Sc.) und Master ofScience/Magister Scientiarum(M. Sc.). In den stärker anwen-dungsorientierten Studiengängentreten Fachzusätze hinzu, z. B.

Hochschulrektorenkonferenz

50 Jahre Fraunhofer-Gesellschaft

Zum 50jährigen Jubiläum derFraunhofer-Gesellschaft gibt diePost eine Sondermarke heraus.Das Motiv zeigt die Entwicklungvon der farbigen zur weißen

Leuchtdiode, an der Fraunhofer-Wissenschaftler maßgeblich betei-ligt waren. Die Überreichung derSondermarke am 11. März bildeteden Auftakt zu einer Reihe vonJubiläumsveranstaltungen. DieFraunhofer-Gesellschaft wurdeam 26. März 1949 gegründet und verfügte zunächst nur überdrei Mitarbeiter und ein kleinesBüro in München. Heute ist siemit 47 Instituten, 9000 Mitarbei-tern und einem Budget von1,3 Mrd. DM der wichtigste Part-ner für Forschungs- und Entwick-lungsaufgaben der deutschenWirtschaft.

Page 2: Hochschulrektorenkonferenz: Priorität für Großgeräte/KMK: Strukturvorgaben für Master- und Bachelor-Grade/Physik zuerst: Der neue Trend an amerikanischen High Schools/Italien:

Bachelor of Engineering/Bakkalau-reus der Ingenieurwissenschaften.Die Vorgaben der Kultusminister-konferenz sind keine rechtsverbind-lichen Vorschriften; die Länderfolgen den Beschlüssen im Rahmeneiner „politischen Selbstverpflich-tung“.

� Physik zuerstDer neue Trend an amerikanischenHigh Schools

Seit Generationen beginnen diemeisten amerikanischen Schülerden naturwissenschaftlichen Unter-richt mit Biologie in der neuntenKlasse. Viele wählen daran an-schließend Chemie in der zehntenKlasse, doch nur etwa 15 Prozenttrauen sich den Physikunterricht inder elften Klasse zu. Diese hundertJahre alte Reihenfolge wird nun zu-nehmend in Frage gestellt: Immermehr High Schools stellen ihreLehrpläne um und bieten Physikbereits in der neunten Klasse an.

Vorgeschrieben ist in den USAbisher meist nur ein einziger Kursin allgemeiner Naturwissenschaft.Die regionalen Unterschiede sindgroß, da die Schulverwaltung deneinzelnen Bundesstaaten obliegt.Nach den 1996 vom National Re-search Council herausgegebenenNational Science Education Stan-dards sollten aber alle Schüler dreiJahre naturwissenschaftlichen Un-terricht erhalten.

Einer der prominentesten Be-fürworter der umgedrehten Fächer-folge ist der Nobelpreisträger LeonLederman, ehemaliger Direktor des Fermilab bei Chicago. „Unsschwebt ein anschaulicher Physik-unterricht vor, der nicht so mathe-matisch ist und nur die Neuntkläss-lern bekannte Algebra benutzt“,sagte er der New York Times (Aus-gabe v. 24. 1. 99). „Man kann denSchülern die Newtonsche Bewe-gung und die Energieerhaltung er-klären und ihnen eine Vorstellungvon Atomen vermitteln. Dann ha-ben sie im nächsten Jahr keine Pro-bleme mit der Chemie.“ Wenn dienaturwissenschaftlichen Begriffeaufeinander aufbauten und die fun-damentalen Prinzipien der Physikzuerst gelehrt würden, sei der Lehr-plan viel kohärenter, meinen dieAnhänger von „Physik zuerst“.Dann würden sich auch mehrSchüler für Naturwissenschaften in-teressieren. Erforderlich geworden

sei die Umstellung vor allem durchden Fortschritt in der Biologie undBiochemie in den letzten Jahr-zehnten.

Bisher haben landesweit wenigerals hundert High Schools ihren Un-terricht umgestellt, nicht ganz zu-fällig einige davon in Chicago. InNew York sind es bisher hauptsäch-lich Privatschulen, doch in Phila-delphia will die Schulbehörde in al-len öffentlichen Schulen Physik indie neunte Klasse verlegen. ErsteErfolge zeigen sich u. a. darin, daßin den Schulen mit der neuenFächerfolge weit mehr Fortgeschrit-tenenkurse belegt werden. Dabeihandelt es sich beispielsweise umeinen zweiten, mathematischerenPhysikunterricht in der zwölftenKlasse, in dem die Schüler bereitseinen Schein für das College erwer-ben können.

Aus einer Reihe von Gründenkommt die Umstellung bisher nurschleppend voran: Zum einen gibtes weitaus mehr Biologie- als Phy-siklehrer, die erst in Fortbildungs-kursen mühsam umgeschult werdenmüssen. Zum zweiten gibt es zwarSchulbücher für Physik in derneunten Jahrgangsstufe, aber keineneuen, auf physikalischen Vor-kenntnissen aufbauenden Bücherfür Chemie oder Biologie. Schließ-

Dr. Michael Klasen,Argonne NationalLaboratory, Illinois,USA

Physikalische Blätter55 (1999) Nr. 4

Aktuell

7

lich sind längst nicht alle Physik-lehrer davon angetan, in derneunten Klasse anschaulichen Un-terricht mit nur wenig Mathematikabhalten zu müssen. Fortgeschritte-nenkurse in der elften oder zwölf-ten Klasse sind weitaus beliebter.

„Physik zuerst“ ist nicht die ein-zige Alternative zum herkömm-lichen Lehrplan. Diskutiert wirdauch über das europäische Modell,in dem die Schüler normalerweisezwei Naturwissenschaften mit auf-einander abgestimmten Lehrplänengleichzeitig belegen. Vor allem inder siebten bis neunten Klasse wirdgerne allgemeiner naturwissen-schaftlicher Unterricht gemacht, dersich an einem bestimmten Themaorientiert. So wird beispielsweisedie Chemie des Wassers erklärt,anschließend seine spezifische Wär-me und die Auswirkungen auf dasWetter. „Die Leute reden über vieleModelle“, sagt Harold Pratt,Projektleiter für Naturwissen-schaften bei der National Academyof Science. „Physik zuerst“ ist viel-leicht eine sehr physikalische Sicht-weise. (...) Aber es ist das Modell,das die meisten Schulen wählen.“

Michael Klasen

Kurzgefasst…Darmstadt bietet im Sommersemester„Saturday Morning Physics“ an, eineVeranstaltungsreihe für Schülerinnen undSchüler aus der Oberstufe. Samstags von 9bis 12 werden Vorlesungen, Diskussionen,Praktika und Führungen geboten. Vorbildist ein gleichnamiges, seit 15 Jahren erfolg-reiches Programm am Fermilab, Chicago.Die Darmstädter beginnen mit Themen ausder Teilchenphysik. Es wird eine Anwesen-heitsliste geführt!

� Europas Postdocs sind gespaltenDie Zufriedenheit europäischer Postdocsmit der eigenen Bezahlung unterliegteinem Nord-Süd-Gefälle. Das ergab eineemail-Umfrage der Europäischen For-schungsgemeinschaft und der Zeitschrift„Nature“. In den Niederlanden halten 85 %,in Deutschland 72 % der Befragten ihr Ge-halt für „appropriate“ oder „fairly appro-priate“. In Spanien sind dies nur 50 %, inItalien 28 %. Die Frage, welchen „credit“ siefür ihre wissenschaftlichen Leistungen er-halten würden, beantworteten 35 % der inDeutschland tätigen Postdocs mit „fullcredit“. In den Niederlanden waren dies55 %, in Italien 26 % und in Spanien 17 %.Ein Drittel aller Befragten beklagt sich übermangelnde Zeit für die eigene Forschung.

� Kein Einheitsgehalt für ProfessorenDie Hochschulrektorenkonferenz (HRK)fühlt sich mißverstanden: Sie habe wederein einheitliches Grundgehalt noch eine ge-nerelle Absenkung der Professorengehälterbefürwortet, sagte HRK-Präsident KlausLandfried am 22. Februar in Bonn. Dasvorgeschlagene „Basisgrundgehalt“ bildevielmehr die Untergrenze für das bei einerBerufung jeweils auszuhandelnde indivi-duelle Gehalt und sei nicht etwa als ein-heitliches Anfangsgehalt zu verstehen.Damit reagierte die HRK auf die Kritikeiniger Interessenverbände.

� Emmy-Noether-Programm startetDas Emmy-Noether-Programm der Deut-schen Forschungsgemeinschaft ist angelau-fen. Zunächst sollen 100 Postdoktorandenpro Jahr im Anschluß an eine herausragen-de Promotion über jeweils fünf Jahre geför-dert werden. An einen zweijährigen Aus-landsaufenthalt schließt sich eine dreijähri-ge Tätigkeit als Leiter einer eigenenArbeitsgruppe an. Die Stellen wurden vorkurzem ausgeschrieben (www.dfg.de).

� Samstags zur UniMit immer neuen Ideen versuchen Fach-bereiche den Studentenschwund aufzuhal-ten. Der Physikfachbereich der TU

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Startschuß für VIRGO in Cascina

Die Bauarbeiten für das franzö-sisch-italienische Gravitationswel-leninterferometer VIRGO in Casci-na (Provinz Pisa) schreiten voran.Nach dem offiziellen Startschuß imNovember letzten Jahres wurdenjetzt die Türme aufgestellt und eva-kuiert, die die aufwendig schwin-gungsisolierten optischen Elementeund Detektoren des Interferometersbeherbergen sollen. Noch in diesemJahr soll ein Prototyp in kleineremMaßstab im Zentralgebäude für

Testmessungen in Betrieb gehen.Die Länge der Vakuumröhren, indenen 25 W Laserleistung eineshochstabilen Nd:YAG-Lasers diewinzigen Änderungen der Metrikdurch Gravitationswellen aufspürensollen, beträgt in der endgültigenAusbaustufe 3 km. Durch Fabry-Perot-Resonatoren in den Armendes Michelson-Interferometers willman die effektive Armlänge auf120 km erhöhen. Die projektierteEmpfindlichkeit erlaubt es, relativeLängenänderungen von DL/L= 10–21 schon bei 10 Hz Detektions-frequenz und 1 Hz Bandbreite zudetektieren. Im Frequenzbereichüber 100 Hz ist die Empfindlichkeitnoch um mehr als eine Größenord-nung besser. Durch das breite Fre-quenzintervall, in dem eine hoheEmpfindlichkeit erreicht wird, er-hoffen sich die Forscher, Signaleaus dem Sternbild der Jungfrau zuempfangen. In diesem Sternbild,das dem Projekt den Namen gibt,vermutet man viele Quellen vonGravitationswellen. Läuft allesnach den Plänen der ProjektträgerCNRS (Frankreich) und INFN (Ita-lien), wird der Meßbetrieb im Jahre2002 aufgenommen.

Gute Nachricht für Doktoranden

Die seit mehreren Jahren diskutier-te und jetzt durchgeführte Hoch-schulreform in Italien gewährt denUniversitäten mehr Autonomie beider Auswahl von Doktoranden, As-sistenten und Professoren. Bisherwurden alle Stellen für Assistentenund Professoren vom Ministeriumin Rom ausgeschrieben, das nacheinem zentralen Auswahlverfahreneine Liste erstellte, aus der die Uni-versitäten zu wählen hatten. Ab so-fort setzen die Fakultäten – wie in-ternational üblich – Berufungskom-missionen ein. Der Doktortitel,früher vom Staat verliehen, wirdjetzt direkt vom Rektor der jeweili-gen Hochschule verliehen. DieseNeuerungen beseitigen etlichebürokratische Hemmnisse. So wa-ren bisher z. B. zwischen Ablegender Prüfungen und der Verleihungdes Titels Wartezeiten von einemJahr und länger durchaus an derTagesordnung.

Verbunden mit den Anstrengun-gen zum Euro-Beitritt sieht die Re-form auch eine Anhebung der Sti-pendien für Doktoranden vor. Dieseit über zehn Jahren unveränderteBezahlung wird bis zum Jahre 2000

von 13 Mio. Lira/Jahr auf über 20 Mio. Lira/Jahr erhöht. Gleichzei-tig sind die Bedingungen für dritt-mittelfinanzierte Doktorarbeiten er-heblich vereinfacht worden, so daßmehr Stellen zur Verfügung stehen.

Astrophysik gebündelt

Im Januar diesen Jahres hat die Re-form des Consiglio Nazionale delleRicerche (CNR) die letzten parla-mentarischen Hürden genommen.Neben der Verschlankung der Ver-waltung und mehr Autonomie dereinzelnen Standorte werden Institu-te, die Forschung im Bereich derAstrophysik betreiben, zu einerneuen Organisationseinheit namensIstituto Nazionale per la Astrofisica(INAF) zusammengefaßt. Das INAF ist ähnlich wie das IstitutoNazionale di Fisica Nucleare(INFN) und das Istituto Nazionaleper la Fisica della Materia (INFM)organisiert; seine Projekte werdenim 3-Jahresrythmus vom For-schungsministerium begutachtet.Mit dieser Maßnahme will man dieAktivitäten der einzelnen For-schungsgruppen besser koordinie-ren, auch um gemeinsame Groß-projekte zu ermöglichen und so denStellenwert der Astrophysik in deritalienischen Forschungslandschaftzu erhöhen.

Jörg Helge Müller

Physikalische Blätter55 (1999) Nr. 48

Aktuell

Italien

Das retuschierte Foto zeigt die beiden3 km langen Armedes im Bau befind-lichen Gravitations-wellendetektorsVIRGO in der Nähevon Cascina. (Quelle: VIRGO)

Teilchenphysiker beschließen Projektförderung

Der britische Particle Physics andAstronomy Research Council (PPARC) hat sich entschieden, fürwelche Projekte er die zusätzlichenGelder der britischen Regierungverwenden wird. Die Regierunghatte im vergangenen Jahr einenBetrag von 500 Mio. £ unter denverschiedenen Research Councilsaufgeteilt (vgl. Phys. Bl., Dezember1998, S. 1094). Obwohl der PPARCden geringsten Anteil des Extra-Geldes erhält, kann er die Förde-rung ausgewählter Forschungspro-jekte erhöhen und neue Vorhabeninitiieren. Oberste Priorität habendie Stipendien für PPARC-Wissen-schaftler an den Universitäten.Außerdem wird der PPARC mehrGeld für die Unterstützung derESA-Missionen Planck und Forstsowie des CERN-Experiments

LHC-B zur Verfügung stellen: „Bis-her haben wir uns nicht ausrei-chend beteiligt,“ räumt PPARC-Direktor Ian Corbett ein, „jetztkönnen wir uns in einem Umfangengagieren, der den Fähigkeiten un-serer Leute gerecht wird.“

Die neu aufgelegten Programmeumfassen eine Beteiligung an Auger– dem internationalen Projekt zurErfassung hochenergetischer kosmi-scher Strahlung – (1,6 Mio. £), aneinem Weitwinkelaufsatz für dasInfrarot-Teleskop UKIRT auf Hawaii (2,9 Mio. £) und an der5 Mio. £ teuren Erweiterung einesExperiments zur dunklen Materiein der Boulby-Mine, im NordostenEnglands. Außerdem stellt der PPARC 2,7 Mio. £ für Instrumentebereit, mit denen man Beagle 2 aus-statten will. Dabei handelt es sichum ein Marsfahrzeug, das an Bordeiner ESA-Mission zum Mars flie-gen soll. Sogar Anträge für Raum-

Grossbritannien

Dr. Jörg HelgeMüller, Universita di Pisa, Italien

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fahrtprojekte, die nicht über dieESA durchgeführt werden, will derPPARC nun entgegennehmen. DieTeilchenphysiker und Astronomenhaben außerdem 25 Projektanträgevorbereitet, mit denen sie sich umeinen Teil der 600 Mio. £ bewerben,die die Regierung für eine Erneu-erung der Forschungs-Infrastrukturvorgesehen hat. Die Anträge habenein Gesamtvolumen von 146 Mio. £.Im April wird der PPARC die be-sten Anträge in die Endrunde wei-terleiten, wo sie mit Projektanträ-gen aus allen Wissenschaften kon-kurrieren müssen.

Verglichen mit dem PPARC hatder Engineering and Physical Scien-ces Research Council (EPSRC) beider Verteilung der Gelder im ver-gangenen Jahr besser abgeschnitten,wird aber die neuen Mittel nicht andie Physik weitergeben. Der EPSRCverwaltet die Gelder für einenGroßteil der Forschungsprojekte inMathematik, Physik, Chemie und

den Ingenieurwissenschaften. DasBudget für die Physikprojekte bleibt1999/2000 inflationsbereinigt aufdem Niveau von 1998/99. Das istallerdings eine Verbesserung ge-genüber den Vorjahren, als die Mit-tel gekürzt wurden. Am meistenprofitieren Chemie, Informations-technologie, Mathematik und dieIngenieurwissenschaften von derErhöhung des EPSRC-Budgets.

Innerhalb der Physik will derEPSRC sich verstärkt der Biophysikzuwenden. Dem jüngsten „land-scape“-Papier zufolge, in dem derEPSRC seine zukünftigen Prioritä-ten erläutert, heißt es, die Physiksolle dazu beitragen, „die Protein-faltung, Biopolymere und Kolloidebesser zu verstehen“. Die Physikerwerden die Gelegenheit zu nutzenwissen, sich innerhalb der neuenLeitprojekte in der Biologie und derBiomedizin einzubringen.

Judy Redfearn

Physikalische Blätter55 (1999) Nr. 410

Aktuell

Schweiz

Nationale Forschungs-schwerpunkte

Mit den Nationalen Forschungs-schwerpunkten (NFS) soll dieGrundlagenforschung in derSchweiz gestärkt werden. Getreuder Aussage von Bundesrätin RuthDreifuss, daß in der Schweiz nichtjede Universität alles machen kön-ne, sollen die NFS künftig zur Kon-zentration der verfügbaren Mittelauf strategisch wichtige, langfristigeProjekte beitragen. Besonders wich-tig zur Einrichtung eines NFS istdie Integration aller Schritte vonGrundlagenforschung bis Anwen-dung. Teilweise nach dem Vorbildder Deutschen Sonderforschungs-bereiche gehört zu einem NFS ein„Kompetenzzentrum“ und ein„Netzwerk“. Das Kompetenzzen-trum unter Leitung eines angesehe-nen Wissenschaftlers muß an eineInstitution gebunden sein, die dielangfristige logistische Unterstüt-zung sicherstellt. Das Netzwerkspannt sich dann über Forschungs-gruppen in Universitäten, For-schungsanstalten, Behörden undIndustrie. Das Ziel ist die gemein-same Arbeit an einem interdiszi-plinären Forschungsgebiet, derTechnologietransfer an potentielleNutzer und die Ausbildung vonwissenschaftlichem Nachwuchs in-

nerhalb des Netzwerks. Dafür wer-den die NFS für bis zu zehn Jahremit 2 – 6 Mio. SFr pro Jahr ausge-stattet. Die genaue Verteilung derGeldsumme liegt in der Hand derjeweiligen Leitung; überhaupt sollgrößtmögliche Autonomie gewahrtwerden, nachdem das Thema undder Finanzrahmen vom SchweizerNationalfonds (SNF) genehmigtwurden. Die erste Serie von etwaacht NFS wurde im Januar ausge-schrieben. Vorrangig sollen dieNFS-Themen einem oder mehrerender vier prioritären Bereiche „Le-benswissenschaften“, „Geistes- undSozialwissenschaften“, „Umweltund nachhaltige Entwicklung“ und„Informations- und Kommunikati-onstechnologien“ angehören. AlleAnträge sind übrigens in englischerSprache zu stellen. Im Laufe desJahres 2000 wird vom SNF einePrioritätenliste erstellt, die endgül-tige Entscheidung liegt beim Depar-tement des Inneren und der Univer-sitätskonferenz. Auf lange Sichtsind etwa 20 – 25 NFS vorgesehen,Neuausschreibungen sind im Rhythmus von zwei Jahren geplant.

Thomas Otto

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Haushaltsblues

Der von US-Präsident Clintonkürzlich vorgelegte Haushaltsent-wurf für das kommende Jahr hatviele Wissenschaftler und Lobby-isten enttäuscht. Angesichts hoherSteuereinnahmen und zahlreicherforschungsfreundlicher Äußerungenaus dem Weißen Haus hatte manmehr erhofft als die jetzt vorge-schlagene geringfügige Zunahmeder Ausgaben für Forschung undEntwicklung (s. http://www.aip.org/enews/fyi/). So erhält das De-partment of Energy zwar 5 % mehrGeld, doch die Ausgaben für Kern-physik, Hochenergiephysik undFusionsforschung ändern sichkaum. Der Forschungsetat desDepartment of Defense schrumpftsogar um 4 %. Auch die NASA sollweniger Geld erhalten als im Vor-jahr. Der Etat der National ScienceFoundation, von dem die physikali-sche Forschung an den Universitä-ten profitiert, wird mit 6,9 % deut-lich wachsen. Die geplante Zunah-me von 250 Mio. $ fließt indesgrößtenteils in Vizepräsident GoresInformationstechnologie-InitiativeIT2 (s. Phys. Bl., März 1999, S. 11).Die meisten Reaktionen aufClintons Entwurf sind zurückhal-tend. Deutlich äußerte sich JamesSensenbrenner, der einflußreicheVorsitzende des Wissenschaftsaus-schusses im Repräsentantenhaus.Er sagte, Clintons Budgetentwurfversage der F&E die langfristig sta-bile Unterstützung, die sie für einerfolgreiches Gedeihen benötige.Inflationsbereinigt nähmen die vonder Regierung geplanten F&E-Aus-gaben über die nächsten fünf Jahresogar ab.

Neues von der SNS in Oak RidgeDie bisherigen Arbeiten an der ge-planten Spallationsneutronenquelle(SNS) am Oak Ridge National La-boratory sind kürzlich in verschie-denen Gutachten günstig bewertetworden, wie das DOE mitteilte. Die1,36 Mrd. $ teure Anlage wird ge-meinsam von verschiedenen DOE-Laboratorien errichtet und soll2005 in Betrieb gehen. Für das lau-fende Haushaltsjahr bewilligte derKongreß 130 Mio. $ und blieb damitdeutlich unter den beantragten157 Mio. $. Mit David Moncton hat

die SNS einen neuen Projektleitererhalten, der Bill Appleton ablöst.Moncton war bisher stellvertreten-der Direktor der Advanced PhotonSource am Argonne National Labo-ratory. Auf ihn kommen umfangrei-che weitere Begutachtungen derSNS zu, bevor der Kongreß überdie für das kommende Jahr bean-tragten Mittel in Höhe von214 Mio. $ entscheiden wird.

Desolate Klimaforschung?

Die Klimaforschung in den USA istim internationalen Vergleichzurückgefallen. Ihre Computeraus-stattung und die benutzten Simula-tionsmodelle sind nicht mehr ersteWahl. Zu diesem Schluß kommt ei-ne Studie des National ResearchCouncil, die die National Academyof Sciences in Auftrag gegeben hat-

te. Die USA seien in die unange-nehme Lage geraten, bei politischenEntscheidungen im Zusammenhangmit dem Klimavertrag von Kyotoauf Modelle und Berechnungen ausanderen Ländern zurückgreifen zumüssen. Diese Misere habe vor al-lem zwei Gründe: Zum einen kön-nen die US-Meteorologen undKlimaforscher nicht die von ihnenbevorzugten Supercomputer ausJapan kaufen, deren Einfuhr ausprotektionistischen Gründen mithohen Strafzöllen behindert werde.Zum anderen gebe es in den USAkeine einheitliche Strategie zur Ent-wicklung eines globalen Klima-modells, das die Chemie und dieDynamik der Atmosphäre und derOzeane berücksichtige. Kritikerwerfen der Studie jedoch vor, siezeichne ein zu düsteres Bild. DieKlimaforscher können indes hoffen.Ihnen könnten in wenigen JahrenSupercomputer mit konkurrenz-loser Rechengeschwindigkeit zur

Physikalische Blätter55 (1999) Nr. 4

Aktuell

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Ein Horoskop aus Keplers Feder

Ein rund 400 Jahre altes Horo-skop aus der Feder von JohannesKepler ist durch Zufall an derUniversity of California in SantaCruz aufgetaucht. Ein Angestell-ter des Lick-Observatoriums, dasder Universität angegliedert ist,fand das Manuskript im Archivder Bibliothek, als er nach Fach-literatur suchte. Das Manuskriptzeigt drei verschiedene Hand-schriften. In der Überschrift istein österreichischer Adliger ge-nannt, dem Kepler das Horoskopausstellte: Hans Hannibal Huet-ter von Huetterhofen, geborenanno 1586 am 10. September um

5 Uhr nachmittags. Darunter hatKepler das Horoskop notiert; vie-le der Symbole verwendet manheute noch für die Bezeichnungvon Tierkreiszeichen. Untenrechts steht eine Notiz vom 13.Mai 1864, in der W. Struve aufdie Urheberschaft des Manus-kripts hinweist. Diese Anmerkungstammt entweder von FriedrichGeorg Wilhelm Struve oder vondessen Sohn Otto Wilhelm.Nacheinander leiteten die beidenAstronomen Mitte des 19. Jahr-hunderts das Observatorium Pul-kowa in der Nähe von St. Peters-burg. (Quelle: UCSC)

USA

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Blick auf den BatesBeschleuniger amMIT, dessen Still-legung in letzterMinute abgewendetwurde. (Foto: MIT)

Verfügung stehen, die im Rahmenvon Vizepräsident Gores Informati-onstechnologie-Initiative IT2 ent-wickelt werden sollen.

DOE rettet Bates-Beschleuniger am MITMit einer aufsehenerregenden Ent-scheidung in letzter Minute hatDOE-Chef Bill Richardson den Ba-tes Linearbeschleuniger des MITdavor bewahrt, Ende des Jahres ab-geschaltet zu werden. Der am 1. Fe-bruar veröffentlichte Budgetentwurfdes DOE hatte 2,5 Mio. $ dafür aus-gewiesen, die 30 Jahre alte Anlagestillzulegen und zu dekontaminie-ren. Doch noch am selben Tag in-

formierte Richardson den MIT-Prä-sidenten Charles Vest, daß er dieseEntscheidung für einen Fehler hal-te. Zwei Tage später wurde sie dannrückgängig gemacht. Jetzt hat dasDOE mehr als 14 Mio. $ für denFortgang der wissenschaftlichen Ar-beiten am MIT-Beschleuniger bean-tragt, die dessen Überleben bis min-destens 2004 sichern würden. LautDOE hat dafür den Ausschlag gege-ben, daß man am Bates-Beschleuni-ger gute Arbeit leistet und viele Stu-denten ausbildet. Außerdem sei dieAnlage der einzige Beschleunigeran einer Universität, den das DOEunterstütze. Woher man allerdingsdie jetzt zusätzlich benötigten Mit-tel nehmen will, ist angesichts desmit 320 Mio. $ für die Kernphysikknapp ausgefallenen DOE-Haus-halts völlig unklar.

Maßstäbe für erfolgreiche ForschungAb 1999 verpflichtet das Govern-ment Performance and Result Act(GPRA) alle US-Behörden undstaatlichen Organisationen dazu,für ihre Programme klare Ziele zusetzen und Kriterien zur Bewertungdes Erreichten vorzulegen. Dasbringt insbesondere die Organisa-tionen in Schwierigkeiten, die dieGrundlagenforschung fördern. Dasich meßbare Erfolge hier oft erstnach Jahrzehnten einstellen, ist die

Ansicht weit verbreitet, daß einejährliche Bewertung von For-schungsleistungen nicht sinnvoll ist.Dies sei ein Mythos, meint hinge-gen Phillip Griffith, Direktor desInstitute for Advanced Study inPrinceton und Vorsitzender einesAusschusses, den die National Aca-demy of Sciences berufen hat, umBewertungskriterien für die Grund-lagenforschung aufzustellen. DasCommittee on Science, Engineeringand Public Policy (COSEPUP)kommt in einem jetzt vorgelegtenBericht zu folgenden Schlüssen(http://www2.nas.edu/cosepup/):Das bisher praktizierte Verfahrendes Peer Review sei unzulänglich,da es lediglich die Qualität einesForschungsprogramms bewerte,nicht jedoch dessen Bedeutung fürden Geldgeber. Zudem müsse be-wertet werden, ob ein Forschungs-programm im internationalenVergleich an der Spitze liege. Dieseweitergehende Bewertung („Qua-lität, Bedeutung und Weltspitze“)bezeichnet COSEPUP als ExpertReview. Nicht beabsichtigt sei in-des, Forschungsprogramme aufkurzfristige Ergebnisse auszurich-ten, denn das untergrabe das Zieldes neuen Bewertungsverfahrens.Es sei gut für die Entwicklung derWissenschaften, daß sich die För-derprogramme verschiedener Orga-nisationen überschneiden, dochmüßten sie besser koordiniert wer-den. Der Report schlägt vor, für je-des Forschungsgebiet eine Organi-sation auszuwählen, die die Koordi-nation übernimmt. In einer erstenStellungnahme hat die AmericanPhysical Society die Studie begrüßt.Sie gebe zusätzliche Kriterien, die

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Aktuell

Frankreich

Reform der Doktorarbeiten

Die Société Française de Physique(SFP) hat Empfehlungen zur Re-form der Doktorarbeiten verab-schiedet. Sie wurden von einer Ar-beitsgruppe herausgegeben, dienicht nur mit Physikern aus allenBereichen der öffentlichen For-schung und Lehre besetzt war, son-dern auch mit Industrie- undBehördenvertretern. Die Reformsoll die Physikabsolventen gegendie starke Konkurrenz auf dem Ar-beitsmarkt besser wappnen. Steindes Anstoßes ist die Tatsache, daßüber 20 % der promovierten Physi-

ker ein Jahr nach ihrem Abschlußnoch arbeitslos sind (Zahlen von1997) und sich mehr als die Hälftein befristeten Arbeitsverhältnissen,z. B. als Postdoc, befindet. Nur et-wa 20 % der promovierten Physikerhaben zwei Jahre nach ihrem Ab-schluß eine Anstellung in der In-dustrie gefunden. Die französischeIndustrie betrachtet die Promotionoft als unnötige wissenschaftlicheSpezialisierung und bevorzugt Ab-solventen der Grandes Ecoles(staatliche Elitehochschulen). DieSFP nimmt dies zum Anlaß, dieQualitäten eines promovierten Phy-sikers zu unterstreichen: „Flexibi-

der Kongreß benutzen kann, umüber Erfolg oder Mißerfolg von For-schungsprogrammen zu entschei-den.

AIP und APS gewinnen RechtsstreitDas American Institute of Physics(AIP) und die American PhysicalSociety (APS) haben einen mehrals zehn Jahre dauernden Rechts-streit gegen den Verlag Gordon &Breach Science Publishers gewon-nen. Ein Berufungsgericht in NewYork hat jetzt abschließend ent-schieden, daß sich die beiden Orga-nisationen nicht des unfairen Wett-bewerbs und der irreführendenWerbung schuldig gemacht haben,als sie eine Studie des inzwischenverstorbenen Physikprofessors Hen-ry Barschall veröffentlichten. Bar-schall hatte die Nutzen-Kosten-Relation von verschiedenen Physik-zeitschriften ermittelt und heraus-gefunden, daß die APS-Journale ander Spitze lagen, die Zeitschriftenvon Gordon & Breach jedoch abge-schlagen am unteren Ende (http://barschall.stanford.edu). Gegen dieStudie und ihre Veröffentlichunghatte G & B, nach Meinung des Ge-richts, eine aggressive Kampagnegestartet und sowohl in den USAals auch in Frankreich, Deutsch-land und der Schweiz geklagt. In ei-ner Stellungnahme des AIP heißtes, daß man sehr froh über dieseEntscheidung sei, da sie den freienFluß von Informationen sicherstel-le, der dazu beitragen könne, dieschwierige Lage der Bibliothekenzu verbessern.

Rainer Scharf

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Physikalischc Bliiller 55 (1999) Nr. 4 13

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lität, breiter wissenschaftlicherHorizont, Eigeninitiative“.

Um das Image des Physikers beiden Entscheidungsträgern auf demArbeitsmarkt zu verbessern, machtdie SFP konkrete Vorschläge für diezukünftige Gestaltung der Promoti-onsphase: Die Doktorarbeit solltenicht mehr als Verlängerung desStudiums mit unvermeidlicher wei-terer Spezialisierung gesehen wer-den, sondern als dreijährige ersteBerufserfahrung. In einem erstenSchritt sollten in Zukunft alle Dok-toranden in formalen Bewerbungs-gesprächen ausgewählt werden, umdann ein befristetes, vertraglich ge-regeltes Arbeitsverhältnis aufzuneh-men. Dies würde der Promotion einen höheren gesellschaftlichenStellenwert verleihen als die gegen-wärtige Praxis der Vergabe von Sti-pendien. Die Betreuer sollen daraufachten, daß ihr Doktorand mit Auf-gaben der Projektleitung und derMitarbeiterführung vertraut wirdund Kontakte zu Firmen und inter-nationalen Arbeitsgruppen knüpft.Den Doktoranden soll ein Viertelihrer Arbeitszeit für Eigeninitia-tiven abseits des eigenen Projektszur Verfügung stehen. Diese Zeit

können sie z. B. für Weiterbildungs-veranstaltungen nutzen, die aktuel-le Entwicklungen in der Berufsweltbehandeln (Management, Wirt-schaftswissenschaften, Qualitätssi-cherung, Datenverarbeitung, usw.).Die SFP möchte die Werbetrommelfür die promovierten Physiker inKreisen der Industrie rühren, z. B.durch Prospekte, durch gemeinsa-me Foren von Universitäten undUnternehmen und durch die Ein-bindung der Industrie in die Betreu-ung von Themen der angewandtenPhysik.

Gegenangriff des CNRS

Die staatliche französische Wissen-schaftsorganisation CNRS ist imvergangenen Jahr in die Schußlinievon Wissenschaftsminister Allègregeraten. Allègre kritisiert die man-gelnde gesellschaftliche und wirt-schaftliche Relevanz der For-schungsarbeit des CNRS, besondersvor dem Hintergrund der privile-gierten CNRS-Wissenschaftler, diebei etwa gleichen Bezügen wie ihreKollegen an den Universitäten kei-ne Lehrverpflichtungen haben. Einim Herbst 1998 an die Öffentlich-

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Aktuell

keit gelangter Reformvorschlagführte zu Unmut in der Organisati-on (Phys. Bl., Februar 1999). DasCNRS-Direktorat unter Leitung derPhysikerin Catherine Brechignacrichtete nun ein Dezernat für tech-nische und wissenschaftliche Infor-mationen ein. Seine Hauptaufgabeist es, die Erfolge des CNRS an dieÖffentlichkeit zu bringen (Presse,Internet, Konferenzen) und so dasAnsehen der Organisation wiederaufzupolieren.

Zur gleichen Zeit veröffentlichtedas Comité national, das „Parla-ment“ des CNRS, Datenmaterial,das Allègres Argumente entkräftensoll. Es wird insbesondere daraufhingewiesen, daß weniger als 200der 1200 Laboratorien eigenständigund die übrigen mit einer Univer-sität assoziiert seien. Andere Stati-stiken in dem Dokument zeigen,daß die wissenschaftliche Produkti-on Frankreichs, gemessen an derAnzahl von Publikationen, zurHälfte vom CNRS stammt, und daßder Impact-Faktor der CNRS-Arti-kel etwa 30 % über dem Landes-durchschnitt liegt.

Thomas Otto

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� CP-Verletzung in Zerfällenvon neutralen B-Mesonen Am 5. Februar 1999 präsentierte dieCDF-Kollaboration am Fermilabbei Chicago Evidenz für CP-Verlet-zung in Zerfällen von neutralen B-Mesonen (B0) [1]. CP ist die kombi-nierte Symmetrieoperation von La-dungskonjugation C und Parität P,wobei C Teilchen und Antiteilchenvertauscht und P alle Koordinatenam Ursprung spiegelt. Schon in denfünfziger Jahren wurde entdeckt,daß die schwache Wechselwirkungweder unter C noch unter P erhal-ten ist, wohl aber unter der kombi-nierten Symmetrieoperation CP.CP-Verletzung wurde zum erstenMal 1964 im Zerfall K0

L → p+p– ent-deckt und ist seitdem ausschließlichin Zerfällen neutraler K-Mesonenbeobachtet worden.

CP-Verletzung bedeutet, daß diemikroskopischen Gesetze nicht völ-lig symmetrisch sind und daß es ei-ne Asymmetrie im Verhalten vonMaterie und Antimaterie gibt. ImFalle des K-Systems, so zeigten M. Kobayashi und T. Maskawa imJahre 1972, läßt sich die CP-Verlet-zung sehr elegant und vollständigim Rahmen des Standardmodellsder Teilchenphysik erklären, wennman die Existenz von drei Genera-tionen von Quarks und Leptonenannimmt. Die schwache Wechsel-wirkung der Quarks untereinanderwird durch eine unitäre MatrixVCKM parametrisiert. Die Unitaritätführt zu Beziehungen zwischen denElementen der Matrix, die Wichtig-ste davon läßt sich geometrischdurch ein Dreieck in der komple-xen Ebene veranschaulichen. EinMaß für die CP-Asymmetrie ist ei-ner der Winkel dieses Dreieckssin2b.

Tatsächlich ließ die Entdeckungvon Teilchen der damals noch nichtentdeckten dritten Generation nichtlange auf sich warten. So wurde imJahre 1975 das t-Lepton von MartinPerl und seinen Mitarbeitern ent-deckt. Im Jahre 1977 folgte die Ent-deckung des b-Quarks durch Leder-man und Kollegen am Fermilab,und 1995 wiesen die CDF- und D0-Kollaborationen das Top-Quarknach [2]. Damit sind heutzutagealle Teilchen der dritten Generationbis auf das t-Neutrino nachgewie-sen.

Das heutige Universum bestehtnur aus Materie, während im Früh-stadium des Urknalls ein Gleich-

gewicht zwischen Materie undAntimaterie herrschte. Für dieseEntwicklung ist CP-Verletzung einenotwendige Voraussetzung. Aller-dings sind die bei K-Mesonen beob-achteten und vom Standardmodellerwarteten CP-Effekte zu klein, umdiese Asymmetrie erklären zu kön-nen. Dies wird als ein Hinweis aufneue Physik jenseits des Standard-modells angesehen.

Das Standardmodell sagt starkeCP-verletzende Effekte in einigenseltenen Zerfällen von B-Mesonen,d. h. Mesonen, die b-Quarks enthal-ten, vorher. Zur experimentellenÜberprüfung dieser Vorhersagenwurden in den vergangenen Jahrenam SLAC in den USA und am KEKin Japan neue e+e–-Beschleuniger,die sogenannten B-Fabriken, unddazugehörige Experimente aufge-baut, die im Laufe diesen Jahres mitder Datennahme beginnen werden[3]. Auch das am DESY im Bau be-findliche Experiment HERA-B hatdie gleiche Zielsetzung.

Das CDF-Experiment hat in denJahren 1992 – 1995 am Tevatron-Collider Daten von Proton-Antipro-ton-Kollisionen bei einer Schwer-punktsenergie von 1,8 TeV aufge-nommen, darunter auch eine sehrgroße Zahl von Ereignissen mit B-Hadronen. Insgesamt sind mehr als5 × 109 B-Hadronen erzeugt wor-den, aber nur ein kleiner Bruchteilkonnte anhand von charakteristi-schen Zerfällen vom großen Unter-grund getrennt werden. Das Ver-hältnis des Produktionswirkungs-querschnittes von bb�-Quark-Paarenzum totalen Wirkungsquerschnittam Tevatron beträgt ca. 8 × 10–4. Zuden aufgenommen Ereignissengehört auch der Zerfall B0(B� 0) →J/jK0

S, wobei die beiden geladenenMyonen (m+m–) vom Zerfall des J/jden Trigger des CDF-Detektors aus-lösen. Dieser Endzustand ist einCP-Eigenzustand: CP �J/jK0

S⟩ =– �J/jK0

S⟩. Dieser Zerfall ist von be-sonderem Interesse, weil es für ihnmöglich ist, die Größe der CP-Asymmetrie theoretisch zu berech-nen und auf fundamentale Größendes Standardmodells zurückzu-führen. Allerdings ist der Zerfall B0

→ J/jK0S relativ selten, er findet nur

einmal in 50000 Zerfällen des B0-Mesons statt. Mit den ca. 400 vonCDF gefundenen Ereignissen gelangaber eine erste CP-Analyse. CP-Ver-letzung manifestiert sich darin, daßein unterschiedlicher Anteil von B0

im Vergleich zu B� 0 in diesen End-zustand zerfällt und dieser Unter-

schied zudem von der Zeit abhängt,zu der das B0-Meson zerfällt:

Die Zerfallszeit wird aus derDistanz des Zerfallsvertex vomprimären Kollisionspunkt mit Hilfeeines hochauflösenden Silizium-streifendetektors ermittelt. Aller-dings ist die exakte Vertexinforma-tion nur bei 50 % der 400 Ereignis-sen vorhanden.

Falls vorhanden, wird dieVertexinformation benutzt und zurOptimierung der Asymmetriemes-

sung verwendet. Sie ist aber nichtzwingend erforderlich, da man aucheinen Effekt beobachtet, wenn manüber die Zeit integriert. Um dieAsymmetrie zu messen, muß manfeststellen, ob der beobachtete Zer-fall ursprünglich von einem B0 oderB� 0 stammt. Dies bezeichnet man alsFlavor Tagging (Tagging zu deutschMarkierung). Bei CDF wurden hier-zu drei verschiedene Methoden an-gewandt. Die ersten beiden gehenvon der Annahme aus, daß zu je-dem B-Hadron im Ereignis auch einAnti-B-Hadron zu finden ist, dadiese fast ausschließlich in starkerWechselwirkung paarweise erzeugtwerden. So sucht man entwedernach einem Lepton (Elektron oderMyon) aus dem semi-leptonischenZerfall des zweiten B-Hadrons oderman bestimmt die Ladung der Ha-dronen, die vom Zerfall des zweitenB-Hadrons herrühren (Jet Charge,s. Abb. 2). Aus der Ladung des Lep-tons oder des Jets ergibt sich, ob esursprünglich ein B0 oder ein B� 0 war,welches letztendlich in ein J/jK0

S

dNdtdNdt

( / )

( / )

B J K

B J K

S

S

0 0

0 0

→ ≠

j

j

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Aktuell

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Abb. 1:Der CDF-Detektor, mit dem CP-Verletzung im Zerfall von B-Mesonen beobachtet wurde, geöffnet in der Wartungshalle. ImZentrum des zylindrisch aufgebauten Systems befinden sich derVertexdetektor sowie die Spurenkammer, durch die währendder Datennahme die Strahlen in einem Vakuumrohr laufen.

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zerfallen ist. Die dritte Methode(Same Side Tagging) bestimmt dieLadung eines Pions, das räumlichmit dem untersuchten B0 am eng-sten korreliert abgestrahlt wurde.Bei einem B0 handelt es sich um einp+, während ein B� 0 von einem p–

begleitet wird. Abbildung 2 zeigtschematisch den Zerfall B0 → J/jK0

S

und die verschiedenen Tagging-Me-

thoden. Die Güte einer Tagging-Methode wird durch zwei Größencharakterisiert: der Effizienz e =(Anzahl der markierten Ereignis-se)/(Anzahl aller Ereignisse) undder Dilution (zu deutsch: Verwässe-rung), einem Maß für die Reinheitder Tagging-Methode:

D = (Nr–Nf)/(Nr+Nf),

wobei Nr die Anzahl der „richtig“markierten und Nf die Anzahl derfalsch markierten Ereignisse ist.D < 1 bedeutet, daß eine möglicheAsymmetrie „verwaschen“ wird.Das Produkt eD2 ist ein Maß fürdie statistische Aussagekraft derMessung. So besagt ein Wert voneD2 = 6,3 %, daß ein Datensatz von400 Ereignissen dieselbe statistischeAussagekraft hat wie 25 Ereignissemit perfektem Tagging.

Nachdem alle Effekte berück-sichtigt wurden, erhält CDF das fol-

gende Ergebnis: sin2b = 0,79+0,41–0,44

(stat. + syst.), wobei der Fehlerhauptsächlich statistischer Naturist. Dieses Ergebnis ist eine wesent-liche Verbesserung bisheriger Mes-sungen und bedeutet, daß sin2b miteiner Wahrscheinlichkeit von 13:1größer als Null ist. Die Messung istdie erste signifikante direkte Beob-achtung von CP-Verletzung in B0-Meson-Zerfällen und stimmt mitden Vorhersagen des Standard-modells überein, nach denen sin2b= 0,75 �0,09 gilt.

Hans Wenzel

[1] http://www-cdf.fnal.gov/physics/new/bottom/cdf4855/cdf4855.html

[2] siehe z. B.: W. Hollik, T.Müller, Phys. Bl., Februar1997, S. 127

[3] Im Maiheft wird in den Phys.Blättern ein Übersichtsartikelüber das Experiment amSLAC erscheinen.

� Blick in den Transistor

Alle 18 Monate verdoppelt sich dieLeistungsfähigkeit von Computer-chips – so das „Mooresche Gesetz“,das in den vergangenen Jahrzehn-ten immer wieder auf’s Neue be-stätigt wurde. Diese Steigerung istnur durch immer kleinere Struktu-ren möglich: Derzeit sind 180 nmgroße Strukturen „state of the art“,innerhalb eines weiteren Jahrzehntswerden Transistoren aus nur nocheinigen tausend Atomen bestehenund um die 100 nm groß sein. Diessetzt eine bislang unerreichte Prä-zision der einzelnen Fertigungs-schritte voraus, von denen dieDotierung ein ganz wesentlicher ist

– im Grunde genommen ist derMOS-Feldeffekt-Transistor, dasArbeitspferd der Halbleiter-industrie, nichts anderes als eine inhomogene Verteilung von n- undp-dotierten Bereichen in Silizium.Umso mehr überrascht es, daß esbislang kein Kontrollverfahren gab,mit dem sich die Verteilung vonDotierstoffen direkt abbilden läßt.Am Institut für Halbleiterphysik inFrankfurt/Oder ist es nun mit ei-nem holografischen Verfahren ge-lungen, das zweidimensionale elek-trostatistische Potential im Transi-storinneren, von dem man auf dieVerteilung der Dotierstoffe zurück-schließen kann, mit einer Auflö-sung von wenigen Nanometern zuvermessen [W. D. Rau et al., Phys.Rev. Lett. 82, Ausgabe vom 29.März 1998].

Betrachtet man einen Transistor-Dünnschliff unter dem Transmissi-onselektronenmikroskop (TEM), soverursacht das ortsabhängige elek-trostatische Potential eine ortsab-hängige Phasenverschiebung der zurDurchstrahlung verwendeten Elek-tronenwellen. Diese Phasenver-schiebung läßt sich holographischaufzeichnen, d. h. durch Interferenzmit einer Referenzwelle, die vomElektronenstrahl des TEM abge-zweigt wurde. Durch den Vergleichmit Referenzproben kann man denZusammenhang zwischen Potentialund Phasenverschiebung eichen, sodaß es gelingt, das Potential auf0,1 V genau mit einer Auflösung von10 nm abzubilden (Abb.). Die Auto-ren hoffen, daß sich mit diesem Ver-fahren nun technologisch bedeutsa-me Diffusionsvorgänge untersuchenund neue Simulationswerkzeuge fürdas Chipdesign entwickeln lassen.

Stefan Jorda

Physikalische Blätter55 (1999) Nr. 416

Aktuell

Abb. 2:Für die Untersuchung der CP-Verletzung ist der Zerfall vonneutralen B-Hadronen von besonderem Interesse. B-Hadronenwerden paarweise in Proton-Antiproton-Kollisionen erzeugt. Siehaben eine relativ lange Lebensdauer von 1,6 ps und legen indieser Zeit im Mittel etwas mehr als einen mm zurück. Gezeich-net ist der Zerfall B�� 0 in ein J/jj- und ein K0

S-Meson. Das J/jj wirdanschließend über dessen prompten Zerfall in zwei entgegen-gesetzt geladene Myonen (mm+mm–) nachgewiesen. Das K0

S mit einerLebensdauer von etwa 90 ps zerfällt hauptsächlich in zwei entgegengesetzt geladene Pionen (pp+pp–). Die Signatur sind alsovier geladene Spuren: zwei Myonen, deren invariante Masse derJ/jj-Masse entspricht, und zwei Pionen, die sich zu einem K0

Skombinieren lassen. Darüber hinaus deutet die Abbildung dieverschiedenen Methoden an, mit denen sich feststellen läßt, ob esursprünglich ein B0 oder ein B�� 0 war, welches letztendlich in einJ/jj- und ein K0

S-Meson zerfallen ist (Flavor Tagging, siehe Text).

Phasenbild eines „burried chanel PMOS-Transistors“ mit einer Kanallänge von 180nm, aufgenommen mit Elektronenholographie (links). Aus dem Phasenbild ergibt sichdas zweidimensionale elektrostatische Potential (rechts). Deutlich zu erkennen sinddie p-leitenden Bereiche, die die source- und drain-Kontakte definieren, sowie der n-leitende Kanal dazwischen mit dem aufgebrachten Kontakt aus Polysilizium. ImPotentialbild entspricht der dunkelste Grauwert einer Spannung von –0,50 V, der hell-ste einer Spannung von +0,45 V. Die Schwarz-Weiß-Streifen im Phasenbild sind aufPhasendifferenzen größer als 2pp zurückführen. (Quelle: W. D. Rau, IHP)

Dr. Hans Wenzel,Institut für Experi-mentelle Kernphy-sik, UniversitätKarlsruhe

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� Schnelle ProtonenSäuren mit einer hohen Konzentra-tion zusätzlicher Protonen leitenden elektrischen Strom besondersgut. Daß diese Eigenschaft mit derhohen Beweglichkeit der Protonenzusammenhängt, vermuteteC. J. T. de Grotthuss schon vorknapp zweihundert Jahren. Mitneuen Experimenten zur Protonen-diffusion in Wasser entbrannte inden sechziger Jahren allerdings einStreit darüber, welche chemischenKomplexe den Protonentransporteigentlich vermitteln. ManfredEigen vermutete aufgrund von ther-modynamischen Messungen, daßdie Protonen sich vorwiegend mitH2O-Molekülen zu H3O

+-Kationenverbinden, die über Wasserstoff-brücken mit drei weiteren Wasser-molekülen jeweils ein H9O4

+-Ionbilden. Georg Zundel führtedagegen die Infrarotspektroskopieins Feld, deren Ergebnisse er alsHinweis auf H5O2

+-Ionen deutete:Zwei Wassermoleküle teilen sichein gemeinsames Proton. Eine auf-wendige Computersimulation,durchgeführt am Max-Planck-Insti-

tut für Festkörperforschung inStuttgart, könnte den wissen-schaftlichen Disput nun beenden.Dominik Marx und seine Kollegenaus der Gruppe von MicheleParrinello haben herausgefunden,daß beide Ionen-Komplexe eineRolle spielen, allerdings nur imSinne einer klassischen Idealisie-rung [Nature 397, 601 (1999)]. DieSimulationen zeigen außerdem, daßquantenmechanische Effekte denProtonentransfer stärker beeinflus-sen als bislang angenommen.

Grotthuss, der galvanische Mes-sungen an Säuren durchgeführt hat-te, formulierte im Jahr 1806 einModell, dessen Kerngedanke für dieBeschreibung der Protonendiffusionbis heute gültig ist. Demnach dif-fundieren die Protonen in einerwässrigen Lösung nicht einfach wieBrownsche Teilchen durch die Flüs-sigkeit, wie man es beispielsweisevon einer Kochsalzlösung kennt,bei der sich Na+- und Cl–-Ionenzwischen Wassermolekülen gleich-sam hindurchschlängeln. Vielmehrwandert allein der „Strukturdefekt“,den das Proton erzeugt: Das Extra-Proton wird zunächst über eineWasserstoffbrücke an ein Wasser-

molekül gebunden. Daraufhin kannsich diese Bindung in eine kovalen-te Bindung umwandeln, und dasWassermolekül gibt statt dessen einanderes Proton frei, dessen kova-lente Bindung sich lockert. DiesesProton wiederum wird Teil des be-nachbarten Wassermoleküls, dasein anderes Proton abgibt, und soweiter. Dieser Mechanismus ähneltdem Bild vom Stromfluß in einempositiv dotierten Halbleiter mitLöchern als Ladungsträgern: Be-nachbarte Elektronen springen inein freies Loch. Der Lochdefektwandert über viele Gitterplätze, ob-wohl sich die einzelnen Elektronenkaum bewegen.

Dominik Marx entwickelte einnumerisches ab-initio-Verfahren,das sowohl die Elektronen als auchdie Atomkerne quantenmechanischbeschreibt: die Elektronen mit derKohn-Sham-Dichtefunktionaltheo-rie, mit denen man auch die Band-struktur in Halbleitern berechnet,und die Atomkerne mit Feynman-schen Pfadintegralen. Dieser ab-initio-Ansatz unterscheidet sichvon den herkömmlichen Simulatio-nen zur Molekulardynamik da-durch, daß er ausschließlich auf

Physikalische Blätter55 (1999) Nr. 4

Aktuell

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den Grundgleichungen der Quan-tenstatistik beruht und ohne zusätz-liche Modellannahmen über Poten-tiale und Kräfte auskommt. Marxund Koautoren berechneten ein Sy-stem aus 32 Wassermolekülen undeinem zusätzlichen Proton. Auf ei-ner Cray T3E/816 benötigte die Si-mulation ein paar Monate Rechen-zeit, um einen Vorgang zu simulie-

ren, der in der Natur einigenPicosekunden entspricht. Doch dasgenügt, um die wichtigsten Merk-male der Protonendiffusion inWasser zu verstehen (Abb.). Eszeigte sich, daß neben thermischenFluktuationen auch Quantenfluk-tuationen für den Protonentransferverantwortlich sind: Der durch daszusätzliche Proton erzeugte Struk-turdefekt ist mitunter über mehrereWasserstoffbrücken delokalisiert, erstreckt gewissermaßen seine Fühleraus, um den energetisch günstigstenWeg zu ertasten. Die quantenme-chanischen Nullpunktsfluktuatio-nen sorgen schließlich dafür, daßder Defekt Energiebarrieren über-windet und von einem Molekülzum nächsten wandert. Diese Er-kenntnis könnte dazu beitragen, ei-nige Vorgänge besser zu verstehen,

bei denen der Protonentransfer einewichtige Rolle spielt. Dazu gehörendie Enzymkatalyse und der Seh-prozeß, sowie schnelle Protonen-leiter und chemische Prozesse inBrennstoffzellen.

Max Rauner

� Langsames Licht

Für die Entfernung von der Sonnezur Erde benötigt ein Lichtstrahlrund acht Minuten. Aber in speziellpräparierten Medien läßt sich Lichtso stark abbremsen, daß es für die-selbe Distanz mehrere hundert Jah-re unterwegs wäre. Physikern amRowland Institute for Science inCambridge, Massachusetts, ist esjetzt gelungen, die Geschwindigkeiteinzelner Lichtpulse in einem kal-ten Atomgas auf 17 m/s zu reduzie-ren [Nature 397, 594 (1999)].

Die Arbeitsgruppe nutzte einenEffekt aus, der als „elektromagne-tisch induzierte Transparenz“ be-kannt ist: Gase, die das Licht einesschwachen Probelasers unter nor-malen Umständen absorbieren, las-sen sich durch Bestrahlen mit ei-nem weiteren, intensiveren Laser-strahl durchsichtig machen. DiesesPhänomen ist ein quantenmechani-scher Effekt: Zunächst absorbierendie ungestörten Atome den Probe-laser, weil dessen Wellenlänge miteinem elektrischen Dipolübergangin der Atomhülle übereinstimmt.Durch die Bestrahlung der Atomemit dem zusätzlichen Laser verän-dern sich die Eigenzustände des ge-koppelten Systems aus Atomen undLichtfeld. Der Grundzustand desÜbergangs verwandelt sich dadurchin einen sogenannten Dunkelzu-stand, der nicht mehr mit dem Pro-belaser wechselwirkt – das Gaswird transparent. Allerdings nur fürLicht in einem sehr schmalen Fre-quenzintervall. Damit verbunden isteine extrem hohe Dispersion: DerBrechungsindex wird stark fre-quenzabhängig. Die (Gruppen-)Ge-schwindigkeit des Lichts, in diesemGrenzfall umgekehrt proportionalzur Dispersion, nimmt drastisch ab.

Lene Hau und ihre Mitarbeiterverwendeten als Medium ein dich-tes Natriumgas bei Temperaturenunter einem Mikrokelvin, dem sieeinen relativ intensiven Laserstrahlüberlagerten. Sie blitzten das Gasmit zusätzlichen kurzen Laserpul-sen an (Pulsdauer 2,5 ms) und regi-strierten mit einem Detektor, wiestark die Lichtpulse durch die Gas-

wolke verzögert wurden. Bei einerGas-Temperatur von 450 nK breite-ten sich die Pulse in dem Natrium-gas mit einer Geschwindigkeit von32,5 m/s aus. Bei 50 nK waren 90 %der Atome zu einem Bose-Einstein-Kondensat kondensiert, und dieGruppengeschwindigkeit des Lichtsverringerte sich weiter auf 17 m/s.Ob die Bose-Einstein-Kondensationeinen qualitativen Einfluß auf dieelektromagnetisch induzierte Trans-parenz hat, ist allerdings noch un-geklärt. Über Anwendungen desExperiments läßt sich derzeit nurspekulieren. Robert Wynands undDieter Meschede von der Univer-sität Bonn nutzen die starke Ma-gnetfeldabhängigkeit der elektroma-gnetisch induzierten Transparenz,um ein extrem empfindliches Ma-gnetometer aufzubauen [Europhys.Lett. 44, 31 (1998)]. Sie hoffen, ei-nes Tages magnetische Flußdichtenvon 10–15 T messen zu können.

Max Rauner

Physikalische Blätter55 (1999) Nr. 418

Aktuell

Mit 32 Wassermolekülen und einem zusätzlichen Proton läßtsich die Protonenwanderung in Wasser schon sehr genau ver-stehen. Die Simulation zeigt die quantenmechanisch berechne-ten Positionen der Sauerstoff- (rot) und Wasserstoffatome(grau). Wasserstoffbrücken (grün) sind nur in (a) eingezeichnet.Das „Verwackeln“ der Atome ist auf quantenmechanische Fluk-tuationen zurückzuführen. Den durch das zusätzliche Protonverursachten „Strukturdefekt“ markieren gelbe (H) undschwarze Atome (O). Der Defekt zeigt, wo sich das jeweils amschwächsten gebundenen Proton befindet. Durch das sukzessiveAuflösen und Schließen von kovalenten Bindungen diffundiertder Strukturdefekt durch das Wasser. Obwohl die einzelnenProtonen sich dabei kaum bewegen, ist dieser Vorgang gleichbe-deutend mit einem schnellen Protonentransport. (© Nature)

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� Wellenpakete unter Kontrolle Die JJ-Funktion eines Quantenzu-stands zu kennen und nach Beliebenzu verändern, das ist der Traum vie-ler Quantenphysiker. Jetzt wurde ermit einzelnen Atomen verwirklicht.

Warum sind die Quantenmechanikund die klassische Mechanik soverschieden? Die Antwort daraufhat viele Facetten. Eine davon be-trifft den Zustandsbegriff, der inden beiden Theorien sehr verschie-den ist. Für ein klassisches Teilchenist der Zustand vollständig fest-gelegt, sobald sein Ort x und seinImpuls p zu einer Zeit t bekanntsind. Zugleich sind im Prinzip beideGrößen an einem System beliebiggenau meßbar. Der Zustand einesklassischen Teilchens ist also so-wohl kontrollierbar als auch nachBelieben manipulierbar. Wie ver-hält sich dies in der Quantenme-chanik?

Zunächst verbietet es Heisen-bergs Unbestimmtheitsrelation, Ortund Impuls eines mikroskopischenTeilchens gleichzeitig zu kennen.Der Zustandsbegriff der Quanten-mechanik ist folglich ein ganz ande-rer. Quantensysteme werden durcheine komplexe Wellenfunktion j(x)oder deren Fourier-Transformiertej̃(p) beschrieben. Experimentell zu-gänglich sind allein Wahrschein-lichkeiten. Insbesondere ist �j(x)�2

bzw. �j̃(p)�2 die Wahrscheinlich-keitsdichte, den Ort x bzw. den Im-puls p zu messen. Der Quantenzu-stand j ist hingegen keine direkteBeobachtungsgröße. Er muß viel-mehr im nachhinein aus den gemes-senen Wahrscheinlichkeitsdichtenrekonstruiert werden.

Auf der anderen Seite ist es ge-nauso schwierig, einen definiertenQuantenzustand zu erzeugen. Diekohärente Kontrolle und das De-sign exotischer Wellenfunktionensind hochaktuelle Themen dertheoretischen und experimentellenForschung. In einem neuen Experi-ment ist es Physikern an der Uni-versity of Michigan gelungen, dasLeuchtelektron einzelner Atomemit ultrakurzen Laserpulsen inmaßgeschneiderte Zustände anzu-regen [1]. Mit einem raffiniertenVerfahren rekonstruierten sie dieelektronische Wellenfunktion undveränderten in einer Regelschleifeden Laserpuls, bis der vorgegebeneZustand realisiert war.

P. Bucksbaum und seine Mitar-beiter beschäftigen sich vorrangig

mit der Präparation elektronischerZustände in Cäsium [1]. Sie ver-wenden Laserpulse mit einer Dauervon etwa 150 fs, die zur kohärentenAnregung aller Energie-Eigenzu-stände un mit Hauptquantenzahlenn = 24 bis n = 31 und Drehimpuls-quantenzahl l = 1 führen. So ent-steht ein hochangeregter, sogenann-ter Rydberg-Zustand

der im Verlauf der Zeit t in radialerRichtung oszilliert. Durch eine ge-eignete Wahl von Amplitude undPhase des Lasersignals lassen sichdie Entwicklungskoeffizienten angezielt verändern.

Für eine Wellenfunktion nachWunsch, also einen beliebig vor-gegebenen Satz von Entwicklungs-koeffizienten, gilt es nun, den rich-tigen Laserpuls zu finden. Das istkeine einfache Aufgabe. Oft müssenkomplizierte, nichtlineare Glei-chungen für das elektrische Felddes Laserlichts geknackt werden.Weinacht, Ahn und Bucksbaum ge-hen jetzt einen anderen Weg. Umdas elektronische Wellenpaket j ineinem Cäsium-Atom zu präparie-ren, verwenden sie eine trickreicheFeedback-Methode: Die Laserpulsewerden Schritt für Schritt verbes-sert, bis der korrekte Laserpulsschließlich auf das Ziel-Wellen-paket führt.

Verbessern lassen sich die Pulseaber nur, wenn nach dem i-ten Pulsder erreichte Zustand j(i) mit j ver-glichen wird. Weinacht und seineKollegen brauchen also zusätzlichzur Zustandserzeugung ein Rezept,um j(i) zu rekonstruieren. Dazuverwenden sie ein holographischesVerfahren, das sowohl für elektro-nische Wellenpakete von Rydberg-Atomen [2] als auch für vibratori-sche Wellenpakete von Molekülen[3] entworfen wurde. Daß die Wel-lenpaket-Holographie funktioniert,hat Bucksbaums Gruppe schon imvergangenen Jahr bewiesen [4]. DasPrinzip ist einfach: Zum angeregtenPaket j(i) wird durch einen weite-ren Laserpuls ein bekanntes Refe-renz-Wellenpaket hinzugefügt. Ins-gesamt hat der Zustand dann dieForm

mit den unbekannten Koeffizientenan

(i) und den bekannten Referenz-Koeffizienten bn

(ref) sowie der Zeit tzwischen den Laserpulsen. Wichtig

j tges

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Physikalische Blätter55 (1999) Nr. 4

Aktuell

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ist, daß jeder Energie-Eigenzustandmit der kohärenten Summe der bei-den Koeffizienten gewichtet ist.Wenn das Rydberg-Atom jetzt ineinem elektrischen Feld ionisiertwird, trägt jedes Orbital des Atoms

selektiv mit der Wahrscheinlichkeit

zum Signal bei (zustandsselektiveFeldionisation). So können dieGrößen Pn, die Aufenthaltswahr-scheinlichkeiten des angeregtenElektrons in den Atom-Orbitalen,einzeln gemessen werden. Sie ent-halten die interferometrische Infor-mation über Betrag und Phase derKoeffizienten an

(i) und damit überdas Paket j(i) – soviel zum Prinzipder Quantenzustands-Holographie.

Die Strategie von BucksbaumsGruppe besteht nun darin, die Her-stellung eines Wellenpakets mitdessen Rekonstruktion rückzukop-peln (siehe Abbildung). Auf dieseWeise kann der (i+1)-te Laserpulskorrigiert werden, falls j(i) nochnicht mit j übereinstimmt. DieKonvergenz des Verfahrens ist er-staunlich gut: Der gewünschte Zu-stand stellt sich in der Regel nachnur zwei Iterationen ein.

Dieses „Bildhauen von Wellen-paketen“ ist ein beeindruckendesBeispiel für die Faszination, dievom Gebiet der kohärenten Quan-tenkontrolle ausgeht. Einzelne

P a e bn ni iE

nn= +( ) – / ( )t � ref 2

Quantensysteme lassen sich adres-sieren und mit Information be-schreiben. Die Perspektiven reichenvom Design chemischer Reaktionenbis weit ins Zeitalter der Quanten-Informationsverarbeitung.

Matthias Freyberger

Priv.-Doz. Dr. Matthias Freyberger,Universität Ulm, Abteilung für Quanten-physik, D-89069 Ulm

[1] T. C. Weinacht, J. Ahn, P. H. Bucksbaum, Nature397, 233 (1999)

[2] C. Xin, J. A. Yeazell, Phys.Rev. A 56, 2316 (1997)

[3] C. Leichtle, W. P. Schleich, I. S. Averbukh, M. Shapiro,Phys. Rev. Lett. 80, 1418(1998)

[4] T. C. Weinacht, J. Ahn, P. H. Bucksbaum, Phys. Rev.Lett. 80, 5508 (1998)

Physikalische Blätter55 (1999) Nr. 420

Aktuell

Das Prinzip der Feedback–Präparation eines Rydberg-Wellenpa-kets jj: Zunächst wird ein Laserpuls (schwarz) in einen Signal-puls (rot) und einen zeitverzögerten Referenzpuls (blau)zerlegt. Amplitude und Phase des Signalpulses lassen sich miteinem akusto-optischen Modulator (AOM) einstellen. DieserPuls präpariert in den anfliegenden Cäsium-Atomen das Trial-Wellenpaket jj(i). Der blaue Puls fügt zu jj(i) ein Referenzpakethinzu. Diese beiden Wellenpakete interferieren miteinander.Das anschließende Feldionisationssignal wird von dieser Inter-ferenz bestimmt und enthält dadurch Information über Betragund Phase des Zustands jj(i). Falls sich jj(i) und jj unterscheiden,wird der AOM entsprechend nachgeregelt und ein neuer Signal-puls erzeugt, solange, bis das gewünschte Wellenpaket imRydberg-Atom präpariert ist.