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K 1042 E www.gyne.de Fachzeitschrift für den Arzt der Frauen 29. Jahrgang 2008 1 Transmamilläre Vorgehensweise: Zielgerichtete Therapie auch in der brusterhaltenden Chirurgie. .1 Meinung: Erfolgreiche Präventivmedizin braucht Frauenärzte. . . . . . . . . . 8 Zunehmend häufiger Marknage- lungen bei Knochenbrüchen. . 12 Prämenopausale Eierstockent- fernung schadet dem Gehirn. . 14 Kontrazeption – Fertilitätskon- trolle – Familienplanung: Update und Trends (Folge I). . 16 Testosteron für ältere Männer mit gestörtem Stoffwechsel. . . . . . . 1 Testosteron-Mangel-Syndrom. . 2 Depressionen bei Hormon- mangel-Syndrom. . . . . . . . . . . 7 In dieser Ausgabe: Medizinische Medien Informations GmbH Am Forsthaus Gravenbruch 7 · 63263 Neu-Isenburg Postvertriebsstück, DPAG, Entgelt bezahlt LCIS DCIS Duktales M.-Ca. Lobuläres M.-Ca.

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Fachzeitschrift für den Arzt der Frauen • 29. Jahrgang 2008

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Transmamilläre Vorgehensweise:Zielgerichtete Therapie auch inder brusterhaltenden Chirurgie. .1

Meinung:Erfolgreiche Präventivmedizinbraucht Frauenärzte. . . . . . . . . . 8

Zunehmend häufiger Marknage-lungen bei Knochenbrüchen. . 12

Prämenopausale Eierstockent -fernung schadet dem Gehirn. . 14

Kontrazeption – Fertilitätskon-trolle – Familienplanung:Update und Trends (Folge I). . 16

Testosteron für ältere Männer mitgestörtem Stoffwechsel. . . . . . . 1

Testosteron-Mangel-Syndrom. . 2

Depressionen bei Hormon -mangel-Syndrom. . . . . . . . . . . 7

In dieser Ausgabe:

Medizinische Medien Informations GmbHAm Forsthaus Gravenbruch 7 · 63263 Neu-IsenburgPostvertriebsstück, DPAG, Entgelt bezahlt

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Fachzeitschrift für den Arzt der Frauen

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de Januar 200829. Jahrgang

Weltweit droht noch immer fast jederzweiten Frau mit Brustkrebs der

Organverlust. In Deutschland waren es imJahre 2004 noch 43% der betroffenenFrauen, die eine Amputation der Brusthinnehmen mussten (Tab. 1).

Trotz bislang weiterhin ansteigender In-zidenz konnte in den letzten Jahren die

Mammakarzinom-Mortalität gesenkt wer -den. Das heißt: Brustkrebs ist offensicht-lich lokal heilbar, vorausgesetzt dass beider Diagnosestellung noch keine Sys -temerkrankung vorliegt – bzw. die Primär-therapie diese verhindert. Als gesicherteErkenntnis gilt jedenfalls, dass die Brust-krebs-Sterblichkeit durch Frühdiagnoseund effiziente Primärtherapie reduziertwerden kann.

Dementsprechend bestehen folgendeFragen:▼ Wie lässt sich individuell die Diagnose„früh“ und die Therapie „effizient“ gestal-ten?

▼ Welche „rechtzeitig“ erhobenen Befun-de erlauben eine kurative lokale Antwort?▼ Wieviel systemische Adjuvans ist zurOptimierung der kurativen Therapiesi-cherheit notwendig?

Nicht zuletzt besteht zudem die Frage,wie man das vermeintlich medizinischNotwendige weitgehender als bisher mit

der individuellen Zumutbarkeit in Über-einstimmung bringen kann, und zwar● unter Berücksichtung der Besonder-heit der Brust als Symbol der Weiblich-keit, d.h.● unter Erhaltung des äußeren Körper-bildes und● unter Vermeidung persönlichkeitsver-ändernder Nebenwirkungen.

Konzeptionelle AnpassungDer für die Frühdiagnose notwendige

Klientinnenkontakt erfordert neben demVertrauen in die Wertigkeit der bildgeben-den Diagnostik und – im Hinblick auf die

Liebe Kolleginnen und Kollegen !

Da ist von Verweiblichung der Frauenheil-kunde die Rede, d.h. davon, dass es zu-

nehmend Ärztinnen sind, die eine Weiterbil-dung in der Frauenheilkunde und Geburtshilfeanstreben. Über kurz oder etwas länger werdenwir daher mit ~ 80% Frauenärztinnen und nurnoch ~ 20% Frauenärzten zu rechnen haben.Noch vor 20 Jahren lagen diese Prozentsätze ge-nau andersherum, berichtete kürzlich Prof. Dr.med. K. Friese, der Schriftführer der DGGG.

Manche sehen in dieser „Feminisierung“ einProblem – und dementsprechend wird vage vongeringerem Engagement im Beruf, ja auch vonMinderung des Qualitätsstandards im Fach undsogar – etwas dümmlich – von Stutenbissigkeitgesprochen, und zwar von Stutenbissigkeit nichtnur untereinander. Und nicht zuletzt wird be-fürchtet, Frauenärztinnen könnten womöglichweniger Verständnis für die Anliegen, Sorgenund Nöte von Frauen haben.

Nun ja, sieht man die abgelaufene „Femini-sierung“ im Beruf der Lehrer, so könnte an deno.g. Befürchtungen „etwas dran sein“: Die Leh-rer/Lehrerinnen haben sich das Heft an denSchulen aus der Hand nehmen lassen, insbeson-dere aber wohl deshalb, weil diejenigen wenigenMänner, die überhaupt noch Lehrer wur-den/werden, nicht gerade besonders mannhaft,standfest und qualifiziert waren/sind. Auch istder Ruf der Schulen – ausgenommen die Privat-schulen – nicht gerade der beste. Und im Beson-deren: Kaum eine Lehrerin will – wegen derMehrbelastungen – Rektorin/Direktorin wer-den, und mindestens 5.000 Lehrerinnen/Lehrerscheiden pro Jahr vorzeitig, d.h. etwa 10 Jahrevor dem eigentlichen Pensionsalter wegen tat-sächlicher oder vorgetäuschter (?) psychischerProbleme aus dem Beruf aus.

Nun ja, im Russland zu Zeiten der Sowjetuni-on waren hochqualifizierte Männer zu schadefür die („unproduktive“) Medizin. Sie sollten In-genieure oder Offiziere werden. Und heute beiuns?

Nun ja, andererseits wurden junge Frauen inJapan noch bis vor wenigen Dekaden – so an derJoshiidai-Universität zu Tokio – allenfalls zu ei-ner Art „Barfußärztinnen“ ausgebildet. Und beiuns ist es ja auch nicht gerade sehr lange her, dassman Frauen als Ärztinnen nicht viel zutraute.

Nun ja, wir werden sehen. Die Entwicklungwird vor allem davon abhängen, wie sich unsersozialistisch formiertes, von Kontrollzwängenseitens der Politik geprägtes sowie von einemWirrwarr von Vorschriften, Auflagen und dem-nächst Verträgen zerfurchtes Gesundheitswesenentwickeln wird (für das sich Männer anschei-nend zunehmend zu schade sind?). Denn wahr-scheinlich hat K. Friese vollkommen Recht mitseiner Einschätzung, dass Frauen andere Priori-täten setzen und „pekuniär nicht so fixiert“ sindwie Männer. Ich jedenfalls habe bislang aus-schießlich sehr qualifizierte und sehr engagierte– wenn auch z.T. lediglich halbtags tätige – (jun-ge) Frauenärztinnen beobachten können, gera-de auch solche mit Kindern!

Ihr Hans Uwe Feldmann, Essen ■

Transmamilläre Vorgehensweise:

Zielgerichtete Therapie auch inder brusterhaltenden Chirurgie

P. Matthai, H. Renner und A. Spieler

Abb. 1: Lokalisa-tionen von dukta-lem Carcinoma insitu (DCIS), inva-sivem duktalenCa., lobulärem Ca.in situ (LCIS) undinvasivem lobulä-ren Mammakarzi-nom: Es ist einüberwiegend ach-senparallelesWachstum beimduktalen und lo-bulären Mamma-karzinom zu kons -tatieren.

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2 Januar 2008

Mammaläsionen/-karzinome

ggf. notwendigen therapeutischenKonsequenzen – vor allem auch derAnxiolyse. Die Motivation zum risiko-adaptierten Vorsorgeverhalten derzunnehmend von Brustkrebs bedroh-ten Frauen sollte also mit einer Angst-lösung verbunden werden.

Um beide Ziele zu erreichen, bedarfes jedoch – tumorkonform und zielge-richtet – neben der institutionellenauch der konzeptionellen Anpassung,vor allem auch in der Chirurgie: Gehtman davon aus, dass ein Brustkrebs inseinem Frühstadium nicht als Organ-erkrankung, sondern als eine relativkonstant ablaufende, maligne Ent-wicklung innerhalb einer funktionel-len Lappeneinheit der Mamma anzu-sehen ist, dann hat eine tumorkonfor-me Therapie die tumordistante, nochnicht invasive Komponente der Läsioneinzubeziehen.

Das chirurgische Konzept unter ku-rativer Intention beinhaltet also nebender Elimination des Primärtumorsauch die intraduktale „Blockade“ pa -rallel zur Lappenenachse in RichtungMamille.

Im Rahmen der modernen thera-peutischen Strategie spricht manvon einem „chirurgischen“ Vorgehen,wenn es sich um eine strategisch ge-zielte Maßnahme unter weitgehenderSchonung erhaltungswürdiger Struk-turen handelt. Dabei bestimmt dieZielgenauigkeit die Treffsicherheit,mit der neben der Erkennung des Tu-mors und dessen Ortung auch dessenvermutliche Ausbreitungsrichtungeruiert wird.

Wenn wir also nicht weiterhin –

cherheit nicht eher in Anpassung andie Lappenanatomie und die Patho-physiologie des Tumors durch einetherapeutische Zielrichtungsumkehrzu erreichen ist.

In der Studie von R. Holland et al.(2), in der in 60% aller Mastektomie-Präparate ein non-invasives bzw. mi-kroinvasives Tumorwachstum in Aus-breitung bis hin zu 4cm Distanz vomTumorrand evaluiert wurde (Abb. 3),wurde davon ausgegangen, dass derTumor sich äquidistant zirkulär aus-breitet. Das ist jedoch nicht der Fall,wie sich schon mammographisch zei-gen lässt (Abb. 4).

Die Diskontinuität des intradukta-len Tumorwachstums mit gesundenBrücken, die über 10mm lang seinkönnen (1), sollte Anlass geben, dieleitlinienempfohlene R0-Sicherheitneu zu definieren und die konventio-nelle chirurgische Vorgehensweise –zentrifugal vom Tumor weg – zu über-denken.

Transmamilläre Tumor -exstirpationSowohl die Leitlinienforderung

nach einem 1mm breiten tumorzell-freien Randsaum bei der chirurgisch-radiologischen lokalen Kontrolle alsauch die Forderung nach einem tu-morzellfreien Rand mit einem Ab-stand von 5mm bzw. 10mm vom in-vasiven bzw. non-invasiven Tumor beiausschließlich chirurgischer Interven-tion, lässt weitgehend unberücksich-tigt, das der Tumor diskontinuierlichmamillenwärts gerichtet wächst.Nicht zuletzt ist damit die sog. Exten-

mehr oder weniger blind – den bildge-bend nicht darstellbaren intradukta-len, d.h. non-invasiven bzw. mikroin-vasiven Läsionen „hinterher laufen“wollen, dann müssen wir den Tumorvom noch nicht befallenen Bereich –der Ausbreitungsrichtung entgegen –angehen.

Umkehr der ZielrichtungDie Vorstellung vom freien Rand-

saum, der im Hinblick auf die Resttu-mor=0-Sicherheit derzeit leitlinien-empfohlen angestrebt wird, unterstellteine einheitliche „Frontlinie“, d.h.vernachlässigt, dass das parallel zurLappenenachse, mamillenwärts ge-richtete fokale Tumorwachstum dis-kontinuierlich ist. Zu erreichen ist die-se R0-Sicherheit aber nur durch dievollständige Elimination des Tumorseinschließlich seiner Anteile in den in-traduktalen und lymphatischen Aus-breitungswegen.

In der sagittalen Ebene der Mammawird die intraduktale Tumorenent-wicklung entsprechend der Lappen -anatomie überwiegend konstantdurch die Ductus lactiferi mit derBrustwarze und durch die Faszie desMusculus pectoralis begrenzt (1). Umdie transversale Ebene abzugrenzen,müssen wir uns jedoch zunächst ein-mal von der Vorstellung einer wohlge-ordneten, tortenstückartigen Lappen -anatomie verabschieden. Diese stelltnämlich in Abhängigkeit von Brust-größe und Brustform sowie von derTumortopographie eine Variable dar.

Es ist also legitim, darüber nachzu-denken, ob die chirurgische R0-Si-

Tab. 1: Rate an Amputationender Mammae in verschiedenenLändern bei Erkrankungen anBrustkrebs

Frankreich 28 %Großbritannien 31 %Belgien 37 %Italien 41 %Deutschland 43 %Schweiz 47 %Niederlande 48 %USA 56 %Spanien 66 %Polen 98 %Quelle: J. Jassem, Präsentation anlässlich der 4.Europäischen Brustkrebskonferenz in Hamburg,März 2004.

Abb. 2: Mammakarzi-nom bei einer90-jährigen Frau:Mammographischer„Herdbefund“ mitachsen paralleler„Schweifbildung“ inRichtung Mamille.

Abb. 3: Häufigkeit peritumoraler, non-invasiver bzw. mikroinvasiver maligner Manifestationen inder Mamma (nach R. Holland et al., 1985):▼ a) 40% der Tumoren wachsen ohne peritumorale non- bzw. mikroinvasive Herde,▼ b) 20% der Tumoren zeigen innerhalb 2cm peritumoral non- bzw. mikroinvasive Herde, und▼ c) 40% der Tumoren weisen innerhalb 4cm peritumoral non- bzw. mikroinvasive Herde auf.

Dr. med.Peter Matthai,Nürnberg.

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3Januar 2008

Mammaläsionen/-karzinome

sive intraduktale Komponente (EIC)als Ausschlusskriterium für eine brust -erhaltende Therapie (BET) nur unterBerücksichtigung● der Lokalisation des Tumors,● der Brustvolumen-abhängigen in-traduktalen Ausbreitung des Tumorsund● der Vollständigkeit, mit der der Tu-mor nebst der peritumoralen mikroin-vasiven Herde entfernt wurde, zu be-urteilen.

Da ein transmamillär exstirpierter,retromamillär lokalisierter Primärherdnatürlich eine kürzere intraduktaleKomponente aufweist als ein Tumor inbasaler Lokalisation, wird zudemdeutlich, dass Sicherheit und Progno-serelevanz sich nicht generell nachZentimetern beurteilen lassen !

Die weltweit zumeist noch zweistel-ligen Raten an Lokalrezidiven lassensich möglicherweise damit erklären,dass bei chirurgisch konventioneller,zentrifugaler Vorgehensweise im über-wiegend kugeligen Tumorbett sowieim Retromamillärraum non-invasiveund mikroinvasive Residuen sowohlchirurgisch als auch strahlentherapeu-tisch nicht mit erfasst wurden. Dennaußer Zweifel ist der Retromamillär-raum für die regionale und auch dieFernmetastasierung von größter Be-deutung, wie an der mammärenLymph anatomie ablesbar ist (Abb. 5)(4).

J. Grant et al. (1953) sprechen demPlexus subareolaris Sappey die Funktioneines „Lymphpools“ zu, „in den alleLymphe der Mamma zuströmt“ – undden ein subkutaner lymphatischerKurzschluß mit der Axilla verbindet (5).

Studienbelegt sind retromamillär inbis zu einem Drittel der Fälle Satelli-tentumoren zu erwarten. A.H. Tulu-san (1993) fand jedenfalls in 286Mastektomie-Präparaten in 31% beiprimär ausserhalb des Retromamillär-

raums lokalisierten Mammakarzino-men retromamilläre Satellitentumo-ren (6).

Eine Korrelation zwischen subkuta-ner Malignomlokalisation und demRisiko für eine axilläre Metastasierungfanden auch J.E. Cunnigham et al.(2006), und zwar bei Herdlokalisatio-nen bis zu 6mm unter der Haut (7).

In Anbetracht dessen, dass sich dieRadikalität therapeutischer Konzepteam Nodalstatus orientiert, ist die chi -rurgisch-radiologische lokale Kontrol-le unmittelbar retroareolär auch vonprädiktiver Bedeutung (8). Dem ent-spricht:

Abb. 4: Mammo-graphie: Mikro-kalk in pathogno-monisch drei -eckiger Grup -pierung, der dasachsenparalleleintraduktale Tu-morwachstum inRichtung Mamil-le anzeigt (nachM. Lanyi, 2003)(3).

Abb. 5: Lymphanatomie der Mamma mit typischer Lokalisati-on eines Sentinel-Lymphknotens (SLN).➞

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4 Januar 2008

Mammaläsionen/-karzinome

▼ U. Veronesi versucht bereits seitJahren die retromamilläre Tumorkon-trolle intraoperativ durch transkutaneretroareoläre Bestrahlung – zusätzlichzur intrakavitären Tumorbettbestrah-lung – zu erreichen (9).▼ Auf dem Lübecker Senologiekon-gress 2007 wurde über Kliniken be-richtet, die nach präoperativ zusätzlichvorgenommener, retroareolär positi-ver Stanzbiopsie das „brusterhaltende“chirurgische Vorgehen durch die Mit-nahme des Mamillen-Areola-Komple-xes (MAK) erweitern.

Der Retromamillärraum ist also of-fensichtlich als Problemzone hinsicht-lich der lokalen Tumorkontrolle er-kannt. Die radiologische als auch diechirurgische Problemlösung ist jedochnoch als unbefriedigend anzusehen.

Die von uns seit 1998 – insbesonde-re bei peripherer Tumorlokalisation –bevorzugt gewählte transmamilläreVorgehensweise bietet die Möglichkeiteiner sektoriellen En-bloc-Resektionunter Einschluss des Retromamillär-raums und unter Einhaltung ästheti-scher Vorgaben, da es im Bereich desMAK lediglich zu einer kaum sichtba-ren Narbenbildung kommt. Die chir-urgische R0-Sicherheit wird bei dieserVorgehensweise in der Sagittalebenedurch den am Präparat verbleibendenNippel- und Faszienanteil (Abb. 6a)und in der Transversalebene durchpräparatradiographisch-gezielt vorge-nommene Wundbettbiopsien erreicht(Abb. 7).

Die intraoperative Befundung desvon M. Lanyi als „Schattenpatholo-gie“ bezeichneten Präparat-Radio-gramms (Abb. 7b) ist insofern vongroßer Bedeutung, als sie die Grundla-ge für eine nahezu vollständige Über-einstimmung mit den postoperativ er-hobenen histologischen R0-Befundendarstellt (Prof. Dr. med. P.H. Wünsch,Nürnberg) (Tab. 2).

Die bei uns obligaten, präparatra-diographisch-gezielt vorgenommenenWundbettbiopsien (Abb. 7c) dienender histologischen R0-Sicherung auchüber den vermeintlich tumornahenResektionsrand hinaus.

Zudem kann gelten, dass die in-traoperative bioptische R0-Siche-rung aus dem konischen Tumorbettauch in der Transversalebene das Re-sektatvolumen zu reduzieren undunnötige Nachresektionen zu ver-meiden hilft.

Umkehrung des Operations-wegesBei konventioneller chirurgischer

Technik bewegen wir uns überwie-gend zirkulär vom Tumor weg in einevermeintlich tumorzellfreie Zone, d.h.wir erreichen möglicherweise eine nurscheinbare R0-Sicherheit. Vor allembei peripherer Tumorlokalisationkönnte somit die Umkehrung desOperationsweges – transmamillärdem Tumorwachstum entgegen – derForderung nach einer tumorkonfor-men und zielgerichteten chirurgischenVorgehensweise eher gerecht werden,als dies bei konventioneller zentrifu-galer OP-Technik der Fall ist. Dietransmamilläre sektorielle Teilmastek-tomie ist also nicht nur eine minima-linvasive Zugangsvariante. Sie ist mög-licherweise auch die adäquate, chirur-gisch tumorkonforme Antwort auf dieintraduktale und retromamilläre Ma-nifestation des Tumors – zielgerichtetauf dessen achsenparallele Ausbrei-tung.

Das Verfahren ist darüber hinauswie folgt zu charakterisieren: ● Es bedeutet einen sicheren undchirurgisch-ästhetischen Strategie-wechsel zur Erhaltung des äußerenKörperbildes. ● Es bietet die Möglichkeit der Brust -erhaltung auch bei peripherer Tumor-lokalisation in der postmenopausalhäufig ptotisch flachen Brust.● Es bietet eine Kontrolle auch dermikroinvasiven Komponenten einesTumors zur Erzielung einer optimier-ten R0-Sicherheit.● Es ist die notwendige chirurgischeVorgabe zur Entradikalisierung des ge-samten multimodalen Therapiekon-zepts bei Mammatumoren.

Erfassung von Sentinel-LymphknotenDie Forderung nach einer reduzier-

ten chirurgischen Radikalität beinhal-tet auch ein zielgerichtetes, tumorkon-formes Vorgehen in der Axilla. Voraus-

Abb. 6a: Transmamilläre En-bloc-Resektioneines Mammatumors unter Mitnahme einesTeils des Nippels.

Abb. 6b: Transmamilläre Exzision der sog.Extensiven intraduktalen Komponente (EIC)eines Tumors.

Abb. 6c: Koriale Mamillenrekonstruktionnach transmamillärer Resektion eines Mam-matumors.

Abb. 6d: Intrakutane Mamillenrekonstrukti-on nach transmamillärer Resektion einesMammatumors.

Tab. 2: Resttumor(R)-Sicherheitbei primär einzeitigen transma-millären Resektionen (n = 98)

R0 95R1 0R2 0Rx 3

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5Januar 2008

Mammaläsionen/-karzinome

setzung dafür ist die präoperativeLymphszintigraphie, die den Opera-teur nicht nur über die Lokalisation,sondern vor allem auch über die An-zahl aller funktionell definierten Sen-tinel-Lymphknoten informiert (11).

Offensichtlich unter Nutzung desvon R. Bässler beschriebenen retroma-millären Lymphpools und dessen lym-phatischen Kurzschlusses zur Axillainjizieren die Nuklearmediziner heutedas Technetium-99m übrigens auchnicht mehr peritumoral, sondern sub-areolär. Es ist dies ein weiterer Hinweisauf die außerordentliche, prognosere-levante Bedeutung retromamillärernon-invasiver oder mikroinvasiver Re-siduen im Hinblick auf die regionaleund damit auch die systemische Metas-tasierung (12).

Die transmamilläre sektorielle En-bloc-Resektion – in Verbindung mitintraoperativer präparatradiographi-scher und histologischer Befundsiche-rung – einschließlich der Vornahmevon Wundbettbiopsien und der Erfas-

sung von Sentinel-Lymphknoten bie-tet somit ein hohes Maß an lokalerund auch regionaler chirurgischer R0-Sicherheit. So relativ zeitaufwendigdiese interdisziplinäre One Step Proce-dure auch ist, bei sorgfältiger Durch-führung gewährleistet sie jedoch nichtnur die Vermeidung von Folgeeingrif-fen, sondern womöglich auch eine Re-duzierung der Radikalität von Strah-len- und Chemotherapien.

Im Hinblick auf den chirurgischenZielrichtungswechsel sollte aber aucheine stärker zielgerichtete Strahlenthe-rapie erwogen werden. Diesbezüglichsind folgende Entwicklungen zu be-rücksichtigen:▼ Die derzeit laufenden Studienzur intraoperativen Strahlentherapie(IORT) basieren u.a. auf der Erkennt-nis, dass verbliebene Stammzellen inder mehrwöchigen Wundheilungs-phase reaktiviert werden können (13).▼ Bei der strahlentherapeutischensog. Tumorkonformation wird das bis-herige Zielgebiet zugunsten der mögli-cherweise distant zur Wundhöhle ver-bliebenen Mikroherde einschließlichder potentiell befallenen lymphati-schen Ausbreitungswege verlassen.▼ Bei der intrakavitären Strahlenthe-rapie wird die Zielrichtung von trans-kutan-zentripetal zu zentrifugal-peri-kavitär gewechselt.

Die intrakavitärte Strahlentherapiebedeutet also – angepasst an die kon-ventionelle chirurgische Vorgehens-weise – einen strahlentherapeutischenZielrichtungswechsel im Sinne einerzentrifugalen Bestrahlung des Rand-saumes der Wundhöhle. Bei dieserdann chirurgisch wie radiologischidentischen Zielrichtung bleibt jedochder Retromamillärraum um so mehrunberücksichtigt, ein potentielles Si-

cherheitsdefizit, das chirurgisch überden transmamillären Zugang kom-pensiert werden könnte.

Fazit:Die derzeit erkennbare Senkung der

Mammakarzinom-Mortalität bei nachwie vor ansteigender Brustkrebs-Inzi-denz ist möglicherweise auf eine ver-besserte Primärtherapie bei zeitlichfrüher diagnostizierten Karzinomenzurückzuführen. Die Verhinderungprognoserelevanter systemischer Krank-

Abb. 7c: En-bloc-Resektat mit Wundbiopsa-ten (Biopsien bei 12, 3, 6 und 9 Uhr sowie ausdem ventralen und dorsalen Wundbettbe-reich).

Abb. 7a (links): KraniokaudalesMammogramm: Es stellt sichein Mammatumor mit achsen -paralleler Schweifbildung dar.

Abb. 7b (rechts): Präparat-Ra-diogramm des Tumors mit ach-senparalleler Schweifbildung.

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6 Januar 2008

Mammaläsionen/-karzinome

heitsverläufe setzt jedoch den rechtzei-tigen Klientinnenkontakt und ein syn-ergistisches Therapiekonzept voraus.

Ein der Tumorkonformation ent-sprechender chirurgischer Zielrich-tungswechsel – transmamillär, d.h. derRichtung der Tumorentwicklung ent-gegen – könnte das gesamte multimo-dale Therapiekonzept unter Optimie-rung der kurativen Sicherheit undunter Erhaltung des äußeren Körper-bildes entradikalisieren:● Die transmamilläre sektorielle En-bloc-Resektion eines Mammatumorsist möglicherweise ein neuer strategi-scher Ansatz zur Durchsetzung einesentradikalisierten therapeutischen Ge-samtkonzepts.

● Eine tumorkonform zielgerichteteOptimierung der lokalen Tumorkon-trolle ist eine conditio sine qua non fürdie Reduzierung hochbelastender, ad-juvanter systemischer Therapien.● Die transmamilläre Vorgehenswei-se bietet mehr Angstlösung bei den zu-nehmend von Brustkrebs bedrohtenund betroffenen Frauen.

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Anschrift für die Verfasser: Dr. med. PeterMatthai, Äußere Sulzbacher Straße 133,90491 Nürnberg,E-Mail: [email protected]

Abb. 8: Strahlentherapeutische Zielrichtung(schematisch) bei der intraoperativen Radio-therapie (IORT).