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(Aus dem Neurologischen Institut der Universit~t Wien.) Hypophysenzwischenhirnsystem und Kohlehydrat- stoffwechsel. Von O. Gagel. Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 8. Mai 1941.) In einem Referat auf dem III. internationalen NeurologenkongreB 1939 konnten wir (Foerster und Gagel 1) aufzeigen, dab bei Erkrankungen der Hypophyse einerseits und des Hypothalamus andererseits ein weit- gehender Parallelismus sowohl hinsichtlich einzelner Symptome wie mannigfacher Symptomenkonstellationen besteht. StSrungen des Kohle- hydratstoffwechsels scheinen aber auf Grund der vorliegenden klinischen Beobachtungen eher durch Erkrankungen der Hypophyse hervorgerufen zu sein. So konnten wir die Angabe yon Cushing, der bei Akromegalie in 50% seiner F/~lle Diabetes mellitus land, vollauf best/~tigen. Bei unseren Kranken mit Akromegalie war sogar in fiber 50% ein mani- fester, meist insulinresistenter Diabetes mellitus nachweisbar. Im Gegen- satz zu der Hyperglykiimie beim eosinophilen Adenom der Hypophyse stehen die Hypoglyk/imie und Steigerung der Insulinempfindlichkeit nach Hypophysektomie. Schon im Jahre 1913 berichtete Cushing nach mehrj/~hrigen Experimenten an Hunden, dab die klassische, yon Mering und Minkowski festgestellte Pankreasglykosurie nicht auftritt, wenn aueh gleichzeitig die ttypophyse exstirpiert wird (zit nach Mahoney 3). Im Jahre 1930 zeigten dann Houssay und Biasotti a, dab KrSten nach gleichzeitiger Exstirpation yon Pankreas und I-Iypophyse keinen Diabetes mellitus bekommen. Des weiteren gaben sie an, dab bei ttunden nach gleichzeitiger Entfernung von Pankreas und ttypophyse der Diabetes mellitus viel milder verl/iuft und manchmal ausbleibt. So konnten 2 Tiere 4 Monate lang nach Exstirpation der beiden Driisen beobachtet werden. Zuweilen kam es bei den so operierten Tieren sogar zu hypo- glyk/~mischen Zust~nden. Diese Beobachtungen fanden in der Folgezeit vielfache Best/~tigung, so unter anderem auch durch W. Mahoney 4 sowohl an Hunden wie an einer Reihe von Allen, darunter auch Schim- pansen. Er exstirpierte bei seinen Tieren sowohl zuerst das Pankreas und dann die Hypophyse wie umgekehrt zuerst die Hypophyse und dann das Pankreas. Im 1. Falle mul~te er in dem Intervall zwischen der 1. und 2. Operation Insulin, im 2. Falle intravenSs Traubenzucker geben. Weitere tierexperimentelle Beobachtungen yon Houssay und Biasotti, n/~mlich, daI~ durch t/~gliche Zufuhr grSBerer Mengen des Rohextraktes

Hypophysenzwischenhirnsystem und Kohlehydratstoffwechsel

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Page 1: Hypophysenzwischenhirnsystem und Kohlehydratstoffwechsel

(Aus dem Neurologischen Institut der Universit~t Wien.)

Hypophysenzwischenhirnsystem und Kohlehydrat- stoffwechsel.

Von O. Gagel .

Mit 2 Textabbildungen.

(Eingegangen am 8. Mai 1941.)

In einem Referat auf dem III. internationalen NeurologenkongreB 1939 konnten wir (Foerster und Gagel 1) aufzeigen, dab bei Erkrankungen der Hypophyse einerseits und des Hypothalamus andererseits ein weit- gehender Parallelismus sowohl hinsichtlich einzelner Symptome wie mannigfacher Symptomenkonstellationen besteht. StSrungen des Kohle- hydratstoffwechsels scheinen aber auf Grund der vorliegenden klinischen Beobachtungen eher durch Erkrankungen der Hypophyse hervorgerufen zu sein. So konnten wir die Angabe yon Cushing, der bei Akromegalie in 50% seiner F/~lle Diabetes mellitus land, vollauf best/~tigen. Bei unseren Kranken mit Akromegalie war sogar in fiber 50% ein mani- fester, meist insulinresistenter Diabetes mellitus nachweisbar. Im Gegen- satz zu der Hyperglykiimie beim eosinophilen Adenom der Hypophyse stehen die Hypoglyk/imie und Steigerung der Insulinempfindlichkeit nach Hypophysektomie. Schon im Jahre 1913 berichtete Cushing nach mehrj/~hrigen Experimenten an Hunden, dab die klassische, yon Mering und Minkowski festgestellte Pankreasglykosurie nicht auftritt, wenn aueh gleichzeitig die ttypophyse exstirpiert wird (zit nach Mahoney 3). Im Jahre 1930 zeigten dann Houssay und Biasotti a, dab KrSten nach gleichzeitiger Exstirpation yon Pankreas und I-Iypophyse keinen Diabetes mellitus bekommen. Des weiteren gaben sie an, dab bei ttunden nach gleichzeitiger Entfernung von Pankreas und ttypophyse der Diabetes mellitus viel milder verl/iuft und manchmal ausbleibt. So konnten 2 Tiere 4 Monate lang nach Exstirpation der beiden Driisen beobachtet werden. Zuweilen kam es bei den so operierten Tieren sogar zu hypo- glyk/~mischen Zust~nden. Diese Beobachtungen fanden in der Folgezeit vielfache Best/~tigung, so unter anderem auch durch W. Mahoney 4 sowohl an Hunden wie an einer Reihe von Allen, darunter auch Schim- pansen. Er exstirpierte bei seinen Tieren sowohl zuerst das Pankreas und dann die Hypophyse wie umgekehrt zuerst die Hypophyse und dann das Pankreas. Im 1. Falle mul~te er in dem Intervall zwischen der 1. und 2. Operation Insulin, im 2. Falle intravenSs Traubenzucker geben. Weitere tierexperimentelle Beobachtungen yon Houssay und Biasotti, n/~mlich, daI~ durch t/~gliche Zufuhr grSBerer Mengen des Rohextraktes

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yon HVL. bei Hunden ein Diabetes mellitus erzeugt werden kann, rfickten die Hypophyse gegenfiber dem I-Iypothalamus noch mehr in den Vordergrund. E.V . Evans 5 konnte au$erdem feststellen, dal~ dieser Diabetes nach Aussetzen der Injektionen noch lange Zeit fort- bestehen kann und Young e hat bei einer grSBeren Anzahl von ttunden sogar einen solchen Dauerdiabetes erzeugt. Er hat an dem Inselorgan dieser Tiere zusammen mit Richardson schwere degenerative Yer/~nde- rungen nachgewiesen. Wenn auch, wie dies Falta hervorhebt, der Wert dieser Experimente durch die Tatsache, dab nicht bei s/imtlichen Tieren durch HVL.-Extrakte Diabetes mellitus erzeugt werden konnte, etwas gemindert wird, so weisen diese Befunde doch auf die Bedeutung der Hypophyse ffir den Kohlehydratstoffwechsel hin.

Wi~hrend die BeeinfluBbarkeit des Kohlehydratstoffwechsels durch die Hypophyse als eine Tatsache zu betrachten ist, herrscht fiber StS- rungen des Kohlehydratstoffwechsels diencephaler Genese noch wenig Sicherheit. Erw/~hnenswert ist aber immerhin der yon Dorothy Russel mitgeteilte Fall einer Kolloidcyste des 3. Ventrikels mit schwerer Glykos- urie und Coma diabeticum. Die Kranke stammte zwar aus einer Diabe- tikerfamilie, erkrankte aber erst im Zusammenhang mit der einsetzenden Zwischenhirnsch/~digung an Diabetes mellitus. Wir selbst (Foerster und Gagel) konnten an einem relativ grol~en Krankengut von Zwischenhirn- tumoren Glykosurie oder eindeutiges Abweichen des Blutzuckerspiegels so gut wie nie nachweisen. Als Beispiel ffir das Fehlen von Hyperglyk/~mie und Glykosurie bzw. Hypoglyk/s ftihre ich nur ein erst kfirzhch beobachtetes ausgedehntes suprasellares Kraniopharyngeom an, das, wie Abb. 1 zeigt, den Hypothalamus vollkommen zerstSrt und infolge Verschlusses des Aqu/iduktes zu einem starken Hydrocephalus internus geffihrt hatte. Die histologische Untersuchung ergab, dal~ die Kern- gebiete des ttypothalamus (Nn. supraoptici, paraventriculares, mamillo- infundibulares, Tuberkerne usw.) von Tumormassen eingenommen oder doch schwer gesch/idigt waren. Der 25j/~hrige Kranke hatte von seiten des I-Iypothalamus eine deutliche Polydipsie und Polyurie (spez. Gewicht 1002), eine Herabsetzung des Grundumsatzes yon 24 %, eine vollkommene Anhidrosis beim SchweiBversuch, Fehlen der Achsel- und Bartbehaarung, sehr kleine Testes, aber keine Fettsucht. Der Blutzuckerspiegel ist mit 100 rag- % normal und eine Glykosurie konnte w/ihrend der Beobachtungs- zeit nicht nachgewiesen werden. Auf eine Zuckerbelastung muBte leider verzichtet werden. Diese Beobachtung zeigt wieder so recht eindringlich, wie selbst eine ausgedehnte ZerstSrung des Hypothalamus weder eine Glykosurie noch ein Abweichen des Blutzuckerspiegels zur Folge hat.

Die Angabe yon Morgan, Vonderahe und Malone 7, die bei 15 Kranken mit Diabetes mellitus Schwund und Ver/~nderung der Zellen der Hypo- thalamuskerne festgestellt haben, konnte ich bisher nicht besti~tigen. Meine Untersuchungen beziehen sich aber erst auf 5 F/ille und sollen

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noch fortgesetzt werden, doch fanden sich bei diesen F~llen nie Ver- /~nderungen wie sie Bodechtel und Gagel s bei sicheren ttypothalamus- ver/inderungen beschrieben haben. Aul~erdem sind die yon Morgan, Vonderahe und Malone beigegebenen Abbildungen, welche die Ver- /~nderungen der Kerngebiete vor Augen fiihren sollen, sehr wenig iiber- zeugend. Voriibergehende, Stunden, vielleicht auch 1--2 Tage dauernde

Abb . 1. F r o n t a l s c h n i t t du rch das Gchirn h i n t e r d e m C h i a s m a op t i cum zeigt t i n supra- sellares t ~ r a n i o p h a r y n g e o m , wclches den } I y p o t h a l a m u s v o l l k o m m e n ze r s tb r t h a t ulld in den d r i t t en Vent r ike l e ingcd rungcn ist . In fo lge Ver ]egung des Aqu~iduktes du tch T u m o r -

lllassoIl i s t es zu e inem a u s g c d e h n t e n H y d r o c e p h a l u s in t e rnus oeclusus g e k o m m e n .

Glykosurie beobachtet man aber bei Blutungen in das Gebiet des Hypo- thalamus (Vonderahe 2) und bei Arachnitis an der Zwischenhirnbasis nicht so selten. Bei Blutungen in den 3. Ventrikel 1/~Bt sich h~ufiger wenigstens eine Hyperglyk/imie nachweisen.

Mit diesen klinischen Beobachtungen stimmen die l~esultate der tierexperimentellen Untersuchungen von Bailey und Bremer 1~ voll- kommen iiberein, die als erste 1921 durch L/ision des Hypothalamus bei intakter Hypophyse bei 6 Tieren eine voriibergehende Glykosurie erzeugen konnten. Ihre Angaben wurden sp/~ter wiederholt best/~tigt, so unter anderem yon Himwich und Keller ::, die nur bei l~eizung des Hypothalamus durch InduktionsstrSme Hyperglyk/~mie erzielten, w/ih- rend bei gleicher Reizung des Kleinhirns, der Oblongata und anderer Hirngegenden die BlutzuckererhShung ausblieb. Im gleichen Sinne sprechen die Beobaehtungen yon H6gler und Zel1:2, die feststellen konnten, da$ das Auftreten der beim Kaninchen durch Pyramidon hervorgerufenen

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Hyperglyk/~mie durch Hirnstammnarkotica wie Veronal und Luminal verhindert werden kann, nicht aber durch Chloralhydrat. W/~hrend s~mtliche Autoren bei L/i, sionen des Hypothalamus nur eine vorfiber- gehende Glykosurie oder Hyperglyk/imie feststellten, fanden Camus, Gournay und Le Grand la nach Verletzung des Tuber cinereum beim Kaninehen eine Glykosurie yon 1/ingerer Dauer bis zu einigen Monaten. Gegen diese Befunde machte schon Bailey geltend, dab schwere inter- stitielle L/isionen bei diesen Kaninchen erzeugt worden w/iren und diese ffir die Glykosurie verantwortlich gemacht werden k5nnten. AuBerdem ist nach Bailey fiir tierexperimentelle Untersuchungen des Kohlehydrat- stoffwechsels das Kaninchen ungeeignet. Eine Hypoglyk/~mie, /~hnlich wie nach Hypophysektomie, beobachteten D'Amour und Keller 14 bei 5 yon 13 Hunden nach doppelseitiger Querschnittsl/~sion des Hypo- thalamus in HShe des Chiasma opticum. Die Tiere starben 1--2 Tage nach der Operation.

Die soeben angeftihrten klinischen Beobachtungen sowie die tier- experimentellen Untersuchungen legten naturgem/~B den SchluB nahe, dab der Kohlehydratstoffwechsel im Gegensatz zum Wasserhaushalt in erster Linie yon der Hypophyse und nicht vom Hypothalamus beein- fluBt wird. Eine Bedeutung fiir die StSrung des Kohlehydrathaushaltes kommt jedoch auch dem ttypothalamus zu, woffir die zahlreichen An- gaben fiber Auftreten yon Glykosurie und Hyperglyk/s naeh Ver- letzung des ttypothalamus sprechen. Diese Auffassung, die ich auch lange Zeit vertreten habe, ist jedoch nicht richtig, wie mir dies die Be- obachtung einer Granulationsgeschwulst im Gebiet des Hypothalamus zeigte. Da die Krankengeschichte sowie der pathologisch-anatomische Befund in der gleichen Zeitschrift* genau angefiihrt sind, kann ich mich in dieser Hinsicht kurz fassen. Eine 39j/i, hrige Frau, bei welcher die Autopsie eine weitgehende ZerstSrung des Hypothalamus ergab, befiel 4 Jahre vor dem Klinikeintritt ohne jede /~uBere Ursache plStzlich ein starkes Durstgeffihl, sie trank groBe Flfissigkeitsmengen, wobei die Urinmengen stark anstiegen, w/~hrend deren spezifisches Gewicht absank. Fast zur gleichen Zeit sistierten die Menses. Als weitere hypothalamische Symptome kamen noch Fettsucht, vielleicht auch zentrale Hyper- thermie hinzu. W/ihrend der klinischen Beobachtung lieBen sich nie eine Glykosurie oder tIyperglyk/imie nachweisen. Der Blutzucker war eher etwas niedrig (87 mg-%). Auf die Implantation zweier Kalbs- hypophysen saint Kalbszwischenhirn sank die Harnmenge schlagartig ab, w/~hrend das spezifische Gewicht des Urins in die ttShe schneUte. Schon 5 Tage nach der Implantation setzten die Menses nach 4ji~hriger Pause wieder ein. Bemerkenswert war vor allem das Abfallen des Blut- zuckers auf 43 rag-% (2real bestimmt), denn man h/~tte doch eher eine Hyperglyk/~mie erwarten sollen. Zun/ichst konntc ich mir diese ,,paradoxe"

* Z. Neur. 172, 5 (1941).

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Reaktion nicht recht erkl/iren, wenn auch die Erkl/irung hierffir retrospek- tiv betrachtet nicht schwierig war. Vor allem mug man sich vor Augen halten, dal~ sich die Pat. von einem Menschen mit normaler Reaktion dutch die ZerstSrung des Hypothalamus unterscheidet. Nimmt man im Hypothalamus ein Zentrum Z (s. Abb. 2) an, dem die Aufgabe zukommt, Zucker zu mobilisieren, so erkliiren sich damit ungezwungen die klini- schen und tierexperimentellen Befunde, dab man nach elektrischem

A1)[}. 2. Schclllatisch(~ Dars tc l lu I lg des hypothltl~llllis(!ht~n Zi ickcrzcI l t r l l lns un(l s(~iIlcr Wi i ' kungswe i sc .

Reiz oder frischer u des Hypothalamus, die wie ein Reiz wirkt, cine Glykosurie bzw. Hyperglyk/~mie erh/i, lt. Diese Glykosurie und Hyperglyk/~mic treten als Reizsymptome naturgem/iB nur vorfiber- gehend in Erscheinung. Auf dieses Zuckerzentrum Z wirkt ein Inkret der Hypophyse und fiihrt zur Dauerreizung seiner Zellen. Die Folge davon ist, daB die l~berproduktion dieses Wirkstoffes zur Hyperglyk/imie und Glykosuric fiihren mu0. Ist aber das Zentrum Z zcrstSrt, so muB das Inkret unwirksam bleiben, weft seine Wirkung auf den Kohlehydrat- stoffwechsel nur fiber dieses Zentrum ausgeiibt werden kann. In dem von mir beobachteten Falle konnten keine Hyperglyk~mie und Glykosurie auf die Hypophysen- und Zwischenhirnimplantation erfolgen, da das Hypothalamuszentrum zerstSrt war. Warum kam es aber nicht nur zu einem Ausfall der Hyperglyk~mie, sondern einer Hypoglyk/~mie ? Dies l~Bt sich damit erkl/~ren, dab das pankreatrope Hormon auf das

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Pankreas einwirkt; in gleicher Weise sind ja auch die Menses wieder- gekehrt und verschwanden Polydipsie und Polyurie. Es erhebt sich nun die weitere Frage, warum bestand nicht schon vor der Implantation eine Hypoglyk~mie, denn die Hypophyse erwies sich nicht als gesch~digt und h~tte pankreotropes Hormon liefern miissen. Dieses Aufbleiben der Produktion yon pankreotropem Hormon l~l]t sich am ungezwungensten damit erkl~ren, daB das Hypothalamuszentrum Z umgekehrt auch auf die Hypophyse einwirkt und deren Hormonproduktion anregt (s. Abb. 2). Diese Beeinflussung der Hypophyse diirfte yon dem Hypothalamus- zentrum Z aus fiber Nervenbahnen erfolgen, die durch die Mittelhirn- haube, Substantia retieularis yon Brficke und verl~ngerten Mark, durch den dorsalen Absehnitt des Vorderseitenstranges ihren Weg zu den Seitenhornzellen des obersten Brustmarkes nehmen (s. Abb. 2). Dort wfirde ein neues Neuron beginnen, das durch die vorderen Wurzeln der obersten Brustsegmente zum Halsgrenzstrang und in diesem bis zum Ganglion cervicale superius verlaufen wfirde. Von dort wiirde schlieBlich ein 3. Neuron fiber den Plexus caroticus zur Hypophyse ziehen. Ffir den angegebenen Verlauf sprechen Beobaehtungen yon Davis 1~, der nach Reizung des Ganglion cervicale superius und Ganglion stellatum bei Katzen Hyperglyk~mie und Glykosurie auftreten sah. Das Auftreten der Hyperglyk~mie und Glykosurie wird durch doppelseitige sym- metrische Sch~digungen des ttypothalamus oder Durchschneidung beider Splanchnici verhindert. Desgleichen kann nach Davis eine doppelseitige I-Iypothalamussch~digung die tIyperglyk~mie nach Pankreasexstir- pation zum Verschwinden bringen. Es ist auffallend, dab der Autor aus den Ergebnissen seiner Untersuchungen nicht den SchluB gezogen hat, daB die Wirkung des Hypophyseninkretes fiber ein zuckermobilisierendes Zentrum des Hypothalamus erfolgt. Man kSnnte auch daran denken, dab die Wirkung des betreffenden Hypophysenhormons auf das hypo- thalamische Zuckerzentrum nicht als ein Reiz auf ein nervSses Zentrum zu denken ist, sondern daB die Zellen des Hypothalamuszentrums Z Drfisen-Nervenzellen im Sinne yon Scharrer und Gaupp darstellen, die einen Wirkstoff abgeben, der in diesen Zellen gebildet wird, und zwar aus einem Vorstoff, den die ttypophyse liefert. Gegen diese Annahme spricht aber die Tatsache, daB die Implantation yon Kalbszwischenhirn keine Hyperglyk~mie zur Folge hatte, denn das Kalbszwisehenhirn h~tte doch den Wirkstoff als solchen und nicht den Vorstoff enthalten mfissen. ~hnliche Befunde wie Davis erhoben Ingrain und Barris 16 Sie fanden bei 4 yon 5 Katzen mit L~sion der Regio suprachiasmatica auf Zufuhr einer Suspension yon Hypophysenvorderlappen keine hyper- glyk~mischen Reaktionen, die sie sonst bei ihren normalen Tieren beob- achten konnten. 1936 berichtete nochmals D. Cleveland und Davis 17 fiber herabgesetzte Wirkung yon Hypophysenvorderlappenextrakt sowie Besserung des Pankreasdiabetes auf doppelseitige I-Iypothalamusl~sionen.

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Dagegen besserte die Querschnittunterbrechung des Riiekenmarkes zwischen dem 5.--7. Halssegment den Pankreasdiabetes nicht. Diese Tatsache legt den Schlul~ nahe, dal~ die vom Zuckerzentrum Z peripher- w/~rts verlaufende Bahn das Riickenmark oberhalb des 5. Cervical- segmentes verl/~$t. In dem Schema Abb. 2 habe ich aber die Bahn noch weiter caudalw/i, rts gefiihrt, da meiner Ansicht nach die Frage nach dem Verlauf dieser Fasern noch nicht gelSst ist.

Es erhebt sich endlich die Frage, wie man sich auf Grund der eigenen klinischen Beobachtung und der angefiihrten tierexperimentellen Be- funde den Regulationsmechanismus des Hypophysenzwischenhirnsystems auf den Kohlehydratstoffwechsel vorzustellen hat. Das im Hypothalamus gelegene Zuckerzentrum Z spricht auf ein Absinken des Blutzuckers an und mobilisiert auf nervSsem Weg Zucker. Auf welchem Weg diese Zuckermobilisation erfolgt, kann aus den angegebenen Befunden nicht erschlossen werden. Diese rein nervSse Regulation setzt anscheinend sehr rasch ein und gleicht eine nur kurze Zeit dauernde hypoglyk/~mische StSrung aus. Eine 1Knger anhaltende Hyperglyk/~mie wird dagegen durch nervSsen Reiz auf die Hypophyse erzielt, der vom Zuckerzentrum aus via Mittelhirn, verl/~ngertem Mark, ttalsmark, Halsgrenzstrang (s. Abb. 2) zur Hypophyse verl/~uft. Die Zellen des Zuckerzentrums Z werden dann durch den Hypophysenwirkstoff in einen 1/i, nger dauernden Reizzustand versetzt. Auf diese Weise wird die Bek/impfung einer l/~nger dauernden schweren Hypoglyk/imie ermSglicht.

Wir sehen hieraus, dal~ der ttypothalamus fiir die Regulation des Kohlehydrathaushaltes ebenso wichtig ist wie die Hypophyse. Unter gewShnlichen Bedingungen ist jedoch nach ZerstSrung des hypothalami- schen Zuckerzentrums noch ein weitgehender Ausgleich mSglich. Die StSrung des Kohlehydrathaushaltes wird sich abcr wahrscheinlich durch eine erhShte Empfindlichkeit gegeniiber Insulin und Hypophysen- extrakten aufdecken lassen. Entsprechende, dahin zielende Unter- suchungen sind bereits im Gange.

1937 hat schon Vonderahe ein Zuckerzentrum im Hypothalamus an- genommen, das dutch Hypophysenvorderlappenextrakt gehemmt werden sollte. Dieses Zuckerzentrum, das in den Nucleus paraventrieularis verlegt wird, soll die Insulinbildung fSrdern und auf ErhShung des Blut- zuckerspiegels ansprechen. Mit dieser Auffassung lassen sich aber die voriibergehende ErhShung des Blutzuckers und Glykosurie bei Reizung des Hypothalamus oder bei frischen Blutungen eben dort nicht in Ein- klang bringen. AuBerdem bildet wahrscheinlich die Hypoglyk/imie fiir den Organismus die grSBere Gefahr und macht eine rasche nervSse Regulation notwendig, die zur Mobilisation yon Zucker fiihrt. Mit der Annahme eines hypothalamischen Zuckerzentrums 1/~Bt sich auch das bei manchen Kranken mit Akromegalie feststellbare eigentiimliche Ver- halten erkl~ren, n/~mlieh, dal~ diese Kranken zwischen diabetischem

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730 O. Gagel: Hypophysenzwischenhirnsystem und Kohlehydratstoffwechsel.

K o m a u n d s p o n t a n e r H y p o g l y k ~ m i e h in - u n d h e r s c h w a n k e n (Falta is).

Die h y p o g l y k ~ m i s c h e n Z u s t ~ n d e lassen sich du rch vor f ibe rgehende S c h ~ d i g u n g des H y p o t h a l a m u s d u rc h d en T u m o r d r u c k erkl~ren, wobei das g lyko t rope H o r m o n n i c h t w i r k s a m sein k a n n , w~hrend dies be im p a n k r e o t r o p e n H o r m o n der Fa l l ist, da dieses pe r ipher angre i f t .

Na t i i r l i ch b i n ich mi r v o l l k o m m e n b e w u f t , d a f die y o n m i r en t - wicke l te Auf f a s sung fiber d en E i n f l u f des H y p o p h y s e n z w i s c h e n h i r n - sys t ems auf d e n Koh lehyd ra t s t o f fwechse l noch m a n c h e r St i i tze b e n S t i g t u n d v ie l le icht sogar in Ki i r ze wieder y o n a n d e r e n Theo r i en abge l6s t wird , doch g laube ich, daft sie zur Zei t die e r h o b e n e n B e f u n d e a m u n - g e z w u n g e n s t e n erkl~,rt u n d A n r e g u n g zur we i t e ren F o r s c h u n g in dieser

R i c h t u n g gib t .

SchriTttum. 1 Gage], O. u. O. Foerster: III . Congr. neur. Internat . , Rapport 4, p. 73. - -

2 Mahoney: Amer. J. Physiol. 5, 113 (1935). - - a Houssay and Biasotti: Endo- crinology ]5, 511 (1931). - - * Mahoney: Arch. kli n. Chir. Kongrel~band 186, 191. - - 5 Evans, E. V.: Proc. Soc. exper. Biol. a. Med. 29, 857 (1931/32). - - s Young: J. of Physiol. 87, 90, 91, 93 (1931/32). --Biochemic. J. 82 (1938). - -7 Morgan, Vonderahe and Malone: J. nerv. Dis. 8~, 125 (1937). - - s Bodechtel u. O. Gagel: Z. Neur. 132, H. 5 (1931). - - 9 Vonderahe: Arch. int. IVied. 60, 694 (1937). - - lo Bailey and Bremer: Arch. int. Med. 28 (1921). - - 11 Himwich and Keller: Amer. J. Physiol. 93, 658 (1930). - - 12 H6gler u. ZeU: Z. exper. Med. ]02, 8, 15 (1937). - - 13 Camus, Gournay et Le Grand: C. r. Acad. Sci. Paris 177, 146--148 (1923). - - 14 D'Amour: Proc. Soc. exper. Biol. a. Med. 30, 1175 (1933). - - 15 Davis: Ann. Surg. 100, 654 (1934). - - 16 Ingrain and Barris: Amer. J. Physiol. 114, 562 (1935/36). - - iv Cleveland and Davis: Brain 59, 459 (1936). - - i s Falta: Verh. dtsch. Ges. inn. Med. |940, 424.