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Hohenzollerische Heimat Herausgegeben vom I ^^H Hohenzollerischen Geschichtsverein 54. Jahrgang Nr. 1 - März 2004 E 3828 Salomon Hirschfelder: „Die Liebe macht blind". Entstehung: 1880; signiert Ol auf Leinwand 57x49 cm Vorlage: Auktionskatalog Kunsthaus Weiner, München Verbleib: Unbekannt Das Bild zeigt ein innig plauderndes verliebtes Paar, das ins Gespräch vertieft nicht bemerkt, dass sich im Hinter- grund Hühner an den vom Mädchen abgestellten Lebensmitteln vergehen. Bemerkenswert ist, dass die dargestellte Szene topographisch sehr genau in der Umgebung von Dettensee auszumachen ist.

Hohenzollerische Heimat Jg54 2004...Hohenzollerische Heimat Herausgegeben vom I ^^ HohenzollerischeH Geschichtsverein n 54. Jahrgang Nr 1 - März 2004 E 382.8 Salomon Hirschfelder:

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Page 1: Hohenzollerische Heimat Jg54 2004...Hohenzollerische Heimat Herausgegeben vom I ^^ HohenzollerischeH Geschichtsverein n 54. Jahrgang Nr 1 - März 2004 E 382.8 Salomon Hirschfelder:

Hohenzollerische Heimat Herausgegeben vom I ^ ^ H Hohenzollerischen Geschichtsverein

54. Jahrgang Nr. 1 - März 2004 E 3828

Salomon Hirschfelder: „Die Liebe macht blind". Entstehung: 1880; signiert Ol auf Leinwand 57x49 cm Vorlage: Auktionskatalog Kunsthaus Weiner, München Verbleib: Unbekannt Das Bild zeigt ein innig plauderndes verliebtes Paar, das ins Gespräch vertieft nicht bemerkt, dass sich im Hinter-grund Hühner an den vom Mädchen abgestellten Lebensmitteln vergehen. Bemerkenswert ist, dass die dargestellte Szene topographisch sehr genau in der Umgebung von Dettensee auszumachen ist.

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HERBERT ZANDER

Salomon Hirschfelder: Leben und Werk eines Multitalents aus Hohenzollern (Fortsetzung)

[Vorbemerkung: Die Nummern in den eckigen Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das in Nr.4/2003 auf Seite 63 zu finden ist.]

5. Hirschfelders Nachlass und Erben Nach Hirschfelders Tod machte Moritz Guggenheim, der Aktuar der israelitischen Kultusgemeinde in München, eine Vermögensaufstel-lung. Sie ergab ein Vermögen von 579,11 RM. Die Geschwister über-dachten ihre anfänglich erklärte Bereitschaft, auf das Erbe zu Gunsten der israelitischen Kultusgemeinde München zu verzichten, als ihnen das Vermögen des Bruders bekannt wurde. Der Bruder Lazarus und die Schwester Mina verzichteten dann auf ein Viertel des ihnen zuste-henden Betrages von 137 RM. Damit sollte ein Grabstein beschafft und der Rest der Kultusgemeinde überlassen werden. Salomons Schwester Klara wollte zwar auch zur Beschaffung des Grabsteins beitragen, mochte dann aber, wie sie schrieb, »indem ich selber bedürftig bin«, auf das ihr zustehende Erbe nicht verzichten. [12]

Wenn heute oft über fehlenden Familienzusammenhalt geklagt wird, so ist dies keine Eigenart der modernen Zeit, wie man am Beispiel der Familie Hirschfelder sehen kann: Über die vier erbberechtigten Halb-geschwister Jakob, Aron, Fanny [auch Vanni] und Sophie aus der er-sten Ehe des Vaters wussten Salomons Geschwister nur noch, dass drei von ihnen in Kalifornien und eines im elsässischen Trimbach gelebt hatten und verstorben waren. Auch die dann von Amts wegen ausfindig gemachte Sara Levy in Trimbach, Tochter der dortigen Halb-schwester, wusste weder Namen noch Adressen der in die USA ausge-wanderten Verwandten anzugeben. Der geringe Erbanteil von 41,67 RM pro Halbgeschwister war dann wohl der Grund, dass keine weit-eren Nachforschungen angestellt wurden, zumal Sara Levy auf das den Nach-kommen der Halbgeschwister zustehende Erbe zugunsten der israelitischen Kultusgemeinde München verzichtete. [12]

Der Name der ersten Frau Mayer Joseph Hirschfelders, Rebeka Stern, war keinem der Erben mehr bekannt. Mayer Joseph Hirschfelder war schon 1872 [4] in Dettensee gestorben, seine zweite Frau Sara Schneier im Jahre 1885 [4 ] , ebenfalls in Dettensee. Lazarus Hirsch-felder starb 1911 in Mühringen; Mina Oppenheimer geb. Hirschfel-der zog nach dem Tod ihres Mannes zu einer Tochter nach Ingol-stadt, wo sie ebenfalls 1911 starb; Klara Kurz geb. Hirschfelder starb 1908 in Baisingen. Von den Halbgeschwistern ist bekannt, dass der älteste Halbbruder, Jakob, von Beruf wie der Vater Buchbinder war und im Jahre 1853 nach Amerika auswanderte. Sophie heiratete 1845 im elsässischen Trimbach [4] Nathan Levi [ 12]. Arons Auswan-derung ist nicht dokumentiert, er war aber Posthalter in Kalifornien [12]. Vanni, die jüngste Halbschwester, heiratete 1854 in Kuppen-heim Daniel Kahn [ 14] und wanderte mit ihrem Mann ebenfalls nach Amerika aus.

6. Technische Talente 6.1 Fotografie Von Hirschfelders technischem Talent berichtet Hyazinth Holland: »H. photographierte nicht allein eine Menge Modelle, er arbeitete auch und experimentierte mit Verbesserungen dieser Technik; er

konstruierte einen Apparat mit Momentverschluß; photogra-phierte zu einer Zeit, wo noch niemand dergleichen wagte, einen Taubenflug und einen Blitzzug, Vergebens suchte er seine Ver-besserungen in Paris und London zu verkaufen, vergeblich nahm er ein deutsches Patent. Umsonst - er drang nirgends durch. Auch das Problem löste er, drei verschiedene Einstellungen auf einer Platte zu realisieren. Die meisten seiner Platten überließ er dem Kunsthändler Ferdinand Finsterlin.« [ 2 ] Man sieht also, dass Hirschfelder die Fotografie auch als Hilfsmittel seiner Malkunst verwendete. Seine großen Gemälde waren ja keine spontanen Erfindungen, sondern wurden aus Einzelmotiven schritt-weise entwickelt. Mit der Fotografie fügte er seinem Repertoire eine weitere Experimentiermöglichkeit hinzu. Die Suche nach eventuell noch vorhandenen Fotografien blieb leider erfolglos.

Die Bemerkung über den Vogelflug ist mit Vorsicht zu genießen -nicht wegen der Realisierbarkeit, diese ist durch die Patenterteilung bereits einwandfrei erwiesen [18] - , sondern wegen des Datums. Hier sind die historischen Daten aufs Genaueste zu prüfen: In der Lit-eratur gilt nämlich Ottomar Anschütz als derjenige, der mit einem neuartigen und von ihm selbst patenüerten Schlitzverschluss vor 1900 brauchbare Momentaufnahmen machte. Anschütz war der er-ste, der den Flug von Vögeln, in diesem Falle Störchen, fotografierte und exzellente Bilder vorlegte. [18] Auch die fotografische Abbildung eines Eisenbahn-Schnellzuges1 ist nicht sehr bemerkenswert, denn der berühmte französische Schrift-steller Emile Zola, ein begeisterter Fotograf, an dessen Grundstück die Expresslinie nach Paris entlang führte, machte seine Aufnahmen von Eilzügen weit vor 1900 (etwa 1888). [18] Dass Hirschfelder in der einschlägigen Literatur keine Erwähnung gefunden hat, kann nur bedeuten, dass sein Taubenflug und Blitzzug im Ergebnis nicht über-zeugend waren.

6.2 Der Erfinder Von Salomon Hirschfelder sind drei Patente bekannt, von denen jedes ein anderes technisches Gebiet berührt:

Patentschrift DE No 18 314 Klasse 1 le,Gruppe 4 [19] »Vorrichtung zum Halten der Bücher beim Lesen« - wurde am 3. Juni 1881 patentiert. Es handelt sich um eine Erfindung, die man wohl in die Kategorie »wenig praktikabel« einreihen kann, weshalb nicht weiter darauf eingegangen werden soll.

Patentschrift DE No 16019 Klasse 47b, Gruppe 16 [19] »Handkurbel mit Sperrung und Auslösung« - wurde ebenfalls am 3. Juni 1881 patentiert. Die Erfindung war eine raffinierte Lösung für eine Lastenwinde, die mit Handkurbel bedient wird. Diese Lasten-winden wurden stationär oder auch mobil eingesetzt, um Teile auf Pferdewagen, Lastwagen oder Speicher zu laden. Das Problem da-mals war, dass die Winde wegen der einzuklinkenden Sperre beid-händig bedient wurde, was die Unfallgefahr erhöhte. Hirschfelders Idee war nun vermutlich, über eine Differenzialscheibe (die leider in der Zeichnung nicht sichtbar ist) diesen Vorgang so zu steuern, dass automatisch mit der Kurbel die Sperre gelöst oder arreüert wurde.

1 Ein »Blitzzug« ist ein Schnellzug. Detlev von Liliencrons »Bunte Beute« von 1903 enthält ein Gedicht mit dem Titel »Der Blitzzug«, worin es heißt: »Quer durch Europa von Westen nach Osten/Rüt-tert und rattert die Bahnmelodie.«

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Mitteilungen aus dem Hohenzollerischen Geschichtsverein • ' • v

Veranstaltungen im 2. Quartal 2004

I. Mitgliederversammlung Sehr geehrte Damen und Herren liebe Mitglieder des Geschichts-vereins! Ich lade Sie recht herzlich zur Mitgliederversammlung am Dienstag, 18. Mai 2004, um 18.30 Uhr in den Konstantinsaal des Museums in Hechingen zur Mitgliederversammlung ein.

Tagesordnung: 1) Begrüßung und Nachrufe 2) Tätigkeitsbericht des Vorsitzenden, 3) Tätigkeitsbericht des Schatzmeisters, 4) Rechnungsprüfungsbericht zum 31. Dezember 2003, 5) Ernennung eines neuen Ehrenmitglieds, 6) Anträge und Verschiedenes

Weitere Tagesordnungpunkte oder Ergänzungen sind bis spätestens 14. Mai 2004 an das Sekretariat des Geschichtsvereins, Karlstraße 1/3, 72488 Sigmaringen (Tel. 07571/101-580 oder 559) zu richten.

Im Anschluss an die Mitgliederversammlung findet um 20.15 Uhr am gleichen Ort ein öffentlicher Vortrag statt.

Dr. Volker Tmgenberger, Sigmaringen » In seiner Majestät Stammlanden nicht ohne Stärkung durch das Evangelium gelassen. - Zur Geschichte der evangelischen Kirche in Hohenzollern«.

II. Seminar In Zusammenarbeit mit dem Staatsarchiv Sigmaringen, der Landes-zentrale für politische Bildung Baden-Württemberg und dem Verein für Familien- und Wappenkunde in Württemberg und Baden wird am Donnerstag, 6. Mai, von 13 bis 17 Uhr im Staatsarchiv Sigmaringen, Karlstraße 173, 72488 Sigmaringen, folgendes Seminar angeboten:

Archivische Quellenkunde: Personalakten und Nachlässe.

Programm: 13.30 Uhr Begrüßung 13.15 Uhr Personalakten und Nachlässe des 20. Jahrhunderts

als Quellen biographischer und genealogischer Forschung. Referent: Dr. Frank Raberg, Neresheim

14.45 Uhr Kaffeepause 15.15 Uhr Schutz- und Sperrfristen und ihre Verkürzung.

Referent: Dr. Otto H. Becker, Staatsarchiv Sigmaringen 16.00 Uhr Archivische Recherche im Internet, Referent:

Dr. Franz-Josef Ziwes, Staatsarchiv Sigmaringen 17.00 Uhr Abschlussdiskussion Die Teilnahme kostet 15,00 Euro, die bei der Veranstaltung bar zu ent-richten sind.

Anmeldungen sind bis spätestens 15. April 2004 zu richten an: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Referat 61 Natur und Kultur, Hanner Steige 1, 72574 Bad Urach (Tel. 0 7125/152-144, Fax -100) gez. Dr. Becker, Vorsitzender

HOHENZOLLERISCHE HEIMATBÜCHEREI HECHINGEN HEILIGKREUZ STR. 10, 72379 HECHINGEN TELEFON: 07471/934318 PRIV 07485/1403

Ausleihebedingungen Die Hohenzollerische Heimatbücherei in Hechingen ist eine öf-fentliche, wissenschaftlich ausgerichtete Leihbücherei für jeder-mann. Sie beruht auf einer privaten Stiftung der 30er-Jahre des letzten Jahrhunderts und ist bis heute eigenständig geblieben. Mit ihren Beständen - Büchern, Zeitschriften, Zeitungsbänden und Sammelmappen - will sie die Forschungen zur Kultur, Geschich-te und Ortskunde in Hohenzollern und benachbarten Räumen fördern. Die Heirnatbücherei wird vertragsgemäß durch die Stadt He-chingen und den Zollernalbkreis finanziell gefördert. Dieser hat-te die sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen vom vor-mals verantwortlichen Landkreis Hechingen übernommen. Die Stadt Hechingen und der Zollernalbkreis üben jedoch keinen lenkenden Einfluss auf die Heimatbücherei aus.

Ausleihebedingungen 1. Die Ausleihe erfolgt jeden Mittwoch - die Ferientage sind

ausgenommen - zwischen 14.30 Uhr und 18.00 Uhr. Ausge-liehen werden Bilder, Bücher und Zeitschriftenbände, die ab 1891 erschienen sind. In besonderen Fällen können mit dem Leiter der Heimatbücherei für begrenzte Zeit Ausnah-men getroffen werden. Dies geschieht wegen des hohen Wer-tes der Bücher und der Schwierigkeiten sie nach Verlust neu zu beschaffen.

2. In Sammelmappen und Zeitungsbände kann Einsicht ge-nommen werden. Sie werden nicht ausgeliehen. Ein Kopier-gerät steht zur Verfügung. Der Preis je Kopie beträgt für das Format A 4 25 ct., für A3 50 ct.

3. Die gewöhnliche Leihfrist für die kostenlose Ausleihe beträgt 5 Wochen. Die Ferientage werden nicht mitgezählt, wenn die Frist dadurch überschritten wird. Höchstens 5 Bücher wer-den an einen Leiher ausgegeben. Die rechtzeitige Rückgabe ist Voraussetzung für die erneute Ausleihe weiterer Bücher.

4. Im angekündigten Bedarfsfall kann die Ausleihefrist um 3 Wochen gegen eine pauschale Gebühr von 1,50 Euro ver-längert werden. Sind 5, bzw. 8 Wochen (einschließlich der gewährten Verlängerungsfrist) ohne eine Rückgabe ver-strichen, wird pro Buch und Woche eine Gebühr von 0,50 Euro erhoben. Sollte eine Mahnung ab der 6. bzw. 9. Woche erfolgen müssen, tritt eine Mahngebühr von 2 Euro hinzu.

Es ist vor allem wichtig, dass die Bücher der Heimatbücherei zeitig zurückkommen und nicht ver-gessen werden.

Hechingen, den 10. September 2003

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Mitteilungen aus dem Hohenzollerischen Geschichtsverein

Die Hohenzollersiche Heimat durch Register erschlossen Wie schon erwähnt, kann das Register als Ausdruck oder auch in Form einer Datei im Format » W o r d « bezogen werden bei: Hohenzollerischer Geschichtsverein Karlstraße 1 + 3 72488 Sigmaringen Tel.: 07571/101-580

Bezugspreise: Als Datei auf Diskette 2,50 EUR (zuzüglich Versandkosten 1,50 EUR) In Papierform (mit Spiralbindung) 12,30 EUR (zuzüglich Versandkosten 1,50 EUR)

Ehemaliger Bundeskanzler Kiesinger vor 100 Jahren geboren Am 6. April 1904 wurde Kurt Georg Kiesinger in Ebingen geboren. Von 1958 bis 1966 war er Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg und von 1966 bis 1969 Bundeskanzler. 1969 ver-lieh ihm die damalige Stadt Ebingen die Ehrenbürgerwürde. Er gehörte zu den namhaften Vertretern der deutschen Nach-kriegsdemokratie, an deren Aufbau er als Bundestagsabgeord-neter, als Ministerpräsident und als Bundeskanzler maßgeblich beteiligt war. Seite Amtszeit als Bundeskanzler 1 9 6 6 - 1969 mar-kiert einen bedeutsamen Wendepunkt in der deutschen Nach-kriegsgeschichte, nämlich das Ende der Aufbauphase nach dem Krieg, die mit den Namen Konrad Adenauer und Ludwig Erhard verbunden ist, eine Zeit, die auch mit Nierentischchen und mit dem Wirtschaftswunder assozüert wird. Nach Kiesingers Amtszeit kommt die Phase der SPD-Regierungen, die Zeit Willy Brandts und Helmut Schmidts, die Zeit der Ostverträge und der (heute noch nachwirkenden) großen Veränderungen in Staat und Ge-sellschaft. Am 6. April 2004 jährt sich der Geburtstag Kurt Georg Kiesingers zum hundertsten Mal. Aus diesem Anlass führt die Stadt Albstadt mehrere Veranstaltungen durch:

1. Freitag, 2. April 2004, 20.00 Uhr Festvortrag in der Festhalle Albstadt-Ebingen, verbunden mit einer Ansprache des Ministerpräsidenten Erwin Teufel. 2. Samstag, 3. April, 16.00 Uhr Benennung des Kurt-Georg-Kiesinger-Platzes in Albstadt-Ebingen

3. Samstag, 3. April, 17.00 Uhr Zeitzeugen im Gespräch zu Kurt Georg Kiesinger. Ort: Festhalle Albstadt-Ebingen unter Teilnahme der ehemaligen Ministerpräsi-denten Hans Filbinger und Lothar Späth. 4. Freitag, 2. April und Samstag, 3- April Wissenschaftliches Symposium im Rathaus Albstadt-Ebingen zum Thema Kurt Georg Kiesinger mit folgenden Vorträgen: 2.4. 13.30 Uhr: Kindheit und Jugend. Dr. Peter Th. Lang,

Albstadt: Ebingen in Kiesingers Kinderzeit Prälat Paul Kopf, Stuttgart: Konrad [Kurt] Georg Kiesinger: Kindheit und Jugend im Spannungsfeld der Konfessionen

16.30 Uhr: Der Weg zur Politik. Priv.-Doz. Dr. Michael Hochgeschwender, Tübingen: Akademische Verbindungen während der 20-er und 30-er Jahre. Dr. Philipp Gassert, Heidelberg: Kurt Georg Kiesingers Weg zur Demokratie

3.4. 9.30 Uhr: Ministerpräsident in Baden-Württemberg Dr. Thomas Schnabel, Stuttgart: Bildungspolitik in Baden-Württemberg Prof. Dr. Willi A. Boelcke, Stuttgart: Die flo-rierende Industrie in Baden-Württemberg

13.30 Uhr: Kanzlerschaft, Prof. Dr. Rudolf Morsey, Speyer: Die Große Koalition - ihre Vorge-schichte und Nachwirkung Priv.-Doz. Dr. Gabriele Metzler, Tübingen: Die Reformprojekte der Großen Koalition im Kontext ihrer Zeit

Auskunft und Anmeldung zum Symposium: Stadtarchiv Albstadt, Dr. Peter Th. Lang, Tel. 07431/160-1135.

Der Vorzug ist, dass die Teile (besonders bei einer mobilen Winde mit Schwenkvorrichtung) mit nur einer Hand aufs Genaueste für die Ladehöhe und -fläche platziert werden konnten, einschließlich der Unfallverminderung. Was Hirschfelder hier vorweg genommen hat, hat Ähnlichkeit mit dem Differenzialgetriebe beim Auto. [18]

Patentschrift DE No 68503 Klasse 57a, Gruppe 6/02 [19] »Photographischer Apparat mit schwingender Objectivhülse für ebene Platten« - w u r d e am 14. Juli 1891 patentiert. Hirschfelder war nicht alleiniger Patentinhaber; Louis Dannhauser aus New York war Mitinhaber. Es handelt sich dabei um eine sehr interessante Kon-struktion, die ähnlich wie eine Panoramakamera funktioniert, aber

nicht für diesen Zweck gedacht ist. Der Lichtstrahl fällt durch einen Belichtungsspalt im rechten Winkel auf die Platte - es wird also der Schlitzverschluss für einen »normalen« Fotoapparat scannerartig zur Belichtung benutzt und gleichzeitig die sphärische Aberration des Objektivs auf ein Minimum reduziert. Die Idee ist zwar gut; jeder-mann kann heute bei einem Fotokopierer das Prinzip in abgewan-delter Form beobachten. Schwierig wurde es aber in der Praxis der technischen Umsetzung, da sowohl die Objektivhülse als auch die Platte bewegt wurden, und dann auch noch mittels Gummizug. Die Abstimmung durch einen U-förmigen Rahmen mag zwar gut gedacht sein, aber beide Drehmomente mit den damaligen Mitteln zu syn-chronisieren, war fast undurchführbar. Dennoch war Hirschfelder mit dieser Idee seiner Zeit voraus. [18]

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S A L O M O N HIRSCHFELDER IN M Ü N C H E N UND LOUIS D A N N HAUSER IN NEW-YORK

PhotoQraphtaeher Apparat mit schwlngentfer Objectlvhflise für ebene Platten,

Zu der PatenlKhrifi

JVi 68503.

Es sei noch angemerkt, dass ein Patent mehrere Stadien bis zur endgültigen Patenturkunde durchläuft. Auch Hirschfelders Patente wurden von einem Sachverständigen daraufhin überprüft, ob seine Vorschläge technisch machbar waren. Das war ohne Zweifel der Fall. Hirschfelder war also, was seine technischen Ideen anbelangte, kein »Spinner«. Andererseits fließt die Frage der Alltagstauglichkeit nicht in die Frage der Patenterteilung ein, und hier scheint es gehapert zu haben. Zudem war im Jahre 1900 die große Zeit der Einzelerfinder vorbei. In der imperialistischen Phase dominierten immer mehr die großen Trusts und Konzerne, die nach Belieben Patente in den Schubladen verschwinden oder ganze wissenschaftliche Stäbe für ihre Patente arbeiten ließen. Für einen kleinen Erfinder ohne Firma,

JOSEF SCHNEIDER

Neue Zunftfahne der »Ehrsamen Handwerkervereinigung Haigerloch«

Die »Ehrsame Handwerkervereinigung Haigerloch« hat im 135. Jahre ihres Bestehens eine neue Zunftfahne beschafft. In die Feier-stimmung des Handwerkerjahrtages am 20. Oktober 2003 war die Weihe der Fahne durch Pfarrer Romuald Pawletta eingebettet. Das neue Exemplar, in edler Nadelstichmalerei bei der Firma Burger in Munderkingen hergestellt, ist aus besseren Gebrauchsgründen klei-ner gehalten. Sie lehnt sich jedoch an die Vorgängerin an, die auf der einen Seite das Wappen der »Becken und Müller« und auf der an-deren Seite das bekannte Medaillon mit dem Bild des hl. Sebastian zeigt. Die Beschaffung der ersten Fahne erfolgte 1843; diese Jahres-zahl wurde sinnigerweise auf der neuen Fahne angebracht. Das alte Exemplar, das seine Nachfolgerin nochmals zur Kirche und im Zug zum Zunftlokal »Krone« begleitete, wird auf dem Rathaus aufbewahrt werden wie Bürgermeister Trojan zusicherte.

Es spricht für die bemerkenswerte Verbundenheit der Handwerks-meister mit der althergebrachten Tradition, dass nach 135 Jahren in einer total veränderten Situation nochmals eine neue Fahne beschafft wurde. Der Brauch des Handwerkerjahrtages wird aktiv gepflegt und

die ihn förderte, war es fast ausgeschlossen, mit seinen interessan-ten, aber idealistischen Ideen Geld zu verdienen. [18]

7. Schluss Will man ein Fazit zu Salomon Hirschfelders Leben und Werk ziehen, so gibt es auch heute keine bessere Umschreibung als die Worte des Rabbiners Dr. Maier an seinem Grab [ 13]. Alle seine heute bekannten Bilder zeichnen sich durch die sehr genaue und liebevolle Beobach-tung alltäglicher Situationen aus und rufen beim Betrachter ein an-erkennendes und bewunderndes Lächeln hervor. Diesen großen, aber weitgehend unbekannt gebliebenen Dettenseer und sein Werk wieder etwas in das Bewusstsein der Menschen zu bringen, sollte der Sinn dieses Aufsatzes sein.

zwar nicht nur etwa von den Altmeistern im Handwerk, sondern auch von einer stattlichen Zahl Jungmeister als Nachwuchs. Aus ihnen rekrutiert sich auch ein musikalisches Ensemble, das den Gottes-dienst in St. Anna zur »Gedächtnismesse« bereichert. Nachmittags nach dem gemeinsamen Essen - zum Brauch zählt auch das »Kuttel-essen« - wird in der Regel eine Betriebsbesichtigung durchgeführt. Zahlreiche Ehrengäste, darunter auch die Vertreter der befreundeten Handwerkerzunft Mengen, geben der Feier ihr Gepräge.

Mit der Geschichte eines Vereines oder wie im Falle der »Ehrsamen Handwerkervereinigung« Haigerloch verbindet sich interessanter-weise auch der Weg der Fahne. Sie begleitete die Tradition auf ihrem Weg über 135 Jahre, An diesem bedeutenden Markstein wurde wie-der eine Fahne geweiht, diesmal die dritte. Darin dokumentiert sich doch wohl die große Verbundenheit der Handwerksmeister mit der althergebrachten Tradition. So jedenfalls kann man von dem Eintrag im Kassenbuch der Zunft der »Becken, Müller und Bierbrauer« aus dem Jahre 1843 schließen. Um jene Zeit blühte das Zunftwesen noch einmal kräftig auf, wie gerade die Anschaffung einer Fahne aus-drückt. Sie wurde unter Zunftmeister Schilling angeschafft, wurde aber offensichtlich mit der Zeit unbrauchbar, so dass dieses Exem-plar 1868 durch eine neue ersetzt wurde. Zunftmeister Hirschwirt Jo-hann Sebastian Göggel veranlasste eine Niederschrift, die in der Fah-nenspitze eingelassen und 1935 durch Flaschnermeister Hermann Haag bei einer Reperatur entdeckt wurde.

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Page 6: Hohenzollerische Heimat Jg54 2004...Hohenzollerische Heimat Herausgegeben vom I ^^ HohenzollerischeH Geschichtsverein n 54. Jahrgang Nr 1 - März 2004 E 382.8 Salomon Hirschfelder:

Die Anschaffung dieser Fahne, für die 32 Meister durch Spende an Geld und Naturalien aufkamen, fiel bereits in den Zeitpunkt der Au-flösung der Zünfte durch den preußischen Staat. In jenem Jahre gab es noch 9 Zünfte in Haigerloch die dem Verbot anheimfielen. Was blieb ist der darauf erfolgte Zusammenschluss und die Gründung des Handwerkerjahrtages 1869 durch Abhaltung der »kirchlichen Ge-dächtnismesse und an dieselbe eine freie Besprechung über zeit-gemäße, dem Handwerkerstand nützliche Einrichtung anzuknüp-

fen«, wie es im Gründungsprotokoll heißt. Die Fahne hielt jedoch die Erinnerung an die einsöge Zunftherrlichkeit wach. Sie wurde 1961 im Kloster Habsthal restauriert und beim Zunftlokal mitgetragen. Auch am Grabe von Meistern senkte sie sich zum Ge-denken. Nun ist auch ihre Zeit abgelaufen. Die Neuanschaffung einer Fahne war Zunftmeister Dietmar Eger in seinem ersten Amtsjahr ein Anliegen. Neunundzwanzig Jahre hat er die alte Fahne getragen.

(Fortsetzung von Nr. 4/2003)

ROBERT FRANK

Wiedereröffnung der ehemaligen Synagoge in Haigerloch - 65 Jahre nach dem Pogrom von 1938

Nachdem in der letzten Ausgabe über die Feierlichkeiten anlässlich der Wiedereröffnung der ehemaligen Synagoge in Haigerloch berichtet wurde, folgt hier ein kurzer Überblick über die Geschichte der Juden in Haigerloch. Auch werden Büder der Synagoge abge-druckt, die deren Zustand von 1938, sowie in den 60iger-Jahren und nach der Renovierung in 2003 zeigen. Zudem wird die dreiseitige Hinweistafel in einem Bild gezeigt, die anlässlich der Benennung des Synagogenvorplatzes in Gustav-Spier-Platz aufgestellt wurde. In Haigerloch wurden Juden erstmals 1348 erwähnt, im Zusam-menhang mit einem Pogrom, bei dem dieselben in der Stadt ver-brannt wurden. Denn ihnen wurde die Schuld an der großen Pestepidemie von 1347-1354 zugeschrieben. Der erste Schutzbrief für die Juden datiert vom 6. Okt. 1534. Mit Ausstellung dieser Urkunde durch den Grafen Christoph Friedrich von Zollern standen die Juden unter dessen Schutz und ihr Verbleiben war somit rechtlich abgesichert. Nach Ablauf von ungefähr 25 Jahren

wurden diese Schutzbriefe in der Regel vom jeweiligen Herrscher erneuert. Mit dem Schutzbrief von 1780 wurde den jüdischen Ein-wohnern das sogenannte »Haag« als Wohngebiet zugewiesen. Und schon am 30.5-1783 konnte die Synagoge eingeweiht werden. Die jüdische Einwohnerschaft wuchs stetig und das Gotteshaus er-wies sich alsbald als zu klein, so dass 1839/40 ein Umbau und eine Erweiterung erfolgten. Die erweiterte Synagoge bot Platz für 294 Personen. Letztmals vor der Naziherrschaft ließ die jüdische Gemeinde in Haigerloch 1930 die Synagoge gründlich renovieren und der Wiedereinweihung am 21.9.1930 wohnten neben Vertre-tern der israelitischen Religonsgemeinschaft auch solche des Staates und der christlichen Kirchen bei. In der Pogromnacht vom 9- auf den 10. Nov. 1938 wurde die Syna-goge im Innern geschändet und somit entweiht. Bei den Tätern han-delte es sich um einen 40 bis 50 Köpfe umfassenden SA-Trupp aus dem benachbarten Sulz. Die jüdische Gemeinde Haigerloch verkaufte am 18-9-1939 das Gebäude, nachdem die Stadt bedeutet hatte, dass sie die Synagoge zu eigenen Zwecken umbauen wolle, nämlich zu einer Turnhalle. Die Rohbauarbeiten waren Ende 1942 fertig, doch konnte infolge Materialmangels nicht weiter gebaut werden. Seit April 1944 war die ehemalige Synagoge an die Lufthansa AG vermietet. Durch den Holocaust wurde auch in Haigerloch die jüdische Gemeinde ausgelöscht. Bereits 1939 fingen die Nazis an, Juden zwangsweise umzuquartieren, damit Städte und Dörfer » judenfrei« wurden. Diese Zwangsumgesiedelten wurden in wenigen Orten

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So sah die ehemalige Haigerlocher Synagoge in den 1960er-Jahren aus. Wir sehen die Nordostseite. Foto: Foto-Weber, Haigerloch.

konzentriert, so auch im »Haag« in Haigerloch, wo sie auf den Transport in den Tod warteten. Der erste Transport erfolgte am 27.11.1941 nach Riga (Lettland) mit 111 Personen, der nächste am 24.4.1942 nach Izbica bei Lublin mit 24 Personen, der dritte am 10.7.1942 nach Auschwitz mit 5 Personen und schließlich am 19-8.1942 nach Theresienstadt mit 136 Personen. Vor der Depor-tation starben sechs Personen, eine Frau beging Selbstmord und von zwei weiteren weiß man das Datum der Deportation nicht, in-sgesamt 285 jüdische Mitbürger waren von Haigerloch aus de-portiert worden, von denen nur dreizehn überlebten. Nach dem Krieg leitete die Israelitische Kultusvereinigung in Stuttgart 1949 ein Restitutionsverfahren gegen die Stadt Haigerloch ein. Im dabei erzielten Vergleich wurde der Kaufvertrag von 1939

für nichtig erklärt und die Stadt gab die Grundstücke an die Is-raelitische Kultusvereinigung zurück. Diese beglich im Gegenzug mit 1000 Reichsmark »Unterhaltungskosten des Gebäudes«. Somit waren alle Ansprüche abgegolten. Die Israelitische Kultusvereini-gung verkaufte am 19.12.1951 die ehemalige Synagoge und weit-ere Grundstücke an einen privaten Käufer, da die jüdische Gemein-de nicht mehr bestand. Durch Umbauarbeiten und die verschie-densten Nutzungen verlor die Synagoge ihr ursprüngliches Ausse-hen und war als ein ehemaliges Gotteshaus nicht mehr zu erken-nen. Das Gebäude erhielt ein Satteldach und die Rundbogenfenster wurden zugemauert. Es diente bis in die 1960er Jahre als Filmthe-ater, danach von 1968 bis 1981 als Lebensmittelmarkt und schließlich bis 1999 als Lagerhalle eines Textilbetriebes.

So sieht die ehemalige Haigerlocher Synagoge im November 2003 nach den baulichen Veränderungen aus. Wir sehen hier zum Vergleich ebenfalls

die Nordostseite. Foto: Egidius Fechter, Haigerloch.

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Page 8: Hohenzollerische Heimat Jg54 2004...Hohenzollerische Heimat Herausgegeben vom I ^^ HohenzollerischeH Geschichtsverein n 54. Jahrgang Nr 1 - März 2004 E 382.8 Salomon Hirschfelder:

Die dreiseitige Tafel auf dem Vorplatz der ehemaligen Synagoge in

Haigerloch trägt den Namen von Lehrer und Rabbinatsverweser Gus-

tav-Spier und heißt jetzt Gustav-Spier-Platz. In der weißen Strickjacke

erkennen wir die Tochter Ruth Ben David. Foto: Egidius Fechter,

Haigerloch.

OTTO BOGENSCHÜTZ

Das Hohenzollerische Anwenderecht

Einleitung Das Anwenderecht ist ein aussterbendes Grundstücksrecht. Nur noch wenige juristisch gebildete Personen kennen dieses Recht, welches im württembergischen Landesteil von Baden-Württemberg als Tret-oder Trepprecht und in Norddeutschland als Schwengelrecht bezei-chnet wird. Es hatte im vorletzten Jahrhundert in der Landwirtschaft noch eine große Bedeutung. Durch die vielen Flurbereinigungen -über die Hälfte der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Baden-Württemberg wurde seither bereinigt - die rationellen Bewirtschaf-tungsmethoden der heutigen Landwirtschaft ist der kleinparzellierte Ackerbau die Ausnahme. Nur noch in den wenigen Gebieten mit kleinparzelliertem Ackerbau ist das Anwenderecht von Bedeutung.

Entstehung des Anwenderechts Die Bewirtschaftung der Ackerflur im Altsiedelland, seit dem 8. Jahrhundert besiedelte Landschaften, unterlag seit dem Mittelalter den anerkannten Regeln der Dreifelderwirtschaft. Die Ackerfläche eines Dorfes wurde in drei gleichgroße Zeigen eingeteilt. Im Be-reich der mittleren Schwäbischen Alb wurde eine Zeige als Esch (Osch) bezeichnet. Jeder der Esche reichte i. d. R. vom Dorfetter (Dorfzaun) bis zur Banngrenze bzw. zum Rand der intensiv nutz-baren landwirtschaftlichen Fläche einer Gemarkung und hatte in jedem Bewirtschaftungsjahr einen anderen Fruchtstand. Auf dem er-

sten Esch durfte in einem Bewirtschaftungsjahr nur Wintergetreide (Dinkel, Roggen und Weizen), auf dem im Uhrzeigersinn vom Dorfmittelpunkt ausgehend angrenzenden weiteren Esch durfte nur Sommergetreide (Gerste, Hafer) angepflanzt werden. Auf dem zwi-schen dem Sommeresch und dem Winteresch liegenden 3- Esch durften keine Früchte angepflanzt werden (Brachesch). Erst ab dem 18. Jahrhundert setzte sich im Brachesch der Anbau von Kartoffeln oder Klee durch. Im Jahr danach verschob sich derFruchtstand der einzelnen Esche. Aus dem letztjährigen Winteresch wurde der Som-meresch und im folgenden Jahr lag er brach (unbebaut). Dieser drei-jährige Fruchtwechsel diente zum Schutz vor dem Auslaugen des Bo-dens. In jedem dritten Jahr bekam der Boden Zeit zum Regenerieren.

Unterteilung der Esche Jeder Esch bestand aus mehreren Ackergewannen (jedes Gewann hatte einen eigenen Namen), die sich wiederum aus mehreren gleichlaufenden streifenförmigen Ackerparzellen zusammensetzten. Um jedes Gewann lag ein Wiesensaum, der die Gewanne voneinan-der trennte. Die Erschließung der einzelnen Ackerparzellen erfolgte über die vom Ortsetter ausgehenden beständigen Hauptwirt-schaftswege mit ihren seitlichen Weidestreifen. Von ihnen trennten sich die unbefestigten und unbeständigen Wege ab. Sie führten fast immer auf den Wiesensäumen am Rand der einzelnen Gewanne.

Auf den Wiesensäumen am Kopfende der Gewanne durften die Be-wirtschafter der einzelnen Ackerparzellen des Gewannes mit ihren Gespannen beim Pflügen und Eggen wenden und über sie erfolgte auch die Zufahrt zu den einzelnen Ackerparzellen bei der Acker-bestellung und bei der Ernte. Jede einzelne Ackerparzelle wurde durch einen Rain, einem kleinen Grassaum, vom Nachbarn ge-trennt. Die Ackerraine hatten die Funktion, dass beim Pflügen das linke Zugtier den angrenzenden Acker nicht betreten musste.

Der starke Bevölkerungszuwachs im hohen Mittelalter brachte die Umwandlung der Wiesensäume in Anwand-äcker Die Nachfrage nach Brotgetreide im hohen Mittelalter brachte die Vermehrung des Ackerlandes in einem Bannbezirk (Herrschafts-bezirk des Dorfgerichts) mit sich. Wiesen wurden zu Ackerland um-gewandelt, die Wiesensäume um die Ackergewanne wurden unter den Bauern zu Ackerland aufgeteilt. Die neuen Eigentümer der Ack-erstreifen am Kopfende der Gewanne mussten die Verpflichtung zur Duldung des Wendens eines Gespannes beim Pflügen und der Zu-fahrt zu den einzelnen Ackerparzellen des Gewannes übernehmen. Dieses Recht wird seither als Anwenderecht bezeichnet.

Ersetzung des Ackerraines durch eine Grenzfurche nach dem Dreißigjährigen Krieg Der starke Bevölkerungszuwachs nach 1648 führte im Gebiet des Neckarlandes und im Bereich der westlichen Schwäbischen Alb im Erbfall zur Aufteilung der ursprünglich über 33 ar großen Äcker in wesentlich kleinere Einheiten. In manchen Gebieten betrug die durchschnittliche Größe eines Ackers um 1820 nur noch wenig über 10 ar, Die damals geschaffenen kleineren Ackerparzellen duldeten keinen Rain mehr am Rande der ursprünglichen Einheit. Der Grassaum zwischen zwei Ackerparzellen wurde durch eine Grenzfurche ersetzt. Beim Pflügen bis zur Ackerfurche durfte die links eingespannte Kuh oder Pferd eines Gespannes und das linke Rad des Pflugwagens bei der Ziehung der Ackerfurche die angren-zende Ackerparzelle betreten. Dieses Recht wurde fortan Rädles-recht bezeichnet.

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Einheitliche Wenderichtung beim Pflügen In der Literatur ist es wenig bekannt, dass die Organisation der Be-wirtschaftung der Ackerflur (Dreifelderwirtschaft) auch die jeweilige Wenderichtung der Scholle bzw. Erdkrume beim Pflügen innerhalb eines Gewannes vorschrieb'. Dies galt bei jedem Umbruch außer bei der Ziehung der Grenzfurche. Das Auseinander- (von der Ackermitte weg) oder Zusammenschlagen (Wendrichtung der Erdkrume beim Pflügen zur Mitte der Ackerparzelle hin) der Ackerfurchen war nur auf den Anwandäckern erlaubt. Damit wollte man verhindern, dass sich zwischen den einzelnen Äckern eines Gewannes Vertiefungen oder auf ihnen Wölbungen entstehen, insbesondere in Hanglagen konnten die unterschiedlichen Wenderichtungen beim Pflügen zu Er-höhungen der Ackerraine führen. Im schwäbischen Oberland, Schwarzwald und in Teilen von Ostwürttemberg gab es keine Bewirtschaftungsmethode der Ackerflur nach den Regeln der Dreifelderwirtschaft. Im Schwarzwald mit den Waldhufen und im Oberland mit den Einödge-bieten hatte jeder Hof sein landwirtschaftliches Bewirtschaftungsge-biet unmittelbar um die Hofstellen. Zeigen und Gewanne kennen diese Landstriche nicht. Beim Pflügen und Eggen konnte jeder auf dem eigenen Acker, weil er genügend breit war, oder auf der ihm gehörenden angrenzenden Wiese wenden. Der Bereich auf dem Acker, auf dem mit dem Gespann gewendet wurde, wird seither als »Anwand« bezeichnet. In den zuvor genannten Gebieten gibt es bis heute im Erbfall nur die »gebundene« Besitzübergabe. Einer der Söhne - der jüngste oder der älteste, je nach örtlicher Gewohnheit -übernimmt ungeteilt den elterlichen Hof. In der Literatur wird ein solches Gebiet Anerbengebiet bezeichnet.

Das Dorfgericht überwachte die Regelungen der Dreifelder-wirtschaft2

Die Bewirtschaftung der Flur des Altsiedeilandes unterlag seit dem frühen Mittelalter bis zur Neuzeit den Regelungen der Dreifelderwirt-schaft. Das von den Dorfbewohnern auf der Gemeindejahrtag gewähl-te Feldgericht (Untergangsgericht) überwachte dessen strikte Einhal-tung. Es überprüfte, ob jeder den vorgegebenen einheitlichen Frucht-stand auf den einzelnen Eschen einhielt, legte jährlich den Zeitpunkt der Öffnung und des Schließens der unbeständigen Wege innerhalb eines Esches fest und schlichtete Streitigkeiten unter den Besitzern der Ackerparzellen über die Öffnung der unbeständigen Wege und sah auf die möglichst schonende Ausübung des Anwenderechts. Die Öffnung der unbeständigen Wege, d.h. das Abmähen des Getreides, erfolgte in der Reihenfolge ausgehend vom Hauptwirtschaitsweg. Erst wenn der Vorneliegende den Weg vom Getreide frei gemacht hatte, durfte der Hinterhegende zu seiner Ackerparzelle fahren. Bei der Schließung des unbeständigen Weges nach der Aussaat galt die um-gekehrte Reihenfolge. Erst wenn der Hinterhegende bei seiner Acker-parzelle, einschließlich des Bereiches des unbeständigen Weges, mit der Saat fertig war, durfte der Vornehegende mit der Arbeit beginnen. Die Bannung der unbeständigen Wege im Esch mit dem Winterge-treide geschah schon im November nach dem Pflügen und Einsäen des Brachlandes. Die Bannung der Wege des Eschs mit dem Som-mergetreide geschah regional unterschiedlich zwischen dem Sankt Georgstag (23. April) oder bis zum 8. Mai. Dagegen war der Brach-esch vom Zeitpunkt der Ernte des Sommergetreides bis zur Feld-bestellung des Wintergetreides im folgenden Jahr offen.

1 Friedrich Winterlin, Württembergische ländliche Rechtsquellen, zweiter Band. Das Remstal, das Land am mittleren Neckar und die Schwäbische Alb. Unter-Sielmingen, Gemeine alte Ordnungen, Ge-bräuche, Herkommen und Gewohnheiten, 1701: »1. Es soll keiner keinen Zusammenwurf machen, denn es sei ein Anwander«.

2 Karl Siegfried Bader, Dorfgenossenschaft und Dorfgemeinde, Weimar 1962. Er beschreibt darin die Aufgaben der Untergangs-gerichte im Mittelalter

Der Rechtsbegriff des Anwende-, Schwengel3-, Tret-oder Trepprechts4

Grenzen zwei Äcker an der Stirnseite unmittelbar aneinander, so bringt es das Eggen und Pflügen des Ackers bis zur Grenze mit sich, dass das Gespann (Pferde, Kühe oder Ochsen) den Nachbaracker zum Wenden betreten musste. Das Recht, den Pflug auf das Nach-bargrundstück zu leiten (dessen Erdkrume darf aber nicht gewendet werden) und dort zu wenden, ist der Inhalt des Anwende-, Tret- oder Schwengelrechts, das für den Eigentümer des Anwandackers eine entsprechende Eigentumsbeschränkung mit sich bringt. Bei der Ausübung des Anwenderechts mussten die Pflanzen auf dem be-lasteten Grundstück möglichst geschont werden5.

Öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Eigentums-beschränkung? Teilweise wird in der Literatur die Ansicht vertreten, das Anwen-derecht sei eine »öffentlich-rechtliche« Eigentumsbeschränkung6. Andere meinen, für eine öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschrän-kung sprächen keine überzeugende Gründe und die hier in Frage stehende Rechtsnorm regele nur das Verhältnis zwischen zwei be-nachbarten Grundstückseigentümer7, In der bisherigen Diskussion wurde nicht berücksichtigt, dass das Anwenderecht durch die Bewirtschaftungsmethode der Dreifelder-wirtschaft entstand.

3 Glaser-Dröschel, Nachbarrechte, S. 306. In Niedersachsen und in Kurhessen gab es das sogenannte Schwengelrecht (Pflugwende-recht). Es ermöglicht den Eigentümer landwirtschaftlich genutzter Flächen, sein Ackerland bis zur Grundstücksgrenze ordnungsgemäß zu bestellen und zu bearbeiten, zu diesem Zweck hat der Grund-stücksnachbar auf seinem Gründstück einen Streifen von 50 bis60 cm Breite entlang der Grenze frei von Bäumen, Sträuchern, Stauden, Wällen oder dergleichen zu halten, die einen der die Grenze überra-genden Zugschwengel, ein Pflugrat oder eine Radachse behindern könnten. Das Schwengelrecht beinhaltet das württembergische Tret-oder Trepprecht und das württembergische Rädlesrecht.

4 Franz Pelka, Das Nachbarrecht in Baden-Württemberg, Seite 171: In den württembergischen Landesteilen gibt es noch das un-ständige Überfahrtsrecht, sowie das Trepprecht, das ist das Recht, beim Pfigen und Eggen mit dem Spannvieh auf dem Grundstück des Nachbarn umzudrehen.

5 Württembergisches Gesetz über Feldwege, Trepp- oder Überfahrts-rechte vom 5. April 1862 (Reg. Blatt 1862, S. 91), Art. 41: Bei der Ausübung des Trepprechts sind die angepflanzten oder zum Anpflanzen zugerichteten Grundstücke möglichst zu schonen.

6 RdL 1957, S. 39: »Das Schwengelrecht ist eine öffentlich-rechtliche Grunddienstbarkeit und gilt nur für Grundstücke in der freien Feldmark. Es besteht nicht an der Grenze eines Grundstücks zur Dorfmark, selbst wenn dieses Grundstück erst später in das Be-bauungsgebiet der Gemeinde einbezogen worden ist (Landgericht Hanau, 2. Zivilkammer, rechtskräftiges Urteil vom 6.11.1956 - 2 S 62/56).

7 Dehner, Nachbarrecht, B § 28, Seite 18: »Die hier in Frage stehen-den Rechtsnormen regeln das Verhältnis zwischen zwei benach-barten Grundstückseigentümern, also das zwischen zwei Privat-personen. Dass sie die landwirtschaftliche Nutzung des Bodens fördern und damit letzten Endes auch öffentlichen Interessen di-enen, kann nicht entscheindend sein. Würde man es auf diesen Gesichtspunkt abstellen, so würde man den weitaus überwiegen-den Teil des BGB zum öffentlichen Recht rechnen müssen, denn es gibt kaum eine privatrechtliche Vorschrift, die nicht in irgen-deiner Weise auch dem Interesse der Allgemeinheit dient.

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Ohne Dreifelderwirtschaft kann es nicht die öffentlich-rechtliche Eigenturasbeschränkung des Anwenderechts geben, welches die Grundlage für das Wenden mit dem Pflug und der Egge der Besitzer der Ackerparzellen auf dem Anwandacker bildeten. Die Bezeich-nung Anwandacker mit den verbundenen Belastungen beruhen auf »altem örtlichem Herkommen« (örtliches Gewohnheitsrecht), nicht auf privatrechtlichen Regelungen.

Bei der ersten Katastervermessung im ehemaligen Hechinger Teil der Hohenzollerischen Lande wurde im Primärkataster bei den be-troffenen Ackerparzellen die Bezeichnung »Anwander« eingetra-gen8. Die jeweiligen Dorfgerichte anerkannten die Primärkataster

Am 3. Februar 1924 wurde der Chef des Fürstlichen Hauses Hohen-zollern als ältester Sohn des damaligen Erbprinzen Friedrich von Ho-henzollern und seiner Gemahlin Margarete geb. Prinzessin von Sach-sen in Umkirch in Baden geboren. Dort verbrachte Fürst Friedrich Wilhelm auch seine Kindheit und Jugend. Im nahe gelegenen Freiburg besuchte er die Grundschule und danach das Gymnasium, das er mit einer Reifeprüfung abschloss. Fürst Friedrich Wilhelm ist der erste Chef des Hauses Hohenzollern, der nicht mehr in der Monarchie geboren und aufgewachsen ist. Die danach eingetretenen staatlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftli-chen Entwicklungen und Umbrüche in der deutschen Geschichte haben auch den Lebenslauf des Fürsten stark beeinflusst und mit-geprägt. Sein Wunsch, nach dem Vorbild seiner Väter in den Militär-dienst einzutreten, machte der sogenannte Prinzenerlass des Führers zunichte, in dem alle Angehörigen der ehemals regierenden Häuser für wehrunwürdig erklärt wurden.

Im September 1944 erlebte er die Ausweisung seiner Familie aus dem Sigmaringer Schloss, in dem dann die französische Vichy-

als Rechtsbuch der Gemeinde. Somit kann das Anwenderecht auf Ackerparzellen, die im Primärkataster der Vermessungsverwaltung als »Anwander« bezeichnet sind, nur auf öffentlich-rechtlichen Her-kommen beruhen. Alle anderen Argumente gegen diese Feststellung können vom historischen Ansatz her nicht überzeugen. Anders sieht es zwischen zwei benachbarten Ackerparzellen aus, die einst durch die Teilung in der Länge einer einst schmalen Ackerparzelle ent-standen sind. Dort wurde durch in den in den Kontraktbüchern niedergeschrie-benen Aufteilungsverträgen das Anwenderrecht privatrechtlich be-gründet. Dies waren Sonderfälle, die im Verhältnis zum öffentlich-rechtlichen Anwenderecht selten vorkommen. [Fortsetzungfolgt]

Regierung unter Marschall Pétain untergebracht wurde, und deren Internierung im Schloss des Freiherren Schenk von Stauffenberg in Wilflingen bei Riedlingen. Die Unannehmlichkeiten dort wurden zu-dem von einem ersten Vorfall überschattet. Der Gestapo waren Durchschläge eines Briefes des Prinzen Maria Emanuel von Sachsen an seinen Vetter, den Erbprinzen von Hohenzollern, in die Hände gefallen, die sehr negative Äußerungen über den Führer und das Dritte Reich enthielten. Eine Luftmine auf die Gestapostelle in Stutt-gart zerstörte dann aber das Beweismittel und rettete den Erbprinzen aus seiner bedrohlichen Lage. Als im November 1944 die Fürstliche Familie aus der Schutzhaft in Wilflingen entlassen wurden, begab sich der Erbprinz mit dem Fahrrad nach Umkirch. Dort überlebte er am 16. März 1945 einen Luftangriff auf das dortige Hohenzollernschloss. Nach dem Krieg studierte Fürst Friedrich Wilhelm Betriebswirtschaft an den Universitäten Freiburg und Genf. Am 3- Februar 1951 heiratete der damalige Erbprinz von Hohenzollern die Prinzessin Margarita von Leiningen. Aus der Ehe gin-gen drei Söhne hervor. Mit dem Tode seines Vaters am 6. Februar 1965 wurde der Erbprinz Fürst und damit auch Chef des Hauses Hohen-zollern. Auf diese Stellung hatte er sich als Generalbevollmächtigter in-tensiv vorbereiten können. Die ihm übertragenen Aufgaben und Verpflichtungen hat Fürst Friedrich Wilhelm mit großem Verantwor-tungsbewusstsein gegenüber der Tradition seines Hauses und vor allem auch gegenüber den ihm anvertrauten Mitarbeitern wahrge-nommen. So hat er mit großen persönlichen Opfern den Zusammen-bruch des Fürstlich Hohenzollernschen Hüttenwerks Laucherthal ver-hindern und damit sehr viele Arbeitsplätze erhalten können. Die Leistungen des Fürsten für die Allgemeinheit haben öffentliche Anerkennung gefunden. Es sei hier nur auf die Auszeichnung mit der ersten Klasse des Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland und der Verleihung der Ehrenbrgerschaften von Sigmaringen, Sig-maringendorf, Umkirch und Bayerisch Eisenstein hingewiesen. Wie seine Vorgänger hat Fürst Friedrich Wilhelm auch das Protek-torat über den Hohenzollerischen Geschichtsverein übernommen. Bis in die jüngste Vergangenheit war das Fürstlich Hohenzollerische Haus- und Domänenarchiv dann auch in die laufende Verwal-tungsarbeit des Geschichtsvereins eingebunden. Dem Fürsten von Hohenzollern war es zu verdanken, dass der Verein den Festakt an-lässlich des Übergangs der hohenzollerischen Fürstentümer an Preußen vor 150 Jahren im September 2000 im Grafensaal der Burg Hohenzollern veranstalten könnte.

Vorstand und Beirat gratulieren in Dankbarkeit dem Protektor des Hohenzollerischen Geschichtsvereins, S.H. Friedrich Wilhelm Fürst von Hohenzollern, recht herzlich zu seinem 80. Geburtstag und wün-schen ihm für die Zukunft alles Gute, Gesundheit, Gottes Segen und ein langes Leben. Dr. Otto H. Becker

OTTO H. BECKER

S.H. Friedrich Wilhelm Fürst von Hohenzollern zum 80. Geburtstag

S.H. Friedrich Wilhelm Fürst von Hohenzollern Foto: Armin Dieter, Mössingen

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WILLY BEYER

Michael Lehmann - ein katholischer Rebell Zum 100. Todestag des Publizisten, Schriftsteller und Komponisten (Fortsetzung)

II. Lehmanns Rolle während des Kulturkampfes im preußischen Hohenzollern

Parteiorgan »Zoller« erscheint in Hechingen In den frühen siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts erschienen in Hohenzollern nur zwei Zeitungen: Die bis dahin als gemäßigt liberal geltenden »Hohenzollernsche Blätter« (1867, zuvor »Wochenblatt«) in Hechingen und die ausgesprochen katholisch ausgerichtete »Ho-henzollern'sehe Volkszeitung« (von 1868-74 »Donaubote«) in Sig-maringen. 1872 gründete ein Kreis von Geistlichen einen »Press-verein«, der zum Jahresbeginn 1873 eine zweite katholische Zeitung in Hohenzollern herausgab, den Zoller. Michael Lehmann gab dazu eine Probenummer heraus und eine Anzeige in den »Hohenzollern-schen Blättern«, in der er als Redakteur und Verleger auf 1.1.1873 das Erscheinen des »Zol ler« ankündigte, wöchentlich dreimal, zu 21 Kreutzer die Ausgabe, als »consequentes und entschiedenes katho-lisch-politisches Volksblatt«, das vorhat, die Interessen der Katho-liken mit Würde zu vertreten. Über diese rein hohenzollerischen Zeitungen hinaus war auch der in Oberndorf seit 1835 erscheinende »Schwarzwälder Bote« in ganz Hohenzollern häufig abonniert. An-fänglich liberal, später eher neutral-nationalliberal, bildete das Blatt in Hechingen und Haigerloch lange Zeit einen Gegenpol zu den bei-den in Hechingen erscheinenden Zeitungen, die sich ständig befeh-deten. Grund war der aufkommende Kulturkampf zu Beginn der 70-er Jahre, der zu einem regelrechten Kleinkrieg zwischen dem regie-rungstreuen, liberalen Parteiorgan »Hohenzollernsche Blätter« und dem Zentrumsorgan »Zol ler« führte. Insbesondere auch zwischen deren Chefredakteuren Ludwig Egler und Michael Lehmann, die gegenseitig noch über die Kulturkampfzeiten hinaus aufs Übelste polemisierten.

Der Abonnentenstand des »Zol ler « schnellte von anfangs 1000 auf knapp 1400 im Oktober 1873 empor. Im Juli 1874 verkündete der Zoller, dass er mit einer Auflage von knapp 1700 Exemplaren den weitesten Leserkreis aller Zeitungen in Hohenzollern habe. Der Zoller wurde anfangs von Romuald Sulger mit primitiver Ausrüstung in den unteren Räumen von Lehmanns Haus in der Firstgasse gedruckt. Alle Bewohner des Hauses hatten dabei zu helfen und mussten beispielsweise Lettern reinigen und Blätter salzen.

Attentat auf Bismarck / Für die Zeitung mehrmals im Gefängnis Michael Lehmann war nach der Entlassung aus dem Schuldienst 1864 in Hechingen weiterhin als Chorregent der Stiftskirche tätig, gab Musikunterricht, komponierte gelegentlich und schrieb christlich orientierte Bücher. Als Mitbegründer und erster Redakteur des Par-teiorgans »Der Zoller« widmete sich der mittlerweile 45-jährige Lehmann ganz der katholischen Erneuerung und der Zentrumspartei.

Dies brachte ihm erhebliche Schwierigkeiten ein. Viele Geldstrafen und Gefängnisaufenthalte während des sogenannten Kulturkampfs waren die Folge. Schon im ersten Erscheinungsjahr ergingen drei Verurteilungen gegen den Zoller. Gleich bei der ersten, vom 8. März 1873, wegen »Verächtlichmachung von Anordnungen der Obrigkeit durch Mittheilung entstellter Thatsachen« erkannte das Gericht auf 14 Tage Gefängnis und Tragung der Kosten gegen Lehmann, sowie Vernichtung der Nummer 18 des »Zol ler« vom 11. Februar. Die Aus-gabe wurde bereits nach Erscheinen auf Antrag der königlichen Staat-sanwaltschaft polizeilich konfisziert. Die zweite Strafe erging am 5. April wegen Ehrenbeleidigung des Abgeordneten Jung in Berlin mit 20 Talern Geldstrafe. In der dritten Verurteilung, wegen eines Artikels in der Berliner »Germania«, vom »Zol ler« am 18. September zitiert, lastete ihm das Gericht eine Geldstrafe von zwölf Talern auf, wegen »Beleidigung der Regierung in Sigmaringen«.

Nach dem Artikel »Verschärfungen« vom 28. Juli 1874 erfolgte am 10. Oktober eine Verurteilung zu sechs Wochen Gefängnis wegen »Amtsehrenbeleidigung des Reichskanzlers und Verächtlichmachung der preußischen Kirchengesetze durch öffentlich behauptete, wis-sentlich entstellte und erdichtete Thatsachen«. Lehmann hatte in dem Artikel bezweifelt und als undenkbar bezeichnet, dass Reichskanzler Bismarck in der Aufregung nach einem auf ihn verübten Attentatsver-such gesagt haben soll: »Die Kirchengesetze müssten dann noch ver-schärft werden!« Liberale Blätter hätten Fürst Otto von Bismarck den Ausspruch in den Mund gelegt. Die Gegner der Kirche hätten aus Rachsucht und Parteihass die höchste Staatsperson benutzt und in das Parteigezänke einbezogen, wie sie auch die »fluchwürdige That« in ihrer Denunziationswut gegen die Katholiken benutzt hätten. Gleich-zeitig hatte der Redakteur die Kulturkampfgesetze scharf kritisiert und geschrieben, dass die Verfolgung der deutschen Katholiken bis zur Loslösung vom Papst gehen solle, damit »sie willenlos zu einer preußisch-deutschen Secte werden, deren Oberhaupt vielleicht in Berlin thronen soll [...] das ist das Endziel des Culturkampfes.«

Der Attentatsversuch des Böttchergesellen Kullmann vom 13. Juli 1874 in Bad Kissingen wurde zu einer »ultramontanen Verschwö-rung«, einem Komplott der streng päpstlich gesinnten Katholiken aufgebauscht. Ein zufällig zur Kur anwesender Pfarrer aus Bayern sollte die Pferde an Bismarcks Wagen aufgehalten und langsame Fahrt veranlasst haben, um das Attentat glücken zu lassen.

Nach dem Anschlag schrieben einige Liberale in Gammertingen ein Glückwunschtelegramm an den Fürsten, das sie als »Die reichs-treuen Gammertinger in Hohenzollern« unterzeichneten. An dem Telegramm hatte der Zoller bereits am 21. Juli Kritik geübt, indem er den Gammertinger Liberalen vorwarf, allein den reichstreuen Teil der Gammertinger Einwohnerschaft zu repräsentieren und damit kirchentreue Katholiken verdächtigen zu wollen. Zugleich erhob der »Zo l ler « heftige Vorwürfe: »Was haben denn die liberalen Schreier besonders für das Reich gethan? ...Ihr habt nicht mehr gethan als die pechschwarzen Ultramontanen, die ihr verlästert und verleumdet! Auf den Ultramontanen lastet nicht der kleinste Schatten der Reichsfeindschaft!« Dies brachte Lehmann im November 1874 eine Strafe von 30 Talern und dem Verfasser des Artikels, Kaplan Binder, eine Strafe von 25 Talern ein.

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Auch wenn ein Kaufkraftvergleich nach so langer Zeit immer schwer ist: Eine einfache Schiffspassage im unteren Zwischendeck in die »Neue Welt« kostete den Auswanderungswilligen jener Zeit beispiels-weise 45 Taler. Andererseits ist gesichert, dass die Geistlichkeit die katholische Presse durch kräftige Mitarbeit und Geldzuwendungen unterstützt hat, weshalb anzunehmen ist, dass Lehmann auch manch finanziellen Beistand erhielt.

»Zoller« von der Polizei beschlagnahmt / Bischöfe abgesetzt oder im Gefängnis Die Auseinandersetzungen im Kulturkampf führten nicht nur zu Geld-strafen und Gefängnis gegen den Redakteur, sondern auch zu Beschlagnahmungen einzelner Ausgaben des »Zoller«. Bei einer Ver-handlung vom 2. Mai 1874 vor dem königlichen Kreisgericht zu Hechingen versuchte die Staatsanwaltschaft sogar, Lehmann die Befug-nis als Verleger des »Zol ler« abzuerkennen. Darauf ging das Gericht nicht ein, verurteilte ihn aber dazu, nun endlich alle noch vorhandenen Exemplare des »Zoller« Nummer 25 zu vernichten. Da nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte, auf welchen Jahrgang sich das Urteil bezog und mittlerweüe beide Aus-gaben zugänglich sind, sollen hier die Artikel der in Frage kommenden Ausgaben, die jede für sich Anlass zur Konfiskation hätten geben kön-nen, kurz angeführt werden.

Unter dem Titel »Gründungsschwindel und Liberalismus« geht Leh-mann im Leitartikel vom 27. Februar 1873 auf eine Sitzung im Berliner Abgeordnetenhaus ein, wobei er u.a. den Abgeordneten Reichsperger zitiert, der die »officiöse Presse« beschuldigte, »über-aus thätig« zu sein, »das niederzuhalten, was dem augenblicklichen Regierungssystem nicht passt«, und als Beispiel die Zinsen über 800000 Taler aus dem beschlagnahmten Vermögen des ehemaligen Königs von Hannover zur Bestechung der Presse angibt. Schonungs-los führt Lehmann in dem Artikel an, dass 200 liberale Blätter in Deutschland bezahlt und bestochen werden, um „zu vertuschen und zu verschweigen" und nur das darzustellen, »was diejenigen wollen, welche am Ruder sind«. Lehmann führt ferner ein Zitat an, dass genauso gut auf viele Staats- und Sozialgefüge der Gegenwart pro-jizierbar ist: »Der Schwindel, das Bestreben, schnell Geld zu ma-chen, hat alle Gesellschaftskreise des Staates ergriffen.«

In Nummer 25 des »Zo l ler « vom 28. Februar 1874 wird ein »Send-schreiben« der Oberhirten der katholischen Kirche in Preußen an alle Gläubigen und den „hochwürdigen Klerus" veröffentlicht. Darin wehren sich die Bischöfe gegen den Kulturkampf, weisen Beschul-digungen und Verdächtigungen als unbegründet zurück und verkün-den, dass es ihnen eine Gewissenspflicht sei, »einem System [...] und einer Gesetzgebung, welche die Axt an die Wurzel der katholi-schen Kirche legt, unsere Mitwirkung zu versagen.« Den Priestern raten sie, dass sie bereit sein müssen, nach dem Vorbild des Herrn »sich selbst zum Opfer zu bringen«. Im abschließenden Gebet für alle Bischöfe und Priester wird der in Gefangenschaft befindliche Erzbischof von Gnesen hervorgehoben und eine Liste mit zwölf Oberhirten aufgeführt. Mit Kreuzen bei den Namen, als handele es sich um Todesanzeigen. Mindestens sechs Geistliche dieser Liste waren zu jener Zeit bereits als Folge der sogenannten Maigesetze für abgesetzt erklärt. 1876

waren alle preußischen Bischöfe verhaltet oder ins Ausland geflüch-tet und viele Geistliche zu harten Geld- oder Gefängnisstrafen verur-teilt.

Mit den Verurteilungen gegen Lehmann und den »Zol ler « ging es in den nächsten Jahren weiter: Das Jahr 1877 brachte noch zweimal Verurteilungen zu je drei Wochen Gefängnis. Ende Januar wegen »wiederholter, öffentlicher Beleidigung des Kreisgerichtsraths Mel-chers«. Während der »Wahlumtriebe der Ultramontanen« im Herbst 1876 anlässlich der Landtagswahl soll der liberale Kandidat mit den »ordinärsten Beschuldigungen belegt« worden sein. Sowie am 14. Juni wegen »Beleidigung der Regierung und des Präsidenten«, der sich wegen »fortgesetzter Angriffe seitens der Ultramontanen und deren Presse« im Zusammenhang mit seiner Rede im Frühjahr des Jahres an die Bevölkerung Hohenzollerns beschwert und Strafantrag gegen den »Zol ler « gestellt hatte. Außerdem wurde der Verfasser des Artikels, Pfarrer Marr aus Walbertsweiler, zu 75 Mark Geldstrafe verurteilt. Wie üblich, mit beiderseitiger Tragung der Kosten. Er-schwerend beim Urteilsmaß hätten hier für Lehmann die vielen Vorstrafen gewirkt, so die »Hohenzollernschen Blätter«.

Gammertinger Gelangnis besser in Erinnerung als die neue Hechinger Haftanstalt Als Weggefährte und Zeitzeuge erinnerte sich Postmeister a.D. Ro-man Sauter anlässlich des 100. Geburtstags des Zoller-Redakteurs am 5. Februar 1927 an Lehmann, der am Biertisch und in gemüt-lichen Runden gerne von den alten, sturmbewegten Zeiten erzählt habe. Einmal hatte Lehmann danach eine Strafe im Gerichtsgefäng-nis zu Gammertingen abzubüßen. Der Gefängniswärter sei sehr wohlwollend gewesen, und für sein leibliches Wohl sei bestens gesorgt worden. Selten habe er in seinem Leben so gut gegessen und getrunken, soll Lehmann berichtet haben. Sonntags sei er zum Gottesdienst geführt worden. In der Ortskirche war ein Platz für ihn abgetrennt worden. Dort stand Lehmann nun, den Augen aller aus-gesetzt, und hinter ihm pflichtbewusst der Gefängniswärter. Plötzlich habe sich ein Mann neben ihn in den Verschlag gestellt. Es war der Vertreter Hohenzollerns im preußischen Abgeordnetenhaus in Berlin, der Gammertinger Hirschwirt, Bierbrauer und Landwirt Joseph Justus Schmid.

Im Hechinger Gefängnis kannte man allerdings keine Rücksicht gegen den Redakteur. Von einer Strafverbüßung muss er mit starker Bewegung erzählt haben. Als der Neubau des im preußischen Amts-stil errichteten Gerichtsgebäudes an der Heiligkreuzstraße fertig-gestellt war, standen die Räume vor dem amtlichen Bezug zur Be-sichtigung offen. Auch Lehmann ging zur Besichtigung und freute sich über die lichten Räume und das große Treppenhaus mit den Bildern und Erlassen zur Übergabe Hohenzollerns an Preußen. Noch mehr interessierte ihn das Hintergebäude mit dem neuen Gefängnis. Als er dort durch den Mittelgang ging und die hohen Zellen sah, soll er einen Seufzer ausgestoßen haben: »Herr, lass diesen Kelch an mir vorübergehen.« Lehmann wusste, dass schon wieder ein Verfahren gegen ihn schwebte. Und der Kelch ging nicht an ihm vorüber. Schon bald musste er sich zum Strafantritt melden »ich glaube, als erster in diesen Hallen«, wie Sauter vermutete. Die Haftanstalt, dessen erster »Kunde« vielleicht Michael Lehmann war,

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wird noch heute, vornehmlich für Durchgangs- und Untersuchungs-häftlinge, genutzt.

Diese Haftstrafe im neuen Hechinger Gerichtsgebäude abzusitzen muss Michael Lehmann schwer gefallen sein. In der Zelle habe er gesessen, den Kopf in beiden Händen, mit einem Gefühl der Ver-lassenheit und Sehnsucht. Die Zeiger der großen Schwarzwalduhr draußen im Flur seien quälend langsam vorangerückt und erst hier habe er erfahren, wie lang eine Stunde sein kann. Seine Stimmung habe sich erst aufgehellt, als er die Genehmigung und das Material erhielt, sich literarisch zu betätigen und in der Zelle an seinen Ju-gendbüchern weiter zu arbeiten.

Nach einer anderen Gefängnisanekdote wollten beide Kinder Vater Lehmann in der Hechinger Haftanstalt besuchen, wurden aber vom

Büro schroff abgewiesen. Doch die Töchter Gisela und Stephanie blieben hartnäckig und gingen zu Gerichtsdirektor August Evelt. Der war zwar Lehmanns politischer Gegner, respektierte ihn aber auch. Die weinenden Kinder erweckten wohl auch sein Mitleid, und Evelt genehmigte den Besuch auf den nächsten Morgen neun Uhr. Früh-morgens hatte Mutter Lehmann Kalbskoteletts gebraten. Diese sollten die Kinder zusammen mit Walderdbeeren unter den Röcken ver-steckt einschmuggeln. Die Wiedersehensfreude war groß, doch der Gefängniswärter ließ die Gruppe keinen Augenblick aus den Augen. Schließlich mahnte er zum Aufbruch. Das Mädchen mit den Koteletts unter dem Röckchen musste als Erste gehen. Die Andere konnte die Tüte Erdbeeren noch schnell und heimlich in Vaters Hand auf dem Rücken legen. »Die Freude des Wiedersehens war sehr getrübt durch die schönen Koteletten, die ihre Berufung so schnöd verfehlt hatten«, endet die Anekdote nach Roman Sauter. [Fortsetzung folgt]

Register 2003

Bad Imnau im Jahre 1786 S. 1

Bingen, Ein bedeutender Sohn der Gemeinde entdeckt: P. Johannes Schreck SJ S. 26

Dichtenhausen, Aus der Geschichte Dichtenhausens S. 9

Geiselhart, Thomas, Gründung der Kranken-schwesternstation in Sigmaringen 1877 S. 11

Göggingen, Der Gögginger Kunstmaler Lorenz Vogel (1846-1902) S. 45

Gruol, Bürgermeister Anton Kohle zum 140. Geburtsjahr . . S. 25

Gruol, Das Rote Haus in Gruol. Zeuge traditioneller Zimmermannskunst S. 28

Gruol, Flugblätter als Vorbote der Kriegswende (Nov, 1942) S. 7

Haigerloch, 100 Jahre Missionshaus der Weißen Väter . . . . S. 33

Haigerloch, Wiedereröffnung der ehemaligen Synagoge -65 Jahre nach dem Pogrom von 1938 (1. Teil) S. 49

Heudorf am Bussen, Die abgegangene Elogius-Kapelle . . . . S. 24

Hirschfelder, Salomon, Leben und Werk eines Multitalents aus Hohenzollern (1. Teil) S. 39

Hohenfels, »Gaßner gegen Ganter«. Eine »Bürgerinitiative« von 1807 S. 44

Hohenzollerische Heimat. Dr. Burkarth übergab die Schriftleitung in jüngere Hände S. 6

Hohenzollerische Heimat, Empfang zum Wechsel

in der Schriftleitung S. 22

Hohenzollerische Heimat, Durch Register erschlossen . . . . S. 38

Hohenzollerische Heimatbücherei, Wechsel in der Leitung . S. 6

Hohenzollern, Übernahme von Patenschaften für schlesische Städte nach dem 2. Weltkrieg S. 55

Hohenzollernbahn, Weshalb die Hohenzollernbahn in Dettingen ihren Anfang hat (1. Teil) S. 18

Hohenzollernbahn, Weshalb die Hohenzollernbahn in Dettingen ihren Anfang hat (Schluss) S. 39

König Ferdinand von Rumänien, Zur Beurkundung

der Taufe des späteren Königs S. 23

Lehmann, Karl, Kardinal S. 16

Lehmann, Michael, Ein katholischer Rebell (1. Teil) S. 55

Mors, Karl Prof. Dr., Zum Gedenken S. 47 Ochsenblut, Anmerkungen zum Ochsenblut als Farbbezeichnung S. 27

Schalksburg, Der Übergang der Herrschaft Schalksburg von Zollern an Württemberg im Jahre 1403 • • S. 53

Sigmaringen, Die »Sigmaringer« Grablegung Christi S. 29

Sigmaringen, Ein Mahnmal als Hoffnungszeichen und Stärkung des Heimatbewusstseins S. 54

Buchbesprechungen

»Alb-Ansichten« S. 15

Brezel, Gelungen geschlungen S. 31

Der Viererbund, Fasnet in Rottweil, Oberndorf, Elzach

und Überlingen S. 31

Hechingen-Stetten, Erinnerungen von Franz Bausinger . . . . S. 15

»Hennadäpper« S. 15

»Hi lde Sonntagskind«. Ein Leben im 20. Jahrhundert . . . . S. 48

Kinderreime aus Baden-Württemberg S. 48

Oberschwaben, Verzaubertes Oberschwaben S. 15

Schwäbisch-alemannische Fasnet in alten Bildern S. 59 Sigmaringendorf, Beitrag zur Geschichte eines hohenzollerischen Bauern-und Industrieortes S. 31

s'menschelet - Schwäbische Geschichten und Gedichte . . . S. 15

So semmer hald S. 48

Stationen bewegter Jugendjahre. Erfahrungen in Krieg

und Gefangenschaft 1943-1945 S. 59

»Verstand ons recht« S. 59

Vom Fels zum Meer, Preußen und Südwestdeutschland . . . S. 31

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Buchbesprechungen

Gudrun Mangold: Most. Das Buch zu Apfel- und Birnenwein

Der Most ist aus dem Schwäbischen gar nicht wegzudenken. Kein Wunder, Baden-Württemberg ist der Obstgarten Deutschlands. Na-hezu die Hälfte der inländischen Obstproduktion kommt aus dem »Ländle«. Dieses Buch widmet sich in schwungvoller Weise dem köstlichen und erfrischenden Trunk aus Äpfeln und Birnen. Als be-liebter Durstlöscher ist der Most auf zahllosen Vespertischen im Land einfach unverzichtbar. Und noch heute ist er in ländlich ge-prägten Gegenden der Haustrunk Nummer Eins. Gudrun Mangold präsentiert auf informative und unterhaltsame Weise alles Wis-senswerte rund um das frisch-fruchtige Getränk, garniert mit vielen aktuellen und historischen Bildern. Sie schildert die Bedeutung und Vorzüge des Mösts, die Traditionen seiner Herstellung und seine lange Geschichte. Dabei werden auch die wichtigsten alten Apfel-und Birnensorten vorgestellt, welche die einheimischen Streuobst-wiesen bevölkern. Über den Mostkrugrand hinaus schweift der Blick nach Hessen, nach Österreich oder nach Frankreich.

Gudrun Mangold: Most. Das Buch zu Apfel- und Birnenwein. 144 Seiten, Silberburg-Verlag, Tübingen 2003. 155 teils farbige Abbildungen EUR 19,90. ISBN 3-87407-557-5.

Ruth Slembek-Aldinger: Fräuleinwunder. Eine wahre Geschichte aus Schwaben

Der zweite Weltkrieg ist zu Ende, die amerikanischen Soldaten schwärmen vom deutschen Fräuleinwunder. In ihrem Heimatort am Fuße der Schwäbischen Alb lernt Bertel einen dieser GIs ken-nen und lieben. Der holt sie Anfang der Fünfzigerjahre zusammen mit ihrem gemeinsamen Söhnchen nach Amerika, ins Land der un-begrenzten Möglichkeiten. Doch das Glück ist nur von kurzer Dauer. Nach seinem baldigen Tod schlägt sich Bertel als allein-erziehende Mutter durch. Die Lieben zu Hause lässt sie im Glau-ben, dass sie im Wohlstand lebe. Fast fünfzig Jahre später kommt Bertel zurück, um den Haushalt ihrer verstorbenen Mutter aufzu-lösen, und erinnert sich dabei auf Schritt und Tritt an ihre Kindheit und Jugend. Unbewusst vergleicht sie die vertraute schwäbische Welt mit dem Leben, das sie im vermeintlich so freien Amerika geführt hat. Ein Vergleich, der dazu führt, dass Bertel sich ent-schließt, zu bleiben und ihren Lebensabend in heimischen Gefil-den, am Ort ihrer Wurzeln zu verbringen.

Ruth Slembek-Aldinger: Fräuleinwunder. Eine wahre Geschichte aus Schwaben. Silberburg-Verlag, Tübingen 2003.144 Seiten, EUR 12,90. ISBN 3-87407-559-1-

Rolf Kellners Beitrag zur »Völkerverständigung«

Wenn ein Schwabe auf ein »Nordlicht« trifft, kann es schnell zu Mißverständnissen oder Irritationen kommen, wenn der Süd-deutsche so schwätzt, wianem dr Schnabl gwaasa isch. Falsche In-terpretationen sind vorprogrammiert. Der Wahlschwabe Rolf Kell-ner hat deswegen eine Anleitung zur Verständigung zwischen Schwaben und Norddeutschen vorgelegt, amüsant zu lesen, da mit viel Humor gespickt, und keineswegs nur für »Reigschmeckte« gewinnbringend, (ba )

Rolf Kellner: »Verstand ons recht!« 96 Seiten mit 15 Kapiteln und illustriert mit Zeichnungen von Uli Gleis. Silberburg-Verlag, Tlibingen. 9-90 Euro. ISBN: 8-87407-553-2.

Friedrich Ströbele Max der Landstreicher

Der Autor, 1927 geboren und mit drei Geschwistern in einer katholischen Familie in Riedlingen aufgewachsen, ist Max der Landstreicher. Im Jahre 1938 zog die Familie von Riedlingen nach Hechingen um. Von der neuen Heimat erfährt der Leser viele Einzelheiten, auch von besonderen Personen. An seinen Jahren als Soldat lässt der Verfasser uns teilnehmen, ebenso an seiner Hoch-zeit im Mai 1951 mit Käthe. Dieser Ehe entsprossen vier Kinder. Als Lehrer machte » M a x « Karriere und war von Januar 1959 bis zur Pensionierung Rektor der Werdenberg-Schule in Trochtelfingen, wo er auch Stadtrat und Pfarrgemeinderat war.

Was brachte nun »Max « dazu, zwei weitere »Leben« als Fasnet-soriginal und als Landstreicher zu führen? Zur Fasnetszeit tauchte er im ganzen Land auf und bat um Eintrag in sein Wanderbuch, das er gleichzeitig in seiner Rolle als »Berber« benötigte. Viel Prominenz verewigte sich darin, u.a. der damalige Kanzleramtsminister Wolf-gang Schäuble, Ministerpräsident Erwin Teufel, der ehemalige Rot-tenburger Bischof Dr. Walter Kasper oder Manfred Rommel, gewe-sener OB von Stuttgart. Mit diesen Aktionen wollte der Autor auf die Menschen aufmerksam machen, die am Rande der Gesellschaft leben.

In den Schulferien mischte Max sich unter die Landstreicher und Obdachlosen und erlebte deren Wünsche, Hoffnungen, Nöte am eigenen Leibe, wenn er mit diesen auf der Straße, unter Brücken und in Containern lebte, ohne festen Wohnsitz also, ohne die Fam-ilie, ohne Sicherheit und Anerkennung. »Es gestaltete sich zu einem lebenslangen Auftrag für ihn, sich für die Wohnsitzlosen einzusetzen, um Verständnis für sie zu werben, Anwalt für sie zu sein und Hilfe zu mobilisieren«, so der Staatssekretär a.D. Dr. Lorenz Menz im Vorwort.

Friedrich Ströbele: Max der Landstreicher. Meine Erlebnisse als Vagabund in Baden-Württemberg. Silberburg-Verlag, Tübingen 2003. 312 Seiten, 19,90 EUR, ISBN 3-87407-546-X. ( r f r )

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HERBERT RÄDLE

Der Maler Marx Weiß (tätig 1536-1580) -ein Stilepigone des Meisters von Meßkirch

Der Baiinger Maler Marx Weiß (Lebenszeit ca. 1505-1580) wurde einst von Walter Hugelshofer mit dem Meister von Meßkirch gleichgesetzt ( 1 ) . Hugelshofer stützte seine These in erster Linie auf Beobachtungen am sogenannten Göldlin-Riß. Dieser, eine 1543 datierte Vorlage für eine Glasscheibe, ist einerseits durch das Monogramm MW als Werk des Marx Weiß verbürgt, andererseits weist er in Aufbau, Motiven und Ornamentik sowie im Zeichenstil unverkennbare Ähnlichkeiten mit Blättern des Meisters von Meß-kirch auf ( 2 ) . Indessen sind die Qualitätsunterschiede so gra-vierend, daß man heute davon ausgeht, daß der Göldlinriß eben nur von einem weniger begabten Schüler bzw. Stilepigonen des Meisters von Meßkirch stammen kann (3 ) .

Auch die Kaiphastafel aus dem Pariser Louvre, die wir in Abb. 1 zeigen und die von einigen als Kopie nach dem Meister von Meß-kirch angesehen wird (4 ) , ist durch ihre Signatur als Werk des Marx Weiß belegt ( 5 ) . Unsere Abbildungen 1 und 2 erlauben hier dem Betrachter einen direkten Vergleich. Der Vergleich der beiden Bilder läßt eine deutliche stilistische Abhängigkeit des »Schülers« bzw. Stilepigonen Marx Weiß (Kaiphastafel) von seinem »Lehrer « und Vorbild, dem Meister von Meßkirch (Judaskuß) erkennen.

Was wissen wir von Marx Weiß? Die frühesten Nachrichten über das Leben des Marx Weiß stam-men aus der 2. Hälfte der 1530er Jahre. Es handelt sich dabei um Quittungsbelege, die seine Beteiligung an der Ausmalung der Ge-mächer Herzog Ulrichs in Stuttgart in den Jahren 1536/38 bezeu-gen. Herzog Ulrich ist ja vor allem dadurch weithin bekannt, daß er 1534/35 die Reformation im Herzogtum Württemberg einführte. Neben Marx Weiß waren um 1536 auch Heinrich Füllmaurer, Al-brecht Mayer und Hans Schickhardt am Stuttgarter Hof als Maler beschäftigt.

Um 1540 war dann Marx Weiß wiederum zusammen mit Füllmau-rer und Mayer an einem größeren Auftrag des württembergischen Hofes beteiligt, dem sogenannten Mömpelgarder Altar, der sich heute im Kunsthistorischen Museum in Wien ( im Depot) befindet (6 ) . Der Mömpelgarder Altar wurde im Auftrag Graf Georgs von Württemberg, eines Bruders von Herzog Ulrich, gemalt. Graf Georg war 1536-1542 in der Grafschaft Mömpelgard (nahe Mühlhausen) Regent und führte dort mit obrigkeitlichen Zwangsmaßnahmen die Reformation ein (7 ) .

Das riesige, sechsflüglige Altarwerk mit über 150 einzelnen Dar-stellungen aus dem Leben Jesu muß in Mömpelgard in der Kirche St. Mainboeuf gestanden haben, da die Darstellungen deutsche Bibelzitate (in schwäbischer Mundart) aufweisen und nur dort deutsch gepredigt wurde. Werner Fleischhauer hat den Mömpel-garder Altar, der in der älteren Literatur Barthel Beham, dem Meis-ter von Meßkirch, der Schule Burgkmairs, Hans Schäufelein und selbst Dürer zugeschrieben wurde, als ein Werk des genannten Füllmaurer (und mehrerer Mitarbeiter) erkannt, dem in der frag-lichen Zeit, 1539/40, für eine nicht näher bezeichnete, im Auftrag des Grafen Georg von Mömpelgard ausgeführte Arbeit ein erheb-licher Geldbetrag ausbezahlt wurde. Fleischhauer glaubt, neben

Füllmaurer drei weitere »Hände« unterscheiden zu können, in de-nen er die Maler Albrecht Mayer, Marx Weiß und einen Schüler Schäufeleins vermutet ( 8 ) .

Marx Weiß ist in den 1550er Jahren dann wieder als Maler der Fresken im Chor des Markus-Münsters in Reichenau/Mittelzell (datiert 1555) nachgewiesen, ebenso als Meister der Ausmalungen am Gewölbe des Mittelschiffs und des Chorbogens im Münster zu Überlingen (1560) ( 9 ) .

Im Überlinger Münster wirkte dann, wie eine bei Hecht abgebildete Urkunde zeigt (10 ) , auch bereits sein Sohn Andreas Christoffel Weiß mit. Und Andreas Christoffel Weiß ist wohl auch der Maler des Flügelaltars des Johann Michael Gremiich von Jungingen und seiner Frau Margarete, geborene Freiin von Enzberg. Der Grem-lich-Altar wurde um 1620 gemalt und befindet sich heute in den Donaueschinger Sammlungen (11 ) .

Anmerkungen ( 1 ) W. Hugelshofer, Schweizer Handzeichnungen des 15- und

16. Jahrhundert, Freiburg/Brsg. 1928 ( 2 ) Vgl. M. Kopplin, in: Die Renaissance, Ausstellungskatalog

des Bad. Landesmus. Karlsruhe 1986, S. 328f.; 331. ( 3 ) Vgl. Kopplin, wie Anm. 2, S. 331f. ( 4 ) Vgl. J. Lauts, in: Katalog Alte Meister der Staatlichen Kun-

sthalle Karlsruhe, Textband, Karlsruhe 1966, S. 191, Nr. 98 ( 5 ) Vgl. J. Hecht, in: Hohenz. Jahreshefte 7,1940, S. 73 ( 6 ) Zum Mömpelgarder Altar insbesondere M. Kopplin, in: Die

Renaissance (wie Anm. 2 ) , S. 182ff. ( 7 ) Die württembergische Grafschaft Mömpelgard wurde 1535

reformiert. Mömpelgard war bis 1723 mehrfach von soge-nannten Sekundogenituren des Hauses Württemberg regiert und wurde 172 3 in Personalunion mit dem Herzogtum ver-bunden. 1793 kam dieser linksrheinisch gelegene Besitz Württembergs an Frankreich.

( 8 ) Dasselbe gilt für eine zweite Fassung des Mömpelgarder Al-tars, die sich heute im Schloßmuseum Gotha befindet. Vgl. W. Fleischhauer, Die Renaissance im Herzogtum Württem-berg, Stuttgart 1971, S. 156-159

( 9 ) Vgl. C. Grimm und B. Konrad, Die Fürstenbergsammlungen Donaueschingen, München 1990, S. 2l4f.

( 10 ) J. Hecht, wie Anm. 5, S. 72f., mit Abb. 10 (11 ) Vgl. C. Grimm, wie Anm. 9, S. 248ff. Die adelige Familie der

Gremiich stellte übrigens ebenso Äbtissinnen im Kloster Heiligkreuztal wie die Familie der mit den Gremlich ver-schwägerten Enzberg. So gab es drei Heiligkreuztaler Äbtis-sinnen namens Anna von Gremlich (in der Zeit zwischen 1444 und 1521). Eine Veronika von Enzberg ist 1567/68 in Heiligkreuztal als Äbtissin belegt. Das Schloß der heute noch dort ansässigen Freiherren von Enzberg in Mühlheim an der Donau erhebt sich in der NW-Ecke der Stadt, am Platz der alten Burg. Der dreigeschossige Rechteckbau des sog. Hinteren Schlosses (mit hohem Walmdach) wurde 1751 nach Plänen des Deutschordensbaumeisters Giovanni Bag-nato umgebaut.

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Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsverein Karlstraße 3, 72488 Sigmaringen

E 3 8 2 8

PVSt, DPAG, »Entgelt bezahlt«

Abb. 1: Kaiphastafel, des Marx Weiß, 1540-45, Paris, Louvre (Ausschnitt). Abb. 2: Der Judaskuß. Wildensteiner Altar des Meisters von Meßkirch, Ein Soldat ßhrt Jesus vor den Hohenpriester. Die Kaiphastafel zeigt ¡536, Fiirstenbergsammlungen Donaueschingen. Bildnachweis: wie Abb. 1. stilistisch deutliche Anklänge an Werke des Meisters von Meßkirch. Vgl. etwa Abb. 2! Bildnachweis: C. Grimm undB. Konrad, Die Fiirsten-bergsammlungen Donaueschingen, München, Prestel, 1990, S. 91

HOHENZOLLERISCHER HEIMAT

herausgegeben vom Hohenzollerischen Geschichtsverein, Postfach 1638, 72486 Sigmaringen ISSN 0018-3253 Erscheint vierteljährlich.

Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat« ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will be-sonders die Bevölkerung im alten Land Hohen-zollern und den angrenzenden Landesteilen mit der Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene Beiträge.

Bezugspreis: Für Mitglieder des Hohenzollerischen Ge-schichtsvereins ist der Bezugspreis im Beitrag enthalten. Bezugspreis für Nichtmitglieder € 7,-. Abonnements und Einzelnummern kön-nen beim Hohenzollerischen Geschichtsverein (s. 0.) bestellt werden.

Die Autoren dieser Nummer:

Gerd Bantle

Hedinger Straße 5, 72488 Sigmaringen

Willy Beyer

Kaufhausstraße 5, 72379 Hechingen

Otto Bogenschütz Silberburgstraße 4, 72379 Hechingen Robert Frank

Fliederstraße 8, 72401 Haigerloch-Weildorf

Dr Herbert Rädle

Veit-Jung-Straße 13 a, 92318 Neumarkt

Josef Schneider

Heiligkreuzstraße 16, 72401 Haigerloch-Gruol

Herbert Zander

Fichtenwaldstraße 23, 72160 Horb-Dettensee

Gesamtherstellung:

Druckerei Acker GmbH, Mittelberg 6, 72501 Gammertingen Telefon ( 0 7 5 7 4 ) 9301-0,Fax9301-30 info@ druckerei-acker. de www.druckerei-acker.de

Schriftleitung:

Robert Frank Fliederstraße,8, 72401 Haigerloch-Weildorf Tel.: 07474/2161

Die mit Namen versehenen Artikel geben die persönliche Meinung der Verfasser wieder; diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge ver-antwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung sind als solche gekennzeichnet.

Manuskripte und Besprechungsexemplare wer-den an die Adresse des Schriftleiters erbeten,

Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische Heimat« weiterzuempfehlen.

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Hohenzollerische Heimat

Vorlage: Staatsarchiv Sigmaringen Ho 86 T1 Nr 447, Foto: Hauptstaatsarchiv Stuttgart

CORINNA KNOBLOCH

Alte Karte der Herrschaft Achberg entdeckt

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es wiederholt zu Grenz-streitigkeiten zwischen dem Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen und den angrenzenden Staaten. So gab es unter anderem immer wie-der neue Diskussionen über den Verlauf der Landesgrenze zwischen dem Obervogteiamt Achberg, das durch die Rheinbundakte 1806 Ho-henzollern-Sigmaringen zugeteilt worden war, und dem königlich bayerischen Landgerichtsbezirk Lindau. Ein Beispiel liefert eine im Staatsarchiv Sigmaringen verwahrte Akte der Fürstlichen Landesregierung Sigmaringen, die vor kurzem im Rahmen der Neuverzeichnung des Bestands erschlossen wurde. Die Landesgrenzbereinigung zog sich in diesem Fall von 1816 bis 1845, also über fast 30 Jahre, hin. Häufig stellte sich dabei lediglich die Frage nach der genauen Setzung einzelner Grenzsteine und Marken. Um Veränderungen zu dokumentieren oder eigene Ansprüche zu un-

termauern, bedienten sich beide Seiten auch der Hilfe von Karten, in denen der jeweilige Grenzverlauf eingezeichnet wurde. Um das Jahr 1826 verwendeten die beiden Parteien hierzu auch die wohl original-getreue Kopie einer weitaus älteren Karte. Die gesüdete Karte mit der Aufschrift »Von der Alten Sirggenstaini-schen Mappa accurat abgezogen« enthält detaillierte Darstellungen der Dörfer und Weiler Achberg, Bahlings, Baindt, Buflings, Dobei-ratsweiler, Duznau, Englitz, Esseratsweiler, Flunau, Gunderatweiler, Isigatweiler, Liebenweiler, Pechtensweiler, Regnitz und Siberatsweiler. Auch einige Besonderheiten, beispielsweise der Bildstock bei Baindt und der Galgen bei Esseratsweiler, wurden von dem Zeichner auf-genommen. Das Original muss zwischen 1530 und 1691 entstanden sein. In dieser Zeit lag die Herrschaft Achberg in der Hand der Sürgensteiner. 1691 musste Franz Johann Ferdinand von Sürgenstein die Herrschaft an den in Altshausen sitzenden Deutschordens-Landkomtur Franz Benedikt Freiherr von Baden verkaufen.1

Aufgrund der sehr detaillierten und kolorierten Darstellung dürfte die

Herausgegeben vom 54. Jahrgang

Hohenzollerischen Geschichtsverein Nr. 2-Juni 2004 E 3828

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Karte einen nicht unerheblichen Beitrag bei künftigen Forschungen über die Herrschaft Achberg leisten. Hinweise auf den Zeichner und das Jahr der vermutlich schon vor dem 19- Jahrhundert erfolgten Kopie sind weder der Karte noch der Akte, der sie beigegeben war, zu entnehmen. Die Karte befindet sich im Staatsarchiv Sigmaringen im Bestand »Fürstliche Landesregierung Sigmaringen« unter der Signatur Ho 86

OTTO H. BECKER

Mitgliederversammlung des Hohenzolle-rischen Geschichtsvereins 2004

Die Jahresversammlung des Hohenzollerischen Geschichtsvereins e.V. fand am 18. Mai 2004 turnusmäßig im »Museum« in Hechingen statt. Nach der Begrüßung der anwesenden Mitglieder und der Ver-lesung der Totentafel würdigte der Vorsitzende Dr. Otto Becker die Verdienste des kürzlich verstorbenen Vereinsmitglieds Walter Kem-pe, Apotheker i.R., um die Erforschung der Geschichte der Gemein-de Ostrach und ihrer Teilorte.

In seinem Tätigkeitsbericht ging Dr. Becker vor allem auf den im Frühjahr vom Verein herausgegebenen Doppelband der Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte 2002/03 ein. Mit seinen 755 Seiten ist der Band nicht nur der umfangreichste in der ganzen Reihe. Nach der Auffassung des Vorsitzenden wurden bei diesem Doppelband auch hinsichtlich der Qualität der einzelnen Beiträge und der Vielfalt der behandelten Themen neue Maßstäbe gesetzt.

Der Doppelband 2002/03 wurde übrigens nicht mehr von Frau Lieb-haber vom Sekretariat, sondern von der Firma Kohlhammer und Wallishauser verschickt. Für das Einholen von Angeboten und für die Verhandlungen mit Dienstleistern mussten der Schatzmeister und der Vorsitzende viel Zeit und Geduld aufwenden.

Der Doppelband 2002/03 muss, was den Umfang anbelangt, vor-nehmlich aus Kostengründen ein Einzelfall bleiben. Der Jahresband 2004, der zur Zeit in Bearbeitung ist, wird diesbezüglich beschei-dener ausfallen. Die Hohenzollerische Heimat konnte jeweils frist-gerecht zu Quartalsende ausgeliefert werden.

Im Berichtsjahr konnten wiederum eine Reihe von attraktiven Ver-anstaltungen angeboten werden. Am 14. Oktober 2003 fand in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Hechingen im Alten Schloss in Hechingen das Event »Die Hohenzollerische Hochzeit im Jahr 1598« statt, das auf eine sehr gute Resonanz gestoßen ist.

Großen Zuspruchs konnte sich auch die Präsentation »Festakt und Vortragsveranstaltungen: Der Übergang der Herrschaft Schalksburg« erfreuen, die am 24. Oktober in Balingen und am 25. Oktober 2003 im Stauffenbergschloss in Albstadt-Lautlingen stattfand. Träger waren neben dem Landratsamt Zollernalbkreis die Städte Albstadt und Bahngen, der Hohenzollerische Geschichtsverein und die Heimat-kundliche Vereinigung Balingen.

Unter der Leitung von Dr. Becker fand am 7. November in Zusam-menarbeit von Staatsarchiv, Hohenzollerichem Geschichtsverein und Verein für Familien- und Wappenkunde in Württemberg und Baden in Sigmaringen eine Einführung in die Wappenkunde statt.

T 1 Nr. 447 und hegt mittlerweile auch als Makrofiche vor.

Irene Pill-Rademacher: Die Geschichte von Schloß und Herr-schaft Achberg im Zeitraffer. In: Pill-Rademacher (Hrsg.): Schloß Achberg. Annäherung an ein barockes Kleinod Oberschwabens. 1999- S. 29-48.

Am 18. März 2004 hielt Dr. Frank Raberg, Neresheim, in Sigmarin-gen den sehr fundierten Vortrag über den Sigmaringer Bürgermeis-ter Egon Müller (1885-1949) als Landespolitiker im Kampf um den Südweststaat.

Auf den in Kooperation mit dem Kreisarchiv Balingen am 21. Juni 2004 im Alten Schloss in Hechingen veranstalteten Vortrag von Dr. Zekorn mit dem Titel »Das Grosselfinger Narrengericht« wurde auf der Mitgliederversammlung hingewiesen.

Der Geschichtsverein hat ferner die von Casimir Bumiller und Hel-mut Göggel bearbeiteten Register zur Hohenzollerischen Heimat von 1951 bis 2000 herausgegeben. Die angebotenen Disketten und Aus-drucke dieser Register haben bisher einen guten Absatz gefunden. Herrn Dr. Zekorn wurde für die Redaktionsarbeit bei der Heraus-gabe des wichtigen Findmittels gedankt.

Im Berichtszeitraum tagten Vorstand und Beirat gemeinsam am 27. November 2003 und am 5. Februar 2004 jeweils im »Kreuz« in Gam-mertingen.

An der Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Stadt Gammertingen am 14. Februar 2004 an das Ehrenmitglied und Beiratsmitglied des Geschichtsvereins, Herrn Dr. med. Herbert Burkarth, nahmen der Vorsitzende Dr. Becker, der stellvertretende Vorsitzende Werner, der Schatzmeister Dopfer und Herr Bogenschütz teil. Kreisarchivar Dr. Weber hielt die Laudatio. - Als Vertreter des Geschichtsvereins war der Vorsitzende bei der Beerdigung von Herrn Kempe in Ostrach zugegen.

Die Sorgen um den Weiterbestand des Staatsarchivs Sigmaringen haben sich verflüchtigt; die Sorgen um den Mitgliederstand des Geschichtsvereins sind jedoch weiterhin virulent. Zunehmend be-kunden Mitglieder, dem Hohenzollerischen Geschichtsverein aus wirtschaftlichen Gründen den Rücken kehren zu müssen.

Um weitere Mitgliederverluste zu vermeiden, muss das Vereinsange-bot verbessert werden. Auch die Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte muss in Zukunft regelmäßig erscheinen.

Nach den Sommerferien wird das Event »Die Hohenzollerische Hochzeit im Jahr 1598« in der Portugiesischen Galerie im Schloss in Sigmaringen wiederholt. Schatzmeister Dopfer wird eine Studien-fahrt zu Werken des Bildhauers Prof. Henselmann durchführen. Das Jahr 2005 wird unter dem Motto »Römer in Hohenzollern« stehen. Außerdem soll das Stadtjubiläum von Hechingen thematisiert wer-den.

In seinem Tätigkeitsbericht konnte Schatzmeister Hans Joachim Dopfer eine positive Bilanz zum Jahresende 2003 vorlegen. Nach Bestätigung seiner einwandfreien Rechnungsführung durch die

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Mitteilungen aus dem Hohenzollerischen Geschichtsverein

Veranstaltung im 2. Quartal 2004

Ausstellung Schwabenspiegel-Begleitprogramm Das Grosselfinger Narrengericht

Vortrag von Dr. Andreas Zekorn, Kreisarchiv Zollernalbkreis, in Kooperation mit dem Hohenzollerischen Geschichtsverein und dem Stadtarchiv Hechingen.

Am Montag 21. Juni 2004 findet um 20 Uhr im Alten Schloss Hechingen (Schloßplatz, Hechingen) im Rahmen des Begleit-programms zur Ausstellung »Schwabenspiegel« ein Vortrag von Dr. Andreas Zekorn, Kreisarchiv Zollernalbkreis, zum »Grossel-finger Narrengericht« statt. Der Vortrag wird vom Landratsamt in Kooperation mit dem Hohenzollerischen Geschichtsverein und dem Stadtarchiv Hechingen veranstaltet.

Das Narrengericht ist ein einmaliges »Volksschauspiel«, das teil-weise improvisiert und von Laien getragen wird. Die Wurzeln des Narrengerichts dürften im 16. Jahrhundert hegen. Mit Filmaus-schnitten, die Michael Seifer, Haigerloch-Owingen zur Verfügung stellte, wird zunächst der aktuelle Ablauf des Narrengerichts vergegenwärtigt und zugleich verdeutlicht, dass das Narrenge-richt eine lebendige Spieltradition besitzt, welche die Jahrhun-derte über nicht unverändert blieb. Andererseits bewahrte es zahlreiche Elemente aus früheren Zeiten, was heute oft nicht mehr bewusst ist. Das Narrengericht spiegelt vielfach auf »när-rische« Weise die vergangene, reale Welt des 17. und 18. Jahr-hunderts. Dies beginnt bei der Verlesung der »Landesordnung« und reicht über die Ämterbesetzung, bei der früher beim Nar-rengericht auch scherzhafte Ämter, wie z.B. die »Wanzenpfleger« besetzt wurden, bis hin zur Gerichtsverhandlung selbst.

Abschließend wird das Narrengericht interpretiert, und es wer-den seine Funktionen aufgezeigt. Das Narrengericht diente der Rüge und der sozialen Kontrolle. Es leistete damit einen Beitrag, die dörfliche Ordnung aufrecht zu erhalten, insbesondere auch hinsichtlich der Beziehungen der beiden Geschlechter zueinan-der. Mit dieser Aufgabe stand das »Narrengericht« nicht allein. Vergleichbares lässt sich beispielsweise bereits im 12. Jahrhun-dert bei den »Narrenabteien« in Frankreich finden. Unverheira-tete Männer übten bei diesen »Abteien« eine närrische Gerichts-barkeit im Dorf aus, um Missstände anzuprangern und die dörf-

liche Ordnung zu bewahren. Vor diesem Hintergrund treten die Stellung und Bedeutung des »Grosselfinger Narrengerichts« kla-rer zutage. Insgesamt sollen in dem Vortrag die unterschiedlichen histo-rischen Bezüge und Funktionen des Narrengerichts verdeutlich werden.

Hinweis auf die Ausstellung: Schwabenspiegel. Literatur vom Neckar bis zum Bodensee 1000 - 1800.10. Juni bis 29- August 2004 Zehntscheuer, Neue Str. 69, Balingen Öffnungszeiten: Di - So, Feiertage 14-17 Uhr; Eintritt frei Information: Kreisarchiv Zollernalbkreis, Landratsamt,

sowie Stadtarchive Albstadt, Bahngen und Hechingen

Veranstaltung im 3. Quartal 2004

Jakob Frischlin und die HohenzöUerische Hochzeit im Jahr 1598 Vortrag und Spektakel mit Dr. Casimir Bumiller und Peter Haug-Lamersdorf. Mittwoch, 15. September, um 19-30 Uhr in der Portugiesischen Galerie im Schloss Sigmaringen

Vorschau Im 4. Quartal 2004 wird unter der Leitung von Herrn Hans Joachim Dopfer, Schatzmeister des Hohenzollerischen Ge-schichtsvereins, eine Studienfahrt zu Werken des aus Sigmarin-gen-Laiz stammenden und in München schaffenden Bildhauers Prof. Josef Henselmann vornehmlich im Landkreis Biberach statt-finden. Herr Dopfer ist ein sehr guter Kenner des künstlerischen Schaffens von Prof. Henselmann und seiner Gemahlin, der Ma-lerin Marianne Henselmann, und betreut auch das Kunstmuseum Laiz mit Werken der beiden Künstler.

Nähere Angaben entnehmen Sie bitte den »Mitteilungen« zum 4. Quartal.

gez. Dr. Otto Becker Vorsitzender

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Rechnungsprüfer Füßler und Wenzel wurden der Schatzmeister und dann auch der gesamte Vorstand einstimmig bei Enthaltung der Be-troffenen entlastet.

Nach der Entlastung dankte der Vorsitzende allen Vorstands- und Beiratsmitgliedern für ihre Mitarbeit. Seinen besonderen Dank sprach er dem stellvertretenden Vorsitzenden Werner, Schatzmeister Dopfer, Schriftführer Göggel, den Rechnungsprüfern Füßler und Wenzel sowie dem Mitschriftleiter der Zeitschrift für Hohenzol-lerische Geschichte Dr. Zekorn und dem Schriftleiter der Hohenzol-lerischen Heimat Frank aus. Gedankt wurde ferner Stadtarchivar Jauch für die Vorbereitung der Mitgliederversammlung im Konstan-tinsaal des »Museums« in Hechingen.

Auf Vorschlag von Vorstand und Beirat wählte die Mitgliederver-sammlung sodann Studiendirektor a.D. Alf Müller, der fast 37 Jahre die Hohenzollerische Heimatbücherei geleitet hat und in dieser Funktion auch Mitglied des Vorstands bzw. Beirats des Geschichts-vereins war, für seine Verdienste um die Erforschung der hohenzol-lerischen Geschichte und Landeskunde und um den Verein einstim-mig zum Ehrenmitglied. Sichtlich gerührt bedankte sich der Geehrte für die Auszeichnung.

Im Anschluss an die harmonische Mitgliederversammlung erläuterte und bewertete Archivdirektor Dr. Volker Trugenberger in einem öf-fentlichen Vortrag die Geschichte der evangelischen Kirche in Ho-henzollern seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zu ihrer Ein-gliederung in die württembergische Landeskirche im Jahr 1950.

FERDINAND PFANNSTIEL

Die bronzezeitliche Besiedlung des Oberen Laucherttals

Bronzezeithehe Siedlungen waren lange Zeit auf der Schwäbischen Alb nahezu unbekannt. Durch meine intensive Geländetätigkeit konnte hier eine Lücke im Kenntnisstand stärker geschlossen wer-den. Eine kleine Auswahl des gesammelten Materials aus dem Oberen Laucherttal möchte ich in diesem Aufsatz vorstellen. Seit 18 Jahren beschäftige ich mich mit den bronze- und urnen-felderzeitlichen Siedlungen des Oberen Laucherttals. So wuchsen meine Sammlung und auch die Zahl der Fundstellen. Zwar kannte man vom Ende des 19- und aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts zahlreiche mittelbronzezeitliche Grabhügel mit Beigaben, die zuge-hörigen Siedlungen fehlten aber. Diese bestehende Kenntnislücke im Kleinraum des Oberen Laucherttals konnte ich stärker schließen.

Abb. 1: Hinter der »Enge« das 2,5 km entfernte Melchingen.

Warum siedelten die Bronzezeitleute auf den »Linsenäckern«? Besonders fesselte mich die Frage, warum gerade auf den Melchin-ger »Linsenäckern« (Stadt Burladingen) eine größere bronzezeit-liche Siedlung entstand (Abb. 1). Es lassen sich gleich mehrere Faktoren nennen, welche eine vorgeschichtliche Nutzung des Ge-ländes durch den Menschen bewirkt haben: Die Lage zwischen den Erhebungen der kuppenreichen Hoch-fläche gewährte einen gewissen Sicht- und Wetterschutz gegen Nor-den, Osten und Südosten (Abb. 2 ) .

Abb. 2: Die Siedlung »Linsenäcker« liegt oberhalb der sogenann-ten »Enge«, eingeschlossen von Burg- und Buchhalde.

Hier schirmten Burg- oder Buchhalde und der Hasenberg die Sied-lungen gut ab, wogegen die Sonneneinstrahlung von Süden unge-hindert erfolgte. Offener ist dann aber das Gelände nach Westen und Nordwesten zum Heufeld. Dort führte die Römerstraße wenige 100 m entfernt am Käpfle vorbei von Ringingen nach Melchingen und vermutlich bereits ein vorgeschichtlicher Weg. Die Siedler könnten aber auch Lauchert aufwärts vorgedrungen sein, worauf die Erpfinger Fundstellen hindeuten (Abb. 15). Nach Reim waren die steinigen Lehmböden der Albhochfläche we-gen ihres Kalkgehalts hinreichend fruchtbar, um schon früh Men-schen in unserer Region sesshaft werden zu lassen. Gegenüber dem Vorland vernässten die wasserdurchlässigen Kalkverwitterungsbö-den der Alb nicht. Auch unter diesem Aspekt erwiesen sie sich als siedlungsgünstig und konnten ackerbaulich genutzt werden. Zudem hatte sich bis zum Beginn der Bronzezeit Eichenmischwald auf der Schwäbischen Alb gebildet, der für die Viehhaltung geeig-net war, weil er das Wachsen einer Kraut- und Strauchschicht er-möglichte. So ergab sich eine vorzügliche Waldweide. Die Nähe zum Hochtal der Lauchert und deren Zuflüssen versprach außer-dem günstige Jagdbedingungen.

Weiterhin dürfte die Wasserversorgung auf den »Linsenäckern« damals unproblematisch gewesen sein, denn das Klima war in der mittleren Bronzezeit wärmer und feuchter als heute. Das Wasser des Ringinger Baches diente dem Tränken des Viehs, der Reini-gung, Bewässerung usw.. Trinkwasser holte man sicher vom 300 m südlich gelegenen »Haubrunnen«, der selbst im trockenen Som-mer 2003 nicht versiegte. Auch die »Woogquel le« , 600 m Bach ab-wärts, dürfte zur Wasserversorgung beigetragen haben. Sie trock-net aber heute in regenarmen Sommern aus.

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Wie kam es zur Entdeckung der Fundstelle? 1985/86 wurden im Rahmen der Flurbereinigung Feldwege an-gelegt. Die intensive Beobachtung dieser Baumaßnahmen ergab deutliche Hinweise auf eine vorgeschichtliche Besiedlung der »Lin-senäcker«. In den nachfolgenden Jahren beging ich die Acker-flächen kontinuierlich. Die aufgesammelten Scherben veranschau-lichten bald, dass es sich um einen wichtigen Siedlungsplatz han-deln musste.

Die bronzezeitlichen Funde Die Bronzezeit dauerte in Württemberg von 2300 bis 1200 v.Chr.. Sie lässt sich noch weiter unterteilen in Frühbronzezeit, Mittlere Bronzezeit und Späte Bronzezeit. Waagrechte, mit Fingertupfen verzierte Leisten (Abb. 3 ) , wie sie in dieser Fundstelle vorkommen, sind ein häufiges Zierele-ment grober handgefertigter bronzezeitlicher Töpfe.

Abb. 3: Waagrechte Rupfenleisten kennzeichnen öfter bronze-zeitliche Töpfe. Sie können mit Knubben kombiniert sein.

Den Archäologen ist es auf Grund des Vorhandenseins bestimmter Ziermuster und anderer Kriterien möglich festzustellen, ab wann eine Siedlung bestand, ihren Höhepunkt hatte, aufhörte usw. Folgende Gefäßverzierungen wurden auf den Melchinger »Lin-senäckern« gefunden (Abb. 4 - 7 ) : Doppelhalbkreisstempel, kleine linear angeordnete senkrechte Einstiche, flächen-deckende Zylinderstempel, senkrechte Einstiche zwischen Ritzlinien und Kerbschnitt.

Abb. 6: Senkrechte Einstiche zwischen Ritzlinien

Abb. 7: Echter Kerbschnitt, mit messerartigem Gerät einge-schnitten

Zur Spätbronzezeit gehören die kleinen Rauten- und Dreiecks-stempel, ein X-Henkel mit randparallelen Ritzlinien und lange strichgefüllte Dreiecke (Abb. 8 - 9 ) .

Abb. 4: Doppelhalbkreisstempel

Die folgende Abbildung 5 zeigt kleine linear angeordnete senk-rechte Einstiche und flächendeckende Zylinderstempel Abb. 8: kleine Rauten- und Dreiecksstempel

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Abb. 9: X-Henkel und lange strichgeßillte Dreiecke

Die vorliegenden Ziermotive zeigen, dass die Siedlung »Linsen-äcker« vom Ende der frühen bis in die späte Bronzezeit bewohnt war (1500-1200 v. Chr.) Die stärkste Besiedlungsphase weist dabei die Mittelbronzezeit auf

Die beiden Bronzegegenstände (Abb. 10) kann man nur schwer mit einem bestimmten Kulturabschnitt verbinden. Am ehesten ge-lingt dies noch für die Nähnadel (sog. Geschlitzte Nadel), die am Grunde einer sehr tiefen Ackerfurche zusammen mit feinem spät-bronzezeitlichem Kerbschnitt entdeckt wurde. Die damals noch ungestörte Schicht legt nahe, dass die Nadel zum selben Zeitab schnitt gehört. Die Pfeilspitze mit Tülle und seitlichem Widerhaken kann mittelbronze- oder urnenfelderzeitlich sein.

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Abb. 10

Kulturbeziehungen nach Süden und Osten Als Lesefund hegt weiterhin von den »Linsenäckern« das Bruch-stück eines feinen Knickwandgefäßes mit tiefsitzendem Bauchumbruch (Abb. 11,12) vor. Der kleine Henkel war sicher nicht zum Durchgreifen bestimmt, sondern diente zum Aufhängen des Gefäßes mittels einer durchgezogenen Schnur.

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Abb. 11

Ähnliche Ränder mit scharfem Bauchknick kennt man vom Run-den Berg und dem Ravensburger Veitsberg. Auch im Federseegebiet wurden solche Gefäße ausgegraben, ebenso am Bodensee und in der Schweiz. Zusätzlich besteht eine Verwandtschaft mit den Knickwandtassen des östlichen Aunjetitzer Kulturkreises, der bis nach Böhmen, Niederösterreich und zur südwestlichen Slowakei reicht.

Abb. 12: Ergänztes Knicktvundgeßß. So muß man sich das linke Bruchstück vorstellen, jedoch ohne die Kerben am Bauchum-bruch. Das Gefäß könnte außerdem einhenkelig gewesen sein.

Stark nach innen ausgezogen sind die Ränder zweier Schüsseln (Abb. 13 ab). Der extrem verbreiterte Rand bietet sich für Ver-zierungen an, wie dies eingeritzte Dreiecke zeigen.

Abb. 13 a: Extrem nach innen ausgezogene Ränder

m Abb. 13 b: Ränder solcher Schüsseln sind bisher in Württemberg nicht aufgefunden worden.

Vergleichbare Randformen gibt es aus der Siedlung Landsberg/ Lech, aber auch von Böheimkirchen/Niederösterreich. Östlichen Kultureinfluss verrät das bei uns fremd wirkende rad-ähnliche Motiv (Abb. 14).

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Abb. 14: Die Darstellung eines Speichenrades auf Keramik lag in plastischer Ausführung für Baden-Württemberg bisher nur ein-mal von Trochtelßngen-Haid vor (Heimatmuseum Reutlingen)

Durch meine Geländetätigkeit stellt sich inzwischen die bronze-zeitliche Siedlungslandschaft des Oberen Laucherttals erheblich verändert und differenzierter dar. Die Areale mit Kulturresten jener Zeit sind heute jedoch weitgehend überbaut oder zerstört. Ich bedanke mich herzlich bei den Eigentümern der Äcker und den Bauherren, die mir freundlicherweise Geländebegehungen oder Fundbergungen immer erlaubten. Daneben gilt mein Dank Herrn Altbürgermeister T. Faigle, Meldungen, für Informationen zur Wasserversorgung.

Zeichnungen und Fotografien vom Verfasser. Verbleib der Funde: alle abgebildeten Funde gehören zur Samm-lung F. Pfannstiel, einige nicht abgebildete Stücke von Willmandin-gen oder Erpfingen auch zur Sammlung B. Dreher, Erpfingen.

Welche Lagen bevorzugten die bronzezeitlichen Siedler? Weitere von mir entdeckte Fundstellen sind in Karte Abb. 15 fest-gehalten. Die Nummern des Textes beziehen sich auf diese Zeich-nung. Wie sich Abb. 15 entnehmen lässt, bestand im Oberen Laucherttal eine Konzentration bronzezeitlicher Siedlungen. Auffällig ist eine Vielzahl an Quellen, die sicher schon der vorgeschichtlichen Trinkwasserversorgung dienten. Besonders die unteren Hänge ent-lang der Gewässer waren bewohnt (Abb. 15,1-3.4.7.11.12). Eine entsprechende Lage zum Ringinger Bach weisen auch die »Lin-senäcker« ( 1 ) auf. In Willmandingen wählten die Siedler den mitt-leren Hangbereich, 250 m unterhalb der an der Brunnhalde ent-springenden Lauchertquelle ( 8 ) . Daneben kommen Lagen über dem Steilhang der Erpf (9,10) vor. Weiterhin lässt sich die Lage auf einer Kuppe oder einem Gelände-sporn feststellen ( 2 , 5 ) . So waren die Kuppe des Hasenbergs und eine flache Geländezunge über dem Albtrauf bei Salmendingen be-siedelt. Im unteren NW-Hang des Nähbergs, oberhalb einer sicher früher sumpfigen Mulde, deuten bronzezeitliche Scherben auf ent-sprechende Siedlungsaktivität im Ringinger Ortsbereich hin ( 6 ) . Insgesamt überwiegen Gewässer bezogene Lagen an sanft abfallen-den unteren Hängen. Eine oder mehrere Quellen entspringen im-mer in erreichbarer Nähe.

^ Wil lmandingen

\ Salmendingen W e n g e n

Ringingen̂

Linsenäcker/ '-1 £ Hasenberg

N i f

pfingen

Abb. 15: Bronze-

zeitliche Siedlungen

Stetten u.H. • Siedlungsstelle

f Nr. 10 Altfund

Hörschwag

Trochtelfingen f a.d. Lauchert

Mägerk ingen

Für das Obere Laucherttal zeigt sich, dass nach Osten geneigte Hanglagen nicht als siedlungsgünstig angesehen wurden. Aus-schlaggebend für die Auswahl des Platzes waren Gewässerbezug und die südliche Sonneneinstrahlung.

Literatur: E. Gersbach, Ältermittelbronzezeitliche Siedlungskeramik von Ess-lingen am Neckar. Fundberichte Baden-Württemberg 1,1974,226ff. A. Hochstetter, Die Hügelgräberbronzezeit in Niederbayern. Ma-terialhefte zur Bayerischen Vorgeschichte 41 (Kallmünz 1980) H-J. Hundt, Keramik aus dem Ende der frühen Bronzezeit von Heubach (Kr. Schwäbisch Gmünd) und Ehrenstein (Kr. Ulm). Fund-berichte Schwaben N.F.14,1957, 27ff. H-J. Hundt, Älterbronzezeitliche Keramik aus Malching, Lkr. Gries-bach. Bayerisches Vorgeschichtsblatt 27,1962, (1965) 33ff. E.Keefer, Die »Siedlung Forschner« und ihre mittelbronzezeitlichen Funde. RGK 71, Teil2,1990 W. Kimmig, Der Kirchberg von Reusten. Eine Höhensiedlung aus vorgeschichtlicher Zeit. Urkunden zur Vor- u. Frühgeschichte aus Südwürttemberg-Hohenzollern 2 (Stuttgart 1966) H. Koschik, Die Bronzezeit im südwestlichen Oberbayern. Material-hefte Bayerischer Vorgesch. ReiheA, Band 50 (Kallmünz 1981) J. Krumland, Die bronzezeitliche Siedlungskeramik zwischen Elsaß und Böhmen. Internationale Archäologie 49 (Rahden/Westf. 1998) J-W. Neugebauer, Monographie des namengebenden Fundortes der Böheimkirchnergruppe der Veterovkultur. Arch. Austriaca 61/62, 1977, 31ff. R. Pirling/U. Wels-Weyrauch/H. Zürn Die mittlere Bronzezeit auf der Schwäbischen Alb. Prähistorische Bronzefunde XX, 3 (1980) D. A. u. R.Rademacher, Der Veitsberg bei Ravensburg. Forschungen u. Berichte der Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 16 (Stuttgart 1993) H. Reim, Vor- und Frühgeschichte. In: Der Zollernalbkreis (Stuttgart 1989), 59ff. H. Reim, Die mittlere Bronzezeit in Württemberg.In: Archäologie in Württemberg. Ergebnisse und Perspektiven archäologischer For-schung von der Altsteinzeit bis zur Neuzeit (D. Plank, Hergb.) Stutt-gart 1988,141ff.. J. Stadelmann, Funde der vorgeschichtlichen Perioden aus den Plan-grabungen 1967-1974. Der Runde Berg bei Urach 4 Schriften der Komission für Alamannische Altertumskunde 7 (Heidelberg/Sigma-ringen 1981) C. Strahm, Die frühe Bronzezeit in Mittelland und Jura. Ur- und früh-geschichtliche Archäologie der Schweiz, Band3 Bronzezeit (Basel 1971) 5ff.

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DR. ANDREAS ZEKORN

Zollernalbkreis: Führer zu archäologischen Denkmälern

Der Zolleralbkreis gab, zusammen mit anderen Herausgebern, in seiner Reihe Zollernalb-Profile B als Band 2 einen Führer zu archäologischen Denkmälern im Landkreis heraus. Das Buch er-schien zugleich in der Reihe Führer zur archäologischen Denk-mälern in Deutschland und erfährt dadurch eine weite Verbreitung.

Im Zollernalbkreis ist eine Vielzahl archäologischer Denkmäler überliefert, die von der Altsteinzeit bis zum frühen Mittelalter nahezu jede Epoche dokumentieren. Herausragende Fundorte, wie der rö-mische Gutshof in Hechingen-Stein, aber auch weniger bekannte Denkmäler, wie die zahlreichen Grabhügel oder Wallanlagen zeugen von einer reichen kulturellen Tradition des Kreises über Jahrtausen-de hinweg. Steinzeitliche Höhlen weisen auf ur- und frühgeschicht-liche Rast- oder Wohnstätten hin, bronzezeitliche Grabhügel um Alb-stadt warten mit spektakulären Funden auf. Grabhügelgruppen im Albvorland um Dautmergen und Dotternhausen geben spannende Einblicke in keltische Sitten und Bräuche, römische Kastelle und Gutshöfe zeichnen ein aufschlussreiches Bild des Lebens im römi-schen Zeitalter. Interessante Rückschlüsse auf vorkarolingische Siedlungsverläufe erlauben Bestattungen in Grabhügeln und Gräber-feldern im Albvorland und frühromanische Kirchenbauten wie in Albstadt-Burgfelden. Schließlich kann die Sonderrolle der Schwä-bichen Alb als schon früh und nachhaltig besiedeltes Mittelgebirge an vielen Fundstellen eindrucksvoll aufgezeigt werden.

Nach einer Einführung in die Archäologie und Geschichte des Land-kreises stellen die Autoren 38 ausgewählte Ausflugsziele vor. Infokäs-ten informieren über die Anfahrt zu den Denkmälern. Zeittafel und Karte ermöglichen die Zuordnung in Zeit und Raum. Nähere Infor-mationen über die bedeutendsten Museen der Region enthält ein separates Kapitel.

Mit diesem Führer werden die wichtigsten Resultate der außeror-dentlich breit gefächerten, jahrzehntelangen Grabungen im Zollern-albkreis erstmals einer breiten Öffentlichkeit in einem attraktiven Überblick dargeboten.

Der Band wurde unter redaktioneller Regie des Kreisarchivs Zollern-albkreis erarbeitet. Als Hauptautor des Bandes konnte der Archäo-loge Dr. Christoph Morrissey, Tübingen, gewonnen werden. Beiträge steuerten die archäologischen Fachleute Rainer Kuhn, Jürgen Scheff, Dr. Stefan Schmidt-Lawrenz und Dr. Georg Schmitt sowie Kreisar-chivar Dr. Andreas Zekorn bei. Zusammen mit dem vor zwei Jahren erschienen Band über die Kunstdenkmale im Zollernalbkreis soll der Archäologieführer dazu beitragen, die Sehenswürdigkeiten im Zol-lernalbkreis für Auswärtige und Einheimische zu erschließen.

Nachfolgend ist die Einführung des Kreisarchivars in den Band wie-dergegeben, um einen Eindruck vom Inhalt des Bandes zu vermit-teln. Beim Landesdenkmalamt sind für den Zollernalbkreis mehr als 1.000 archäologische Fundstellen dokumentiert. Es fehlte bisher eine eingehendere Würdigung dieser Denkmäler, die mit dem vor-liegenden Band gegeben werden soll, wobei in dem zur Verfügung stehenden Rahmen aus nahe hegenden Gründen keine Vollständig-keit möglich und beabsichtigt war.

Das Buch besitzt zwei Hauptteile. Der erste Teil enthält Überblicks-darstellungen. Beiträge über Landschaftsformen, Geologie, Erd-geschichte, Kulturlandschaft und Bodenschätze im Kreisgebiet be-fassen sich zunächst mit den Grundlagen menschlichen Wirkens. An-schließend werden Geschichte und Stand der archäologischen Forschung im Landkreis sowie die archälogischen Denkmäler von der Altsteinzeit bis zum Mittelalter in geschichtlichen Überblicks-darstellungen vorgestellt. Um diese Denkmäler historisch einordnen zu können, ist anschließend ein kurzer Abriss über die Geschichte des Zollernalbkreises gegeben. Ein gesonderter Beitrag von Jürgen Scheff widmet sich dem faszinierenden Thema Höhlenarchäologie.

Der zweite Teil des Buches besteht aus detaillierteren Abhandlungen zu ausgewählten archäologischen Denkmälern, geordnet nach einzelnen Städten und Gemeinden. Es wurden dabei nur Fundstellen einbezogen, bei denen oberirdisch sichtbare Überreste erhalten sind. Verschiedentlich können dabei ganz neue Erkenntnisse präsen-tiert werden, die mehr Klarheit über einzelne Denkmäler verschaf-fen. Zum Teil konnte auch nur der Kenntnisstand resümiert werden, ohne dass eine abschließende Klärung möglich gewesen wäre.

Mehrere archäologische Denkmäler lassen sich auch auf archäolo-gischen Wanderungen erkunden. Drei derartige Wanderrouten konnten zusammengestellt werden, die zu einem Rundgang einladen.

Der zeitliche Rahmen für die Auswahl der vorgestellten Denkmäler erstreckt sich im Wesentlichen von der Alt- und Mittelsteinzeit, die mit einzelnen sehenswerten Höhlen dokumentiert ist, bis hin zum Mittelalter. In zwei Ausnahmefällen wurden bemerkenswerte archäo-logische Denkmäler der Frühen Neuzeit aufgenommen, bei denen man bisher eine frühere Entstehung vermutete, so bei der Schanze auf dem Zeller Horn und dem Sieben-Kreuzle-Weg bei Albstadt-Ebin-gen.

Burgen und Burgstellen wie auch Bau- und Kunstdenkmäler wurden nur in fachlich begründeten Einzelfällen vorgestellt, etwa wenn ein vorgeschichtlicher Zusammenhang bestand oder eine vorgeschicht-liche Entstehung vermutet wurde. Die Burgen des Zollernalbkreises sollen in einem eigenen Band der Zollernalb-Profile behandelt wer-den, so wie dies bereits mit den Bau- und Kunstdenkmälern geschah, die in einem im Jahre 2001 erschienenen Buch dargestellt wurden.

Abschließend sei auf die angeführten Museen im Landkreis mit Bezug zur Archäologie beziehungsweise zur Vor- und Frühgeschichte hingewiesen. Das Literaturverzeichnis am Ende des Bandes er-schließt die bisher erschienenen Veröffentlichungen und regt dazu an, sich mit den unterschiedlichen Aspekten der Vor- und Früh-geschichte des Zollernalbkreises vertieft zu befassen. Der Führer ist für die interessierte Öffentlichkeit gedacht, um um-fassend über die archäologischen Denkmäler zu informieren. Er richtet sich sowohl an ein Laien- als auch an ein Fachpublikum.

Bibliographische Daten: Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland: Zollernalb-kreis. Herausgegeben vom Zollernalbkreis in Verbindung mit dem Nordwestdeutschen Verband für Altertumsforschung e.V. u.a., Stuttgart: Theiss Verlag 2003, Zollernalb-Profile Reihe B, Bd. 2, 238 Seiten, zahlr. meist farbige Abbildungen (ISBN 3 8062 1763 7) . Der Band kostet 19,90 Euro und kann in den Buchhandlungen erworben werden.

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OTTO BOGENSCHÜTZ

Das Hohenzollerische Anwenderecht (Fortsetzung)

Nachtrag zum 1. Teil in Nr. 1/2004: Auf Seite 10 wurde der Text zu Anmerkung 8 versehentlich weggelassen. Dieser lautet: Vermes-sungsamt Balingen, Dienststelle Hecbingen, Amtliche Unterla-gen von der Landesvermessung von 1859-1863.

Der Inhalt des Rädlesrechts Nur beim Pflügen, aber nicht beim Eggen, durfte das linke Zugtier und das linke Rad des Pflugwagens die seitlich angrenzende strei-fenförmige Ackerparzelle bei der Bildung der letzten Furchen beim Pflügen bis zur seitlichen Grenze der schmalen Ackerparzellen be-treten. Weil eine Egge breiter als das Gespann war, galt dieses Be-tretrecht beim Eggen nicht. Das württembergische Gesetz über Feldwege, Trepp- und Über-fahrtsrechte von 1862 hob das Rädlesrecht auf. Die Landwirte waren bei der Ziehung der Grenzfurchen gezwungen, anstatt von einem Gespann nur noch den Pflug von einem Zugtier ziehen zu lassen, sofern kein Einverständnis mit dem Nachbar bestand.

Tatsächlicher Grund für die Einführung des Anwenderechts Durch Aufteilung der im Durchschnitt einen Jauchert großen (33 ar) Äcker im Mittelalter in mehrere kleinere Einheiten, entstanden schmale Ackerparzellen, auf denen mit dem Gespann wegen feh-lender Breite nicht gewendet werden konnte. Deshalb wurde das Anwenderecht nur in bestimmen Gemarkungen vom jeweiligen Dorfgericht eingeführt. In Gebieten mit breiten Ackerparzellen (doppelte Gespannlänge) war die Einführung des Anwenderechts nicht erforderlich.

Quellen des Anwenderechts in den verschiedenen Dorfordnungen Im württembergischen Landesteil sind in mehreren Dorfordnun-gen die Grenzen der Belastungen der Anwandacker beim Pflügen und Eggen beschrieben.2 In den beiden ehemaligen hohenzolleri-schen Fürstentümern Hechingen und Sigmaringen wurde das An-wenderecht in den Landesordnungen nicht behandelt. Dafür kann man Hinweise in der Feldpolizeiverordnung von 18453, in den Auf-teilungsverträgen, den Kontraktbüchern oder in Gerichtsurteilen aus dem 19. Jahrhundert über dieses Recht finden.

Streitobjekte über dieses Recht Solange die früheren Grundstücke als Acker vom Eigentümer be-wirtschaftete wurden, gab es selten Streit über die generelle Aus-übung des Wenderechts durch den Nachbarn. Über das » W i e « und durch die Art z.B. bei nassem Wetter) war aber öfter Streit zwi-schen den Eigentümern der beiden angrenzenden Grundstücke. Er wurde jedoch vom Dorfgericht geschlichtet.

Wurde aber beim Anwandacker die landwirtschaftliche Nutzung in eine Baumwiese geändert, sah es schon anders aus. Anstatt über ein zuvor abgeerntetes Stoppelfeld muss der Anstößer über eine Wiese mit Obstbäume fahren. Das örtliche Herkommen verlangte einen Mindestabstand der Obstbäume von der Grenze von min-destens 6 Fuss (1,72 m) , welches durch mehrere Urteile bestätigt wurde. Auch durfte der Besitzer der Baumwiese auf der Grenze einen Zaun ziehen.

Das Aufsetzen des Pfluges auf fremden Grund Eine eingebürgerte Unart, das Aufsetzen des Pfluges auf fremden Grund beim Beginn der Ziehung einer Furche, wurde fast in allen Dorfordnungen behandelt.

Es wurde verboten um Streit unter den Dorfbewohnern zu un-terbinden." Selbst die Hechinger Feldpolizeiordnung musste sich dieser Sache annehmen.5

Das württembergische Trepprecht nach Art. 234 - 242 württ. AGBGB Die Regierungen des früheren Königreiches Württemberg sahen in dem Flurzwang der Dreifelderwirtschaft und in den vielen unbe-ständigen Wegen ein Hindernis zur Entwicklung zum modernen Agrarstaat." Mit dem Erlass des Gesetzes über Feldwege, Trepp- und Überfahrtsrechte von 1862 wollte sie die Umwandlung der vielen unbeständigen Wege in ausgemarkte beständige Wirtschaftswege erzwingen.

Das bedeutete auch, dass auf den ausgemarkten Wirtschaftswegen mit dem Gespann beim Pflügen und Eggen gewendet werden musste. Auf Grund dieses Gesetzes durfte ein neues Trepprecht (Anwen-derecht) nur begründet werden, wenn das Oberamt zustimmte. Das Gesetz beinhaltete Regelungen zur Ablösung der Trepprechte. Die gesetzliche Normen des Trepprechts nach dem Gesetz von 1862 wurden in die Art. 234-242 des württ. Ausführungsgesetzes zum BGB übernommen. Seit dem 1.1.1975 können keine neuen derarti-gen Trepprechte mehr bestellt werden. Für die im Zeitraum beste-henden Rechte bleiben die bisherigen Vorschriften anwendbar.7

Das hohenzollerische Anwenderecht Im hohenzollerischen Landesteil von Baden-Württemberg gilt das gleiche Anwenderecht wie im benachbarten württembergischen Landesteil. Es beruht in der Mehrzahl auf örtlichem Herkommem (örtliches Gewohnheitsrecht). Es wurde nie in einem Landesgesetz beschrieben. Nur die Hechinger Feldpolizeiordnung und mehrere richtungsweisende Urteile des Amtsgerichts Hechingen aus dem letzten Jahrhundert zeigen die Existenz des Anwenderechts in be-stimmten Gebieten in Hohenzollern auf.

Wiedereinführung des Rädlesrechts durch § 11 des Gesetzes über das Nachbarrecht In § 11 dieses Gesetzes ist ein Grenzabstand von 50 cm von toten Einfriedungen gegenüber Gründstücken einzuhalten, die land-wirtschaftlich genutzt werden. Diese Vorschrift stellt ordnungs-gemäße und ungehinderte Bewirtschaftung der landwirtschaftlich genutzten Flächen sicher. Dieser Abstand ermöglicht den Land-wirten mit einem Ein- oder Zweischarpflug die Grenzfurche zu einem eingezäunten Grundstück zu ziehen, praktisch eine begren-zte Wiedereinführung des Anwenderechts.

Heutige Einschränkung des Anwenderechts a. im Baurecht In mehreren Urteilen wurde entschieden, dass das Anwenderecht sich dem Baurecht unterordnet. Eine Grenzgarage darf auf die Grenze eines Baugrundstück, welches durch Aufteilung eines ehe-maligen Anwandacker entstand, erstellt werden. Wird später das Baugebiet in Richtung Gewand erweitert, würde bei Berücksichti-gung des Anwenderechts zwischen der Garage und der Grenze ein ungenutzter Bereich entstehen.

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b. im nicht bereinigten Ackerfeld Die Dreifelderwirtschaft als landwirtschaftliche Bewirtschaftungs-methode hat ausgedient. Sie ist in Württemberg 1862 formal abge-schafft worden. In einem Ackerland, welches nie flurbereinigt wurde, wird das Wenderecht auf den Anwandäcker nur noch be-nötigt, wenn der Acker eine geringere Breite als die einfache Ge-spannlänge hat. Weil es aber keine Gespanne mit Kühen und Pfer-den mehr gibt, die Äcker aber weiterhin bis zur Grenze bewirt-schaftet werden müssen, dürfen auch Zugmaschinen auf dem Nachbargrundstück wenden. Bei einer sehr breiten Bewirtschaf-tungseinheit im Ackerfeld kann von dem jeweiligen Bewirtschafter erwartet werden, dass er auf der eigenen Fläche beim Pflügen und Eggen wendet.

Zusammenfassung Das Anwenderecht hat spätestens in einigen Jahren vollständig an Bedeutung verloren. Die Weltwirtschaft zwingt unsere Landwirte zur großräumigen Bewirtschaftung unseres Ackerlandes. Auch im Altsiedeiland entstanden in den letzten Jahren landwirtschaftliche Bewirtschaftungseinheiten, die aus einer Vielzahl von Ackerparzel-len gebildet wurden. Jeder Landwirt solcher Bewirtschaftungsein-heiten kann mit seinem Ackergerät auf dem Grundstück wenden. Er braucht dazu nicht die an den Kopfflächen der Gewanne hegen-den »Anwandäcker«. Die Existenz des Anwenderrechts war bis in die Neuzeit berechtigt, es hat seine Funktion in der Landwirtschaft voll erfüllt.

1 Anmerkung 5, Art. 39: Wer einen Acker längs einer Wiese oder eines anderen angebauten

Grundstücks besitzt, darf beim Pflügen weder selbst auf dieses

Grundstück treten, noch daselbe durch das Spannvieh betreten oder

deri Pflug daraufgehen lassen. Der in einzelnen Gegenden bestehende

gegenseitige Gebrauch (Rädlesrecbt) ist aufgehoben.

2 Friedrich Winterlin beschrieb in drei Bänden über die württembergi-schen Ländliche Rechtsquellen Gemeindeordnungen aus dem ganzen Landesteil.

3 Hechinger Feldpolizeiverordnung vom 22. März 1845, § 42: »Wer auf

dem Feld zu tun hat, soll aufden Furchen oder Anwänden nachgehen

und fahren, wenn andere öffentliche Wege nicht vorhanden sind».

4 Anmerkung 5, Art. 38: In dem Trepprecht ist die Befugnis des Berech-

tigten zum Ansetzen des Pfluges auf dem fremden Grundstück nicht

enthalten. Die in einzelnen Gegenden bestehende abweichende

Übung ist aufgehoben.

5 Hechinger Feldpolizeiverordnung vom 22. März 1845, § 49: » Verbot des

Aufsetzen des Pfluges auf dem Nachbargrundstück«.

6 Carl Christoph Knaus, Der Flurzwang in seinen Folgen und Wirkungen, Stuttgart 1843. Beschreibt sehr negativ die Auswirkungen des Flur-zwanges, einschließlich den Überfahrts- und Trepprechten auf die Land-wirtschaft. Er empfahl die Regulierung des landwirtschaftlichen Besitzes.

7 Baden-Wiirttembergisches Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetz-buch (Ba. Wü. AGBGB) vom 26. November 1974, GBl. S. 498, § 50: Über-

fahrts- und Trepprechte Für Überfahrts- und Trepprechte, die im

württembergischen Rechtsgebiet auf Grund des Art. 234. des würt-

tembergischen Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch vor

Inkrafttreten dieses Gesetzes bestellt worden sind bleiben die bis-

herigen Bestimmungen mit Ausnahme des Art. 235Abs.2,Art. 239Abs.

3 undArt. 242Abs. 1 weiterhin anwendbar.

8 Baden-Württembergisches Gesetz über das Nachbarrecht vom 14. De-zember 1959 (GBl. S. 171, § 11: Mit toten Einfriedigungen ist gegen-

überi Grundstücken, die landwirtschaftlich genutzt werden, ein

Grenzabstand von 0,50 m einzuhalten.

9 N V w Z - R R 1990, S. 62-63

WILLY BEYER

Michael Lehmann - ein katholischer Rebell Zum 100. Todestag des Publizisten, Schriftstellers und Komponisten (Fortsetzung)

III. Katholische Bürgergesellschaft/Hohenzollern wird Zentrumshochburg Das »Casino« unterhält im katholischen Sinne In die Zeit des Kulturkampfs fällt auch die Gründung des »Katholi-schen Casinos« am 26. Juli 1874 in Hechingen, dem sich gleich 100 Mitglieder anschlossen. Michael Lehmann gehörte zu den Grün-dungsmitgliedern. In den Statuten ist über den Zweck des Vereins nachzulesen: »Literarische und gesellige Unterhaltung im katholis-chen Sinne«. Bedingung für die Mitglieder war, die katholische Ge-sinnung offen zu zeigen. Gesellschaftslokal des »Casinos« war der Gasthof Löwen in der Unterstadt, dort, wo sich heute die gleichnamige Apotheke befindet. Im Garten oder im Saal des Hotels fanden die größeren Veranstaltungen statt. Später war auch der Gasthof Krone im Eckhaus Marktplatz/Schloßstraße in der Oberstadt Vereinslokal.

Gasthof Krone. Ehemaliges Vereinsbkaides Katholischen Kasi-nos. Das Bild stammt aus der Zeit um 1900 und wurde von Dr. medi Axel Riester, Hechingen, zur Verfügung gestellt.

Dazu noch mal Roman Sauter: »Als die gesellschaftliche Stellung der Zentrumsanhänger in der Stadt immer unangenehmer wurde und die Reibereien mit den zahlreichen blinden Anbetern der großen politischen Erfolge der Regierung sich mehrten, wurde zur Grün-dung einer Bürgergesellschaft, des katholischen Casinos, geschrit-ten, wo man unter Gleichgesinnten Unterhaltung pflegen, seine Gedanken austauschen und in besonderen Fällen auch Anweisung geben konnte zu wirksamem gemeinschaftlichem Vorgehen bei Wahlbetätigungen etc.« Und weiter: »Dass hier Michael Lehmann als erster auf dem Posten war und es an Belehren und Ermahnen nie fehlen ließ, ist ganz natürlich, das Casino war seine Domäne, ent-sprach ganz seinem Tatendrang.« Bei Festen und Familienabenden im »Casino« unterhielt Lehmann Mitglieder und Gäste auch gerne mit Musik und Kunstgesang. Noch im Alter soll er hier mit der Ju-gend »sangesfroh in Darbietungen ernster und heiterer Art auf musikalischem Gebiet wettgeeifert haben«. Jungen Priestern habe er hier in späten Jahren gerne von den sturmbewegten Jahren des Kul-turkampfes erzählt.

Keine Obrigkeitshörigkeit in Hohenzollern/Gewaltloser Widerstand Neuere Untersuchungen mit Methoden der Mentalitätsforschung und Psychohistorie wollen in Hohenzollern einen Mentalitätswan-

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del erkennen, der von anfänglich aufmüpfiger Ablehnung zur Obrigkeitstreue gegenüber Preußen führte. Zu einer braven preu-ßischen Untertänigkeit, wie dies beispielsweise sehr treffend in Heinrich Manns Roman »Der Untertan« beschrieben wird, in dem ein autoritätshöriger Spießer in der wilhelminischen Zeit auf seine Art Karriere macht: Nach oben buckeln und nach unten treten. Michael Lehmann und die vielen anderen Opfer des Kulturkampfs passen allerdings nicht so einfach in diese Schublade.

Besonders die katholischen Zeitungen, ihre Redakteure und Au-toren, die katholischen Buchhandlungen und viele Priester waren in Hohenzollern von den Sanktionen betroffen. Dazu gehörten viele Restriktionen und Verbote, Suspendierungen und Versetzungen von zentrumsnahen Lehrern und die Absetzung Geistlicher als Religions-lehrer. Dem Verleger der »Hohenzollern'sehen Volkszeitung« in Sig-maringen, Peter Liehner, entzog die Regierung ab 1874 den Druck ihres Amtsblattes. Mehrere Geldstrafen wurden gegen ihn verhängt, beispielsweise über 60 Mark, weil er in Nummer 149 vom 2. Okto-ber 1875 die »Segnungen« des Liberalismus aufgezählt hatte: die verschiedenen Kulturkampfgesetze, gerichtliche Verfolgung der Geistlichen, Aufhebung der Klöster, verkehrte Anschauungen auf volkswirtschaftlichem Gebiet. Nach dem »Jesuitengesetz« (4.7. 1872) mussten die Jesuiten (Sigmaringen) im selben Jahr das Land verlassen. Die Franziskaner (Stetten bei Hechingen) und Benedik-tiner (Abtei Beuron) mussten 1875 wegen des von Bismarck er-lassenen Gesetzes (31.5.1875) über die Aufhebung aller Orden und ordensähnlichen Kongregationen (außer den krankenpflegenden) Hohenzollern verlassen. Noch manch andere Gesetze während des Kulturkampfes, der Bismarcks persönhehes Werk war, machten den Zentrumsanhängern und dem Klerus das Leben schwer. Der Kul-turkampf ergriff ganz Preußen und einige Nachbarstaaten. Eine Oase des Friedens blieb dabei Württemberg, das die umkämpfte preußische Exklave Hohenzollern umschloss.

In den beiden katholischen Buchhandlungen Hohenzollerns, in Sig-maringen und Hechingen, wurde wiederholt nach »staatsgefähr-lichen Schriften« gefahndet. Derartig erklärte Publikationen wurden beschlagnahmt. Hier war auch wieder Michael Lehmann betroffen, in dessen Buchhandlung christlich-katholische Schriften und Devo-tionalien wie Heiligenbilder erhältlich waren. Anzunehmen ist, dass sich der Laden in Lehmanns Haus befand, dort, wo auch die Druck-erei und die Redaktion des »Zol ler « war.

Beispielhaft für viele Einzelschicksale sei hier noch der Benefiziat Dr. theol. Johannes Evangelista Maier genannt, der als geistlicher Professor am Sigmaringer Gymnasium infolge einer Verurteilung wegen Verstoßes gegen den »Kanzelparagraphen« suspendiert und schließlich aus dem Staatsdienst entlassen wurde. Auf der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz musste er 1875 vier Wochen Festungshaft absitzen. Das Reichsgesetz vom 10. Dezember 1871, der sogenannte Kanzelparagraph, leitete den Kulturkampf der Bismarckregierung gegen den Klerikalismus ein. Er war eine Art »Maulkorberlass«, damit sich die Geistlichen nicht von der Kanzel aus gegen die fol-genden Kulturkampfgesetze wehren konnten. Der gemaßregelte Benefiziat Maier siegte allerdings ein Jahr nach seiner Festungshaft über den höchsten Justizbeamten des Landes (August Evelt) und wurde, wie auch der Gammertinger Hirschwirt Schmid, Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses. Bei den Reichstagswahlen 1877 gewann Maier ebenfalls das Mandat des Wahlkreises Hohenzollern.

Dem Kulturkampf hat Hohenzollern durch passiven Widerstand er-folgreich entgegen gewirkt. Klerus und Medien erreichten durch

Aufklärung und Agitation eine Abwendung vom Liberalismus. Oder anders ausgedrückt: Durch Wahlbeeinflussung für das Zentrum. Je-denfalls hat sich das Land im Kulturkampf zu einer Hochburg des politischen Katholizismus entwickelt. Ab 1876 schickte Hohen-zollern nur noch Zentrumsabgeordnete nach Berlin.

Das »Magazin für Pädagogik« schrieb 1903 in einem Nachruf über Michael Lehmann, dass die vielen Gefängnis- und Geldstrafen seine katholische Überzeugung und Treue zum »Zentrum« nicht erschüt-tern konnten. Er habe »ganz wesentheh dazu mitgewirkt, dass die hohenzollerischen Lande für das Zentrum erobert wurden, und wenn von den heißen Kämpfen jener Kulturkampfjahre die Rede sein wird, wird sein Name ehrenvoll genannt werden«.

Das Hechinger Gefängnis. Als dieses Ende des 19• Jhs. eröffnet wurde,

soll Michael Lehmann der erste Insasse gewesen sein. Foto: Willy Beyer.

Das Zupfen am Rock kostet einen Kronentaler Abschließend noch einmal eine Anekdote nach Roman Sauter, der Lehmann als »anregende[n] Gesellschafter... voll Geist und Urwüch-sigkeit« bezeichnet und berichtet: »Lehmann war Großdeutscher, den Ausschluß Oesterreichs aus dem Verband der deutschen Staaten kon-nte er nie verschmerzen und die großen Waffenerfolge des neuen Deutschlands unter Preußens Führung vermochten ihn nicht so zu begeistern, daß er alles Vergangene vergessen und rücksichtslos zu-jubeln konnte, wie es so viele taten. Er war stets ein aufrechter Mann, der das Mäntelchen nicht nach jedem Wind drehte. So gab es an den Gesellschaftsabenden, wo stets viel in Politik gemacht wurde, auch mal Kollisionen. Ein Fall, unwichtig an und für sich und klein-städtisch, trotzdem aber bezeichnend für die Verhältnisse des tägli-chen Lebens, ist folgender: Im Abendverein, einer geselligen Vereini-gung der besseren Bürger bei Konrad Sträßle, war rege Unterhaltung. Das Preußische Militär mit seinen heldenhaften Führern im deutsch-französischen Krieg wurde himmelhoch erhoben, so daß Lehmann mit alleiniger Unterstützung durch den alten Ochsenwirt [Wilhelm] Seitz - ein anerkannter 48er Heckerverehrer - sich zur Aeußerung veranlasst sah, man könnte bald meinen, daß nur noch der Wehr-stand Geltung habe im neuen Reich und dass der Nähr- und der Lehr-stand gar keine Bedeutung mehr hätten und doch seien diese Stände die Grundlage des Ganzen und der Wehrstand komme erst in zweiter Reihe in Betracht zum Schutze der andern, verdiene also doch eine solche Bevorzugung nicht, das sei Ueberhebung und Hochmut. Im weiteren Verfolg der Unterhaltung hat nun der auch anwesende Bezirksfeldwebel Bechtold gesagt: ,Ich trage dasselbe Portepee, wie Seine Majestät und mein Kleid ist ein Ehrenkleid, ich trage den Rock des Königs.' Da zupfte Lehmann ihn etwas energisch am Aermel, sagte: ,Herr Feldwebel, das Kleid zahlen wir, ihren Rock zahle ich' und fuhr ihm mit der Schnupftabaksdose etwas unsanft an der Nase vorbei. Das war ein Kapitalverbrechen in jener Zeit und musste g'

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JU Das Haus von Michael Lehmann in der Firststraße in Hechingen.

Foto: Willy Beyer.

ndet werden. Es hat Lehmann einen Kronen taler gekostet, gleich 2 fl. 42, ca. 5 Mark nach unserer heutigen Währung.«

Während der Zeit des Kulturkampfs, der gegen Ende der 1870-er Jahre abflaute, war Lehmann auch schriftstellerisch aktiv. In die-ser Zeit vor und unmittelbar nach seinem 50. Lebensjahr (1872

bis Ende 1879) schrieb der Publizist und »Zoller«-Chefredakteur 22 Erzählungen. Das literarische Werk wird gesondert im näch-sten Teil behandelt.

Quellennachweise für Teil II und III: - Wetzel johann Nepomuk: Der Kulturkampf und seine Folgen,

in: Wetzel, Hrsg, Geschichte der katholischen Kirche in Schwa-ben-Hohenzollem, Teil II, Bühl 1931, S. 385-407

- Zekorn, Andreas: Kultur in Hohenzollern, in: Kallenberg, Fritz, Hrsg., Hohenzollern, Stuttgart 1996, S. 360-409

- Sauter, Roman: Michael Lehmann / Der erste »Zoller«-Redak-teur, Hechingen, »Zoller« vom 5. Feb. 1927

- Hohenzollerische Heimatbücherei Hechingen: Bestände Ub 171, T300

- Dokumente aus dem Archiv im Pfarrbüro von St. fakobus, Hechingen

- Bumiller, Casimir: Die 48er Revolution in Hohenzollern men-talgeschichtlich betrachtet, in: Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte, 1999, Seiten: 93-100

- Kallenberg, Fritz: Die Sonderentwicklung Hohenzollerns, in: Kallenberg, Fritz, Hrsg., Hohenzollern, Stuttgart 1996, Seiten: 129-282

-Becker, Otto H: Hohenzollern, Preußische Exklave in Süd-deutschland, in: Vom Fels zum Meer, Tübingen 2002, Seiten: 91-104

-Nekrolog, in: Magazin für Pädagogik, Rottenburg/Spaichingen, Nr. 15 (1903)

- Der Zoller, Nr 18,25,108,120 (1873), Nr. 25, 78,82,83,85,86, 87 (1874), Nr. 20 (1903), Nr. 29 (1927)

- Hohenzollemsche Blätter, Nr. 185, 192 (1872), Nr. 24, 40, 57 (1873), Nr 70, 119, 159 (1874), Nr. 50 (1875), Nr. 14, 89 (1877)

(Fortsetzungfolgt)

JOSEF SCHNEIDER

Der Gruoler Kunstmaler August Pfister und wieder freigelegte Wandmalereien in Offenburg-Windschläg

Die Werke des Kunstmalers August Pfister aus Gruol (1877-1931) sind noch nicht vergessen. Mehrfach ist er im hohenzollerischen Raum und auch in Baden zu neuen Ehren gelangt. So unlängst bei der Kirchenrenovation in Offenburg-Windschläg, wo der Künstler schon vor dem Ersten Weltkrieg die Pfarrkirche St. Pankratius mit seinen biblischen Malereien geschmückt hat. Obwohl diese 1970 nochmals ganz zugepinselt wurden, kamen bei der jüngsten Renovation der Kirche die Bilder wieder zum Vorschein. Auf ausdrücklichen Wunsch der Gemeindemitglieder wurden die Bilder - 1 0 Werke - wieder frei-gelegt. Sie folgte damit dem lobenswerten Beispiel der Pfarrgemein-de Mühlenbach, die das Bild Pfisters von »Mariä Krönung« als Altar-bild besitzt, ferner Maria Zell, Stetten bei Haigerloch und Trillfingen.

Pfister der ein Meister der Porträtmalerei war, hatte bei der Ausma-lung der Kirche in Windschläg den damaligen Pfarrer und einige Frauen der Gemeinde porträtiert.

Bei den Werken Pfisters handelt es sich um kirchliche Monumental-malerei. Die Bilder in Windschläg stellen vorwiegend biblische Sze-nen aus dem Leben Jesus, der Gottesmutter und der Heiligen Fami-lie dar. Insgesamt sind es Bilder voller Bewegung, und sakraler Schönheit. Pfister der in seinem reichen Künstlerleben über 54 Kir-chen und Kapellen in Baden und Hohenzollern ausgemalt hat, stand dem Realismus nahe und war vom Jugend- und Nazarenerstil beein-flusst.

Im Alter von erst 54 Jahren nahm ihm der Tod den Pinsel aus der Hand. In seine letzten Jahre war auch die Ausmalung der Kirchen in Stein und Heiligenzimmern gefallen.

Seine künstlerischen Fähigkeiten hat sich August Pfister in der Lehre bei Kirchenmaler Lorch Sigmaringen und beim Kunststudium in München an der Kunstakademie und Kunstgewerbeschule erworben. Sein berufliches Wirken fiel in einen Wendepunkt der christlichen Kunst: Neuromanik und Neugotik, das Stilempfinden der Mitte des 19. Jahrhunderts, wurde vom Drängen nach vorwärts abgelöst. Viele seiner Werke sind allerdings verloren gegangen bzw. übertüncht worden. August Pfister fand seine ewige Ruhe im unteren Friedhofsteil in der Heimat. Sein Grab ist jedoch längst eingeebnet.

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Büchbesprechungen

Karl Angele: Aufgeklaubt. Schwäbische Geschichten In 16 kurzen Kapiteln gibt der im Ruhestand lebende Pfarrer Karl Angele in schwäbischer Mundart Alltagsgeschichten kund, die zum Schmunzeln anregen. Er erinnert sich im Buch »Aufgeklaubt« an lustige Begebenheiten aus der Kindheit, an heitere Episoden und allzu MenschÜches. Er amüsiert sieh über manche (nicht nur) schwäbische Eigenart, sinniert und spintisiert (zum Beispiel darü-ber, welche Vorteile es hätte, »wenn mir Schwoba wieder an Keenig hättet«) glossiert, kommentiert und kommt unter anderem zur Einsicht: »Jeder sott halt seine Glotzbebbel weit aufmacha, damit er selber sieht, was alles so lauft«.

Das Buch hat 120 Seiten, ist im Silberburg-Verlag, Tübingen, er-schienen (ISBN 3-87407-570-2) und kostet 11,90 Euro. (ba )

Anna Haag: Leben und gelebt werden Mit Geschichten, Lebenserinnerungen und Romanen hat Anna Haag rund vier Jahrzehnte lang in die Öffentlichkeit hineingewirkt, und auch über ihr reiches Leben als Weltbürgerin und Schriftstellerin, Politikerin und Pazifistin sind Bücher geschrieben worden. Nun hat ihr Sohn Rudolf eine Biographie der einstigen Stuttgarter Land-tagsabgeordneten herausgegeben, basierend auf Lebenserinnerun-gen Anna Haags, Tagebucheintragungen und anderen Schriften. Der Titel »Leben und gelebt werden« gibt treffend wieder, wie menschli-ches Dasein und Schicksal abhängig ist von gesellschaftlichen und politischen Vorgängen und Zwängen, wie aber auch Lebenswille,

kreativer Geist und Kämpfermut es vermögen, Widrigkeiten zu trot-zen, Schweres zu überwinden und Beachtliches zu erreichen: im persönlichen wie im öffentlichen Bereich. Das Buch ist spannend bis zur letzten Zeile und ein tiefe Einblicke gebendes Zeitdokument.

Das 400-seitige Werk mit seinen 53 Abbildungen (ISBN 3-87407-562-1) ist im Silberburg-Verlag in Tübingen erschienen und kostet 15,90 Euro, (ba )

Renitenz und Genie - Unruhen und Widerstände Man spricht vorn »Geniewinkel Meßkirch« und denkt an Persön-lichkeiten wie Martin Heidegger, Johann Baptist Roder oder Con-rad Gröber. Meßkirch war aber auch vom Vormärz bis in die wil-helminische Zeit hinein ein Unruheherd und Widerstandsnest. Hier Zusammenhängen und Ursachen nachzuspüren, war Sinn eines Symposions im Oktober 2001 in Meßkiroh.

Die damals gehaltenen Referate wurden überarbeitet und flössen nun in den Sammelband »Renitenz und Genie - Meßkirch und der badische Seekreis zwischen 1848/49 und dem Kulturkampf« ein, herausgegeben vom Sigmaringer Kreisarchivar Dr. Edwin Ernst Weber im Auftrag des Landkreises Sigmaringen und der Gesell-schaft Oberschwaben für Geschichte und Kultur.

Von verschiedenen Seiten beleuchtet der Pforzheimer Stadtarchivar Dr. Hans-Peter Becht Renitenz, Protest und Opposition in Baden zwischen Vormärz und Reichsgründung, hinweisend auf sozial-kon-fessionelles Konfliktpotential, auf Strukturunterschiede und Stadt-Land-Gefälle, um letztendlich zu bilanzieren, dass im Hinblick auf of-fene Fragen noch weiterer regionaler Forschungsbedarf besteht - vor allem was die Weiterentwicklung bis ins Dritte Reich hinein betrifft.

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Der Historiker Dr. Gert Zang skizziert die Kämpfe um die wirt-schaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung in der Kon-stanzer Region zur Zeit zwischen 1830 und 1905, in der zwar Neue-rungen entstanden, aber keine fundamentalen Denk-Genies hervor-gebracht wurden.

Die liberale Bewegung zwischen Revolution und Erstem Weltkrieg in Stockach und Umgebung beobachtete Historiker Dr. Fredy Meyer. Im Unterschied zu Meßkirch blieben in Stockach die kirchlichen Ver-hältnisse während des Kulturkampfs vor allem dank des ausgleichen-den Verhaltens des Ortsgeistlichen Nikodemus Diez bemerkenswert ruhig.

»Meßkirch ist bis in die neueste Zeit herein bekannt geworden durch seinen politisch wie religiös unsicheren Charakter«.

Dieses Zitat des Abraham a Sancta Clara-Biographen Karl Bertsche machte Dr. Edwin Ernst Weber zum Thema seines Beitrags im Blick auf Meßkirch zwischen der Revolution 1848/49 und dem Kul-turkampf. Er machte Meßkirch in jener Zeit als »Schauplatz der Übersteigerung« voller hasserfüllter politischer Auseinandersetzun-gen aus, geschürt auch durch verletztende persönliche Angriffe und einen unseligen Zeitungskrieg.

Der Meßkircher Kulturwissenschaftler Dr. Armin Heim beleuchtete Leben und Wirken Johann Baptist Roders (1814 bis 1890), eines liberalen Provinzfürsten, der mit der Simmentaler Rasse der Vieh-zucht in der gesamten Region Auftrieb verlieh und auch sonst für wirtschaftlichen Aufschwung und Wohlstand sorgte, der aber gleich-zeitig durch politischen Konfrontationskurs und altkatholische Bekenntnishaltung viel Schärfe in das gesellschaftliche Gegeneinan-der brachte.

Welche »Blüten« solche Schärfe treiben kann, wird deutlich am Bei-trag des Journalisten und Historikers Markus Vonberg, der den has-serfüllten Meßkircher »Zeitungskrieg« zwischen dem »Oberbadi-schen Grenzboten« (liberal) und dem »Heuberger Volksblatt« (zen-trumsnah, katholisch) beschreibt.

Wie zwei Meßkircher Geistesgrößen, der spätere Freiburger Erzbi-schof Conrad Gröber und der Philosoph Martin Heidegger, den Kul-turkampf in ihrer Heimatstadt erlebt und verinnerlicht haben, ver-deutlicht der Freiburger Historiker Professor Dr. Hugo Ott.

Schließlich beinhaltet das Buch noch einen hintergründig-amüsan-ten Beitrag des Raster Schriftstellers Dr. Arnold Stadler mit sehr per-sönlich gehaltenen Erfahrungen und Eindrücken zum Stichwort Renitenz.

Das Buch »Renitenz und Genie«, 226 Seiten, erschienen in der UVK-Verlagsgesellschaft, Konstanz, ist zum Preis von 19,90 Euro erhältlich (ISBN 3-89669-761-7) (ba )

Neuauflage Sigmaringen - Ein historischer Führer Die unerwartet starke Nachfrage gleich nach dem Erscheinen der Neuauflage des historischen Stadtführers »Sigmaringen« Ende 2003 zeigte, wie groß das Interesse an einem handlichen Nach-schlagewerk ist, wenn es zudem wie dieser 247-seitige Band (ISBN 3-00-012180-3) pointiert und doch gehaltvoll sowie mit aus-

sagekräftigen Bildern erhellende Ein blicke in Geschichte und Ent-wicklung der Stadt zu geben vermag. Was Dr. Maren Kuhn-Rehfus 1989 mit der (seit Jahren vergriffenen) Erstauflage begonnen hatte, wurde nun von ihrem Mann Dr. Werner Kuhn (Herausgeber) weitergeführt, an einigen Stellen dank neuer Erkenntnisse ergänzt und aktualisiert. Das von Dr. Maren Kuhn-Rehfus geschriebene Hauptkapitel zur Geschichte der Stadt haben Dr. Werner Kuhn und Dr. Andreas Zekorn neu bearbeitet. Die sich auf den nächsten 137 Seiten anschließenden Kurzkapitel mit Erklärungen und Fotos zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Stadt und Stadtteilen waren möglich Dank der Mitarbeit von Dr. Otto Becker, Peter Kempf, Dr. Wilfried Schöntag und Walther Paape. Auch Erkenntnisse des ver-storbenen Sigmaringer Ehrenbürgers Dr. Rudolf Eisele flössen in den historischen Führer ein. Er ist zum Preis von 12,80 Euro in den Sigmaringer Buchhandlungen sowie im städtischen Touristen-Büro erhältlich. (ba )

Manfred Eichhorn: Die Zukunft war schön Zahlreiche Bücher, Sketche, Theaterstücke, Gedichte und Balladen hat der Ulmer Autor Manfred Eichhorn geschrieben und damit vie-len Lesern, Hörern und Zuschauern Stunden der Besinnung und Freude geschenkt. Ein besonderer Erfolg wurden seine Kindheits-erinnerungen »Hennadäpper«. Daran hat er jetzt angeknüpft. In 30 Kurzgeschichten entführt er im neuesten Werk »Die Zukunft war schön« abermals in seine schwäbische Kindheit, wobei im Band »Hennadäpper« bekannt gewordene Weggefährten wie die Wächter Hedwig, die einen Regenwurm schluckte, oder die »Apostel«, eine Clique von Zechkumpanen, aber auch andere Lausbuben, Mädels und Originale aus der Nachbarschaft ins Blickfeld gerückt werden. Der Autor erzählt hebevoll, mit viel Humor und oft hintergründig »philosophierend« Episoden aus den Fünfziger- und Sechziger Jah-ren, vom Erwachsenwerden in einer Zeit, in der es noch Gasmarken gab und die Familienbadewanne im Keller stand. Er schaute genau hinein in die Welt der Heranreifenden und der Erwachsenen sowie auf das, was sich im großen, weiten Erdenrund tat, um zum Schluss zu kommen, dass die Welt zwar hin und wieder ein Irrgarten sein mochte, dass es aber schön und spannend war, sich darin zu orien-tieren und auf Zukunft-Spurensuche zu begeben.

Das 156-seitige Buch (ISBN: 3-87407-561-3 ist im Silberburg-Ver-lag, Tübingen, erschienen und für 14,90 Euro zu erwerben, (ba )

EDWIN ERNST WEBER

Dr. Herbert Burkarth wurde Ehrenbürger seiner Heimatstadt Gammertingen

Zu seinem 80. Geburtstag wurde der Arzt und Heimatforscher Dr. Herbert Burkarth von seiner Heimatstadt Gammertingen mit der Ehrenbürgerwürde ausgezeichnet. Bürgermeister Holger Jerg wür-digte bei der Übergabe der hohen Auszeichnung am 14. Februar 2004 vor zahlreichen Gästen im Schlosssaal des Gammertinger Rathauses die hohen Verdienste des Jubilars zunächst als aufopfe-rungsvoll tätiger Haus- und Landarzt und sodann als Historiograph des mittleren Laucherttals. Der Verfasser dieses Beitrags stellte in einer Laudatio den Werdegang und die beruflichen und ehren-amtlichen Leistungen des neuen Gammertinger Ehrenbürgers vor.

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Herbert Burkarth entstammt einem alteingesessenen Gammer-tinger Geschlecht, dessen Spuren sich in der Stadtgeschichte bis zum 30jährigen Krieg zurückverfolgen lassen. Die Vorfahren sind über viele Generationen hinweg Zimmerleute, ehe mit dem Groß-vater des Jubilars, dem preußischen Medizinalrat Dr. Joseph Bur-karth, der familiäre Berufswechsel zur Medizin erfolgt. Der Arzt-beruf vererbt sich auf dessen Sohn Dr. Erwin Burkarth und sodann auch auf den Enkel Herbert, der am 13. Februar 1924 als ältestes von schließlich vier Geschwistern in Veringenstadt geboren wurde. Die schulische Ausbildung absolvierte Herbert Burkarth an der Gammertinger Volksschule, am damals Staatlichen Gymnasium in Sigmaringen und zwischenzeitlich am Jesuiten-Kolleg St. Blasien. Sein von Kriegsdienst und Gefangenschaft unterbrochenes Medi-zinstudium schließt der Jubilar 1952 mit Staatsexamen und Pro-motion ab. Nach verschiedenen Assistenzarztstellen tritt der junge Mediziner 1955 in der Heimatstadt Gammertingen in die Praxis des Vaters ein.

Als Arzt für Allgemeinmedizin und Hausarzt betreut Dr. Herbert Burkarth in den folgenden dreieinhalb Jahrzehnten den gesamten Gammertinger Raum die nächsten Kollegen sitzen damals in Trochtelfingen und Veringenstadt. Zur Haus- und Landarzt-Tätig-keit kommt 1963 die Betreuung des damaligen Kreisaltersheims und 1965 sodann noch des Heilerziehungsheims Mariaberg als weitere anspruchsvolle und zeitaufwendige Aufgabe hinzu. Hinter der beruflichen Inanspruchnahme muss auch die Familie - seine Frau Elfriede geb. Volm aus Owingen, mit der er 1954 die Ehe eingegangen war, und seine drei zwischen 1955 und 1963 gebore-nen Kinder - nicht selten zurücktreten.

Erholung und Ausgleich findet der Landarzt in seinem Interesse und seiner Beschäftigung mit der Vergangenheit, vor allem mit der Geschichte seiner eigenen Heimat. In gewissem Sinne hat er seine historische Ader wohl vererbt bekommen, waren doch bereits Großvater und Vater an der regionalen und hohenzollerischen Ge-schichte interessiert und gehörten dem 1867 gegründeten »Verein für Geschichte und Altertumskunde in Hohenzollern« an. Es war deshalb wohl auch ein Stück weit zwangsläufig 1 wenn der Jubilar 1955, mit seiner Rückkehr nach Gammertingen, dem damaligen »Verein für Geschichte, Kultur und Landeskunde Hohenzollerns« beitrat und 1968 in den Vorstand des jetzt so genannten Hohenzol-lerischen Geschichtsvereins aufgenommen wurde. Bereits 1970 übernahm Burkarth die Schriftleitung der damals in einer Krise steckenden »Hohenzollerischen Heimat« und blieb sodann dieser arbeitsintensiven Aufgabe im Dienste der regionalen, populären Geschichts-Vermittlung über mehr als 30 Jahre hinweg treu - bis zu seiner erst kürzlich erfolgten Weitergabe der Schriitleitung im Alter von 78 Jahren. Seit 1964 meldet sich der geschichtsinteressierte Arzt dann mit eigenen Forschungsbeiträgen zu Wort - zumeist in der »Hohenzol-lerischen Heimat«, daneben in der »Zeitschrift für Hohenzolleri-sche Geschichte« und auch in der Lokalzeitung. Mehr als 60 Bei-träge kann Herbert Burkarth mittlerweile vorweisen, von der kleinen Heimatblätter-Studie bis zur umfassenden Buchdarstel-lung. Im Mittelpunkt seiner Forschungen stehen seine Heimatstadt Gammertingen und das mittlere Laucherttal, zu deren wichtigstem Historiographen sich Burkarth über vier Jahrzehnte hinweg mitt-lerweile entwickelt hat. Die Bandbreite der untersuchten Themen reicht von den keltischen Viereckschanzen über die alten Volks-trachten auf der Alb bis zur Burgengeschichte des Raums, bio-

grafischen, kirchen-, orts- und kunstgeschichtlichen Studien. Mit zwei wichtigen Werken hat Herbert Burkarth über den Bereich der Heimatgeschichte hinaus auch in der wissenschaftlichen Historio-graphie Aufmerksamkeit und Anerkennung gefunden: Seiner 1983 in erster Auflage erschienenen grundlegenden Studie zur »Ge-schichte der Herrschaft Gammertingen-Hettingen«, die die Ent-wicklung des mittleren Laucherttals von der Frühgeschichte bis in das 19. Jahrhundert umspannt; und sodann seiner Darstellung der bis dahin nur wenig erforschten Geschichte des Klosters Mariaberg in einer 1991 herausgegebenen Jubiläumsschrift der Mariaberger Heime.

Nicht nur für den Hohenzollerischen Geschichtsverein, auch für den Sigmaringer Kreisarchivar war und ist Herbert Burkarth der selbst-verständlicher Experte für den Gammertinger Kreisteil. Sei es im 1995 zum Kriegsende vor 50 Jahren erschienenen Sammelband »Von der Diktatur zur Besatzung«, im 1998 zur Erinnerung an die Revolution von 1848/49 herausgegebenen Band »Für die Sache der Freiheit, des Volkes und der Republik« oder im derzeit für die Veröf-fentlichung vorbereiteten Klosterbuch zum nordwestlichen Ober-schwaben - stets wurden von ihm zuverlässig und pünktlich die er-betenen Lokalstudien zu Gammertingen, dem Mittleren Laucherttal oder Mariaberg geliefert. Als 2001 bundesweit erstmals ein »Tag der Archive« veranstaltet wurde und sich Staatsarchiv, Kreisarchiv und verschiedene Kommunalarchive im Landkreis Sigmaringen zu einem Kooperationsprojekt zusammenfanden, stellte der auch jetzt wieder vom Kreisarchivar angegangene Herbert Burkarth eine in-formative kleine Archivalienausstellung mit Zimelien aus dem Gam-mertinger Stadtarchiv zusammen, die in der Folge auf Bitten des Bürgermeisters zur viel beachteten und ansprechend inszenierten Ausstellung »900 Jahre und mehr - Blick in die Historie Gammer-tingens« zur 900-Jahr-Feier der urkundlichen Ersterwähnung des Ortes 2001 erweitert und ausgebaut wurde.

Herbert Burkarth ist ein Grenzgänger zwischen Heimatforschung und wissenschaftlicher Historiographie. Völlig fremd ist ihm das bei Heimatforschern nicht ganz selten begegnende Revierdenken, das den einmal besetzten lokalen Forschungs-Claim ganz für sich allein sichern und daraus alle konkurrierenden Forscher um jeden Preis fernhalten will. Unser Jubilar zeigt demgegenüber eine wache Auf-geschlossenheit für Anregungen und Impulse von anderen und von außen. Neben seinem profunden ortsgeschichtlichen Wissen leistet Herbert Burkarth vor allem durch seine Kenntnis des historischen Kontextes und des landesgeschichtlichen Forschungsstandes, seine Quellenstudien in den Archiven von Sigmaringen, Stuttgart, Karls-ruhe und Regensburg und nicht zuletzt seine Beherrschung von fachlicher Methodik und Belegführung den Brückenschlag zur wis-senschaftlichen Geschichtsschreibung.

Die verschiedenen Auszeichnungen, die er in den letzten Jahren er-fahren hat, offenbaren, dass die Menschen die Talente und Leistun-gen dieses Mannes zu schätzen wissen: Am Anfang stand 1992 die Ehrenmitgliedschaft im Hohenzollerischen Geschichtsverein, 1994 folgte die Verleihung des Silbernen Ehrenschildes der Stadt Gam-mertingen und 2001 sodann noch die Auszeichnung mit der Hei-matmedaille des Landes Baden-Württemberg. Die Ernennung zum Ehrenbürger seiner Heimatstadt, der er als Arzt, Geschichtsforscher und Mensch in so reichem Maß und in selbstloser Weise gedient hat, ist der wohl schönste Dank für sein Wirken.

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Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsverein Karlstraße 3, 72488 Sigmaringen

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PVSt, DPAG, »Entgelt bezahlt«

Bürgermeister Holger Jerg (rechts) ernennt Dr Herbert Burkarth zum Ehrenbürger der Stadt Gammertingen Foto: Hildegard Butscher

HOHENZOLLERISCHER HEIMAI

herausgegeben vom Hohenzollerischen Geschichtsverein, Postfach 1638, 72486 Sigmaringen ISSN 0018-3253 Erscheint vierteljährlich.

Die Zeitschrift »Hohenzol ler ische Heimat« ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will be-sonders die Bevölkerung im alten Land Hohen-zollern und den angrenzenden Landesteilen mit der Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene Beiträge.

Bezugspreis: Für Mitglieder des Hohenzollerischen Ge-schichtsvereins ist der Bezugspreis im Beitrag enthalten. Bezugspreis für Nichtmitglieder € 7 , - . Abonnements und Einzelnummern kön-nen beim Hohenzollerischen Geschichtsverein (s. o . ) bestellt werden.

Die Autoren dieser Nummer

GerdBantle

Hedinger Straße 5, 72488 Sigmaringen

Dr Otto H. Becker

Hedinger Straße 17, 72488 Sigmaringen

Willy Beyer

Kaußausstraße 5 , 72379 Hechingen

Otto Bogenschütz

Silberburgstraße 4, 72379 Hechingen

Corinna Knobbch

Burgstraße 6, 72488 Sigmanngen

Ferdinand Pfannstiel

Birkenweg 1, 72818 Trochtelßngen

Josef Schneider

Heiligkreuzstraße 16.

72401 Haigerloch-Gruol

Dr Edwin Ernst Weber

Leopoldstraße 4, 72488 Sigmaringen

Dr. Andreas Zekom

Landratsamt Balingen, Hirschbergstraße 29,

72334 Balingen

Gesamtherstellung.•

Druckerei Acker GmbH, Mittelberg 6, 72501 Gammertingen Telefon ( 0 7 5 7 4 ) 9301-0 , F a x 9 3 0 1 - 3 0 [email protected] www.druckerei-acker.de

Schriftleitung:

Robert Frank Fliederstraße,8, 72401 Haigerloch-Weildorf Tel.: 07474/2161

Die mit Namen versehenen Artikel geben die persönliche Meinung der Verfasser wieder; diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge ver-antwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung sind als solche gekennzeichnet.

Manuskripte und Besprechungsexemplare wer-den an die Adresse des Schriftleiters erbeten,

Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzol ler ische Heimat« weiterzuempfehlen.

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Hohenzollerische Heimat Herausgegeben vom ^ ^ H Hohenzollerischen Geschichtsverein

54. Jahrgang Nr. 3 - September 2004 E 3828

Abb. 1: Heiligenberger Wappenscheibe des Wilhelm Werner von 'Zimmern, Herrn zu Wildenstein, Hüttengläser, Schwarzlot, Silbergelb, 39 x32 cm. Text der

Fußleiste: Wilhelm Werner Freierherr zu Zimbern, Herr zu Wildenstain, 1529. Bildnachweis: Schloss Heiligenberg, hrsg vonE. W. GrafzuLynar (Text) und

K. Gramer (Photos), Verlag Schnell, u. Steiner München/Zürich 198§> S. 12

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HERBERT RÄDLE

Zwei bunte Wappenscheiben von 1529 in Heiligenberg

Mit dem Bildersturm der Calvinisten hatte sich die Auftragssituation zumal der süddeutschen Glasmalerwerkstätten grundlegend geän-dert. An ein Ausschmücken der Kirchen mit bunten Glasfenstern war im reformierten Süddeutschland und in der Schweiz nicht mehr zu denken, seitdem »die christlichen Tempel von Götzenbildern gerei-nigt« worden waren.

Im profanen Bereich hingegen erwuchsen den Glasmalerwerkstätten - die bekannteste in unserem Raum war die Werkstatt des Hans Git-schmann von Ropstein in Freiburg i. Br. - neue Aufgaben durch das in Handwerk und Handel wohlhabend gewordene städtische Bürgertum ebenso wie durch den macht- und repräsentationsbewußten Adel. In diesen Kreisen wurde es damals üblich, durch gegenseitige Schen-kungen sogenannter Wappen- oder Kabinettscheiben zu demonst-rieren, wie weit die eigenen Verbindungen reichten, mit welchen an-gesehenen Familien, Fürsten, Städten oder Klöstern man in freund-schaftlichen oder politischen Beziehungen stand.

Und so entfaltete sich zumal in den Rathäusern aufstrebender Städte und auf süddeutschen Adelssitzen seit dem ersten Viertel des 16. Jh. die Farbenpracht bunter Glasscheiben. Die beeindruckendsten Bei-spiele im süddeutschen Raum sind dafür die mit Wappenscheiben ge-schmückten Rathaussäle von Endingen am Kaiserstuhl und Pfullen-dorf. Im Rittersaal des Schlosses Heiligenberg sind sodann nicht we-niger als 20 Fenster mit insgesamt 40 sogenannten Kabinettscheiben geschmückt, von denen ein Teil aus dem Meßkircher Rathaus stammt.

Stifter von Wappenscheiben konnten ebenso Einzelpersonen sein wie auch Institutionen, etwa Klöster oder Städte. Wir haben erwähnt, daß auch das Meßkircher Rathaus einst mit Wappenscheiben ausgestattet war, von denen zumindest eine noch auf Schloß Heiligenberg erhal-ten ist. Wir stellen sie in Abb. 1 vor. Die Entwürfe für diese Glas-gemälde, die sog. Scheibenrisse, stammten teilweise von namhaften Künstlern, so etwa dem Meister von Meßkirch (1 ) .

Zum Begriff der Wappen- oder Kabinettscheibe gehört ihr relativ klei-nes Format von ca. 30 x 40 cm, und zum Charakter der Schenkung bzw. Stiftung seitens einer Persönlichkeit oder Institution gehört es, daß die Scheibe als wesentlichen Teil das entsprechende Wappen (2 ) und eine Stifterinschrift trägt.

Im Folgenden stellen wir zwei der beeindruckendsten Wappenschei-ben auf Schloß Heiligenberg in Text und Abbildung vor, nämlich die Scheibe des Freiherrn Wilhelm Werner von Zimmern auf Wildenstein (Abb. 1) und die Scheibe des Grafen Friedrich von Fürstenberg (Abb. 2), welche beide im gleichen Jahr 1529 entstanden sind (3 ) .

Der Rahmen der Scheibe wird, wie man sieht, in beiden Fällen von zwei seitlichen Renaissancesäulen und einem Oberbild gebildet, wel-ches typische Szenen aus dem Leben eines damaligen zeitgenössi-schen Adeligen zeigt. Im Falle von Abb. 1 ( = Scheibe des Freiherrn von Zimmern) handelt es sich um ein Jagdmotiv, im Falle von Abb. 2 ( = Scheibe des Grafen von Fürstenberg) um den Zweikampf zweier Reiterführer. Auf der Fußleiste der Scheiben erscheint in beiden Fäl-len die Stifterinschrift und die Jahreszahl 1529-

Das Hauptfeld beider Wappenscheiben wird wie üblich vom Wappen und den Wappenhaltern eingenommen. Im Fall der Fürstenberger Scheibe handelt es sich um einen Landsknecht, einen sogenannten »Wilden Mann«, als Wappenhalter, bei der Meßkircher um zwei Tiere, einen Löwen und einen Greifen.

Der Wappenschild der Meßkircher Scheibe ist geviert, und es sind -symmetrisch angeordnet - zwei Wappenhelme und zwei Helmzieren (in Gestalt von Hirschköpfen) vorhanden, wohingegen beim Wappen des Fürstenbergers die Helmzier aus einem einzigen, weißen, runden Federbusch besteht.

Die Vier-Teilung des Schildes scheint zur Entstehungszeit unserer Scheiben eine Neuerung gewesen zu sein. Der Stifter Wilhelm Werner von Zimmern war nämlich, wie man in der Zimmernschen Chronik-liest, »mit seinen Brüdern 'gegen die Auffassung seines Vaters und seines Neffen übereingekommen, im Wappen die vier Löwen quar-tiert zu führen«, obwohl, wie der Verfasser der Chronik einwendet, »sich in deutscher Nation nichts Schädlicheres hat begeben kön-nen, als daß die quartierten Wappen aufgekommen«. Und wenn schon, so meint er, »dann wäre es (im Falle der Zimmernschen Löwen) glücklicher gewesen, sie hätten einander nachgesehen, als daß sie also gegeneinander kratzen und grimmen« (Zimmernsche Chronik Bd. 3, S. 216).

Zum Schluß noch eine biographische Bemerkung zu dem Stifter un-serer Scheibe! Wilhelm Werner von Zimmern (ca. 1485- 1575) wur-de als jüngster von vier Söhnen des Freiherrn Johann Werner von Zimmern in Meßkirch geboren. Er betrieb in Tübingen und Freiburg juristische und philosophische Studien und wurde in Freiburg mehr-fach zum Rektor gewählt. 1529, im Jahr der Stiftung unserer Scheibe, wurde er von Kaiser Karl V. zum Beisitzer am Reichskammergericht in Speyer berufen.

Wilhelm Werner von Zimmern verfaßte mehrere Werke genealogi-schen Inhalts, die er mit eigenen Federzeichnungen, namentlich Wap-pen, dekorierte. Zu seinen Schriften gehört auch ein in der mittelal-terlichen Tradition der Totentänze stehendes Erbauungsbuch (4) .

Bemerkenswert ist aber vor allem, daß es sich bei ihm um einen Bru-derjenes Gottfried Werner von Zimmern handelt, der in den Jahren 1535 - 1540 die Meßkircher Stiftskirche St. Martin durch den Mei-ster von Meßkirch mit Flügelaltären ausstatten ließ (5) .

( 1 ) Vgl. etwa C. Grimm, Die Fürstenbergsammlungen Donau-eschingen, München 1990, S. 70f. 0ohannes d. T.) und S. 72 (Wappenscheibe des Klosters Wald und des Klosters Salem im Rathaussaal Pfullendorf). In beiden Fällen scheint der Meister von Meßkirch den Scheibenriß geliefert zu haben.

(2 ) Heraldisch ist zum Wappen allgemein zu sagen, daß es tradi-tionell vier Bestandteile enthält, nämlich erstens den Wap-penschild (lat. scutum, vgl. span. escudo = Schild, Wappen), sodann zweitens die (oft aus stilisierten Akanthusblättern be-stehende) Wappendecke, ferner drittens den Wappenhelm und viertens die sogenannte Helmzier. Seit dem späten Mit-telalter wird es darüberhinaus üblich, das Wappen von Wap-penhaltern, seien dies Menschen oder Tiere, präsentieren zu lassen.

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Mitteilungen aus dem Hohenzollerischen Geschichtsverein

Veranstaltungen im 4. Quartal 2004

I. Exkursion Auf den Spuren des Bildhauers JosefHenselmann am Samstag, 9- Oktober, unter der Leitung von Herrn Hans Joa-chim Dopfer, Schatzmeister des Geschichtsvereins und Betreuer des Kunstmuseums Laiz.

Prof. Josef Henselmann, 1898 in Sigmaringen-Laiz geboren und 1987 in München gestorben, hat der Nachwelt viele bedeutsame Werke hinterlassen. Erinnert sei an den Passauer Altar, den Augs-burger Altar, aber auch an Werke in unserer näheren Umgebung. Es sind alles Zeichen seiner unermüdlichen Schaffenskraft und seines Könnens. Mit der Exkursion möchten wir an diesen großen Künstler, der unserer schwäbischen Heimat entstammte, erinnern. Abfahrt: Hechingen um 9-00 Uhr (Obertorplatz) Ankunft: Sigmaringen um 10.00 Uhr (Marstallpassage) Treffpunkt: Sigmaringen um 10.05 am Vierjahreszeiten-

brunnen

Weiterfahrt: Sigmaringen um ca. 10.30 Uhr (Marstallpassage) Rückkehr: Sigmaringen um ca. 17.00 Uhr (Marstallpassage)

Hechingen um ca. 18.00 Uhr (Obertorplatz) Fahrpreis pro Person: 16 Euro Anmeldungen nimmt das Sekretariat des Hohenzollerischen Geschichtsvereins, Karlstraße 3, 72488 Sigmaringen (Tel. 07571/101-580 oder 559) entgegen.

II. Vorträge Dr. Frank Raberg, Neresheim Ein Reingeschmeckter schafft das moderne Hohenzollern. Zum 100. Todestag des Gründers des Hohenzollerischen Landeskommunalverbandes August Evelt Montag, 13- Dezember, um 20.00 im Alten Schloss

in Hechingen Dienstag, 14. Dezember, um 20.00 im Prinzenbau

(Staatsarchiv) in Sigmaringen

gez. Dr. Otto Becker Vorsitzender

Nachträge zu Heft 2/2004 Auf Seite 29 wurde beim Farbbild die Legende weggelassen. Diese lautet: »Rechtes Seitenschiff der Kirche Offenburg-Windschläg. Wandmalerei von August Pftster aus dem Jahre 1914. Unten links ist Jesus als Zwölfjähriger im Tempel zu sehen, den die Eltern nach einer Wallfahrt lange suchten. Bis 1970 stand unter diesem Bild der »fosefaltar«, heute ist dort der Taufstein platziert.«

Auf Seite 23 ist die Literatur zu ergänzen: Ch. Unz, Die spätbronze-zeitliche Keramik in Südwestdeutschland, in der Schweiz und in Ost-frankreich. Prähistorische Zeitschrift 48,1973,1 ff.

Berichtigung zu Heft 2/2004 Auf Seite 21 Abb. 3 muss die Bildunterschrift heißen: »Waagrechte Tupfenleisten« und nicht »Rupfenleisten«.

(3 ) Als Entstehungsort der Scheiben ist Freiburg i. Br. anzuneh-men, wo, wie oben angedeutet, Hans Gitschmann von Rop-stein in der ersten Hälfte des 16. Jh. eine große Glasmaler-werkstatt unterhielt.

(4 ) Die biographischen Ausführungen zu Wilhelm Werner von Zimmern sind entnommen dem Ausstellungskatalog »Die Renaissance im deutschen Südwesten«, hrsg. vom Badischen Landesmuseum Karlsruhe, Karlsruhe 1986, Bd. 1, S. 273.

(5 ) Die meisten der zahlreichen, insgesamt über 70 Altarbilder des »Meisters von Meßkirch« in der spätgotischen Meßkir-

cher Stiftskirche St. Martin sind heute sozusagen in alle Winde zerstreut. Nur der Mittelteil des einstigen Hochaltars, die Dreikönigstafel, befindet sich noch an Ort und Stelle. Als die Kirche nämlich 1773 unter Fürst Johannes Wenzeslaus von Fürstenberg barock umgebaut wurde, entfernte man die acht Seitenaltäre völlig.

Ein großer Teil der Bilder wurde später im Kunsthandel ver-kauft und befindet sich heute in zahlreichen europäischen und amerikanischen Museen. Vgl. Claus Grimm, Die Für-stenbergsammlungen in Donaueschingen, München 1990, S. 230f.

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Abb. 2: Heiligenberger Wappenscheibe Friedrichs Graf zu Fürstenberg. Hüttengläser, rotes und. blaues Überfangglas mit Ausschliff, Schwarzlot, Silbergelb,

Eisenrot. 41 x 32 cm. Text der Fußleiste: Friedrich grave zu Fierstenperg, Lantgrave in Bare. Anno Domini 1529. Bildnachweis wie Abbildung 1, Seite 14

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OTTO H. BECKER

Der Nachtwächter in Oberschmeien

Das Staatsarchiv Sigmaringen betreut seit einigen Jahren auch die Ar-chive der von 1972 bis 1975 nach Sigmaringen eingemeindeten Ort-schaften. So wurden die Gemeindearchive Laiz und Gutenstein in das Depositum Stadtarchiv Sigmaringen (Dep. 1) übernommen und durch Findbücher erschlossen. 2003 konnte sodann die Inventarisie-rung des übernommenen Gemeindearchivs Oberschmeien zum Ab-schluss gebracht werden. Dabei wurden als Rarität auch Unterlagen über den Nachtwächter dieses Dorfes aus der Zeit von 1839 bis 1884 ermittelt.

Das schmale Aktenfaszikel weist zwei Dienstinstruktionen für den Nachtwächter zu Oberschmeien auf, eine des Fürstlich Fürstenbergi-schen Obervogteiamtes Jungnau vom 16. April 1839 und eine weitere des Königlich Preußischen Oberamtes Sigmaringen vom 24. Juli 1860. Die beiden Dokumente gewähren uns interessante Einblicke in die Tätigkeit eines Berufsstandes, der nahezu in Vergessenheit geraten ist.

Nach der älteren Instruktion erstreckte sich die Dienstzeit des Nacht-wächters in den Monaten November bis Februar jeweils von 9 Uhr abends bis 3 Uhr morgens und in den Monaten März bis Oktober je-weils von 10 Uhr abends bis 2 Uhr morgens. In seiner Dienstzeit hatte der Nachtwächter jede Stunde mit dem »gewöhnlichen Nacht-wächterruf« anzukündigen.

Aus Sicherheitsgründen hatte der Ruf jeweils an einer anderen Stelle zu erfolgen. Innerhalb jeder Stunde musste der Nachtwächter näm-lich alle Gassen und Straßen des Dorfes begehen. Dabei hatte er alle Häuser in Augenschein zu nehmen und bei Verdacht der Feuergefahr sofort den Hausbesitzer zu wecken. Für den Fall, dass akute Feuerge-fahr bestand, musste der Nachtwächter gem. § 77 der Feuerordnung vom 12. April 1808 alle Dorfbewohner wecken und dem Ortsvorste-her davon Meldung machen.

Sollten dem Nachtwächter bei seinem Gang durch den Ort fremde Personen begegnen, war der Ordnungshüter dazu verpflichtet, diese nach den Gründen ihres »Umherziehens« zu befragen. Konnten diese keine Heimatscheine oder Reisepässe vorweisen, musste der Nacht-wächter diese festhalten und dem Schultheißamt zur Verwahrung übergeben.

Für den Fall aber, dass der Nachwächter bei seinem Gang nach der Polizeistunde Einheimische antreffen sollte, war er dazu verpflichtet, diese nach Hause zu schicken und beim Schultheißenamt wegen »Nachtschwärmerei« anzuzeigen. Darüber war ein Protokoll aufzu-setzen, das dem Obervogteiamt zur weiteren Veranlassung zugestellt werden musste.

Sollten überdies nach der Polizeistunde Individuen auf Nebenwegen oder in der Nähe von Häusern und Wohnungen angetroffen werden und sich unlauterer Absichten verdächtig machen, war der Nacht-wächter angehalten, diese festzunehmen und dem Schultheißenamt zu übergeben.

Nach der Dienstanweisung von 1839 unterstand der Nachtwächter ausdrücklich der Aufsicht und der Kontrolle des Gendarmen und des Polizeidieners. Dienstversäumnisse des Nachtwächters sollten mit Geldstrafen, die an die Ortskasse abzuführen waren, bis hin zur Dienstentlassung geahndet werden.

Nach § 1 der knapper gefassten Dienstanweisung von 1860 war der Nachtwächter unmittelbar dem Bürgermeister zugeordnet und unter-stand der Kontrolle des Gendarmen und Polizeidieners. Die genaue Dienstzeit wird darin zwar nicht angegeben, doch hatte der Nacht-wächter in den Monaten Aprü bis September jeweils abends um 10 Uhr und 12 Uhr und morgens um 2 Uhr und in den Monaten Oktober bis März abends jeweils um 10 Uhr und 12 Uhr und morgens jeweils um 3 Uhr die Stunden anzukündigen.

In § 5 der Dienstinstruktion von 1860 lesen wir: »Der Nachtwächter hat nicht bloß gelegentlich des Stundenabrufens den Ort zu durchge-hen, sondern auch in der Zwischenzeit alle Straßen und Gassen zu be-sichtigen. Begibt er sich aber in der Zwischenzeit in seine Wohnung, so hat er daselbst zum Zeichen seiner Wachsamkeit Licht zu bren-nen«.

Das Tätigkeitsfeld des Nachtwächters wird in § 6 der Instruktion fol-gendermaßen umrissen: »Aufgabe und Pflicht des Nachtwächters ist es, jede Zuwiderhandlung gegen die öffentliche Sicherheit und Ord-nung zu verhindern und zur Anziege zu bringen, namentlich gegen die Feuerpolizeiordnung, als da sind: das Herumgehen in den Häusern, Scheunen und auf den Straßen mit bloßem Lichte, das Erwärmen der Ställe mit Kohlenfeuer, der Gebrauch von Fackeln im Orte, das Schießen und Raketenwerfen in demselben«.

Der Nachtwächter hatte überdies »Exzesse« jeglicher Art zu verhin-dern und zur Anzeige zu bringen. Insbesondere war ihm auferlegt, bei Feuergefahr die Hausbewohner zu wecken und dem Bürgermeister Anzeige davon zu machen. Zuwiderhandlungen des Nachtwächters waren nach der Instruktion mit Ordnungsstrafen und evtl. auch mit Entlassung zu bestrafen.

Das Aktenfaszikel enthält ferner Informationen über die Besoldung des Nachtwächters in Oberschmeien. So wurden 1840 die Jahresbe-züge des Nachtwächters Philipp Strehl von 34 Gulden auf 36 Gulden erhöht. 1849 erhielt der damalige Nachtwächter Matthias Sauter ei-nen Sold in Höhe von 37 Gulden 15 Kreuzer. In den Jahren von 1879 bis 1883 wird Hieronymus Steiner darin als Nachtwächter erwähnt. 1884 hatte sodann Fidel Moser das Nachtwächteramt in Ober-schmeien inne.

Nach 1884 werden sowohl in dem angegebenen Aktenfaszikel als auch in den Jahresrechnungen der Gemeinde Oberschmeien keine Nachtwächter mehr genannt. Dieser Berufsstand war vermutlich in-folge des verstärkten Ausbaus des Feuerlöschwesens und der Polizei durch Preußen in Hohenzollern entbehrlich geworden.

Quellennachweis: StA Sigmaringen Dep. 1T 30 Nr. 6a

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JOSEF SCHNEIDER

Vor 60 Jahren: Beginn des Luftkrieges auch in Hohenzollern

Die Konferenz der Alliierten in Casablanca vom 14. bis 24. Jan. 1943 brachte auch die Richtlinien für den uneingeschränken Luftkrieg ge-gen Deutschland hervor. Als dessen Ziel wurde vorgegeben, »diefort-schreitende Zerstörung und Desorganisation des deutschen mi-litärischen, industriellen und wirtschaftlichen Systems und die Untergrabung der Moral des deutschen Volkes bis zu einem Grade, wo seine Fähigkeit zum bewaffneten Widerstand entscheidend ge-schwächt ist.« In den Richtlinien folgte eine Auflistung der Zielge-biete im Innern des Deutschen Reiches, wobei die britische Luftwaffe in Nachtangriffen, die amerikanischen Luftstreitkräfte in » T a g e s p r ä -zisionsangriffen« auf strategische Ziele für immerwährende Luftge-fahr sorgen sollten. Ausgelöst wurde die Luftoffensive entsprechend diesem System bereits im Frühjahr 1943.

Im Herbst 1942, als schon die Luftangriffe auf das Reichsgebiet be-gonnen hatten, wandte sich - was im Krieg noch nie der Fall war -der englische Luftmarschall Harris, Verantwortlicher für die Luft-kriegsoffensive, mit einer Botschaft an das deutsche Volk. Er begrün-dete die Luftangriffe als Antwort auf die verbrecherische Luftkriegs-führung Hitlers auf englisches Hoheitsgebiet. Einbezogen waren die Tieffliegerangriffe auf die deutsche Zivilbevölkerung mit Bordwaffen-beschuss und Splitterbomben.

Vor 60 Jahren, im Spätsommer 1944, gab es in der Bevölkerung kei-nen Zweifel mehr darüber, dass die Schrecken des Krieges der »be-schützten Heimat« nicht erspart würden. Die Menschen zogen die Befürchtung aus der allgemeinen kritischen Kriegslage an allen Fron-ten, die sich bedrohlich der Reichsgrenze näherten. Schon längst hat-ten die Alliierten die Lufthoheit errungen, was schon offenkundig wur-de an den großen Bomberpulks, die unbeirrt ihre Ziele erreichten, und an den gefürchteten Jagdbombern, »fabos« genannt, die als Tief-flieger Angst und Schrecken bei der Zivübevölkerung auslösten. Ihre erklärten Ziele waren die Züge der Hohenzollerischen Landesbahn, mit der zu reisen ein gefährliches Risiko für Leib und Leben bedeutete.

Unterlagen über die einzelnen Angriffe auf die Landesbahn sind zufäl-lig erhalten gebheben. Dem Betriebstagebuch der Landesbahn-Be-triebswerkstätte Gammertingen, worin jeder Tag vom Werkstättenvor-steher eingetragen wurde, verdankt man die Daten dieser schweren Luftbedrohung.

In der Zeit vom 10. September 1944 bis 21. April 1945, dem Tag, an dem der Zugverkehr gänzlich zum Erliegen kam, fanden auf der Lan-desbahnstrecke zwischen Hanfertal und Haigerloch beziehungsweise Haltepunkt Trillfingen 42 Menschen durch Luftangriffe den Tod, 35 wurden schwer- oder leicht verwundet. Bei Jungnau kamen allein bei einem Angriff 27 Fahrgäste ums Leben. Zwischen Gauselfingen und Burladingen gab es bei einem Angriff neun Tote und zwölf Verwun-dete. Dazu kamen hohe Sachschäden an den Loks, Personen- und Gü-terwagen.

So schlugen Jagdbomber der Allnerten in unserem engeren Haigerlo-cher Raum erstmals am 28. September 1944 zu. Der Personenzug auf der Strecke zwischen Harter Wald und Stetten war ihr Ziel. Es gab drei Tote und viele Schwerverletzte. In zwei Anflügen, so berichteten Au-genzeugen, wurden der Zug und die flüchtenden Fahrgäste angegrif-fen. Beim dritten Anflug überzeugten sich die Piloten offensichtlich nur noch von ihrem Zerstörungswerk, behinderten dadurch jedoch stark die Betreuung und den Wegtransport der Schwerverletzten, die vom alarmierten Haigerlocher Arzt Dr. Rudolf Mock erste Hilfe er-hielten und danach in die Klinik verbracht wurden. Unterstützt wurde Dr. Mock von seiner Gattin Antonie, die ihre Schwester Anna Maria Albrecht (Jahrgang 1899) mit tödlichen Verletzungen antraf. Das zweite Todesopfer war das zweijährige Kind Petra Edele aus Owingen, das am 26. Oktober 1944 an den Folgen der Verwundungen starb. Verwundet wurde auch die Mutter Petra Edele und die Tante Frau Fi-scher aus Hechingen-Stetten. An den Unglücksort eilte auch der Pfar-rer von Stetten, Andreas Dieringer, um seelsorgerliche Betreuung zu übernehmen. Unter den Helfern befand sich auch der auf Heimatur-laub weilende Leutnant Heinrich Remark, der Sohn des späteren He-chinger Landrats. Tödlich getroffen wurde auch eine Frau aus Stutt-gart. Welche Schwerverletzten noch starben, ist nicht mehr zu rekon-struieren. Einige der Getroffenen hatten unter bleibenden Schäden zu leiden.

Die Angst nach diesem Erlebnis hatte sich kaum etwas gemindert, als nach knapp zehn Tagen ein erneuter Angriff auf die Bahn ein Todes-opfer forderte, den knapp sechzehnjährigen Thomas Fischer aus Weildorf. Er war im letzten Wagen gesessen. Dieser kam nicht mehr zwischen den beiden Felsen unweit der Talmühle Kessler zu stehen, wo sich der Zug vor den Jagdbombern sicher wähnte. Der Vater holte seinen jüngsten Sohn mit dem Fuhrwerk nach Hause. Thomas war zurückgestellt worden, nachdem bereits vier Brüder Soldat waren. Erhebliche Schäden hatten bei diesen Angriffen, die zumeist mit Bord-waffenbeschuss erfolgen, auch die Waggons und die Gebäude der Fa-milie Kessler von der Talmühle unterhalb Trillfingens.

Angegriffen wurden im Frühjahr 1945 auch die Bahnhöfe Haigerloch und Eyach, wobei keine Personen zu Schaden kamen, wie dies auch bei dem Angriff am 23. Februar 1945 der Fall war, als eine Bombe beim Missionshaus in Haigerloch fiel und in der Unterstadt erhebli-che Schäden hinterließ. So auch an der Unterstadtkirche, wo das Er-eignis in einem Fenster nachträglich in Erinnerung behalten wurde. Durch diese ständige Luftbedrohung trauten sich die Landwirte zur Felderbestellung im Frühjahr 1945 kaum mehr hinaus. Die lebensbe-drohliche Situation um jene Zeit veranlasste auch die Eltern, ihre Schüler nicht mehr ans Gymnasium in Hechingen zu schicken.

Die Angst, die in der Bevölkerung um Leben, Hab und Gut um jene Zeit herrschte, scheint auch in einem Brief durch, den der damalige Pfarrer von Gruol, Gustav Reiber, im Oktober 1944 an den Verfasser dieses Beitrages in den Kurlandkessel schrieb:» Wir hören schon die Kanonen aus dem Elsaß herüberdonnern und täglich sind feindli-che Flieger über, dem Dorf. Was wird noch werden?« Aus einer Ein-tragung im Standesamtsbuch Stetten ist ersichtlich, dass am 18. Juli 1944 im Distrikt Gabele ein amerikanischer Pilot bei einem Flug-zeugabsturz auf entsetzliche Weise ums Leben kam.

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FRANZ-SEVERIN GÄßLER

Die Vorgängerbauten des Sigmaringer Rathauses - Lage, Gestalt und Funktion

Teil 1: Das Rathaus des 15. Jahrhunderts

Dieses Frühjahr wurde in Sigmaringen die Rathauserweiterung abge-schlossen, und gleichzeitig sind genau 550 Jahre vergangen seit der erstmaligen urkundlichen Erwähnung des Sigmaringer Rathauses. Das damalige Rathaus ist längst verschwunden, ebenso wie die beiden bisher bekannten Nachfolgebauten aus dem 17. und aus dem 19. Jahrhundert. Das heutige Rathaus entstand nach den Plänen des Ar-chitekten Friedrich lmbery in zwei Bauabschnitten in den Jahren 1925 - 27'. Lage und Gestalt der jetzigen Sigmaringer Rathauserwei-terung sind, wie die zahlreichen Äußerungen aus der Bevölkerung in der Tagespresse widerspiegeln, äußerst umstritten. Die Auseinander-setzung mit der Rathauserweiterung unter städtebaulichen und archi-tektonischen Aspekten wird an anderer Stelle stattfinden. Hier soll aufgezeigt werden, welche Funktion und welche Gestalt die unterge-gangenen Rathäuser besaßen, wie sie im Stadtgefüge plaziert und wie sie im Stadtraum eingebunden waren, welche Merkmale sie als Rat-häuser erkennbar machten und von den bürgerlichen Bauten unter-schieden und wie das Zusammenspiel von Lage und Gestalt das je-weilige Rathaus zum repräsentativen und herausragenden Gebäude im Stadtgefüge machte.2

Lage und Gestalt 1454 schenkte Graf Johann zu Werdenberg Schultheiß, Rat und der ganzen Gemeinde »unsern Eig halbteil des Rathuses daselbs den wir erkouft und erbauen haben«; gleichzeitig verzichtete er für sich und seine Erben zu Gunsten der Stadt.' Aus zwei vermutlich annähernd gleichen Teilen bestand folglich damals das Rathaus, ohne daß sich erschließen lässt, welches der vom Grafen errichtete Teil war.4 Doch kann man den vom Grafen errichteten Bau zumindest zeitlich ein-grenzen, da der Werdenberger die Grafschaft Sigmaringen, die er ur-sprünglich als Pfand hatte und die erst 1459 in das Eigentum der Wer-denberger überging, nach dem Tode seines Vaters 1416 bis 1465 re-gierte.5 Aus zwei Teilen bestand vermutlich auch zwei Jahrhunderte später noch das Rathaus, denn aus den Bauverträgen von 1644 geht hervor, daß das alte und das neue Rathaus zusammen mit dem Schul-haus neu eingedeckt wurden.6 Ob das Rathaus aus dieser Zeit noch dieselbe Substanz besaß, wie dasjenige aus der Zeit des Grafen Jo-hann von Werdenberg, und ob sich die Unterscheidung zwischen Al-tem Rathaus und Neuem Rathaus noch auf die werdenbergische Zeit bezieht, ist nicht überliefert. Doch kennen wir, wenn wir der Überlie-ferung vertrauen, die genaue Lage des zu Anfang des 17. Jahrhunderts bestehenden Rathauses, da das 1657 erbaute Rathaus auf dem »Mau-erstock« des Vorgängerbaues errichtet wurde und seine Lage in den ersten bisher bekannten Stadtplänen Sigmaringens überliefert ist.7

Demnach stand das Rathaus mit hoher Wahrscheinlichkeit zumindest seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erstens immer auf der Südseite des wichtigsten Straßenzuges der Altstadt, der ehemals wohl einzigen Straße des Zwergstädtchens, zweitens auf derem Scheitel und drittens im Zentrum der nach Süden aufgeweiteten Straße, die Platz für den Markt bot (Abb. 1). Und wenn wir annehmen, daß die Länge des 1656 errichteten Rathauses mit demjenigen aus der Mitte des 15-Jahrhunderts übereinstimmt, so stand bereits das Rathaus der werdenbergischen Epoche nicht in einer Reihe mit den übrigen zurückgesetzten Häusern, sondern ragte weit in den Raum der

Straßenaufweitung vor, teilte diesen Raum in einen östlichen und westlichen Bereich, war ursprünglich wohl von den beiden Stadttoren aus sichtbar und öffnete sich als einziges Gebäude der Stadt mit drei Fassaden auf den öffentlichen Raum. Die bisher älteste bekannte Stadtansicht Sigmaringens, die auf einer Landtafel des ausgehenden 16. Jahrhunderts zu finden ist, zeigt den Blick auf Stadt, Schloß und Landschaft von Süden her (Abb. 3 ) 8 Gut erkennbar sind auf der linken Seite die Stadtpfarrkirche mit dem mächtigen Türm, in der Mitte die Burganlage mit ihrem differenzierten baulichen Gefüge sowie den beiden auf unterschiedlichem Niveau ge-legenen Burghöfen. Auf der rechten Seite sind Dach und Dachreiter des Mühltores und im Vordergrund die Stadtmauer zu sehen. Fast gleichförmig und vermutlich schematisch dargestellt ist die Dachland-schaft der Bürgerhäuser. Doch fällt auf, daß die Häuser, die im Bereich zwischen dem Chor der Stadtpfarrkirche und dem heutigen Wilhelms-bau des Schlosses stehen, in Schrägansicht und mit Giebel gezeigt wer-den und um einen Platz herum angeordnet erscheinen. Ein einziges Gebäude ragt aus dieser Gruppe hervor, ausgezeichnet durch Länge, Höhe und Dachreiter auf dem First. Schräggestellt und den Fachwerk-giebel zeigend steht es zwischen dem Mühltor im Osten und dem Kirchturm im Westen, unweit der Stadtmauer. Dieses Gebäude dürfte das Rathaus sein. Anordnung und Stellung der wichtigen Gebäude und Gebäudeteile dieser Stadtansicht entsprechen dem Blick vom Josefs-berg aus auf die Stadt und bilden die damaligen Gegebenheiten in we-sentlichen weitestgehend wirklichkeitsgetreu ab. Auch die scheinbar nahe Lage des Rathauses an der Stadtmauer dürfte ihre Ursache in der genau wiedergegebenen Topographie haben. Denn aufgrund der hochgelegenen Stadtmauer verkürzt sich der Blickwinkel hin zum Rat-haus und verschwinden die tiefergelegenen Häuser hinter ihr. Jeden-falls dürften dem Verfasser der Karte das Rathaus und der nördlich da-von liegende Platz wichtig gewesen sein, denn ein Blick auf das Ölbild aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, das ebenfalls den Blick auf die Stadt vom Josefsberg aus zeigt und in seiner Darstellung äußerst präzise ist, läßt weder den Boden des Marktes sichtbar werden, noch die herausragende Stellung des Rathauses. Mit der giebeltragenden Hauptfassade war das Rathaus gegen die Straße gestellt und gegen die Burg- und spätere Schloßanlage gerich-tet.' Den herausragendsten Ort der Stadt beherrschend, verkörperte das Rathaus folglich nicht nur das Zentrum des Straßenmarktes, son-dern auch weit ausgeprägter als in den beiden benachbarten Städten - Veringenstadt im Norden und Scheer im Osten - das städtebauliche Zentrum der Stadt.

Die Landtafel zeigt das Rathaus als langgestreckten Bau, mit einem Satteldach bedeckt, den südlichen Giebel als Fachwerkwand ausge-bildet und auf dem nördlichen Teil mit einem Dachreiter bestückt. Und die Abbildung stellt das Rathaus nicht nur als größten Baukörper inmitten der bürgerlichen Gebäude dar, sondern auch als das die übrigen Häuser überragende. Wie viel Geschosse es tatsächlich auf-wies, ist nicht überliefert und ebenso wenig, ob diese aus Fachwerk oder massiv hergestellt waren. Zumindest die Gebäudelänge, die drei dem öffentlichen Raum zugewandten Fassaden und der Dachreiter, möglicherweise aber auch die Gebäudehöhe unterschieden damals das Rathaus von den übrigen Gebäuden, machten es einzigartig und gaben ihm zeichenhafte Gestalt.

Funktion Der Einfluß des Grafen auf Stadt und Rathaus ist u.a. dokumentiert in der Rathaushälfte, die jener kaufte und erbauen ließ, wobei ungeklärt bleibt, welche Funktion dieser Rathausteil besaß und ob dort viel-leicht ursprünglich der herrschaftliche Vogt residierte. Wie das Rat-haus des 15. Jahrhunderts insgesamt räumlich gefügt war und wie es

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Abb. 1: Oben, Lageplan mit Höhenschichtlinien des Innenstadtbereiches von Sigmaringen, mit dem Josefsberg und der westlichen daran angrenzenden

Buchhalde im Süden, dem zur Donau hin steil abfallenden Burgberg im Norden, mit dem vermuteten ersten Befestigungsring des Zwergstädtchens auf

dem Sattel (gestrichelte Liniej, dem Mauerring, der wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstand und, die Stadterweiterung be-

grenzte, dem Hauptstraßenzug zwischen den beiden Toren im Westen und Osten der Stadt und dem Rathaus in der Mitte der Straßenaufweitung. Unten,

west-östliches Querprofil der Altstadt auf der Linie A - Rathaus -Bdes Lageplanes.

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genutzt wurde, ist unbekannt. Rückschlüsse auf die damalige Nutzung läßt allenfalls der bereits erwähnte Plan für den Rathausneubau von 1656 zu. Nach diesem Plan waren für das Obergeschoß Ratsstube, Laube, Küche und Gemeindestube vorgesehen, und im Erdgeschoß waren das Warenlager für den Markt und der Schafstall untergebracht. Auch das um 1500 errichtete dreigeschossige Rathaus des nördlich von Sigmaringen gelegenen Veringenstadt zeigte ähnliche Nutzungs-verteilung. Das Erdgeschoß bleibt den Waren vorbehalten, und in den oberen Geschossen sind Halle, Rats- und Amtsstuben zu finden.'0

Warenlager, Rats- und Amtsstuben weisen auf das besondere Recht der Stadt hin, das Recht der Selbstverwaltung, der Rechtsprechung und das Marktrecht, das es auf dem Land, für die Dorfbewohner, nicht gab. Nur in der Stadt konnten die Waren veräußert werden. Und in der Stadt or-ganisierte sich das Gemeinwesen. Nicht der Stadtherr, der Graf, ent-schied, aus welchen Personen sich der Rat und die Sechser zusam-mensetzten, wem die jeweiligen Ämter und Dienste übertragen wurden, wer im Prozeßfall richtete, sondern der Bürger bestimmte dies." Jedoch zählte zu den Bürgern nur der männliche Teil der Bevölkerung, der außerdem im Besitz des Bürgerrechtes sein mußte. Zudem er-folgte die Wahl von Rat, Sechser und Ämtern nicht direkt, sondern durch Zuwahl (Abb. 2). Festgelegt waren diese Regeln in der Stadtord-nung von 1460, die ein Jahr nach dem endgültigen Übergang von Stadt und Grafschaft an die Werdenberger gegeben wurde, und die über die Jahrhunderte hinweg bis 1806 im Kern dieselbe blieb. Ob der Dachreiter, der auf der Zeichnung zu sehen ist, bereits im 15. Jahrhundert vorhanden war, bleibt ungeklärt. Seine Aufgabe, die Glocke aufzunehmen, um mit dieser allgemein verbindliche Signale zu senden, dürfte dagegen nicht umstritten sein. Unbekannt bleibt je-doch, ob und ab wann er eine Uhr trug, um für Gäste und Bewohner der Stadt die Zeit einzuteilen und vorzugeben.

Ausgeprägter als in den benachbarten Städten Scheer im Osten und Veringenstadt und Hettingen im Norden war in Sigmaringen das Zu-sammenspiel von Funktion, Gestalt und Lage des Rathauses in Szene gesetzt und das Rathaus als bürgerliches und wirtschaftliches Zen-trum der Stadt wahrnehmbar. Dieses Zusammenspiel von Funktion, Gestalt und Lage beim Rathaus der werdenbergischen Epoche zeugt nicht nur von einer sinnstiftenden Ordnung, sondern von einer großen Klarheit im differenzierten Denken und logischen Handeln.

Vgl. hierzu Festschrift anläßlich der Einweihung des Rathauses zu Sig-maringen am 9- Januar 1927. Sigmaringen o.J. Zu Werk und Biographie des Architekten Friedrich lmbery vgl. Franz-Severin Gäßler, Das ehe-malige Kaufhaus Kleiner in Sigmaringen - innovatives und städtebaulich integriertes Werk des Architekten Friedrich lmbery. In: ZHG 2004. Die dreiteilige Abhandlung ist der schriftlich ausgearbeitete Teil eines Vortrags, den der Verfasser am 25. Februar 2002 beim Hohenzolleri-schen Geschichtsverein in Sigmaringen unter dem Thema »Architektur als Zeichen. Das Sigmaringer Rathaus - Werk Friedrich Imberys« hielt; eine Zusammenfassung des Vortrags erschien im Südkurier vom 16.3.2002, Nr. 64, S. 23.

Die Urkunde im StAS, Dep. 1, Bd 1, Nr. 11 ist abgedruckt bei Alexander Frick, Die Geschichte des alten Rathauses, 5. 27 f., in: Festschrift an-läßlich der Einweihung des Rathauses in Sigmaringen. Sigmaringen o.J., S. 2 7 - 3 6 . Maren Kuhn-Rehfus (Hg. ) l Sigmaringen. Ein historischer Führer. Sig-maringendorf 1989, schreibt in ihrem Artikel über das Sigmaringer Rathaus, S.114, daß Graf Johann »seine Hälfte an dem von ihm erbau-ten Rathaus der Stadt schenkte« und gibt damit den in der Urkunde dar-gelegten Sachverhalt unkorrekt wider. Auch in der 2003 erfolgten Neu-auflage des Stadtführers wird dieser Fehler übernommen und damit fälschlicherweise Graf Johann von Werdenberg als der Erbauer beider Hälften des Sigmaringer Rathauses bezeichnet.

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Zum Grafen Johann von Werdenberg, dessen Geburtsjahr unbekannt ist, vgl. Johann Nepomuk von Vanotti, Geschichte der Grafen von Mont-fort und von Werdenberg. O.0.1845, bes. S. 398 ff. A. Frick, wie Anm. 3,S. 28. Ebd. S. 30. Der Stadtplan von 1823 ist abgebildet bei Maren Kuhn-Reh-fus, Werner Kuhn, Sigmaringen in alten Ansichten. Sigmaringen 1995, S. 21 und in einer maßstabsgetreuen Umzeichnung bei Franz-Severin Gäßler, Carlsplatz und Carlsstraße in Sigmaringen. Stadterweiterungen in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Teil 2, Karte 4, S. 336 f., in: ZHG 29,1993,5.283 - 360; Vgl. auch StAS, Dep. 39, NVA 16788 »Plan über einen Theil der Stadt Sigmaringen« aus dem Jahr 1826. Auf diese Stadtansicht wies erstmals Margareta Bull-Reichenmiller in ihrem Aufsatz »Sigmaringen am Ende des 16. Jahrhunderts. Eine bisher unbekannte Ansicht der Stadt auf einer Landtafel des oberen Do-nautals«, in: Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte 13 (1977), S. 100 hin. Im benachbarten Veringenstadt beispielsweise steht bei ähnlicher Stadt-struktur das um 1500 erbaute, aus zwei massiven Stockwerken beste-hende dreigeschossige Rathaus mit der Rückseite zur Burganlage, und im wenige Kilometer östlich von Sigmaringen liegenden Scheer stand das 1472 errichtete und 1838 abgebrochene Rathaus an der Biegung der wichtigsten Straße, die vom Menger Tor zum Donautor führte, zwar am Markt, jedoch ohne jene prägnante Stellung wie in Sigmaringen und ohne Bezug zur Burganlage; zur Datierung des Scheerer Rathauses vgl. Walter Bleicher, Chronik der ehemaligen Residenzstadt Scheer/Donau, Horb am Neckar 1989, S. 70 und 136 und zu dessen Lage ebd. S. 130. Zum Rathaus in Veringenstadt vgl. Die Kunstdenkmäler Hohenzollerns, Band 11. Stuttgart 1948, 5. 398 ff. Zur Verwaltung und Verfassung der Stadt Sigmaringen im 14. und 15. Jahrhundert vgl. Elisabeth Maier, Die Stadt Sigmaringen unter württem-bergischer Herrschaft. Ihre Verwaltung und Verfassung mit besonderer Berücksichtigung des Stadtrechtes aus dem 14. Jahrhundert. Zulas-sungsarbeit zur wissenschaftl. Prüfung für das Lehramt am Gymnasium. Typoskript 1971; Andreas Zekorn, Zwischen Habsburg und Hohenzol-lern. Verfassungs- und Sozialgeschichte der Stadt Sigmaringen im 17. und 18. Jahrhundert. Diss. Univ. Tübingen 1989, Sigmaringen 1996, bes. S. 22 ff.

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Abb. 2: Wahlordnung, Stadtämter und. Verwaltungsgliederung der Stadt

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BIRGIT MRCHMAIER

Ein Leben in Extremen

Das KZ-Opfer Hermann Friedrich zwischen SPD, KPD und NSDAP

Im März 1944 gab es vor dem Amtsgerichtsgefängnis in Sigmaringen einen Menschenauflauf. Ein Häftling hatte sich in seiner Zelle ver-barrikadiert, hielt zum Zellenfenster heraus eine zweistündige flam-mende Rede und wetterte gegen NSDAP, Behörden und einzelne Par-teigrößen. Seine Rede brachte dem Häftling Hermann Friedrich die Verlegung ins Konzentrationslager ein, wo er im Januar 1945 umkam.

Das Staatsarchiv Sigmaringen verwahrt mit der Nachkriegsüberliefe-rung des Landesamts für Wiedergutmachung Tübingen, des Staats-kommissariats für politische Säuberung in Württemberg-Hohenzol-lern und des Versorgungsamts Rottweil Unterlagen, die es erlauben, das bewegte Leben von Hermann Friedrich nachzuzeichnen.

Hermann Friedrich wurde am 4. Mai 1891 in Esslingen als Sohn ei-nes stadtbekannten Sozialdemokraten geboren. Die Familie siedelte bald nach seiner Geburt nach Karlsruhe um. Dort erlernte er nach Ab-schluss der Schule das Metzgerhandwerk. Bereits 1908 trat Friedrich der SPD bei und arbeitete für die Partei in mehreren Städten sowie im Ausland. Seine Heirat fiel in die Zeit des Ersten Weltkrieges, während dessen er schwer verletzt wurde. Danach zog er zunächst nach Kons-tanz und dann ins preußische Sigmaringen um, wo er etwa als Amts-bote und Gemüsehändler arbeitete.

In den ersten Jahren der Weimarer Republik erscheint Friedrich des Öfteren in den Polizeiakten der preußischen Regierung, die ebenfalls im Staatsarchiv Sigmaringen überliefert sind: Im Januar 1919 wird er als Mitbegründer des SPD-Ortsvereins aufgeführt.

Schwer wiegender war eine Verurteilung als Rädelsführer, nachdem Demonstranten des Reichsbundes der Kriegsbeschädigten und ehe-maligen Kriegsteilnehmer am 1. Februar 1919 das Redaktionsge-bäude der Hohenzollerischen Volkszeitung demoliert hatten.

Die Zeitung galt als Organ der Zentrumspartei und bezeichnete in ei-nem Artikel den Reichsbund als eine Propagandaorganisation der SPD.

Das Urteil des Schwurgerichts Hechingen: ein Jahr Gefängnis wegen Landfriedensbruchs. Friedrich verbüßte aber nur einen Teil der Strafe, die bald ausgesetzt wurde.

Da ihm die SPD bald nicht mehr radikal genug war, trat Friedrich im August 1923 beim Antifaschistentag in Ludwigsburg zur KPD über. Schon zwei Monate später erhielt er eine Vorladung vor das Amtsge-richt Sigmaringen wegen Verbreitung verbotener kommunistischer Flugschriften im Fürstlich Hohenzollernschen Hüttenwerk Lauchert-hal. 1924 folgten weitere Anklagen wegen Beleidigung, Hausfriedens-bruchs und Ruhestörung.

Sie wurden aber nach öffentlichen Entschuldigungen Friedrichs zurückgezogen. In diesem Zusammenhang beschreibt der Hechinger Oberstaatsanwalt den Beklagten als psychisch krank. Auch Friedrich selbst bezeichnete sich als »nervenleidend« und leicht erregbar.

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Amtsgerichtsgefängnis Sigmaringen. Aus einem Zellenfenster hielt Frie-

drich im März 1944 eine Rede gegen die NSDAP, die sein weiteres Schick-

sal besiegeln sollte. Vorlage: StASDep. Walldorf.

Friedrich verließ Ende 1924 auch die KPD und legte sein Mandat als Abgeordneter des Hohenzollerischen Kommunallandtags ab, in den er 1922 als Vertreter der SPD gewählt worden war. Kurz darauf über-siedelte er nach Karlsruhe. Hier traf er 1927 auf eine neue politische Alternative: die NSDAP. Persönliche Unterredungen mit Hitler selbst überzeugten ihn so stark, dass er in die Partei eintrat. Der ehemalige Kommunist suchte dabei Anschluss an die Gruppierung um Gregor Strasser, deren Einsatz für die Arbeiter und für sozialistische Elemente ihn faszinierte. Seinen Wechsel von der KPD zur NSDAP rechtfertigte Friedrich in seiner Broschüre »Vom Sowjetstern zum Hakenkreuz«, in der er den linken Parteien Korruption und Verrat an den eigenen Genossen vorwarf. Er sah die NSDAP als »alleinige ehrliche Vertrete-rin der Interessen des arbeitenden Volkes«. In dieser Schrift näherte er sich auch der antisemitischen Ideologie der Partei an. Friedrich stieg zum Reichsredner der NSDAP auf und wurde vor allem in Indus-triegebieten eingesetzt.

Doch auch hier geriet er bald in Konflikt mit der Parteiführung, der er ebenso wie vorher den linken Parteien Korruption und Verrat der Arbeiterschaft vorwarf, und übte als Reichsredner offene Kritik. Der Konflikt mündete schließlich 1929 in seinem Austritt. Danach bekämpfte er die NSDAP und besonders einzelne Parteigrößen wie Gregor Strasser mit der Broschüre »Unter dem Hakenkreuz«.

Friedrich sah sich danach wie andere Abtrünnige der Feme der Par-tei verfallen. Nach anonymen Morddrohungen beschloss er, Deutsch-land zu verlassen und flüchtete nach Straßburg. Dort erkannte ihn ein Gericht als politischen Flüchtling an. Auch von Frankreich aus setzte er seine Kritik an der NS-Parteiführung fort.

Als Friedrich aber 1933 durch die Aussagen einiger deutschen Emi-granten in Spionage-Verdacht geriet, verließ er Straßburg und landete nach der Zwischenstation Brüssel in Saarbrücken, das mit dem 1920 geschaffenen Saarland von Deutschland abgetrennt war. Friedrich zählte hier 1934 zu den Gründern der »Nationalsozialistischen Deut-schen Freiheitspartei« und gab die Zeitung »Treudeutsche Saar-wacht« heraus.

Da er zwar den Anschluss an Deutschland befürwortete, die Diktatur aber ablehnte, zerstritt er sich mit der Separatistenbewegung. Die Folge war seine Rückkehr nach Straßburg und, da er dort ausgewie-sen wurde, nach Österreich.

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Titelblatt „ Unter dem Hakenkreuz". In dieser Broschüre von 1929 rechnete Friedrich mit der NSDAP ab.

Aber auch hier war sein Aufenthalt nur von kurzer Dauer. Als Frie-drich keine Arbeit fand, wollte er ins Reich zurückkehren. Zur Vor-sicht fragte er bei Hitler und bei dem badischen Gauleiter Robert Wagner an, was gegen ihn vorliege. Die Parteiführung erteilte ihm zwar über seinen Sohn, der in Ravensburg lebte, mündlich die Aus-kunft, dass keine strafrechtliche Verfolgung drohe. Dennoch wurde er kurz nach seiner Rückkehr in Stuttgart inhaftiert. Die Anklage lautete: Landesverrat. Dabei ging es um seine Agitation im Saargebiet. Frie-drich hatte aber Glück im Unglück: Da völkerrechtliche Gründe ein Verfahren verhinderten, wurde er neun Monate später, im März 1938, entlassen.

Danach folgten eine Reihe von kurzzeitigen Anstellungen unter ande-rem beim Finanzamt Friedrichshafen auf Empfehlung der NSDAP-Kreisleitung. Der Ruf eines renitenten Querulanten eilte Friedrich etwa bei seinem Umzug von Friedrichshafen nach Bingen bei Sigma-ringen voraus. Er reichte weiterhin Eingaben bei Behörden und Par-teidienststellen ein, in denen er sich über die Verhältnisse im »Dritten Reich« beschwerte. Dies führte zu zahlreichen Vorladungen, denen er meist keine Folge leistete und deswegen vorgeführt werden musste. 1943 spitzte sich die Lage zu, als er einer Dienstverpflichtung zu ei-nem Schramberger Rüstungsbetrieb nicht nachkam, sondern in Bin-gen blieb. Die Behörden entzogen seine Lebensmittelkarten, was zu erbitterter Not der Familie führen musste. Als die Polizei Friedrich einmal mehr vorlud, tauchte er einige Zeit unter. Seine Schreibma-schine, die er zur Abfassung weiterer Protestschriften an Behörden und Parteidienststellen nutzte, nahm er mit. Auch verfasste er zu der Zeit eine weitere Broschüre »Kampf dem Krampf«, die eine Abrech-nung mit dem Nationalsozialismus darstellte. Vermutlich kam er nicht

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Gemäldeausschnitt der Fürstlich Hohenzollernschen Hüttenwerke Laucherthal um 1928. Mit diesen Hüttenwerken kam Friedrich zweimal in Berührung:

Als Verteiler kommunistischer Flugblätter Ende 1923 und 1940 wieder in der Funktion als stellvertretender Personalchef, aber nur für. vier. Monate. Vor-

lage: Fürstlich Hohenzollernsche Werke Laucherthal

mehr zur Fertigstellung dieser Schrift oder aber fand keine Verbrei-tungsmöglichkeiten. Wohl auf Anordnung des Sigmaringer Regie-rungspräsidenten Wilhelm Dreher, des SA Standartenführers Haaf und der Gestapo wurde Friedrich am 14. März 1944 verhaftet. Am folgenden Tag verbarrikadierte er sich in seiner Zelle im Gefäng-nis des Amtsgerichts Sigmaringen und hielt zum Zellenfenster heraus die Rede gegen Partei, Behörden und einzelne Parteigrößen. An-schließend wurde Friedrich nach Stuttgart abtransportiert. Nachdem er bis Mitte Mai 1944 im Polizeigefängnis Welzheim einsaß, wurde er ins KZ Dachau verlegt. Am 15. Oktober 1944 kam Friedrich in das KZ Mauthausen, wo er am 4. Januar 1945 starb. Ein Mitgefangener be-richtete später, dass er in der Gaskammer ermordet wurde. Hermann Friedrichs Witwe Wilhelmine bezog, da zunächst als Opfer

des Nationalsozialismus anerkannt, nach dem Krieg eine kleine Wit-wenrente. Ihr Antrag auf Zahlung einer Entschädigung für die Inhaf-tierungen ihres Mannes und seine Ermordung wurde 1951 vom Lan-desamt für Wiedergutmachung in Tübingen ebenso abgelehnt wie vom Ausschuss für Wiedergutmachung des Amtsgerichts Saulgau. Der Ausschuss begründete dies damit, dass Hermann Friedrich »keine einwandfreie politische Haltung gegen den Nationalsozialis-mus bewiesen habe. Sein Schicksal und politische Tätigkeit zeige viel-mehr, dass er nur die Missstände innerhalb der NSDAP bekämpft habe und dass er offenbar zur Opposition innerhalb der NSDAP gehört habe...« Wilhelmine Friedrich wurde die Witwenrente gestri-chen. Sie lebte anschließend, da aus gesundheitlichen Gründen er-werbsunfähig, von Sozialhilfe.

Hermann Rehm: Krautsalat und Bieraschnitz. Schwäbische Gedichte und Versla Das 116seitige Gedichtbuch »Krautsalat und Bieraschnitz« des ober-schwäbischen Autors Hermann Rehm ist wie schon seine im gleichen Verlag herausgegebenen Bände »Mir Schwoba« und » 's ganze Johr ischt ebbes botta« wieder ein Volltreffer geworden. Rehms köstlicher Humor, mal in schwäbischer Mundart, mal in Hochdeutsch, mal bunt gemischt zu Papier gebracht, seine Hintergründigkeit und Wortspie-lereien lässt man mit Lust auf sich wirken. »Koizig« gibt er schwäbi-sche Lebensweisheiten weiter (»Was als Ochs gebora ischt, stirbt it als Nachtigall«), hintergründig erklärt er, was im »Hennastall« oba, doba und hoba bedeuten, und er nimmt die verschiedensten Lebensbe-

reiche pointiert auf's Korn. »Von ällem äbbes« heißt darum auch fol-gerichtig ein großes Kapitel mit Gedichten, nachdem er unter ande-rem zwischen »früher ond heit« Vergleiche angestellt und über s »Spara ond Spekuliera« philosophiert hat. Es bleibt nur zu hoffen, dass der Autor noch oft am Schreibtisch »vor ama leera Blatt Bab-bier« sitzt und so lang it luck lot bei dera »Geschuur mit dr Reima-rei«, bis 'r sich a weiters Mol »verdichtet« hot. Das Buch hat 116 Seiten, ist im Silberburg-Verlag, Tübingen, erschie-nen (ISBN 3-87407-584-2) und kostet 10,90 Euro, (ba)

Irene Ferch!/ Wilfried Setzier: Mit Mörike von Ort zu Ort. Lebensstationen des Dichters in Baden-Württemberg Wilfried Setzier, Honorarprofessor an der Fakultät für Geschichte und Philosophie der Universität Tübingen, und Irene Ferchl, Kulturjour-

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nalistin in Gerlingen, sind den Lebensstationen des Dichters Eduard Mörike in Baden-Württemberg nachgegangen und stellen sie nun in dem Buch »Mit Mörike von Ort zu Ort« vor. Es kann am Stück gele-sen werden, und der Leser wird die »irrwitzigen Mäander« (Peter Härtling). die der Lebensweg des Dichters von der Kindheit in Lud-wigsburg bis zum Tod in Stuttgart zeigt, entdecken. Es ist aber auch möglich, sich nur einzelne Abschnitte zu Gemüte zu führen, in denen die Lebensstationen und -Situationen Mörikes vorgestellt werden. So sind etwa fünf Seiten dem Aufenthalt des Lyrikers bei seinem ältesten Bruder Karl in Scheer (1828) gewidmet Den Reiz dieser »geogra-phischen Biographie« machen vor allem zwei Fakten aus: die reiche Bebilderung mit alten Fotos, Scherenschnitten und Zeichnungen (Viele Haus-, Landschafts- und Personenskizzen sind von Mörike sel-ber) sowie eine Fülle von Zitaten, denn die Autoren lassen den Dich-ter immer wieder mit eindrucksvollen und aufschlussreichen Brief-passagen und Gedichten zu Wort kommen. Der Leser wird zudem er-mutigt, sich selbst auf Spurensuche zu begeben. Im Anhang des Bu-ches gibt es folgerichtig nicht nur eine Zeittafel, sondern auch Hin-weise auf weiterführende Literatur, auf Museen und Ausstellungen und schließlich Vorschläge für Spaziergänge und Wanderungen auf der Fährte Mörikes. Das Buch hat 320 Seiten, ist im Silberburg-Verlag, Tübingen, erschie-nen (ISBN 3-87407-577-X) und kostet 22,90 Euro, (ba)

Ellen Herl Diaspora. Geschichte der Evangelischen Kirchengemeinde Haigerloch. Die Autorin, selbst eine sehr engagierte Christin in der Evangelischen Kirchengemeinde von Haigerloch, hat eine sehr informative und gut lesbare Zusammenfassung der über 150-jährigen Geschichte der Evangelischen Gemeinde vorgelegt, reichlich ausgestattet mit vielen historischen und zum Teil auch farbigen Bildern. »Nur wenige Protes-tanten verirrten sich in das Hohenzollernland und in das Städtlein Hai-gerloch«. Dies sollte sich rasch ändern nach dem Anschluß der ho-henzollerischen Fürstentümer an Preußen im Jahre 1850 und mit der kurz darauf begonnenen Erschließung der Salzlagerstätten bei Stetten: Preußische Beamte und Fachleute zogen her, und als um 1860 39

Katholiken aus Bietenhausen zur Evangelischen Kirche übertraten, war die Errichtung einer Kirche notwendig und diese konnte schon am 8.Sept. 1863 eingeweiht werden Zur gleichen Zeit wurde Haigerloch nun eine selbständige Kirchengemeinde, denn anfänglich erfolgte die Pastoration von Sigmaringen und ab 1857 von Hechingen aus. Die Diaspora reichte anfänglich bis Dettingen bei Horb; dieser Teil wurde 1890 ausgetrennt und selbständig. In 1905 umfasste die Ev. Kirchengemeinde 260 Seelen, und nach Ende des 2. Weltkrieges er-höhte sich die Seelenzahl 1947 auf 589, darunter 202 Flüchtlinge und Heimatvertriebene. In 2002 betrug die Christenzahl 2 000. Die Geschichte der Evangelischen Gemeinde ist auch eine Geschichte der Ökumene: Von anfänglicher Feindschaft von Seiten der Katholiken (Beispiel auf S. 22), über Nickligkeiten wie der, dass der katholische Pfarrer, um dem Gruß mit dem evangelischen aus dem Weg gehen zu können, intensive Schaufensterbesichtigung betrieb (S. 100), bis zur heutigen selbstverständlichen Respektierung. Am längsten war Martin Schüz Pfarrer in Haigerloch, von Okt. 1912 bis Aug. 1945. Nach der »Machtergreifung« 1933 bekannte er sich zu den »Deutschen Christen«, die eine Nationalsozialistische Reichskirche anstrebten. Auf einem Bild auf S. 69 hält Pfarrer Schüz eine Trauung mit Hakenkreuzbeflaggung. »Allerdings schien sich Pfr. Schüz in sei-ner Gutgläubigkeit an dem nationalen Aufbruch aktiv betätigt zu ha-ben« (S. 69), so als Redner an einer Feier anläßlich Hitlers Geburts-tag am 20.4.1933. Pfarrer Schüz hatte wie sein Vater Theodor und sein Bruder Friedrich eine künstlerische Ader, und allen dreien ist seit kurzem eine Dauerausstellung im ehemaligen katholischen Pfarrhaus unterhalb der Schlosskirche gewidmet (auch Ökumene!). Bruder Friedrich fertigte an der Altarwand der Kirche ab 1952 eine sehr ge-lungene Kopie des Abendmahlgemäldes von Leonardo da Vinci in Mai-land in Originalgröße. Am Gründonnerstag, 10. April 1954, wurde das Abendmahlbild der Kirchengemeinde übergeben. 1994 schien die Zeit »reif für Neuerungen«: Erstmals wurde eine Pfarrerin gewählt, Eis Dietrich, »in weißem Talar, voller Energie und voller neuer Ideen«, und das bis auf den heutigen Tag.

Ellen Herl: Diaspora. Geschichte der Evangelischen Kirchengemeinde Haigerloch. Selbstverlag, Haigerloch 2003 (dort im Buchhandel er-hältlich), 144 Seiten, 15 Euro (r fr )

WILLY BEYER

Michael Lehmann - ein katholischer Rebell Zum 100. Todestag des Publizisten, Schriftstellers und Komponisten

IV. Das schriftstellerische Werk Der geläuterte Revolutionär Wenn seine kritische Haltung, insbesondere im Revolutionsjahr 1848, den überzeugten Demokraten vermuten lässt, so distanzierte sich Lehmann in späteren Jahren eindeutig von dem Gedanken an eine revolutionäre Änderung der Gesellschaft. Bereits Weihnachten 1863, als er schon mehr als zwei Jahre vom Schuldienst beurlaubt war, schrieb der 35-Jährige im Prolog zu seinem Buch »Der letzte Reichenstein«: »Wolle nun das Volk daraus lernen, daß sein Heü nicht in einem gewaltsamen Umsturz des Bestehenden begründet sei, und daß seine Wohlfahrt am allerwenigsten aus religiösen und poli-tischen Schwindeleien hervorgehe! Der Bauernkrieg ist [...] vor Al-lem geeignet, die Segnungen des Friedens zur Begründung wahren Volkswohles darzuthun und zu beweisen, dass rohe Gewalt und wü-

stes Treiben von Parteihäuptern das eigentlich Gute nicht zur Ent-wicklung und Gestaltung kommen läßt.« Wie in vielen Jugendbüchern Michael Lehmanns steht zu Anfang des Werks »Der letzte Reichenstein« neben einem kolorierten Kupfer-stich die Widmung: »Der reiferen Jugend und dem Volke zur Beleh-rung und Unterhaltung dargeboten.« Die Erzählung spielt bei den Burgen Hohengundelfingen, Reichenstein und Wartstein und hat den Untertitel »Der Bauernkrieg im Lauterthaie«. Lehmann fügt an, dass die handelnden Personen der Wirklichkeit entnommen sind und seine Schrift kein bloßes Phantasiegemälde ist. Seine katholische Überzeugung prägte sein ganzes Leben und Schaffenswerk. Eine Auf-gabe sah er darin, der seiner Meinung nach »vergiftend« wirkenden Schundliteratur entgegen zu treten.

Mehrfachauflagen und Fremdsprachenübersetzungen Das schriftstellerische Werk Lehmanns ist immens. Es umfasst Ro-mane, Erzählungen, Novellen, pädagogische Abhandlungen und reli-giösen Schriften. Veröffentlicht hat Lehmann auch unter Pseudony-men. Anzunehmen ist daher, dass Lehmann noch mehr publiziert hat und das Gesamtwerk die Zahl 100 übersteigt. Hinzu kommen Essays und Berichte in verschiedenen Zeitschriften und Zeitungen, die Re-

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daktionsleitung des »Magazins für Pädagogik« (1850 - 1 8 5 2 ) , sowie der Zeitung »Der Zoller« (1873 - 1902), dessen Mitbegründer Leh-mann war. Das Gründungsjahr des »Zol ler« war interessanterweise auch das Jahr, in dem Lehmann mit 12 Titeln die meisten Bücher ver-öffentlichte. Sein umfangreichstes Werk ist mit 528 Seiten »Aurelia«, ein »Roman aus der Zeit des Abfalls der Niederlande«. Im Zeitraum von 1854 bis 1896 gab Lehmann fast 80 Prosawerke heraus.

Seine Bücher handeln meist vor historischem Hintergrund oder ma-len, wie der Autor selbst formulierte, »ein historisch romantisches Gemälde für die reifere christliche Jugend«. Viele seiner Jugend-schriften erlebten mehrfache Auflagen, einige wurden in andere Spra-chen übersetzt und erschienen sogar in Amerika. Im Augsburger Lampartverlag wurden seine ersten Schriften verlegt. Die Regensbur-ger Verlagshäuser Georg Joseph Manz sowie Friedrich Pustet waren später Lehmanns Haupt-Herausgeber. Die Verlage Lampart und Manz sind längst erloschen. Der Pustet-Verlag, heute vor allem renommiert für seine historischen Bücher, verlegte damals vorwiegend christliche Bücher und hatte Niederlassungen in New York und Cincinatti, wo er deutschsprachige Einwanderer versorgte. Bei Pustet schrieb Leh-mann auch unter den Pseudonymen Salesius M. und Arundell. Unter richtigem Namen wurden seine Bücher dort in den Reihen »Unter-haltungsschriften« sowie »Jugendleben« mit sieben Serien veröffent-licht. Vom Umfang her kann das Lehmannsche Werk durchaus den Vergleich mit dem Zeitgenossen und Bestsellerautor Karl May wagen, der ohne autobiographische Schriften, Fragmente und Entwürfe auch auf rund 80 Romane und Erzählungen kommt. Die heutigen Jugend-bücher eines Klaus Kordon handeln beispielsweise auch vor ge-schichtlichem Hintergrund, kommen aber lange nicht an die Auflagen Lehmanns heran. Leider ist es sehr schwierig, noch an Originalwerke Lehmanns heran zu kommen. Mit 36 Titeln ist ein Teil der Werke in der Hohenzollerischen Heimatbücherei in Hechingen zu finden.

Der ästhetisierende Stil ist voller Couleur Auffallend am schriftstellerischen Werk Lehmanns sind sein ästheti-sierender Stil und die besondere sprachliche Form des Ausdrucks. Ein Stil, der später in den Werken des Nobelpreisträgers Hermann Hesse in Vollendung erscheint. Beispielhaft ist die 1889 erschienene Erzählung »Ulrich von Wehrstein - Die Geschichte eines fahrenden Ritters«. Der Roman spielt in Orten von Lehmanns hohenzollerisch-schwäbischer Heimat, den Klöstern Beuren und Kirchberg und auf den Burgen Hohenberg und Wehrstein. Lehmanns Sprache mag voller Couleur sein, aus heutiger Sicht gilt sie eher als schwülstig. Das soll ein Auszug aus dieser Erzählung zeigen: »Sei mir gegrüßt, du süsser, goldener Frühlingstag! rief die Gräfin von Wehrstein mit weicher Stimme aus, und schaute sinnend zum hohen Fenster hinaus und hin-auf zum lichtgetränkten blauen Äther, an dem kein Wölklein hing und aus welchen heraus die Königin des Tages glühende Strahlenbündel warf hernieder auf die entzückend schöne weite Welt, ja sei mir herz-lich willkommen, leichtbeschwingter Sonnenstrahl, der du mit dei-nem Glänze die frohlockenden Fluren berührest, und der alles über-schüttet mit einem reichen nie versiegenden Segen! Wie hat der len-zesmilde Schein den letzten Rest des Winters wie mit einem Zauber-stabe weggefegt, so daß sich jetzt die Thalung in saftiges Grün hüllt, das die Augen entzückt!« Diese kurze Hymne an den Frühling konnte wohl nur jemand schreiben, der die Fähigkeit hatte, seine Umwelt fast stoisch bewusst und in vollsten Zügen wahrzunehmen. Eine etwas we-niger theatralische Passage: »Hermann von Bodenstein schaute Ul-rich von Wehrstein gar hebevoll in das schön geformte Antlitz. Ich ziehe heimwärts nach meiner Burg im Elsaß, sagte er voll Heimweh, und ich hab' zu hause ein Gemahl und ein wunderbar liebes Kind«.

Lehmanns Werk „Ulrich von Wehrstein" erzählt das Leben des unge-stümen Ritters von Wehrstein. Der Leser wird ins 12. Jahrhunderts ge-führt, in die Welt des Edlen Ulrich, der seine Kräfte mit anderen Rit-tern in Türnieren misst. Ulrichs abenteuerliche Reise führt ihn durch halb Europa, bis er sich 1147 dem Kreuzzug von Kaiser Konrad anschließt. Das Heer wird bei Konstantinopel vernichtend geschla-gen, der Ritter wird gefangen und überlebt als Sklave eines reichen Moslems. In christlicher Liebe rettet er seinen Herrn vor dem Tod und lehnt alle kostbaren Geschenke ab. Arm darf er aber nach Deutsch-land zurückkehren, wo er den Rest seines Lebens demütig betend, aber glücklich im Kloster Rheinau verbringt. Die Ruine der Burg Wehrstein, von großen Bäumen überwuchert, ist heute noch ober-halb von Fischingen im Neckartal zu finden, ebenfalls ein alter Mei-lenstein der Straße zur Zollernburg. Die Burg Wehrstein ist jüngst in dem Historienroman »Die Herrin der Burg« von Ulrike Schweikert wieder Handlungsort geworden.

Fundamentalist und heiliger Krieg Die Zeit der Kreuzzüge wird bei Lehmann allerdings verherrlicht, was ihn gänzlich im Licht eines katholischen Fundamentalisten erschei-nen lässt. Es geht um Helden, die für die richtige Religion und die rechte Sache eintreten. So auch in dem 300-Seiten-Werk »Ritter Ge-rold von Helfenstein«, das bereits 1855 im Lampartverlag erschien. In einer »Vorerinnerung« schreibt der Autor: »Der Katholik muß die Wirksamkeit seiner Kirche auch in lebendigen großartigen Thaten schauen. Und welche That kann den Kreuzzügen würdig zur Seite ge-stellt werden - jenen heiligen Kriegen, welche aus reiner Liebe zum Kreuze begonnen wurden? Ich bin zweifelhaft, wenn es nicht die Ge-schichte der ersten christlichen Kirche ist. Auch in jenen Zeiten hat sich der christliche Heldenmuth bewährt. Aber ist es minder groß, wenn man aus Liebe zum Kreuz die Heimath verlässt und Allem ent-sagt, was Angenehmes das Vaterland bietet, um am Rande des heili-gen Grabes zu beten, zu kämpfen, zu siegen oder zu sterben?« Mi-chael Lehmann idealisierte die Kreuzzüge. Sie sind bei ihm heilige Kriege gegen die ungläubigen Muslime. Ein Dschihad in umgekehrter Richtung. Vielleicht mag solch klare Intention dazu beigetragen ha-ben, dass Lehmann gänzlich in Vergessenheit geraten ist. Aber das bleibt Vermutung, wenn man die wilhelminische Zeit im 20. Jahrhun-dert betrachtet, die im Desaster des Ersten Weltkrieges endete, der von keinerlei religiöser Überzeugung verursacht wurde.

Prosawerke handeln in unterschiedlichen Epochen Auch wenn Lehmanns katholische Überzeugung in allen Prosawerken durchdringt, er eine belehrende Haltung einnimmt und den Prote-stantismus ablehnt, so darf seine profunde Kenntnis insbesondere der europäischen Geschichte nicht verkannt werden. Seine Erzählungen und Romane handeln in unterschiedlichen Epochen. »Clothilde von Arnaud« (1881) und »Arthur Graf von Chully« (1898) spielen zur Zeit der französischen Revolution. In der Reformationszeit sind »Aus dem Leben eines Vielgeprüften« (1856) und »Verloren und wieder gefunden« (1881) angesiedelt, ebenso »Der Thaljunker« (1857), der mit dem Untertitel »Der Heldentod für den Glauben« in Schweden spielt, sowie »Thomas Morus« (1856) in England. »Wolfrat von Veh-ringen« handelt wieder in Lehmanns Heimat zur Zeit des Untergangs der Staufer-Dynastie. Die Erzählung »Der Kohlenbauer« (1883) han-delt gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Grüningen bei Riedlingen, nahe Lehmanns Heimatstadt Langenenslingen. Das Buch bringt, mit kurzen Passagen, die nach Unlingen, Neufra und zum »heiligen Berg Oberschwabens«, dem Wallfahrtsort Bussen führen, dem Leser den christlich geprägten bäuerlichen Alltag vor dem Hintergrund der In-

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dustrialisierung nahe. »Gisela« (1867) ist ein Roman aus der Zeit des Konzils von Konstanz. Der Autor nimmt klar Stellung gegen den Re-formator Johannes Huß, der trotz zugesagten freien Geleits auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. In Spanien spielt »Rose von San Jago« (1871), in Flandern »Hendrik« (1896), in Irland »Reddy Con-ner« (1872) und »Den Mut nicht verlieren« (1889). »Der gute Ger-hard« (1873) geht auf eine Sage aus dem Mittelalter zurück, die Leh-mann in Prosa umgesetzt hat. Sie erzählt von dem reichen Kaufmann Gerhard aus Köln, der aus christlicher Nächstenhebe seine auf einer jahrelangen Schiffsreise angehäuften Reichtümer hergibt. Er kauft da-mit englische Edelleute aus dem Gewahrsam eines moslemischen Herrschers in Nordafrika frei. Sein Leben wird von der selbstlosen Liebe zu seinen Mitmenschen geprägt. Immer wieder handeln Lehmanns Werke im hohenzollerischen und schwäbischen Raum. Wie die Erzählung »Des eigenen Glückes Schmied« im Eyach- und Neckartal. »Riedmüllers Töchterlein« (1871) thematisiert die Zeit des Bauernkriegs im Ostrachtal. »Zwei Töchter« spielt etwas weiter im badischen Schwarzwald und »Wolfrat von Vehringen« zur Zeit des Untergangs der Hohenstaufer.

(Fortsetzungfolgt)

Literarisches Werksverzeichnis von Michael Lehmann (1827 -1903) Im Folgenden sind die Veröffentlichungen chronologisch aufgeli-stet. Dabei sind mehrere Sonderschriften mit jeweils zwei Bü-chern, die der Autor schon früher herausgab, nicht angeführt. Bei-spielsweise »Bunte Blüthen« (1873) mit »Verloren undgefunden« sowie »Antonia Maillard«. Buchstaben- und Zahlen hinter den Titeln verweisen auf den Verlagsort (A=Augsburg, R=Regensburg), das Erscheinungsjahr (18...) und Folgeauflagen.

Pädagogisch-theologische Abhandlungen, in: Compaß für das katholische Volk, Würzburg Freiheit des Unterrichts und die konfessionslose Staatsschule, 50 Sind die Katholiken Feinde des Reichs, 75 Kathol. Geschichts-Bibl., 11 Bde. 55/64 Der liberale Schulmeister, 75 Wallfahrten und Prozessionen, 78

Erzählungen, Romane und Novellen Ein Vielgeprüfter, A 54, 56 Aurelius, A 55, R 77 Gerold von Helfenstein, A 55, R 76 Aurel Däumling, A 56, 57, R 73, 75, 96 Fürst und Wildschütz, A56, 57, R 73, 75, 96 Wolfrat von Vehringen, A 56, R 78 Thomas Morus, A 57, R 79 Der Thaljunker, A 58, R 81 Cecily Tyrell, R 59, 80 Friedrich von Scharfenstein, R.61, 91 Der letzte Reichenstein, R 63, 75 Gisela, Roman, R 67 Der Spielmann, R 67,90 Rose von San Jago, R 71 Riedmüllers Töchterlein, Sigmaringen 71 Aurelia, R 71,80 Zwei Töchter, R 71,95 Palmzweig, R 72 Waldmeister von Falkenstein, R 72, 89 Wohltun trägt Zinsen, R 72,88 Reddy Conner, R 72,89

Betrogene Betrüger, R 73 Antonia Maillard, R 73 Verloren und wieder gefunden, R 73,81 Der gute Gerhard, R 73 Arme Virgine, R 73 Arthur Graf von Chully, R 73,98 Waldbauer, R 73 Herr Waldhorst, R 73 Arme Leute, R 75 Schulmeister von Nordheim, R 75 Zwei Töchter, R 75 Tyroler Annerl, 2 Titel, R 75 Alfonso, R 76 Die Geschichte vom tyroler Seppl, R 76 Gil Blas von Santillana, R 78 Tyroler Herzen, R 78 Graf von Valfort, R 78 Judith, R 80 Albrecht von Hohenberg, Hechingen 73, R 80 Jung Werner, R 80 Goldonkel, R 81 Aus Sturm zum Frieden, R 81 Irene, Straubing 81 Clothilde von Arnaud, R 81 Der Kohlenbauer, R 83 In der Sennhütte, R 83 Osman und Miriam, R 86 Versöhnt, Straubing 86 Bettelknabe, Straubing 86 Korsar, Straubing 86 Elvika, R 86 Ulrich von Wehrstein, R 89 Arme Elise, R 89 Grüner Epheu, R 89 Weiße Lilien, R 89 Anselma, R 89 Waffenschmied, R 89 Den Mut nicht verlieren, R 89 Des eigenen Glückes Schmied, R 89 Der Schütze von Wildenstein, R 91 Dora, R91 Arme und reiche Leute, R 92 Der alte Waldmeister, R 92 In der Spinnstube, R 94 Getreu bis in den Tod, R 95 Hoch hinaus, R 95 Ein verlorenes Leben, R 96 Hendrik, R 96

Publikationen unter Pseudonymen

Unter »Salesius M.«: Vier Lebensbüder, R 72 Erinnerungen an die Heimat, R 72 Licht und Schattenseiten, R 72 Gottvertrauen, R 73 Die Vorsehung leitet alles, R 73

Unter »Arundeil«: Rachel ( I ) , R 73 Rachel ( I I ) , R 73

Quellennachweise für Teil IV:

- Hohenzollerische Heimatbücherei Hechingen: Bestand Ub 171-III: Keiters katholischer Literaturkalender, 8 (1907), Buchbestände V.24, V.25, V. I00a, V.lOOb, V. 157, J.68, J.72, J.73,

- Verzeichnisse und Mitteilungen der Verlage: Friedrich Pustet, Regensburg, Karl May, Bamberg, sowie Karl May Stiftung, Bargfeld/Celle

- Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums

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Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsverein Karlstraße 3, 72488 Sigmaringen

E 3 8 2 8

PVSt, DPAG, »Entgelt bezahlt«

Frontispiz (Titelblatt) aus:

Michael Lehmann,

Wolfrat von Vehringen.

Der Roman spielt zur Zeit

des Untergangs der

Staufer-Dynastie

HOHENZOLLERISCHER HEIMAT

herausgegeben vom Hohenzollerischen Geschichtsverein, Postfach 1638, 72486 Sigmaringen ISSN 0018-3253 Erscheint vierteljährlich.

Die Zeitschrift »Hohenzol ler ische Heimat« ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will beson-ders die Bevölkerung im alten Land Hohenzol-lern und den angrenzenden Landesteilen mit der Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie bringt neben fachhistorischen auch populär ge-haltene Beiträge.

Bezugspreis: Für Mitglieder des Hohenzollerischen Ge-schichtsvereins ist der Bezugspreis im Beitrag enthalten. Bezugspreis für Nichtmitglieder € 7 , - . Abonnements und Einzelnummern kön-nen beim Hohenzollerischen Geschichtsverein (s. o . ) bestellt werden.

Die Autoren dieser Nummer

GerdBantle

Hedinger Straße 5, 72488 Sigmaringen

Dr Otto II Becker

Hedinger Straße 17, 72488 Sigmaringen

Willy Beyer

Kauflausstraße 5, 72379 Hechingen

Robert Frank Fliederstraße 8. 72401 Haigerloch-Weildorf

Franz-Severin Gäßler

Jakobsplatz 28 b, 86152Augsburg

Birgit Kirchmaier

Hohe Tannen 34, 72488 Sigmaringen

Dr Herbert Rädle

Veit-Jung-Straße 13a, 92318 Neumarkt

Josef Schneider Heiligkreuzstraße 16, 72401 Haigerloch-Gruol

Gesamtherstellung:

Druckerei Acker GmbH, Mittelberg 6, 72501 Gammerüngen Telefon ( 0 7 5 7 4 ) 9301-0 , F a x 9 3 0 1 - 3 0 [email protected] www. druckerei-acker. de

Schriftleitung:

Robert Frank Fliederstraße,8, 72401 Haigerloch-Weildorf Tel.: 07474/2161

Die mit Namen versehenen Artikel geben die persönliche Meinung der Verfasser wieder; diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge ver-antwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung sind als solche gekennzeichnet.

Manuskripte und Besprechungsexemplare wer-den an die Adresse des Schriftleiters erbeten,

Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzol ler ische Heimat« weiterzuempfehlen.

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Hohenzollerische Heimat Herausgegeben vom

54. Jahrgang Hohenzollerischen Geschichtsverein Nr. 4 - Dezember 2004 E 3828

Innenansicht der Alten Synagoge Hechingen nach Ende der Renovierung, die von 1982 bis 1986 durchgeführt wurde. Foto: Gregor F. Peda. D-94034 Passau.

MANFRED STÜTZLE

25 Jahre »Initiative Hechinger Synagoge. EV.«

Am 24. Juli sind es 25 Jahre her, dass im Hechinger Katholischen Ge-meindehaus die »Initiative Hechinger Synagoge« gegründet wurde. Die Gründungsversammlung hatten Wilhelm Eckenweiler, Dieter Ilg, Waldemar Luckscheiter, Dr. Norbert Kirchmann, Manfred Stützle und Dr. Adolf Vees vorbereitet. Rund 30 Interessierte hatten sich eingefunden und wählten zum Vor-sitzenden der »Initiative« Notar Wilhelm Eckenweiler, der fast genau 26 Jahre lang bis zu seinem frühen Tod am 1. Mai dieses Jahres das Amt mit viel Engagement, herausragendem Geschick und großem Sachverstand ausübte. Stellvertreter wurden Dr. Adolf Vees und Dr. Norbert Kirchmann.

Einen entscheidenden Anstoß zu dieser Vereinsgründung hatten Mit-glieder der Evangelischen und Katholischen Studentengemeinde der PH Weingarten gegeben. Sie hatten sich unter Leitung von Prof. Mar-tin Widmann am 7. Juli im Gemeindehaus der Evangelischen Kirche in Hechingen zu einem Seminar getroffen, um über das Schicksal der vom Verfall bedrohten denkmalgeschützten Hechinger Synagoge zu beraten. Grundlage der Überlegungen war eine Denkschrift von Prof. Utz Jeggle vom Ludwig-Uhland-Institut der Tübinger Universität, die er 1976 im Auftrag der Stadt Hechingen erarbeitet hatte. In ihr schlug er die Einrichtung eines Museums zur Kulturgeschichte der Juden in Südwestdeutschland vor, das in der ehemaligen Hechinger Synagoge geschaffen werden sollte. Eile war geboten, denn der schlechte bauli-che Zustand der Synagoge erforderte schnelle Rettungsmaßnahmen.

Einige Wochen zuvor hatte das Landesdenkmalamt Baden-Württem-berg in Tübingen zur Restaurierung einen Zuschuss von 1 Mio. DM zugesagt.

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Die Frage, wie man unter diesen Aspekten vorgehen und welche Nut-zung der Synagoge angestrebt werden soll, diskutierten an diesem Tag die Studenten, Vertreter der Hechinger Gemeinderatsfraktionen und weitere interessierte Hechinger Bürger. Am Ende waren sich die Seminar-Teilnehmer einig, einen Förderverein zu gründen. Er sollte sich um die Sicherung der Gebäudesubstanz und die angestrebte Restaurierung der ehemaligen Synagoge kümmern.

So kam es am 24. Juli 1979 zu der oben erwähnten Gründungsver-sammlung der »Initiative Hechinger Synagoge«, bei der die Mitglie-der Möglichkeiten und Wege diskutierten, wie die ehemalige Syna-goge gerettet werden kann, denn der Kauf durch das Land, den Land-kreis oder die Stadt Hechingen war in naher Zukunft unwahrschein-lich. Dies bestätigte auch der anwesende Bürgermeister Norbert Roth, der die seit 1971 andauernden Bemühungen und Überlegun-gen der Stadt Hechingen zur Synagogenfrage erläuterte.

Die »Initiative« setzte sich als Ziele »die Erhaltung der Synagoge und weiterer jüdischer Denkmäler in Hohenzollern, die Betreuung der Synagoge als Kultur- und Begegnungsstätte sowie die Aufarbeitung und die Lebendig-Erhaltung der jüdischen Geschichte in Hohenzol-lern«. Dazu sollte schnellstens ein Nutzungskonzept erarbeitet wer-den. Dieses legte die »Initiative« im Oktober 1979 vor, nachdem in der Zwischenzeit viele Gespräche gefuhrt worden waren, u.a. mit dem Landesrabbiner, Instituten der Universität Tübingen, dem Re-gierungspräsidium, Landrat Dr. Lazi und Bürgermeister Roth. Nach der Renovierung sollte die Synagoge nicht nur museales Dokumen-tationszentrum mit dem Schwerpunkt Ausstellungen zur Geschichte der Juden in Hohenzollern werden, sondern ein mit Leben erfülltes Kulturzentrum. In ihm sollten mit dem Charakter und der Würde des Hauses verträgliche Konzerte, Theateraufführungen, Vorträge, Aus-stellungen u.ä. stattfinden. Organisation und Durchführung dieser Veranstaltungen sollten bei der »Initiative« hegen.

Zur Umsetzung dieses geplanten Nutzungskonzepts traf sich der in-zwischen erweiterte Vorstand mit Beirat ab November 1979 minde-stens einmal im Monat. Auf Drängen der »Initiative« ließ das Land-ratsamt als untere Denkmalschutzbehörde durch die Stadt Hechin-gen das Dach der Synagoge ausbessern und die Fenster zunageln. Da-durch war der drohende weitere Verfall des Gebäudes durch das Ein-dringen von Nässe im kommenden Winter erst einmal notdürftig ge-stoppt. Ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Wege zur Rettung der Synagoge war die Eintragung in das Denkmalbuch, die das Regie-rungspräsidium Tübingen am 21.12.1979 verfügte. Begründet wurde diese Maßnahme mit dem Öffentlichen Interesse an der Erhaltung dieses Kulturdenkmals aus heimatgeschichtlichen, wissenschaftli-chen und künstlerischen Gesichtspunkten. Damit war auch die Auf-nahme des sanierungsbedürftigen Gebäudes in das denkmalpflegeri-sche Schwerpunktprogramm für das Jahr 1980 erreicht.

Obwohl das Land am 20.2.1980 einen Zuschuss von 800 000 DM zu den angenommenen Restaurierungskosten von 1,3 Mio. DM zugesagt hatte und auf einen Kauf der Synagoge durch die Stadt Hechingen drängte, sah sich diese außerstande, das Gebäude zu kaufen bzw. bei einer eventuellen Zwangsversteigerung zu erwerben. Hauptgrund für diesen Beschluss des Gemeinderats im Juli 1980 war - angesichts der angespannten städtischen Haushaltslage - die Weigerung des Landes, den zugesagten Zuschuss an die zu erwartenden steigenden Restaurierungskosten in den vier nächsten Jahren anzupassen. Da-her schlug der Gemeinderat der »Initiative« vor, sie solle die Syna-goge erwerben. Die Stadt erklärte sich bereit, den Zuschuss des Lan-

des dem Verein zu überlassen und selbst noch einen Betrag von 300 000 DM beizusteuern. Dies sollte allerdings frühestens in 4 Jah-ren und nur unter Maßgabe des Haushalts erfolgen. Nachdem noch-malige Kaufverhandlungen der Stadt mit dem privaten Eigentümer der Synagoge, Egon Brütsch aus Jungingen, an dessen überhöhten Preisvorstellungen scheiterten, schien das Schicksal des weiter ver-fallenden Gebäudes besiegelt.

Nun war die »Initiative« gefordert. In zähen Verhandlungen gelang es ihr den Preis von den zuletzt geforderten 150 000 DM auf einen an-gemessenen Betrag von 72 600 DM herunterzuhandeln. So konnte der Kaufvertrag endlich im Oktoberl982 ( ! ) von den Vorsitzenden Wilhelm Eckenweiler und Dr. Norbert Kirchmann unterzeichnet wer-den. Auf Antrag der »Initiative« leistete die Stadt zum Kauf einen Zu-schuss von 40 000 DM; den Rest brachte die »Initiative« aus Eigen-mitteln auf Weitere finanzielle Zusagen zur Restaurierung der Syna-goge für die nächsten fünf Jahre wollte die Stadt nicht machen.

Die immer noch im Raum stehende Frage der späteren Nutzung der Synagoge musste nun hinter der dringendsten Maßnahme, der Sub-stanzsicherung des Gebäudes, zurückstehen. Diese sollte im Früh-jahr 1983 angepackt werden, zumal nach Aussage des Landesdenk-malamtes das gesamte Dach mit der Kuppel einzustürzen drohte. Der Finanzierungsplan sah für die im Mai 1982 auf 160 000 DM ge-schätzten ersten Arbeiten einen Betrag von 100 000 DM durch das Landesdenkmalamt vor. 20 000 DM sollten durch Eigenleistungen von »Initiative«-Mitgliedern sowie Arbeiten des Städtischen Bauhofs abgedeckt werden. Weitere 20 000 DM wollte die »Initiative« als Kre-dit beschaffen. Die restlichen 20 000 DM, die für die Arbeit des Ba-iinger Architekten Wolf Schwab eingeplant waren, konnten gespart werden, da dieser » im Interesse der Sache und der Geschichte der Juden« (W. Eckenweiler) auf sein Honorar verzichtete. Der Start-schuss für die Substanzsicherung der Synagoge durch einheimische Firmen konnte endlich im Frühjahr 1983 fallen. Priorität hatte die Sanierung des Daches.

Neben diesen vordringlichen Arbeiten wurde die Innenrestaurierung der Synagoge vorbereitet. Anfang März trafen sich die Vorsitzenden Eckenweiler und Dr. Kirchmann sowie Architekt Schwab mit dem zu-ständigen Konservator des Landesdenkmalamtes Tübingen, Klaus Scholkmann, einem Statiker und dem Restaurator Gärtner vom Büro Prof Dr. Ingenhoff aus Tübingen zu einem Lokaltermin in der Syna-goge. Auf Grundlage der durchzuführenden Befunduntersuchungen sollte bis zum Sommer ein endgültiger Kostenvoranschlag für die Restaurierung erarbeitet werden. Dass es sich »um eine sehr um-fangreiche und aufwendige Maßnahme handelt« (Gärtner) war allen Beteiligten klar. Unter Berücksichtigung des Finanzierungsproblems rechnete der Vorsitzende Eckenweiler mit einer schrittweisen Res-taurierung der Synagoge und hoffte auf ein Ende der Arbeiten in fünf Jahren.

Bevor aber der Restaurator im Frühjahr 1985 mit seiner Arbeit be-ginnen konnte; mussten die »Rohbauarbeiten« (Erstellung der Bo-denplatte, Stabilisierung der Außenwände, Wiederherstellung des ur-sprünglichen Eingangs, Anbau der Apsis, Sicherung der Kuppel, Ein-bau neuer Fenster...) abgeschlossen sein. Erfreulicherweise bewil-ligte der Kreistag des Zollernalbkreises der »Initiative« einen Zu-schuss von 20 000 DM für den ersten Bauabschnitt. Zur Finanzierung der fortlaufenden Bauarbeiten sah sich die »Initiative« gezwungen ei-nen Kredit bei der Landeskreditanstalt Baden-Württemberg aufzu-nehmen, da der von der Stadt 1980 in Aussicht gestellte Zuschuss von 300 000 DM noch nicht floss.

[Fortsetzung folgt]

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Mitteilungen aus dem Hohenzollerischen Geschichtsverein

Veranstaltungen im 1. Quartal 2005

I. Vorträge Dr. Andreas Zekorn Das Grosselfinger Narrengericht, ein Volksschauspiel. Montag, 24. Januar, um 20 Uhr im Prinzenbau (Staatsarchiv) in Sigmaringen

Rolf Vogt M.A., Hechingen Die Machtergreifung in Hechingen. Dienstag, 15. Februar, um 20 Uhr im Hohenzollerischen Landesmuseum, Altes Schloss, in Hechingen

Dr. Otto H. Becker, Sigmaringen Das Kriegsende 1944/45 in Sigmaringen. Montag, 14. März, um 20 Uhr im Prinzenbau (Staatsarchiv) in Sigmaringen

II. Ankündigung Der Hohenzollerische Geschichtsverein veranstaltet in Zusam-menarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg und dem Staatsarchiv Sigmaringen das Seminar

Einführung in die Archivarbeit am Freitag, 6. Mai 2005, von 10.30 bis 17.00 Uhr im Staats-archiv Sigmaringen. Anmeldungen sind schriftlich zu richten an die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, zu Hd. Herrn Dr. Markus Hug, Haus auf der Alb, Hanner Steige 1, 72574 Bad Urach, Fax 07125-100, e-mail: [email protected].

Das Seminar unter der Leitung von Dr. Otto Becker und Dr. Volker Trugenberger bietet für Anfanger eine Einführung in die Arbeit in Archiven an. Es wird gezeigt, wie man ermittelt, in welchen Archiven Unterlagen für die eigene Fragenstellung zu erwarten sind. Archivische Ordnungsprinzipien gehören eben-so zum Seminarinhalt wie Tipps im Umgang mit den Quellen. Suchstrategien in traditionellen Findbüchern und im Internet werden vorgetellt und anhand praktischer Übungen erläutert. Das eigentliche Seminar beginnt um 10.30 Uhr. Wer bereits vor-her Zeit hat, ist um 9-00 Uhr herzlich zu einer Führung durch das Staatsarchiv Sigmaringen eingeladen. Die im Seminar ge-wonnenen Kenntnisse und Anregungen sind in allen Archiven anwendbar.

Hinweis Die Schriftleitung macht darauf aufmerksam, dass die Zeit-schrift für Hohenzollerische Geschichte vom Verlag Kohlham-mer und Wallishauser in Hechingen verschickt wird. Die Mit-glieder sollten sich durch die Aufschrift des Versenders deshalb nicht dazu verleiten lassen, die Sendung ungeöffnet wieder zurückzuschicken. Leider kommt es immer wieder vor, dass Mitglieder Wohnortwechsel oder Änderungen ihrer Bankver-bindung nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht dem Vereinsse-kretariat, Karlstraße 1/3,72488 Sigmaringen (Tel. 07571/101-580 oder 559) mitteilen. Um Kosten zu sparen, wird deshalb darum gebeten, diese Daten umgehend weiterzuleiten.

gez. Dr. Otto Becker Vorsitzender

^ OTTO H. BECKER

Auf den Spuren von Prof. Henselmann

Die Herbstexkursion des Hohenzollerischen Geschichtsvereins am 9. Oktober 2004 war den Werken des aus Laiz stammenden Bild-hauers Prof. Josef Henselmann (1898 - 1987) im Raum Sigma-ringen-Riedlingen gewidmet. Als Führer konnte Vorstandsmitglied Hans Joachim Dopfer gewonnen werden, der auch das Kunstmu-seum Laiz, in dem Plastiken von Josef Henselmann und Gemälde seiner Gemahlin Marianne Henselmann ausgestellt sind, seit sei-nem Bestehen im Jahr 1999 betreut.

Nach Sigmaringen mit dem Denkmal des Fürsten Wilhelm von Ho-henzollern (1864 - 1 9 2 7 ) und dem Ceres-Brunnen vor dem Land-ratsamt ging die Fahrt nach Laiz, wo den Teilnehmern vor allem die Decke des Schiffs der Pfarrkirche St. Peter und Paul und das Krie-gerdenkmal auf der ehemaligen Friedhofsmauer vorgestellt und in-terpretiert wurden. Danach ging es an dem Gockelbrunnen, dem Kunstmuseum und der Statue des Heiligen Christopherus bei der Donaubrücke vorbei nach Scheer zum Ehrenmal bei der Pfarrkir-che, der »Rufer « genannt, und dann nach Heiligkreuztal. Dort wurden der Brunnen »Anna Selbdritt« und die Kunstsammlung der oberschwäbischen Künstler im ehemaligen Zisterzienserinnenklo-ster mit Plastiken von Prof. Henselmann und Gemälden von Mari-anne Henselmann aufgesucht.

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Otto Werner beim Versuch, den Goldesel in Altheim zu aktivieren. Foto: Hans Joachim Dopfer

Die nächste Station war Altheim, das geradezu eine Fülle von Wer-ken Prof. Henselmanns und seines Enkels Dr. med. Josef Alexan-der Henselmann aufweist, so die Figur des Heiligen Christopherus am Ortseingang, der Storchenbrunnen vor dem Rathaus, die Ma-riensäule im Bürgerhof, die Statue des Heiligen Martin bei der Pfarrkirche und die Darstellung eines Bibers, der Wappenfigur von Altheim. Vergeblich suchten einige Mitfahrer ihre Geldbörse bei dem von Josef Alexander Henselmann geschaffenen Goldesel vor der Sparkassenfiliale aufzufüllen. Den Höhepunkt der Studienreise bildete der Besuch der Kapelle des Kreiskrankenhauses in Riedlingen, für die Prof. Henselmann den Altar, den Ambo, eine Pietä, das Ewige Licht, den Kreuzweg, das Emporengeländer sowie eine Mondsichelmadonna geschaffen hat. Diese nunmehr als »Riedlinger Madonna« bezeichnete Statue gilt als die bedeutendste Kleinplastik Henselmanns.

Bei der Führung ging Hans Joachim Dopfer auch auf die Biogra-phie von Josef und Marianne Henselmann sowie des Enkels Josef Alexander und deren künstlerische Entwicklung ein.

Auch die Werke Henselmanns, die nicht angefahren werden konn-ten, wie z.B. das Kriegerdenkmal auf dem Brenzkofer Berg in Sig-maringen oder die Relieftafel des Widerstandskämpfers Reinhold Frank (1896 - 1945) aus Bronze in Ostrach-Bachhaupten, wur-den kurz behandelt.

Die gut vorbereitete und auch durchgeführte Fahrt stieß auf eine sehr positive Resonanz. Es wurde auch der Wunsch geäußert, eine Exkursion zu den Hauptwerken des langjährigen Präsidenten der Bayerischen Akademie der Bildenden Künste aus Hohenzollern in Augsburg, München und Passau zu untenehmen.

OTTO H. BECKER

Zu den Auswirkungen des Attentats am 20. Juli 1944 in der Region Alb-Donau

Das gescheiterte Attentat von Oberst i.G. Claus Schenk Graf von Stau-fenberg (1907 - 1944) am 20. Juli 1944 in der Wolfsschanze bei Rastenburg in Ostpreußen löste bei der Gestapo sofort Großalarm aus. Beamte der Gestapo durchsuchten zunächst die Wohnung des Grafen Claus in Berlin und die seiner Familie in Bamberg und be-schlagnahmten dabei selbst noch die kleinsten Stücke beschriebenen Papiers.

In der Nacht vom 22. auf den 23. Juli drangen Gestapo-Beamte so-dann in das Stauffenbergschloss in Lautlingen ein, wo sich die Ge-mahlin Nina mit ihren Kindern und die Mutter, die Gräfin Karoline geb. Gräfin von Üxküll-Gyllenbang (1875 - 1956), und andere Ver-wandte des am Abend des 20. Juli im Kriegsministerium in Berlin er-schossenen Attentäters befanden. Man verbrachte die Gräfin Nina umgehend in das Gefängnis in Rottweil und die Gräfin Karoline Schenk von Stauffenberg ins Amtsgerichtsgefängnis nach Balingen. Am 17. August wurden die Kinder des Grafen Claus und der Gräfin Nina aus Lautlingen verschleppt.

Die Gräfin Karoline durfte am 2. November wieder ins Stauffenberg-schloss nach Lautlingen zurückkehren, das sie aber mit dort unter-

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gebrachten Familien von Gestapo-Angehörigen teilen musste. Im De-zember erhielt die Gräfin dort Nachricht von der bereits am 10. August 1944 erfolgten Hinrichtung ihres Sohnes Berthold (1905 -1944), eines Bruders des Grafen Claus.

Die Familienmitglieder der gräflichen Linie der Schenken von Stau-fenberg gerieten in Sippenhaft. Beschlagnahmt wurden auch ihre Gü-ter in Lautlingen, Merd ingen bei Nördlingen, Jettingen bei Günzburg und Greifenstein bei Bamberg. Doch damit hatte es nicht sein Be-wenden. Von Sippenhaft und Beschlagnahme betroffen war ferner Friedrich Schenk Freiherr von Staufenberg (1908 - 1982) in Wib-lingen (heute Gem. Langenenslingen, Landkr. Biberach). Über die Ereignisse im Anschluß an das Attentat schrieb Pfarrer Franz Neuburger in der Wilflinger Pfarrchronik: »Der Attentäter ist ein entfernter Verwandter der hiesigen Patronatsherrschaft und Trä-ger gleichen Namens: Staufenberg.

Als die Herrschaften am Morgen des 21. Juli durchs Radio die Mel-dung vom Attentat und den Namen des Attentäters hörten, befürchte-ten sie sofort das Schlimmste für ihre Familie. Nach wenigen Stunden betraten eine größere Anzahl von Gestapo-Beamten aus Stuttgart ihre Wohnung und nahmen nach einem kurzen Verhör sämtliche anwe-senden Bewohner des Schlosses und Forsthauses, auch die zufällig anwesenden Gäste, in Haft. Die Verhafteten wurden sofort ins Ge-fängnis nach Hechingen verbracht«.

Unter den Verhafteten befand sich auch die Gemahlin des Schloß-herrn, Mechthild Freifrau Schenk von Staufenberg geb. Gräfin Adel-mann von Adelmannsfelden. Nicht behelligt wurden jedoch die drei Kinder des Ehepaares. Diese blieben, wie Pfarrer Neuburger berich-tet, bei ihrer Kinderschwester. Am folgenden Tag begaben sie sich nach Leutkirch im Allgäu.

Über die Atmosphäre in Wilflingen berichtet der Chronist: » Im Dorfe herrschte ob dieser Ereignisse eine gedrückte Stimmung. Im Schloß ließ sich die Gestapo nieder. Ständig waren 2 Beamte anwesend. Nur ganz vertrauten Personen gegenüber konnte man seine Meinung äußern. Niemand wagte seine innersten Gedanken betreff des Atten-tats zu offenbaren. Über jedem Einzelnen schwebte unsichtbar Ge-fängnis, KZ oder Tod. Es war gut, daß die Erntezeit kam und die Leute ganz von den Arbeiten auf dem Felde in Anspruch genommen wur-den...«

Laut Pfarrchronik von Wilflingen wurden Baron Friedrich Schenk von Stauffenberg und seine Gemahlin im Oktober 1944 aus dem Ge-fängnis entlassen. Sie wohnten zuerst im Eisighof, dann im Forsthaus, dem alten Amtshaus, das später bekanntlich von dem Schriftsteller Ernst Jünger und seiner Frau bewohnt wurde. Wie in der Chronik ausdrücklich festgehalten wurde, durfte der Eigentümer sein Schloß in Wilflingen nicht betreten.

Nach den Aufzeichnungen Pfarrer Neuburgers wurden Fürst Fried-rich von Hohenzollern und sein Bruder am 1. November 1944 aus der Schutzhaft wieder entlassen. Danach begab sich der Fürst laut Ta-gebuch von Maximilian Schaitel zunächst zu seinem Schwager, dem Grafen Douglas, nach Schloß Langenstein. Später nahm der Fürst von Hohenzollern in seinem Landhaus in Krauchenwies Wohnung.

Wie aus der Wilflinger Pfarrchronik ferner entnommen werden kann, zogen anstelle der Mitglieder des Fürstl. Hauses Hohenzollern eine Gruppe der Miliz der Vichy-Regierung im Schloß Wilflingen ein. Die Einheit, die vermutlich vorher im Schloß Krauchenwies statio-niert war, verließ jedoch bereits Anfang Januar 1945 das Wilflinger Schloß. Kurz danach nahm der französische Ministerpräsident Pierre Laval, der sich mit Marschall Petain zerstritten hatte, mit seiner Um-gebung dort seinen Sitz.

Im April 1945 notierte Pfarrer Neuburger in seiner Chronik: »Laval und sein Ministerium fliehen am 20. April weiter nach Süden. Die meisten deutschen Truppen verlassen das Dorf und eilen dem Allgäu und den Bergen zu... Es wird totenstül im Dorf. Mit Spannung war-tete man auf den Einmarsch der Franzosen. Am 25. April - Markus-tag - gegen 6 Uhr kommen die ersten französischen Panzer von Sig-maringen her...«

Das Wilflinger Schloß diente den französischen Truppen als Kom-mandantur. Der Schloßherr, Baron Friedrich Schenk von Stauffen-berg, mußte nach dem Krieg wie seine Verwandten noch lange Zeit um die Wiedererlangung seines von den Nazis beschlagnahmten Ei-gentums kämpfen.

Am 9- September 1944 - Friedrich Schenk Freiherr von Stauffenberg und seine Gemahlin befanden sich immer noch in Sippenhaft - wur-den Fürst Friedrich von Hohenzollern und sein Zwillingsbruder, Prinz Franz Josef von Hohenzollern-Emden, mit ihren Familien nach Wilflingen in Schutzhaft verbracht, um der nach Deutschland über-stellten Vichy-Regierung unter Marschall Philippe Petain im Sigma-ringer Schloß eine angemessene Unterkunft zu verschaffen.

Nach den Plänen der Reichsregierung sollte im Wilflinger Schloß fer-ner der Führer der faschistischen französischen Volkspartei, Jacques Doriot, seinen Sitz nehmen. Dieser lehnte das Angebot jedoch schroff ab. Er begab sich vielmehr auf die Insel Mainau, von wo er unge-störter die Entmachtung der in Sigmaringen installierten »Französi-schen Regierungskommission für die Verteidigung der nationalen In-teressen« betreiben konnte.

Quellen- und Literaturnachweise:

Pfarrchronik von Wilflingen, Diözesanarchiv Rottenburg Gerd Wunder: Die Schenken von Stauffenberg.

Eine Familiengeschichte ( = Schriften zur südwestdeutschen Landes-kunde 11), Stuttgart 1972

Peter Hoffmann: Claus Schenk Graf von Stauffenbeg und seine Brüder, Stuttgart 1992

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Walter Kempe zum Gedächtnis

Am 19. Mai 2004 starb in Ostrach unser Vereinsmitglied Walter Kempe. 1920 in Frankfurt am Main geboren, hatte Kempe noch als Soldat die Bestallung zum Apotheker erhalten. Anschließend war er über 20 Jahre bei den Farbwerken Hoechst in seiner Vaterstadt tätig, übernahm dann aber eine Apotheke in Ehingen an der Do-nau. Nach dem Tode seiner ersten Frau war er ab 1978 zuerst in der Apotheke Pfeiffer in Sigmaringen und anschließend bis 1986 in der Stadt-Apotheke Mengen tätig. Dort begann er, sich intensiv mit der Geschichte der Stadt-Apotheke und der ärztlichen Versorgung der Donaustadt zu beschäftigen. Seine Forschungsergebnisse fan-den schließlich in dem Aufsatz »Wundärzte und Apotheker in Men-gen. Ein Beitrag zur Geschichte der Stadt-Apotheke und der Stadt

RUDOLF LINSENMANN

Nachruf für eine verdiente Lehrerin in Empfingen (1946 bis 1971): Elsa Petersen f 9. Juli 2003 (Bearbeiter: Wolfgang Hermann)

Ansprache von Rudolf Linsenmann, Rektor der Grund-, Haupt- und Werkrealschule Empfingen am Grabe von Elsa Petersen am 16. Juli 2003.

Werte Trauergemeinde, die Nachricht vom Tode der ehemaligen Empfinger Lehrerin und Konrektorin Elsa Petersen am 9- Juli 2003 hat in der Schule Betroffenheit und Trauer ausgelöst. Obwohl Frau Petersen schon viele Jahre nicht mehr in Empfingen wohnte und sie » ihr « Empfingen aufgrund ihres Gesundheitszustandes auch nicht mehr besuchen konnte, ist der Kontakt zwischen Empfinger Bürgern und Frau Petersen doch nie abgerissen. Immer wieder haben Emp-finger Frau Petersen am Krankenbett aufgesucht. Von diesen Besu-chern hat auch die Schule immer wieder erfahren, wie sehr doch

Mengen« ihren Niederschlag, der in der Zeitschrift für Hohenzol-lerische Geschichte 20 (1984) publiziert wurde. Seit der Aufnahme seiner historischen und heimatkundlichen Forschungen gehörte Walter Kempe zum festen Kundenkreis des Staatsarchivs Sigmarin-gen. Bald trat er auch dem Hohenzollerischen Geschichtsverein als Mitglied bei. Aktives Mitglied war Kempe ferner im Schwäbischen Heimatbund und in der Gesellschaft Oberschwaben. Nach den For-schungen zur Geschichte Mengens wandte sich Kempe sodann der Erforschung der Geschichte der Gemeinde Ostrach und ihrer Orts-teile zu, wo er sich nach der Verehelichung mit seiner zweiten Ehe-frau Ilse häuslich niedergelassen hatte.

Die Ergebnisse seiner einzelnen Forschungen publizierte er in der Nachfolge von Rektor Willi Rieger in der Heimatkundlichen Beilage zum Mitteilungsblatt der Gemeinde Ostrach. Seit 1986 erschienen einzelne Beiträge auch in der Hohenzollerischen Heimat. Nach den im vergangenen Jahr herausgebrachten Registern zu dieser Schrif-tenreihe hat Walter Kempe bis in das Jahr 2000 14 Beiträge alleine und vier weitere zusammen mit Dr. Hermann Frank, Tübingen, her-ausgebracht. 2003 erschien in der Hohenzollerischen Heimat noch der Beitrag von Kempe zur Geschichte Dichtenhausens. Erwähnens-wert ist auch die schöne Exkursion mit dem Titel »Burgen im Ostrachtal«, die Walter Kempe 1995 im Rahmen des Veranstal-tungsprogramms des Geschichtsvereins organisiert und auch durchgeführt hat. Walter Kempe hat sich ferner im Bereich der kirchlichen Archivpflege verdient gemacht. Sein Engagement fand Anerkennung. 1989 wurde Walter Kempe als Vertreter der Raum-schaft Ostrach in den Vorstand des Geschichtsvereins gewählt. Seit 1993 war er als beratendes Mitglied in der Vorstandschaft tätig. Zu-letzt nahm er im April 2003 an der Verabschiedung von Dr. Herbert Burkarth als Schriftleiter der Hohenzollerischen Heimat und der Einführung seines Nachfolgers Robert Frank in Sigmaringen teil.

Mit Apotheker i.R. Walter Kempe hat der Hohenzollerische Ge-schichtsverein ein geschätztes Mitglied und die Gemeinde Ostrach einen rührigen Heimatforscher verloren, der sicherlich nicht bald ersetzt werden kann. Dr. Otto H. Becker

ihre körperlichen Kräfte nachließen und sich die Gesundheit immer mehr verschlechterte.

Heute nun gilt es Abschied zu nehmen von Elsa Petersen. Sie wurde 1912 in Osnabrück als Tochter des Angestellten Sauter geboren. Herr Sauter war beim Barmer Bankverein tätig. Das Gymnasium besuchte sie in Aachen, wohin die Familie umgezogen war. Dort machte sie 1932 mit Auszeichnung ihr Abitur. Von 1933 bis 1935 absolvierte die junge Frau ihr Lehrerstudium in Beuthen, Oberschlesien, das nach dem 1. Weltkrieg exakt an der Grenze zu Polen lag. 1935 legte sie die 1. Dienstprüfung mit Auszeichnung ab. Wegen Überfüllung des Lehrerberufes mußte sie zunächst als Hauslehrerin arbeiten, aber 1937 konnte sie im Staatsdienst im Regierungsbezirk Oppeln, Ober-schlesien, tätig werden.

Nach ihrer Heirat 1938 wurde Frau Petersen aus dem Staatsdienst enüassen, weil man nach damaliger Rechtslage weibliche Beamte entließ, wenn sie wirtschaftlich versorgt waren. Nach Ausbruch des 2. Weltkrieges war Elsa Petersen wieder als Lehrerin vom Herbst 1939 bis zum Januar 1945 in Warthenau, Oberschlesien, im Schul-dienst. Ihr Mann Erich, der bei Stalingrad verletzt worden war, wurde im August 1943 aus der Wehrmacht enüassen und konnte neben sei-

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Elsa Petersen. Sie war von 1955 bis 1971 Lehrerin in Empfingen, davon

die letzten acht Jahre als Konrektorin. Foto: Annemarie Strobel, Rottweil.

ner Frau an derselben Schule in Warthenau unterrichten. Vor den heranrückenden russischen Truppen mußte das Ehepaar Petersen mittellos durch Böhmen nach Westen fliehen. Sechs Monate dauerte der Irrweg, bis beide völlig mittellos bei den Eltern von Frau Peter-sen in Hechingen, wo ihr Vater seine Jugendjahre verbracht hatte, an-kamen. Nur die Zeugnisse waren Ihnen gebheben, die sie in die Klei-dung eingenäht hatten.

Da Frau Petersen der Bildung einen so hohen Stellenwert beimaß, suchte sie im November 1945 beim Staatlichen Schulamt in Hechin-gen um die Einstellung als Volksschullehrerin nach. Dies führte dazu, daß das Ehepaar Petersen ab 1946 in Empfingen Wohnung nahm. Zunächst war Elsa Petersen hier als Aushilfslehrerin und erst später als Vertragslehrerin an der Volksschule tätig. Im Jahr 1952 wurde ihr wiederum gekündigt, da alle weiblichen, verheirateten Aushilfslehr-kräfte im Interesse der Anstellung von 140 anstehenden Lehreran-wärtern von ihrer Unterrichtstätigkeit zurücktreten mußten. Die Kün-digung wurde jedoch bald zurückgenommen und von 1955 bis 1956 konnte sie als Vertragslehrerin in Empfingen arbeiten. 1956 machte sie ihre 2. Dienstprüfung und erhielt damit ihre Anstellung auf Le-benszeit. Sie wurde zur Hauptlehrerin befördert und 1959 wurde sie zur Oberlehrerin ernannt. Ihr Mann, der 1962 starb, konnte den wei-teren Aufstieg seiner Frau nicht mehr miterleben. Vom April 1963 bis Dezember 1963 war sie kommissarische Schul-leiterin. Bei dem nachhaltigen Engagement in ihrem Lehrerberuf ist es nicht verwunderlich, daß sie schließlich auch bereit war, in der Schulleitung neben dem neuen Rektor Rudolf Pokorny ab Dezember

Verantwortung zu übernehmen. Hervorzuheben ist dabei, daß in die-sen Jahren eine Frau in der Schulleitung einer Grund- und Haupt-schule sehr ungewöhnlich war und einen Ausnahmefall darstellte. 1971 mußte Frau Petersen aus gesundheitlichen Gründen in den Ru-hestand treten. 35 Jahre Lehrerdasein, davon 25 Jahre an der Emp-finger Schule und acht Jahre als Konrektorin waren geprägt von ih-rer großen Liebe zu den Kindern. Der Lehrerberuf war für sie eine Berufung. Sie ging in ihrem Beruf auf, und sie machte die Schule zu ihrem Lebensmittelpunkt. Ich persönlich habe Frau Petersen bereits 1965 als 10-jähriger kennengelernt. Ich erinnere mich noch gut daran, wie sie mir damals in ihrer fürsorglichen Art die folgenden Sätze auf den Weg gab: »Merke dir«, sagte sie, »alles kann man im Leben verlieren, Geld und Haus und Hof; aber was man gelernt hat, das kann einem niemand nehmen«. Ich weiß davon, daß Frau Elsa Petersen Kinder aus der Empfinger Schule Sonntag vormittags zu sich nach Hause bestellte und examinierte, ob sie für den Besuch des Gymnasiums geeignet wären. Dies zeigt, wie sehr sie die Kriegsereig-nisse geprägt hatten.

Frau Petersen verfügte insgesamt über eine natürliche Begabung für den Lehrerberuf. Diese kam bei ihr im einzelnen zum Ausdruck durch Eigenschaften wie Pflichtbewußtsein und Fleiß, durch ein vor-bildliches Verhalten in allen Belangen. Ein vornehmes Auftreten, ein achtunggebietendes und doch bescheidenes Auftreten machten sie behebt. In ihren Dienstzeugnissen wird ihr auch bescheinigt, in der Schule und insbesondere im Lehrerkollegium durch ihr überlegtes Urteil ein Quell für Ausgleich und Harmonie gewesen zu sein. Mit den Schülern pflegte sie einen vertrauensvollen, wenn es sein mußte, auch mal einen fest mütterlichen Umgang. Sie schuf ein behagliches Arbeitsklima, was sie bei Kindern und Eltern zu einer sehr beliebten Lehrerin werden ließ. Die große Anteilnahme der Empfinger für die Verstorbene ist ein deutliches Zeichen dafür, wie sehr es ihr gelun-gen war, nicht nur Kopf und Verstand, sondern auch das Herz ihrer Schüler zu gewinnen.

Frau Petersen war eine Frau, die sich den Herausforderungen in der Schule stellte. In der schwierigen Zeit nach dem 2. Weltkrieg hat sie mehrere Umzüge der Empfinger Schule in andere Gebäude miterlebt, bis zum Bau des heutigen Schulgebäudes im Jahre 1963. Frau Peter-sen wurden in dieser Hinsicht ausdrücklich Verdienste um die posi-tive Entwicklung der Schulverhältnisse in Empfingen bescheinigt. Konrektorin Elsa Petersen hat sich große Verdienste um die Empfin-ger Schule und im Ort erworben. Wir nehmen Abschied von einer be-merkenswerten Kollegin und einem liebenswerten Menschen; wir werden ihr in der Schule ein ehrendes Andenken bewahren. Als

Die 1963 neu gebaute Schule in Empfingen. Vorlage: Das Schulwesen in Empfingen einst und jetzt -Einweihung des Schulhaus-erweiterungsbaus 1998, Heimatbeiträge Heft 4, hgg. von der Gemeinde Empfingen, Horb 1998, Seite 38.

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äußeres Zeichen des Dankes und der Anerkennung legen wir im Auf-trag des Landes Baden-Württemberg und des Staatlichen Schulamtes Freudenstadt, sowie im Namen des Kollegiums, der schulischen Mit-arbeiter, der Eltern und Schüler einen Kranz nieder.

Frau Elsa Petersen möge ruhen in Frieden.

CD-Vorstellung »Hohenzollern-Serenade« von Matthias F. Kiemle

Wann gab es das schon einmal? Ein Stuttgarter Komponist hat die Be-schreibung der Geschichte der Burg Hohenzollern auf die musikali-sche Ebene verlegt! Von meist gesanglichen Huldigungen - das be-kannteste ist wohl das »Hohenzollernlied« - über Burg, Land oder Geschlecht, sowie einigen Märschen abgesehen, ist dieses Werk wohl einzigartig. Kiemle gelingt es mit der Hohenzollernserenade, den Zuhörer auf eine musikalische Zeitreise mitzunehmen. Eine Musik, die zum Hörerlebnis wird, bei dem vor dem geistigen Auge durchaus die wechselvolle Geschichte der Burg aufleben kann. Verdeutlicht wird sie durch prägnante Tonkonstruktionen in sieben Kapiteln: Sub Castro Zolre; Spielleute; Belagerung; Menuett; Fanfare; Verfall; Wie-deraufbau. Dabei entstehen Stimmungen, wie dies nur Musik nach Bildern zu vermitteln vermag. Geschehnisse, wie die Rast der fahren-den Spielleute, werden mit heiteren Rhythmen und verspielten Melo-diereigen vertont, während das »Menuett« eher die höfisch-elegan-ten Tanzszenen verdeutlicht. Eine kunstvoll verzierte Programmmu-sik, die mit balladenhafter Erzählkunst den Zuhörer fesselt. Beispiel-haft sei hier nur der erste Satz »Sub Castro Zolre« kurz angeführt: »Eine prägnant-liebliche Melodie wird hier zum Hauptthema, das in Variationen wiederkehrt. Zunächst von der warm tönenden Bassflöte eingestimmt und von einem flächigen Celloklang untermalt, wird es von der helleren Altflöte wiederholt und dann vom Piano der eigent-liche Satz eingeleitet, in dem das Thema wiederholt von Flöten, Cello und Klavier bearbeitet wird. Die Grundthemaük des ersten Satzes, der die erste Burg beschreibt, findet sich auch im Finalsatz wieder, wo sie sich im Ausdruck steigert und das Ganze klanggewaltig in eine kraftvolle Kadenz übergeht, den letzten königlichen Bau der jetzigen Burg gewissermaßen symbolisierend.« Eine großartige Serenade mit Elementen verschiedener Musikrichtungen, teilweise auch aus der Renaissance und klaren Barockstrukturen, bei denen sich der Ver-gleich mit den Flötenkonzerten Friedrich des Großen anbietet. Ge-genüber der Uraufführung, die am 4. Mai 2002 im Grafensaal der

HANS-DIETER LEHMANN

Nachruf auf eine Römerstraße auf Markung Rangendingen

Aus der heutigen Nordschweiz lief einst eine wichtige Römerstraße ins Neckarland und weiter in das Limesgebiet, wo demnächst die Grenzlinie des Römerreiches Weltkulturerbe werden soll. An die-ser alten Straße wurde die Touristenroute »Römerstraße Neckar-Alb« etabliert und jetzt bis auf Schweizer Gebiet erweitert.

Nach fast zwei Jahrtausenden ist von der originalen Römerstraße im Gelände nicht mehr viel zu erkennen. Bis vor kurzem war dies noch gegeben für ein kurzes Teilstück auf Markung Rangendingen: Vom Starzelübergang bei der Rangendinger Mühle stieg ein Feld-weg auf dem alten Straßendamm unter dem markanten Maienbühl

Quellen: Personalakte Staatsarchiv Sigmaringen, Wü 82 - T 9 - Nr. 318. Das Schulwesen in Empfingen einst und jetzt - Einweihung des Schulhaus-erweiterungsbaus 1998, Heimatbeitrage Heft 4, hgg. von der Gemein-de Empfingen, Horb 1998. Mündliche Auskünfte durch ihre Schwester Annemarie Strobel, Rottweil, von der auch das Foto stammt.

Burg stattfand, ist die Serenade auf der CD teilweise mit percussiven Elementen aufgemischt, was die Qualität jedoch nur aufwertet. Soweit zur Musik. Die Bedeutung der einzelnen Sätze mit ihrem geschichüi-chen Bezug zur Burg wird im Innenteil der CD genauer beschreiben. Der Umschlagsentwurf ist kunstbetont angefertigt: Die Esslinger Gra-fikdesignerin Dorothee Krämer stellt die Burg in starken Gelb- und Rottönen vor tiefblauem Hintergrund dar. Eine CD auch zum Ab-schalten, Träumen und Verweilen: Einfach nur so vom Alltag, in an-deren Klangwelten, oder eben auf der Burg Hohenzollern.

Künstlerinfo: Matthias F. Kiemle: Jahrgang 1963, lebt in Stuttgart. Er ist Pianist und Organist, Komponist, Arrangeur und Dirigent. Ausbildung als neben-amtlicher Kirchenmusiker. Studierte ev. Theologie in Tübingen und Münster. Verschiedene CD-Eigenproduktionen. Dr. Volker Leiss: Jahr-gang 1966, lebt als niedergelassener Arzt in Steinfurt. Er ist Block-flötist, Komponist und Studiomusiker. Konzerte, Rundfunk- und Fern-sehauftritte im In- und Ausland. Kulturpreisträger der Stadt Steinfurt 2002. Hat ebenfalls mehrere CD's produziert. Veronique Abitbol-Tov El: geboren 1971 in Paris, lebt bei Stuttgart. Studium Klavier und Cello in Paris, sowie an der Jerusalem Rubin Musik Academy mit Abschluss B.A. bei Prof. Schmuel Magen, z.Zt. fest angestellt bei Stella Musical Production und im German Pop Orchestra. Sie unterrichtet Klavier und Cello an einer Jugendmusikschule. Mit Volker Leiss arbeitet Mat-thias F. Kiemle seit 9 Jahren zusammen (Duo Con spirito). Leiss hat ein ähnliches Projekt mit Erfolg realisiert: Die »Bangno Suite« be-schreibt eine barocke Parkanlage in Steinfurth, »Ein Garten der Goet-hezeit«. Wiederaufgeführt wird die Serenade am 5. Juni 2005 im Zu-sammenhang der neuen Reihe »Schlosskonzerte entlang der Hohen-zollernstraße« in Hechingen im frisch renovierten »Alten Schloss«.

Hohenzollern-Serenade: Gesamtspielzeit: 31:03 Min.; Preis 10 Euro. Zu beziehen: In Hechingen in der Hohenzollerische Heimatbücherei, im Bildungshaus St. Luzen, im Souvenirladen unterhalb der Burg am Parkplatz, im Internet unter www.mfkiemle.de, oder zu erfragen bei Willy Beyer, Tel: 07471 16259

entlang auf die Höhe, über die die moderne Straßenverbindung Rangendingen-Hirrlingen läuft. Dieser von Büschen gesäumte, ausgefahrene Feldweg vermittelte dem an Geschichte interessierten Wanderer einen guten Eindruck von dem einst so wichtigen Altweg. Jenseits der Fahrstraße - in Richtung Hirrlingen - wurde der rö-mische Straßendamm im Zuge der abgeschlossenen Flurbereini-gung dadurch geschont, dass der moderne Feldweg parallel dazu angelegt wurde.

Das landwirtschaftlich genutzte Gelände unter dem Maienbühl wurde durch einen Feldweg erschlossen von Rangendingen her. Er kreuzt die Römerstraße wenig oberhalb des Geländeeinschnittes, oberhalb der Mühle. Da er der römischen Trasse nur auf wenige Meter folgt, war hier ein guter Kompromiss gefunden worden zwi-schen den Interessen des Denkmalschutzes und denjenigen der das Land unter dem Maienbühl bewirtschaftenden Rangendingern.

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Seit diesem Frühjahr ist das stimmungsvolle und geschichtsträch-tige Bild der Altstraße zerstört. Die Gemeinde Rangendingen ist aus dem Arbeitskreis »Römerstraße Neckar-Alb« ausgetreten und hat unmissverständlich dokumentiert, dass sie anderen Interessen Pri-orität einräumt: Die Römerstraße wurde in Ordnung gebracht und geteert! Man braucht hier autogerechten, direkten Straßenan-schluss! Ob das zuständige Tübinger Denkmalamt wohl von dieser Maßnahme informiert war? Man hat sich dafür nicht einmal an dem den römischen Straßendamm schonenden Beispiel orientiert, welches jenseits der Autostraße gegeben ist. Dem Ansinnen des Naturschutzes, im Rangendinger Naturschutz-gebiet weiter oben, wohl schon im Mittelalter - über ehemaligen Rebhängen errichtete »Berghäusle« zu entfernen, wurde »histo-risch« als Argument entgegengehalten. In Rangendingen ist offen-sichtlich dieses Argument nur dann ein Maßstab, wenn es für Pri-vatinteressen einsetzbar ist.

Was bei Auslagerung der Funktionen des Landesdenkmalamtes im Zuge der Verwaltungsreform zu erwarten ist, lässt sich auch aus Verlautbarungen aus einer anderen Gemeinde an der »Römer-straße Neckar-Alb« erahnen. Am 10. April 2004 berichtete der »Schwarzwälder Bote« von Problemen mit den alten Römern aus Burladingen unter der Überschrift »Römische Siedlungsreste be-hindern Entwicklung«.

Das »Vorerst« im zugehörigen Untertitel wird durch die referierten Auslassungen des Tübinger Regierungspräsidenten ins rechte Licht gesetzt - trotz dessen Alibizusatz, dass auch weiterhin den Interes-sen der Denkmalpflege Rechnung getragen werden müsse. Wenn »Entwicklung« behindert wird, darf mit historischer Sub-stanz in Zukunft so umgegangen werden, wie dies in Rangendingen im Vorgriff auf die anstehende Verwaltungsreform praktiziert wor-den ist.

Michael Lehmann -ein katholischer Rebell

Zum 100. Todestag des Publizisten, Schriftstellers und Komponisten

V. Das kompositorische Werk

„Mottete klingt feurig und wirkungsvoll" Die katholische Gesinnung von Michael Lehmann spiegelt sich be-sonders deutlich in seiner Musik. Zunächst Organist, wurde er spä-ter Chorregent an der Hechinger Stiftskirche. Diese Tätigkeit, auch Chordirektor genannt, ist vergleichbar mit der des heutigen Stifts-kantors. Dazu merkt Roman Sauter an: »Kein Proben war ihm zuviel, wenn es galt, die sogenannten ,musizierten Aemter', mehrstimmige Festmessen mit Orgel und Instrumentalmusik einzuüben.« Darüber hinaus gab Lehmann Musikunterricht und komponierte Stücke für »seinen« Stiftschor.

Mit seinem kompositorischen Schaffenswerk reiht sich Michael Leh-mann ein in eine lange Riege ehemaliger komponierender Chor-regenten und Kapellmeister und damit in eine weit zurückreichende musikalische Tradition im hohenzollerischen Hechingen und an der Stiftskirche St. Jakobus: Etwa in der ausgehenden Renaissancezeit um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert die Komponisten und Hofkapellmeister Leonard Lechner, Jakob Meiland, oder Ferdinand di Lasso. Als Hoforganisten standen dem Grafen Eitel Friedrich I. von Hohenzollern-Hechingen (regierte von 1576 - 1605) so bekannte Musiker wie Jakob Hassler und Rudolf di Lasso zu Diensten. Zur Um-setzung von Werken aus der weltlichen Literatur gehörten in jener Zeit der hohenzollerischen Gegenreformation im besonderen auch die sakralen Werke. Oder beispielsweise die weniger bekannten, dafür aber höchst fähigen Komponisten Thomas Täglichsbeck und Georg Wichtl, die gegen Mitte des 19. Jahrhunderts dem Erbprinzen und späteren Fürsten Friedrich Wilhelm Konstantin (regierte von 1838 - 1 8 4 9 ) als Hofkapellmeister und Hofmusikus zu Diensten wa-ren. Beide wirkten zudem als Kirchenmusiker an der Stiftskirche. Wichtl (1805 - 1877) gründete 1836 im Auftrag von Friedrich Wil-helm Konstantin einen Singverein, der als gemischter Chor die Hof-kapelle des Erbprinzen ergänzte. Der Singverein ging dann durch Fu-sion mit der »Metall-Harmonie« in den Musikverein über. In der Blü-tezeit des nunmehr großen Orchesters mit seinem gemischten Chor

arbeiteten selbst so bekannte Komponisten wie Franz Liszt oder Hec-tor Berlioz mit ihnen. Der Musikverein verlor nach der Abwanderung des Fürsten mit seiner Hofkapelle nach Löwenberg/Schlesien (in-folge des Regierungsverzichts von 1849) sein hohes Niveau.

Hier erscheint dann später wieder Michael Lehmann, der, gemäß ei-ner Festschrift von 1936 zum 100-jährigen Jubiläum des Musikver-eins Hechingen, auch Dirigent des Musikvereins war. Letztlich ging der Musikverein in die Chöre des Sängerbundes und Stiftschores über. Das Löwenberger Orchester hingegen, vom Fürsten Konstantin protegiert, avancierte unter seinem späteren Dirigenten Max Seifritz zu einem der drei besten Orchester Deutschlands, mit dem selbst Richard Wagner zwei Konzerte umsetzte. Die beiden anderen Orche-ster waren die von Franz Liszt geleitete Weimarer Hofkapelle und das Sondershausener Orchester. In der Konzerthalle von Löwenberg wurden die neuesten Werke der damals populärsten Komponisten aufgeführt. Jedermann hatte für einen Taler Zugang zu den Konzerten und häufig waren die Komponisten anwesend oder dirigierten selbst. Den enormen Aufwand finanzierte der Fürst mit etwa 30 000 Talern pro Saison. Das hervorragende Löwenberger Orchester, mittlerweile zu Weltruhm gelangt, löste sich mit dem Tod ihres Förderers Frie-drich Wilhelm Konstantin, dem letzten Fürsten von Hohenzollern-He-chingen, im Herbst 1869 auf. Franz Liszt war mit dem Fürsten bis zu dessen Lebensende eng befreundet. Er erhielt vom Fürst gegen Mitte der 1840-er Jahre, also noch in Hechingen, sogar den Titel eines Hofrates. Liszt spielte auch privat für den Fürsten und sicherlich mit ihm gemeinsam, wie das Lied »Ein Mädchen sitzt am Meeresstrand«, vom Fürsten komponiert und von Franz Liszt am Klavier begleitet. Der Komponist betrachtete es als Ehre, dass er sich an diesem »ser-bischen Lied« beteiligen konnte. Es findet sich heutzutage im Werk-verzeichnis von Franz Liszts wieder (Nr.683 nach Dömling)

Michael Lehmann dagegen, ein unbekannt gebliebener und kleiner Komponist gegenüber Liszt, schrieb selbst ein Kapitel Musikge-schichte, allerdings nur in der preußischen Exklave Hohenzollern-Hechingen. Er komponierte sakrale Werke mit Vertonungen von la-teinischen Texten, aber auch deutsche Stücke mit geistlichem Inhalt. Darunter sind Werke für Männer- und gemischte Chöre, a-cappella ohne Begleitung oder mit Orchester-, Orgel- beziehungsweise Har-moniumbegleitung. Nur in einer Quelle, einer ausführlicheren Auf-listung über bekannte Männer aus der ehemals hohenzollerischen Exklave Langenenslingen, wird Lehmann als Komponist etwas ge-

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nauer beschrieben: »Bis ins hohe Alter begleitete er diese Stelle (des Chorregenten) mit der Kraft und Frische eines Jünglings. Er war ein großer Musikfreund und verstand es auch, ansprechende Komposi-tionen zu schaffen. Feurig und wirkungsvoll klingt besonders seine Motette ,Alleluja' zum hohen Osterfeste.« Leider hegt von diesem a-cappella-Stück nur noch die Sopranstimme vor. Von den Stücken aus den bisher vorhegenden Verzeichnissen sind nur fünf komplette Notensätze, teilweise noch in handschriftlicher Notation, vorhanden. Die Notensätze einiger Stücke gab Ch. Fassoli in Strasbourg mit fran-zösischen und deutschen Beschreibungen heraus. Der Verlag ist längst erloschen.

Michael Lehmann um das Jahn 1895, also im Alter* von 68 Jahren. Er starb

am 3- Eebr 1903, zwei Tage vor Vollendung seines 76. Lebensjahres.

Vorlage: Hohenzollerische Heimatbücherei Hechingen.

Überschaubares Werk im Stil der Wiener Klassik Das musikalische Werk von Michael Lehmann ist nicht als hoch-kompliziert einzustufen. Es ist zudem überschaubar. Die Musik hat eine gefällige Leichtigkeit und ist zuweilen sogar heiter beschwingt. Stillstisch ist sie in ihrer lieblich-geschmeidigen Art am ehesten der Wiener Klassik und Frühromantik zuzuordnen. Denkbar ist, dass Lehmann mit Absicht für seinen Chor eine damals praxiserprobte Musik ohne Komplikationen bevorzugte. Auffallend im Werk sind die vielen Stücke zur Marienverehrung.Alle Chorwerke dürften während der Chorregentenzeit komponiert worden sein. Im Folgenden eine Übersicht, wobei das jeweilige Erscheinungsjahr nicht bekannt ist. 1. Deutschsprachige geistliche Stücke: »Du in dem Himmel«, so-

wie die für vierstimmigen Männerchor geschriebenen Grablie-der »Weit ist Himmel«, und »Grablied«.

2. Sogenannte marianische Antiphonen, geschrieben zur Marien-verehrung: Vermutlich zwei verschiedene »Regina coeli laetare«,

aufgeführt zur Osterzeit, ein »Les Antiennes de la sainte Vierge« sowie ein »Salve Regina«.

3. Anderweitige sakrale Werke, die alle auf den jeweüs vorge-schriebenen, immer gleichen lateinischen Textinhalt hin kom-poniert sind: Ein »Ave Maria«, eine Messe, sowie die Hymnen »Halleluja« und »Adeste Fidelis«. Bei der Werksangabe »Vingt-quatre cantiques allemands de tous les siècles, en l'honneur de la sainte Vierge, â quatre voix« ist unklar, ob es sich um Eigen-kompositionen oder eine anderweitige Sammlung von »Vierund-zwanzig deutschen Gesängen aller Jahrhunderte zu Ehren der heiligen Jungfrau, für vier Stimmen« handelt.

4. Instrumentalwerke: Acht beziehungsweise vierzehn Vorspiele für Orgel in zwei Sammlungen, komponiert während der Zeit als Stiftskirchenorganist.

Lehmanns »Adeste Fidelis« ist ein Stück für Sopransolo, Chor und Orgel, das zu Weihnachten aufgeführt wird. Anlässlich eines Fest-konzertes des Stiftschor mit Solisten, Bläsern der Stadtkapelle und dem Hechinger Kammerorchester, bei denen selten gehörte kirchen-musikalische Werke aus der Zeit der »Fürstlich Hohenzollerischen Hechinger Hofmusik« aufgeführt wurden, kam es im Oktober 2001 zur Wiederaufführung von Lehmanns marianischem Antiphon »Salve Regina«. Unter der Leitung von Stiftskantor Mario Peters, der das alte, handschriftlich notierte Werk aufgearbeitet und neu editiert hat, erklang in der Stiftskirche erstmals nach etwa 100 Jahren wieder das Stück mit der prägnant-heblichen Melodie. Eine von allen gesungene Huldigung der Jungfrau Maria, bei der allerdings jener für den Anti-phon typische Wechselgesang fehlt. Lehmanns Messe ist eine »Missa Brevis«, dass heißt eine »kurze Messkomposition«.

Alle Stücke sind sehr knapp, und mit insgesamt etwa zwölf Minuten Aufführungszeit ist das Werk sogar eine besonders kurze »Missa Bre-

Kardinal Karl Lehmann, derzeit Vorsitzender der Deutschen Bischofs-

konferenz. Der Kardinal ist der Urenkel von Michael Lehmanns Bruder Ra-

phael Foto: Pfarrer Dr Benedikt Ritzler, Hechingen.

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vis«. Vermutlich wollte Lehmann eine Messe komponieren, die gut klingt und ohne Schwierigkeiten umzusetzen ist. Sie wurde im Juli 2003 vom Hechinger Stiftschor erstmals wieder in der Stiftskirche aufgeführt. Ein Teil der Messe erklang zudem bei der feierlichen Ein-weihung der neuen Gockelorgel zum Patrozinium an der Stiftskirche St. Jakobus am 25- Juli 2004.

Die Schirmherrschaft über die Patenschaftsaktion für diese Orgel hatte neben Erwin Teufel der Urenkel von Lehmanns Bruder Raphael übernommen: Kardinal Karl Lehmann, derzeit Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Stellvertretend für Lehmanns Kompo-sitionen soll diese Messe in Es-Dur hier genauer vorgestellt werden.

Lehmann gibt an, dass die Messe zwei-, drei- und (oder) vierstimmig gesungen werden kann. Neben verschiedenen Tempovorgaben emp-fiehlt er den Vortrag mit guten Sopran- und Altstimmen. In den ein-zelnen Sätzen gibt es immer wieder Solostellen für die Frauenstim-men von Alt und Sopran, denen das Tutti des Chores gegenüber steht. Das »Kyrie« ist eine eher heitere Komposition, schwungvoll und freu-dig im Stil der Wiener Klassik. Das »Gloria« ist eine kräftige Dacapo-Komposition mit besonderer Ausdeutung von Textstellen wie »...mi-serere nobis...« (erbarme dich unser), das eine sehr leise Tonfolge hat, oder bei »...Jesu Christe...« in Moll-Harmonik erscheint. Das »Credo« ist gewissermaßen »glaubensstark« ausgelegt und eher der Frühromantik verpflichtet, mit ungewöhnlichen Harmoniefolgen (Anfang Es-Dur, dann C-Dur) und besonderer Ausdeutung von Text-teilen.

Das »Sanctus« ist erneut eine romantische Komposition, bei der im dreifachen Anruf (Sanctus) jeweils ein Ton höher eine dynamische Steigerung entsteht. Das Herzstück der Messe ist das »Benedictus«, das früher immer nach der Wandlung gesungen wurde. Der Satz steht in As-Dur und hat sehr ausdrucksstarke und innige Harmonien, wo-bei die Orgelbegleitung selbstständiger wird und Freiraum für Solo-passagen hat. Schließlich das »Agnus Dei « als Dur-Komposition. Die Agnus-Dei-Melodien interpretieren in der Kirchenmusik häufig den leidenden Christus.

In der Lehmann-Messe zeigen sie vielleicht eher den auferstandenen Christus, weil sich die Melodie wie eine Tonleiter nach oben bewegt, und zum Finale hin bei »...dona nobis pacem...« betörend leise wird. Als solle der Ausdruck einer bewusst devoten Bitte an Gott um Frie-den auf der Welt mithilfe der Musik noch verstärkt werden.

Rastloser Autor arbeitet schon im Morgengrauen am Stehpult Michael Lehmann hat seine unterschiedlichen Begabungen sicher nicht versteckt, sondern genutzt und ausgelebt. Betrachtet man nur seine enorme publizistisch-künstlerische Hinterlassenschaft, so muss ihm eine außerordentliche Effizienz bescheinigt werden. Allein die Tätigkeit als Stiftskantor ist heutzutage eine Vollzeitbeschäftigung. Roman Sauter schreibt in seinem Nachruf: »Ja in der Tat, Lehmann hat mit den ihm von Gott verliehenen Talenten gewuchert, alle hat er zur Geltung gebracht, er war ein ganzer Mann auf jedem Posten, auf den er gestellt war.« In Zeiten ohne Ablenkung durch Massenmedien wie Radio und TV oder Internet, als niemand sich vorstellen konnte, dass die eigene Stimme oder bewegte Bilder einmal durch den Äther und in Echtzeit über die Ozeane gehen, konnte kreative Arbeit viel-leicht auch eher strukturiert, zielorientiert und effizient sein.

So wird Lehmanns Leben auch als arbeitsreich beschrieben: »Müßig-gang war ihm fremd. Morgens bei Tagesgrauen stand er an seinem Schreibpult, mancher Leitartikel wurde von ihm geschrieben in den Stunden des Tages, in denen noch die meisten Menschen der Ruhe pflegten. Dabei war er mit einer staunenswerten Geistesfrische noch bis in die letzten Lebenstage hinein beschenkt, so dass er vielfach als die .lebendige Geschichte' galt.« Damit war der Gesellschafter Leh-mann gemeint, der mit seinem »erstaunlichen Erinnerungsvermö-gen« noch im hohen Alter Freunde und Stammtische unterhalten ha-ben soll. Noch etwas Aufschluss über Lehmanns Eigenschaften mit Bezug auf seine katholische Überzeugung gibt die Durchsicht von Nachrufen, etwa: »Er war ein Charakter von stählerner Festigkeit« oder: »eine kraftvolle, offene, gerade Natur, ein eiserner Charakter, der sich niemals von seiner Ueberzeugung etwas vergab, ein edler Mann«. Und das so oft gehörte Versprechen, »sein Andenken wird ehrenvoll bei uns fortleben«. Nach dieser Beteuerung im »Zol ler « und den üblichen Seelenämtern vertieren sich seine Spuren aller-dings fast schlagartig.

Tod nach einer bösartigen Krankheit Bis wenige Monate vor seinem Tod war Lehmann als Chorregent an der Stiftskirche tätig. Die Redaktionsgeschäfte des »Zol ler« verrich-tete er noch Wochen vor seinem Tod. Er starb in Hechingen zwei Tage vor Vollendung seines 76. Lebensjahres am 3- Februar 1903 um 14.15 Uhr nach einer »bösartigen Krankheit«. Ein Alter, das für jene Zeit eigentlich recht hoch war.

Obwohl ihre monumentähnlichen Grabsteine auf dem Hechinger Hei-ligkreuzfriedhof darauf hinweisen, dass Lehmanns Gegenspieler Lud-wig Egler und August Evelt, aber auch die Pfarrer Blumenstetter und Sprißler, anscheinend noch verehrt werden, so weist jedoch nichts mehr auf Michael Lehmann hin. Sein Grab existiert nicht mehr. Es ver-liert sich in einem Feld, in dem es, bedingt durch wiederholte Neu-ordnungen im Friedhofswesen, nicht mehr auffindbar ist.

Seine Witwe Maria Lehmann, geborene Reiner, die 20 Jahre jünger als ihr Mann war, überlebte Lehmann um 22 Jahre. Sie starb am 19. August 1925. Die beiden hatten zwei Töchter: Gisela und Stephanie. Die ältere Tochter Gisela betrieb später mit ihrem Mann Friedrich Kramer ein Lebensmittelgeschäft am Rain, das spätere »Kaisers Kaf-feegeschäft«.

Lehmanns Haus in Hechingen, jetzt Firststraße 4 neben dem Café Klaiber auf der hinteren Seite des Obertorplatzes, ging an die Toch-ter Stephanie Heck. Deren Nachkommen verkauften das Haus in den 60-er Jahren des vorigen Jahrhunderts.

Vom »Zoller« zur »Hohenzollerischen Zeitung« Die Zeitung »Der Zoller«, deren Mitbegründer und leitender Redak-teur Lehmann 30 Jahre lang war, hatte nach seinem Tod nur noch 33 Jahre Bestand. Von den »Hohenzollerischen Blättern«, die sich auch nach Lehmann ständig mit dem »Zol ler « befehdeten, wurde das Blatt 1918 zeitweise als preußenfeindlich eingestuft.

Gegen Antisemitismusvorwürfe der »Hohenzollerischen Blätter« wehrte sich der »Zol ler« 1920 vehement. Als Redakteur folgten Leh-mann Georg Rathgeber (1903-1906), Konrad Holderried (1906-1908), Bernhard Fehrecke (1908-1919) und ab 1919 August Pretzl.

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Der aufkommende Nationalsozialismus wurde vom »Zol ler« scharf bekämpft und die Zeitung daher nach der Machtergreifung abge-lehnt. Der Verlag (Pressverein) arbeitete schon vor 1933 mit Verlust. Für das Ende des »Zol ler« war aber schüeßlich die »Amman'sehe Verordnung« ausschlaggebend, die anonymen Gesellschaften die Herausgabe politischer Presseerzeugnisse verbot, um damit konfes-sionelle und berufsständige Einflüsse zu verhindern. Dies betraf den Verlag, weil er seit Oktober 1900 in der Gesellschaftsform einer A.G. eingetragen war, die hauptsächlich aus Geistlichen bestand. Da auch Pretzl als Verleger abgelehnt wurde, hörte »Der Zoller« auf zu exis-tieren. Die letzte Ausgabe datiert auf den 29- Februar 1936. Die Le-ser gingen auf die »Hohenzollerischen Blätter« über.

Die Aktiengesellschaft wurde schüeßlich mit Beschluss der General-versammlung vom 21. Juni 1937 aufgelöst. August Pretzl führte die Buchdruckerei zwar zunächst weiter, aber der Betrieb wurde boy-kottiert. Schließlich wurde die Firma geschlossen und die Einrich-tung beschlagnahmt. Nach dem Zweiten Weltkrieg baute Pretzl 1945 die Druckerei neu auf. Als sich 1949 zwölf Altverleger mit den Li-zensverlegern zur Herausgabe der »Südwestpresse« zusammen-schlossen, erschien bei Pretzl in Hechingen die »Hohenzollerische Zeitung«. Diese, heute weit verbreitete Tageszeitung im Mittelbereich Hechingen ist also indirekt aus dem »Zol ler« hervorgegangen.

Abschließend noch eine heitere Anekdote aus der Zeit des Kultur-kampfs als Michael Lehmann sozusagen einen hohen Bekanntheits-grad im Hechinger Gefängnis besaß. Sie ist in Hechingen folgender-maßen überliefert worden: »Nachdem Lehmann wieder einmal aus dem Gefängnis entlassen worden war, saß er abends am Stammtisch in der Reichskneipe (der heutigen Ratsstube an der Ecke Turm- und Kaufhausstraße). Als der Jude Rubin hereintrat, begrüßte ihn Leh-

Michael Lehmann (1827-1903) -Werksverzeichnis Musik

Titel Besetzung Begleitung Adeste Fidelis SATB+S-Solo + Org/Harm Alleluja v. z.T. S(ATB-?) -

Ave Maria SA +Org/Harm Du in dem Himmel v. SATB -

Grablied TTBB. ?

Les Antienne de la sainte Vierge SA(TB) + Org/Harm Missa Brevis v. SA(TB) + Org/Harm Regina coeli laetare v. SATB + Orchester Regina coeli laetare 2-stimmig. + Org/Harm Salve Regina v. SATB + Orchester Vingt-quatre cantiques allemands 4-stimmig ?

Weit ist Himmel TTBB ?

1er Cahier (Präludien) v. Orgel -

2e Cahier (Präludien) v, Orgel

SATB - Die Frauen-/Männerstimmen Sopran, Alt/Tenor, Bass v. - Noten vorhanden oder teilweise (z.T.)

Stand: Dezember 2004

mann mit den Worten: ,Da ist ja unser lieber Edelstein', worauf Ru-bin antwortete Jedenfalls bin ich aber noch nicht gefasst'.«

Michael Lehmann war zweifellos ein Multitalent. Einer, der alle seine Begabungen für seine religiöse Überzeugung genutzt hat. Aber warum ist er, der Kämpfer für die katholische Erneuerung, der we-sentlich zum Zentrumssieg in Hohenzollern beigetragen hat, Mitbe-gründer und längster Chefredakteur des »Zol ler« war, knapp ein hal-bes Jahrhundert lang als Musiker an der Stiftskirche und als Kompo-nist die Hechinger Musikgeschichte geprägt hat, und ganz nebenbei so viele Bücher wie sein Zeitgenosse Karl May herausgab, ganz und gar in Vergessenheit geraten? Dieser Frage wollen wir in einer sepa-raten Fortsetzung nachspüren.

Quellennachweise für Teil V: - Sauter, Roman: Michael Lehmann / Der erste »Zoller«-Redak-

teur, Hechingen, »Zo l ler « vom 5. Feb. 1927 - Schmid, Ernst Fritz: Hohenzollern (Kapitel) V. Grafen bzw. Für-

sten von Hohenzollern-Hechingen und Hohenzollern-Sigma-ringen, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Band 6, Kassel-München 1989, S. 602 - 607

- Steven De'ak: David Popper. Chapter IV. Löwenberg, (etc.), Neptune City - New Jersey 1980

- Richard Pohl: Ein Konzert des Löwenberger Orchesters, in: Neue Zeitschrift für Musik, Leipzig Mai 1863

- Gregor Richter: »Europäischer Ruf in der Musikwelt«. Der He-chinger Hofkapellmeister und Komponist Thomas Täglichs-beck, in: Beiträge zur Landeskunde von Baden-Württemberg, Ausgabe 5-2000

- Wolfgang Dömling: Franz Liszt und seine Zeit, Regensburg 1998

- Namhafte Söhne von Langenenslingen. Serie im »Zol ler « , 1913 - Sauter, Walter: Musikpflege in Hechinger Vereinen, in: Hundert

Jahre Musik und Gesang in Hechingen. Hundertjahrfeier zur Erinnerung an die Gründung des Musikvereins Hechingen am 5. und 6. Dezember 1936, Druckerei der Hohenzollerischen Blätter Holzinger u Co, Hechingen 1936

- Archiv der Stiftskirche im Pfarrbüro von St. Jakobus, Hechin-gen

- Bibliothèque Musicale de l'Union Sainte Cécile, F-Strasbourg: Recueil de musique d'orgue d'une exécution facile par des au-teurs distingués de l'Allemagne et de l'Alsace. Edition Ch. Fas-soli et Ohlmann

- Nekrolog in: Magazin für Pädagogik, Nr. 15 (1903) - Stadtarchiv und Archiv der Friedhofsverwaltung in Hechingen - Persönliche Mitteilungen der Urenkel - Zekorn, Andreas: Kultur in Hohenzollern, in: Kallenberg, Fritz,

Hrsg., Hohenzollern, Stuttgart 1996, S. 360 - 409 - Hohenzollerische Heimatbücherei Hechingen: Bestände Ub

571, Ubl71 - Hohenzollerische Volkszeitung, Nr. 55 (1936) - Der Zoller, Nr. 20 (1903) , Nr. 53 (1913) , Nr. 118 (1920) , Nr.

50 (1936) - Hohenzollernsche Blätter, Nr. 155 (1903) , Nr. 75 (1906) , Nr.

75,276 (1908) , Nr. 281,285 (1918) , Nr. 1,2 (1919) , Nr. 118 (1920), Nr. 51 (1936) , Nr. 205 (1937)

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CHRISTIAN H. FREITAG

Die Schernegger Kreuzung -ein historisches Ensemble im Hohenfelser Land

Seit Jahrhunderten kreuzen sich bei Kalkofen-Schernegg im Ho-henfelser Land mehrere Straßen: die alte Römerstraße Stockach-Pfullendorf, der steile alte Mühlweg hinunter zur Neumühle, die Verbindungsstraße nach Liggersdorf und schließlich die um 1830 gebaute Serpentinenstraße nach Mahlspüren im Tal.

Kreuzung An Kreuzungen wird gemeinhin angehalten: zum einen, um even-tuell anderen Verkehrsteilnehmern die Vorfahrt zu geben, zum an-deren, um sich für die Weiterfahrt zu orientieren, um Rast zu ma-chen, sich zu proviantieren und dabei möglichst auch Neuigkeiten auszutauschen. Kein Wunder also, dass an der Schernegger Kreu-zung schon frühzeitig ein Rasthaus und eine Schmiede standen. In einer Urkunde aus dem Jahre 1543 wird denn auch eine (nach er-folgtem Umbau so genannte) »neue Weintaverne und Herherge an der Landstraße« beschrieben.

Schern-Egg »Schern-Egg« bezeichnet laut Grimms Wörterbuch eine »Ver-kaufsstelle von Fleisch, Brot u.ä. an einem Hügelrücken« - ein überaus passend gewählter Name für Lage und Funktion des Ho-henfelsischen Schernegg. Dass hier im übrigen der Tagungsort deutschordentlicher Gerichtsbarkeit war und zudem eine Schule eingerichtet wurde, unterstreicht die - wir würden heute sagen -»zentralörtliche Bedeutung« der Schernegger Kreuzung.

Die Einkünfte, die die Schernegger Wirte und der Deutsche Orden als Landesherr durch den Verkauf von Proviant, die Versorgung der Fuhrwerke, die Gewährung von Unterkunft u.ä. hatten, waren in der Regel beträchtlich. Das Geschäft brummte, ähnlich wie heute an mancher Autobahnraststätte. Anfang des 18. Jahrhunderts wurde ein erweiterter Neubau not-wendig, der ein paar Jahre später unter Aufsicht des Deutschor-densbaumeisters F.A. Bagnato schließlich in die barocke Form ge-bracht wurde, in der Haus Schernegg auch heute noch bewohnt und erhalten wird.

Die verkehrsgünstige Geschäftslage hatte allerdings nicht nur Vor-teile: 1796, während der Koalitionskriege, legte der französische General Viomenü, die militärische Gunst des Ortes erkennend, sein Hauptquartier für einige Zeit ins Haus Schernegg. Trotz guter Ver-pflegung - an einem Tag ließ man ihm » 4 Bouteilles Burgunder, 10 Maß Seewein, einige Hühner und etwas Obst« aus Hohenfelser Schlossbeständen zukommen - kam es im Verlaufe der Einquar-tierung zu Misshandlungen des Schernegger Wirts und zu Dieb-stählen; unter anderem ließen die Truppen silbernes Besteck und Zinnteller im Werte von über 17 Gulden mitgehen.

Mühlweg Transport und Reisen allgemein waren in früheren Jahrhunderten wohl mindestens ebenso gefahrvoll wie heute, zumal auf dem stei-len Kalkofer Mühlweg, über den es in einem Bericht aus den 1930er Jahren heißt: »Wie auf diesem Weg die Mühlfuhren auf und ab fahren konnten, ist fast ein Rätsel. Bei jeder Fahrt (zur Neu-mühle) taten sich mehrere Gespanne zusammen und fuhren mit vielfachem Vorspann das Mehl zu Berge. Aber auch so muss es noch eine Schinderei für die Pferde gewesen sein« - und ebenso für die Fuhrleute, möchte man ergänzen.

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Die Schernegger Kreuzung auf einer Karte des 18. Jhs. (Staatsarchiv Sigmaringen, Dep. FAS DS 33 - Herrschaft Hohenfels -T1R. 63 Nr. 2. Repro: Hauptstaatsarchiv Stuttgart)

War bei den Abfahrten endlich das Tal erreicht, hatte die Plackerei durchaus kein Ende, führte doch der Mühlweg, wie es in einem amtlichen Schreiben des Jahres 1826 hieß, »größtenteils in dem Bette eines Baches fort, welchen heftige Regengüsse öfters nötigen, sein Ufer zu übertreten, und die Winterkälte zwingt Eislagen über-einander anzusetzen, die für das Fuhrwerk und das Vieh äußerst beschwerlich und gefährlich werden«.

Diese besondere Mühsal fand erst in den 1830er Jahren ihr Ende, als mit erheblichem technischen und finanziellem Aufwand die neu trassierte, auch heute noch genutzte Landstraße nach Mahlspüren im Tal gebaut wurde - doch dies ist eine Geschichte für sich...

Kapelle In Schernegg, diesem Ort der Mühseligen und Beladenen, wird si-cher schon frühzeitig ein Wegkreuz errichtet worden sein, später dann eine Kapelle als Ort für geistliche Einkehr vor oder nach ei-ner Berg- und Talfahrt. Auf jeden Fall sicher belegt ist ein Scher-negger Kirchenbau für das Jahr 1696 durch die Weiheurkunde der dortigen Eligius-Kapelle. 1760 wurde das Gebäude von F.A. Bagnato umgestaltet und mit ei-nem großen Deutschordenskreuz über dem Eingang versehen. Die künstlerische Ausstattung des Inneren sowie die Patronatswahl wa-ren wohlüberlegt: zum Hauptpatron wurde Eligius, der Heilige der Schmiede, Fuhrleute und Pferdehändler erkoren und mit einem Stuckrelief am Altar geehrt. Daneben fanden Katharina von Ale-xandrien (mit Blick auf ihren Märtyrertod »durch das Rad« und als ursprüngliche Patronin des Deutschen Ordens) sowie Antonius von Padua (als Heiliger u.a. der Bäcker und der Reisenden) ihren Platz in Form von Altarfiguren. Maria, die Schutzpatronin des Deut-schen Ordens, wurde auf der 1748 bei Rosenlecher in Konstanz ge-

gossenen und in einem Dachreiter hängenden Glocke in einem Strahlenkranz dargestellt und geehrt. An solchem Orte konnten nun Fuhrleute und Reisende in angemessener Weise um Schutz und Beistand bitten oder für den glücklichen Ausgang einer Fahrt danken.

Auch die ortsansässige Bevölkerung nahm das Kirchlein für lokale Fürbitten in Anspruch. So berichtet Dr. Stehle in seinem 1925 er-schienenen Hohenzollerischen Heimatbuch, dass in Schernegg »alljährlich ein Bettag abgehalten (wurde), damit der benachbarte Josenberg nicht abrutsche und das Dorf (Kalkofen) zudecke« -angesichts der geologischen Verhältnisse dort ein nicht unbegrün-detes Ansuchen.

Im Laufe der vergangenen Jahre ist die Schernegger Kapelle gründ-lich renoviert worden. Sie wird von Kalkofer Einwohnern liebevoll gepflegt und zu Gottesdiensten und Andachten genutzt.

Fazit Alles in allem ist die Schernegger Kreuzung ein bau- und verkehrs-geschichtlich bedeutsames Ensemble - schade, dass heutige Ver-kehrsteilnehmer in aller Regel hier kaum mehr an- und innehal-ten...

Zitate aus: - Bruno Stehle: Hohenzollern - ein Heimatbuch. Sigmaringen

1925 - August Reiber: »100 Jahre Kalkofener Staig«, in: Heimatklänge

2/1935 - Akten Staatsarchiv Sigmaringen, Ho 86, 508 und Ho 160, NVA

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Menschen auf dem Land Neue Geschichten und Gedichte aus Baden-Württemberg Zum dritten Mal bereits lud die Akademie Ländlicher Raum und der Staatsanzeiger-Verlag zu einem Literaturwettbewerb ein. Dies-mal lautete das Thema »Menschen auf dem Land«. So heißt auch das Buch des Silberburg-Verlags Tübingen, in das Beiträge von zehn Wettbewerbs-Teilnehmern aufgenommen wurden. Sie cha-rakterisieren Menschen und schildern Erlebnisse aus unterschied-lichen Teilen des Landes: in unterschiedlichen Stilarten und auch in Gedichtform. Vielfach werden dabei Vergleiche gezogen zwi-schen früher und heute, wird erinnert an Zeiten und kleine Welten, die keineswegs immer rosig und heil waren.

Das Buch »Menschen auf dem Land« umfasst 120 Seiten und ist mit 17 beeindruckenden Farbaufnahmen illustriert. ISBN 3-87407-623-7.12,90 Euro, (ba )

Manfred Eichhorn: Kaffee, mein Leben. Geschichten und Bilder aus meiner Hennadäpperzeit Erst servierte Manfred Eichhorn im Buch »Hennadäpper« schöne Kindheitsgeschichten wie jene von der Wächter Hedwig, die einen Regenwurm, schluckte. Ihnen ließ er weitere Erinnerungen an seine schwäbische Kindheit im Band »Die Zukunft war schön« fol-gen. Seine Meinung »Jetzt gibt es nichts mehr zu erzählen« musste der Ulmer Autor aber korrigieren, als er eine ehemalige Schulka-meradin traf und neue Bilder vor seinem geistigen Auge auftauch-ten. Beim Blättern in Alben, die er vom Dachboden holte, »er-wachten« schließlich neue Geschichten in seinem Gedächtnis, die nun im dritten Band »Kaffee, mein Leben« niedergeschrieben sind (alle drei Bücher: Silberburg-Verlag, Tübingen). Wieder ist es ein heiterer, manchmal auch etwas Wehmut weckender Bück zurück in eine Vergangenheit, die es so nicht mehr gibt, in der das Sich-fotografierenlassen noch ein steifes, umständliches Prozedere war und in der als Fußballmannschaftstrikots noch grüngefärbte Un-terleibchen dienen mussten. Manfred Eichhorn entsinnt sich auch des »Jahrhunderthochwassers« der Blau, seiner ersten heimlichen Küsse oder der Originale und Persönlichkeiten in der Verwandt-schaft. Er erinnert an Familien- und religiöse Feiern oder gibt ein-schneidende Ereignisse preis, die seine Vorfahren geprägt und die sie ihm offenbart haben. Des Autors Kurzgeschichten sind gut ver-ständlich, frisch und humorvoll geschrieben. Sie bieten wahres Le-severgnügen, ja animieren geradezu dazu, sich der eigenen Bio-graphie zuzuwenden und darüber nachzudenken, welche Ge-schichten denn in einem eigenen Lebensbuch stehen könnten.

Der Band »Kaffee, mein Leben« hat einen Umfang von 144 Seiten und enthält neben den 17 Erzählungen 44 aussagekräftige Schwarz-weiß-Fotos aus längst vergangenen Tagen. ISBN: 3-87407-633-4. 14,90 Euro (ba )

Rolf Kellner: Allein unter Schwaben. Ein kleiner Beitrag zur Verständigung zwischen Reigschmeckten und Hiesigen Schon bei seiner Arbeit für das erste Buch »Verstand ons recht!«, einer köstlichen Bestandsaufnahme schwäbisch-hochdeutscher Missverständnisse, stellte Autor Rolf Kellner fest, dass es sich lohnt, im Minenfeld der Doppeldeutigkeiten weiter zu suchen. Dieses er-wies sich im Lauf der Zeit als so ergiebig, dass er die Fülle der Mu-

nition, die zu Tage trat, nicht ungenutzt hegen lassen wollte. Und so entstand ein zweiter Band mit einer Fülle von schwäbischen Aus-drücken, die einen des Dialekts Unkundigen ziemlich verwirren und auf falsche Fährten leiten können, denn die Bedeutungen im Schwäbischen und im Hochdeutschen sind oft völlig unterschied-lich. Wenn ein Schwabe von einem »offena Hosalada« spricht, meint er mit Sicherheit nicht die Öffnungszeit eines Bekleidungs-geschäfts. Der Autor zeigt in seinem Buch »Allein unter Schwaben« eine Fülle von Fallstricken und kommentiert sie auf amüsante, er-frischende Weise. Er deckt sprachliche Mißverständnisse in vielen Bereichen auf, etwa im Sektor »Tierleben«, im Gebiet »Verwandt-schaftsverhältnisse«, auf dem Feld »Orts-, Richtungs- und Termin-angaben« und auch im Areal der aus der französischen Sprache übernommenen Redewendungen. Eine Fundgrube stellt das Lexi-kon der schwäbisch-hochdeutschen »falschen Freunde« am Ende des Buches dar. Rolf Kellner hat viele gängige Ausdrücke alphabe-tisch aufgelistet und ihnen sowohl ihre schwäbische, als auch ihre hochdeutsche Bedeutung gegenübergestellt.

Das Buch »Allein unter Schwaben« ist (wie auch der Vorgänger-band »Verstand ons recht« ) im Silberburg-Verlag, Tübingen, er-schienen, hat 96 Seiten, ist mit netten Zeichnungen von Uli Gleis versehen und kostet 9-90 Euro. ISBN: 3-87407-636-9- (ba )

Uwe Kraus Die Hohenzollernstraße. Eine Fahrt durch Landschaft und Kultur Mit der Gründung des Landes Baden-Württemberg 1952 ver-schwand zwar »Hohenzollern« von der politischen Landkarte, aber das historische Hohenzollern ist so lebendig wie eh und je. Zu ver-danken ist dies vor allem dem Hohenzollerischen Geschichtsverein und in der jüngsten Vergangenheit dem seit über zehn Jahren beste-henden Verein Hohenzollernstraße, der die Herausgabe dieses Bu-ches initiiert und unterstützt hat. Der Autor selber ist seit 1992 Ge-schäftsführer der Touristikgemeinschaft Schwäbische Alb und einer der Initiatoren der Hohenzollernstraße. Dieser Verein möchte den »Zusammenhang von kulturellem wie landschaftlichen Reichtum in den hohenzollerischen Landen« vermitteln und dafür das Bewusst-sein wecken. Die Interessenten können dieses Hohenzollern zu Fuß, mit dem Rad, mit dem Auto oder mit dem Bus auf dieser dafür aus-geschilderten Route im wörtlichen Sinne »erfahren«. Wenn man dieser folgt, hat man ziemlich exakt das ehemalige Ho-henzollern erfahren, beginnend in Sulz-Glatt, weiter ins Stammland der Hohenzollern nach Haigerloch und Hechingen. Es folgen die Zollernalb, das Tal der Lauchert, dann natürlich Sigmaringen als Tor zum Donautal und Oberschwaben, ein bisschen hinein nach Oberschwaben und ins Linzgau, um bei Hohenfels wieder zurück-zugehen über den »Badischen Geniewinkel« mit Meßkirch, über den Heuberg, über den »Talgang im Herzen der Schwäbischen Alb« mit Albstadt und Balingen, und entlang der Eyach schließt sich der Kreis wieder in Haigerloch. Neben einer Übersichtskarte gibt es zu jedem dieser Abschnitte Kartenausschnitte, genügend In-formationen (auch geschichtlicher Art) und Tipps, sowie 50 Farb-fotos, deren Erläuterungen auch in Englisch verfasst sind. Eine Übersicht über die Museen entlang der Hohenzollernstraße und ein in Englisch verfasster kurzer Überbück über diese Touristen-route runden das empfehlenswerte Buch ab.

Das Buch über die Hohenzollernstraße ist erschienen im DRW-Ver-lag Weinbrenner in Leinfelden-Echterdingen und umfasst 64 Sei-ten. ISBN: 3-87181-003-7. 9,90 Euro, ( r f r )

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Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsverein Karlstraße 3, 72488 Sigmaringen

E 3 8 2 8

PVSt, DPAG, »Entgelt bezahlt«

Hansjörg Deck / Sabina Kratt Die Rottweiler Fasnet In diesem mit 50 prächtigen Farbaufnahmen ausgestatteten Büch-lein wird die Rottweiler Fasnet, die als eine der ältesten in Europa gilt, kurz in ihrer historischen Entwicklung seit ca. 1360 darge-stellt. Es folgt dann die Schilderung des Ablaufs der Fasnet mit dem »Schmotzigen« Donnerstag, dem Fastnachtssonntag mit der Fast-nachtspredigt im Heilig-Kreuz-Münster, der Übernahme der Stadt-gewalt und dem Kinderumzug.

Den Höhepunkt bildet natürlich der Rottweiler Narrensprung, der am Montagmorgen Punkt acht Uhr am Schwarzen Tor beginnt, und vier Stunden dauern kann. Die einzelnen Narrenfiguren werden bildlich und textlich erläutert. Am Fasnetdienstag heißt es dann: » 0 jerum, o jerum, d'Fasnet hot a Loch!« und mit dem Schnecken-

essen am Abend ist die schöne Fasnet vorbei. Der historische Rott-weiler Narrenmarsch und der Umzugsweg des Narrensprungs mit den Fasnetswirtschaften dürfen am Ende nicht fehlen.

Erschienen ist das Buch im Silberburg-Verlag Tübingen und es hat 52 Seiten. ISBN 3-87407-631-8. 9,90 Euro, ( r f r )

Annemarie Häfner-Volk: Aus dem Alltag - Für den Alltag In einem 200-seitigen Buch hat Annemarie Häfner-Volk aus Bern, die ihre Wurzeln im hohenzollerischen Jungnau hat, Gedichte »aus dem Alltag und für den Alltag« (so der Titel) zusammengefasst: schlichte Lebensweisheiten, Gereimtes zu Festen und viele Erinne-rungen, die ihre Verbundenheit mit der Heimat, mit Natur und Blu-men, ihre Achtung vor der Schönheit der Schöpfung und ihre reli-giöse Einstellung offenbaren. Einige ihrer Gedichte haben auch Be-zug zu unserer Region, zur Schwäbischen Alb, zum Nägele-Felsen bei Sigmaringen, zum Laucherttal und zum Schaffen des einstigen Bildhauermeisters Karl Volk (1885 bis 1965) aus Jungnau.

Das Buch ist im Mauer-Verlag, Rottenburg, erschienen. ISBN 3-937008-71-3. (ba )

HOHENZOLLERISCHER HEIMAT

herausgegeben vom Hohenzollerischen Geschichtsverein, Postfach 1638, 72486 Sigmaringen ISSN 0018-3253 Erscheint vierteljährlich.

Die Zeitschrift »Hohenzol ler ische Heimat« ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will beson-ders die Bevölkerung im alten Land Hohenzol-lern und den angrenzenden Landesteilen mit der Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie bringt neben fachhistorischen auch populär ge-haltene Beiträge.

Bezugspreis: Für Mitglieder des Hohenzollerischen Ge-schichtsvereins ist der Bezugspreis im Beitrag enthalten. Bezugspreis für Nichtmitglieder € 7 , - . Abonnements und Einzelnummern kön-nen beim Hohenzollerischen Geschichtsverein (s. o . ) bestellt werden.

Die Autoren dieser Nummer

GerdBantle

Hedinger Straße 5, 72488 Sigmaringen

Dr Otto H Becker

Hedinger Straße 17, 72488-Sigmaringen

Willy Beyer

Kauflausstraße 5, 72379 Hechingen

Robert Frank Fliederstraße 8, 72401 Haigerloch-Weildorf

Dr. Christian iL Freitag

Mühlweg 15, 78355 Hohenfels

Wolfgang. Hermann

Dettenseer Straße 10/1, 72186Empfingen

Dr. Hans-Dieter Lehmann

In der Ganswies 2, 72406Bisingen-Zimmern

RudolfLinsenmann

Hohenzollemstraße 13, 72172 Sulz-Fischingen

Manfred Stützte Im Etzental 18, 72379 Hechingen

Gesamtherstellung:

Druckerei Acker GmbH, Mittelberg 6, 72501 Gammertingen Telefon ( 0 7 5 7 4 ) 9301 -0 , F a x 9 3 0 1 - 3 0 [email protected] www.druckerei-acker.de

Schriftleitung:

Robert Frank Fliederstraße,8, 72401 Haigerloch-Weildorf Tel.: 07474/2161

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Manuskripte und Besprechungsexemplare wer-den an die Adresse des Schriftleiters erbeten,

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