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6 CYTO-INFO 1/2013 ter-Proteine aufmerksam (Aktivierung), manche stoppen den Zyklus (Zellzyklusarrest), andere aktivieren wiederum Proteine zur Schadensbehebung (DNA-Reparatur), oder sie veranlas- sen die Elimination fehlerhafter oder fehlgesteuerter Prote- ine. Ist der Schaden zu groß, wird die betroffene Zelle durch Aktivierung von bestimmten Proteinen eliminiert (Apoptose). Klingt hart, ist aber notwendig. Denn wenn eine erkrankte Zelle nicht ausgemerzt wird, kann sie sich womöglich teilen und den Schaden an künftige Tochterzellen weiter vermitteln (Tumorgenese). Ein wichtiger Checkpoint befindet sich am Übergang von der G1-Phase in die Synthesephase. Hat eine defekte Zelle diesen Kontrollpunkt passiert, dann kann sie ungehemmt fehlerhafte Produkte (Transkription) herstellen und sich duplizieren. Am G1-Checkpoint wird durch eine Komplexbildung aus Cyc- lin D und Cyclin abhängigen Kinasen (aus dem Englischen abgekürzt: CDK, hier CDK 4/6) Phosphor freigesetzt, welcher an das Retinoblastom Protein (pRb) abgegeben wird (Anm.: pRb wird von einem bestimmten Gen auf dem Chromosom 13 codiert. Sind beide Allele dieses Gens mutiert, so erkranken die betroffenen Patienten an einem Retinoblastom, einem bösartigem Tumor der Netzhaut, der überwiegend im Kindes- alter auftritt). Dadurch löst sich pRb aus seiner Bindung mit dem E2F-Protein (Anm.: E2-Promotor Binding Factor: Die E2F Proteine gehören zu einer Protein-Familie, die aktivierende oder supprimierende Funktionen im ganzen Zellzyklus inne- haben). Das freiwerdende E2F gibt jetzt das Signal für den Übertritt in die S-Phase und aktiviert die E2F-abhängigen Gene: Die Transkription beginnt. Reguliert wird dieser Pathway am G1-Checkpoint von zwei Protein-Familien, welche den Cyclin/CDK-Komplex blockieren, so dass kein Phosphor zur Phosphorylierung des pRb bereit- gestellt werden kann. Die eine Familie wird aktiviert, wenn die Zelle zu alt geworden ist oder Wachstumsfaktoren fehlen: Dies ist die Familie der Inhibitoren der CDK4 (INK4), hierzu gehören p15, p16, p18 und p19. Die andere große Familie ist die der CDK2 interaktiven Proteine und der CDK hemmenden Prote- ine (CDK2 interacting Protein und CDK inhibitory Protein (CIP/ KIP)). Diese wird aktiv, wenn die Zelle ihre Kontakthemmung verloren hat oder die DNA beschädigt ist. Hierzu gehört das p21, welches über p53 aktiviert wird, sowie p27 und p51. Durch den Einfluss eines Mitglieds aus diesen zwei Familien kann sich pRb nicht mehr aus seinem Komplex mit E2F lösen. Als Folge davon kann E2F die S-Phase nicht mehr einleiten: Die Zelle wird vor dem Übergang in die Synthesephase gestoppt – so einfach ist das… Viele Proteine kann man heute in verschiedensten „Pathways“ oder Zyklusabschnitten durch immunhistochemische Ver- fahren sichtbar machen. Dazu nutzt man die Eigenschaft von Proteinen aus, dass sie als Antigen fungierend, von „speziell Es ist gerade 60 Jahre her, dass von Watson und Crick die Struktur der DNA-Doppelhelix entschlüsselt wurde. (Übrigens – es lohnt sich, das mal nachzulesen: Die zwei Her- ren waren offensichtlich ein witziges Gespann, so haben sie per Münzwurf entschieden, wer von ihnen in Veröffentlichun- gen vorne stehen durfte...). 2001 ging der Nobelpreis für Medizin an Paul Nurse, Timothy Hunt und Leland Hartwell für ihre Erforschungen des Lebens- zyklus der Zelle. Während Nurse die cyclinabhängigen Kina- sen entdeckte, entschlüsselte T. Hunt, wie Cycline durch eine Verbindung mit cyclinabhängigen Kinasen aktiviert werden. Durch diese Verbindung wird Phosphor an andere Proteine abgegeben, wodurch diese nun wieder aktiviert werden und z. B. die Synthesephase einleiten. L. Hartwell gelang es, 100 Gene zu identifizieren, welche die Zellteilung im Lebenszyklus regulieren. Dieser Lebenszyklus mit seinen vier Phasen: G1 = Wachstum der Zelle, S = Synthese der DNA, G2 = Duplikation der DNA und M = Mitose oder Teilung in getrennte Zellen, kann als eine Art Kompass verstanden werden, dessen Nadel in die verschiedenen Himmelsrichtungen (Zyklusphasen) der Zellaktivität weist (Abb.1). Der eigentliche Zellzyklus ist eher mit der Straßenkarte einer gigantischen Metropole zu vergleichen. Auf der Internetseite www.reactome.org kann man sich den Lebenszyklus von der G0-Phase bis hin zur Mitose in seinen Einzelschritten, den sog. „Pathways“ (Pfaden), wie auf einem Stadtplan von „Cell- city“, anschauen. Es wird jedem Besucher dieser Internetseite schnell klar, dass die Betrachtung eines einzelnen Pathways allenfalls mit einer kleinen Stadtführung zu vergleichen ist (z. B. Brauhaus-Führung in der Kölner Altstadt). Die ganze Stadt in ihren Details wird man dadurch nicht kennen lernen. Die Hauptakteure in „Cellcity“ sind mehr oder weniger lange Aminosäurenketten (Proteine). An sog. „Checkpoints“ des Zellzyklus wird die DNA auf mögliche Schäden hin überprüft. Jeden Augenblick entstehen durch vielfältigste Ursachen wie Strahlung, alkylierende Agentien, ionisierende Strahlen oder ROS (engl. reactive oxygen species, „Sauerstoff-Radikale“) Schäden im Genom der Zellen. Bei Defekten werden Wäch- IMMUNHISTOCHEMIE IM ZELLZYKLUS: G1 CHECKPOINT IN CELLCITY S. Spieth Abb.1: Zellzyklus S y n t h e s e M i t o s e N S O W ! STOPP STOPP STOPP G1 Checkpoint: Sind DNA Schäden vorhanden? Ist die Zelle groß genug? Ist die Umgebung günstig? G1 G2

immunhistochemie im ZellZyklus: G1 checkpoint in cellcity · 2013. 1. 1. · CYTO-INFO 1/2013 7 immunhistochemie im ZellZyklus: G1 checkpoint in cellcity geschulten“ Antikörpern

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ter-Proteine aufmerksam (Aktivierung), manche stoppen den Zyklus (Zellzyklusarrest), andere aktivieren wiederum Proteine zur Schadensbehebung (DNA-Reparatur), oder sie veranlas-sen die Elimination fehlerhafter oder fehlgesteuerter Prote-ine. Ist der Schaden zu groß, wird die betroffene Zelle durch Aktivierung von bestimmten Proteinen eliminiert (Apoptose). Klingt hart, ist aber notwendig. Denn wenn eine erkrankte Zelle nicht ausgemerzt wird, kann sie sich womöglich teilen und den Schaden an künftige Tochterzellen weiter vermitteln (Tumorgenese).

Ein wichtiger Checkpoint befindet sich am Übergang von der G1-Phase in die Synthesephase. Hat eine defekte Zelle diesen Kontrollpunkt passiert, dann kann sie ungehemmt fehlerhafte Produkte (Transkription) herstellen und sich duplizieren.

Am G1-Checkpoint wird durch eine Komplexbildung aus Cyc-lin D und Cyclin abhängigen Kinasen (aus dem Englischen abgekürzt: CDK, hier CDK 4/6) Phosphor freigesetzt, welcher an das Retinoblastom Protein (pRb) abgegeben wird (Anm.: pRb wird von einem bestimmten Gen auf dem Chromosom 13 codiert. Sind beide Allele dieses Gens mutiert, so erkranken die betroffenen Patienten an einem Retinoblastom, einem bösartigem Tumor der Netzhaut, der überwiegend im Kindes-alter auftritt). Dadurch löst sich pRb aus seiner Bindung mit dem E2F-Protein (Anm.: E2-Promotor Binding Factor: Die E2F Proteine gehören zu einer Protein-Familie, die aktivierende oder supprimierende Funktionen im ganzen Zellzyklus inne-haben). Das freiwerdende E2F gibt jetzt das Signal für den Übertritt in die S-Phase und aktiviert die E2F-abhängigen Gene: Die Transkription beginnt.

Reguliert wird dieser Pathway am G1-Checkpoint von zwei Protein-Familien, welche den Cyclin/CDK-Komplex blockieren, so dass kein Phosphor zur Phosphorylierung des pRb bereit-gestellt werden kann. Die eine Familie wird aktiviert, wenn die Zelle zu alt geworden ist oder Wachstumsfaktoren fehlen: Dies ist die Familie der Inhibitoren der CDK4 (INK4), hierzu gehören p15, p16, p18 und p19. Die andere große Familie ist die der CDK2 interaktiven Proteine und der CDK hemmenden Prote-ine (CDK2 interacting Protein und CDK inhibitory Protein (CIP/KIP)). Diese wird aktiv, wenn die Zelle ihre Kontakthemmung verloren hat oder die DNA beschädigt ist. Hierzu gehört das p21, welches über p53 aktiviert wird, sowie p27 und p51.

Durch den Einfluss eines Mitglieds aus diesen zwei Familien kann sich pRb nicht mehr aus seinem Komplex mit E2F lösen. Als Folge davon kann E2F die S-Phase nicht mehr einleiten: Die Zelle wird vor dem Übergang in die Synthesephase gestoppt – so einfach ist das…

Viele Proteine kann man heute in verschiedensten „Pathways“ oder Zyklusabschnitten durch immunhistochemische Ver-fahren sichtbar machen. Dazu nutzt man die Eigenschaft von Proteinen aus, dass sie als Antigen fungierend, von „speziell

Es ist gerade 60 Jahre her, dass von Watson und Crick die Struktur der DNA-Doppelhelix entschlüsselt wurde.(Übrigens – es lohnt sich, das mal nachzulesen: Die zwei Her-ren waren offensichtlich ein witziges Gespann, so haben sie per Münzwurf entschieden, wer von ihnen in Veröffentlichun-gen vorne stehen durfte...).

2001 ging der Nobelpreis für Medizin an Paul Nurse, Timothy Hunt und Leland Hartwell für ihre Erforschungen des Lebens-zyklus der Zelle. Während Nurse die cyclinabhängigen Kina-sen entdeckte, entschlüsselte T. Hunt, wie Cycline durch eine Verbindung mit cyclinabhängigen Kinasen aktiviert werden. Durch diese Verbindung wird Phosphor an andere Proteine abgegeben, wodurch diese nun wieder aktiviert werden und z. B. die Synthesephase einleiten. L. Hartwell gelang es, 100 Gene zu identifizieren, welche die Zellteilung im Lebenszyklus regulieren. Dieser Lebenszyklus mit seinen vier Phasen: G1 = Wachstum der Zelle, S = Synthese der DNA, G2 = Duplikation der DNA und M = Mitose oder Teilung in getrennte Zellen, kann als eine Art Kompass verstanden werden, dessen Nadel in die verschiedenen Himmelsrichtungen (Zyklusphasen) der Zellaktivität weist (Abb.1).

Der eigentliche Zellzyklus ist eher mit der Straßenkarte einer gigantischen Metropole zu vergleichen. Auf der Internetseite www.reactome.org kann man sich den Lebenszyklus von der G0-Phase bis hin zur Mitose in seinen Einzelschritten, den sog. „Pathways“ (Pfaden), wie auf einem Stadtplan von „Cell-city“, anschauen. Es wird jedem Besucher dieser Internetseite schnell klar, dass die Betrachtung eines einzelnen Pathways allenfalls mit einer kleinen Stadtführung zu vergleichen ist (z. B. Brauhaus-Führung in der Kölner Altstadt). Die ganze Stadt in ihren Details wird man dadurch nicht kennen lernen.

Die Hauptakteure in „Cellcity“ sind mehr oder weniger lange Aminosäurenketten (Proteine). An sog. „Checkpoints“ des Zellzyklus wird die DNA auf mögliche Schäden hin überprüft. Jeden Augenblick entstehen durch vielfältigste Ursachen wie Strahlung, alkylierende Agentien, ionisierende Strahlen oder ROS (engl. reactive oxygen species, „Sauerstoff-Radikale“) Schäden im Genom der Zellen. Bei Defekten werden Wäch-

immunhistochemie im ZellZyklus: G1 checkpoint in cellcityS. Spieth

Abb.1: Zellzyklus

Synthese

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G1 Checkpoint:Sind DNA Schäden vorhanden? Ist die Zelle groß genug? Ist die Umgebung günstig?

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Page 2: immunhistochemie im ZellZyklus: G1 checkpoint in cellcity · 2013. 1. 1. · CYTO-INFO 1/2013 7 immunhistochemie im ZellZyklus: G1 checkpoint in cellcity geschulten“ Antikörpern

7CYTO-INFO 1/2013

immunhistochemie im ZellZyklus: G1 checkpoint in cellcity

geschulten“ Antikörpern anhand spezifischer Oberflächen-strukturen erkannt werden können. Diese Antikörper werden, je nach Methode, mit einem Farbstoff markiert. Am Gewebe-schnitt oder auch in den Zellen kann man anhand der Fär-beintensität oder der Lokalisation, an welcher die Färbung in der Zelle auftritt, Rückschlüsse ziehen, ob ein defektes oder fehlfunktionierendes Protein vorliegt. Dies ist von besonderer Bedeutung für die Tumordiagnostik. Denn das histomorpho-logische äußere „Erscheinungsbild“ im Schnittpräparat reicht jedoch nicht aus, um den inneren Charakter einer Neopla-sie zu beschreiben. Es gibt Tumoren, wie beispielsweise das Medulloblastom5, von welchem vier unterschiedliche Typen bekannt sind, die sich äußerlich kaum voneinander unter-scheiden, aber ein gänzlich anderes Verhalten hinsichtlich ihrer Aggressivität und der Prognose haben. Besonders in der Lymphomdiagnostik6 werden unterschiedliche Tumorenti-täten nicht mehr allein durch ihre äußere Erscheinung, son-dern auch durch ihr „inneres“ Bild beurteilt. Auch die Therapie und Prognose des Brust- und des Magenkarzinoms werden ganz entscheidend von den inneren Merkmalen der Tumoren beeinflusst.

literatur

1. Becker, J., The Cell Cycle. Elsevier Inc., 2007.

2. Lane, D.P., Cancer. p53, guardian of the genome. Nature, 1992. 358(6381):

p. 15-6.

3. Khleif, S.N., et al., Inhibition of cyclin D-CDK4/CDK6 activity is associated

with an E2F-mediated induction of cyclin kinase inhibitor activity. Proc Natl

Acad Sci USA, 1996. 93(9): p. 4350-4.

4. Schmiegel, W., et al., Zellzyklusregulation und gastrointestinale Tumoren.

European Journal of Clinical Research, ISSN 0947-8736

5. Jones, D.T.W., et al., Dissecting the genomic complexity underlying

medulloblastoma. Nature, 2012. 488(7409): p. 100-105.

6. Sweerdlow, S.H., „WHO Classification of Tumours of the Haematopoetic

und Lymphoid Tissues“ 2008, Lyon: IARC.

Abb. mod. n. www.uni-duesseldorf.de

Verfasser

Sibylle Spieth MIAC

Cytologisches Labor Bonn

Am Propsthof 3

53121 Bonn

Abb. 2: G1 Checkpoint und Regulation durch p16 und p53.

S-PhaseG1-Phase

Hemmende FaktorenZellalterung Kontakthemmung

P53Mangel an Wachtumsfaktor

Der Komplex wird abgebaut (Ubiquitiniert)

Der Komplex wird abgebaut (Ubiquitiniert)

DNA Defekt

Der „Gatekeeper“ öffnet den Weg in die S-Phase nicht

D

pRbE2F OFF

INK 4 Familie p16 KIP/CIP Familie p21

CDK 4/6

D E

CDK 2

STOPP