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Fourier· Human Quality Management

Human Quality Management: Mit F¼hrungsqualit¤t die Zukunft meistern

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Page 1: Human Quality Management: Mit F¼hrungsqualit¤t die Zukunft meistern

Fourier· Human Quality Management

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Stefan Fourier

Human Quality Management

Mit Fiihrungsqualitat die Zukunft meistern

GABLER

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Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Fourier, Stefan: Human-quality-Management : mit Fiihrungsqualitat die Zukunft meistern / Stefan Fourier. -Wiesbaden : Gabler, 1994

ISBN-13: 978-3-322-82681-7

Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann International.

© Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden 1994 Lektorat: Ulrike M. Vetter Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1994

Das Werk einschlie~lich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschiitzt.Jede Verwertung au~erhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfal­tigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Ein­speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Hochste inhaltliche und technische Qualitat unserer Produkte ist unser Ziel. Bei der Produktion und Verbreitung unserer Biicher wollen wir die Umwelt schonen: Dieses Buch ist auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier gedmckt. Die EinschweiRfolie besteht aus Polyathylen und damit aus organischen Grundstof­fen, die weder bei der Herstellung noch bei der Verbrennung Schadstoffe freisetzen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der i\nnahme, d~ solehe Namen iIn Sinne dcr Warenzeichen- und Marken­schutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden diirften.

Umschlaggestaltung: Schrimpf und Partner, Wiesbaden Satz: FROMM Verlagsservice GmbH, Idstein

lSBN-13: 978-3-322-82681 -7 e-ISBN-13: 978-3-322-82680-0 001: 10.1007/ 978-3-322-82680-0

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In ha Itsverzeichnis

Einleitung ........................................ 7

I. Die Konfrontation mit dem Chaos ................. 11

1. Der Wandel komplexer Systeme ................... 13 Wandel der Ziele ............................. 15 Wandel der Mittel ............................ 16 Wandel der Bedingungen ...................... 19 Von der Industrie- zur Informationsgesellschaft ..... 21 Wahrnehmungs- und Denkkrisen ................ 24

2. In Zeiten des Wandels herrscht Chaos . . . . . . . . . . . . . .. 27 Chaos als Ordnungsprinzip ..................... 27 Chaos macht angst ........................... 30 Chaos hat Regeln ............................ 34 Es gibt keine sicheren Prognosen . . .............. 37 Systeme streben zur Stabilitat ................... 40 Destabilisierung bringt Erneuerung . . . . . . . . . . . . . .. 43

3. Chaos im Management - Management im Chaos ....... 51 Die Krise des Managements .................... 51 Synergie und Vertrauen ........................ 53 Moglichkeiten fur das Managen des Wandels ....... 55

II. Oualitat und Oualitatsmanagement ............... 59

4. Qualitat im Wandel ............................ 63 Leistungsqualitat und Fiihrungsqualitat . . . . . . . . . . .. 65 Die Merkmalsgruppen der Leistungsqualitat ....... 67 Fiihrungsqualitat ist der entscheidende Trend . . . . . .. 69 Kunden orientieren sich urn .................... 72

Inhaltsverzeichnis 5

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Der Wandel der Konsumenten ... . ............. 74 ProzelSqualitat als Wettbewerbsfaktor .... .. ...... 77

5. Qualitatsmanagement im Wandel .. ......... . ..... 81 ISO 9000 ist Technokratie .................... 82 Deming und Total Quality Management ..... .... 83 Die aktuelle Situation in Deutschland . . . . . . . . . . .. 87 Das Geschaft mit der Zertifizierung ........ .. .. . 90 Wohin laufen die Trends? ....... ...... . ...... . 91

III. Human Quality Management. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 95

6. Es geht um die Fiihrung von Teams ................ 103 Einige ,,Regeln" fur Fiihrung .... ...... . ........ 104 Das Human-Quality-Management-Modell ..... . .. 107

7. Gemeinsames BewuBtsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 113 Sinn ......... .. ........................... 113 Vertrauen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Offenheit . .......... . .... .... .............. 122 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 125

8. Teamentwicklung ....... . ............ . ....... 129 Tools for Teams ............................. 130 Moderation und Coaching ....... .. .. . .. . ..... 134

9. Teamarbeit ................................. 137 Projektarbeit ............................... 138 Standige Verbesserungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 141 Gemeinsamkeit in Kooperation ............... . 146

10. Praxis............ . ........................ 149 Ein Beispiel ....... ............ ... . .. .. ..... 149 Der Weg des Handelns . ........... .. ....... . . 154

Literaturempfehlungen ....... ....... ... . .. .... ..... 157

Der Autor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 159

6 Inhaltsverzeichnis

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Einleitung

AIle uns zur Verfiigung stehenden Managementtechniken und -systeme sind hervorragende Instrumente zur Veranderung von Teilen des Ganzen, zum Beispiel des Controlling, der Produktions­technologie oder des Kommunikationsverhaltens der Verkiiufer. Kein einziges von ihnen leistet den Wandel des gesamten Unter­nehmens. Dieses Buch solI die Illusion zerstoren helfen, durch weitere ,,kosmetische" Veranderungen in den Untemehmen und durch verstarkte Bemiihungen in den altbekannten Richtungen der Untemehmensentwicklung ware der Sprung in das Informations­zeit alter zu schaffen. Der gegenwartige Wandel der Gesellschaft ist im Gegenteil nur durch radikale Veranderungen in der Zusam­menarbeit der Menschen zu meistem.

Ganzheitliche Untemehmensentwicklung erfordert eine neue, namlich komplexe Art der Fiihrung. Diese mug sich vorrangig mit der Entwicklung der Zusammenarbeit der Mitarbeiter beschafti­gen, tragt nur dadurch dem immer starker wachsenden VergeseIl­schaftungsgrad unseres Wirtschaftens Rechnung. Fiihrung wird indirekter aber wirkungsvoIler, weil sie die entscheidenden Lei­stungskomponenten, die Mitarbeitergruppen, zum Gegenstand ihrer Aufmerksamkeit macht.

Human Quality Management ist das erste ManagementmodeIl, welches diese Anforderungen realisiert. Es zielt auf die Entwick­lung gemeinsamen Bewugtseins, also men taler Fitneg der Orga­nisation und des einzelnen, und verwirklicht Teamentwicklung und Teamarbeit. All dies wird konsequent auf die Erzielung konkreter Ergebnisse im Projektmanagement fokussiert und bei der Projektarbeit trainiert. Dabei werden aIle erfolgversprechenden Managementtechniken und Trainingsprogramme entsprechend den Erfordemissen einbezogen und genutzt. Es geht nicht urn

7 Einleitung

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spezielle Methoden, sondern urn die Fiihrung des gesamten Wandlungsprozesses.

Human Quality Management nutzt teilweise erprobte Techniken, mitunter aber auch neue Elemente, die besonders durch Offenheit, Selbstorganisation und Konsensbildung charakterisiert sind. Diese korrespondieren mit Gesetzmiilligkeiten der Chaosforschung und fiihren bei ihrer Anwendung stets zu erstaunlichen Veranderungen im Engagement, in der Leistungsbereitschaft und Leistungsfahig­keit der Mitarbeiter. Voraussetzung fur die Anwendung von Human Quality Management sind Wille und Mut des Topmana­gements, sich auf radikal veranderte Formen des Miteinanders in den Unternehmen einzulassen. Das dazu erforderliche Vertrauen zu entwickeln, ist eines der wichtigsten Anliegen von Human Quality Management.

Bei allem, was wir tun, geht es urn Qualitat. Bei Human Quality Management geht es urn eine neue Qualitat des Fiihrens. Fiihrung wird in seiner besonderen Bedeutung fiir die Qualitat aller Lei­stungen des Unternehmens selbst zum Gegenstand von Qualitats­bemiihungen. Damit werden die Grenzen aller gegenwartig exi­stierenden Systeme des Qualitatsmanagements, besonders die der ISO 9000, iiberschritten. Die Ursachen des ungeniigenden Erfolgs technokratischen Qualitatsmanagements werden deutlich und ein Weg zu ihrer Beseitigung gewiesen.

Das Modell des Human Quality Management entstand als Ergeb­nis eigener Manager- und Beratertatigkeit. Dabei festigte sich meine Uberzeugung, daiS Beratung zugleich provozieren und Nutzen stiften muK Dies gelingt durch die Entwicklung von BewufStsein im Rahmen praktischer Projektarbeit und durch die Nutzung der dabei entstehenden Riickkopplungseffekte. Entschei­dend ist, daiS Human Quality Management sich konsequent an die Konkretheit der Situation des einzelnen Unternehmens anpaiSt.

Das Buch geht in einigen Passagen recht drastisch, manchmal iiberdeutlich mit unserer Eigenart urn, die Ergebnisse unserer Arbeit besser darzustellen als sie sind. Oft glauben wir ehrlichen

8 Einleitung

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Herzens, bereits hervorragende Fuhrungsarbeit zu leisten. Wir mussen dies jedoch immer wieder kritisch in Frage stellen, weil wir uns sonst leicht selbst belugen. Nichts verhindert das Erreichen eines Zieles so nachhaltig, wie eine falsche Standortbestimmung! In diesem Sinne wunsche ich dem Buch offenherzige und unvor­eingenommene Leser. Mage es ihnen helfen, Anregungen fur eigene Wege zur Meisterung des Wandels zu finden.

Ich habe vielen Menschen zu danken, die mich und das Zustan­dekommen von Human Quality Management begleitet haben und nicht zuletzt auch denen, die am Entstehen dieses Buches Anteil hatten. Stellvertretend benenne ich hier von ganzem Herzen Saul Barodofsky, Gunter Jeschke, Henning von der Osten, Alfred Schulz, Wilfried Zaremba sowie Ulrike M. Vetter yom Gabler-Ver­lag. Die Krone jedoch gebuhrt meiner Frau Karin Fourier, die mir nicht nur wertvoller Supervisor und beruflicher Partner ist, sondem mich immer mit ihrer Tapferkeit starkt.

Brockel, im Sommer 1994 STEFAN FOURIER

Einleitung 9

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I. Die Konfrontation mit dem Chaos

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Der Wandel komplexer Systeme

estandig ist allein der Wandel. Dieses Sprichwort ist den meisten von uns gelaufig. Wir benutzen es immer dann, wenn wir uns beruhigen wollen, weil sich Dinge oder

Situation en plotzlich und unvorhersehbar verandem. Wer von uns hatte es sich aber vor zehn Jahren traumen lassen, dag solche plotzlichen und unvorhersehbaren Veranderungen heute massen­haft auftreten und weite Bereiche unseres Lebens und unserer Arbeit dominieren. Praktisch auf der ganzen Linie der Gesellschaft andem sich die wichtigsten Grundlagen unseres Handelns, samt­hche Leitlinien sind in Frage gestellt und miissen neu eingeordnet, neu formuliert werden.

Betrachten wir unsere Wirtschaft, so wird diese Aussage prazise bestatigt. Untemehmen und Volkswirtschaften verfolgen Ziele, verwenden zur Erreichung dieser Ziele verschiedene Mittel und miissen ihre Leistungen unter den Bedingungen eines ganz be­stimmten Umfelds vollbringen. Abbildung 1 verdeutlicht den Zu­sammenhang.

In allen drei Bereichen - Bedingungen, Mittel und Ziele - sind in den letzten Jahren tiefgreifende Veranderungen eingetreten. Diese set zen sich gegenwartig beschleunigt fort, in den meisten Fallen ist kein Ende des Wandels abzusehen. Einiges lohnt sich, naher zu betrachten.

Ich mochte allerdings in diesem Buch keine umfangreichen Ana­lysen zur Weltwirtschaft anstellen. Ich werde mich nur mit denje­nigen Aspekten der Industriegesellschaft beschaftigen, die zum Verstandnis des von mir entwickelten Managementkonzepts er­forderhch sind.

Der Wandel komplexer Systeme

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• politische Strukturen

• wissenschaftlich­technischer Fortschritt

Mittel

• Krafteverhaltnisse • Bewuf3tseins- • Rolle der Staatsmacht im internationalen wandel

Wettbewerb

• Innovations­akzeptanz

• Umwelt- und Arbeitssicherheit

• Bildungsniveau

Abbildung 1.' Grundlagen der Industriegesellschaft

14 Konfrontation mit dem Chaos

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Wandel der Ziele

In der jiingeren Vergangenheit waren die meisten Miirkte durch rasche Expansion und Globalisierung gekennzeichnet. Vieles da­von war kiinstlich hochgetrieben, besonders durch den Ausbau des internationalen Kreditwesens. Der Massenverbrauch ist heut­zutage in hohem MaRe kreditiert, vor allem in den Entwicklungs­landern, aber auch in den hochindustrialisierten Staaten. Trotz rasanter Kaufkraftentwicklung lebt man kraftig auf Pump, allen voran die offentlichen Haushalte. Dieses "Ubertouren" der Markte provozierte die heutige orgiastische Uberproduktion. Jeder wollte ein moglichst groRes Stiick vom Kuchen, investierte und expan­dierte.

Das Ergebnis: Die Markte sind iibersattigt, es besteht ein Uberan­gebot in fast allen Produkt- und Leistungsbereichen. Dadurch bekommt der Verbraucher mehr Macht. Er entdeckt das Gewicht seiner ,,Personlichkeit" und damit seine Freiheit und lebt sie aus. Diese Tendenz wird forciert durch eine Flut an Werbung und Information, an Moden und Lifestyles. Diese wiederum sind Erfindungen zur Absatzforderung und Versuche zur Auslastung der riesigen Produktionskapazitaten. Vieles von dem, was da angeboten wird, brauchen wir im Grund nicht, aber wir meinen, es zu brauchen. Diese Entwicklung, die wir iiberall beobachten konnen und der wir letztlich alle unterliegen, wird erganzt durch die Tendenz zum Perfektionismus. Das Streben nach dem perfek­ten Produkt, nach der perfekten Dienstleistung ist einerseits Ausdruck gewachsener Konsumentenmacht, wird andererseits aber auch von den leistungsstarkeren Industrien provoziert, urn schwachere Wettbewerber, etwa aus Entwicklungslandern, vom Markt fern zu halt en.

Es handelt sich hierbei nicht urn einen bewuRt gesteuerten, sondern urn einen mehr oder weniger selbstorganisierenden Pro­zeR, hervorgerufen und geregelt allein von den Gesetzen des Marktes. Uberkapazitaten erzeugen nun mal verstiirkte Absatzbe­miihungen. Und durch die Erfmdung neuer Bediirfnisse entstehen

Der Wandel komplexer Systeme

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mehr Absatzmoglichkeiten, diese wiederum provozieren neue Pro­duktionskapazitaten usw.

Ab einem bestimmten Punkt jedoch gerat dieser Kreislauf auGer Kontrolle. Durch die Erfindung immer neuer Bediirfnisse und durch die wachsende Individualitat der Konsumenten zersplittert der Markt in eine uniibersehbare Anzahl kleiner und kleinster Segmente und Nischen. Man spricht he ute bereits von einem Nischenkontinuum. Dieses sprengt aIle wichtigen Regeln bisheri­gen Konsumenten- und Marktverhaltens, nichts ist mehr bere­chenbar, alles unterliegt einem standigen Wandel. Das Verhalten der Konsumenten und der Markte gehorcht nicht mehr den alten Gesetzen, sondern verandert sich vollig unvorhersehbar. Die Ziele unseres wirtschaftlichen Handelns sind in standiger Bewegung.

Wandel der Mittel

Die wesentlichen Mittel wirtschaftlicher Tatigkeit sind

Ressourcen an Roh- und Hilfstoffen und Energie, Arbeitskrafte, die Ergebnisse aus Wissenschaft und Technik, Informationen.

Wissenschaft und Technik sind Beschleuniger des Wandels, die uns immer neue Mittel zur Ausweitung und Effizienzsteigerung der Produktion in Form neuer Werkstoffe, verbesserter Prozesse und leistungsfahigerer Maschinen zur Verfiigung stellen. AuGerdem wird das Konsumentenverhalten durch die immer schneileren Innovationen immer anspruchsvoller, sowohl hinsichtlich des Lei­stungsniveaus als auch beziiglich der SchneIligkeit des Wandels. Das heiGt also, ein Mehr an Wissenschaft und Technik, vor allem an deren publizierten Moglichkeiten, dynamisiert die Markte und macht sie noch turbulenter.

Aber auch bei den anderen Mitteln beobachten wir in den letzten Jahren verstarkt Veranderungen. Die Arbeitskraft zum Beispiel ist

Konfrontation mit dem Chaos

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wichtiger geworden durch die Notwendigkeit, komplizierte Pro­zesse zu meistern. Sie ist knapper geworden, vor allem in Verbin­dung mit dringend benotigtem Spezialistentum. AuRerdem sind die Mitarbeiter empfindlicher geworden, lassen sich immer weni­ger gefallen und stellen mitunter Anspriiche, die fur viele Unter­nehmen und Fiihrungskrafte problematisch sind. Auch reagieren die Mitarbeiter anders auf die verschiedenen Anreizsysteme inner­halb des Arbeitsprozesses. Es gibt viele Klagen dariiber, daR die bisherigen ,,Motivationsmechanismen" nicht mehr richtig funktio­nieren. Kurz und gut, es herrscht Wandel im Arbeitsmarkt.

Der Wandel im Bereich der Ressourcen ist bereits seit Jahrzehnten im Gange und wird seit langem in den Medien thematisiert. Nun ist die dort verbreitete Endzeitstimmung der Machart ,,Bald ist alles aIle!" haufig iibertrieben und wirkt dadurch und durch das Fehlen alternativer Vorschlage kontraproduktiv. Noch ist nichts wirklich ,,aIle", aber die Gewichtungen verschiedener Rohstoffe und Energietrager haben sich deutlich verschoben. Spatestens seit den blkrisen miiRte dies allen kiar geworden sein. Allein die Tatsache der zunehmenden Benutzung von Rohstoffen als Druck­mittel zur Durchsetzung wirtschaftlicher und politischer Ziele spricht fur diese veranderte Bewertung von Ressourcen. Rohstoff­quellen sind heute Gegenstand hartester politischer und auch kriegerischer Auseinandersetzungen wie im Irak. Ressourcen wer­den immer mehr zum Destabilisierungsfaktor, weil der Ausgang dieser Auseinandersetzungen immer ungewisser wird. In diesem Zusammenhang spielt auch die verstarkte Sensibilisierung der bffentlichkeit in Sachen Umweltschutz, Altlasten usw. eine Rolle. Dadurch wird man Rohstoffen immer haufiger auch Sekundarko­sten zuordnen, wie zum Beispiel fur Haldenaufbereitung, Abraum­beseitigung oder fur Emmissionsvermeidung. Das wird zu abrup­ten Preiskorrekturen fuhren. Ergo: Der Bereich der Rohstoffe befindet sich in standigem und iiber weite Strecken unvorherseh­barem Wandel.

Betrachten wir abschlieRend das Mittel ,,Informationen". Der Umschlag an Informationen erfolgt immer schneller. Dabei kommt

Der Wandel komplexer Systeme

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es zwangslaufig zu Verzerrungen im gesamten Informationsbe­reich, besonders hinsichtlich Aktualisierung, Verteilung und auch Wahrheitsgehalt.

Niemand beherrscht diese Informationsflut. Ihre Auswirkungen sind vollig unberechenbar geworden. Das tagliche Tohuwabohu in den Medien beeinfluiSt die Ansichten und Meinungen der Konsumenten, was sich auf die Herausbildung oder Zerstorung von Werten auswirkt und insofern stark auf das Kaufverhalten. All diese Prozesse sind nicht berechenbar. Und je vielfaltiger die Informationen werden, je intensiver sie auf den Konsumenten eintrommeln und je gewissenloser ihre Handhabung erfolgt, desto uniibersichtlicher und hektischer wird der Wandel in den Kopfen der Menschen und seine Auswirkungen auf die Unternehmen und Volkswirtschaften.

Aber auch innerhalb der Wirtschaft wird trotz Einsatz modernster Hilfsmittel Information nicht beherrscht. Es ist doch mehr oder weniger Zufall, wenn Entwicklungsingenieure iiber den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik ausreichend informiert sind, vor allem hinsichtlich der weltweit vorliegenden relevanten Daten. Wann sind Manager fiir ihre Entscheidungsfindungen denn tat­sachlich hinreichend informiert? Nach Schatzungen aus der Praxis hochstens in 30 Prozent der Falle. Alle anderen Entscheidungen kommen mehr oder weniger aus dem Bauch heraus.

Wir miissen tatsachlich zur Kenntnis nehmen, daiS alle Mittel, die wir zum Wirtschaften brauchen, heute einem standigen Wandel unterliegen, der bei Arbeitskraften noch einigermaiSen geordnet scheint, beim wissenschaftlich-technischen Fortschritt und noch starker auf dem Gebiet der Informationen jedoch unberechenbar und in hohem MaiSe turbulent ist. Damit kommen die Unterneh­men unter Druck, denn zusatzlich zur standigen und iiberaus forcierten Wandlung der Markte sind auch noch die zum Arbeiten notwendigen Mittel standigen und im Prinzip nicht berechenbaren Veranderungen unterworfen. Sicherheit und VerlaiSlichkeit werden yom Wandel verdrangt.

Konfrontation mit dem Chaos

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Wandel der 8edingungen

Wenn wir uns die Bedingungen anschauen, unter den en Unter­nehmen ihre Aufgaben erfiillen miissen, verwirrt sich die Situation vollends. Alles ist in Bewegung geraten, sei es die nationale und internationale Politik, das Bewul5tsein der Menschen, das Bil­dungsniveau. Drei wichtige Tendenzen sind dabei bemerkenswert:

~ Der Wandel in diesen Bereichen vollzieht sich immer schneller und ist kaum noch zu berechnen; denken wir nur an den beschleunigten Macht- und Ansehensverlust von Regierungen, zum Beispiel in Europa, oder an den rasanten Zerfall der kommunistischen Welt, der ja bis heute langst nicht abge­schlossen ist und riesige Gefahrenpotentiale beinhaltet.

~ Der Wandel der Bedingungen fiihrt zu wachsender Instabilitat. Auch dies ist am internationalen Geschehen am deutlichsten abies bar. Alle neu entstandenen Staatengebilde sind Krisenher­de, haben wie Osteuropa mit existentiellen Problemen zu kiimpfen, oder befinden sich wie der Balkan in kriegerischen Auseinandersetzungen. Auch die Wiedervereinigung Deutsch­lands hat zu Instabilitat gefiihrt und der Regierung noch mehr Schwierigkeiten gebracht, als sie ohnedies schon hat.

~ Diese Wandlungsprozesse entziehen sich nahezu vollig einer Beeinflussung durch die Unternehmen. Selbst die Veranderun­gen friihzeitig zu erkennen, ist in den meisten Fallen unmog­lich. Diesbeziiglich sind multinationale Konzerne sicherlich zumindest theoretisch im Vorteil, aber weite Bereiche der Industrie und des Dienstleistungsgewerbes, der gesamte Mit­tel stand, werden zum Spielball.

1m Moment verandert sich das Bewul5tsein der Menschen sehr viel starker als dies in normalen Zeiten der Fall ist. Viele Vordenker bezeichnen dies als Paradigmenwechsel. Wir bewegen uns immer schneller yom konfrontativen Denken und Verhalten des einzelnen Individuums - jeder gegen jeden - zum konfrontativen Denken und Verhalten von Gruppen. Dieser Prozel5 ist in unsicheren,

Der Wandel komplexer Systeme

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spannungsgeladenen Zeiten, in denen sich fur viele Menschen Existenzfragen stellen, vallig normal und in der Geschichte vielfach zu beobachten. Dieser Kollektivismus fuhrt dazu, daiS verschiedene Gruppen sich effektiver organisieren, um den real existierenden oder auch den eingebildeten Gefahren besser begegnen zu kannen. Diese Verhaltensanderungen gehen konform mit beobachtbaren BewuBtseins- und Denkveranderungen, es entsteht mehr Wir-Ge­fuhl, mehr GruppenbewuBtsein.

Das bemerkenswert Neue ist heute, daB mehr und mehr Men­schen erkennen, daB die graBten Bedrohungen tatsachlich globa­len Charakter tragen (Umweltkrise, Treibhauseffekt, Bevalkerungs­explosion, Hunger). Wir beobachten heute bereits lokale Gruppen, die weltweit miteinander vernetzt sind und die "Gemeinsamkeit" als Grundlage von globalen Problemlasungen erkannt haben. Der Paradigmenwechsel wirkt also bereits in zaghaften Anfangen, und zwar ganz konkret bei Fragen der Umwelt- und Arbeitssicherheit, bei Innovationsakzeptanz, beim Umgang mit Ressourcen usw. Wir spuren seine Auswirkungen im Wandel der Markte, in Verande­rungen in Motivation und Verhalten unserer Mitarbeiter, also bei einer Vielzahl konkreter Vorgange in un serer taglichen Arbeit. Und der Wandel wird sich in den nachsten Jahren noch betrachtlich verstarken.

Die Bedingungen, unter denen Unternehmen, Fuhrungskrafte und Manager heute zu arbeiten und zu entscheiden haben, unterliegen vallig dem Wandel in unserer Gesellschaft. Das Dramatische dabei ist, daB sich buchstablich alles zur gleichen Zeit verandert. Wie wir gesehen haben, gibt es keinen fur die Wirtschaft wichtigen Bereich, cler Konstanz aufweist. Es verandert sich alles, es veran­dert sich alles beschleunigt, es verandert sich alles ziemlich sprung­haft und unberechenbar und gleichzeitig. Diese Veranderung auf der ganzen Linie ist das eigentliche Problem, nicht der Wandel in einzelnen Bereichen.

Aus diesen Feststellungen ergeben sich naturlich Fragen:

Wohin fuhrt das alles? Gibt es vielleicht GesetzmaBigkeiten in diesem Chaos?

Konfrontation mit dem Chaos

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Welches sind die Position en mit dem grofSten Veranderungs­potential? Wie reagieren wir darauf?

Gehen wir dies en Fragen im folgenden nach, urn Ansatzpunkte fiir eine erfolgreiche Bewaltigung der Wandlungsprozesse in unse­rem Unternehmensalltag zu finden.

Von der Industrie- zur Informationsgesellschaft

Veranderungsprozesse sind vollig normale Vorgange, die, bei aller Dramatik in ihren Auswirkungen, gesetzmafSig verlaufen. Auch der heute beobachtete Wandel auf allen Ebenen unserer Gesell­schaft verlauft nach festen Regeln und hat Vorbilder in der Geschichte.

Die stark vereinfachte Darstellung in Abbildung 2 zeigt, dafS zwischen allen wichtigen gesellschaftlichen Epochen, die durch eine hohe Stabilitat der Arbeits- und Lebensverhaltnisse der Men­schen gekennzeichnet waren, stets Phasen aufSerordentlich insta­biler Entwicklung lagen. In einer solchen Wandlungsphase befin­den auch wir uns gegenwartig.

Jede Wandlungsphase bewirkt grofSen Zuwachs an gesellschaftli­chern Potential. Mit dem Wandel sind Fortschritte in Wissenschaft und Technik, VergrofSerungen im Produktionsvolumen, Erhohung von Organisationsgraden bis hin zu gegenwiirtig beginnenden globalen Organisationen, die standige "Verkleinerung" der Welt, kulturelle Briiche und Umschichtungen und vieles mehr verbun­den. Die Potentialschwellen, die dabei im einzelnen zu iiberwinden waren, wurden im Laufe der Geschichte immer hoher, die Zeit­raume dagegen immer kiirzer. Deshalb vollzieht sich der heutige Obergang von der Industrie- zur Informationsgesellschaft schneller und wesentlich steiler, sprich dramatischer, als alles vorher Dage­wesene. Wir brauchen uns iiber die gegenwiirtigen Turbulenzen in der Weltwirtschaft nicht zu wundern, sie entsprechen genau den Gesetzen derartigen Wandels.

Der Wandel komplexer Systeme

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Industrie­geseJlschaft

Feudal­gesel/schaft

Ackerbau, Nomadentum

Abbildung 2: Stabile und instabile Phasen in der Entwicklung der Gesellschaft

Konfrontation mit dem Chaos

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Nach der Industriegesellschaft wird die Informationsgesellschaft kommen. Einige Autoren formulieren an dieser Stelle bevorzugt "postindustrielle Gesellschaft", womit sie den Charakter dieser ,,neuen" Gesellschaft offenhalten. Aber es erscheint unter heutigen Gesichtspunkten schliissig, dag es sich tatsachlich urn eine GeseIl­schaft handeln diirfte, in der die Informationstechnologie die am meisten wertschopfende, vorwartsdrangende T echnologie sein wird.

Beim gegenwartigen Wandel sind die Veranderungen im Informa­tionsbereich in der Sum me am grogten. Dies betrifft die Menge und das Mengenwachstum von Informationen, die zunehmende Verschiedenartigkeit, Komplexitat und Widerspriichlichkeit von Informationen sowie deren stan dig steigende Vernetzung bis hin zu globalen Informationssystemen. Deshalb haben wir im Infor­mationsbereich ein permanentes und hochaktuelles Beherr­schungsproblem.

Information hat bereits heute - und das ist ein weiteres wichtiges Argument fiir die Schliisselrolle von Information und Informa­tionstechnologie in der zukiinftigen Gesellschaft - enorme Aus­wirkungen auf aIle anderen Grundlagen un serer "ObergangsgeseIl­schaft". Kein anderer Faktor beeinflugt Konsumenten, Markte, das Bewugtsein und den Bildungsstand der Menschen, ihre Anspriiche und ethischen Werte, die Entwicklung von Wissenschaft und Technik usw. so stark, wie die Information. All das sind gute Griinde, die neue Gesellschaft als Informationsgesellschaft zu bezeichnen. Interessante Einzelheiten dazu konnen unter anderem in dem Buch ,,Machtbeben" von Toffler nachgelesen werden.

In Abbildung 2 erkennen wir auch, dag die stabilen Phasen der einzelnen Gesellschaftsformen mit Annaherung an die Gegenwart immer kiirzer werden. Dies verfiihrt zu der Vermutung, dag die postulierte Informationsgesellschaft im Vergleich zu ihren Vorlau­fern nur von kurzer Dauer sein wird. Wenn wir einmal spekulieren, wahrt sie hochstens 50 Jahre, und dann geht wieder etwas Neues los, der nachste Wandel beginnt. Vielleicht wird die Informations­gesellschaft noch nicht einmal geniigend Zeit haben, sich in Reinkultur auszupragen.

Der Wandel komplexer Systeme

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Das alles birgt natiirlich die Gefahr der volligen Oberhitzung der Wandlungsprozesse in sich, vergleichbar vielleicht mit einem durchgehenden Atomreaktor, der ab einem bestimmten Punkt trotz Aufbietung aller Technik nicht mehr zu kontrollieren ist. Es geniigt dann nicht, noch mehr MeRtechnik anzubauen, noch dickere und festere Rohrleitungen zu verwenden usw., wenn die kritische Masse iiberschritten ist, explodiert der Reaktor. Obertra­gen auf unsere Gesellschaft heiRt das: Wir konnen die Wandlungs­prozesse nicht mehr mit herkommlichen und auch nicht mit perfektionierten Mitteln steueco. Es wird nicht reichen, unser bisheriges, auf Anweisung und Kontrolle beruhendes Manage­mentsystem weiter zu vervollkommnen. Damit laRt sich der ,,Atomreaktor Wirtschaft" nicht mehr unter Kontrolle halten. Wir brauchen demzufolge etwas Neues, aber was?

Diese Ratlosigkeit teilen wir mit unseren Fiihreco aus Politik und Wirtschaft. Niemand weiR auf diese Frage eine iiberzeugende Antwort. Wahrscheinlich ist das im Moment tatsachlich zu viel verlangt, denn die Situation ist fur alle vollig neu. Z wei Dinge jedoch kann man verlangen. Erstens sollte man seine Ratlosigkeit ehrlich eingestehen, Demut iiben und nicht so sehr auf der Richtigkeit seiner Positionen beharren. Zweitens sollten alle drin­gend ihre Wahcoehmungsfahigkeit beziiglich der aktuellen Lage und der gesellschaftlichen Entwicklungsprozesse verbesseco; auch dies macht das Eingestehen von Irrtiimeco notig und hangt wiederum mit Demut zusammen. Ich bin mir im klaren, daR der Begriff ,,Dcmut" im Zusammenhang mit Fiihrung in Wirtschaft und Politik nicht gerade in Mode ist. Trotzdem halte ich es fiir sehr wichtig, dariiber nachzudenken und sich darin zu iiben.

Wahrnehmungs- und Denkkrisen

Die Situation plotzlichen und unvorhersehbaren Wandels, in der wir uns befinden, hat fiir alle von uns existenzielle Bedeutung bekommen, auch wenn wir das oft nicht einsehen wollen. Dieses ,,Nicht-einsehen-Wollen" gibt es leider auch viel zu haufig in der

24 Konfrontation mit dem Chaos

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Wirtschaft, wo viele Entscheidungstrager eine bemerkenswerte Ignoranz gegeniiber den dramatischen Veranderungen unserer Welt an den Tag legen. Nun kann man ja durchaus die eine oder andere Entwicklung der Konkurrenz oder auch mal eine sprung­hafte Veranderung im Verbraucherverhalten verpassen. Was die "Vogel-StrauR-Politik" vieler Topmanager bedrohlich macht, ist die Tatsache, daR der fiir jeden wachen Geist iiberall sichtbare Wandel oft vollig negiert wird.

Dieses Negieren lauft recht eigentiimlich ab, weil fast alle politi­schen und wirtschaftlichen GroRen das Vokabular des Wandels ganz gut beherrschen und auch benutzen. Auf diversen Kongres­sen, in Talk-Shows usw. parlieren die Damen und Herren munter iiber postindustrielle Gesellschaft, Paradigmenwechsel, Chaos, Neues Denken, Mind-Design, Motivation, Lean Management, Evolutionares Management, Umweltkrise, Bevolkerungsexplosion und was es sonst noch alles gibt. Aber sie ziehen daraus nur wenige brauchbare Schliisse und vor allem: Sie handeln nicht entspre­chend, nach dem Motto "Schwierigkeiten haben immer nur die anderen, wir selber haben alles im Griff".

Wir stoRen bei globalen Problemen auf diese Ignoranz - nicht umsonst stellte der Club of Rome in seinem Bericht ,,Die Globale Revolution" 1991 fest, daR trotz unserer betrachtlichen techni­schen und monetaren Moglichkeiten viel zu wenig zur Abwehr drohender globaler Katastrophen getan wird -, und wir begegnen ihr im Kleinen, in unseren Firmen, wo Zeichen sich veriindemder Marktbedingungen allzu oft einfach iibersehen, mitunter auch unter den Tisch diskutiert werden. Deutliche Beispiele langandau­ernder Ignoranz lieferten und liefern die deutschen Autokonzerne. Der krisenhafte Einbruch, U msatz- und Ertragsriickgange, die plotzlich iiberall fiir Aufregung sorgten, waren voraussehbar. Bereits seit Jahren standen alle Zeichen auf Alarm. Warum also wurden die Unternehmen nicht auf die Krise vorbereitet? Selbst heute haben die Bosse noch nicht begriffen, daR die Zeiten standiger Expansion voriiber sind, sie prognostizieren fiir die nachsten Jahre wieder muntere Wachstumsraten. Das ist schlicht

Der Wandel komplexer Systeme

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und einfach mangelnder Mut zur Wahrheit, vielleicht auch Mangel an Fuhrungsqualitat. Man kann nicht standiges Mengenwachstum zur Normalitat und zum erstrebenswerten Zustand erklaren, wenn inzwischen tausendfach die mit quantitativem Wachstum einher­gehenden existentiellen Probleme deutlich geworden sind.

Der Weg aus der Krise liegt nicht in stupidem Wachstum. Der Schlusselliegt in der uberproportionalen Aufwandssenkung, in der Intensivierung der Ressourcennutzung sowie in der Marktintensi­vierung durch Realisierung von Zusatznutzen fur den Kunden. Wir brauchen viel mehr Tempo am Markt und eine wesentlich be­schleunigte und vielfaltigere Innovationsleistung.

In der Politik sieht es nicht anders aus. Probleme, zum Beispiel bei der Wiedervereinigung Deutschlands, werden erst dann eingestan­den, wenn sich die Spatzen auf den Dachern daruber bereits heiser gepfiffen haben. Es entlarvt auch eine nahezu bemitleidenswerte und kindische Denkungsart, vielleicht sogar Schlimmeres, wenn schwergewichtige und entscheidungsgewaltige Politiker von Kon­junkturflaute, Nullwachstum oder, noch schlimmer, von Minus­wachstum reden, nur urn die Worte Rezession und Krise nicht in den Mund nehmen zu mussen, obwohl beide langst da sind.

All dies zeigt, wie wenig der derzeitige Wandel wei ten und mafSgeblichen Teilen unserer Gesellschaft bewufSt ist. Wir sind tatsachlich in einer Wahrnehmungs- und Denkkrise allererster Ordnung. Allerdings ist das nicht nur ein Problem unserer politi­schen Fuhrer und Wirtschaftgewaltigen. Es ist auch unser ganz personliches Problem, denn jeder von uns sieht seine Welt so, wie er sie sehen will. Wir scheuen uns alle vor Veranderungen, beharren moglichst lange auf alten, bequem gewordenen Positio­nen und vermeiden Risiko. Dies ist sozusagen Kulturgut, welches wir hegen und pflegen, weil es uns Sicherheit bietet. Aber diese Sicherheit besteht nur scheinbar, weil die Welt sich andert. Und zur Zeit verandert sie sich aufSerordentlich dramatisch.

Konfrontation mit dem Chaos

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In Zeiten des Wandels herrscht Chaos

er Begriff Chaos wird umgangssprachlich im allgemeinen mit volligem Durcheinander oder mit Hektik gleichge­setzt. Diese Art Chaos, von der wir aile ein Lied singen

konnen, wenn wir unseren Schreibtisch betrachten oder an den letzten Arbeitstag vor Antritt des Jahresurlaubs denken, ist nicht Gegenstand der Chaosforschung. 1m Gegenteil, wir beschaftigen uns im folgenden nicht mit den Resultaten unserer eigenen mangelhaften Ordnung, Systematik und Zeiteinteilung, sondem mit dem

Chaos als Ordnungsprinzip

In den zuriickliegenden Jahren haben sich mehr und mehr Wis­senschaftler, besonders aus den Bereichen Mathematik und Physik, mit Chaos auseinandergesetzt und die Gesetzmagigkeiten dieses Phanomens erforscht. Die modeme Chaosforschung nahm ihren Anfang im Bereich der Wetterprognose. Es wurde erkannt, dag Wetter nicht mit einer vemiinftigen Wahrscheinlichkeit iiber einen langeren Zeitraum zuverlassig vorhersagbar ist. Aile Bemiihungen, wie exaktere Messungen, Erhohung der Meghaufigkeit oder ein immer engmaschigeres Netz von Beobachtungsstationen weltweit, fiihren zu keinem grundsatzlich anderen Resultat: Das Wetter ist nicht mit ausreichender Sicherheit iiber langere Zeitraume progno­stizierbar. Diese Feststellung ist unverriickbar und nimmt quasi den Rang eines Naturgesetzes ein. Aile Hoffnungen, durch noch bessere Kenntnis der das Wetter und seine Entwicklung bestim­menden Prozesse eine Verbesserung der Prognosen zu erreichen,

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sind unrealistisch. Der Prognosehorizont des Wetters liegt fur eine Eintrittswahrscheinlichkeit der Voraussagen von mehr als 90 Pro­zent bei hochstens zwei Wochen. Jenseits dieses Zeitraums sind vernunftige Prognosen einfach nicht mehr mach bar.

Vergleichbare Erscheinungen kennen wir auch aus dem Bereich der Kernphysik. Die Heisenbergsche Unscharferelation definiert den Raum, in dem sich ein Elementarteilchen zum Zeitpunkt t mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit befindet. Das heiBt, sein genauer Aufenthaltsort ist nicht vorhersagbar, er ist noch nicht einmal bestimmbar, trotz der fur dieses MeBproblem eigentlich ausreichenden Instrumentengenauigkeit. Dieses Gesetz ist allge­mein anerkannt und durch viele Experimente bestatigt. Es besagt im Grunde nichts anderes als die Chaostheorie: Das Eintreffen von Vorhersagen uber komplexe Systeme ist stets - und zwar gesetz­maBig! - mit Unwagbarkeiten verbunden. Wir muss en uns, ob wir wollen oder nicht, damit abfinden, daB die Entwicklung komple­xer Systeme nicht prognostizierbar ist, sondern standig Oberra­schungen bereithalt. Und dies bezeichnen wir als chaotisch.

Chaos in wissenschaftlichem Sinn ist das Ordnungsprinzip kom­plexer Systeme, und dieses Ordnungsprinzip, so absurd das zunachst fur uns klingen mag, ist das, was wir umgangssprachlich als Unordnung bezeichnen. Die ProzeBablaufe in komplexen System en sind zum einen durch ihre Unvorhersehbarkeit gekenn­zeichnet - das haben wir gerade gesehen -, und zum anderen durch das darin enthaltene Potential fur Neues.

In einem komplexen System besteht eine vergleichsweise hohe Wahrscheinlichkeit, daB sich neb en oder anstelle von gewohnten, ublichen oder identischen Zustanden vollig andere Auspragungen des Systems oder von Subsystemen ergeben. In der Vererbungs­lehre nennt man diese yom ublichen Muster abweichenden Varia­tionen Mutanten. Diese Mutanten stellen im Vergleich zum ur­sprunglichen Zustand des Systems, aber auch gegenuber dem Zustand, der mit hochster Wahrscheinlichkeit erwartet wurde, etwas vollig Neues dar. Dieses Neue kann sich fur die zukunftige Entwicklung des Systems, fur sein Oberleben, als nutzlich erweisen

Konfrontation mit dem Chaos

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und - auf der Grundlage dieser Riickmeldung - fortan die Basis der weiteren Entwicklung des Systems darstellen. Selbst kleine Veranderungen (Mutationen) konnen somit zu grolSen Auswirkun­gen auf das Gesamtsystem fiihren.

Ed Lorenz, Meteorologe in Cambridge, Massachusetts, und einer der Vater der Chaostheorie, wird das Beispiel eines Schmetterlings in Brasilien zugeschrieben, dessen Fliigelschlag nach einigen Wo­chen einen Wirbelsturm in Texas auslosen kann. Kleine Ursachen konnen im komplexen System mit seinen vollig offenen und iiberraschenden Reaktionen unter bestimmten - zugegeben bei diesem Beispiel mit allergeringster Wahrscheinlichkeit real existie­renden - Bedingungen zu grolSen Wirkungen fiihren.

Aber es geniigt ja schon, sich den Verlauf der bffnung der innerdeutschen Grenzen anzuschauen. DalS dies iiberhaupt ge­schah, war schon das Ergebnis einer ziemlich seltenen Konstella­tion von Bedingungen und Ereignissen in einem aulSerst komple­xen System. Wenn wir aber nur mal annehmen, Herr Honecker ware zum Zeitpunkt der Zuspitzung des Geschehens nicht aulSer Gefecht, sondern gesund und im Vollbesitz seiner Krafte gewesen, so ware vermutlich zumindest der Ablauf der Ereignisse anders gewesen, vielleicht blutig, vielleicht hatte es sogar zum damaligen Zeitpunkt ein vollig anderes Resultat gegeben. Der Ablauf eines weltgeschichtlich wichtigen Ereignisses hing also von dem lacher­lichen Zufall der korperlichen Befindlichkeit eines alten Mannes abo Welch ein Chaos!

Chaosforschung beschaftigt sich mit den Spielregeln in komplexen System en. Diese komplexen Systeme sind meist aulSerordentlich kompliziert aufgebaut und entwickeln sich nichtlinear. Wir sind von einer Vielzahl derartiger Systeme umgeben, unser Korper ist ein soiches, unsere Psyche erst recht, und die Welt als Ganzes ist das komplexeste System iiberhaupt. Die Chaosforschung beschaf­tigt sich also mit der Untersuchung und Beschreibung der Gesetz­malSigkeiten dieser Welt. Ihre Resultate sollten mithin unbedingt auf ihre Brauchbarkeit fur die Beschreibung, Prognose und Steue­rung wirtschaftlicher Prozesse bis hin zur Fiihrung von Menschen-

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gruppen untersucht werden. Da auch sie Teil unserer Welt sind, kann vermutet werden, daE die Ergebnisse der Chaosforschung auch fur sie gelten, wenn auch sicherlich in anderer Erscheinungs­form.

Die Unvorhersehbarkeit der nichtlinearen Prozesse und das Poten­tial fur Neues, machen die Faszination komplexer Systeme aus. Beides schurt aber auch unsere Beruhrungsangste mit diesen komplexen Systemen, unsere Beriihrungsangste mit Chaos. Wir haben uns zwar daran gewohnt, daE das Wetter, die Aktienkurse, Rohstoffpreise oder auch das Verhalten sozialer Gruppen sehr schwierig vorherzusagen sind und immer wieder uberraschende Entwicklungen nehmen, aber der Umgang mit derartigen komple­xen Systemen erscheint uns dennoch ungewohnt und riskant. Wenn irgend moglich, meiden wir sie, weichen ihnen aus, stecken unsere Kopfe in den Sand und was immer wir noch fur Strategien entwickelt haben, urn uns vor der chaotischen Realitat unserer Welt zu verstecken. Niemand ist frei von diesem Verhalten. Es gibt Grunde dafur, und wir wollen sie im folgenden untersuchen.

Chaos macht angst

Wir haben immer dann Angst, wenn wir uns einer Sache nicht gewachsen fuhlen oder ihr tatsachlich nicht gewachsen sind. Angst hat also immer mit unserer eigenen Unvollkommenheit, der tatsachlichen oder der vermuteten, zu tun. Dies ist im ubrigen auch der Grund, warum wir Angst nur ungern eingestehen, schon gar nicht im Wirtschaftsleben. So verhalt es sich auch mit unserer Angst vor dem Chaos. Sie wurzelt in unserer Unvollkommenheit, und wir geben sie nicht gerne zu. Dabei konnen wir gute Grunde fur unsere Angste ausmachen.

Erstens verfugen wir als Individuen nur uber eine ungenugende Wahrnehmungsfahigkeit. Zeichen, die eine neue Situation ankun­digen, werden meist verspatet wahrgenommen. Das hat einerseits zu tun mit der mangelnden Bereitstellung und Aufarbeitung von

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Informationen, andererseits aber auch in hohem Mage mit unserer Unfahigkeit, harten Tatsachen wirklich ins Gesicht zu sehen und Fakten als Fakten anzuerkennen. Allzuoft und allzugern machen wir uns statt dessen etwas vor, wird der Wunsch zum Vater des Gedanken.

Zweitens denken wir nach wie vor ungeniigend komplex, zu linear und in ausgetretenen Bahnen. Wir verfiigen iiber zu wenig spon­tane und noch weniger systemische Kreativitat. Das ist auch vollig verstandlich, weil Kreativitat immer unlogisch ist. Und wer will schon als unlogisch gelten. Ein solcher Ruf ist in den meisten Unternehmen karrieretotend. Deshalb tun wir uns schwer dam it, in uniibersichtlichen und komplexen Situationen schnell alternati­ve Denk- und Losungsansatze zu finden und zu formulieren, obwohl sie gerade dann erforderlich waren. Zu diesem Problem­kreis hat Rolf Berth in einem Interview des Managermagazins (Nr. 4/ 1993, S. 214 ff.) detailliert Stellung genommen.

In diesem Zusammenhang scheinen mir einige Bemerkungen zum "vernetzten Denken" notig. Zweifellos wurde mit diesem Ansatz ein wesentlicher Fortschritt bei der Problembewaltigung erreicht. Trotzdem stellt Vernetzung nichts anderes dar als Linearitat in mehreren Dimensionen. Dies ist augerordentlich niitzlich, wenn es urn Planungsprozesse geht, aber wir haben es nun mal in komplexen System en meist nicht mit planbaren Ereignissen zu tun, sondern mit Chaos. Da hilft uns in vielen Situationen vernetztes Denken nicht weiter. Wirkliche Kreativitat bildet das Eintreten unvorhersagbarer, unlogischer Ereignisse und damit die Gewinnung neuer Ansatze sozusagen im Gehirn ab, nimmt sie vorweg und mug demzufolge unlogisch sein. Kreativitat hat nicht viel mit vernetztem Denken zu tun. Vernetztes Denken ist im Grunde genommen ingenieurmagiges Denken auf augerordentlich hohem Niveau. Kreativitat ist dagegen der Ausdruck eines augerst komplex arbeitenden Gehirns, eines chaotisch arbeitenden Ge­hirns und somit ein Greuel fur die meisten Vertreter der Ingeni­eurwissenschaften. Nicht umsonst gibt es den Spruch ,,Nur das Genie beherrscht das Chaos!"

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Kreativitiit ist also eme zunachst hochst individuelle Form des Denkens, sie lost Probleme auf unubliche, "unlogische" Weise. Aber sie laBt sich systematisch entwickeln. Dies erfordert allerdings eine vollig veranderte Einstellung zur Kreativitat in den Unterneh­men, ja in der ganzen Gesellschaft. Wir schwarmen zwar immer von den sogenannten Querdenkern, machen es ihnen aber unge­mein schwer, sich Gehor zu verschaffen. Sie werden im gesell­schaftlichen Konsens immer noch als AuBenseiter behandelt, weil sie unbequem sind.

Aber erst, wenn diese Einstellung uberwunden ist, werden wir in der Lage sein, ausreichend komplex, sprich: chao tisch, zu denken. Dann erst wird es moglich sein, Kreativitat als systemische Krea­tivitat herauszubilden. Dann wird Kreativitat, "Unlogik" zur Ar­beitsweise des Systems Unternehmen, zu einer der Grundlagen fur Zusammenarbeit. Dann haben wir bessere Chancen, komplexe Systeme zu gestalten.

Ein dritter Grund fur un sere Angst liegt darin, daB wir auch nicht komplex genug handeln. Wir operieren vorzugsweise in linearen Befehlsketten, unsere Arbeitsteilung folgt hauptsachlich noch den Prinzipien des Taylorismus, und in vie len Fallen dominiert das Spezialistentum. Damit sei nichts gegen Spezialisten gesagt. Doch wir sind sehr haufig nicht in der Lage, Handlungskompetenz so zu bundeln und auszurichten, daB ein effektives Agieren vieler Spezialisten in komplexen Situationen moglich wird.

Ganz nuchtern betrachtet, sind wir auf den Umgang mit komple­xen Systemen, auf das Uberleben im Chaos, ungenugend vorbe­reitet. Zwar wurden vielerorts in den Unternehmen bereits einige Anstrengungen unternommen, sei es in Weiterbildungsseminaren, durch Publikationen oder ahnliches. Aber die grundsatzliche Wen­de weg yom starren, eindimensionalen, bestenfalls vernetzten Denken und Handeln, hin zu einer kreativen, chaosfahigen Kuitur, wurde bisher noch nicht einmal ernsthaft in Angriff genommen.

Nun kann ein Mensch allein, als einzelnes Individuum, naturlich nur in sehr beschranktem MaRe die ganze Komplexitat der uns

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umgebenden Welt fassen und so komplex denken und handeln, wie es notig ware. Ausreichend komplexes Wahmehmen, Denken und Handeln erreicht man nur durch die Einbeziehung vieler und verschiedener Menschen in die Prozesse. Gefragt ist das Arbeiten in Teams. Die Beherrschung von Teamarbeit wird somit zur Uberlebensfrage.

Teamarbeit erfordert jedoch das Teilen von Handlungs- und Steuerungsvollmacht. Und genau das funktioniert meistens nicht. Zwar reden und schreiben wir immer haufiger von Dezentralisie­rung als wichtigstem Untemehmensprinzip, aber wir tun es in Wahrheit nicht. Wir fuhren zwar in vielen Untemehmen zur Zeit wieder Umstrukturierungen durch, aber das entscheidende Mo­ment echter Dezentralisierung - namlich die Abgabe von Macht - wird dabei fast immer elegant umschifft. Das Resultat ist dann haufig eine ,,neue" Fiihrungs- und Organisationsstruktur, die wieder auf dem gleichen linearen Prinzip von Befehl und Ausfuh­rung beruht. Wenn wir Teams bilden, Qualitatszirkel usw., lassen wir sie nicht emsthaft selbstandig arbeiten, sondem bevormunden sie. Wir arbeiten nach wie vor mit Befehlen, wenn auch manchmal in der geschickten Verpackung des Soft-Managements.

Wir tun zwar so, als hatten wir die Art der Zusammenarbeit in den Untemehmen und zwischen ihnen verandert und publizieren das auch - alle Managementjoumale sind voll davon. Es stimmt aber nicht! Wir mach en uns und anderen etwas vor. Warum wohl beobachten wir in den meisten Untemehmen seit Jahren immer noch die gleichen Motivationsdefizite? Weil wir eben nicht mit Selbstorganisation arbeiten. Weil die Untemehmen eben nach wie vor hierarchisch determiniert sind. Weil Vollmacht und Anweisung fast iiberall von oben nach unten gehen, nicht quer und schon gar nicht von unten nach oben.

An der Basis, dort, wo die eigentliche Kompetenz liegt, wird noch immer nicht verantwortlich gearbeitet, sondem es werden nur Befehle ausgefuhrt. Dabei kennen un sere Mitarbeiter 100 Prozent der Vorgange im Untemehmen, das Mittelmanagement nur ca. 60 Prozent, die Top-Leute hochstens 20 Prozent. Und trotzdem

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werden die Leute mit der hochsten Sachkompetenz, namlich die Mitarbeiter, fast immer aus den Entscheidungs- und Anweisungs­prozessen herausgehalten. Wie soIl jemand im Unternehmen Verantwortung iibernehmen, wenn man ihm die dafur notwendi­gen Vollmachten vorenthalt?

Es stimmt einfach nicht, daR in den Unternehmen das sogenannte ,,Neue Denken" Einzug gehalten hat. Es lauft fast iiberall noch nach dem alten Strickmuster, in dem Machterhalt das Wichtigste an der Fiihrungstatigkeit ist. Und diejenigen, die ob dieser Fest­stellung jetzt am lautesten protestieren, fuhlen sich vielleicht in ihrem Innern am meisten ertappt.

Der Hauptgrund fiir diese insgesamt unbefriedigende Situation ist die Angst, die tief in uns allen schlummert. Jeder weiR aus eigener Erfahrung, daR die Angst, den Job zu verlieren, sich zu blamieren, yom Chef geriiffelt oder gar bloRgesteIlt zu werden, bestimmende Momente unseres Handelns sind. Manchmal ist uns das bewuRt, meistens jedoch denken, fiihlen und handeln wir diesbeziiglich instinktiv. Es geht urn Oberlebenssicherung fur uns und unsere Familien. Deshalb mauern wir, sind wir skeptisch gegeniiber neuen und alten Kollegen, deshalb reden wir dem Chef nach dem Munde. Und das miissen wir in den allermeisten Unternehmen tatsachlich auch tun. Daran ist iiberhaupt nichts Verwerfliches; ein Tor, der anders handelt. Unsere Angste sind berechtigt und unsere inneren Abwehrstrategien erprobt und bewahrt.

Dennoch: Mit dieser Haltung sitzen wir in der FaIle. Wir sitzen dort nicht allein, sondern zusammen mit der ganzen Gesellschaft. Wir aIle sitzen in cler Angstfalle. Und cler Schliisse! zum bffnen dieser FaIle heiRt Vertrauen.

Chaos hat Regeln

Wenn wir verstehen, daR wir es urn uns herum mit komplexen Systemen zu tun haben, die sich aIle in stiirmischer Veranderung befinden, dann miissen wir uns, mehr oder weniger notgedrungen,

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mit den Spielregeln dieser komplexen Systeme, mit den Regeln des Chaos, befassen. Und in der Tat, das Chaos gehorcht Regeln. Die Chaosforschung hat GesetzmaGigkeiten, zum Beispiel in Form komplizierter mathematischer Beziehungen, herausgearbeitet, die sozusagen erstes Licht in das Dunkel bringen. Dazu sind jedoch zwei grundsatzliche Vorbemerkungen notig.

Erstens ist die Chaosforschung eine sehr junge Wissenschaftsdis­ziplin und konnte demzufolge ihr Forschungsgebiet noch gar nicht erschopfend bearbeiten. Zwar stiitzt sie sich auf gesichertes Wissen der traditionsreichen Wissenschaften Mathematik und Physik, trotzdem kann man bei der Chaostheorie noch nicht von einem abgeschlossenen und in alle Richtungen ausgearbeiteten Wissen­schaftszweig sprechen. Insofern ist beim Zugriff und bei der Bewertung der einzelnen Sachverhalte gebiihrende Vorsicht notig.

Zweitens muG man sehr vorsichtig vorgehen, will man die von der Chaostheorie herausgearbeiteten Zusammenhange, die ja hauptsachlich aus naturwissenschaftlichen Beobachtungsfeldern stammen, auf den Bereich der Gesellschafts- oder Wirtschaftswis­senschaften iibertragen. Bei derartigen Versuchen kann es im iibrigen nicht urn die Ubernahme mathematischer Formeln gehen, sondern einzig und allein urn die dahinter stehenden Prrinzipien. So entsteht ein plausibles Gedankengeriist, das fur die Betrachtung und Beschreibung bestimmter Entwicklungen und Prozesse in der Wirtschaft niitzlich sein kann. Es solI hauptsachlich die Ableitung von Verhaltensregeln und -vorschlagen fur Manager ermoglichen, die es ihnen erlauben, unter den komplexen Bedingungen des Wandels und den damit verbundenen Turbulenzen und Uberra­schungen bessere Arbeit zu leisten. Wir benotigen sozusagen Orientierungspunkte und Wegweiser im Dickicht des Chaos der Wirtschaft. Und diese kann uns die Chaostheorie liefern.

Es gibt in unserem Zusammenhang funf Regeln, die bemerkens­wert sind.

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Regel 1: In komplexen System en und fur die darin ablaufenden Prozes­se gelten stets bekannte GesetzmalSigkeiten. Welche jedoeh zum betraehteten Zeitpunkt gerade wirksam sind, hangt vom aktuellen Zustand des Systems abo

Regel 2: Die Entwieklung komplexer Systeme ist nieht sieher vorhers­agbar, sondem stets mehr oder weniger zufallig. Diese Insta­bilitat driiekt sieh in sogenannten Prognosehorizonten aus.

Regel 3: Komplexe Systeme beinhalten infolge ihrer Instabilitat Wand­lungspotentiale. Stabile Systeme dagegen sind von sieh aus, das heiRt ohne entspreehende Impulse von aulSen, nieht wandlungsfahig.

Regel 4: Die Instabilitaten innerhalb komplexer Systeme werden dureh gesetzmalSig ablaufende Vorgange hervorgerufen, funktionie­ren sozusagen naeh bestimmten Mustem. Diese Elemente der Destabilisierung sind die Initiatoren des Wandels, der Emeue­rung. Sie wirken spontan, konnen jedoeh aueh von aulSen provoziert werden.

Regel 5: In komplexen Systemen wirken neben den Destabilisierungs­faktoren immer aueh Elemente der Stabilisienmg. Diese wirken normalerweise vollig selbstandig, so daIS stabilisierende Ein­griffe von aulSen nur dann erforderlieh sind, wenn Systeme in irgendeiner Riehtung ihre Grenzen zu spreng en drohen.

1m folgenden geht es urn eine sinn volle Anwendung dieser Regeln auf die Wirtsehaft, ihren Wandel und die dabei entstehenden Probleme.

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Es gibt keine sicheren Prognosen

Wir wollen nun diese Regeln und ihre Wirkungen etwas naher untersuchen. Stellen wir uns vor, daIS die Erdolforderung weltweit drastisch sinkt, sagen wir auf 60 Prozent des Vorjahreswertes. Fur jeden von uns ist nachvollziehbar, daIS dann die Preise fur Produkte aus Erdol, zum Beispiel fiir Benzin, ansteigen werden. Die Preise gehorchen den Gesetzen des Marktes. Nun kann es aber in einem komplexen System durchaus dazu kommen, daIS dieses Resultat ausbleibt. Zum Beispiel wenn sich infolge einer bahnbrechenden Neuentwicklung auf dem Gebiet der Motorentechnik der Ver­brauch an Benzin und dam it die Nachfrage auf die Halfte verrin­gert. In diesem Falle bleibt der Benzinpreis trotz Forderriickgangs stabil oder sinkt sogar. Dies erkennen die Regierungen der euro­pais chen Gemeinschaft als phantastische Chance zur Steuererho­hung, und schon steigt der Benzinpreis in Europa. In anderen Regionen der Erde bleibt der Preis wahrscheinlich niedrig, es sei denn, daIS zum gleichen Zeitpunkt die Motorisierungswelle in China, RulSland, Nordafrika und Sudamerika ungeahnte Dimen­sionen annimmt. Dann steigt der Benzinpreis generell an.

Wir sehen an dies en wenigen und recht simp len Gedankenspielen, daIS in jedem Falle bekannte GesetzmalSigkeiten des Marktes die Veranderungen herbeifuhren, bei jeder Variante aber andere Ab­laufe wirksam werden. Versuchen wir, diese Preisentwicklungen zu quantifizieren, so werden wir bereits bei diesem simplen Modell mit unseren Voraussagen scheitem, weil wir zum Beispiel die Starke des Wirkens der einzelnen Ablaufe im Verhaltnis zu den anderen nicht einschatzen konnen.

Regel 1 besagt also, daIS in komplex en Systemen die bestehenden GesetzmalSigkeiten nicht aulSer Kraft gesetzt sind, weder die der Natur noch die der Gesellschaft. Dies unterstreicht die grundsatz­liche Steuerbarkeit solcher Systeme. Andererseits hangt die Wir­kung dieser GesetzmalSigkeiten von den jeweiligen Bedingungen des Systems abo Und dort beginnt das Dilemma, weil wir namlich in komplexen Systemen gar nicht alle Bedingungen kennen kon-

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nen. Das ist unmoglich! SchlieBlich konnen bereits kIeinste Schwankungen betrachtliche Auswirkungen haben (zur Verdeutli­chung dieses Prinzips: Schmetterlingsbeispiel). Eines ist allerdings kIar, und das ist ungemein wichtig fiir den Alltag: Bei der groBen Komplexitat der Weltwirtschaft und unserer Untemehmen wird der Zustand des Systems heute niemals mit dem von gestem identisch sein. Wir miissen also immer (!) davon ausgehen, daB die gestem wirkenden GesetzmaBigkeiten heute moglicherweise nicht mehr gelten, sondem andere. Und das heiBt auch: Mit den MaBnahmen von gestem konnen wir heute ziemlich wahrschein­lich nicht mehr die gleichen Resultate oder gar bessere erzielen.

Und nun Hand aufs Herz! Wie oft vergessen wir diese einfache SchluBfolgerung und iibertragen Losungsansatze von gestem vol­lig automatisch auf heutige Situationen? Meistens. Wir tun das, weil wir nicht beweglich genug im Denken, nicht kreativ sind, sondem entsprechend unserer Gewohnheiten arbeiten und neue Ansatze scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Das solI nicht heiBen, daB Losungen von gestem heute generell nicht mehr funktionieren, aber sie miissen immer kritisch hinterfragt werden.

Die Bestimmung von Prognosehorizonten stellt sich oft als ein schwieriges Problem dar. Besonders dann, wenn man die Eintritts­wahrscheinlichkeit ganz exakt und zeitgenau bestimmen will, kommt man sehr schnell an die Grenzen des Moglichen. Wir sind deshalb gut beraten, mit Abschatzungen zu arbeiten.

Abbildung 3 zeigt die Grundtypen von Prognosehorizonten. Der lineare Kurvenverlauf a ist nur unter bestimmten, relativ einfachen Verhaltnissen zu erwarten. Kurve b charakterisiert eine fiir einen kurzfristigen Zeitraum relativ hohe Wahrscheinlichkeit des Eintref­fens unserer Prognose, die sich jedoch iiberproportional mit der Zeit verschlechtert. Dagegen nimmt bei Verlauf c der Prognose­wert exponentiell ab und erreicht bereits nach relativ kurzer Zeit unbrauchbare GroBenordnungen. Am interessantesten und viel­leicht auch am haufigsten diirfte der Kurvenverlauf d sein. Das Charakteristische an dieser Kurve ist ihr sogenannter Wendepunkt. Zu diesem Zeitpunkt verandem sich der Zustand des Systems

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100 96 Wp (Wahrscheinlichkeit, mff der die Prognose eintritt)

a

ProgcIosezeitrBum

Abbildung 3: Grundtypen von Prognosehorizonten

oder die Bedingungen, denen es unterliegt, drastisch. Leider konnen wir solche Wendepunkte in der Praxis zeitlich fast nie fixieren, was die Aufstellung vemiinftiger Prognosehorizonte sehr erschwert.

1m iibrigen wird aus diesen Kurven und den dam it verbundenen Oberlegungen eine Grundregel fur Weissagungen deutlich, die aile grofSen Orakel, von Delphi iiber Nostradamus bis Hanussen, beherzigt haben: Gib entweder einigermafSen prazise Informatio­nen iiber das erwartete Ereignis, dann aber nur ganz vage Zeitan­gaben, oder lege dich hinsichtlich des Zeitpunkts einigermafSen fest, aber mache dann nur allgemeine Aussagen iiber das, was passieren soli.

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Die AufsteIlung von Prognosehorizonten kann bei sorgfaltiger Vorgehensweise in der Tat bereits naeh sehr kurzen Zeitraumen sehr sehleehte Prognostizierbarkeiten ausweisen. In derartigen Fallen riehtet man sieh lieber - soweit moglieh - auf aIle Eventua­litaten ein, aueh wenn dies in der konkreten Situation, etwa bei Entseheidungen iiber die Personalentwieklung des Unternehmens, sehwierig sein mag. Es ist jedoeh immer noeh besser, als im Glauben an eine siehere Prognose spater iiberraseht zu werden.

In den letzten Jahren fallt eine zunehmende Korrekturnotwendig­keit bei den Prognosen fuhrender Wirtsehaftsinstitute auf, leider meist zum Negativen. Dies liegt nieht am mangelnden Konnen der Mitarbeiter dieser Institutionen, sondern daran, daR so kom­plexe Systeme wie Volkswirtsehaften in turbulenten Zeiten eben nieht sieher prognostizierbar sind (Regel 2). Ergo: Man darf sieh nieht festlegen, muR sieh Option en offenhalten. Dies kann man wirkungsvoll aber nur in offenen Systemen, in offen en Strukturen tun.

Systeme streben zur Stabilitat

Betraehten wir wieder ein Beispiel. Ein Verwaltungsbereieh, etwa die Abteilung Fertigungsvorbereitung, ist dann am stabilsten, wenn aile Arbeitsvorgange wohlgeordnet und geregelt, aIle Zu­stiindigkeiten klar verteilt sind, wenn es ausreiehend Personalre­serven gibt und so ein storungsfreies Arbeiten gewahrleistet ist -aueh und besonders dadureh, daR die Produktion in groSen LosgroRen gefahren werden kann und nie Anderungen yom Kunden her in das System hineingetragen werden. Diese frommen Wiinsehe hort man tatsaehlieh sehr haufig in der Praxis; sie sind Zeiehen eines vollig unrealistisehen Denksehemas. JedenfaIls, eine solche Abteilung ist biirokratiseh perfekt geordnet und in der Tat stabil. AIle Verwaltung strebt diesen Zustand an, was kein person­lieher Makel der darin besehaftigten Mitarbeiter, sondern sozusa­gen ein ,,Naturgesetz" ist.

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Erweitert man nun in diesem Modell die Systemgrenzen und betrachtet das Gesamtsystem Untemehmen, so ist der beschrie­bene Zustand bei weitem nicht stabilitatsfordemd. Zum Beispiel gibt es enorme Konflikte mit Nachbarbereichen, die von der Abteilung Fertigungsvorbereitung mehr Flexibilitat und Tempo brauchen, und die Kosten fur diesen burokratischen Bereich sind viel zu hoch. Die fur sich allein gesehen stabile Abteilung gefahrdet letztlich das Untemehmen. Fur das Gesamtsystem ware eine effizientere Fertigungsvorbereitung Bedingung fur einen stabilen Zustand.

Wenn die Untemehmensleitung nun nicht eingreift, sondem auf die Selbststeuerungsdynamik des komplexen Systems vertraut, werden alle anderen Bereiche des Untemehmens einen enormen Druck auf die Fertigungsvorbereitung ausuben, weil sie selbst mit der Gesamtsituation nicht mehr zurecht kommen. Friiher oder spater werden sie eine Regulierung erzwingen, eben weil geschlos­sene Systeme naturgemaLS zum Zustand hoherer Stabilitat streben und sich und ihre Subsysteme entsprechend organisieren. In der Praxis glauben wir das nur nicht so recht und versuchen immer, entsprechende Eingriffe vorzunehmen.

Nun ist ein korrigierender Eingriff bei dem gewahlten Beispiel sicherlich sehr sinnvoll. Bei komplexeren Systemen, wie beispiels­weise der Entwicklung und Einfuhrung eines neuen Produkts, machen wir mit unseren Regulierungen - etwa der Aufstellung detaillierter Forschungsplane - das ganze System jedoch eher unflexibler und anfaIliger gegenuber den Schwankungen der Mark­teo

Besinnen wir uns lieber auf Regel 5, daLS komplexe Systemen von selbst (0 den Zustand hochster Stabilitat anstreben, und setzen wir auf diese Selbstorganisation. Es funktioniert hundertprozentig, die Natur macht es uns vor. Denken wir nur an die Selbstheilungs­krafte (Autopoiese) vieler polymerer Schaume. Selbst in so hoch­komplizierten Systemen wie unserem Gehirn wurden neuerdings selbstorganisierte Veranderungen an der Organsubstanz beobach­tet. Fur Potentialausgleichung zwischen Gebieten unterschiedlich

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hohen Drucks mussen wir nur die geeigneten Bedingungen schaf­fen, beispielsweise das Ventil zwischen zwei verbundenen GefaRen unterschiedlichen Luftdrucks offnen. Und jeder von uns kennt Situationen im eigenen Unternehmen, wo eigentlich nur einmal das Ventil geoffnet werden muRte, und schon wurden sich viele Dinge von alleine regeln.

Wir haben bisher zwei wichtige Elemente der Stabilisierung in komplexen System en angesprochen, Selbstheilung und Selbstor­ganisation. Ein weiteres wichtiges Element der Stabilisierung sind die in der Natur beobachteten und von der Chaosforschung als elementare Grundstruktur herausgearbeiteten Fraktale. Sie treten immer dort auf, wo Systeme hierarchisch geordnet sind und stellen offen bar unter nichtlinearen und komplexen Bedingungen die beste Hierarchieform dar. Fraktale sind selbstahnliche Gebilde, das heiRt bei ihnen finden sich Grundstrukturen eines Teils im Ganzen wieder. Der Ast eines Baumes erinnert fur sich allein betrachtet an das Aussehen des ganzen Baumes, das Blatt eines Farns an die ganze Pfianze. Jeder kennt inzwischen die Apfelmannchenstruktu­ren, die auf der Grundlage relativ einfacher mathematischer Bezie­hungen errechnete kunstliche Fraktale sind. Die Chaosforschung ist heute in der Lage, auf der Grundlage solcher Fraktale im Computer ganze Landschaften entstehen zu lassen, die fotografi­schen Aufnahmen tauschend ahnlich sind.

Fur Unternehmen laRt sich daraus die Empfehlung ableiten, ihre Hierarchien, sowohl die formellen als auch die inform ellen, nach dem Prinzip der Fraktale, also nach dem Prinzip der Selbstahnlich­keit, aufzubauen. In vielen Firmen wurde dies bereits getan (Prufitcenter und andere), abel meist nieht konsequent gcnug, wei! die Einfuhrung solcher Organisationsstrukturen nicht in Erkennt­nis der Bedeutung dieser Strukturen fur die Chaosfahigkeit des Unternehmens erfolgte - fur seine Stabilitat unter den Bedingun­gen standigen Wandels -, sondern eher empirisch oder bestimm­ten Moden folgend.

Wir konnen nicht oft genug betonen, daR auch unter den Bedin­gungen dynamischen Wandels, unter Chaosbedingungen, genu-

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gend stabilisierende Elemente vorhanden sind, daR sie wirken und daR sie vor aHem selbststandig wirken. Wenn wir diesem Gesetz vertrauen, dann konnen wir uns die Eingriffe in laufende Prozesse sparen und die Aktivitaten unserer Fuhrungskrafte auf die produk­tiveren Bereiche des Managens lenken. Diese sind, im krassen Gegensatz zu dem, was wir gegenwartig tun, nicht Aktivitaten zur Stabilisierung (oder angeblichen Stabilisierung) der Systeme, son­dem zu deren Destabilisierung. Destabilisierung ist notig, urn Wandlungspotentiale zu erschlieRen, Neues zu kreieren und Inno­vationen zu managen.

Destabilisierung bringt Erneuerung

Wandlungspotentiale stehen in enger Beziehung zu den Instabili­taten eines Systems. Je unwahrscheinlicher das Eintreten einer bestimmten Prognose ist, desto wahrscheinlicher ist die Moglich­keit, daR etwas vollig Neues entsteht. Biologische Systeme bringen in extremen Situationen uberdurchschnittlich viele Mutationen hervor. Volkswirtschaften oder Untemehmen zeigen in Zeiten der Krise, in Zeiten der Stagnation, eine besonders hohe Innovations­rate.

Letzteres ist im Kondratieff-Zyklus fur einen Zeitraum von etwa 200 Jahren nachgewiesen. Seine DarsteHung in Abbildung 4 pra­zisiert die in Abbildung 2 gezeigte Periode der IndustriegeseH­schaft. Wir sehen in schoner RegelmaRigkeit nach jeweils 30 Jah­ren kraftigen Produktionszuwachses, entstanden durch Kapazitats­ausweitungen und Effektivitatssteigerungen, zwei Dekaden wirt­schaftlicher Stagnation. In diesen Stagnationsphasen steigt die Innovationsrate gewaItig an, nahezu aile bedeutenden Innovatio­nen stammen aus dies en Zeitraumen. In den Wachstumsperioden der Wirtschaft dagegen halt sich die Innovationstatigkeit in Gren­zen. Dies hat nicht in erster Linie mit der Produktivitat der Forscher zu tun, sondem viel mehr mit der Umsetzung innovativer Gedan­ken. In stabilen Phasen gibt es eine gering ere Notwendigkeit zur

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Veranderung, also weniger Wandel. In Krisenzeiten dagegen, in denen das System Wirtschaft instabil ist und viele Unternehmen und Branchen existentiell gefahrdet sind, wachsen die Wandlungs­potentiale, schlagen Innovationen ganz anders durch.

Wie sich dieser Zyklus iiber die Jahrtausendwende fortsetzen wird, ist gegenwan:ig unklar. Jedoch sind aus den vorn angestellten Oberlegungen eher weiter zunehmende Instabilitaten und Wand­lungsprozesse zu erwarten. Unsere Gesellschaft besitzt heute ein wesentlich groiSeres Wandlungspotential als in den zuriickliegen­den 200 Jahren und pragt dieses immer starker aus. Das alles steht in direktem Zusammenhang mit den Turbulenzen und Instabilita­ten, in denen sich unsere Welt heute befmdet und die nach Veranderung des Gesamtsystems drangen. Wann diese Verande­rungen eintreten und wie sie im einzelnen aussehen werden, wissen wir heute nicht genau. Das ist eher eine Frage fur Philoso­phen und Zukunftsforscher, aus deren theoretischen Arbeiten wir vielleicht friih genug Aufschliisse iiber un sere Zukunft und die unserer Unternehmen gewinnen konnten. Ich empfehle allen Fiihrungskraften das intensive Studium von Informationen aus diesen Bereichen.

Wir wollen uns im folgenden mit der Frage beschaftigen, ob und wie wir die Gesetze des Wandels, das Chaos nutzen konnen. Der Wandel pragt unausweichlich unser Leben und Arbeiten. Wir sollten uns nicht dagegen stemm en, sondern ihn zu unserem Vorteil machen. Nur Destabilisierung fiihrt zu Neuem. Schauen wir uns also an, wie Destabilisierung funktioniert.

Es gibt verschiedene Methoden zur Destabilisierung eines Gleich­gewichtszustands. Beim Zusammenschiitten schwer mischbarer Fliissigkeiten entstehen im System zunachst scharf ausgepragte Phasengrenzen, so daiS beide Fliissigkeiten nebeneinander existie­ren. Dabei entsteht noch nichts Neues. Durch mechanische Ein­wirkungen jedoch (Erschiitterung, Riihren oder ahnliches) kommt es an den Phasengrenzen zu Turbulenzen, die zunachst durchaus chaotische Ziige tragen. Dann aber tritt an diesen Phasengrenzen tatsachlich etwas Neues auf, namlich eine Mischung aus beiden

In Zeiten des Wandels herrscht Chaos

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Fliissigkeiten mit neuen Eigensehaften. Wir registrieren also: An Phasengrenzen entsteht Neues, Phasengrenzen sind Mogliehkeiten zur Destabilisierung.

Ein anderes Beispiel fiir die destabilisierende und in der Folge erneuernde Wirkung von Phasengrenzen stellen multikulturelle Gesellsehaften dar. Uberall dort, wo Volker mit untersehiedliehen Kulturen zusammenkommen, sieh misehen, entsteht Instabilitat. Je naehdem, wie die Bedingungen in diesen Misehzonen gestaltet werden, entsteht daraus auf verniinftige Weise etwas Neues, zum Beispiel die kreative Vielvolkerregion Kaliforniens, oder aber die Entwieklung vollzieht sieh unkontrolliert, wie derzeit auf dem Balkan. In jedem FaIle aber kommt irgendein neuer Zustand, der sieh yom vorherigen unterseheidet.

Ein wei teres Element der Destabilisierung sind die sogenannten ,,Kristallisationskeime". Die Molekiile einer Salzlosung beispiels­weise werden an einem solchen Kristallisationskeim destabilisiert, so daR es zur Fallung und Kristallisation des Salzes aus der Losung kommt; es entsteht etwas Neues. Ais Kristallisationskeime konnen - im iibertragenen Sinne - aueh starke Personliehkeiten wirken, bei deren Eintritt ins Unternehmen plotzlieh konstruktive oder aueh destruktive Veranderungen eintreten, an denen Freund und Feind sieh seheiden und die bewirken, daR sehwelende Konflikte ausgetragen werden. In welche Riehtung sieh solche Kristallisa­tionskeime auswirken, kann man vorher nieht mit Bestimmtheit sagen, aueh hier gilt wieder: Je komplexer das System und je komplizierter die Situation, desto geringer ist der Prognosehori­zont.

Ebenso sind ,,kritisehe Quantitaten" Elemente der Destabilisie­rung, sei es als kritisehe Masse (Kernspaltung) oder als kritisehe Menge (ab welcher Bevolkerungsdiehte kommt es in den Ballungs­gebieten unserer Erde zu gewaltsamen Losungsversuehen?). Ab welcher Erneuerungsrate seiner Produkte kann ein Unternehmen seine Marktposition stabilisieren? Welcher Penetrationsgrad einer Werbebotsehaft ist notig, urn das Produkt erfolgreieh zu etablieren? Wir besehaftigen uns immer wieder mit solchen und ahnliehen

Konfrontation mit dem Chaos

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Fragen zu kritischen Quantitaten, ohne dies jedoch bewufSt als Element von Destabilisierung und damit als eine zwingende Voraussetzung fiir Neues zu erkennen, geschweige denn die Destabilisierung bewufSt herbeizufuhren.

Auch die "Veranderung von Umfeldbedingungen" kann sich sehr stark destabilisierend, und dam it in der Folge erneuernd, auf unsere Systeme auswirken. Sehr robuste Systeme oder Prozesse setzen aufSeren Veranderungen eher erfolgreich Widerstand entgegen. 1m Bereich technischer Prozesse, zum Beispiel an FliefS- und Ferti­gungsstrafSen, ist die Verhinderung solcher Destabilisierungen durch ausreichend robuste ProzefSfuhrung angebracht. Organisa­torische Prozesse, zum Beispiel im Verwaltungsbereich, konnen durch rigorose Vereinfachung robuster gegeniiber AufSeneinfliis­sen gemacht werden.

Aber auch der umgekehrte Weg ist gangbar, obwohl dazu sehr viel Mut gehort. Man kann die Robustheit von Systemen auch bewufSt reduzieren, wenn man ihre Veranderung erzwingen will. Beispielsweise funktioniert ein Verwaltungsbereich wahrend der Urlaubszeit auch noch mit ungefahr 60 Prozent des Personals. Zwar bleiben manche Dinge liegen, aber irgendwie geht es schon. Wenn man die anderen 40 Prozent nach dem Ende der Urlaubs­periode einfach nicht wieder zur Verfiigung stellt, wird natiirlich ein grofSes Geschrei ertonen, weil dann die Arbeit nach den bisher im System des Verwaltungsbereichs ablaufenden Prozessen und GesetzmafSigkeiten nicht mehr zu schaffen ist. Wenn man jetzt standhaft bleibt und nicht von den Zielvorgaben fur den Bereich abriickt, sondern statt dessen geeignete Prozesse der Problemlo­sung in Gang setzt, etwa durch Projektgruppen, so wird man mit Erstaunen feststellen, dafS in dem Verwaltungsbereich enorm vie I Neues entsteht, Prozesse und GesetzmafSigkeiten sich (selbstorga­nisiert!) verandern und plotzlich 40 Prozent Personal eingespart werden konnen.

Alle Unternehmen befinden sich ganz oder teilweise im Ungleich­gewicht mit ihrer Umgebung. Daraus entsteht letztlich ihre Vor­wiirtsbewegung, Innovationskraft und Anpassungsfahigkeit. Ohne

In Zeiten des Wandels herrscht Chaos

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diese Instabilitaten gabe es keine Entwicklung, nicht in der Natur und nicht in der Gesellschaft. Der Nobelpreistrager Prigogine pragte 1967 den Begriff der "dissipativen Strukturen" fur Systeme in Wechselwirkung mit der Umwelt. 1m Ergebnis dieser Wechsel­wirkung konnen Systeme in neue dynamische Zustande iiberge­hen und dabei vollig neue Eigenschaften auspragen. Wie wir gesehen haben, tritt dies in der Natur und auch in der Gesellschaft standig spontan auf, die Welt funktioniert auf diese Weise. Ande­rerseits lassen sich solche dissipativen Strukturen auch bewugt herbeifuhren, urn Entwicklung in Gang zu setzen und bewugt und gezielt zu fordern.

Bei diesen Oberlegungen wird etwas sehr Wichtiges deutlich: Phasengrenzen, Mischzonen, Kristallisationskeime, kritische Quantitaten und die Veranderung von Umfeldbedingungen kon­nen bewugt erzeugt werden, urn die in den Systemen ablaufenden Prozesse zu steuern. Je nachdem, wie wir in instabilen Phasen die Prozesse regulieren, werden wir vorwarts kommen oder nicht.

Wir haben es also tatsachlich in der Hand, Wandel aktiv zu steuern, indem wir seine Funktionsmechanismen nutzen. Wir konnen Destabilisierung bewugt und zielgerichtet herbeifuhren. Groge Erfahrungen mit dieser indirekten Einflugnahme auf konkrete und weitreichende Prozegablaufe gibt es im iibrigen in der Politik, die ganze Geheimdiplomatie funktioniert auf diese Weise.

Warum wenden wir diese Zusammenhange nicht in unseren Unternehmen an, wcnn Destabilisierung doch in jedem FaIle zu etwas Neuem fuhrt? Nur weil wir Angst haben, es konnte bei der Geburt des Neuen zu einigem Blutverlust kommen? Das ist bei Geburten so, lagt sich aber mit guter Vorbereitung aller Beteiligten, entsprechenden Vorsichtsmagnahmen und wacher Steuerung durchaus in Grenzen halten.

Ungleichgewichte in politis chen Krafteverhaltnissen, starke Kon­zentrationsgefalle zwischen verschiedenen Salzlosungen, groge Preisdifferenzen zwischen ahnlichen Produkten, Oberbevolkerung in Ballungsgebieten usw., all dies sind Situationen, Systemzustande,

Konfrontation mit dem Chaos

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in den en die Entstehung von Neuem geradezu in der Luft liegt. In derartigen Ungleichgewichtssituationen herrscht Instabilitat, und damit haben wir dort im Sinne der Chaostheorie groBe Wandlungspotentiale. Meist ist die Richtung dieser Wandlungen weitestgehend dem Zufall iiberlassen, manchmal kann steuernd eingegriffen werden. Aber in komplexen System en ist immer eines sicher: Es wird sich etwas verandern. Und diese Tatsache laBt sich hervorragend nutzen.

In Zeiten des Wandels herrscht Chaos I

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Chaos im Management­Management im Chaos

m Management herrscht gegenwiirtig eine Situation, die man mit Recht als Chaos bezeichnen kann. Auch wenn es die Betroffenen nur in den seltensten Fallen wahrha­

ben wollen: Die Versagensquote nimmt dramatisch zu, Hilflosig­keit bei der Bewaltigung des Wandels greift immer mehr urn sich. Unsere Manager und Politiker haben immer groRere Schwierig­keiten mit den Herausforderungen des intemationalen Wirt­schaftslebens. Sie haben groRe Probleme, auf den standigen Wan­del, auf die Chaotik der Markte, auf vollig veranderte Bedingungen des Wirtschaftens usw. richtig zu reagieren. Woran liegt es, daR die heutigen Manager mit der Bewaltigung der aktuellen Situation mehr Schwierigkeiten haben als die Verantwortlichen vor zehn, funfzehn oder zwanzigJahren? Teilweise sind es ja dieselben Leute, die heute wie damals in verantwortlichen Positionen sitzen, er­ganzt urn junge, hervorragend ausgebildete Fiihrungskrafte. Ei­gentlich miiRte es doch klappen, wundem wir uns oft. Aber es klappt eben nicht ausreichend gut, und wir miissen der Frage nach dem "Warum" nachgehen.

Die Krise des Managements

Der entscheidende Unterschied zu friiher besteht darin, daR die Situation, in der wir uns befinden, vollstandig und grundsatzlich verandert ist. Permanenter Wandel ist zum entscheidenden Merk­mal und zur alles pragenden Bedingung unserer Zeit geworden. Stabilitat gibt es - wenn iiberhaupt - nur noch kurzfristig und auf Nischen beschrankt. Das komplexe System "unsere Welt" ist in einer Obergangssituation zu einer neuen Gesellschaftsform, zu

Chaos im Management - Management im Chaos

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einem neuen Wirtschaftssystem. Was wir in aller Deutlichkeit mitbekommen, sind die Turbulenzen des Wandels von der jetzigen Industriegesellschaft zur zukunftigen Informationsgesellschaft.

Urn es noch drastischer zu formulieren: Wir erleben gegenwartig das Chaos der Verwandlung einer Gesellschaftsform in eine neue hautnah mit, sind sogar aufgerufen, diesen Obergang zu gestalten. Wir mussen also Wandel managen. Und Wandel kann man nur managen, wenn man sich selber diesem Wandel anpaRt. Das geht nicht von auRen, man muR mittendrin stecken, selbst verwandelt werden. Die auRere Komplexitat muR sich im Inneren des Sy­stems, im Inneren des Untemehmens widerspiegeln. Das ist das Problem. Wir haben zwar begriffen, daR alles im Wandel ist, und wir glauben auch manchmal, daR wir uns schon ganz schon verandert hatten, aber in Wirklichkeit verandem wir weder unsere Wahmehmung von dieser Welt noch unser Denken noch unser Handeln; jedenfalls nicht prinzipiell und radikal, wie es notig ware, sondem bestenfalls in Kleinigkeiten oder, was das Schlimmere ist, nur zum Schein.

Ich habe bereits festgestellt, daR die notwendige Komplexitat unseres Wahmehmens, Denkens und Handelns mit einzelnen Individuen nicht erreichbar ist. Die groRere personliche Komple­xitat ist zwar eine entscheidende Voraussetzung fur das erfolgrei­che Managen des Wandels, aber schaffen werden wir es nur im Team. Wir benotigen fur die Bewaltigung der Gegenwart und erst recht der Zukunft eine vollig neue Art der Zusammenarbeit, eine vollig neue Organisation, eine andere Basis fur das Miteinander. Verbreitet hat sich dafiir der Begriff der Synergie durchgesetzt, so daiS ich ihn auch hier hin und wieder verwenden will.

Es geht dabei nicht darum, Firmen umzuorganisieren, neue Chefs einzusetzen, Hierarchien abzubauen oder was alles im Moment so in Mode ist an "Wirtschaftskosmetik". Dies alles sind mehr oder weniger Losungsversuche, die das personliche Versagen oder die individuelle Untauglichkeit einzelner Manager unterstellen. Es buft immer nach dem Muster: Irgend etwas funktioniert im Untemeh­men nicht, das kann dann nur an den Personen liegen, die ersetzen

Konfrontation mit dem Chaos

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wir durch neue, und schon klappt es und wir haben unsere Siindenbocke und die neuen Gladiatoren; bis auch diese wieder versagen, als untauglich abgestempelt werden und schlielSlich ihrerseits in die Ecke fliegen, meist noch ohne Dankeschon dafiir, daIS sie tatsachlich mit all ihrer Kraft versucht haben, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. So gehen wir landauf-Iandab mit den Menschen urn, jeder von uns tut das, und er tut es letztlich sogar mit sich selbst. Auf diese Weise vergrolSern wir aber nur das Chaos, anstatt es zu meistern.

Dies ist unser Dilemma im Management, die Sackgasse, in der wir stecken. Einerseits sehen wir mehr oder weniger deutlich die Probleme und unsere Grenzen zu deren Losung, anderseits tun wir nichts dagegen, weil uns nichts brauchbar Neues einfcillt. Wir sind fixiert auf die alten Losungsmuster und konnen deshalb nicht zu neuen Ansatzen kommen. Und in der Folge dieser Hilflosigkeit verstarken wir un sere alten, heute falschen Losungsbemiihungen oder verschlielSen unsere Augen vor den Problemen.

Synergie und Vertrauen

Wir benotigen dringend ein grundsatzlich anderes Konzept zur Fiihrung von Prozessen und Menschen. Wir miissen wegkommen von der althergebrachten, auf Individualleistung beruhenden Wett­bewerbsform, und iiber den Wettbewerb von synergetisch organi­sierten Gruppen schlielSlich zur Synergie aller am Wettbewerb beteiligten Gruppen gelangen. Die Grundlage dafiir ist Vertrauen. Vertrauen ist der Schliissel zur Synergie, zur Gemeinsamkeit, und somit auch zur Meisterung des Obergangs in die Informationsge­sellschaft, zum Managen von Chaos, zur Bewaltigung der welt­wei ten Krise.

Wie ist es nun aber mit unserem Vertrauen bestellt? Haben wir Vertrauen in unsere Zukunft, in un sere Firma, in unsere Mitmen­schen, in uns selbst? Nein, wir haben bei weitem nicht geniigend Vertrauen, nicht einmal zu uns selbst. All unsere Reaktionen, all

Chaos im Management - Management im Chaos

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unsere Handlungen, all unsere Kommunikation sind auf Angst gegrundet. Wir verstecken uns, damit niemand unsere Schwache sieht, denn Schwache ist im Business todlich. Wir machen uns gegenseitig vor, wie toll, wie stark und intelligent wir sind. Wir kennen kein anderes Prinzip der Begegnung mit anderen Men­schen im Wirtschaftsleben als das der Angst. Wohlgemerkt, ich diskutiere hier keine Einzelfalle, sondern ein Prinzip, sozusagen ein Gesetz unseres Handelns.

Wenn wir in die Unternehmen hineinschauen, finden wir Vertrauen bestenfalls in Absichterklarungen zur Firmenethik (oft sind diese Traktate das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben stehen!) oder ansatzweise in klein en, fast schon intimen Bereichen. Aber als Unternehmensprinzip ist Vertrauen nirgends voll entwickelt. Das kann auch gar nicht sein, weil wir hier an ein bisher unumstoRliches Paradigm a unserer Gesellschaft, sozusagen an ein Kulturdogma stoRen. Es liegt nicht an dem Wollen oder Konnen der einzelnen Verantwortlichen in den Unternehmen. 1m Gegen­teil, nach meinen Erfahrungen ist die Sehnsucht nach vertrauens­voller Zusammenarbeit bei fast allen Mitarbeitern und Fuhrungs­kraften in den Unternehmen riesengroB. Aber wir aile unterliegen gegenwartig noch den Spielregeln der Angst und des MiRtrauens, aus denen wir nicht ausbrechen konnen, ohne uns selbst zu gefahrden.

Wir mussen also die Spielregeln andern, wenn wir den Obergang in die nachste Gesellschaftsform meistern, den Wandel optimal managen, wenn wir die gegenwartige Krise uberwinden wollen.

Nun klingt das ja fast schon nach Revolution, und Revolutionen gehen meistens schief. AuRerdem kosten sie immer Opfer, die wir uns nicht leisten wollen und konnen. Wir brauchen sanfte Losun­gen, evolution are Losungen. Es geht letztlich urn die Frage: Was kann jeder einzelne tun, urn an seinem Platz und in seiner Verantwortung ein Stuck zur Veranderung, ein Stuck zu mehr Vertrauen, ein Stuck zu komplexerem Wahrnehmen, Denken und Handeln beizutragen?

Konfrontation mit dem Chaos

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1m folgenden wollen wir uns mit einigen ganz konkreten Mog­lichkeiten beschaftigen, die das Management eines Unternehmens benutzen kann, urn Veranderungen in der von uns gewiinschten, weil notwendigen Richtung zu erreichen. Diese Veranderungen werden nicht sofort eintreten, sondern erst ailmahlich. Aber dies haben evolutionare Losungen so an sich.

Moglichkeiten fOr das Managen des Wandels

Interessanterweise sind die aus der Chaostheorie ableitbaren Grundsatze fur erfolgreiches Managen gar nicht immer so neu. Vieles davon ist uns bereits in der einen oder anderen Form begegnet.

Die oberste Regel fur Manager mug lauten: Stelle lmmer wieder aile Regeln in Frage!

Dies klingt einerseits paradox, andererseits nach Binsenweisheit. Aber in Zeiten permanenten Wandels wechseln die Gesetzmagig­keiten, die in komplexen System en wirken. Diese Wechsel sind nicht planbar, es mug aber standig mit ihnen gerechnet werden. Insofern ist es logisch, aile Regeln immer wieder in Frage zu stellen.

Es ist verbliiffend, wie wenig das Management diesem Satz in der Praxis folgt. Besonders das Mittelmanagement halt an altherge­brachten und liebgewordenen Regeln, Ablaufen, Vorschriften usw. fest. Der Grund liegt in der - scheinbaren - Sicherheit, die festgefugte Regelwerke ihren Benutzern bieten. In diese Sicherheit fliichten wir uns, wenn wir zu wenig Vertrauen haben in den Chef, in das Unternehmen, in uns selbst.

Da es nun aber keinerlei Sicherheiten dafur gibt, d~ in komplexen Systemen beim Durchlaufen turbulenter Wandlungsphasen die

Chaos im Management - Management im Chaos

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erwarteten oder vorausgesagten Ergebnisse auch tatsachlich ein­treten, darf es auch keinen Erfolgszwang geben.

I Anders herum formuliert heiSt das: MiRerfolg mufS erlaubt sein!

Wie weit sind wir doch in den meisten Unternehmen von diesem Grundsatz entfernt, und wie wenig trauen wir uns, ihn im Einzelfall zu realisieren. Wir iibersehen dabei, dafS bei ernsthafter Durchset­zung dieses Prinzips viel weniger Fehler gemacht wiirden, weil die Initiative aller in vollig anderer Weise auf die erfolgreiche Zieler­reichung gerichtet ist. Mit der Verwirklichung dieses Fiihrungs­prinzips und seiner tatsachlichen - und nicht nur verbal vorge­spielten - Einhaltung entsteht namlich Vertrauen, welches un mit­telbar zu mehr Engagement, zu mehr Zutrauen in die eigene Kompetenz, aber auch zu einer grofSeren Bereitschaft fuhrt, Kol­legen in die Losungsfindung und Losungsbeurteilung einzubezie­hen.

I Manager miissen Wandlungspotentiale schaffen gemafS der Leitlinie: Erzeuge standig gezielte Instabilitaten!

Organisatorische, technische, wissenschaftliche oder Marketing­Neuerungen konnen nur aus instabilen Zustanden gewonnen werden. Wenn wir dies behutsam, koordiniert, zielorientiert und mit wachem Blick tun, lafSt sich das Risiko in vertretbaren Grenzen halten.

In direktem Zusammenhang mit der Notwendigkeit, permanent und gezielt fiir Instabilitaten zu sorgen, steht die Regel: Stabilisie­rung lauft in Organisationen von selbst!

Es ist nicht notig, durch den Aufbau und die Festschreibung einer neuen und ausgefeilten Hierarchie zusatzliche Anstrengungen zur Auspragung von stabilisierenden Strukturen zu unternehmen.

Konfrontation mit dem Chaos

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Vertrauen (!) wir getrost auf die Eigendynamik und die Selbsthei­lungskrafte.

Beziiglich "Selbstorganisation" wird von Hardlinem des Manage­ments oft vorgeworfen, diese sei Anarchie. Aber: Selbstorganisa­tion ist in der Gruppe erarbeitete Organisation. Jede Gruppe wird, sich selbst iiberlassen, Strukturen organisieren, das hellit Stabilita­ten schaffen, so daiS der Manager oder Coach dieser Gruppe alle Miihe hat, geniigend Instabilitaten als Veranderungspotential im System zu bewahren.

Beim Managen konnen wir uns die verandemde und gestaltende Wirkung von Phasengrenzen (zum Beispiel durch die Zusammen­fuhrung verschiedener Bereiche oder von Kunden und Lieferanten in Projektteams), von Kristallisationskeimen (ein solcher kann ein guter extemer Coach sein), von kritischen Quantitaten und ver­anderten Umfeldbedingungen zunutze machen. Wir haben damit ein hervorragendes Instrumentarium fur die indirekte Fiihrung von Prozessen und Mitarbeitem zur Verfiigung, welches bei richtigem Gebrauch vor allem die Initiative und das Engagement unserer Mitarbeiter hervorholt. Dieses Instrumentarium ist noch dazu bestens erprobt. Es wird von erfolgreichen Fiihrungskraften, be­wuRt oder unbewuRt, in jedem Falle aber anders benannt, bereits seit Generationen angewendet. Allerdings gelingt die Anwendung dieses Instrumentariums nur, wenn in den Untemehmen eine ausreichende Vertrauensbasis herrscht.

Chaos im Management - Management im Chaos

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II. Oualitat und Oualitatsmanagement

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Das Thema ,,Fuhrung komplexer Systeme in Zeiten des Wandels" wird detailliert am Beispiel des Qualitatsmanagements behandelt, weil Qualitatsmanagement ein auSerordentlich rigide strukturier­ter und in seiner ganzen Entwicklungsgeschichte extrem auf Kontrolle ausgerichteter Managementbereich ist. Wenn ein solcher Bereich fur die Verwendung indirekter Steuerungsinstrumente geeignet ist, dann sind es auch und erst recht aUe anderen Managementdisziplinen.

Jedem, der sich mit Qualitatsmanagement beschaftigt, faut die auSerordentlich komplette ErschlieSung dieses Gebietes auf. Es gibt praktisch kaum noch Lucken im System. Nahezu alles an Mitteln, Methoden und Handwerkszeug fur Qualitatssicherung einschlieSlich zugehoriger Schulungs- und Trainingsinstrumente ist ausgearbeitet, beschrieben, auf Branchenbesonderheiten zuge­schnitten und standardisiert. Das gesamte Gebiet ist professionell und umfassend von einer Vielzahl von Spezialisten bearbeitet worden. Damit besteht die GewiSheit, daS aus Sicht der Fachwelt alles getan wurde, urn einer breiten und erfolgreichen industriellen Anwendung den Boden zu bereiten.

Nun weill jeder Praktiker, daS Qualitatsmanagement bei weitem nicht in wunschenswertem MaSe durchgesetzt ist. Dafur muS es Grunde geben, die auSerhalb der oft unterstellten Kategorien ,,Nichtwollen" und "Unfcihigkeit" liegen. Meine These lautet:

Qualitatsmanagement setzt sich ausschlieSlich deshalb nicht im erwunschten MaSe dUTCh, weil es so rigide, genormt und so sehr kontrollorientiert ist. Qualitatsmanagement ist deshalb vollig un­geeignet, die Wandlungsprozesse in komplexen Systemen erfolg­reich zu gestalten.

Wir mussen also dringend damber nachdenken, wie und auf welche Weise wir dieses hervorragend ausgearbeitete Instrumen­tarium besser und durchgreifender zur Wirkung bringen konnen. Anders ausgedriickt geht es urn die Frage, wie Qualitatsmanage­ment im Zusammenhang mit den anderen U nternehmensberei­chen in der heutigen Situation erfolgreich umgesetzt werden kann.

Qualitat und Qualitatsmanagement

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Qualitat im Wandel

as ist Qualitat? Auf diese Frage hat bislang niemand eine erschopfende Antwort gefunden. Juran, Feigenbaum, Crosby, Deming, Ishikawa, Taguchi oder die Deutsche

Gesellschaft fur Qualitat, sie aIle bieten Definitionen von Qualitat, die auf Eigenschaften von Produkten und Verfahren ausgerichtet sind. Dabei wird das heute verfugbare technische Wissen hervor­ragend umgesetzt. Es gibt sehr prlifungsorientierte Defmitionen, die besonders in Deutschland lange dominierten (vgl. DIN 55 350) und auch die heute als europaischer Qualitatsstandard geltenden ISO 9000 bis 9004 nachhaltig beeinfluBt haben. Dagegen betont Crosby mehr, was der Kunde von einem Produkt erwartet. Andere wiederum rlicken die Qualitatskosten in den Mittelpunkt der Betrachtungen oder die besondere RoUe des Managements. Das Spektrum erstreckt sich bis zu den japanischen Philosophien, bei denen die ,,Funktionsoptimierung" der Mitarbeiter die dominie­rende Rolle spielt. Sie beinhalten alle ihre Vorlaufer und stellen gegenwartig das umfassendste, geschlossenste und zugleich diffe­renzierteste System dar.

AIle diese Definitionen sind letztlich mehr oder weniger zweck-, zeit- und situationsgebunden. Das Ziel neuer Definitionsvorschla­ge kann nur darin bestehen, Ansatzpunkte fur neue Betrachtungs­und Denkrichtungen zu geben. Ich schlage deshalb eine Definition flir Qualitat vor, die den Begriff wie in Abbildung 5 gliedert. Ich unterscheide die Kategorien Flihrungsqualitat und Leistungsquali­tat, letztere wiederum unterteilt nach den Merkmalsgruppen:

eigenschaftsbezogene Qualitatsmerkmale, " prozeBbezogene Qualitatsmerkmale, ',. auf ideelle Werte bezogene Qualitatsmerkmale.

Qualitat im Wandel

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Kategorie

Kategorie

eigenschafts­bezogene Ouafitiits­merkmafe

Fuhrungsqualitit

Leistungsqualitit

prozeB­bezogene Ouafitiits­merkmafe

Abbildung 5: Oualitatskategorien

Qualitat und Qualitatsmanagement

auf ideefe Werre bezogene Ouafitiits­merkmafe

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Leistungsqualitat und FUhrungsqualitat

Zu Beginn der Betrachtungen ist die intensive Auseinandersetzung mit der Qualitatskategorie ,,Fiihrung" erforderlich. W<ihrend die eigenschafts-, prozeR- und wertebezogenen Qualitatsmerkmale mit den in den Unternehmen erbrachten Leistungen direkt zu tun haben, spielt Fiihrungsqualitat eine vollig andere Rolle.

Die in den Unternehmen erbrachten Leistungen sind die unmit­telbaren Ergebnisse von Entwicklung, Herstellung und Vermark­tung von Produkten nebst dazugehorender Beherrschung techni­scher und organisatorischer Prozesse und Serviceleistungen. Fiih­rung dagegen schafft die Voraussetzungen fur die Unternehmens­leistungen.

Es gibt unzahlige Beispiele dafur, daR Fiihrungsqualitat ausschlag­gebend ist fur die Entwicklung und Sicherstellung einer hoheren Leistungsqualitat. Diese Beispiele reichen von Iacocca bis Herrhau­sen, von Honda und Mitsubishi bis Ludwig Erhardt. Ober aUe wurde viel geschrieben und viel analysiert. Wenn man sich das anschaut, wird deutlich, daR die unterschiedlichsten personlichen Fiihrungsstile praktiziert wurden, denen oft nur eines gemeinsam war, namlich der Erfolg. Insofern definiert sich ein erfolgreicher personlicher Fiihrungsstil hauptsachlich situativ, und es ist iiber­fliissig dariiber zu streiten, ob diese oder jene Art zu fuhren die richtige sei. Es besteht ein himmelweiter Unterschied zwischen der erfolgreichsten Art, ein Unternehmen in Indien oder in Amerika zu fuhren; selbst in Ost- und Westdeutschland sind verschiedene Fiihrungsstile und, da Fiihrungsstil immer sehr personlich gepragt wird, verschiedene Typen von Fiihrungspersonlichkeiten gefragt. Auch erfordern verschiedene Epochen unterschiedliche Arten zu fiihren, wie uns Vergleiche erfolgreicher Fiihrungsstile in der Griin­derzeit und die der letzten zehn Jahre deutlich machen.

Wohlgemerkt, bei all diesen Oberlegungen geht es nicht urn Management, sondern tatsachlich urn Fiihrung, bzw. den Anteil im Managment, den man als Fiihrung einstufen kann. Managen befaRt sich eher mit der Oberwachung, Kontrolle und Regelung

Qualitl:it im Wandel

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von Prozessen, in die als Element der Mitarbeiter mehr oder weniger eingebaut ist. Reine Manager machen etwas, urn Leistung zu erbringen, sind also vorrangig fiir die Kategorie Leistungsqua­litat zustandig.

Fiihrung dagegen wirkt auf einer vollig anderen Ebene, indem sie sich hauptsachlich mit den Menschen beschaftigt, sie zu aktivieren, manchmal zu manipulieren, in Begeisterung zu bring en, auf Ziele auszurichten. Darin hat der ausgepragt situative Charakter der Fiihrungsarbeit seine Wurzeln, denn in unterschiedlichen Situatio­nen hat es die Fiihrungskraft mit unterschiedlichen Menschen und Menschengruppen zu tun, die zum Teil vollig unterschiedlich gepragt sind, die wiederum je nach Situation verschieden reagieren und denen somit unterschiedlich entgegenzugehen ist. Fiihrungs­arbeit darf also niemals pauschaliert werden, ist niemals schema­tisch iibertragbar, sondern ist immer das Ergebnis komplizierter, detaillierter, langwieriger und der jeweiligen Situation angepaiSter Prozesse.

Wodurch wird nun Fiihrungsqualitat bestimmt? Woran messen wir den Erfolg einer Fiihrungskraft? Letzten Endes immer am Erfolg ihrer Mitarbeiter, an der erfolgreichen Leistung derer, die Gegen­stand der Fiihrungsarbeit sind. Fiihrungsqualitat driickt sich in Leistungsqualitat aus. Dieser Zusammenhang ist auiSerst wichtig, besonders wegen seiner Indirektheit. Fiihrung beschaftigt sich nicht mit der Leistungsqualitat, wird aber an ihr gemessen, weil Fiihrung die Bedingungen und Voraussetzungen fiir erfolgreiches Arbeiten im Unternehmen schafft, aufrechterhalt und weiterent­wickelt.

Die Qualitiit der Fiihrung bestimmt die Qualitat aller Leistung im Unternehmen, ohne sie selbst zu erbringen! Andererseits resultiert der Fiihrungserfolg nahezu ausschliefSlich aus den Leistungen der Manager, Ingenieure, Meister und Arbeiter. In vielen Unternehmen fehlt die Einsicht in diese Zusammenhange: Das hat zur Folge, daiS sich Fiihrungskrafte zu sehr urn Detailprobleme kiimmern, anstatt ihre Mitarbeiter zu fiihren. Dafiir halten Linienmanager manchmal groiSe Reden iiber Fiihrungsstrategien und kiimmern

Qualitat und Qualitatsmanagement

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sich zu wenig urn ihre Arbeit, urn ihre Mitarbeiter und die zu ihrem Job gehorenden Sachprobleme.

Die Merkmalsgruppen der Leistungsqualitat

Leistungsqualitat wird gemaiS Abbildung 5 in drei Merkmalsgrup­pen gegliedert. Die Gruppe der eigenschaftsbezogenen Qualitats­merkmale umfaiSt aIle zum Produkt gehorenden Kennwerte, alles, was man messen, prufen und aufschreiben kann, und charakteri­siert das Produkt oder die Dienstleistung betont technisch. Die Gruppe der prozeiSbezogenen Qualitatsmerkmale beinhaltet dage­gen die Kennziffern, die die effektive Durchfuhrung und exakte Wiederholbarkeit von Prozessen beeinflussen.

Eigenschaftsbezogene Qualitatsmerkmale lassen sich fur ein brei­tes Spektrum von Produkten finden. Es kann sich urn Produkte der industriellen oder handwerklichen Fertigung genauso handeln wie urn Produkte von Informationsprozessen, beispielsweise Da­tenblatter, Dateien und Videos. Es konnen aber auch die "techni­schen Kennwerte" einer Dienstleistung sein, etwa der Kalorienge­halt eines Menus oder der Gerauschpegel in einer Hotelsuite.

ProzeiSbezogene Qualitatsmerkmale sind bei allen denkbaren Pro­zessen der Fertigung, Kontrolle, Information, Entwicklung, Orga­nisation, Service usw. zu finden und relativ exakt definierbar. Es handelt sich dabei meist urn die Festlegung von Ablauffolgen, Zeitregimes, Rezepturen, Handlungsanweisungen, Checklisten und ProzeiSbedingungen, die den ProzeiS und seine Resultate maiSgeblich beeinflussen.

Die Gruppe der auf ideelle Werte bezogenen Qualitatsmerkmale umfaiSt Dimensionen eines Produktes oder einer Dienstleistung, die sich weitgehend der Beschreibung durch Kennwerte entziehen. Beispielhaft dafur sind Begriffe wie modische Aktualitat, Prod uk­tim age, Geschmack, Lifestyle, umweltgerecht, werbewirksam usw.

Qualitat im Wandel

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Nehmen wir nur den guten alten VW-Kafer. Es ist nie iiberzeugend gelungen zu erklaren, warum dieses an sich haRliche Auto ein derartiger Verkaufsschlager wurde. Oder denken wir an den Erfolg eines Rasierklingenherstellers, der fur sein im Vergleich zum Wettbewerber nicht umwerfend besseres Produkt mit dem Slogan ,,Fiir das Beste im Mann" wirbt. Kein Mensch, auch nicht sein Schopfer, kann nachvollziehen, warum ausgerechnet dieser, eigent­lich widersinnige Spruch - zumindest im Zusammenhang mit Rasierklingen - so durchschlagenden Erfolg erzielte, das heiRt zweifellos von hoher Qualitat war.

Offen bar ziehen die Menschen fiir die Bewertung von Produkten Kriterien heran, die in der Psyche des einzelnen und von Gruppen, in sozialen Beziehungen, in Stromungen des Zeitgeistes, in den gemeinsamen Archetypen und vielleicht sogar in den My then und langst vergangenen Perioden unserer Kultur wurzeln. Es handelt sich hierbei urn von ideellen Werten und Wertvorstellungen be­stimmte Kritcrien, die sich nicht in technischen Kennwerten fassen lassen.

Ob es uns gefallt oder nicht, wir miissen diese Gruppe der auf ideelle Werte bezogenen Qualitatsmerkmale akzeptieren, weil sie nun einmal da ist. Besonders technisch und rational veranlagten Fiihrungskraften und Managern Wit das sehr schwer. Wir diirfen uns dennoch nicht urn eine intensive Auseinandersetzung mit diesen Phanomenen herummogeln. Diese wertebezogenen Quali­tiitsmerkmale gewinnen zunehmend an Bedeutung, wie wir spater noch sehen werden.

Qualita! und Qualitiitsmanagement

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Fuhrungsqualitat ist der entscheidende Trend

Nur die kompromiRlose Realisierung von Qualitat gibt den Un­temehmen die Chance, am Markt zu bestehen. Und der perm a­nente Wandel macht die Chaosfahigkeit eines Untemehmens zum obersten Qualitatsanspruch. In diesem Zusammenhang wird Fiih­rung immer wichtiger, ihr EinfluR auf die Qualitat der in den Untemehmen erzielten Leistungen immer groRer. Vor allem aber entscheidet Fiihrungsqualitat wesentlich dariiber, ob ein Untemeh­men tatsiichlich das anbieten kann, was der Kunde unter Qualitat versteht. Anders ausgedruckt: Die Fiihrungsqualitat bestimmt, ob sich ein Untemehmen in dem MaRe wandelt, das fur kunden- und marktgerechte Leistungen erforderlich ist. Wir konnen deshalb fur die nachsten Jahre eine iiberproportionale Steigerung der Bedeu­tung von Fiihrungsqualitat prognostizieren, und zwar in bisher llicht gekanntem AusmaK Und ohne Angst machen zu wollen: Dies wird fur zahlreiche Unternehmen dramatisch existenzielle AusmaRe annehmen. Fiihrung wird immer wichtiger!

Warum muR das so sein? Es gibt dafur Ursachen, die eigentlich bereits seit Jahren aufgrund ihrer Deutlichkeit fur viele Fiihrungs­krafte hatten Signalwirkung haben miissen. DaR dies trotzdem von vielen Verantwortlichen schlicht und einfach iibersehen wurde und wird, ist ausgesprochen traurig und alarmierend. Einige Untemeh­men haben bereits ihre ersten Quittungen bekommen. Oder was anderes als langfristig ungeniigende Fiihrungsqualitat sollten die bedrohlichen Schwierigkeiten, in denen Phillips, Metallgesellschaft, Klockner, fast die gesamte Stahlbranche und viele andere stecken, denn sein. Diesen Unternehmen ist es iiber Jahre nicht gelungen, sich an die veranderten Marktbedingungen anzupassen, sich stromlinienformig und effizient zu machen.

Mangelnde Fiihrungsqualitat ist letztlich die Ursache fur die gegenwiirtige Krise der deutschen Autoindustrie. Es sind nicht die "unfairen" japanischen Wettbewerbspraktiken oder Borsenspeku­lationen oder sonstige auRere, nicht anderbare Bedingungen, sondem die verkrusteten Strukturen in den Untemehmen. Die

Qualitat im Wandel

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allermeisten dieser heute existenzbedrohenden Probleme sind hausgemacht und damit Ergebnis ungeniigender Fiihrungsqualitat.

Je komplizierter die in den Untemehmen ablaufenden Prozesse, desto grofSer die Bedeutung von Fiihrung. Wahrend in kleinen Firmen, Handwerksbetrieben und vielen typischen Serviceunter­nehmen, der Chef die im einzelnen notwendigen Ablaufe noch selbst kennt, haufig selbst ausfiihrt oder zumindest ihre Ausfiih­rung direkt organisiert und iiberwacht, wird dies in komplizierte­ren Organisationen sehr schnell unmoglich. Dort ist zur Koordi­nierung und Steuerung Fiihrungsarbeit notig, die jedoch eine direkte EinflufSnahme auf sachlich determinierte ProzefSablaufe tunlichst vermeiden muK Wenn sich Fiihrungskrafte dennoch in die Fachkompetenz ihrer Manager und Mitarbeiter einmischen, begehen sie ihren grofSten Fehler, denn: Je komplizierter Prozesse werden, desto strikter mufS Fiihrung yom Managen als der direkten EinflufSnahme auf die verschiedenen Prozesse getrennt werden und desto professioneller mufS sie erfolgen. Fiihrung mufS sich, im Unterschied zum Managen, auf die indirekte Beeinflussung konzentrieren, auf die Gestaltung der Bedingungen, unter denen Arbeit stattfindet und Leistung entsteht.

Die Markte werden sich immer sprunghafter verandem, immer chaotischer werden. Damit ergibt sich fiir nahezu alle Untemeh­men, ausgenommen vielleicht die Rohstofferzeuger, die Notwen­digkeit einer schnellen Anpassung an diese chaosahnlichen Situa­tionen. Dies gelingt nur durch die grundsatzliche Wandlung der Untemehmen, Struktur, Philosophie, Selbstverstandnis, Markt­orientierung und Managementinstrumentarien miissen sich veran­demo

Dieser Wandel ist eine Fiihrungsaufgabe allererster Ordnung und stellt hochste Anforderungen. Fiihrung heifSt in diesem Zusam­menhang nicht noch mehr Gangelei der Mitarbeiter, sondem emsthafteres Arbeiten an den Bedingungen, unter denen Leistung erbracht wird. Fiihrungsqualitat wird sich an der erfolgreichen Wandlung des Untemehmens und letztlich an seinem wirtschaft­lichen Erfolg messen lassen miissen.

QualiUit und Qualitatsmanagement

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Die grogte Bewahrungssituation fur Fuhrungskrafte und die Qua­litat ihrer Arbeit liegt auf dem Gebiet der Menschenfuhrung. Die Mitarbeiter mussen den Erfolg wollen, ihn realisieren konnen und - vor allem - durfen. Sprenger benennt in ,,Mythos Motivation" die Dimensionen der Mitarbeiterleistung als Leistungsbereitschaft, -fahigkeit und -moglichkeit. Er setzt die Leistungsbereitschaft -sprich Motivation - der Mitarbeiter als grundsatzlich gegeben voraus, was voll und ganz eigenen Erfahrungen und Beobachtun­gen in der Praxis entspricht. Diese Leistungsbereitschaft mug durch Fuhrung erhalten werden, die Leistungsfahigkeit der Mitar­beiter mug, zum Beispiel durch Qualifikation, entwickelt und stan dig verbessert werden, und die Leistungsmoglichkeiten gilt es zu schaffen, zu erweitern und zu perfektionieren.

In soleh gedrangter Form liest sich der Anspruch an Fuhrung relativ harmlos. Der Knackpunkt bei der Fuhrungsarbeit liegt darin, dag die Fuhrungskraft - scheinbar - weniger tun mug, urn mehr zu erreichen. Sie mug die Freiraume fur ihre Mitarbeiter erhohen und damit Kontrolle und Macht loslassen. Dazu braucht man unendlich vie I Vertrauen. Wer aber bringt dieses Vertrauen auf, wo er doch selbst in einem harten und personlich vermeintlich existenziellen Wettbewerb steht? Damit wird das Spannungsfeld urn die Qualitat der Mitarbeiterfuhrung deutlich, und wir sind erneut beim Thema Vertrauen.

Es sollte jetzt unstrittig sein, dag die Fuhrungsqualitat die Lei­stungsqualitat im Unternehmen bestimmt. Dabei geht es nicht nur urn die Organisation der Leistungserzeugung durch Entwicklung, Produktion, Service usw., sondern zuvor urn die Bestimmung dessen, was Qualitat am betreffenden Markt, in der jeweiligen Branche und zum jeweiligen Zeitpunkt uberhaupt bedeutet. Die­sen Prozeg der Richtungsfindung unter den Bedingungen standi­gen und beschleunigten Wandels zu organisieren, macht einen wesentlichen Teil von Fuhrungsqualitat aus. Fuhrungsqualitat wird immer wichtiger!

QualiHit im Wandel

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Kunden orientieren sich urn

Wir unterscheiden zwei grundsatzlich verschiedene Typen von Kunden, namlich Konsumenten und Weiterverarbeiter. Diese Un­terscheidung ist dringend geboten, weil beide Kundentypen deut­lich verschiedene Qualitatsvorstellungen haben und dadurch auch die Qualitatstrends beider Gruppen differieren.

Jeder von uns ist Konsument, sei es als Kaufer von Waren, als Nutzer von Dienstleistungen, offentlichen Diensten, Kulturange­boten usw. Wir sind Kunden und haben demzufolge Macht. Allerdings treten wir beim Kauf von Waren in den meisten Fallen dem Produzenten nicht direkt gegenuber, sondern werden yom Handel vertreten. Dies verschafft uns durch die weitgehende Monopolisierung des Handels Macht, laRt uns aber haufig auch an Individualitat verlieren. Anders sieht die Situation bei Dienst­leistungen aus. Dort haben wir als Kunden meist direkten Kontakt zum Leistungserbringer, was dann zu schlechteren Bedingungen fur den Kunden fuhren kann, wenn keine Alternativen im Angebot sind oder wir unsere personlichen Wunsche nicht deutlich machen konnen.

Industrieunternehmen, zum Teil auch Serviceunternehmen, geho­ren zum Kundentyp Weiterverarbeiter. Sie kaufen Ware unter­schiedlicher Bearbeitungsstufen und verarbeiten diese zu einem Endprodukt bzw. nutzen sie fur die Realisierung einer Dienstlei­stung, worn it sie dann Konsumenten oder wiederum Weiterver­arbeiter bedienen.

Nun gibt es zwischen beiden Kundentypen Unterschiede in der Gewichtung der verschiedenen Merkmale der Leistungsqualitat, die wir als eigenschaftsbezogene, prozeRbezogene und auf ideelle Werte bezogene Qualitatsmerkmale definiert hatten. Abbildung 6 zeigt die Verteilung der Interessen beider Kundentypen auf diese drei Merkmalsbereiche. W<ihrend Konsumenten sich wenig oder gar nicht fur die Herstellungsprozesse und deren Qualitatsmerk­male interessieren, spielen fur sie neben Produktqualitat, Ge-

Qualitat und Qualitatsmanagement

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Abbildung 6: Merkmalsbereiche bei den verschiedenen Kundentypen

Qualitat im Wandel

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brauchseigenschaften, Lebensdauer usw. vor allem ideelle Werte wie modische Ausfuhrung, Markenimage und Umweltvertraglich­keit eine groBe Rolle.

Weiterverarbeiter orientieren sich dagegen uberwiegend an pro­dukt- und prozeBbezogenen Qualitatsmerkmalen, die unmittelba­re Auswirkungen auf die Effektivitat ihrer eigenen Arbeit haben. Wertebezogene Merkmale interessieren den Weiterverarbeiter meist nur dann, wenn er diese Werteinhalte an seine Kunden weiterverkaufen will.

Der Wandel der Konsumenten

Bei der Analyse von Trends ist klar festzustellen, daB beim Kundentyp "Konsument" die ide ellen Werte sehr stark im Kom­men sind. Dies trifft besonders fur die hochindustrialisierten Lander zu, in denen die Grundbedurfnisse der meisten Menschen komfortabel befriedigt sind. Es erfolgt seit einigen Jahren eine Umorientierung der Kaufmotivationen in Richtung Selbstfindung, Selbstverwirklichung, Szenenzugehorigkeit, Lifestyles, SpaB, Sport und Freizeit, UmweltbewuBtsein, Spiritualitiit, Internationalitat, aber auch zu ethischen und sozialen Werten.

Dies heiBt naturlich nicht, daB niemand mehr auf eigenschaftsbe­zogene Qualitatsmerkmale achtet. Selbstverstandlich mussen ge­kaufte Produkte ebenso wie Serviceleistungen in allen Belangen hohen technischen Standards entsprechen, aber der Konsument ist inzwischen so anspruchsvoH, so verwohnt, daB er dies en Leistungsbestandteil als gegeben voraussetzt. Und er wird durch die Vielzahl technisch nahezu gleichwertiger, hochwertiger Ange­bote in seinem Anspruchsniveau bestatigt. Auch in diesem Bereich gibt es keinen Stillstand, aber bei den wertebezogenen Qualitats­merkmalen vollzieht sich die Entwicklung sehr viel rasanter.

Dies fuhrt in zunehmendem MaBe dazu, daB Produktqualitat fur die Kaufentscheidung des Konsumenten-Kunden nicht mehr im I Qualitat und Qualitatsmanagement

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Mittelpunkt steht, sondern ideelle Werte in den Vordergrund riicken. Auch die Werbung hat das erkannt. Sie betont immer seltener den Produktnutzen und transportiert dafiir immer mehr Ideen, Sehnsiichte und Identifikationsmoglichkeiten. Man sieht dies sehr deutlich zum Beispiel am Wandel in der Bierwerbung der letzten ein bis zwei Jahre.

Abbildung 7 spiegelt die ,,Erlebniswelt" des Konsumenten-Kun­den wider, und es ist auffallig, daR Anspriiche an ideelle Werte dominieren. Dies wird auch fur die Zukunft gelten, selbst wenn dann vielleicht andere ideelle Werte als die oben genannten die MaRstabe setzen. Es ist durchaus vorstellbar, daR nach der exzes­siven Konsumphase der letzten Jahre bald ein Umschwung in den Werteinhalten in Richtung Bestandigkeit, komfortabler Puritanis­mus, Bodenstandigkeit kommt. Entsprechende Anzeichen mehren sich, immer mehr Leute erkennen, daR der in hochindustrialisierten Landern heute iibliche, ungebremste Verbrauch zum Crash des Gesamtsystems fuhren muK Vielleicht erfolgt bei dieser Umorien­tie rung sogar eine starkere Hinwendung zu Werten der sozialen Zuwendung, des MaRhaltens und des Teilens, was sicherlich zur Existenzsicherung fur die ganze Menschheit sehr wiinschenswert ware. Aber all dies ist heute kaum voraussehbar, lediglich die starkere Betonung der auf ideelle Werte bezogenen Qualitatsmerk­male scheint ein grundsatzlicher Trend zu sein.

Es ist dariiber hinaus mit einer kiinftig engeren Verbindung zwischen Hersteller und Kunde unter Ausschaltung des Handels zu rechnen, etwa durch einen herstellereigenen Einzelhandel oder mehr noch im Zuge kommunikativer Vernetzung von Herstellern und Haushalten mit den Moglichkeiten von Teleshopping, Faxshopping usw. Der Konsument will selbst kreieren, will EinfluR auf die Gestaltung der Produkte, die er iRt, trinkt und anzieht, haben. All dies liegt im Trend der immer starkeren Individualisie­rung von Verbraucherwiinschen, ist somit auch eine Verstarkung ideeller Werte, und der Produzent muR deshalb seinerseits unbe­dingt mehr Nahe zum Kunden suchen, muR sozusagen mit ihm verschmelzen.

Qualitiit im Wandel

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M6glichkeiten fUr positive und negative Erfahrungen mit der Oualitat von

Leistungen

Lieferzeit Gebrauchs-8nweisung Umwettvertriiglichkeit

Service­besuch

Design

Anzeige/ Werbespot

Konsument

Haltbarkeit/ Lebensd8uer des Produkts

Einh8ltung von Werbeversprechen

Z8hlungsform

M8rkenimsge

Identifik8tion mit Symbolgehalt des Produkts

Abbildung 7: " Erlebniswelt " des Konsumenten

Qualitat und Qualitatsmanagement

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ProzeBqualitat als Wettbewerbsfaktor

Beim Kundentyp "Weiterverarbeiter" beobachten wir einen deut­lichen Trend zu prozeBbezogenen Qualitatsmerkmalen. Abbil­dung 8 zeigt, welche Aspekte Weiterverarbeiter heute besonders im Blickpunkt haben.

Die Kunden wollen wissen, ob die Lieferanten ihre Entwicklungs-, Herstellungs-, Informations- und Organisationsprozesse so gut beherrschen, daB Mangel und Lieferverzogerungen mit groBer Sicherheit ausgeschlossen sind. Der Kunde gibt sich nicht mit der Aussortierung von fehlerbehafteter Ware durch den Lieferanten zufrieden. Das ist ihm zu unsicher und zu teuer, denn letztlich werden ihm die entstehenden Verluste mit dem Preis weiterge­reicht. Nein, er verlangt ProzeBsicherheit und iiberpriift diese im Rahmen von Inspektionen und Audits.

Es geht dabei urn die Sicherstellung prozeBbezogener Qualitats­merkmale, die fur den Weiterverarbeiter in seiner realen Abhan­gigkeit yom Lieferanten von existenzieller Bedeutung sind. Und je anspruchsvoller der Konsument wird, je harter und turbulenter die Markte werden, desto entscheidender wird die ProzeBsicherheit in der gesamten Lieferkette und verstarkt den Trend zu prozeBbezo­genen Qualitatsmerkmalen beim Kundentyp "Weiterverarbeiter".

Noch nicht ganz so deutlich, aber dennoch wahrnehmbar ist die verstarkte Betonung der auf ideelle Werte bezogenen Qualitats­merkmalen in den Anforderungsspektren der Weiterverarbeiter. Dieser Trend ist die Folge der zunehmenden Orientierung der Konsumenten auf ideelle Werte. Die Unternehmen geben die Forderungen ihrer Kunden an ihre Lieferanten weiter, besonders die Dienstleistungsunternehmen. Beispielsweise leiten sich aus Kundenanspriichen hinsichtlich Einkaufskultur, SpaB am Shopping usw. eindeutig veranderte Anforderungen an die Hersteller von Inneneinrichtungen fur Kaufhauser, Supermarkte, Friseursalons, Restaurants und vieles andere mehr abo Die Anspriiche an Varia­bilitat und Gestaltungsreichtum, an Originalitat und Individualitat

Qualitat im Wandel

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M6glichkeiten fur positive und negative Erfahrungen mit der Oualitat von

Leistungen

Rechnung Anzeige/ Werbespot

Telex Telefongesprach

Waren-benutzung

Verkaufer­kontakt Angebot

prasentation

SWckzahl­abweichungen

Ergebnisse der Eingangspriifung

Weiterverarbeiter

Technische Dokumentatio

Serienanlauf

Sonstiger Schriftverker

Einhaltung Liefertermin

Anlieferform

Priifzertifikate

Service­besuch

Einhaltung aktueller Detailabsprachen

Lieferpapiere

Abbildung 8: "Erlebniswelt" des Weiterverarbeiters

Qualitiit und Qualitiitsmanagement

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der Einzellosung haben sich enorm erhoht, und ein Ende ist nicht abzusehen. Auch die Konsumentenwiinsche hinsichtlich Umwelt­schutz und Gesundheit haben Hersteller als wertebezogenes Qua­litatsmerkmal einkalkulieren miissen.

Wir konnen demnach festhalten, dag der bei vielen Gelegenheiten beobachtete und oft publizierte Wertewandel ganz konkrete Aus­wirkungen auf die Qualitatsanforderungen hat. Dies wirkt sich direkt auf das Qualitatsmanagement aus, auf das Management iiberhaupt, im besonderen jedoch auf die Qualitat der Fiihrung in den Unternehmen. Der Wertewandel wandelt Qualitatsanforde­rungen und auch die Anforderungen an Fiihrungsqualitat.

Dazu kommt der gestiegene Anspruch an prozegbezogene Qua­litatsmerkmale, der in erster Linie Resultat des harter und urn vieles komplizierter gewordenen Wettbewerbs ist. Dabei werden die Anforderungen in diesem Bereich von entwickelten Unternehmen und Volkswirtschaften bewugt hochgeschraubt, urn zusatzliche Wettbewerber, zum Beispiel aus Entwicklungslandern, aus dem Ostblock oder in Deutschland sogar aus dem Ostteil des Landes, vom Markt fernzuhalten. In dieser "marktregulierenden" Weise wirken aIle Zertifizierungssysteme, denen mit den weltweit durch­gesetzten ISO-Normen 9000 bis 9004 die Krone aufgesetzt wur­de.

Qualitat im Wandel 79

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Qu a I itatsma na 9 ement im Wandel

ualitat stand stets im Mittelpunkt wirtschaftlicher Tatig­keit. Bereits im Altertum wurde die Qualitat eines her­gestellten Produktes uberpruft, schlechte oder fur den

Gebrauch ungeeignete Stucke aussortiert. Trotzdem gibt es be­merkenswerte Unterschiede zwischen der Qualitatssicherung heu­te und in fruheren Epochen. Wir betreiben ein systematisiertes, standardisiertes und formalisiertes, dem veranderten Charakter unserer Produktion und den modernen technischen Moglichkeiten entsprechendes Qualitatsmanagement.

Die Unterschiede in den verschiedenen Konzepten der Qualitats­sicherung resultieren aus veranderten Produktionsweisen. Insofern hat jedes praktizierte Konzept seine Legitimation, ist situations­und zeitbezogen berechtigt. Genauso verfallt aber auch die Taug­lichkeit von Konzepten mit der Veranderung der aktuellen Bedin­gungen.

Insofern ist das haufig beobachtete Festhalten an Altbewahrtem selbst dann noch, wenn es wirklich nicht mehr zeitgemaiS ist, unverstandlich. SchlieiSlich ist die Ablosung von alten Konzepten durch neue, den veranderten Bedingungen besser angepaiSte Lo­sungen ein vollig normaler ProzefS. In diesem Sinne schauen wir uns einige der bisherigen Konzepte kritisch an, wohl wissend, daiS der rasante Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft immer wieder neue Losungen einfordert.

Qualitatsmanagement im Wandel

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ISO 9000 ist Technokratie

Es kann nicht Gegenstand dieses Buches sein, die ISO-Normen, die sich mit Themen der Qualitatssicherung beschaftigen, inhalt­lich zu beschreiben. Wir wollen vielmehr die Wirkung dieser Normen bewerten.

Die ISO-Normen haben weltweit fiir Diskussionsstoff in der Industrie gesorgt, weil sie als Machtinstrument im globalen Wett­bewerb eingesetzt werden. Sie schreiben auf besonders akribische und umfassende Weise vor, wie ein Qualitatssicherungssystem aufgebaut sein soIl. Der entscheidende Schwachpunkt der ISO­Normen ist ihr ausschlieglich "technisch-organisatorischer" Cha­rakter. Sie geben vor, was im Qualitatssicherungssystem geregelt, beschrieben und dokumentiert werden mug, messen jedoch den Mitarbeitern als den entscheidenden Erzeugern von Qualitat nur wenig Raum zu. Es wird lediglich gefordert, Mitarbeiter zu schulen. Aspekte der Motivation, mitarbeiterorientierte Fiihrungs­strategien usw. : ',d vollig unterreprasentiert bzw. nicht einmal benannt. Ungeniigend ist auch der Bereich ,,Fiihrung und Qualitat" behandelt, die Qualitat von Fiihrung selbst steht iiberhaupt nicht zur Debatte.

Bei wortgetreuer bzw. iibertrieben formatisierter Anwendung wir­ken die ISO-Normen gegen Flexibilitat, gegen Temposteigerung und gegen die Initiative von Mitarbeitern. Sie sind also iiberhaupt nicht geeignet, die Unternehmensfiihrung bei der Bewaltigung der heutigen Wandlungsprozesse wirkungsvoll zu unterstiitzen. An­ders formuliert: Die ISO-Normen sind nicht chaosfahig, als Fiih­rungsinstrument in komplexen Systemen ungeeignet und wirken in dynamisch verlaufenden Wandlungsprozessen kontraproduktiv. Viel wichtiger als die wortgetreue Einfuhrung der ISO-Normen sind Systeme, die die Mitarbeiter dazu bringen, Gestaltungsverant­wortung fiir Qualitat zu iibernehmen.

Die ISO-Normen werden in starkem Mage als Mittel zur Regelung der Beziehungen zwischen Kunden und Lieferanten und so mit als Machtinstrumente im Wettbewerb genutzt. Zunachst erldarten

Qualitat und Qualitatsmanagement

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Unternehmen einzelner Branchen diese Normen als verbindlich fur den Aufbau der Qualitatssicherungssysteme ihrer Lieferanten. Man folgte damit dem Beispiel der Automobilindustrie, die ihre Lieferanten ja bereits seit vie len Jahren mit genau vorgeschriebenen und iiberwachten Systemen unter Druck setzt. Inzwischen wird man ohne ISO-Zertifikat als Lieferant kaum noch ernst genom­men wird.

Langsam allerdings erkennen immer mehr Verantwortliche in der Wirtschaft die Grenzen der ISO-Normen und daR sie ungeeignet sind zur Gestaltung des Obergangs zu neuen Management- und Fiihrungssystemen. Unbestritten leisten die ISO-Normen einen guten Beitrag zur Systematisierung des Arbeitens, trag en in vielen Belangen dem Abstimmungsbedarf zwischen den Unternehmen bei steigendem Verflechtungsgrad Rechnung und haben eine groRe Wirkung als Wettbewerbsargument. Dies konnen sie leisten, mehr jedoch nicht. Bei der Fragestellung nach wirkungsvoller Bewalti­gung des Wandels und seiner krisenhaften Auswirkungen stellen sie unterstes Losungsniveau dar.

Deming und Total Quality Management

Edwards W. Deming war einer der erst en Berater, die ab 1950 im Auftrage der US-Regierung die Japaner beim Aufbau ihrer Wirt­schaft unterstiitzten. Sein Qualitatskonzept, welches er in seinen beriihmten 14 Punkten formuliert hat, bewies mit dem Aufstieg Japans seine Richtigkeit unter den Bedingungen stetigen Wachs­turns. Ihrer besonderen Bedeutung wegen seien Demings 14 Punkte nachfolgend frei zitiert:

I 1. Machen Sie das "standige Verbessern" zum Unternehmens­

prmZlp.

2. Nehmen Sie die neue Denkweise der Ablehnung aller Mangel an.

QualiHitsmanagement im Wandel

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3. Vermindern Sie Massenpriifungen zugunsten des Einsatzes statistischer Methoden.

4. Sichern Sie sich Zulieferer, die iiber statistische Unterlagen verfiigen.

5. Verbessern Sie standig und kontinuierlich jeden Schritt Ihres Prozesses.

6. Verbessern Sie das Training und trainieren Sie aile Mitarbeiter.

7. Verbessern Sie die ProzeBiiberwachung.

8. Werfen Sie die Angst aus Ihrem Unternehmen hinaus.

9. Unterstiitzen Sie Kommunikation und Kooperation.

10. Schaffen Sie zahlenmaBige Ziele, Plakate und Schlagworter ab, die keine spezifischen Verbesserungsmethoden vermitteln.

11. Benutzen Sie statistische Methoden zur kontinuierlichen Qua­litats- und Produktivitatsverbesserung.

12. Entfernen Sie die Barrieren, die die Menschen hindern, stolz auf die eigene Arbeit zu sein.

13. Institutionalisieren Sie ein System ununterbrochener Aus- und Weiterbildung.

14. Schaffen Sie Klarheit beziiglich der permanenten Verpflichtung des Topmanagements fUr Qualitat.

In deutschen Unternehmen wurden die Vorschlage nur wenig angenommen. Hier regiert nach wie vor die Angst und das MiBtrauen unsere Zusammenarbeit, wir drangen nicht auf standi­ge Veranderung durch Aufgeschlossenheit gegeniiber neuem Den­ken oder durch die kontinuierliche Durchforstung unserer Prozes­se nach Verbesserungsmoglichkeiten. Es gibt trotz der ,,Lean-Wel­le" nach wie vor Abteilungsbarrieren in Hiille und Fiille, wir bevorzugen in den meisten Unternehmen immer noch Akkordar­beit, biirokratische Vorgaben und Vorgehensweisen, die dem Stolz auf die eigene Leistung entgegenstehen. Selbst bei der Aus- und

Oualitat und Oualitatsmanagement

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Weiterbildung verfahren wir haufig nach "Schema F", ohne die wirklichen Bediirfnisse des Untemehmens und seiner Mitarbeiter zu ermitteln und zu realisieren.

Natiirlich gibt es einzelne Untemehmen in Deutschland, die es besser machen, aber die grofSe Masse ist erschreckend riickstandig. Warum ist das so, und warum ist es in Japan anders? Es gibt dafiir eine ganze Reihe von Ursachen, die letztlich aIle mit unserem Denken und unseren mentalen Konditionierungen zusammenhan­gen. Die meisten Verantwortlichen in der Industrie waren bis vor kurzem der Meinung, dafS in Deutschland mit seinem Image des ,,Made in Germany" kaum Handlungsbedarf fiir systematisches Qualitatsmanagement und intensive Trainings- und Weiterbil­dungsaktivitaten fiir die Mitarbeiter besteht. ,,Bei uns lauft doch alles", konnte man allerorten horen. Diese Ignoranz wird gegen­wartig hoffentlich, sozusagen in positiver Auswirkung der Krise, iiberwunden.

Dazu kommt eine immer wieder zu beobachtende Diskrepanz zwischen getroffenen Festlegungen und deren tatsachlicher Abar­beitung. Wir sind Weltmeister im Entwickeln von Konzepten, aber inkonsequent bei deren Realisierung. Wir sind uns relativ schnell einig iiber das, was getan werden mufS, verstandigen uns meist noch mit einigen Schwierigkeiten iiber die Wege zur Losung von Problem en, aber beim Beschreiten dieser Wege verlaufen viele unserer Aktivitaten im Sande.

Un sere Gemeinsamkeit ist ungeniigend entwickelt, dies ist ein weiterer Grund fiir die beobachteten Riickstande. Bei der Deming­schen Philo sophie handelt es sich urn eine Konsens-Philosophie. Diese wird von einer Konsenskultur wie der japanischen ohne Schwierigkeiten angenommen und verarbeitet. 1m Westen haben wir dagegen Probleme mit dieser Art Konsens. Kaum jemand bei uns ist bereit, seine eigenen Interessen denen der Gruppe in dem MafSe unterzuordnen, wie das die Japaner sozusagen mit der Muttermilch verinnerlicht haben. Wir sind individueller ausgerich­tet, mehr auf Selbstbehauptung, Dissens, Kampf und personliche Durchsetzung getrimmt. Die Spielregeln in unserem Sozialsystem

QualiHitsmanagement im Wandel

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sind historisch gewachsen andere als in Japan. Deshalb haben wir es gegenwartig schwer, unsere Zusammenarbeit den Prinzipien eines Konsens zu unterstellen, der stark auf Loslassen von Indivi­dualitat abstellt. Die Teilnehmer von Diskussionen oder Seminaren zum Thema Qualitatsmanagement sind sich immer einig: ,,Es ware schon, wenn wir alles das, was Deming vorgibt, machen konnten." 1m Unternehmensalltag mussen diese guten Vorsatze allerdings bald den herrschenden Spielregeln geopfert werden. Wir haben bereits festgestellt, daR wir zur Bewaltigung des Wandels in der Wirtschaft zu allererst die Grundlage unserer Zusammenarbeit von MiRtrauen und Angst auf Vertrauen umstellen mussen. Genau dasselbe gilt fur das Qualitatsmanagement.

Deming begriindete das, was wir heute unter Total Quality Management verstehen. Interessanterweise ist Total Quality Ma­nagement nicht exakt definiert, sondern wird in einem relativ weiten Spektrum angesiedelt. Dies geht sogar so weit, daR der Begriff in neuester Zeit verwassert, wei! viele ihn miRbrauchlich benutzten; haufig zur Demonstration eines besonders gut entwik­kelten Qualitatsmanagements im eigenen Unternehmen, auch wenn nur knapp das ISO-Niveau erreicht wird. Dabei ist ISO 9000 meilenweit von Total Quality Management entfernt und von dem, was die Japaner in dieser Richtung praktizieren.

Trotzdem laRt sich Total Quality Management auf einige wenige Grundsatze festlegen:

~ Verantwortung des Managements fur Qualitat

~ Mitarbeiter als wichtigstes Instrument der Qualitatssicherung

~ Kundenwunsch als hochstes Qualitatskriterium

~ bedingungslose Marktorientierung

~ Aufbau von Kunden-/Lieferanten-Beziehungen innerhalb des Unternehmens

~ Einbeziehung der Lieferanten ins System

~ Qualitatssicherung in der Konzept- und Entwicklungsphase

Qualitat und Qualitatsmanagement

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... PraventivmaRnahmen vorrangig vor Reparaturen

... systematische und nachvollziehbare Organisation

Aber selbst perfektes Total Quality Management geniigt nicht, urn den Wandel unserer Industriegesellschaft zu realisieren. Total Quality Management stellt nicht die Frage nach der Fiihrungsqua­litat, dringt nicht auf volle Verantwortungsiibernahme der Mitar­be iter durch Delegation von Entscheidungskompetenz auf die Ebene, wo Sachkompetenz zuhause ist, fordert nicht die Ver­schmelzung mit dem Kunden zu einer symbiotischen Einheit und bietet keine Alternativen zur Entwicklung von Vertrauen als Grundlage synergetischen Arbeitens in und zwischen den Unter­nehmen.

Anders gesagt: Selbst das ideale Total Quality Management, obwohl es viele Elemente des Managens von Komplexitat in sich tragt und damit aIle bisherigen Qualitatssicherungssysteme iiber­ragt, ist nicht ausreichend chaosfahig.

Die aktuelle Situation in Deutschland

Professor Zink von der Universitat Kaiserslautern hat 1993 das Qualitatsdenken der deutschen Industrie und den Stand des Qualitatsmanagements untersucht.

Er kommt fiir kleine und mittlere Unternehmen zu dem Ergebnis, daR es bereits an der grundsatzlichen Auseinandersetzung mit der Qualitatsthematik hapert und daR sich dieses Defizit an der Unternehmensspitze lokalisiert. Viele Chefs sind sich iiber die existenzentscheidende Bedeutung von Qualitat iiberhaupt nicht im klaren, bestenfalls geben sie Lippenbekenntnisse ab, urn die konkrete Arbeit dann nachgeordneten Mitarbeitern zu iiberlassen.

Ausgesprochen nachdenklich machen muR die in dieser Stu die fur GroRunternehmen festgestellte Unterentwicklung von Kunden-, Mitarbeiter- und ProzeRorientierung. Die Potentiale und Moglich-

Qualitatsmanagement im Wandel

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keiten eines modemen Qualitatsmanagements werden noch nicht einmal gesehen. In GroRuntemehmen gibt es zwar gut ausgestat­tete Qualitatsabteilungen, jedoch sind diese nur in den seltensten Fallen wirklich produktiv. Meist beherrscht man lediglich den biirokratischen Teil der ISO-Normen. An der Leistungsfahigkeit des Untemehmens andert sich dadurch nur wenig.

Dies gilt im iibrigen nicht nur fiir Deutschland, sondem mit graduellen Unterschieden auch in den anderen europaischen Lan­dem und in den USA., und es ist nicht weiter verwunderlich. SchlieRlich wiirde ein lebendiges, von den Mitarbeitem des Unter­nehmens gepragtes und den Wandlungsprozessen der Wirtschaft angemessenes Qualitatsmanagement eine grundsatzlich verander­te Denk- und Verhaltensweise in den Fiihrungsetagen vorausset­zen. Diese Veranderungen wurden in den westlichen Volkswirt­schaften bisher nicht oder nur ansatzweise geleistet. Also kann Qualitatsmanagement nur formal betrieben werden, struktur-, hierarchie- und befehlsorientiert - unproduktiv.

Auch Schildknecht, der einen Vergleich der Situation in 1 000 Untemehmen aller Branchen und GroRen der deutschen Wirt­schaft mit den Vorgaben des Total Quality Managements publiziert hat, stellt fest, dag "zentrale Themenfelder und Gestaltungsansatze - nur vereinzelt thematisiert werden. Dies gilt beispielsweise fiir:

... die unzureichende Operationalisierung eines umfassenden Qualitatsverstandnisses,

... die nur in sehr geringem U mfang erkennbare Beriicksichtigung des Prinzips der intemen Kunden/Lieferanten-Beziehungen,

... eine unzureichende Institutionalisierung bereichsbezogener Qualitatsgesprache oder -gruppen,

... die mangelnde ProzeRorientierung bei bereichsiibergreifenden Prozessen und weitgehend fehlende Erkenntnis iiber die Not­wendigkeit und Vorteile prozeRorientierter Organisationsformen,

... den vorwiegend an klassischen Aufgaben orientierten Einsatz von Methoden und Instrumenten."

Qualitat und Qualitatsmanagement

Page 81: Human Quality Management: Mit F¼hrungsqualit¤t die Zukunft meistern

Zum letztgenannten Punkt sei hier besonders an die vollig unbe­friedigende Situation auf dem Gebiet der sogenannten Qualitats­kosten erinnert. Es ist bis heute weder gelungen, die Kosten von Fehlleistungen iiber alle Bereiche des Untemehmens zu erfassen noch den Nutzen von qualitatssichemden Magnahmen in seiner Komplexitat darzustellen. Zahlreiche Kapazitaten bemiihen sich darum, scheitem aber an der Unmoglichkeit, mit dem verfiigbaren betriebswirtschaftlichen Instrumentarium komplexe Situationen oder gar Prozesse darzustellen. Man befindet sich also auch hier in einer Sackgasse, sozusagen an der Grenze des Leistbaren.

Auch ist die Verwendung statistischer Methoden und Verfahren, die in ihrer Anwendung meist sogar recht simpel sind, ausgespro­chen unterentwickelt. Hier werden Methoden nicht angewendet, welche den Unwagbarkeiten komplexer Systeme wirklich gut angepagt sind, Unscharfen - die ja in der Realitat nun einmal da sind - beriicksichtigen, Prognosen vemiinftig moglich machen usw.

Ein trauriges Schicksal fristen auch die Techniken zur systemati­schen Fehleranalyse. Seien es Systemanalysen, Quality Function Deployment (QFD) oder die Fehlermoglichkeits- und -einflugana­lyse. In den meisten Untemehmen sind diese Methoden unbe­kannt.

In Sachen Qualitatssicherung herrscht in vielen Untemehmen ein vollig unzureichendes Niveau. Haufig trifft diese Aussage bereits zu, wenn man als Mematte die ISO-Normen anlegt, manchmal sogar dann, wenn das Untemehmen bereits zertifiziert ist. Das Bild wird allerdings noch viel diisterer, wenn wir die Situation in den Untemehmen mit den Prinzipien des Total Quality Managements vergleichen. Z war wird von den professionellen Qualitatsmana­gem haufig ein recht eindrucksvolles Bild yom Status abgegeben, genauere Hinterfragungen an der Basis und die Beschaftigung mit den Details an den verschiedenen Arbeitsplatzen lassen aber sehr haufig deutliche Defizite erkennen. Die Untemehmensleiter sind dann oft mit Recht irritiert, wenn sie iiber den Nutzen der aufwendigen Bemiihungen fur ein Zertifikat nach ISO 9000 nach­denken.

Qualitatsmanagement im Wandel

Page 82: Human Quality Management: Mit F¼hrungsqualit¤t die Zukunft meistern

Das Geschaft mit der Zertifizierung

Det Norske Veritas, eine der weltweit grolSten und erfolgreichsten Zertifizierungsinstitutionen, schreibt in einem ihrer Prospekte:

" .. . bedeutet dies (der hart ere Wettbewerb), daIS neben der Preisfuhrerschaft zunehmend das Qualitatsmanagement und Anstrengungen uber die reine DIN ISO 9000 ff Zertifizierung hinaus zum alles entscheidenden Wettbewerbsfaktor werden. ... Planen Sie von Anbeginn an fur die Zeit nach der Zertifi­zierung. Ihr Ziel mulS Total Quality Management sein. An­dernfalls gehoren Sie zu den Marktverlierern!"

Das mulS man sich mal auf der Zunge zergehen lassen! Da sagt jemand, der viel Geld mit der Zertifizierung von Qualitatssiche­rungssystemen nach der ISO-Norm verdient, daIS die Zukunftssi­cherung nicht mit dem ISO-Niveau zu erreichen ist. Warum wird denn dann uberhaupt zertifiziert?

Man mulS dabei bedenken, daIS diese Zertifizierungsaktionen fur die Unternehmen keine Kleinigkeit sind. Allein die Vorbereitung darauf beansprucht einen Zeitraum von sechs Monaten bis zu zwei Jahren. Es mulS viel in die Erfullung der Formalforderungen der ISO 9000 investiert werden. Die Zertifizierung kostet zwischen 30000,- DM und 60000,- DM, vorherige Unterstutzung durch externe Berater - haufig die Zertifizierungsgesellschaften seIber -und die selbstverstandlich in Zeitabstanden notwendigen Nach­zertifizierungen nicht mitgerechnet.

Noch vor einigen Jahren waren nach ISO-Norm zertifizierte Unternehmen eine absolute Seltenheit. Erst seit zwei bis dreiJahren wird in der ganzen Welt zertifiziert, von USA bis Indien, ja selbst in Afrika lauft das Geschaft bereits recht kraftig. 1m BewulStsein des BusinelS wurde die Dberzeugung aufgebaut, daIS mit der Zertifizierung nach ISO 9000 eine wichtige, vielleicht sogar die

Qualitat und Qualitatsmanagement

Page 83: Human Quality Management: Mit F¼hrungsqualit¤t die Zukunft meistern

wichtigste Voraussetzung fur erfolgreiche Behauptung am Markt erfiillt sei. Und das ist schlicht falsch!

Mit der Erfiillung der ISO-Norm wird in Wahrheit nur wenig zur realen Steigerung der Qualitat der Leistungen des Unternehmens getan. Es gibt unzahlige Beispiele dafur, daiS mit Einfuhrung der ISO 9000 im Unternehmen weder die Qualitat der Prozesse, noch der Produkte oder des Service gesteigert wurde, ganz zu schweigen von den auf ideelle Werte bezogenen Qualitatsmerkmalen, die in der ISO-Norm noch nicht einmal definiert sind. Vor allem aber andert sich nichts in Richtung Flexibilisierung der Fiihrung, in Richtung Entwicklung Human Ressources und dergleichen. Hier wirken die ISO-Normen wegen ihrer Rigiditat und ihres formalen Regelungszwanges kontraproduktiv.

Das hier lehrbuchgerecht praktizierte Prinzip, sich mittels eines Normensystems einen riesigen Markt aufzubauen, wird we iter verfolgt. Die ISO 9000 ist bereits in griindlicher Uberarbeitung. Gegenwiirtig wird nach dem Vorbild der ISO-Normen ein ahnli­ches System fur den gesamten Umweltschutzbereich entwickelt. So entsteht Ausbildungs-, Beratungs- und Zertifizierungsbedarf. Wem niitzt das alles?

Wohin laufen die Trends?

Die Japaner haben erkannt, daiS ab einem bestimmten Entwick­lungsgrad der Produktion auch Total Quality Management nicht mehr ausreicht, urn das QualitatsbewuiStsein und die entsprechen­den Aktivitaten im Unternehmen weiterzuentwickeln.

Letztlich ist auch Total Quality Management ein Kontrollsystem, in dem die Gruppe den einzelnen kontrolliert, wirkungsvoller iibrigens als unser westliches, steht jedoch der Entwicklung von Individualitat entgegen. Aber Individualitat wird zur Meisterung des Wandels ebenso benotigt wie die Bereitschaft zum Konsens.

Qualitatsmanagement im Wandel

Page 84: Human Quality Management: Mit F¼hrungsqualit¤t die Zukunft meistern

Deshalb verandern die Japaner gegenwartig ihr Managementsy­stem und, darin eingebettet, ihre Qualitatssicherung.

Wie Peter E Drucker in seinem Buch ,,Die Zukunft managen" schreibt, gehen die japanischen Unternehmen konsequent in die Richtung eines ,,Null-Fehler-Managements". Stichworte in diesem Zusammenhang sind Kaizen, also das Prinzip standiger Verbesse­rung, Simultaneous Engineering im Zusammenwirken mit dem gezielten Vom-Markt-Nehmen von Produkten, bevor der Wettbe­werb sie angreift, sowie die Bildung von Partnerschaften uber die gesamte Kooperationskette.

Der wirklich entscheidende Punkt durfte jedoch sein, daB das Ziel ,,Null Fehler" uberhaupt und systematisch angegangen wird. Wir huldigen eher der Doktrin "Wer arbeitet, macht Fehler". Allein der Versuch, eine absolut fehlerfreie Leistung uber den gesamten Entwicklungs- und Produktionszyklus zu verwirklichen, wird so viele positive Effekte fur das Gesamtsystem bringen, daB der heute ubliche Standard bei weitem ubertroffen werden kann.

Auf diesem Weg werden aile einbezogen, ist die Leistung und der Gestaltungswille eines jeden Mitglieds des Unternehmens gefor­dert. Nicht der Manager bringt die Verbesserungen zur Ausschal­tung von Fehlerquellen, sondern der Maschinenfuhrer, der Arbei­ter am Band. Wir aile kennen die groBen Anstrengungen und fur unsere Begriffe ungewohnlichen Methoden japanischer Unterneh­men, ihre Mitarbeiter zu motivieren, sie in die Gestaltung der Fcrtigung, Verwaltung und Entwicklung einzubeziehen.

Aber es ware vollig falsch, die Japaner in ihren Methoden, vor aHem aber in ihrem Denken zu kopieren. Vielmehr sollten wir die Grundsatze herausarbeiten und dann eigene, unseren Traditionen angemessene Methoden entwickeln.

Es sollte moglich sein, den Grundsatz unbefangenen und uber aHe Grenzen hinausgehenden Denkens zu befolgen. Wir mussen haufiger kritische Fragen stellen, denn die Wahrheit von heute gilt morgen mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht mehr. Ein solches

Qualit~it und QualitiHsmanagement

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Abbi/dung 9: Der Kunde im Mitte/punkt (nach D. Quinn Mills)

Verhalten ist unbequem und erfordert Mut, aber es muS zum Prinzip un serer geistigen Ausrichtung werden.

Der nachste wichtige Punkt ist die Einbeziehung aller ins Mana­gement. Was sonst bedeutet es, wenn Maschinenfiihrer ihre Arbeitsprozesse selbst organisieren, wenn Gruppen urn die beste Arbeitseinteilung oder die effektivste Zeitnutzung im Rahmen flexibler Arbeitszeitsysteme ringen usw. Diese Aufgaben miissen nicht von Managern geleistet werden. Das geht viel besser mit den

Qualitiitsmanagement im Wandel

Page 86: Human Quality Management: Mit F¼hrungsqualit¤t die Zukunft meistern

Betroffenen selbst. Letztlich erschliegen wir erst damit unsere Human Ressources, wenn namlich das in diversen Fortbildungs­aktivitaten Erlernte auch tatsachlich angewendet werden darl. Auf diese Weise kommen wir zu einer neuen Qualitat des Managens.

In US-amerikanischen Unternehmen bringt man die Zertifizierung nach ISO-Norm meist mit wenig Aufwand uber die Buhne und wendet sich ansonsten den eigentlichen Aufgaben zur Meisterung des Wandels und zum Uberleben im Chaos zu.

An dieser Stelle lohnt sich ein Blick auf ein Organisationskonzept von Quinn Mills (Abbildung 9). Dieses Konzept tragt der beson­deren und zunehmenden Bedeutung des Kunden Rechnung und realisiert uber sogenannte Kunden-Manager eine engere Verbin­dung zum Markt, liefert sozusagen organisatorische Ansatzpunkte fur die Verschmelzung des Unternehmens mit den Zielgruppen. Die Moglichkeit des Zugriffs der Kunden-Manager auf die einzel­nen Unternehmensbereiche sichert eine hohe Flexibilitat und Direktheit aller Prozesse.

Eine derartige Organisation pagt zwar nicht zum Denken in ISO-Normen, ist aber sehr vernunftig und zukunftsweisend. Wir soUten uns urn keines Zertifikats willen davon abhalten lassen, derartige Losungen in unseren Unternehmen zu entwickeln. Ir­gendwie mug es Moglichkeiten geben, sich mit Zertifizierungsge­sellschaften zu einigen. Notfalls rate ich im Zweifelsfall dazu, dem das Unternehmen voranbringenden Konzept den Vorrang zu geben und lieber auf die Zertifizierung zu verzichten.

Mit dem gegenwartigen ISO-Qualitatsmanagement und den da­mit in Zusammenhang stehenden Auditierungs- und Zertifizie­rungsgepflogenheiten werden wir keine hohere Qualitat unserer Leistungen und vor allem keine verbesserte Fuhrungsqualitiit erreichen. Niemand sieht in der ISO-Norm eine Perspektive fur Leistungs- und Fuhrungsqualitat. Weder die Japaner noch die Amerikaner, weder die Vordenker der Wirtschaft noch die erfolg­reichen Praktiker in den Unternehmen orientieren sich ernsthaft daran.

QualiHit und Qualitiitsmanagement

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Sicherlich schwimmen die "Control-Freaks" und "Qualikraten" zur Zeit mit Hilfe der ISO-Norm ganz oben. Aber die Entwicklung wird sie iiberholen und dieses starre System abschiitteln. Denn iiberaIl dort, wo Unternehmen Regelung und KontroIle zum Prinzip machen und nicht auf Flexibilitat und Selbstorganisation setzen, steht die Existenz des Unternehmens unmittelbar auf dem Spiel. Wir konnen in der uns umgebenden komplexen Welt mit ihren permanenten und sich immer mehr verstarkenden Wand­lungsprozessen nur iiberleben, wenn wir uns selber wandeln, namlich hin zu mehr Wandlungsfahigkeit. Dazu sind feste Rege­lungs- und KontroIlmechanismen vollig ungeeignet.

Der Geschaftsfiihrer eines erfolgreichen mittelstandischen Unter­nehmens hat es einmal so formuliert: "Wir haben ein toIles Qualitatsmanagementsystem, aber wir konnen nur damit arbeiten, weil wir stan dig dagegen verstofSen."

QualiHitsmanagement im Wandel

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III. Human Quality Management

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Der Begriff des ,,Human Quality Management" assoziiert Nahe zum Qualitatsmanagement. Dies ist insofern richtig und beabsich­tigt, weil Produktqualitat letztlich Ziel all unseres wirtschaftlichen Tuns ist. Noch enger wird der Zusammenhang dann, wenn wir den Begriff "Qualitat" erweitern und ihn nicht nur auf die Pro­duktqualitat beschranken, sondern Qualitat im umfassenden Sinne als Ergebnis unserer T<itigkeit betrachten. In diesem Kontext fuhrt die Erarbeitung hochster Qualitat zur Sicherstellung des Sinns jedes Unternehmens, namlich Nutzen zu stiften, der sich in Form von Gewinn (monetar, okologisch, geistig usw.) ausdruckt.

Human Quality Management hat jedoch noch weitere Dimensio­nen. Es geht dabei vorrangig urn die Qualitat menschlichen Miteinanders. Nur ein neues menschliches Miteinander bei der Arbeit, in den Familien, in der ganzen Gesellschaft wird uns letztlich bef<ihigen, die groiSen globalen Probleme unserer Zeit, die sich in den vielen klein en Problemen unseres Alltags und unseres Wirtschaftslebens ausdrucken, nachhaltig zu meistern.

Dementsprechend muiS Fuhrung in erster Linie die Entwicklung der Menschen im Auge haben. Fuhrung wirkt in diesem Sinne sehr zielgrichtet und kraftvoll, zugleich aber hochst indirekt auf die Leistungsprozesse im Unternehmen. Es genugt jetzt und in Zukunft nicht mehr, Ziele abzustecken und deren Erreichung zu kontrollieren. Gegenstand der Unternehmensfuhrung ist nicht mehr das Unternehmen an sich, sondern vorrangig das soziale Gefuge und seine einzelnen Elemente, die Mitarbeiter.

An dieser Stelle erschlieiSt sich eine weitere Bedeutungsdimension des Begriffs Human Quality Management. Qualitat wird von Menschen gemacht, nicht von Maschinen, Organisationsregeln und Kontrollsystemen, auch nicht von Religionen, Philosophien oder Staatsregierungen. Daraus begrundet sich in letzter Instanz die Verantwortung jedes einzelnen fur alle Situationen, MiiSstande und erfreulichen Begebenheiten, die uns tagtaglich begegnen. Es ist aber eben so klar, daiS wir seIber "besser" werden mussen, wenn wir bessere Resultate wollen.

Human Quality Management

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In der Systemtheorie unterscheiden wir den Wandel erster und zweiter Ordnung. Wahrend Wandel erster Ordnung Optimierun­gen innerhalb eines ansonsten unveranderten Systems zum Ge­genstand hat, verandert der Wandel zweiter Ordnung das gesamte System-Design. AHe gangigen Managementmethoden sind Instru­mente fur den Wandel erster Ordnung, denn aIle setzen an bestimmten Erscheinungsformen oder Situationen innerhalb des bestehenden Systems "Unternehmen" an, ohne das Gesamtsystem zu verandern.

Nun konnen viele Veranderungen erster Ordnung durchaus zu einer Veranderung des Gesamtsystems fuhren, sozusagen spontan den Wandel zweiter Ordnung zustande bringen. Vielleicht ist die neue Methodik· des Reengineering ein geeignetes Instrument, solche vernetzt funktionierenden Veranderungsprozesse zu be­werkstelligen, wenn auch die Vernetzung von Linearitaten noch keine neue Dimension erbringen muK Vernetzung ist wichtig und seine starkere Verbreitung im Denken und Handeln der Wirtschaft hochst wunschenswert, aber wir brauchen die neue Dimension!

Human Quality Management ist ein Instrument zur Inszenierung eines Wandels zweiter Ordnung, weil es auf einer vollig anderen Ebene ansetzt. Es beschaftigt sich mit der Entwicklung der Qualitat menschlichen Miteinanders, mit der Entwicklung des Sozialsy­stems, mit der Entwicklung der bewuRtseinsmaRigen Basis fur gemeinsames Arbeiten. Nicht einzelne Situationen oder Erschei­nungsformen im Unternehmen sind Ziel der Bemuhungen, son­dern die Ursachen, Potentiale und Bedingungen, die sich sozusa­gen hinter aHem verbergen. Human Quality Management ist der systemische Ansatz, mit dessen Hilfe der Wandel zweiter Ord­nung, die Veranderung des System-Designs, vorangebracht wer­den kann. Und es laRt diesen Wandel nicht spontan, sondern umfassend gefuhrt ablaufen.

Human Quality Management setzt an der Entwicklung des Grup­penbewuRtseins im Unternehmen an. Es geht urn die Transforma­tion vorhandener, oft eher kontraproduktiver geistiger Konditio­nierungen wie beispielsweise MiRerfolgsstimmung, Konkurrenz-

Human Quality Management

Page 91: Human Quality Management: Mit F¼hrungsqualit¤t die Zukunft meistern

denken und Selbstbedienungsmentalitat. Human Quality Mana­gement ersetzt sie durch Grunddispositionen wie Vertrauen, Er­folgsgewiRheit, Toleranz und Miteinander. Dies alles spielt sich nicht im luftleeren Raum von Kommunikations- und Verhal­tensseminaren ab, sondem im Rahmen konkreter Projekte des Untemehmensalltags wie Fixkostensenkung, Einfuhrung von Qualitatssicherungssystemen, Erhohung der Geschwindigkeit von Produktions- und Verwaltungsablaufen oder bei Innovationspro­zessen. Teambildung erfolgt hier sehr praxisbezogen und augerst wirkungsvoll. Uber die konkrete Problembearbeitung gewinnen wir eine vollig neue und hoherentwickelte Form des Miteinanders, zugleich wachsen fachliche und personliche Kompetenz, Verant­wortungsbewugtsein, Leistungsbereitschaft und Leistungsqualitat des einzelnen. Wir beschreiten sozusagen einen Weg des Handelns.

Human Quality Management ist in zweierlei Hinsicht ein dyna­misches System. Erstens pagt es sich flexibel an die jeweilige Situation des Untemehmens an. Das mug es, weil die bearbeiteten Projekte naturlich von Untemehmen zu Untemehmen verschieden sind, vor allem jedoch deshalb, weil die Menschen, mit denen wir arbeiten, selbst hochst vielfaltig und individuell sind. Jede Pauscha­lierung an dieser Stelle ware manipulativ und wird ausgeschlossen.

Zweitens befindet sich Human Quality Management als System selbst in perman enter Entwicklung. Es ist offen fur aIle Methoden und Person en, die geeignet sind, die freie Entfaltung der Mitarbei­ter und ihr menschliches und produktives Miteinander zu fordem.

Human Quality Management

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Es geht urn die Filhrung von Teams

enn wir iiberdenken, was wir traditionell unter Fiih­rung verstehen, wird schnell deutlich, daR diese soge­nann ten Fiihrungsaufgaben sehr individuell orientiert

sind. Wir gehen davon aus, daR die Fiihrenden Vision en haben und Ziele setzen, sie den Mitarbeitern motivierend vermitteln, deren Erfiillung kontrollieren und in jeder Hinsicht Vorbilder sind. Wenn wir beriicksichtigen, daR mindestens die Geschaftsfiihrer aller Unternehmen zu den Fiihrungskraften gezahlt werden, offen­bart sich ein Problem. Die meisten Geschaftsfiihrer sind ganz normale Menschen wie du und ich und keine "visionaren Uber­flieger".

Nein, das, was gemeinhin unter Fiihrung verstanden und von Fiihrungskraften verlangt wird, konnen nur ganz wenige Men­schen erfiillen, vielleicht Ghandi, Gorbatschow, Washington, Mao Tse Tung, aber auch sie waren nicht unumstritten. Es scheint, daR mit den gangigen Klischees von Fiihrung die Sache nicht zu beschreiben ist.

Wir tun also gut daran, den Begriff der Fiihrung zu entmystifizie­ren, urn ihn fiir unsere sehr praktischen Bediirfnisse handhabbar zu machen. Wir brauchen eine Ubereinkunft dariiber, was Fiihrung in unserem Alltag, im Alltag unserer Wirtschaft, unseres Arbeitens bedeutet und was nicht.

Fiihrung heillt nicht, Aufgaben innerhalb laufender Prozesse zu erfiillen. Das ist Management, Handeln im konkreten Fall. Dage­gen beschaftigt sich Fiihrung mit den Dingen, die die Menschen in die Lage versetzen, mit hochstem Nutzen zu handeln. Anders ausgedriickt ist der Arbeitsgegenstand von Fiihrung der Mensch

Es geht urn die Fuhrung von Teams

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und das soziale Gefiige, in dem der Mensch agiert. Es geht also bei Fiihrung letztlich immer urn die Entwicklung und Forderung von Teams und der darin eingebundenen Menschen.

Ein Unternehmensleiter, der sich vorrangig urn Bilanzen, Kapital­ausstattung, Vertrieb, Technik und Produktion kiimmert, ist ein Manager. Bestimmt ist er ein guter Manager, aber er ist kein Fiihrer. Sein Unternehmen wird iiber kurz oder lang an Fiihrungs­schwache erkranken, was sich in ungeniigend motivierten, einfalls­losen und mehr ihren Privatinteressen verbundenen Mitarbeitern ausdriickt. Das Unternehmen ist "overmanaged but underled". Andern la{St sich das nicht, indem man mehr macht, noch mehr kontrolliert, noch mehr regelt, noch mehr managed. Nein, indem man weniger "macht" und die gewonnene personliche Kapazitat den Mitarbeitern widmet.

Einige "Regeln" fUr Fuhrung

Regeln im Sinne von Reglementierungen gibt es fiir Fiihrung nicht. Deshalb die Anfiihrungsstriche, wir verstehen ,,Regeln" mehr im Sinne von Empfehlungen.

Der groiSte Irrtum der Leute an der Spitze besteht darin, alles zu wissen. Niemand ist frei davon, aber jeder sollte froh sein, wenn man ihn daran erinnert. Nicht besserwisserisch oder mit der Harne eines iiberlegenen Vorgesetzten, sondern eher als ein freundschaft­liches Aufmerksammachen auf die Notwendigkeit von Toleranz.

Darin stecken schon mal zwei ,,Regeln" fiir Fiihrung:

I 1. Dbe und praktiziere Toleranz!

2. Behandle andere so, wie Du selbst behandelt sein mochtest!

Human Quality Management

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Dies sind die Grundlagen fur Konsens. Und die Herbeifuhrung von Konsens gehort zu den wichtigen Fuhrungskunsten.

Haufig meinen Leute, Konsens bedeute in praxi Unterordnung. Dabei heiRt Konsens Obereinstimmung und kann schon deshalb nichts mit Unterordnung zu tun haben. Allerdings wird in diesem Sinne nur selten Konsens erreicht, auch bei den Japanern ist diesbezuglich nicht alles Gold, was glanzt. Mehrheitsentscheidun­gen - und darauf lauft es bestenfalls meist hinaus - sind kein Konsens, sondern die Diktatur der Mehrheit uber die Minderheit. Das ist immer noch besser als die in vielen Unternehmen prakti­zierte Befehlsstruktur, aber dennoch nur die zweitbeste Losung.

Konsens herbeizufuhren ist aufwendig, kostet Zeit und Geld. Aber Konsens ist auch die einzige Moglichkeit, Menschen wirklich fur eine Sache zu gewinnen. Nur bei Obereinstimmung wird jeder sein Bestes geben und wirklich im Interesse der gemeinsamen Sache handeln.

Konsens zu erzielen, ist also eine schwierige Kunst, die wir im Interesse erfolgreichen Arbeitens jedoch meistern mussen. Und in erster Linie ist dies ein Anspruch an den Fuhrer. Dazu braucht er Toleranz, muR Toleranz bei anderen entwickeln konnen und muR andere so ansprechen und behandeln, wie er selbst gern behandelt sein mochte.

Die Einsicht, daR wir selbst nicht alles wissen konnen, wird uns davor bewahren, immer und uberall auf aIle Fragen Antworten zu geben und uns die Erfullung zweier weiterer wichtiger ,,Regeln" des Fuhrens ermoglichen:

13.

4.

Betrachte eigene Fehler und MiRerfolge, besonders aber die anderer als willkommene Lern- und Wachstumschancen.

Stelle Fragen, denn Deine Mitarbeiter wissen die besseren Antworten.

Es geht urn die Fiihrung von Teams

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Es ist geubte Praxis, jemanden, der Fehler macht, der Migerfolge hat, fruher oder spater zu entlassen, weil er dem Unternehmen angeblich schadet. Viel besser im Sinne produktiver Zusammen­arbeit ware die gemeinsame Erforschung der Ursachen der Fehler und Migerfolge, damit die richtigen Schlugfolgerungen gezogen werden konnen und sich dergleichen nicht wiederholt. Vor aUem aber lagt sich nur auf diesem Wege Vertrauen gewinnen, und dieses ist die entscheidende Grundlage fur Erfolg.

Diese Vorgehensweise soU nicht den laschen Umgang mit Leuten nahelegen, die aus ublen Motiven Schaden angerichtet haben. Aber man soUte erkennen, dag ein falscher, verurteilender U mgang mit Fehlern und Migerfolgen viel grogere Nachteile fur das Unterneh­men bringt. Er verhindert eine saubere Ursachenanalyse als Grund­lage fur Verbesserungen und erhoht die Angst vor Risiken.

Fragen zu steUen ist nicht das Eingestehen von Dummheit, sondern zeugt im Gegenteil von einem wachen Geist und kriti­schem Scharfsinn. Unser Drang, kluge Antworten zu geben, entfernt uns dagegen von unseren Mitarbeitern. "Besserwisser" sind unbeliebt, man ruckt von ihnen abo Der Verlust von Nahe aber bedeutet Vertrauensschwund, und das wiederum schadet dem U nternehmenserfolg.

Genauso wichtig ist die Einsicht, dag durch vorschneUe Antwor­ten, und seien sie noch so richtig, das Denken und die Initiative, die Lust am Problemlosen, die Lust am eigenen Erfolg bei den Mitarbeitern gebremst und irgendwann voUig untcrdriickt wird. Damit berauben wir uns gleich mehrerer Erfolgsfaktoren, namlich der Initiative un serer Mitstreiter, der Vielfaltigkeit des Denkens und der Kreativitat unserer Arbeitsgruppe sowie der Freude an der Zusammenarbeit.

Zum Schlug die vieUeicht wichtigste ,,Regel":

5. Gestehe Deinen Mitarbeitern alles das zu, was Du Dir selbst zugestehst; verlange nie mehr von ihnen, als von Dir selbst.

Human Quality Management

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Nehmen wir zum Beispiel den Dienstwagen. Der Geschaftsfiihrer benutzt diesen Wagen nicht als Herr XY, sondern ausschliefSlich als Reprasentant des Unternehmens. Und wenn das Unternehmen mit einer Luxuslimousine reprasentiert werden mufS dann soUte der Geschaftsfiihrer eben einen solchen Wagen fahren. Und da ein Geschaftsfiihrer tatsachlich nicht nur wahrend der Dienstzeit reprasentiert, sollte er den Wagen sinnvollerweise auch privat nutzen konnen. Genauso selbstverstandlich sollte aber sein, dafS dieser reprasentable Wagen auch von Mitarbeitern genutzt wird, wenn dies aus Griinden der Unternehmensreprasentation erfor­derlich ist.

Dieses Beispiel solI den Unterschied deutlich machen zwischen der personlichen Ebene, auf der wir alle gleichwertig sind - ob Chef oder Hofarbeiter - und der funktionalen Ebene, auf der aus sachlichen Erwagungen wohl Unterschiede sinnvoll sind und notwendigerweise auch sichtbar gemacht werden miissen. SchliefS­lich agieren wir mit unserem Unternehmen nicht im luftleeren Raum, sondern haben bestimmte gesellschaftliche Regeln von Reprasentation, Macht- und Erfolgsdemonstration zu beachten. Dies kann man allen (!) Mitarbeitern verstandlich machen. Es erfordert jedoch ein hohes MafS an Glaubwiirdigkeit der Chefs und eine breite Vertrauensbasis in den Unternehmen.

Das Human-Quality-Management-Modell

Unternehmen sind komplexe Systeme, die gegeniiber ihrer Um­gebung an vielen Stellen offen sind. Zur Transformation eines Systems, zu seiner bleibenden Veranderung benotigen wir eine Methodik mit System charakter, weil sonst die notwendige Kom­plexitat der Arbeit iiberhaupt nicht sichergestellt werden kann. AufSerdem bleibt jede Managementmethode, die nicht auf die Bearbeitung konkreter Projekte, auf die Losung konkreter Proble­me und Aufgabenstellungen gerichtet ist, theoretisch, praxisfern und mehr oder weniger ohne Sinn.

Es geht urn die Hihrung von Teams

Page 97: Human Quality Management: Mit F¼hrungsqualit¤t die Zukunft meistern

Andererseits verfiigen Managementmethoden, die ausschlieBlich auf die Bearbeitung konkreter Aufgabenstellungen abstellen und Fragen der Teambildung oder der Entwicklung eines gemeinsamen BewuRtseins nicht ausreichend beriicksichtigen, iiber eine ungenii­gende Basis, urn das Unternehmen nachhaltig Zll transformieren. Sie bewirken - vielleicht - Wandel erster Ordnung, aber niemals mehr. Die meisten heute gebrauchlichen Managementmethoden, von Benchmarking bis Quality Function Deployment, wirken derartig eingeschrankt.

Human Quality Management dagegen stiftet durch seine Anbin­dung an Projekte konkreten Nutzen und bewirkt gleichzeitig die Veranderung der BewuRtseinsebene, die Qualitat der Zusammen­arbeit der Mitarbeiter. Es stellt auf einen Wandel zweiter Ordnung ab, also auf die irreversible Veranderung des Unternehmenssy­stems.

In Abbildung 10 sehen wir die Beeinflussung der BewuRtseinse­bene und die Ausrichtung des Gesamtkonzepts auf die Bearbei­tung eines oder mehrerer Projekte.

Wir sprechen im iibrigen nur der Einfachheit halber von Unter­nehmen, verstehen darunter aber auch Behorden, Institute, Sport­mannschaften, Vereine, ja sogar Religionsgemeinschaften. Uberall dort, wo der Sprung Zll neuem Denken vollzogen werden muR, wirkt Human Quality Management effektiv. Es wirkt deshalb so nachhaltig, wei! Gegenstand seiner Bemiihungen die Menschen

~~' Q 1'" 'J.. '7 b' 'd d 'I ~' unU. ule ualltat lurer L...usammenar elt SIn un "velL es ulese Arbeit an ganz konkreten und niitzlichen Projekten leistet. Fiir die Beteiligten steht dabei immer das Projekt im Vordergrund. Aber durch die Bearbeitung des Projekts auf den Prinzipien von Kon­sens, Vertrauen, Freiwilligkeit, Fiirsorge, Begeisterung und SpaR geschieht die Transformation von BewuRtsein.

Die verschiedenen Bereiche des Human Quality Managements befinden sich untereinander in Wechselwirkung. Wir konnen nicht in Teams arbeiten, wenn nicht teambildende Aktivitaten laufen. Andererseits wirkt Teamarbeit an sich bereits teambildend. Beides

Human Quality Management

Page 98: Human Quality Management: Mit F¼hrungsqualit¤t die Zukunft meistern

Projektbearbeitung

Abbildung 10: Modell des Human Quality Management

wiederum, Teambildung und Teamarbeit, sind ohne die Entwick­lung eines gemeinsamen BewuRtseins nicht moglich. Wir sehen hier ein regelrechtes Geflecht von gegenseitiger Beeinflussung und gegenseitiger Bedingung, so daR aile Bereiche unbedingt immer als Komplex bearbeitet werden mussen.

Viele Aktivitaten in den Unternehmen, die Teambildung zum Gegenstand haben, verzichten auf die gezielte und systematische Entwicklung eines gemeinsamen BewuRtseins. Viel Teamarbeit wird per Definition eingefuhrt, als Weisung des Vorstands sozusa­gen, ohne daR man sich uber die tragfahige Basis von Gemein­samkeit die geringsten Gedanken macht.

Es geht urn die Fiihrung von Teams

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Human Quality Management iiberbriickt diese Graben, weil es ein Systemansatz ist. Dabei ist es noch nicht einmal so wichtig, welche konkreten Methoden zur Anwendung kommen, ob wir zum Beispiel mit Neurolinguistischer Programmierung, Transak­tionsanalyse oder Meditationstechniken arbeiten, ob Kommunika­tion oder Konfliktverhalten im Mitte!punkt stehen oder Brainstor­ming, Metaplantechniken oder Qualitatszirke! eingesetzt werden. Dies alles wird abhangig von der Situation des Unternehmens und der Art des zu bearbeitenden Projekts im Einzelfall entschieden. Vie! wichtiger ist, daB die drei Bereiche BewuBtseinsentwickiung, Teambildung und Teamarbeit gemeinsam und aufeinander abge­stimmt befordert werden. Und alles zusammen wird dann mit der konkreten Projektbearbeitung verkniipft.

Diesem Systemansatz konsequent folgend, kann es fiir die Arbeit mit Human Quality Management auch keine zeitliche Reihenfolge geben, etwa dergestalt, daB man zunachst ein gemeinsames BewuBtsein entwickelt, danach Teams bildet, dann Teamarbeit iibt und anschlieBend die Projekte bearbeitet. In der Regel lauft alles parallel. Dazu ist natiirlich die Reflexion des Entwicklungsstandes in allen Bereichen erforderlich und eine genaue Abstimmung der einze!nen Aktionen. Diese Arbeit iibernehmen das sogenannte Supervisions team und der LenkungsausschuB, die im Kapite! Teamarbeit ausfuhrlich beschrieben sind. Entscheidend fiir den Erfolg von Human Quality Management ist die absolute Offenheit dieser Gremien. Das Supervisionsteam berichtet offentlich iiber seine Arbeit und seine Beschliisse, mitunter konnen auch interes­sierte Belegsehaftsmitglieder an seinen Beratungen teilnehmen. Noch offener wird der LenkungsausschuB gestaltet. Er so Ute etwa 10 Prozent der Belegschaft ausmachen, und einige seiner Mitglie­der sollten stan dig wechse!n. Dies schafft Transparenz als Grund­lage fiir Vertrauen, sorgt fiir bessere Kommunikation zwischen LenkungsausschuB und Belegschaft und bezieht das kollektive Wissen der Mitarbeiter umfassend ein.

Nun werden an dieser Stelle viele Fiihrungskrafte zuriickschrecken, weil eine derartige Offenheit entweder langwierige Konsensfin-

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dung erforderlich macht oder die Gefahr einer reinen Zustim­mungsversammlung birgt. 1m Interesse der Sache sollten wir uns immer fur den Konsensweg entscheiden, auch wenn er tatsachlich mitunter muhselig ist. Aber die Moderation solcher Prozesse ist erlernbar und letztlich Bestandteil von Fuhrungsexzellenz.

Es geht urn die FOhrung von Teams

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Gemeinsames BewuBtsein

it "gemeinsamem BewuRtseins" meinen wir den Konsens in Grundfragen. Dabei geht es im einzelnen urn Konsens in Sinnfragen, in der Frage des Vertrauens und bei allen

Dingen, die mit Wohlfuhlen, mit SpaR an der Arbeit usw. zu tun haben. Dies alles sind Grundlagen von Gemeinsamkeit. Es geht also urn Konsens in den Grundfragen von Gemeinsamkeit.

Wenn Konsensbildung so verstanden wird, daR letztlich die Min­derheit der Mehrheit unterworfen wird, so ist dies ein groRer und fur wirkliche Gemeinsamkeit folgenschwerer Irrtum.

Konsens bedeutet Ubereinstimmung. Dies verlangt, daR aIle Mit­glieder einer Gruppe Entscheidungen aus Uberzeugung mittragen. Diese Uberzeugung kann auch Einsicht sein, aber das ist das Mindeste. AIle, die im Boot sitzen, miissen mitrudern, und zwar im Gleichtakt, damit hochste Effektivitat entsteht. Dies werden sie nur tun, wenn sie es erstens wirklich wollen, wenn zweitens jeder seinen Ruderkameraden das notige Vertrauen entgegenbringt und wenn sich drittens jeder in der Rudergemeinschaft wohlfuhlt, wenn das Rudern allen SpaR macht. Erst dann entsteht das, was ich Gemeinsamkeit nenne; andere nennen es Synergie und meinen damit dasselbe.

Sinn

Wenn wir in einer Sache den Sinn suchen, stellen wir oft die Fragen "Worum geht es eigentlich?", "Warum tun wir das?". Wir fragen damit nach den Hintergriinden, nach den Motiven, nach den

Gemeinsames BewuBtsein

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Ursachen. 1m Zusammenhang mit unserer Arbeit beschaftigen sich die meisten Fragen mit

... dem Sinn des Unternehmens,

... dem Sinn der Arbeit, die wir tun,

... dem Sinn der Gemeinschaft, in der wir arbeiten, und

... dem Sinn der Zukunft.

Werden diese Fragen nicht zufriedenstellend beantwortet, entste­hen Frustration, Interesselosigkeit, innere Kundigung, Null-Bock­Stimmung. Diese negativen Emotionen haben ihre Ursache in einem Sinndefizit. Es sind Zustande bzw. Defekte in der Psyche des Menschen, die zwar meist als Symptom sicher erkennbar, jedoch von auiSen kaum zu beheben sind.

Die einzige Chance, eine Veranderung zu erreichen, besteht in der Arbeit an den Ursachen, besteht darin, dem Frustrierten seinen Frust bewuiSt zu machen, damit er seinen Widerstand erkennt und von diesem veranderten inneren Standort aus Dinge, Situation en und Handlungen urn sich herum wahrnimmt, die fur ihn sinnvoll sein konnten. Dann hat er die Wahl und die Chance, einen Schritt in eine neue Richtung zu machen. Dabei ist es unbedingt wichtig, daiS diese neue Richtung von dem Betreffenden selbst bestimmt wird und nicht etwa von den Wunschen, Vorstellungen und Erwartungen des Unternehmens oder des Coaches. In allen Phasen derartiger Prozesse muiS Freiheit herrschen; das macht sie mitunter so augerst langwicrig. Aber es gibt keinen anderen Weg, das BewuiStsein fur Sinn zu entwickeln. Sinnvermittlung kann offen­sichtlich nicht ausschlieiSlich intellektuell vollzogen werden.

Wir haben keine Chance, anderen Leuten den Sinn irgendeines Zieles, igendeines Tuns sozusagen ins Gehirn oder ins Herz zu verpflanzen. Es gelingt hochstens, die Mitarbeiter des Unterneh­mens auf "gemeinsame" Ziele "auszurichten", die in Wahrheit aber unsere eigenen sind. Wir vergewaltigen sozusagen mittels unserer groiSeren Macht als ,,Bosse" die Schwacheren auf mehr oder weniger subtile Weise und zwingen ihnen unseren Willen auf, zwingen sie Zll dem, was wir fur sie fur gut halten.

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Dies ist Entmiindigung, wenn es uns auch in dieser Deutlichkeit nicht bewuRt ist. Derartige Methoden der Sinnfindung Visionsar­beit zu nennen und zur Grundlage von Corporate Identity zu machen, fuhrt genau zu dem, was wir heute beobachten: Trotz aller CI-Seminare verdichtet sich in vielen Firmen der Trend zu innerer Kiindigung.

An dieser Stelle bietet sich eine Verkniipfung mit den Trendbe­trachtungen am Anfang des Buches an. Es ist wahrscheinlich, daR immer bewuRter, immer unabhangiger und immer individueller denkende und handelnde Menschen die mehr oder weniger plumpen Versuche der Sinn manipulation immer deutlicher durch­schauen. Die Reaktionen sind nur folgerichtig: Die Starken verlas­sen das Unternehmen und die Schwacheren spielen uns Identity vor. Beides niitzt dem Unternehmen herzlich wenig.

Der Ausweg liegt darin, den wahrhaftig gemeinsamen Sinn finden. Die Betonung liegt auf "gemeinsam". Wir miissen alle (!) Mitglie­der der Gruppe nach ihren ganz personlichen Vorstellungen yom Sinn des Unternehmens, yom Sinn der Arbeit, yom Sinn der Gruppe und yom Sinn der Zukunft fragen. Allerdings werden wir nur ehrliche und brauchbare Antworten bekommen, wenn wir bereit sind, jede (!) personliche Einstellung iiber Sinn zu akzeptie­ren. Besonders junge Leute haben ein Gespiir dafiir, ob der Fragende ehrlich interessiert ist oder ob er ausforschen will, urn anschlieRend zu manipulieren.

Das ist insgesamt eine ziemlich vertrackte Situation. Wir miissen unsere Mitarbeiter tatsachlich ernsthaft nach ihrer Meinung fragen, riskieren mit unserer ehrlich en Fragerei aber, daR eine vollig kontrare Situation beziiglich der Sinnfragen herauskommt. Wir sollten es dennoch tun, denn wir brauchen den Konsens in Sinnfragen, urn den Wandel erfolgreich meistern zu konnen, urn mit unserem Unternehmen zu den Siegern zu gehoren. Deshalb miissen wir wissen, was unsere Mitarbeiter fiir sinnvoll halten, was fiir sie den Sinn ihrer Arbeit und ihres Daseins im Unternehmen ausmacht. Und wenn dies nicht mit unseren lange gehegten Vorstellungen iibereinstimmt, dann tut das vielleicht weh, vielleicht

Gemeinsames Bewul3tsein

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baumen wir uns dagegen auf, aber eigentlich sollten wir dankbar uber das Erkennen einer Wahrheit sein, die letztlich die Grundlage neuer und notwendiger Entscheidungen sein wird. Das Schlimm­ste ware, diese Wahrheit zu ignorieren und einfach so zu tun, als ware die ganze Firma in Sinnfragen einig. Das fuhrte lediglich zur weiteren Demotivation der Mitarbeiter.

Wenn wir plotzlich erkennen, wie unterschiedlich die Sinnfragen im Unternehmen beantwortet werden, dann sind wir zwar in einer ernsten Situation, aber noch lange nicht am Ende, sondern eher an einem neuen Anfang. Jetzt gilt es zu prufen, ob der Sinn des Unternehmens nicht neu definiert werden kann. Warum sollte ein Unternehmen, welches bisher fur die Rustung produziert hat, nicht ab heute Schritt fur Schritt auf Umweltschutztechnik umsteigen? Damit anderte sich der Sinn des Unternehmens und palSte nun vielleicht besser zu dem, was die Mitarbeiter fur sinnvoll halten. Oder wenn plotzlich anstelle eines hohen Umsatzes mehr Freirau­me fur die Freizeitgestaltung der Mitarbeiter zum Sinn der Unter­nehmenstatigkeit geriete, dann wurde dies vielleicht eine Basis fUr breiten Konsens in der Belegschaft bieten, vielleicht sogar fur hohere U nternehmensgewinne.

Der cntscheidende Punkt ist, das heute der Sinn eines Unterneh­mens, der Sinn von Arbeit, der Sinn von Zukunft und der Sinn von Gemeinschaft nicht mehr von der Unternehmensfuhrung oder den Eignern des Unternehmens in unumstrittener Alleinherrschaft definiert werden konnen, sondern dalS die Sinnausrichtung eines Unternehmens vom Unternehmen als Ganzem, d.h. also von alien seinen Mitarbeitern, bestimmt werden muK Dies ist ein wesentli­cher Aspekt von Fuhrung, wie sic heute notig ist. Sie mulS offen sein auch bei der Sinnfindung im Unternehmen, offen fur die Meinungen und Intentionen ihrer mundigen und gleichberechtig­ten Partner, ihrer Mitarbeiter.

In der Praxis kann das ganz einfach laufen. Wir thematisieren die Sinnfragen bei Gesprachen mit den Mitarbeitern, bei Meetings und in speziellen Workshops. Wir integrieren Sinnfragen in die Bear­beitung taglicher Probleme, in die Bearbeitung von Projekten usw.

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Dabei mag es fur manche unserer Mitarbeiter uberhaupt das erste Mal urn Sinnfragen gehen. Aber nur auf diesen Wegen, sozusagen durch die Verbindung von Theorie und Praxis, werden den Mitarbeitem ihre eigenen Position en zu den Sinnfragen bewuRt.

Manch einer mag dann plotzlich alte Meinungen und Antworten, alte Vorbilder beiseite schieben und fur sich personlich zu vollig neuen Orientierungen kommen. Wie wunderbar! Andere wieder­urn bleiben bei ihren bisherigen Grund- und Glaubenssatzen, auch gut. All dies schafft Klarheit fur den einzelnen und ein Stuck mehr Verantwortungsbereitschaft.

AnschlieRend heiRt es, mit den Mitarbeitem Notwendigkeiten und Moglichkeiten zur Sinnveranderung, zur Sinngebung fur das Un­temehmen zu beraten, die Konsequenzen zu diskutieren und sich schlieRlich in einem grundlichen ProzeR der Konsensfindung auf konkrete Aktionen zu verstandigen. Ein solches Programm wird von der Gemeinschaft getragen, realisiert und fortentwickelt.

Dieser ProzeR ist logisch, klar und einfach, aber er ist nicht leicht zu vollziehen. Dies darf uns jedoch nicht davon abhalten, ihn anzugehen und zum Bestandteil der Untemehmenstatigkeit zu machen. Wir kommen nicht darum herum, denn nur auf diese Weise kann Fuhrung den an sie gestellten Anspruchen zur Mei­sterung des Wandels gerecht werden.

Vertrauen

Wir haben uber das Thema Vertrauen bereits in vorangegangenen Kapiteln mehrfach diskutiert. Dies liegt einfach an der grundlegen­den Bedeutung fur den Erfolg unserer Bemuhungen im Untemeh­men. Wir wollen uns hier nicht wiederholen, sondem uns einfach an das bereits Gesagte erinnem: Vertrauen ist die wichtigste Grundlage jeden Miteinanders und jeder Zusammenarbeit, beson­ders in turbulenten Zeiten. Oder anders ausgedruckt: Chaos beherrscht man nur durch Vertrauen.

Gemeinsames BewuBtsein

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Der Mangel an Vertrauen ist in unserer Gesellschaft weniger Resultat des Versagens einzelner als vielmehr ein Kulturproblem. Wir sind auf Migtrauen und Oberlebensangst getrimmt. Angst macht uns egoistisch. Unser ganzes Streben nach Geld dient der Oberlebenssicherung fur uns und unsere Familien. Der Verlust von gesellschaftlicher Anerkennung kann uns in existentielle Note bringen. Unser Machtstreben grundet in der Erfahrung, dag der Machtige bessere Oberlebenschancen hat, weil er sozusagen auf dem Rucken der anderen durch die Schwierigkeiten kommt. Dieser individuelle Oberlebenswille schliegt die Sorge urn das Oberleben der Nachkommen mit ein.

Oberlebens- oder Existenzangst ist nicht schlecht oder kritikwur­dig, sondern eine machtige Triebkraft und letztlich der Motor fur alles, was die Menschheit bis heute geschaffen hat. Oberlebens­angst ist allerdings auch mit dem Problem verknupft, dag sie uns zu vollig unbewugt und automatisch reagierenden Wesen macht. Sicher war es im Verlaufe der stammesgeschichtlichen Entwicklung notwendig, reflexartig zu reagieren, dem urzeitlichen Jager blieb angesichts eines drohenden Unheils oft keine Zeit zum Nachden­ken. Aber heute stehen wir unserer Umgebung dank der Ergeb­nisse menschlicher Geistestatigkeit nicht mehr so unmittelbar gegenuber. Wir mugten eigentlich gar nicht mehr so viel wie moglich zusammenraffen, weil unser Leben bedroht ist, wenn wir zu wenig bekommen. Trotzdem kampft und intrigiert in den Firmen jeder gegen jeden. Unsere Angst und unser Milltrauen treiben uns in person lichen Egoismus und dann in den koilektiven Irrsinn ubermagigen Konsums. Der absehbare Zusammenbruch des Systems ,,Erde" ware schlicht und einfach Ausdruck unseres Unvermogens, unserer Angst Herr zu werden.

Egoismus im Sinne von Oberlebensmechanismus ist nichts mora­lisch Verwerfliches, aber wird als Existenzsicherung nicht mehr genugen. Da er individuell verwurzelt ist und individuell funktio­niert, mug er bei komplexen, kollektiven Problemen versagen, sogar kontraproduktiv wirken. Wir brauchen demnach einen neuen Oberlebensmechanismus, der kollektiv wirkt. Da unsere

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Probleme kollektiver Art sind, muR auch das Gegenmittel kollek­tiven Charakter haben. Dieser kollektive Oberlebensmechanismus ist Synergie, Gemeinsamkeit.

Damit ist nichts versponnen Illusionares gemeint nach dem Motto ,,Alle Menschen sind Bruder und Schwestern". Gemeint ist Ge­meinsamkeit auf der Grundlage erfahrener Erkenntnis, daR nur auf diesem Wege Existenzsicherung moglich ist. Wir erfahren unsere personliche Unvollkommenheit zur Losung globaler Probleme und begeben uns bewuRt in die Alternative der Gemeinsamkeit als Verhaltensprinzip. Einen soIchen Weg zu gehen setzt Vertrauen voraus.

Das Vertrauen unserer Mitarbeiter ist auf billige Weise, etwa durch Geschenke, faule Kompromisse, Zugestandnisse usw. nicht zu kriegen. Urn das Vertrauen der Mitarbeiter zu gewinnen, urn sie als Problemloser und engagierte Partner einzubinden, mussen wir ihr SelbstbewuRtsein, ihre Unabhangigkeit, ihre Individualitat und ihre Mundigkeit nicht nur akzeptieren - das ware zu passiv -, sondern aktiv fordern. Schon dadurch entsteht Vertrauen.

Forderung heiRt Forderung und Fursorge, heiRt zugleich ernstneh­men und unterstutzen. Ein interessantes Beispiel fur ernsthaftes und partnerschaftliches Fordern bietet Klaus Kobjoll in seinem Hotel Schindlerhof bei Nurnberg. Nach Erlauterung des Aufga­benbereichs und der Erwartungen des Unternehmens bestimmt der neue Mitarbeiter sein Salar selbst, gehandelt wird nicht. Das Unternehmen geht davon aus, daR der Stelleninhaber das von ihm vorgeschlagene Gehalt durch seine Arbeit rechtfertigt. Ober den Betrag sind alle Mitarbeiter informiert. Sollte die tatsachliche Leistung dann nicht dem ublichen Rahmen im Unternehmen entsprechen und demzufolge das Einkommen nach oben oder unten korrigiert werden mussen, so wird dies in aller Offenheit getan. Ein soIches Vorgehen erfordert und schafft zugleich Ver­trauen, verlangt aber zunachst einen VertrauensvorschuR seitens des Unternehmens.

Ein wichtiger Grundsatz fur Vertrauensbildung im Unternehmen besteht also darin, die Mitarbeiter in jeder Beziehung und mit aller

Gemeinsames BewuBtsein

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Konsequenz als mundige Partner ernst zu nehmen, entsprechend ernsthaft Vertrage (nicht nur Anstellungsvertrage), Abkommen und Absprachen mit ihnen auszuhandeln und die beiderseitige Einhaltung dieser Vertrage zu sichern.

Wichtig fur die Vertrauensbildung ist auch, ein offenes Ohr fur die Menschen und ihre Sorgen und Note zu haben, mit ihnen zu fuhlen und sie zu unterstutzen. Das heiRt nicht, sie in Watte zu pack en oder ihnen Probleme aus dem Wege zu raumen. Nein, ihre Aufgaben und Probleme, privat und im Unternehmen, mussen sie schon selbst losen. Forderung bedeutet da zu sein, zuzuhoren, gemeinsam nach Losungsmoglichkeiten zu such en, wenn dies gewunscht wird, Bedingungen fur die Entfaltung des Mitarbeiters zu schaffen und mit standigem Hinterfragen seine (des Mitarbei­ters!) Antworten zu provozieren.

Ein weiteres wichtiges Prinzip der Vertrauensbildung besteht darin, den Mitarbeitern ihre Erfolge zu lassen. Wie oft geschieht es, daR Mitarbeitern ihre Ideen von engstirnigen und hochgradig egoisti­schen Vorgesetzten regelrecht geklaut werden. Ein soIches Verhal­ten erschuttert die Vertrauensbasis des Mitarbeiters so nachhaltig, daR er sicherlich keine Vorschlage mehr macht. Und aIle Kollegen, denen er davon erzahlt, werden ebenfalls miRtrauisch.

Seien wir selbstloser, indem wir unseren Mitarbeitern von Herzen zu ihren Erfolgen gratulieren, sie mit ihnen feiern. Bereits kleine Anlasse konnen dafur genutzt werden. Wenn wir die Anerkennung von Leistung zum Prinzip machen und dieses Prinzip stan dig an wenden, dann entsteht Vertrauen und letztlich mehr Leistung.

Ein weiteres Kapitel zum Thema Vertrauen und Vertrauensbil­dung: Die meisten Unternehmen sind zu ernst, zu steif, zu serios. Dies ist ein Ausdruck von Schwache, von personlicher Schwache der Personen an der Spitze. Sie brauchen Distanz, ehrfurchtsvolle Beweihraucherung, Etikette und steife Rituale. Wirklich starke, selbstsichere und letztlich sich selbst vertrauende Personlichkeiten haben das nicht notig. Sie schaffen durch ihre Naturlichkeit Nahe, Vertrauen und eine Atmosphare des Wohlfuhlens.

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Genau darum geht es: Erfolg verlangt Vertrauen und Wohlfiihlen. Nur in einer solchen Atmosphare entsteht Leistung, Engagement. Vorzimmergeschiitzte Vorgesetzte und langwierige Rituale beim Kampf urn den Termin beim Chef zerstoren diese Atmosphare ebenso wie separate Kantinen, Regelungen iiber Anrechte auf Gardinen, vorgeschriebene Kleiderordnungen und was sich sonst noch alles erdenken laRt, urn Hierarchie zu dokumentieren, urn den Mitarbeiter spiiren zu lassen, daR zwischen ihm und den Machtigen Welten liegen.

Das heiRt nicht, daR ein Unternehmen nicht reprasentieren soIl. Dies ist sicher dringend notig, aber nur nach auRen und nicht nach innen zur reinen Machtdemonstration. Das liegt haufig sehr eng beieinander, und die Gefahr, daR aus notwendiger AuRenreprasen­tation Distanz nach innen entsteht, ist sehr groB. Die angespro­chene Natiirlichkeit der Fiihrungskrafte kann die Losung sein. Sie gilt es bei der Auswahl von Fiihrungspersonal starker zu beachten als bisher.

Die Grenzen und Barrieren zwischen den Menschen niederzureiR­en heiRt nicht, Nichtachtung oder Anarchie zu erzeugen, sondern Gemeinsamkeit. Sie entsteht nur, wenn wir das BewuRtsein von der Gleichwertigkeit aller Menschen entwickeln und diesem auch im Unternehmensalltag Ausdruck verleihen.

Sicher miissen wir, je nach konkreter Situation im Unternehmen, noch weitere Prinzipien zur Vertrauensbildung herausarbeiten und verfolgen. Die hier genannten sind beispielhaft zu verstehen, gehoren allerdings zu den unverzichtbar wichtigen. Und eines wird auf jeden Fall deutlich: Es geht nur mit einem VertrauensvorschuR!

Die Entwicklung von Vertrauen ist in der Praxis simpel und schwierig zugleich. Wir miissen Vertrauen thematisieren, urn BewuRtheit dafiir zu wecken. Dies sollte bei Unternehmensleitung und Mitarbeitern gleichzeitig erfolgen. Die Thematisierung von Vertrauen und die Beschaftigung mit Prinzipien der Vertrauensbil­dung, ist ein langwieriger ProzeR, der vor allem das ,,Erfahren" der Starke von Gemeinsamkeit in den Mittelpunkt stellt. Wir miissen

Gemeinsames BewuBtsein

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zu der Oberzeugung gelangen, dag nur durch Gemeinsamkeit Oberlebenssicherung moglich ist. Manche Autoren belegen dies auch mit dem Ausdruck "egoistischer Altruismus". Das Individu­um erkennt, dag nur durch die Gemeinsamkeit seine personliche Existenz zu sichern ist.

Doch nicht nur der Kopf, auch der ,,Bauch" will iiberzeugt werden. 1m Zweifelsfalle sind namlich die Reflexe unseres Bauches schnel­ler und durchgreifender als die verstandesgesteuerten. Wir miissen also Wissensvermittlung oder theoretische Auseinandersetzung mit einem Problem immer mit konkretem Erleben verbinden, urn bleibende Veranderungen zu erzielen. Dies ist der Grundsatz von Human Quality Management. Diesem folgend, liegt der Erfolg in der Verbindung von Vertrauensthematisierung und konkreter Pro­jektarbeit. Vertrauen wird in praxi erprobt, dabei und danach bewugt gemacht und in diesem standigen Wechselspiel entwickelt und gefestigt. Die entscheidende Devise heigt "Dranbleiben".

Offenheit

Gemeinsames Bewugtsein kann durchaus fortschrittshemmend sein. Wir kennen Beispiele aus der Geschichte, wie etwa feudaler Standesdiinkel oder ideologische Barrieren in diktatorischen Sy­stemen, die allem Neuen entgegenstehen. Auch viele unserer he ute noch iiblichen Denkmodelle sind kontraproduktiv "vie beispiels­weise das Hierarchiedenken, der Nationalismus, das Mann/Frau­Schema. Selbst die urspriinglich fortschrittlichen Ansatze des Feminismus, der okologischen Alternative oder des Positivdenkens werden hemmend, wenn sie zur Ideologie erstarren, nichts Ab­weichendes gelten lassen und Anspruch auf die letzte Wahrheit erheben.

Wenn das in unserem Unternehmen entstehende gemeinsame Bewugtsein produktiv wirken sol!, und zwar dauerhaft produktiv, dann mug es offen gestaltet werden. Dieses Prinzip der Offenheit

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muR in viele Richtungen realisiert werden, Offenheit muR zur Komponente von BewuRtsein werden.

Ein Aspekt von Offenheit ist Toleranz. Gegenuber anderen Men­schen, Meinungen, Gedanken, Reaktionen und Gefuhlen offen zu sein, sie zu respektieren und als Ausdruck erwunschter Vielfalt zu akzeptieren, das ist Grundlage einerseits fur Vertrauen, andererseits aber auch fur die Moglichkeit geistiger Expansion. Woher sollen Fortschritt im Denken, neue Losungen, Kreativitat, originelle Marktideen usw. kommen, wenn nicht aus diesen offenen geisti­gen Raumen von Vielfalt, Buntheit und Gegensatzen?

Es muR erlaubt, ja sogar erwunscht sein, quer zu denken. Wir haben bereits erlautert, daR die Eigenschaft des Querdenkens in unserer Gesellschaft nicht sonderlich wohlgelitten ist. Wir mussen dies im Unternehmen unbedingt verandern, indem wir unkonven­tionelle Ideen und Losungsansatze zulassen, ja herausfordern. In jedem Menschen und jedem Team schlummern diese kreativen Potentiale. Wir sollten bei der taglichen Arbeit, bei der Arbeit an Projekten, aUe Anzeichen von Querdenken und Kreativitat fordern und gute Bedingungen fur ihr Entstehen schaffen. Human Quality Management arbeitet deshalb mit interdisziplinaren Teams, in deren Dynamik leicht ein Wettbewerb urn die originellste Losung entsteht.

Ein anderer entscheidender Aspekt von Offenheit ist, daR alle Mitarbeiter bedriickende Probleme, Sorgen und auch ihren Protest frei auRern konnen. Diese ,,Meinungsfreiheit" soUte man moglichst nicht verbalisieren. Wenn Offenheit im Sinne von vollig freier AuRerung tatsachlich besteht, dann muR der Chef das nicht extra betonen. Wenn er dies trotzdem tut, entsteht leicht MiRtrauen.

Besser ist es auch hier wieder, konkretes Erleben durch praktische Arbeit zu schaffen. In jeder Projektarbeit kommt es fruher oder spater zu Konflikten. Human Quality Management begreift und ergreift diese als Gelegenheiten, Offenheit zu erproben. Konflikte unter den Tisch zu kehren, ,,heile Welt" zu spielen, hat noch niemals Probleme gelost. Es ist unbedingt notwendig, auch unan-

Gemeinsames BewuBtsein

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genehme Themen anzupacken. Geschieht dies friih genug, dann ist sachliche Klarung moglich, geschieht es zu spat, sind mogli­cherweise bereits ,,Feindbilder" verfestigt. Offenheit bewahrt sich gerade in diesen notwendigen Auseinandersetzungen.

1m Zusammenhang mit dem Stich wort Offenheit kommen wir zu einem interessanten Gesichtspunkt von Fiihrung. Dieser betrifft das alte Modell vom Fiihrer in hehrer Einsamkeit und der Masse der Gefuhrten. Offenheit im BewuRtsein erfordert auch Offenheit in der Fiihrung, praktisch die am weitesten entwickelte Form von Fiihrung. Fiihrungsexzellenz heiRt nichts anderes als Fiihrung durch eine offene Gruppe. Nicht ein einzelner oder eine Geschafts­leitung diskutiert und beschlieRt hinter verschlossenen Toren, sondern die Toren sind offen. Jeder kann dazukommen, wenn er meint, zum Thema beitragen zu konnen. Fiihrungsgremien bera­ten offentlich, bieten Offenheit und Transparenz und laden bewuRt zum Mitmachen ein.

Zugegeben, diese Form offen en Fiihrens ist noch auRerordentlich selten und tragt meist noch experimentellen Charakter. Es steht aber bereits fest, daR diese Art zu fuhren die einzig mogliche fur die Zukunft ist. Mit herkommlichen Fiihrungsstrukturen haben wir es schlieRlich bisher nicht geschafft, den Wandel zu meistern. Demgegeniiber schafft bereits der Versuch, Fiihrung durch eine offene Gruppe zu praktizieren, etwa in Form von Lenkungsaus­schiissen oder sogenannten Fiihrungsgruppen, Vertrauen und Offenheit, Gemeinsamkeit und gemeinsame Verantwortung.

Fest steht auch, daR eine solche Offenheit sehr viel Feingefuhl, Einsicht und Fiihrungsweisheit seitens des Chefs und der Manager sowie eine gehorige Portion Dbung in Teamarbeit und bei der Gestaltung des Prozesses der Konsensfindung erfordert. 1m Rah­men von Human-Quality-Management-Projekten konnten Erfah­rungen in dieser Richtung gesammelt werden, die durchweg positiv waren. Am Beginn gab es zunachst immer UngIaubigkeit und auch vorsichtige Zuriickhaltung bei den Chefs und bei den Mitarbeitern. Diese Skepsis und auch die Arbeitsform der offenen Gruppe wurden jedoch von uns weniger thematisiert, als vielmehr

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praktiziert, so daR sich die Anfangshemmungen schnell abbauen konnten. Danach gibt es dann meist eine Phase, die wir ,,Debat­tierclub" genannt haben; sie laRt sich jedoch relativ schnell durch versachlichende Moderation iiberwinden.

Es bestatigte sich dabei immer, daR Offenheit die wichtigste Komponente von Fiihrungsarbeit ist, Offenheit im Sinne von Transparenz und im Sinne von Beteiligung der Mitarbeiter an den Fiihrungsprozessen. Entscheidend ist dabei, daR Offenheit sich als Denkprinzip im gemeinsamen BewuRtsein des Unternehmcns oder der Gruppe verankert.

Motivation

Viele gehen davon aus, daR Motivation darin bestiinde, den anderen, der sie angeblich nicht hat, so zu verandern, daR er endlich richtig funktioniert. Das ist falsch. Das ist schlicht und ergreifend Manipulation.

Nun meinen wir nicht, daR es fiir toIle Leistungen nicht auch toIle Extras geben sollte. 1m Gegenteil, wir miissen unsere Erfolge feiern. In diesem Sinne tragen Belohnungsstrategien durchaus zu einem guten Leistungsklima bei und sind motivierend. Aber sie diirfen nicht plump wirken nach dem Schema: ,,Affe schneidet Grimasse und bekommt dafur eine Banane". Die gangige Motiva­tionspraxis basiert auf dies em Schema, nach dem Mitarbeiter durch entsprechende Anreize zu anderem Verhalten umprogram­miert werden konnen, praktisch wie Maschinen. Aber das funk­tioniert nicht, weil der Mensch nun mal keine Maschine ist und sich dieser Tatsache auch zunehmend bewuRt wird. Die Mitarbei­ter entwickeln raffinierte Strategien, urn mit wenig Aufwand an die begehrten Incentives heranzukommen. Wir fordern demzufol­ge unter der Bezeichnung ,,Motivation" den Versuch, mit mog­lichst wenig Leistung moglichst viel vom Kuchen abzukriegen. Die Ursache ist die Verwechslung von Motivation und Manipulation. Wenn wir alles das, was iiblicherweise in den Unternehmen als

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Motivation praktiziert wird, als Manipulation erkennen, werden wir uns keine Illussionen mehr uber ihre Wirkung machen. Wir werden die richtigen Erwartungen hegen, wenn wir Incentives ausloben oder das betriebliches Vorschlagswesen organisieren. Und auBerdem konnen wir daruber nachdenken, was Motivation tatsachlich ist.

Wir werden erkennen, daB Motivation nicht ein System von Zuckerbrot und Peitsche ist, sondern ein innerer Zustand von Leistungsbereitschaft. Dieser inn ere Zustand von Leistungsbereit­schaft, von Interesse an Leistung, ist bei jedem Menschen vorhan­den. Wir mussen der betreffenden Person nur erlauben, ihn auszuleben, und schon haben wir motivierte Mitarbeiter. So einfach ist das. Wir mussen nur mit einigen unserer liebsten Traditionen brechen, zum Beispiel das Vorschriften machen, das Gangeln der Leute, das Vorfuhren von Fehlern usw. Diese Um­gangs- und Zusammenarbeitsformen nehmen jedem die Lust an der Mitarbeit. Der Witz ist, daB die Leute, die im Unternehmen fur die ,,Motivation" ihrer Mitarbeiter zustandig sind, namlich die Manager, durch ihre Aktionen im taglichen Geschaft das Motiva­tionspotential ihrer Mitarbeiter zuschutten. Nicht boswillig, son­dern weil sie es nicht anders wissen, weil es seit Generationen so gemacht wird, weil es mit ihnen selbst so gemacht wurde, in der Schule, oft auch im Elternhaus und besonders in der Arbeitswelt.

Der oberste Grundsatz fur das Freisetzen des Motivationspoten­tials muB also heiBen: Wer mehr Leistung will, muR zuerst sich seibst und die Bedingungen, unter denen Arbeit stattfindet, veran­dern. Dann werden die Mitarbeiter ihr Verhalten verandern und sich frei entfalten.

Abbildung 11 gibt Anregungen, welche Bereiche im Unternehmen begutachtet werden sollten, wenn die Bedingungen, unter den en Arbeit stattfindet, zur Disposition stehen. Viele bereits diskutierte Stichworte finden sich darin auf verschiedenen Ebenen wieder. Entscheidend ist, daB tatsachlich aIle hier genannten Bereiche in ein ausgewogenes Verhaltnis gebracht werden muss en, urn zu einem leistungsfordernden Klima im Unternehmen zu kommen.

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FOhrungsexzellenz

gemeinsame Innovation en

Information, Qualifizierung, Organisation, High Tech

leistungsgerechte Ent/ohnung, materielle Sicherstellung, Pramie

gemeinsame Visionen

Offenheit, Vertrauen, Partnerschaft, Geborgenheit

Beziehungsstrukturierung, soziale Kompetenz, Personalverantwortung

Abbildung 11 : Bedingungen, die das Unternehmen setzt

Man kann ebensowenig effektiv an gemeinsamen Visionen arbei­ten, wenn im Basisbereich Ungerechtigkeiten oder gar existenzielle Probleme der materiellen Sicherstellung bestehen, wie es unmog­lich ist, gemeinsame Innovationen zu verfolgen ohne eine gut ausgebaute organisatorische Basis oder ein funktionierendes Infor­mationssystem. Und irgendwo in diesem ganzheitlichen System ist auch Platz fur Incentives und andere ,,Motivationstechniken".

Human Quality Management untersucht, welchen EinflulS diese Ebenen auf das Motivationsklima im Unternehmen haben und leitet entsprechende Vorschlage zur Verbesserung und Umsetzung abo Dies geschieht von Anfang an in offenen Projektgruppen und fordert die aktive Auseinandersetzung mit den Themen Sinn, Vertrauen und Offenheit, ist also praktische Arbeit an der Entwick­lung gemeinsamen BewulStseins. In diesem Sinne ist Human Quality Management auch eine Motivationstechnik.

Gemeinsames BewuBtsein

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Tea me ntwi c kl u ng

ie Arbeit in Teams wird die entscheidende Arbeitsform der Zukunft sein, sozusagen der Schliissel zur Meiste­rung des Wandels unserer Gesellschaft und aller damit

im Zusammenhang stehenden Probleme. Dazu muiS es uns jedoch gelingen, Teamarbeit neu zu gestalten. Wir brauchen Teamarbeit auf der Grundlage wirklicher Gemeinsamkeit und .!)-icht alte Hierarchien mit neuem Etikett. Dariiber hinaus wird es wichtig sein, daiS die Entwicklung von Teamarbeit und von Teams keine Sache von Workshops bleibt. Teams miissen in der Praxis wachsen, miissen sich an Aufgaben und in schwierigen Situationen bewah­ren und bei diesem taglichen Ringen ihren besonderen Charakter auspragen. Konkrete Projektarbeit ist ein hervorragendes Feld, solcherart praktische Teamentwicklung zu betreiben, zumal dabei neben der Proftlierung der Teams und dem Zusammenwachsen ihrer Mitglieder auch konkreter Nutzen fur das Unternehmen entsteht. Welches ,,Handwerkszeug" notig ist, urn Teams zu fiihren, wollen wir im folgenden behandeln.

Tools for Teams

Teamentwicklung ist, wenn iiberhaupt, dann abgeschlossen, wenn die Gruppe sich bei der Suche und Losung von Aufgaben selbst steuert, wenn sie aus sich heraus Gestaltungskraft entwickelt, quasi selbstandig unternehmerisch denkt und handelt und ihre inneren Konflikte in Eigendynamik lost. Das Gesamtunternehmen ge­winnt aus solchen Teams sowohl strategische als auch operative Vorteile gegeniiber den Wettbewerbern. Wettbewerb ist heute

Teamentwicklung

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nicht zuletzt Wettbewerb urn die besten, am effektivsten funktio­nierenden Teams.

Urn es gleich vorwegzunehmen: Die Team-Werkzeuge durfen kein Geheimwissen von Teamleadern oder externen Moderatoren blei­ben, sondern mussen moglichst vielen Teammitgliedern in Fleisch und Blut ubergehen. Je mehr Wissen und Erfahrung die Teammit­glieder haben, desto leichter funktioniert die Selbststeuerung, urn die es letztlich geht.

Die "Tools for Teams" sind:

... Kommunikative Kompetenz, ... Feedback-Techniken, ... Entscheidungs- und Konsensprozesse, ... Konfliktbewaltigung.

Kommunikative Kompetenz

Jedes Mitglied eines Teams benotigt Basis-Know-how uber erfolg­reiche Kommunikation in Gruppen. Zwar wird es immer beson­dere Kommunikations-Talente geben, aber man sollte allen Mit­arbeitern die Chance eroffnen, grundlegende Elemente zur befrie­digenden Gestaltung von Kommunikationsprozessen zu erproben. Die Betonung liegt hier auf ,,Erprobung", weil auf diesem Gebiet nur crfahrenes Wissen zahlt. In hitzigen Diskussionen erinnert man sich bekanntlich nur aufserst selten an auswendig gelernte Kom­munikationsregeln.

Es beginnt mit dem Bewufstmachen der Unterschiede zwischen Sach- und Beziehungsebenen. Vermischungen auf diesem Gebiet zahlen zu den haufigsten Hindernissen, in relativ kurzer Zeit eine Diskussion zu einem vernunftigen Ergebnis zu bringen. Selbstdar­stellung und Schuldzuweisung sind nur zwei Beispiele fur Gefechte ohne Bezug zum Sachproblem. Es lafst sich trainieren, Sach- und Beziehungsebenen auseinanderzuhalten und uber die ausschliefsli­che Diskussion der Sachprobleme zu schnelleren Losungen zu kommen.

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In diesem Zusammenhang ist auch die Unterscheidung von Ich-Aussagen, Wir-Aussagen und Objektaussagen wichtig, aus sachlichen Erwagungen, besonders aber wegen der "atmosphari­schen" Wirkung der unterschiedlichen Aussagetypen. Wenn je­mand iiber Teamerfolg immer in der Ich-Form redet, hat das iiber kurz oder lang verheerende Folgen fur die Motivation der Gruppe und fuhrt zu Spannungen.

Wichtig ist auch die Kongruenz zwischen verbalem Ausdruck auf der einen und Mimik und Gestik auf der anderen Seite. In vielen geschaftlichen Unterredungen begegnen wir den typischen ,,Po­kerfaces", bei denen aus Unsicherheit und mangelnder kommuni­kativer Kompetenz ein groBes Reservoir von Ausdrucksmoglich­keit verschenkt wird. Wer tatsachlich etwas zu verbergen hat, soUte selbstverstandlich Mimik und Gestik weitgehend reduzieren, denn ein guter Beobachter erkennt sofort, wenn Wort, Gesichtsaus­druck, Korperhaltung und Handbewegungen nicht zusammenpas­sen. Das Beste ist jedoch, sich so zu geben, wie man ist. Dann stimmen die verbalen und die nonverbalen Botschaften perfekt iiberein. Es ware Zeichen eines hohen Grades an Gemeinsamkeit, wenn sich Mitarbeiter und Chefs in dieser Weise begegnen wiir­den.

Fiir die Kommunikation ist es notig, sich Gedanken iiber die Wirkung von Mitteilungen zu machen. Man soUte zumindest versuchen, die Folgen einer Aussage abzuschatzen. Wenn man mit seiner Einschatzung falsch liegt und es zu Spannungen kommt, gilt es, mit der notigen Sensibilitat den Schaden zu begrenzen. AUerdings: Sensibilitiit hat mit Offenheit und Vertrauen zu tun und ihre Ausbildung ist Inhalt eines langen Prozesses personlicher Entwicklung.

Eine weitere wichtige Komponente erfolgreicher Kommunikation ist die Technik des gezielten Nachfragens. Sie offenbart zum einen schwelende Konflikte in der Gruppe und fuhrt auBerdem mitunter zu erstaunlichen Losungen.

Teamentwicklung

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Kommunikative Kompetenz ist nicht erlernbar wie Vokabeln, dessen mulS man sich bewulSt sein. Es mussen Erfahrungen gesammelt werden, zunachst in Seminaren, spater vor allem aber im Alltag. Dabei bewahrt sich ein vierteljahrliches Reflektorium, etwa im Sinne einer Trainingsnachbereitung. Die Teilnehmer kom­men zusammen, tauschen sich aus uber die gemachten Erfahrun­gen, korrigieren und komplettieren, urn danach wiederum Praxis­erfahrungen zu sammeln.

Feedback-Techniken

Eine der Voraussetzungen erfolgreiche Teamarbeit ist Feedback. Jeder von uns bekommt standig Feedback, bewertendes, positives, kritisches, offenes, spontanes oder formalisiertes Feedback. Fur die Kommunikation in Teams ist es aulSerst wichtig, Feedback auf angemessene Weise zu geben und zu nehmen - letzteres ist das Schwierigere, wie wir alle wissen, vor allem bei Kritik. Es £allt dem einzelnen meist leichter, das Feedback zu akzeptieren, wenn es sich urn eine sachliche und nicht personliche Ruckmeldung handelt. Der Umgang mit Feedback hangt eng mit dem Vertrauen im Team zusammen. Das Uben von Feedback wiederum ist ein gutes Mittel zur Entwicklung von Vertrauen in der Gruppe.

Entscheidungs- und Konsensprozesse

Entscheidungsprozesse und Konsensverfahren gehoren eng zu­sammen. Beides sind komplizierte Meinungsbildungsverfahren, die am Ende ein klares und fur aile Beteiligten nachvollziehbares Resultat erbringen mussen.

Drei Fragen sollten unbedingt geklart sein:

~ Wer entscheidet? ~ Wie wird entschieden? ~ Wie sind Entscheidungen zu terminieren?

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Zur Bcantwortung dieser Fragen miissen wir uns immer das groge Ziel vor Augen halten, Teams zu formen und Gemeinsamkeit der Fiihrung als Grundlage effektiven Handelns zu erreichen. Es ist also wichtig, in Gruppen zu entscheiden, den Entscheidungspro­zeg offen hinsichtlich seines Ergebnisses zu gestalten und genii­gend Zeit einzuplanen. Konsensfindung, und nur darum sollte es eigentlich gehen, erfordert eine Menge Zeit, beschleunigt aber die Umsetzung urn ein Vielfaches.

Konfliktbewaltigung

In allen Gruppen kommt es friiher oder spater zu Konflikten. Deshalb ist die Auseinandersetzung mit Fragen der Konfliktbewal­tigung wichtig. Der Umgang mit Konflikten ist die ,,Nagelprobe" fur Teamgeist. Wir sollten innerhalb der Teams folgende Themen ansprechen, und zwar bevor es zu emsten Spannungen kommt:

~ Was sind Konflikte? Diirfen sie sein? Wie sind sie zu bewerten? ~ Gibt es Angste vor Auseinandersetzungen oder Sanktionen? ~ Welche Signale kommen vom Leiter oder Moderator? ~ Wie ist es urn die Grundstabilitat der Gruppe besteIlt?

Es gilt grundsatzlich, dag Konflikte sofort und bis zur Lasung ausgetragen werden miissen. AIle Versuche, Differenzen zu vertu­schen, fiihren am Ende meist zu bleibenden Feindschaften. Diese kann man dann nur schwer beilegen, weil die sachliche Basis der Auseinandersetzung nicht mehr greifbar ist.

Merkmale einer gute ,,Konfliktbewaltigungskultur" im Untemeh­men, also Merkmale fur eine gut entwickelte Vertrauensbasis, sind die Erreichung einer Konfliktlasung ohne Gesichtsverlust fur einzelne Mitarbeiter, geschicktes Vermeiden ungewiinschter Kon­flikteskalationen bzw. die gezielte Erarbeitung von konstruktiven Konfliktsituationen. Dazu braucht es erfahrungsgemag immer professioneller Anleitung.

Teamentwicklung

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Moderation und Coaching

Teamentwicklung erfordert Steuerung, sowohl das gezielte Vorbe­reiten und Trainieren der Teams in Seminaren, Workshops und Trainings, als auch die praktische Umsetzung des dabei Erfahrenen in der taglichen Praxis oder bei der Bearbeitung konkreter Projekte. Leider iiberlassen Unternehmensleitungen diese Dinge zu oft sich selbst. Dabei ist die Entwicklung der Teams die wichtigste Fiih­rungsaufgabe und jeder Unternehmensleiter soUte sich als Coach seiner Teams, seiner Mitarbeiter verstehen.

Ein Coach soU fiir sein Team die Vertrauensperson schlechthin sein, Spiegel der ablaufenden Gruppenprozesse, Katalysator im fachlich-sachlichen LosungsprozeK Der Coach soli vermitteln, anspornen und die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter durch Veranderung der Bedingungen, unter denen Arbeit stattfindet, fordern. Er muB also hochsten Anspriichen geniigen, vor aUem hinsichtlich seiner personlichen Reife. Die personliche Kompetenz ist sehr viel entscheidender als die Beherrschung bestimmter Techniken wie Metaplan und Brainstorming.

Der Coach darf nicht egoistisch sein, muB durch eigene tiefe Erfahrungen in psychologischen Fragen immer neutral reagieren konnen, freundlich und verstandnisvoU agieren und bei ali dem die erforderliche Konsequenz nicht vermissen lassen. Wer soUte diese Aufgabe besser erfiiUen konnen, wenn nicht der Mann oder die Frau an der Spitze des Unternehmens? Dort soUte eigentlich die reifste Personlichkeit stehen.

Zur Gruppenmoderation sind Erfahrungen mit den bestimmenden Faktoren der Gruppendynamik notig, wie beispielsweise

.... Wiinsche nach Sicherheit, Anerkennung, Nahe, Distanz, Ein­fluBnahme,

.... Verhaltensweisen, die die Energie einer Gruppe beeinflussen,

.... Antipathien und Sympathien,

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.. Beziehungsgeflechte,

.. Annahme diverser informeller Rollen durch die Teilnehmer,

.. Beziehungen zu offiziellen und inoffiziellen Fiihrungsfiguren.

Wichtig ist, daR sich der Coach in seiner Rolle sicher fuhlt, seine Rolle entspannt und distanziert iiberdenken kann und immer den Zusammenhang und die Unterschiede zwischen Personen und deren Wiinschen einerseits und Rollen und Rollenverhalten ande­rerseits vor Augen hat. Nur dann kann er mit der Gruppe iiber lange Zeit arbeiten, ohne zu fratemisieren oder unkontrolliert zu reagleren.

Und noch eins: Experten gehoren in die Teams, der Moderator und der Coach miissen Generalisten sein. Die ZUrUckhaltung personlicher Ansichten, Urteile und Ideen zu den jeweiligen Sachproblemen ist Voraussetzung, die Teammitglieder zur eigenen Initiative zu provozieren. Wir miissen unbedingt der Versuchung widerstehen, die besten Fachleute mit der Leitung von Projekt­gruppen zu betrauen. Dazu werden Coaching-Experten benotigt, die mit den eigentlichen Sachfragen nur im Sinne einer guten Allgemeinbildung vertraut sein miissen.

Moderatoren und Coachs brauchen ihrerseits Supervision, das heiRt die Moglichkeit, die Erfahrungen und eigene Betroffenheit in schwierigen Situationen aufzuarbeiten. Dafur gibt es speziell ausgebildete Supervisoren, die auch im Rahmen des Human-Qua­lity-Management-Systems arbeiten. Die Nutzung derartiger Lei­stungen ist nicht das Eingestandnis eigener Unvollkommenheit oder Schwache, sondem ein sehr verantwortungsbewuRter Teil der Arbeit als Coach. In den letzten Jahren wird Supervision dieser Art immer starker in Anspruch genommen.

Teamentwicklung

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Teamarbeit

ie Arbeit in Teams ist die einzige Arbeitsform, mit der Wandel in den erforderlichen Dimensionen erreichbar ist. Die Zeit des Einzelkampfertums ist vorbei. Das Beson­

dere an der Teamarbeit, wie wir sie brauchen, besteht darin, daR sie die personlichen Starken jedes einzelnen Mitglieds eingebettet in die Potenz der Gruppe fordert. Damit geht moderne Teamarbeit iiber das japanische Modell der Unterordnung hinaus, ist eindeutig partnerschaftlich orientiert und basiert auf der Oberzeugung aller, nur gemeinsam existentielle Probleme zufriedenstellend meistern zu konnen.

Unter diesen Gesichtspunkten sind fiir Teamarbeit einige Prinzi­pien wichtig. Teamarbeit muR auf Vertrauen, Freiwilligkeit, Kon­sens und SpaR beruhen. Es muR SpaR machen, zusammen zu arbeiten, Probleme zu los en, Erfolg zu haben. Es ist Aufgabe der Chefs, fiir ein entsprechendes Klima zu sorgen. Es muR Vertrauen herrschen innerhalb der Teams, innerhalb des gesamten Untemeh­mens, zwischen allen an der Arbeit Beteiligten. Wir brauchen sozusagen eine Vertrauenskultur im Unternehmen, in der ganzen Gesellschaft, urn tatsiichlich zu Gemeinsamkeit zu kommen.

Human Quality Management raumt der praktischen Teamarbeit den hochsten Stellenwert bei der Wandlung der Unternehmen und ihrer Kultur ein. Neben allem Wissen urn das Handwerkszeug fur Teamentwicklung (Tools for Teams) ist und bleibt das konkrete Erleben von Teamarbeit die entscheidende Komponente.

Teamarbeit

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Projektarbeit

Teamarbeit libt sich am besten in Projekten. Diese Erfahrung haben viele gemacht, die in der einen oder anderen Weise in Projektteams mitgearbeitet haben.

Abbildung 12 zeigt die Struktur eines Projektmanagements. Len­kungsausschufS, Projektteams und die Supervisionsgruppe sind die Komponenten, die gleichberechtigt und ineinandergreifend arbei­ten. Daneben gibt es die "externe" Moderation, deren Aufgabe darin besteht, die Interaktionen zwischen den einzelnen Kompo­nenten in Gang zu setzen und zu halten. Diese Arbeit ist erfah­rungsgemafS am Anfang einer Projekterarbeitung aufwendig, be­sonders wenn die Beteiligten noch nicht in Projektteams gearbeitet haben, reduziert sich aber im Laufe der Zeit immer mehr.

,,Extern" meint in diesem Falle "aufSerhalb des Projektes stehend". Diese Bedingung erflillen nicht nur unternehmensfremde Perso­nen, sondern mitunter auch geeignete Mitarbeiter anderer, unbe-

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Projektteams

Abbildung 72: Struktur des Projektmanagements (Beispiel)

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teiligter Bereiche oder die Fiihrungspersonlichkeiten des Untemeh­mens. Bei letztgenannter Gruppe besteht allerdings die Gefahr des Regierens nach alter Manier. Oft wird dies auch lediglich von den Mitarbeitem unterstellt, aber selbst das hemmt die Initiative. Die effektivste Variante ist und bleibt der untemehmensfremde ,,Ma­nager auf Zeit", der Berater oder Coach.

Projektarbeit ist iiberall dort moglich und eigentlich erforderlich, wo Losungen benotigt werden, die iiber das vorhandene Niveau hinausgehen. Man kann dies heute nicht mehr den Spezialisten einer Fachabteilung, zum Beispiel der Entwicklung, iiberlassen. Selbst die Projektfiihrung durch Spezialisten oder spezielle Abtei­lungen ist fragwiirdig, weil dabei immer Spezialistentum und die Wahrung von Eigeninteressen im Vordergrund stehen.

1m Grunde sind aile Themen fur die Projektarbeit geeignet, die einen gewissen Umfang haben und gegeniiber dem 1st-Stand deutliche Verbesserungen erzielen sollen. Dazu gehort auch das weite Feld des Qualitatsmanagements. Besonders bei umfassender Betrachtung von Qualitat ist Projektarbeit in interdisziplinaren Teams unumganglich. Nur auf diese Weise erreichen wir die erforderliche Akzeptanz fur die Magnahmen der Qualitatssiche­rung und erreichen die Identifikation der Mitarbeiter mit den Aufgaben zur Sicherung von Produkt- und ProzegquaIitat. Bei der Entwicklung eines Qualitatssicherungssystems innerhalb eines Projekts sind die unmittelbar in die Fertigungs-, Entwicklungs- und Verwaltungsprozesse involvierten Mitarbciter selbst die Erarbeiter der Regeln, die sie spater zur Vorbeugung von Fehlem oder zur Oberpriifung der Ergebnisse ihrer Arbeit anwenden werden. Hier gelingt die vollkommene Integration des Qualitatswesens in das Gesamtsystem des Untemehmens.

Die Projektgruppen sind die Power-Teams, denen die Erarbeitung der Losungen obliegt. Sie sind immer interdisziplinar Zllsammen­zusetzen, wobei neben Mitarbeitem aus betroffenen Bereichen oder Fachdisziplinen auch Mitarbeiter einbezogen werden sollten, die der bearbeiteten Problematik eher etwas femer stehen; sie konnen wertvolle Impulse liefem.

Teamarbeit

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Nach unseren Erfahrungen sind GruppengroRen zwischen sechs und zwolf Mitarbeitern gut geeignet; klein ere Gruppen entwickeln oft zu wenig Eigendynamik, groRere werden schnell uniibersicht­lich. Die Leitung der Projektteams sollte nicht (!) in den Handen der zustandigen Vorgesetzten liegen. Dies fesselt die Mitarbeiter immer an altgewohnte Denk- und Verhaltensschienen und ist meist kontraproduktiv. Wenn mogIich, soli ten in der Anfangsphase iiberhaupt keine Vorgesetzten an den Projektsitzungen teilnehmen. Zwar fiihrt das mitunter zu Irritationen und MiRtrauen im Ma­nagement, aber man sollte sich prinzipiell nicht davon abbringen lassen, die Projektgruppen vorrangig als Bewahrungsfeld der Mit­arbeiter zu verstehen. Vorgesetzte haben in diesem Zusammen­hang Forderaufgaben, sollten die Mitarbeiter in ihren Bemiihungen unterstiitzen, stan dig fiir Riickfragen zur Verfiigung stehen, aber nicht in die Problemlosung eingreifen. Wenn schIieRlich die Reali­sierungsphase heranriickt, sind die Vorgesetzten aller tangierten Bereiche eingeladen, ihre Umsetzungspotenz in die Teams einzu­bringen.

Das Supervisionsteam vereint Mitarbeiter und Fiihrungskrafte, die das Projekt auf besondere Weise unterstiitzen konnen, sei es durch fachIiche Kompetenz, besondere Fiihrungsfahigkeiten oder infolge ihrer Personal- und Budgetverantwortung. Es ist kein Kontrollgre­mium; solche werden nicht gebraucht, weil Projektarbeit auf dem Vertrauen gemeinsamen Wollens fuRt und sich die Projektteam­Leiter bei Schwierigkeiten von sich aus melden. Das Supervision­steam gibt lediglich Untcrstutzung, wenn eine solche gewiinscht wird oder aus der Sicht des Gesamtprojekts angezeigt scheint. Das Supervisionsteam informiert bei Bedarf die Belegschaft oder die bffentlichkeit, kiimmert sich urn die Freistellung von Mitarbeitern und auch urn konkrete fachIiche Unterstiitzung, etwa durch Hinzuziehung externer Experten.

Es gehort auch zu den Aufgaben des Supervisionsteams, Instabi­Iitaten als Keime vor: Neuem zu inszenieren, zum Beispiel durch provozierende Problemstellungen, das Betrauen verschiedener

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Gruppen mit ungefahr gleichen Aufgabenstellungen und Verande­rungen in der personellen Zusammensetzung.

Der Lenkungsausschug stellt das eigentliche Fuhrungsgremium fur das Projekt dar. In ihm spiegelt sich idealerweise die Struktur des gesamten Unternehmens wieder, der Lenkungsausschug tragt sozusagen fraktalen Charakter. Er mug fur Informationstranspa­renz sorgen und offen sein fur interessierte Teilnehmer. 1m Len­kung sa us schug berichten die Projektgruppen uber ihre Ergebnisse und machen Vorschlage zur Uberwindung von Schwierigkeiten. Dabei ist zu beachten, dag Vorschlage erst dann Vorschlage sind, wenn sie mit allen Beteiligten abgestimmt wurden. Dies ist eine der gewahnungsbedurftigsten Grundregeln in der Teamarbeit uberhaupt.

1m Lenkungsausschug wird Konsens hinsichtlich der weiteren Projektbearbeitung hergestellt, was bei der Grage und Vielgestal­tigkeit dieses Gremiums mitunter relativ zeitaufwendig ist. Aber da wir Konsens dringend benatigen, mussen wir uns geduldig diesem Verfahren unterziehen.

Standige Verbesserungen

Aus Japan ist das Kaizen-Prinzip bekannt. Kaizen bedeutet, durch standige Aktivitat alles immer noch besser, maglichst perfekt zu machen. Von dieser Einstellung kann man im Unternehmen nicht genug haben.

Urn diese Kaizen-Dynamik in Gang zu setzen, verwendet Human Quality Management drei Instrumente:

... die Durchfuhrung regelmagiger und streng thematisierter Audits

... die Arbeit in Qualitatszirkeln ... das Betriebliche Vorschlagswesen

Teamarbeit

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Audits Bei der Ourchfiihrung von Audits geht es hauptsachlich darum, Sachverstand und zugleich Unbefangenheit in die kontinuierliche Verbesserung von Routineprozessen einzubeziehen. Auf der Grundlage eines entsprechenden Planes werden im Verlaufe eines Jahres alle wichtigen ProzeRschritte im Unternehmen, sei es in Fertigung, Entwicklung, Vertrieb, Service oder Verwaltung, einer systematischen und tiefgehenden Oberpriifung unterzogen. 1m Vordergrund stehen folgende Fragen:

.. Wird der ProzeR entsprechend den Vorgaben oder Vereinba­rungen durchgefiihrt?

.. Welche Probleme gibt es bei der ProzeRdurchfiihrung?

.. Welche Moglichkeiten der ProzeRverbesserung hinsichtlich Qualitat, Tempo, Zuverlassigkeit und Kosten existieren?

Oiese allgemeinen Fragen werden je nach Auditfall konkretisiert. Urn zu verhindern, daR sich die auditierten Bereiche bzw. die Verantwortlichen kontrolliert, ausgespaht oder gar bloRgestellt fiihlen, ist cine genaue Vorbereitung der Audits und ausreichende Information iiber ihren Zweck notig. Es muR deutlich werden, daR es nicht urn Fehlersuche bei einzelnen, sondern urn Verbesse­rungen zum Nutzen aller geht.

Mitwirkende in Auditteams sollten vor allem die Betroffenen selbst sein, die das Audit sozusagen als Moglichkeit einer Selbstkontrolle nutzen; dazu kommen sachkundige Kollegen anderer Bereiche. Niitzlich ist die Einbeziehung der sogenannten ,~nternen Kunden", das heiRt von Mitarbeitern der Bereiche im Unternehmen, die mit ihrer Arbeit auf den Leistungen des auditierten Bereichs aufbauen.

Auch die rechtzeitige Bekanntgabe der Auditfragen tragt vie! zum Erfolg bei. Ocr Haupteffekt liegt namlich meist im Zeitraum vor Auditdurchfiihrung, wie Abbildung 13 anschaulich zeigt. Bei kontinuierlicher Fortsetzung der Auditierungen iiber langere Zeit­raume verbessert sich die Gesamtsituation spiir- und meRbar.

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Leistungsniveau

Audit- Audit vorbereitung

Routine

Abbildung 13: Effekte von Audits

Audit­vorbereitung

Betriebliches Vorschlagswesen

Audit Zeit

Routine

Kommen wir nun zum Betrieblichen Vorschlagswesen als Instru­ment kontinuierlicher Verbesserung. Die Japaner haben mit ihrer Art der Anwendung dieses Systems wesentlich mehr Erfolg als deutsche Unternehmen. Nach Angaben der UNIC-Strategy & Marketing Consultants GmbH, Bonn, machen die Japaner sage und schreibe 230mal mehr Verbesserungsvorschlage pro Mitarbei­ter, realisieren tiber SOOmal mehr Vorschlage als deutsche Unter­nehmen bei einer Umsetzungsquote von 87 Prozent (Deutschland 39 Prozent) und erbringen eine 28mal hahere Nettoersparnis als deutsche Mitarbeiter. Dabei betragt die durchschnittliche Pramie pro Vorschlag in Japan nur einen winzigen Bruchteil der in Deutschland gezahlten Gelder. Die Grtinde fur den Erfolg der

Teamarbeit

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Japaner auf diesem Gebiet liegen zweifellos im mentalen Bereich, also im gemeinsamen BewuRtsein in den Untemehmen.

Das Betriebliche Vorschlagswesen gehort nicht in die Mottenkiste, es muR nur vemunftig gebraucht werden. Es solI die Mitarbeiter zur aktiven Mitgestaltung von Arbeitsablaufen, -techniken und -bedingungen inspirieren und eine Vielzahl konkreter Tagespro­bleme durch hauptsachlich kleine Verbesserungen losen. Wir orientieren uns falsch, wenn wir nur die groRen Wurfe zahlen. Bei Routinen kommt es auf die Kleinigkeiten an, die der Fachmann vor Ort bemerkt und dem Untemehmen leider oft vorenthalt. Er tut dies manchmal aus Tragheit, manchmal, weil schon viele seiner Vorschlage ohne Antworten blieben, und manchmal, urn sich Reserven gegenuber seinen Akkordvorgaben zu schaffen. Das Akkordsystem entpuppt sich auch hier als Relikt der Vergangen­heit, welches Gemeinsamkeit und erfolgreiche Entwicklung unter­bindet.

Der vielleicht wichtigste Aspekt im Betrieblichen Vorschlagswesen ist die Rolle der Vorgesetzten. Leider sind viele daran ganzlich uninteressiert, manche neiden ihren Mitarbeitem sogar die Erfolge. Dadurch kommt es zu der beschriebenen Zuruckhaltung vieler Mitarbeiter, haufig mit dem berechtigten Argument: "Hier kann man doch sagen, was man will, es kummert sich keiner drum." Mit ,,keiner" sind die Vorgesetzten gemeint.

Wir mussen die Manager auf geeignete Weise in das Betriebliche Vorschlagswesen cinbeziehen, ihr Interesse an den Vorschlagen und Erfolgen ihrer Mitarbeiter wecken. Die Fuhrenden sollen immer wieder klarmachen, daR Vorgesetzte nur dann erfolgreich arbeiten, wenn ihre Mitarbeiter Vorschlage zur standigen Verbes­serung aller Prozesse im Untemehmen einbringen. Der Manager muR stolz sein auf die Leistungen seiner Mannschaft.

Auch die Einbindung der Manager in das Erfolgsbeteiligungssy­stem ist zweckmaRig. Der Schwerpunkt muR dabei auf der Realisierungsforderung fur gute Vorschlage liegen. Aber unbedingt beachten: Es darf nicht dabei herauskommen, daR nur noch wegen

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der Pramien Aktivitat gezeigt wird, wei! das letztlich am eigentli­chen Ziel des Vorschlagswesens vorbeigeht.

Qualitatszirkel

Eine andere Form, standige Verbessenmgen durch Teamarbeit zu erzielen, sind die Qualitatszirkel. Sie werden vielfach lediglich als Veranstaltungen mit hauptsachlich informativem Charakter be­trachtet, obwohl sie leistungsstarke Problemlosungs-Teams sein konnten. In ihnen kommen die Mitarbeiter, die tagtaglich vor Ort ihrer Arbeit nachgehen, zusammen und diskutieren Probleme und Schwierigkeiten sowie deren Losungen. Diese Leute verfiigen iiber praktische Erfahrungen, urn praktische Losungen zustande zu bringen. Diese Sach- und Problemorientierung ist der entscheiden­de Punkt fiir das Gelingen und eine effektive Arbeit der Zirkel.

Allerdings muB das Management den Qualitatszirkeln klare und iiberschaubare Aufgaben vorgeben. Leider besteht hier oft ein Defizit. Manche Manager furchten die Qualitatszirkel als Unruhe­herde, vielleicht auch als unliebsame Konkurrenz. Dahinter stecken Denkbarrieren und Angste, die man nicht personifizieren darf, sondem als generelle Probleme unserer Art des Zusammen­respektive Gegeneinanderarbeitens betrachten muK Den Mana­gem sollte klargemacht werden, daB gute Arbeit in den Qualitats­zirkeln auch dem Mittelmanagement niitzt - wei! es allen niitzt und weil der Manager dadurch mehr seiner eigentlichen Rolle als Motor innerhalb der verschiedenen Prozesse nachkommen kann. Wenn er davon iiberzeugt ist, dann wird er fur Aufgabenstellungen und kontinuierliche Arbeit der Qualitatszirkel sorgen und wird auch die regelmaBige Ergebnis- und Erfolgsdarstellung "seiner" Zirkel ford em.

Teamarbeit

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Gemeinsamkeit in Kooperation

Gemeinsamkeit darf nicht an den Vnternehmensgrenzen enden. Die meisten Vnternehmen verlieren heute enorm viel Geld, weil die Prozesse sinnvoller Kooperation mit Lieferanten und Kunden nicht beherrscht werden. Es dominiert das groRes Hauen und Stechen, Lieferanten werden ausgepreRt, Qualitats- und Termin­forderungen sind oft unverhaltnismaRig und entsprechen nicht den wirklichen Erfordernissen, die Preise fur Zulieferungen werden erbarmungslos gedruckt. Das spielt sich besonders in monopo­lisierten Markten ab, der Automobilbereich und die groRen Han­delskonzerne sind bekannte Beispiele dafur. Dabei wird das eigene Unvermogen dieser Riesen, ihre internen Prozesse zu rationalisie­ren, ganz einfach auf die Zulieferkette abgewalzt.

Ein solches Verhalten ist kurzsichtig. Lieferanten, denen man nicht die Luft zum Atmen laRt, verlieren die Leistungsfahigkeit, die man als Kunde selbst zum eigenen Uberleben braucht. Vnd je kompli­zierter und anspruchsvoller die benotigten Produkte oder Dienst­leistungen werden, desto groRer werden auch die Abhangigkeiten der Partner, desto geringer wird die Austauschbarkeit von Liefe­ranten. Sie mussen also zusammenkommen, wenn sie uberleben wollen.

Diese Einsicht fuhrt dazu, daR langsam mehr und mehr echte Kooperation stattfindet. Besonders im Dienstleistungsbereich sind verschiedene interessante und fur beide Seiten niitzliche Koopera­tionsformen zu beobachten. Dies reicht von fest vereinbarten Allianzen bis zu Netzwerken, die auf mehr oder weniger losen Abreden basieren und aus ihrem Zweck und ihrem Nutzen fur die Beteiligten heraus funktionieren.

Zwischen Lieferanten und Kunden im Verarbeitungsbereich wer­den mehr und mehr gemeinsame Entwicklungsprojekte betrieben. Oft sind diese noch sehr oberflachlich und ausschlieRlich auf die konkrete Aufgabe gerichtet, aber auch hier entwickelt sich gemein­sames BewuRtsein. Es entsteht "Gemeinsamkeit in Kooperation".

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1m Bereich der Konsumentenmarkte gehen zahlreiche Verschmel­zungsbemuhungen von den Herstel1em aus. Dies geschieht in Form von User- und Fanclubs. Ein Beispiel sind die Barbie-Fan­clubs, die nicht nur die Kinder durch interessante Geschichten animieren und an die Barbiepuppe binden, sondem auch Informa­tionen uber die speziellen Interessen und Trends dieser Zielgruppe aufnehmen. Ahnliche Obedegungen fuhrten zu den Kundenzeit­schriften, wie Presse & Buch News oder dem Obi-Magazin.

Produzent und Kunde verschmelzen zu einer kreativen Einheit. Ausloser war die zunehmende Untauglichkeit klassischer Vermark­tungsinstrumente, wie beispielsweise die bekannten Formen der Werbung. Man suchte und sucht neue Wege, urn an die Kund­schaft heranzukommen, geht uber neutrale Medien, verpackt Werbung popularwissenschaftlich und organisiert oder sponsort fur die spezielle Kundschaft aile moglichen Veranstaltungen, von Rentnerausflugen bis zu intemationalen Kongressen. Das Ziel ist Gemeinsamkeit, mentale Bindung, der Zweck ein hoherer Ge­wmn.

Insgesamt sind die Wege, uber Gemeinsamkeit in Kooperationen zu mehr Erfolg zu kommen, bei weitem noch nicht ausgereizt. Hier stehen wir erst am Anfang und vor einem riesigen Potential. Die Voraussetzung fur seine ErschlieRung ist die Oberwindung des alten Freund/Feind-Denkens. Dazu ist zunachst in der Chefetage ein kraftiger Ruck notig und anschlieRend sehr viel Feinarbeit.

Teamarbeit

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Praxis

Ein Beispiel

ir haben Human Quality Management als Instrument der Wandlung des Unternehmens erprobt. Unter ande­

rem testeten wir sein Funktionieren und seine Wirkung in dem liberaus rigiden und fest strukturierten Bereich der Qualitatssiche­rung. Dabei sollten fur das Unternehmen sowohl die Forderungen der ISO-Norm erfullt als auch neue Formen der Zusammenarbeit entwickelt werden. Denn: Intensives Bemlihen urn Qualitat wird nur dann erreicht, wenn die Mitarbeiter den Sinn der Anstrengun­gen unmittelbar mit ihrem Streben nach eigener Existenzsicherung auf der Grundlage von Gemeinsamkeit in Verbindung bringen, wenn sie sich auf der Basis von Vertrauen aktiv in die Gestaltung und Verwirklichung effektiver Systeme einbringen.

Der Aufbau des Qualitatsmanagementsystems erfolgte im Rah­men eines unternehmenslibergreifenden Projekts. Auf diese Weise gelang die Einbeziehung aller Mitarbeiter sowie die Gestaltung des Systems durch die Betroffenen selbst und die Freisetzung von Initiativen und Leistungspotentialen liber das MaB der taglichen Normalitat hinaus.

Abbildung 14 zeigt den Ablauf dieses Projekts in insgesamt sechs Phasen. Die einzelnen Phasen wurden zeitlich ineinandergreifend durchlaufen. Parallel zu dieser Projektbearbeitung, die sich liber einen Zeitraum von etwa zwei Jahren erstreckte, waren zahlreiche Aktivitaten im Bereich der Teambildung in Form von speziellen Trainings und zahlreichen Gruppen- und Einzelsupervisionen er­forderlich.

Praxis

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Stfindige Verbesserung von Produktion, Service, Prozessen

durch Oualitfitszirkel

Systemaudit, Erstellung OS-Handbuch,

externe Zertifizierung nach ISO 9000 ff.

Bearbeitung von Problemlosungen wie

- Senkung von Fehlleistungen - Verbesserung von Produkt-

und Servicequalitfit - Temposteigerung bei Entwicklung

und Verwaltung - Oualitfits-Symbolik

- Kostensenkungsprogramme - Oualitfits-Monitoring

- Entburokratisierung - informelle Oualitfits-Administration

Aufbau des Teams: Aufbau des Information

Motivation Oualitfits­

sicherungs-Ins trumen tariums

Erarbeitung einer unternehmensspezifischen Umsetzungsstrategie

Erarbeitung der Qualitfits-Strategie

AbbiJdung 14: ProjektabJauf" Oualitatsmanagement"

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Fuhrungsgruppe Qualitiit Leitung: Vorstandsvorsitzender • ErlaB von Grundsatzen • Forderung der Durchsetzung der

OM- Leitlinien • Fiihrung des Oualitatsmanagements

Qualitiitszirkel • Produktqualitat • Organisation • Service

Qualitiitsstellen in den Werken

Priifplane und Arbeitsanweisungen Koordinierung der Selbstpriifung in der Produktion Eingangskontrolle Priifmittel

Qualitiitsmanagement Lenkung Oualitatsplanung OM-Handbuch OM-Verfahrensanweisungen O-Audits O-Monitoring Anleitung Oualitatsstellen Koordinierung Oualitatszirkel Koordinierung Oualitats­verbesserung

Selbstprufung in der Produktion • ProzeBpriifungen • Produkt- Zwischen­

priifungen • Produkt-Endpriifungen • Oualitatsecke

Abbildung 15: Informe/le Strukturen des Qualitatsmanagements

Praxis

Page 137: Human Quality Management: Mit F¼hrungsqualit¤t die Zukunft meistern

1m Ergebnis der Arbeit entstand ein Qualitatssicherungssystem gemaR Abbildung 15. Die ,,Fiihrungsgruppe Qualitat" entspricht in ihrer Arbeitsweise und Wirkung dem LenkungsausschuK Zu den Aufgaben des Qualitatsmanagements gehort neben der fach­lichen Betreuung die Rolle des Supervisionsteams. Wichtig ist, daR das Qualitatsmanagement, im Unterschied zu klassischen Model­len, hier im wesentlichen inform ellen Charakter tragt. Weder das zentrale Qualitatsmanagement noch die Qualitatsstellen in den Werken haben das Recht, in irgendwelche Prozesse des Unterneh­mens einzugreifen. Derartiges wiirde nur die Verantwortlichkeit fiir Qualitat verwischen und diese liegt bei den Erzeugern von Qualitat in Entwicklung, Verwaltung und Produktion und realisiert sich tiber die in Gruppenarbeit entwickelten Richtlinien der Selbst­priifung. Damit haben wir ein System der Selbstorganisation erreicht, in dem alle Beteiligten mehr Selbststandigkeit, Verant­wortlichkeit und Leistung entwickeln konnten. Der Sinn der eigenen Arbeit wurde deutlicher, es gab mehr personliche Erfolgs­erlebnisse und SpaR an der Arbeit.

Das professionelle Qualitatsmanagement entwickelte neue Orien­tierungen fur seine Arbeit:

.. Initiativen wecken.

.. ProzeRbezogenes Arbeiten.

.. Das Zusammenspiel aller Ebenen, Bereiche und Mitarbeiter organisieren und koordinieren.

.. Qualitatsinformationen managen .

.. Methodische Impulse setzen.

Die eigentlichen fachlichen Aufgaben des Qualitatsmanagers sind in Abbildung 16 aufgelistet. Dies gilt fiir das konkrete Beispielpro­jekt und muR fiir andere Unternehmen modifiziert werden.

Bei der Bearbeitung dieses Projekts wurde uns klar, daR modernes Qualitatsmanagement Teil eines umfassenderen Systems sein mulS: Human Quality Management. Dieses arbeitet und wirkt auf einer

Human Quality Management

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- Oualitiitsplanung

- Anleitung und Koordinierung der Oualitiits-Zirkel

- Organisierung qualitiitsrelevanter Personalentwicklung

- Oualitiits-Monitoring

- Betreuung OS-Dokumentation

- Erste/lung und Aktualisierung Oualitiits-Handbuch /-- Organisation und Abwicklung der Oualitiitsaudits

- Erarbeitung von Entscheidungsvorschliigen fUr die Fuhrungsgrup~pe;;....;:O:..:u:.::.a;,;.;lit:.::.ii::....t ___ ---I

- Organisation und methodische Anleitung bei statistischer Versuchs lanungl-__ ---I

- Organisation und Anleitung der Arbeit an • Pruf- und Kontro/lpliinen • FMEA • SPC

Abbildung 16: Die spezifischen Aufgaben des Oualitatsmanagements

Praxis

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den Tagesfragen ubergeordneten Ebene, auf der es die Vorausset­zungen fur das Funktionieren der traditionellen, sachbezogenen Managementtechniken schafft. Human Quality Management ist Voraussetzung fur das erfolgreiche und dauerhafte Wirken von Fixkostensenkung, Lieferantenmanagement, Schnittstellenopti­mlerungen usw.

Der Weg des Handelns

Was kann der einzelne tun, urn den Wandel im BewufStsein, im Verhalten, im Handeln, in unseren Unternehmen voranzubringen mit dem Ziel, den Wandel von der Industrie- zur Informationsge­sellschaft zu meistern? Die Antwort ist so simpel wie schwierig:

I Beginne bei dir selbst!

Jeder sollte zunachst seine Sensibi!itiit fur das Grundproblem entwickeln und sich selbst beobachten. Selbstbeobachtung ist wichtig, wei! sie dem neuen Prinzip der Gemeinsamkeit eher entspricht als die Be- und Verurteilung anderer.

Naturlich konnen wir auch in unserem Umfeld einiges tun. Wir konnen beginnen, die Prinzipien des Human Quality Manage­ments anzuwenden, auch wenn in dieser Hinsicht der Boden noch nicht uberall vorbereitet ist, getreu dem Motto, dafS irgend jemand anfangen muK Beginnen Sie einfach bei sich selbst, und suchen Sie sich dann Verbundete. Fur den Gesamterfolg ist es selbstver­standlich wichtig, dafS die Unternehmensleitung vorangeht. Ganze Unternehmen lassen sich nur erfolgreich transformieren, wenn die Fuhrungspersonlichkeit uber den notigen Veranderungswillen und Kraft fur den Wandel verfugt.

Aber auch wenn das nicht der Fall ist, kann man, jeder in seinem unmittelbaren EinfiufSbereich, den Umgang mit anderen veran-

Human Quality Management

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dern, Gemeinsamkeit entwickeln, Teamarbeit in Gang setzen. Der Erfolg wird sich dann zwar zunachst nur in kleinem Rahmen einsteUen, aber diese Art der Zusammenarbeit wird Schule ma­chen.

Dabei soUten wir uns an folgenden Grundsatzen orientieren:

.. Beseitigen wir die Angst als verhaltensbestimmenden Faktor durch die Entwicklung von Vertrauen.

.. Verandern wir die Bedingungen, unter denen Arbeit stattfindet, urn die Leistungspotentiale der Mitarbeiter wachzurufen und zu fordern.

.. Bemiihen wir uns auf intelligente Weise urn die Destabilisie­rung eingefahrener Strukturen, Ablaufe, Denk- und Verhal­tensweisen.

.. Bringen wir die Entscheidungskompetenz dorthin, wo die Sachkompetenz liegt, delegieren wir Verantwortung.

.. Verwirklichen wir das Prinzip der ProzeBverantwortung, nach dem jeder selbstandig die Kooperationen aufbaut, die er zur ErfiiUung seiner Aufgabe benotigt.

.. Seien wir konsequent gegeniiber jedem, zuerst gegeniiber uns selbst, aber bewahren wir unbedingt die Distanz zur Harte.

.. Pflegen wir Natiirlichkeit.

Jeder von uns kann sofort damit beginnen, auf diesen Grundlagen zu handeln und damit Nutzen zu stiften. Human Quality Ma­nagement bietet den Hintergrund und die Handlungsinstrumente zur Herausbildung eines gemeinsamen BewuBtseins, zur Teament­wicklung und zur Arbeit mit und in Teams. Es bringt uns nicht entscheidend weiter, mit den Fingern auf andere zu zeigen oder am Zustand der Welt zu verzweifeln. Handeln wir lieber und beweisen so, daB die Verantwortungstrager in der Wirtschaft diejenigen sind, die den Wandel meistern konnen.

Praxis

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Literaturempfehlungen

BERNE, ERIC: Spiele der Erwachsenen. Rowohlt, Hamburg 1970. DAVIDOW, WILLIAM H.; MALONI; MICHAEL S.: Das virtuelle Unter­

nehmen. Campus, Frankfurt/Main 1993. DRUCKER, PETER F.: Die Zukunft managen. Econ, Dusseldorf

1992. EDERER, GUNTER: Das leise Lacheln des Siegers. Econ, Dusseldorf

1992. EKELAND, IVAR: Zufall, Gluck und Chaos. Carl Hanser, Munchen

1992. GAMBER, PAUL: Konflikte und Aggressionen im Betrieb. mvg,

Munchen 1992. GARDNER, HOWARD: Der ungeschulte Kopf. Klett-Cotta, Stuttgart

1993. GERKEN, GERD: Manager.. . die HeIden des Chaos. Econ, Dus­

seldorf 1992. GORE, AL: Wege zum Gleichgewicht. S. Fischer, Frankfurt/Main

1992. HAIST, FRITZ; FROMM, HANSJORG: Qualitat im Unternehmen. Carl

Hanser, Munchen 1991. IMAI, MASAAKI: Kaizen. Langen Muller/Herbig, Munchen 1992. KATZENBACH, JON R.; SMITH, DOUGLAS K.: Teams, der Schlussel

zur Hochleistungsorganisation. Ueberreuter, Wien 1993. KETS DE VRIES, MANFRED F. R.: Chef-Typen. Gabler, Wiesbaden

1990. KIRSCHNER, JOSEF: Manipulieren - aber richtig. Knaur, Munchen

1976. KLICKHAN, DANIELA und CLAUS: Denken, Fuhlen, Leben. mvg,

Munchen 1992. LAY, RUPERT: Kommunikation fur Manager. Econ Taschenbuch,

Dusseldorf 1991. MATURANA, HUMBERTO R.; VERDEN-ZOLLER, GERDA: Liebe und

Spiel. Carl-Auer-Verlag, Heidelberg 1993.

Literaturempfehlungen

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MEININGER, JUT: Transaktionsanalyse. moderne industrie, Lands­berg 1990.

MOLCHO, SAMY: Korpersprache. Mosaik, Miinchen 1983. OESS, ATTILA: Total Quality Management. Gabler, Wiesbaden

1991. ORNSTEIN, ROBERT: Multimind, ein neues Modell des menschli­

chen Geistes. Junfermann-Verlag, Paderborn 1992. PETERS, TOM: Jenseits der Hierarchien. Econ, Diisseldorf 1993. PIRSIG, ROBERT M.: Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten.

Fischer, Frankfurt/Main 1976. POPCORN, FAITH: Der Popcorn Report. Heyne, Miinchen 1992. SPRENGER, REINHARD K.: Mythos Motivation. Campus, Frank­

furt/Main 1991. TOFFLER, ALVIN: Machtbeben. Econ, Diisseldorf 1990. TURNHEIM, GEORG: Chaos und Management. Gabler, Wiesbaden

1993. WALSH, ROGER N.; VAUGHAN, FRANCES: Psychologie in der Wende.

Scherz, Bern 1987. WATERMAN, ROBERT H.: Leistung durch Innovation. Hoffmann

und Campe, Hamburg 1988. WILBER, KEN: Das Spektrum des BewufStseins. Scherz, Bern 1987. WOMACK, JAMES P.; JONES, T. DANIEL; Roos, DANIEL: Die zweite

Revolution in der Autoindustrie. Campus, Frankfurt/ Main 1992.

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Der Autor

Dr. Stefan Fourier. Jahrgang 1949, ist seit 1989 selbstandiger Berater und Coach. Er hat wahrend dieser T<itigkeit das Konzept der Human Quality Management entwickelt. Gegenwartig ist er mit seinem Team in zahlreichen Sanierungs- und Restrukturie­rungsprojekten engagiert. Die Methodik der BewufStseinsentwick­lung in komplexen Systemen untersucht er in eigenen Forschungs­arbeiten.

Vor dem Beginn seiner Selbstandigkeit war er viele Jahre in der Forschung (Kunststofftechnik) und in der Industrie als Betriebslei­ter, Direktor des Qualitatsmanagements und Geschaftsfiihrer tatig. Stefan Fourier ist Diplom-Physiker und promovierte in Verfahrens­chemie (Dr. rer. nat.).

Dr. Stefan Fourier Unternehmensberatung GmbH Stettiner Str. 1 29356 Brockel Tel. 051 44/ 566 57 Fax 051 44 / 564 59

Der Autor

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Weitere Management-Literatur

Robert Becker Besser miteinander umgehen Die Kunst des interaktiven Managements 284 Seiten, 78,- DM

Heinz Benolken / Peter Greipel Dienstleistungsmanagement Service als strategische Erfolgsposition 248 Seiten, 78,- DM

GOnter Botschen / Karl Stoss Strategische GeschCiftseinheiten Marktorientierung im Unternehmen organisieren 172 Seiten, 78,- DM

Peter Heintel / Ewald E. Krainz Projektmanagement Eine Antwort auf die Hierarchiekrise? X, 254 Seiten, 78,- DM

Hirzel Leder & Partner I Hrsg.l Synergiemanagement Komplexitat beherrschen, Verbundvorteile erzielen 272 Seiten, 89,- DM

Dennis C. Kinlaw Spitzenteams Spitzenleistungen durch effizientes Teamwork 220 Seiten, 68,- DM

Baldur Kirchner Dialektik und Ethik Besser fOhren mit FairneB und Vertrauen 232 Seiten, 58,- DM

Arthur D. Litte IHrsg.1 Management erfolgreicher Produkte 184 Seiten, 78,- DM

Attila Oess Total Quality Management Die ganzheitliche Qualitatsstrategie 348 Seiten, 84,- DM

Thomas Sattel berger IHrsg.1 Die lernende Organisation Konzepte fOr eine neue Qualitat der Unternehmensentwicklung 274 Seiten, 89,- DM

Dana Schuppert IHrsg.1 Kompetenz zur Fiihrung Was FOhrungspersonlichkeiten auszeichnet 248 Seiten, 68,- DM

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