1
Pro Dialog Freitag/Samstag, 31. August/1. September 2018 Nr. 90-168D 7 IM BLICK » ARZT UND PRAXISTEAM Eine Serie in Kooperation von ÄrzteZeitung und AOK-Bundesverband Bad Klosterlausnitz. Noch schnell das vorbestellte Folgerezept abzeichnen lassen und dann geht es los: Antje Thomas greift sich ihren TeleRuck- sack und verstaut ihn im PLUSmobil. Flink lenkt die Medizinische Fachan- gestellte (MFA) den Kleinwagen aus dem Zentrum von Bad Klosterlaus- nitz. Es geht einen steilen Hang hoch – und obwohl Gerborg Köhler nur be- grenzt mobil ist, lässt sie es sich nicht nehmen „ihre Antje“ vor der Haustür zu begrüßen. Für die Seniorin sind die Hausbe- suche, zu denen MFA Antje Thomas seit rund einem Jahr bei ihr vorbei- kommt, ein Segen. „Der Enkel wohnt zwar mit im Haus, aber er ist tagsüber ja auf Arbeit.“ Dass Thomas, die eine Zusatzausbildung zur hausärztlichen Versorgungsassistentin VERAH und zur nichtärztlichen Praxisassistentin (NäPa) hat, seit wenigen Monaten auch den Telemedizin-Rucksack da- bei hat, findet sie besonders gut. Denn nun kann Gerborg Köhler auch bei den Hausbesuchen bei Bedarf per Videotelefonie mit Hausärztin Petra Becher sprechen. AOK PLUS als erste Kasse mit dabei Auch für Antje Thomas ist das ein echter Zugewinn. „Meine Kollegin ist ja Wundschwester. Gerade wenn nachts mal einer unserer Hausbe- suchspatienten gestürzt ist, oder es kommt beim Besuch raus, dass je- mand einen Ulcus hat, kann man ei- nen Video-Anruf starten und die Kol- legin mal drauf schauen lassen.“ Das spart den MFA und den Patienten zu- sätzliche Wege. Gleiches gilt für das mobile EKG. „Wenn ich früh zum Pa- tienten komme, und er sagt, ich hatte heute Nacht so Herzstolpern, kann ich vor Ort ein EKG machen.“ Möglich macht es das digitale Ver- sorgungsangebot TeleDoc PLUS, das die AOK PLUS und die Kassenärztli- che Vereinigung Thüringen (KVT) im April gemeinsam in dem Bundesland gestartet haben (siehe auch Beitrag unten). Es soll Hausbesuche von MFA telemedizinisch ergänzen. Bislang können allerdings nur AOK-Versi- cherte von dem Projekt profitieren. Kernelement ist der Telemedizin- Rucksack. Neben dem Tablet-PC, über den die Daten erfasst werden und bei Bedarf der Videokontakt in die Praxis erfolgt, beinhaltet der Rucksack vor allem medizinische Messgeräte, etwa ein Pulsoximeter, Blutzucker- und Blutdruckmessgerät, Spirometer, di- gitale Waage und eben ein mobiles 3- Kanal-EKG. Doch bevor Antje Thomas die Vi- talwerte von Frau Köhler ermittelt, muss der Patienten-QR-Code einge- scannt werden. Denn nur über diesen lassen sich die Daten anschließend automatisch in die Patientenakte übermitteln. „Wo hast Du den QR-Co- de denn hingelegt?“, fragt sie Gerborg Köhler. In der Arztmappe, den sich die Seniorin angelegt hat, ist er nicht. „Das ist der Demenztest“, scherzt Thomas, Köhler lacht, hat den Zettel aber dann doch nach kurzem Suchen parat. „Mit dem Laufen klappt es nicht mehr so, aber geistig bin ich noch fit“, sagt sie. Es kann losgehen. Thomas misst den Blutdruck, die Daten werden per Bluetooth auf den Tablet-PC übertra- gen. Dann noch Sauerstoffsättigung und Puls messen. „Das sind ja super Werte“, sagt Thomas. „Warst Du heute früh im Garten?“ Es geht herzlich zu und Gerborg Köhler fühlt sich sicht- lich gut aufgehoben. Per Fingertipp werden die Daten übermittelt. „Wobei sie bislang noch als E-Mail in einem elektronischen Arztfach landen“, erklärt die MFA. „Es soll aber so kommen, dass die Da- ten künftig direkt in unsere elektroni- sche Patientenakte einlaufen.“ Hinter dem QR-Code liegt nur die Patienten- identifikationsnummer (Patienten- ID), es werden also weder Name noch Geburtsdatum übertragen. „Das ist Datenschutz hoch tausend“, so Antje Thomas. Anhand der ID könne die Praxis die Werte dann in die eigene Patientenakte übertragen. Hausbesuche nehmen zu Auch der Videoanruf in der Praxis lässt sich mit wenigen Fingertipps an- stoßen. „Chefin, Frau Köhler geht es gut, die Kur ist ihr sehr gut bekom- men, Blutdruck war auch in Ord- nung“, berichtet Antje Thomas. „Aber Sie müssen die Kamera etwas mehr kippen, damit wir Sie auch sehen.“ Jetzt folgen ein paar Fragen von Hausärztin Petra Becher direkt an die Patientin. Gerborg Köhler freut sich über den Kontakt zu ihrer Ärztin. „Das ist doch schöner, sie zu sehen als nur zu telefonieren“, so die Seniorin. Zusammen mit ihren Heimpatien- ten betreut Antje Thomas derzeit rund 80 Hausbesuchspatienten. Und es wer- den eher mehr als weniger. Die Ge- meinde im thüringischen Saale-Holz- land-Kreis zählt zwar nur rund 3500 Einwohner und es gibt immerhin drei Hausärzte vor Ort – „trotzdem spüren wir eine Unterversorgung“, sagt Tho- mas. Denn das Einzugsgebiet für die Hausärzte umfasse mittlerweile auch weiter entfernte Nachbargemeinden. „Wir haben auch viele über 90-Jähri- ge“, berichtet sie. Da sind die telemedi- zinischen Hausbesuche, die sie seit Mai übernimmt, auch für ihre Chefin Petra Becher eine große Hilfe. Denn die Praxis kommt pro Quartal immer- hin auf 1000 Scheine. Zuschläge für Telebesuch Die Abrechnung bei TeleDoc PLUS er- folgt ganz normal über die KV. Die AOK zahlt für bis zu 50 Hausbesuche pro Quartal zusätzlich 15 Euro zur Nä- Pa-Vergütung, die es über den EBM gibt (rund 20 Euro für Hausbesuch und Zuschlag zur Versichertenpau- schale, EBM-Ziffern 03062 und 03060). Wird der Arzt per Videokon- takt zugeschaltet, kommen noch ein- mal 8 Euro dazu. Außerdem gibt es Zuschläge für die Sturzrisikoanalyse, die Gesundheitsbefragung und die Wundanalyse. An dem Projekt beteiligt sich aber auch die Landesregierung: Sie fördert die Mietkosten für den TeleRucksack, die 500 Euro pro Quartal betragen, mit 50 Prozent. „Allerdings nur die ersten drei Quartale“, sagt Antje Tho- mas. Und die Förderung ist begrenzt auf die ersten 150 Rucksäcke. Zur Ausstattung gehört aber ebenso die notwendige Software für die sichere Übertragung der Daten, die von der Firma vitaphone stammt. Bei allem Lob für den TeleRuck- sack hat Antje Thomas dennoch einen Verbesserungswunsch: „Der Rucksack ist schon arg schwer und müsste et- was kompakter gepackt sein. Wenn ich mein Blutentnahmezeug noch mitnehme, habe ich zwei Taschen.“ Denn dafür sei kein Platz mehr in dem Rucksack. Das PLUSmobil zeigt übrigens, dass die AOK PLUS gleich an mehre- ren Stellen versucht, Versorgung im ländlichen Bereich zu verbessern, denn es ist Bestandteil des seit 2010 laufenden Vertrags zur Hausarztzent- rierten Versorgung (HzV) zwischen der Gesundheitskasse, dem Thüringer Hausärzteverband und der KVT. Mit dem TeleRucksack auf Hausbesuch In dringenden Fällen wird der Hausarzt einfach zuge- schaltet: In Thüringen übernehmen speziell aus- gebildete MFA telemedi- zinische Hausbesuche. Ein echter Zugewinn für Praxen und Patienten. Von Rebekka Höhl Per Bluetooth landen die Blutdruckdaten direkt auf dem Tablet von MFA Antje Thomas (links). Für Rentnerin Gerborg Köhler sind die telemedizinischen Besuche ein echter Segen. © REBEKKA HÖHL Die Praxis Dipl. Med. Petra Becher ist seit 1991 als Hausärztin in Bad Klosterlausnitz niedergelassen. Mit ihrem Team, den MFA Antje Thomas und Jacqueline Stolle, betreut sie pro Quartal rund 1000 Patienten. Seit Mai 2018 bietet die Praxis im Rahmen von TeleDoc PLUS auch telemedizinische Haus- besuche. Die Praxis im Web: www.allgemeinmedizinerin- becher.de/ Infos der AOK PLUS zum Projekt: www.aok-gesundheitspart- ner.de (Webcode W58571) Lesen Sie am 14. September: Jun- gen Frauen bis 20 Jahren werden seltener die risikoreicheren Verhü- tungsmittel verordnet. Das geht aus einer aktuellen Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) hervor. Gleichzeitig hat die Verordnung von neueren Pillen zugenommen. Kontakt: Haben Sie Fragen oder Anregungen an die AOK oder Themenwünsche für diese Seite? Dann schreiben Sie uns eine E-Mail an: [email protected]. Die Praxis-Serie Erfurt. Ursprünglich von einem Haus- arzt im Bergischen Land entwickelt, findet das telemedizinische Versor- gungsangebot TeleDoc PLUS vor al- lem in den neuen Bundesländern An- klang. Den Grundstein dafür legte die KV Thüringen (KVT) bereits 2017, als sie sich dazu entschloss, auf Kassen- seite Partner für dieses Hausbe- suchs-Modell zu suchen. Der Vorteil des Freistaats lag auf der Hand: In Thüringen gibt es bereits rund 400 nichtärztliche Praxisassis- tentinnen (NäPa), die Hausbesuche für Ärzte übernehmen. Und genau diese Zusatzweiterbildung braucht es auch für den delegierbaren telemedi- zinischen Hausbesuch. Hausarzt Dr. Thomas Aßmann aus dem Bergischen Land beobachtete 2015 nämlich im Kreis Aachen den Einsatz eines tele- medizinisch ausgestatteten Rettungs- wagens und fand, dies sei auch für ei- ne Landarztpraxis eine gute Idee. Ge- meinsam mit dem Softwareunterneh- men vitaphone GmbH entwickelte er daraufhin „TeleArzt“. Das Versor- gungsmodell wird bereits in einigen Regionen Nordrhein-Westfalens, Nie- dersachsens und Bayerns eingesetzt. Thüringen ist aber das erste Bundes- land, in dem es unter dem Namen Te- leDoc PLUS flächendeckend zur Ver- fügung gestellt wird. Möglich macht es ein Versorgungsvertrag, den die KV und die AOK PLUS im Frühjahr 2018 geschlossen haben. Derzeit nehmen 30 Ärzte daran teil (Stand Juli 2018). Die telemedizinischen Hausbesuche werden für AOK-Versicherte außer- halb der morbiditätsorientierten Ge- samtvergütung bezahlt. „Im partnerschaftlichen Zusam- menspiel mit der KV Thüringen ha- ben wir ein absolut zeitgemäßes Pro- jekt entwickelt, das ideal die bereits existierenden Versorgungsstrukturen in Thüringen ergänzt“, sagt AOK PLUS-Vorstandschef Rainer Striebel. „TeleArzt ist ein Digitalisierungspro- jekt, das genau an der richtigen Stelle ansetzt. Es spart Zeit beim Patienten und in der Praxis, weil Gesundheits- daten von Hausbesuchen direkt ins Praxisverwaltungssystem eingespeist werden“, erklärt auch KVT-Chefin Dr. Annette Rommel. „Vor allem in ländlichen Gegenden unterstützen wir damit die hausärztliche Versor- gung und entlasten die Mediziner gleichzeitig“, ergänzt Striebel. Laut AOK PLUS ist eine Ausweitung auf Sachsen vorgesehen. (reh) TeleDoc PLUS – ein Modell zum Ausrollen Die telemedizinischen Hausbesuche könnte es künftig auch in Sachsen flächendeckend geben.

IM BLICK ARZT UND PRAXISTEAM .JU EFN 5FMF3VDLTBDL BVG ... · mand einen Ulcus hat, kann man ei-nen Video-Anruf starten und die Kol-legin mal drauf schauen lassen.“ Das spart den

  • Upload
    others

  • View
    3

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: IM BLICK ARZT UND PRAXISTEAM .JU EFN 5FMF3VDLTBDL BVG ... · mand einen Ulcus hat, kann man ei-nen Video-Anruf starten und die Kol-legin mal drauf schauen lassen.“ Das spart den

Pro Dialog Freitag/Samstag, 31. August/1. September 2018 Nr. 90-168D 7

IM BLICK » ARZT UND PRAXISTEAM Eine Serie in Kooperation von ÄrzteZeitung und AOK-Bundesverband

Bad Klosterlausnitz. Noch schnell dasvorbestellte Folgerezept abzeichnenlassen und dann geht es los: AntjeThomas greift sich ihren TeleRuck-sack und verstaut ihn im PLUSmobil.Flink lenkt die Medizinische Fachan-gestellte (MFA) den Kleinwagen ausdem Zentrum von Bad Klosterlaus-nitz. Es geht einen steilen Hang hoch– und obwohl Gerborg Köhler nur be-grenzt mobil ist, lässt sie es sich nichtnehmen „ihre Antje“ vor der Haustürzu begrüßen.

Für die Seniorin sind die Hausbe-suche, zu denen MFA Antje Thomasseit rund einem Jahr bei ihr vorbei-kommt, ein Segen. „Der Enkel wohntzwar mit im Haus, aber er ist tagsüberja auf Arbeit.“ Dass Thomas, die eineZusatzausbildung zur hausärztlichenVersorgungsassistentin VERAH undzur nichtärztlichen Praxisassistentin(NäPa) hat, seit wenigen Monatenauch den Telemedizin-Rucksack da-bei hat, findet sie besonders gut. Dennnun kann Gerborg Köhler auch beiden Hausbesuchen bei Bedarf perVideotelefonie mit Hausärztin PetraBecher sprechen.

AOK PLUS als erste Kasse mit dabeiAuch für Antje Thomas ist das einechter Zugewinn. „Meine Kollegin istja Wundschwester. Gerade wennnachts mal einer unserer Hausbe-suchspatienten gestürzt ist, oder eskommt beim Besuch raus, dass je-mand einen Ulcus hat, kann man ei-nen Video-Anruf starten und die Kol-legin mal drauf schauen lassen.“ Dasspart den MFA und den Patienten zu-sätzliche Wege. Gleiches gilt für dasmobile EKG. „Wenn ich früh zum Pa-tienten komme, und er sagt, ich hatteheute Nacht so Herzstolpern, kannich vor Ort ein EKG machen.“

Möglich macht es das digitale Ver-sorgungsangebot TeleDoc PLUS, dasdie AOK PLUS und die Kassenärztli-che Vereinigung Thüringen (KVT) imApril gemeinsam in dem Bundeslandgestartet haben (siehe auch Beitragunten). Es soll Hausbesuche von MFAtelemedizinisch ergänzen. Bislangkönnen allerdings nur AOK-Versi-cherte von dem Projekt profitieren.Kernelement ist der Telemedizin-Rucksack. Neben dem Tablet-PC, überden die Daten erfasst werden und bei

Bedarf der Videokontakt in die Praxiserfolgt, beinhaltet der Rucksack vorallem medizinische Messgeräte, etwaein Pulsoximeter, Blutzucker- undBlutdruckmessgerät, Spirometer, di-gitale Waage und eben ein mobiles 3-Kanal-EKG.

Doch bevor Antje Thomas die Vi-talwerte von Frau Köhler ermittelt,muss der Patienten-QR-Code einge-scannt werden. Denn nur über diesenlassen sich die Daten anschließendautomatisch in die Patientenakteübermitteln. „Wo hast Du den QR-Co-de denn hingelegt?“, fragt sie GerborgKöhler. In der Arztmappe, den sichdie Seniorin angelegt hat, ist er nicht.„Das ist der Demenztest“, scherztThomas, Köhler lacht, hat den Zettelaber dann doch nach kurzem Suchenparat. „Mit dem Laufen klappt esnicht mehr so, aber geistig bin ichnoch fit“, sagt sie.

Es kann losgehen. Thomas misstden Blutdruck, die Daten werden perBluetooth auf den Tablet-PC übertra-gen. Dann noch Sauerstoffsättigungund Puls messen. „Das sind ja superWerte“, sagt Thomas. „Warst Du heutefrüh im Garten?“ Es geht herzlich zuund Gerborg Köhler fühlt sich sicht-lich gut aufgehoben.

Per Fingertipp werden die Datenübermittelt. „Wobei sie bislang nochals E-Mail in einem elektronischenArztfach landen“, erklärt die MFA.„Es soll aber so kommen, dass die Da-

ten künftig direkt in unsere elektroni-sche Patientenakte einlaufen.“ Hinterdem QR-Code liegt nur die Patienten-identifikationsnummer (Patienten-ID), es werden also weder Name nochGeburtsdatum übertragen. „Das istDatenschutz hoch tausend“, so AntjeThomas. Anhand der ID könne diePraxis die Werte dann in die eigenePatientenakte übertragen.

Hausbesuche nehmen zuAuch der Videoanruf in der Praxislässt sich mit wenigen Fingertipps an-stoßen. „Chefin, Frau Köhler geht esgut, die Kur ist ihr sehr gut bekom-men, Blutdruck war auch in Ord-nung“, berichtet Antje Thomas. „AberSie müssen die Kamera etwas mehrkippen, damit wir Sie auch sehen.“Jetzt folgen ein paar Fragen vonHausärztin Petra Becher direkt an diePatientin. Gerborg Köhler freut sichüber den Kontakt zu ihrer Ärztin.„Das ist doch schöner, sie zu sehen alsnur zu telefonieren“, so die Seniorin.

Zusammen mit ihren Heimpatien-ten betreut Antje Thomas derzeit rund80 Hausbesuchspatienten. Und es wer-den eher mehr als weniger. Die Ge-meinde im thüringischen Saale-Holz-land-Kreis zählt zwar nur rund 3500Einwohner und es gibt immerhin dreiHausärzte vor Ort – „trotzdem spürenwir eine Unterversorgung“, sagt Tho-mas. Denn das Einzugsgebiet für dieHausärzte umfasse mittlerweile auch

weiter entfernte Nachbargemeinden.„Wir haben auch viele über 90-Jähri-ge“, berichtet sie. Da sind die telemedi-zinischen Hausbesuche, die sie seitMai übernimmt, auch für ihre ChefinPetra Becher eine große Hilfe. Denndie Praxis kommt pro Quartal immer-hin auf 1000 Scheine.

Zuschläge für TelebesuchDie Abrechnung bei TeleDoc PLUS er-folgt ganz normal über die KV. DieAOK zahlt für bis zu 50 Hausbesuchepro Quartal zusätzlich 15 Euro zur Nä-Pa-Vergütung, die es über den EBMgibt (rund 20 Euro für Hausbesuchund Zuschlag zur Versichertenpau-schale, EBM-Ziffern 03062 und03060). Wird der Arzt per Videokon-takt zugeschaltet, kommen noch ein-mal 8 Euro dazu. Außerdem gibt esZuschläge für die Sturzrisikoanalyse,die Gesundheitsbefragung und dieWundanalyse.

An dem Projekt beteiligt sich aberauch die Landesregierung: Sie fördertdie Mietkosten für den TeleRucksack,die 500 Euro pro Quartal betragen,mit 50 Prozent. „Allerdings nur dieersten drei Quartale“, sagt Antje Tho-mas. Und die Förderung ist begrenztauf die ersten 150 Rucksäcke. ZurAusstattung gehört aber ebenso dienotwendige Software für die sichereÜbertragung der Daten, die von derFirma vitaphone stammt.

Bei allem Lob für den TeleRuck-sack hat Antje Thomas dennoch einenVerbesserungswunsch: „Der Rucksackist schon arg schwer und müsste et-was kompakter gepackt sein. Wennich mein Blutentnahmezeug nochmitnehme, habe ich zwei Taschen.“Denn dafür sei kein Platz mehr in demRucksack.

Das PLUSmobil zeigt übrigens,dass die AOK PLUS gleich an mehre-ren Stellen versucht, Versorgung imländlichen Bereich zu verbessern,denn es ist Bestandteil des seit 2010laufenden Vertrags zur Hausarztzent-rierten Versorgung (HzV) zwischender Gesundheitskasse, dem ThüringerHausärzteverband und der KVT.

Mit dem TeleRucksack auf HausbesuchIn dringenden Fällen wirdder Hausarzt einfach zuge-schaltet: In Thüringenübernehmen speziell aus-gebildete MFA telemedi-zinische Hausbesuche.Ein echter Zugewinn fürPraxen und Patienten.

Von Rebekka Höhl

Per Bluetooth landen die Blutdruckdaten direkt auf dem Tablet von MFA Antje Thomas (links). Für Rentnerin Gerborg Köhlersind die telemedizinischen Besuche ein echter Segen. © REBEKKA HÖHL

● ●

●●

Die Praxis

Dipl. Med. Petra Becher istseit 1991 als Hausärztin in BadKlosterlausnitz niedergelassen.

Mit ihrem Team, den MFAAntje Thomas und JacquelineStolle, betreut sie pro Quartalrund 1000 Patienten.

Seit Mai 2018 bietet die Praxisim Rahmen von TeleDoc PLUSauch telemedizinische Haus-besuche.

Die Praxis im Web:www.allgemeinmedizinerin-becher.de/

Infos der AOK PLUS zum Projekt:www.aok-gesundheitspart-ner.de (Webcode W58571)

Lesen Sie am 14. September: Jun-gen Frauen bis 20 Jahren werdenseltener die risikoreicheren Verhü-tungsmittel verordnet. Das gehtaus einer aktuellen Analyse desWissenschaftlichen Instituts derAOK (WIdO) hervor. Gleichzeitighat die Verordnung von neuerenPillen zugenommen.

Kontakt: Haben Sie Fragen oderAnregungen an die AOK oderThemenwünsche für diese Seite?Dann schreiben Sie uns eine E-Mailan: [email protected].

▼Die Praxis-Serie

Erfurt. Ursprünglich von einem Haus-arzt im Bergischen Land entwickelt,findet das telemedizinische Versor-gungsangebot TeleDoc PLUS vor al-lem in den neuen Bundesländern An-klang. Den Grundstein dafür legte dieKV Thüringen (KVT) bereits 2017, als

sie sich dazu entschloss, auf Kassen-seite Partner für dieses Hausbe-suchs-Modell zu suchen.

Der Vorteil des Freistaats lag aufder Hand: In Thüringen gibt es bereitsrund 400 nichtärztliche Praxisassis-tentinnen (NäPa), die Hausbesuchefür Ärzte übernehmen. Und genaudiese Zusatzweiterbildung braucht esauch für den delegierbaren telemedi-zinischen Hausbesuch. Hausarzt Dr.Thomas Aßmann aus dem BergischenLand beobachtete 2015 nämlich imKreis Aachen den Einsatz eines tele-

medizinisch ausgestatteten Rettungs-wagens und fand, dies sei auch für ei-ne Landarztpraxis eine gute Idee. Ge-meinsam mit dem Softwareunterneh-men vitaphone GmbH entwickelte erdaraufhin „TeleArzt“. Das Versor-gungsmodell wird bereits in einigenRegionen Nordrhein-Westfalens, Nie-dersachsens und Bayerns eingesetzt.Thüringen ist aber das erste Bundes-land, in dem es unter dem Namen Te-leDoc PLUS flächendeckend zur Ver-fügung gestellt wird. Möglich machtes ein Versorgungsvertrag, den die KV

und die AOK PLUS im Frühjahr 2018geschlossen haben. Derzeit nehmen30 Ärzte daran teil (Stand Juli 2018).Die telemedizinischen Hausbesuchewerden für AOK-Versicherte außer-halb der morbiditätsorientierten Ge-samtvergütung bezahlt.

„Im partnerschaftlichen Zusam-menspiel mit der KV Thüringen ha-ben wir ein absolut zeitgemäßes Pro-jekt entwickelt, das ideal die bereitsexistierenden Versorgungsstrukturenin Thüringen ergänzt“, sagt AOKPLUS-Vorstandschef Rainer Striebel.

„TeleArzt ist ein Digitalisierungspro-jekt, das genau an der richtigen Stelleansetzt. Es spart Zeit beim Patientenund in der Praxis, weil Gesundheits-daten von Hausbesuchen direkt insPraxisverwaltungssystem eingespeistwerden“, erklärt auch KVT-ChefinDr. Annette Rommel. „Vor allem inländlichen Gegenden unterstützenwir damit die hausärztliche Versor-gung und entlasten die Medizinergleichzeitig“, ergänzt Striebel. LautAOK PLUS ist eine Ausweitung aufSachsen vorgesehen. (reh)

TeleDoc PLUS – ein Modell zum AusrollenDie telemedizinischenHausbesuche könntees künftig auch in Sachsenflächendeckend geben.