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Baudenkmalpflege In Lehre und Forschung Festschrift für Prof. Dr.-Ing. Jürgen Eberhardt Titel: Nordostansicht der Schlosskapelle in der Zitadelle in Jülich. Rücktitel: Der napoleonische Brückenkopf in Jülich gehörte zum Gelände der Landesgartenschau im Jahr 1998.

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Baudenkmalpflege

In Lehre und Forschung

Festschrift für

Prof. Dr.-Ing. Jürgen Eberhardt

Titel:Nordostansicht der Schlosskapelle in der

Zitadelle in Jülich.

Rücktitel:Der napoleonische Brückenkopf in Jülich

gehörte zum Gelände der Landesgartenschau im Jahr 1998.

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Seite 9Grußwort des Rektors der FH Köln , Prof . Dr. J . Metzner

Seite 11Grußwort des Dekans der Fakul tät für Archi tektur, Prof . Dr. M. Werl ing

1 . DIE LEHRE

Seite 14Die Vertiefungsrichtung und das Zusatzstudium, Dipl.-Ing. M. Rentrop-Yen

Seite 16Baugeschichte, Stadtbaugeschichte und Entwerfen, Prof. Dr. M. Werling

Seite 24Historische Grundlagen für heutige Planungen, PD Dr. P. Zimmermann

Seite 26Archäologie: Im Boden versteckte Geschichte, Dr. A. Jürgens

Seite 30Stadterhaltung als Aufgabe der Stadtentwicklung, Dr. B. Precht-von Taboritzki

Seite 33Lebendige Zeugnisse in der Architektur, Dr. phil. Dipl.-Ing. Th. Werner

Seite 34Der Geschichte auf der Spur: Das Fach Dokumentation / Inventarisation, Dr. N. Schöndeling

Seite 36Historische Bautechnik, Prof. B. Franken / Prof. U. Kuhn

Seite 38Von Pilzen und saurem Regen: Konservierungs- und Sanierungstechniken, Dr. N. Schöndeling

Seite 40Sondergebiete der Werkstofflehre, Dipl.-Ing. H. Schmitz

Seite 42Historische Tragwerke: Zisterzienserkloster Walkenried, Prof. Dr. R. Hempel

Seite 48Mit aller Energie: Technischer Ausbau in denkmalwerten Gebäuden, Dipl.-Ing. H. A. Preißler

Seite 50Die Lehrbaustelle Burg Nothberg, Dipl.-Ing. A. Kotitschke / Dipl.-Ing. H. Rosenkranz

Seite 54Die Lehrbaustelle im Bergischen Freilichtmuseum, Dr. N. Schöndeling

Alle Rechte vorbehalten

Herausgeber Fakultät für Architektur der Fachhochschule Köln

Bezugsquelle Lehr- und Forschungsgebiet Denkmalpflege,und Vertrieb Erhaltungs- und Nutzungskonzeptionen

am Institut Baugeschichte und DenkmalpflegeFakultät für ArchitekturFachhochschule KölnBetzdorfer Straße 250679 Köln

Redaktion Anna Koll-Broserund Gestaltung Norbert Schöndeling

Michael Werling

Druck Moeker Merkur Druck GmbHNiehler Gürtel 10250733 Köln

Auflage 600

Köln 2003

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Seite 56Vom respektvollen Umgang: Erarbeitung einer Erhaltungskonzeption, Dr. N. Schöndeling

Seite 58Erarbeitung einer Ortssatzung oder Denkmalbereichssatzung, Dipl.-Ing. H. Walgern

Seite 60Mit Bandmaß und Tachymeter: Vermessungskunde, Dipl.-Ing. J. Broser

Seite 63Mit Laptop und Tachymeter: Bauaufnahme I und II, Dipl.-Ing. J. Broser

2. FORSCHUNG

Baudenkmalpf legeforschung

Seite 66Baudenkmalpflegeforschung an der Fakultät für Architektur an der FH Köln, Dr. N. Schöndeling

Seite 70Stadt und Zitadelle Jülich, Dr. N. Schöndeling

Seite 74Die Südbrücke der Zitadelle Jülich, Dr. N. Schöndeling

Seite 76Der napoleonische Brückenkopf in Jülich, Dr. N. Schöndeling

Seite 80Die Erdwälle des napoleonischen Brückenkopfes, Dipl.-Ing. J. Broser

Seite 84Die ehemalige Reifenwerksiedlung in Fürstenwalde, Dr. N. Schöndeling

Archäologische Bestandserhebungen

Seite 86Archäologische Bestandserhebungen in historischen Stadt- und Ortskernen in NRW,

Dr. N. Schöndeling

Seite 88Detmold, Dipl.-Ing. E. Kandler

Seite 90Duisburg, I. Buhren, M. A. / H.-P. Schletter, M.A.

Seite 93Essen-Werden, K. Lynch, M.A.

Seite 96Ellwangen, Dipl.-Ing. K. Krieger

Seite 98Freudenberg, Dipl.-Ing. E. Kandler

Seite 100Hennef – Stadt-Blankenberg, Dipl.-Ing. E. Kandler

Seite 102Paderborn, M. Moser, M.A.

Seite 104Paderborn – Schloß Neuhaus, Dipl.-Ing. E. Kandler

Seite 106Wiedenbrück, Dipl.-Ing. K. Krieger

Seite 108Darstellung der mittelalterl. Stadtbefestigung Wesel im heutigen Kataster, J. Pilarska, M. A., Stadtplanerin

Seite 110Darstellung der Festung Wesel im heutigen Kataster, J. Pilarska, M. A., Stadtplanerin

Seite 112Soest, Dipl.-Ing. K. Krieger

Seite 115Rheinbach, J. Pilarska, M. A., Stadtplanerin

Seite 116Tecklenburg, Dipl.-Ing. K. Krieger

Seite 119Warburg, Dipl.-Ing. E. Kandler

Erhal ten und Präsent ieren

Seite 121Jülich virtuell, J. Pilarska, M. A., Stadtplanerin

Seite 122Die Talaue Haus Marck in Tecklenburg, Dr. N. Schöndeling

Seite 124Burg Stromberg in Oelde, Dipl.-Ing. V. Kirsch

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Nicht zufällig gehört ‘festschrift’ zu den wenigenWörtern, die – ohne Verballhornung – von derdeutschen in die englische Sprache eingewandertsind. Es ist im Englischen der Fachausdruck für dieEhrung von Gelehrten; andere verdiente Persön-lichkeiten müssen sich mit einer ‘commemorativepublication’ begnügen. Hier ist also in der deut-schen Wissenschaftskultur ein Brauch gewachsen,der immer noch international prägend wirkt, ob-wohl er im Herkunftsland immer mehr zurückgeht.Umso passender ist es, wenn gerade einem he-rausragenden Fachmann für Baudenkmalpflege inunseren Tagen diese besondere Ehrung zuteil wird.

Der Abschied von Herrn Professor Dr. Eber-hardt als aktivem Hochschullehrer in der Fach-hochschule Köln fällt nicht leicht. Denn nicht alleindie Fakultät für Architektur, sondern die ganzeHochschule hat ihm viel zu danken. Trotz ihrerGröße und Vielfalt muss unsere Hochschule immerdarauf achten, dass sie mit ihren Besonderheiten,mit ungewöhnlichen Projekten und herausragendenLeistungen nicht nur die Blicke der Fachwelt aufsich zieht, sondern auch ihr Bild in der interessier-ten Öffentlichkeit deutlich konturiert. Dazu hat HerrProfessor Eberhardt mit seinen Arbeiten und Akti-vitäten einen wichtigen Beitrag geleistet. Das Profilder Fachhochschule Köln wäre weniger anspruchs-voll, wenn die Vertiefungsrichtung im StudiengangArchitektur und das Zusatzstudium Baudenkmal-pflege in ihrer Angebotspalette fehlten.

Dabei ist hervorzuheben, dass die von ProfessorEberhardt verantwortete Lehre und Forschung ausseinem Grundverständnis heraus immer auf dieAnalyse und Lösung aktueller denkmalpflegerischer

Probleme vor Ort gerichtet war und ist. Er hatdamit neue Wege im Wissenstransfer beschrittenund sichtbar gemacht, dass die FachhochschuleKöln nicht nur eine anspruchsvolle Ausbildungsein-richtung sondern darüber hinaus auch ein wissen-schaftliches Dienstleistungszentrum ist, das tech-nologisches und kulturelles Wissen für komplexegesellschaftliche Aufgabenstellungen bereithält.

Mein persönlicher Dank als Rektor gilt aberauch meinem Kollegen Eberhardt, dessen Bemü-hungen ich seit den Gründungstagen des Zusatz-studienganges und des Instituts für bauhistorischeUntersuchungen begleiten und unterstützen konn-te. Das war nicht immer leicht. Doch das aus derBegeisterung für die Sache gespeiste Durchhalte-vermögen, das Professor Eberhardt auszeichnet,hat letztlich immer den Erfolg gebracht und auchseine Mitarbeiter und Unterstützer motiviert. Wieschön, dass man diese Erfolge sehen und als Besu-cher genießen kann.

So ist dieser Festschrift zu wünschen, dass sienicht nur die Ergebnisse der Forschungs- undLehrtätigkeit von Herrn Professor Eberhardt doku-mentiert, sondern auch zum Weitertragen seinerIdeen und zur Nachahmung seines Engagementsanregt.

Köln, im Juli 2003

Prof. Dr. Joachim Metzner

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Grußwort des Rektors

„Die Hochschule dankt“

Bauforschung und Restaur ierungskonzept ion

Seite 126Schloss Hambach, Dipl.-Ing. J. Broser

Seite 128Schloss Senftenberg, Dipl.-Ing. E. Kandler

Seite 130Haus Meer, Dr. N. Schöndeling

Planungsinstrumente

Seite 132Denkmalbereichssatzung Duisburg-Huckingen, Dipl.-Ing. V. Kirsch

Seite 134Denkmalpflegeplan Bonn-Beuel, Dr. N. Schöndeling

Seite 136Gestaltungssatzung für die Zechensiedlung Dinslaken, Alt-Lohberg, Dr. N. Schöndeling

Seite 138Gestaltungssatzung Paderborn-Zentrum, Dipl.-Ing. V. Kirsch

Seite 140Prof . Dr. Ing. Jürgen Eberhardt – zur Person, Dr. N. Schöndel ing

Seite 142Kol legen und Mitarbei ter :

im Inst i tut für Baugeschichte und Denkmalpf lege

im Zusatzstudium „Baudenkmalpf lege, Denkmalbereichs- und Umfeldplanung“

und im Lehr- und Forschungsgebiet Baudenkmalpf lege

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Diese Überschrift erscheint besonders geeignetfür eine Festschrift zu Ehren von Jürgen Eberhardt,weil sie klar umreißt, was seine Devise in über dreiJahrzehnten Lehr- und Forschungstätigkeit gewe-sen ist. Der Gedanke, eine Festgabe für JürgenEberhardt auszurichten, entstand im Institut fürBaugeschichte und Denkmalpflege der Fakultät fürArchitektur der FH Köln, in dem der Geehrte wirk-te und bis zu seiner Emeritierung auch als In-stitutsdirektor zusätzliche Verantwortung trug. Dader Brauch der Widmung von Festschriften zuneh-mend in Frage gestellt, bisweilen sogar als über-holte Konvention abgetan wird und Jürgen Eber-hardt das Entstehen der ihm zugedachten Fest-schrift – hätte er es denn gewusst – nicht nur mitsehr gemischten Gefühlen betrachtet, sondern esgar abgelehnt hätte, bleibt festzuhalten, dass sichdie unmittelbar mit „seinem“ Institut verbündetenKolleginnen und Kollegen, Mitarbeiterinnen undMitarbeiter von der Idee dieser Festgabe habentrotzdem begeistern lassen. Dass wir den Gedan-ken also in die Tat umsetzten, ist vor allem darinbegründet, dass Jürgen Eberhardt nicht nur alsHochschullehrer, sondern auch als Persönlichkeitunsere Fakultät entscheidend mitgeprägt hat. Siehat ihm viel zu verdanken!

Nachdem er im Jahre 1971 zum Professor fürdas Fachgebiet „Baudenkmalpflege“ nach Köln be-rufen wurde, galt es für ihn zunächst, diesenSchwerpunkt in Forschung und Lehre zu etablierenund im Rahmen der Architekturausbildung als einefeste Konstante zu verankern. Aber damit nichtgenug, hatte er es sehr bald geschafft, zusätzlicheinen Zusatzstudiengang, nämlich „Baudenkmal-pflege, Denkmalbereichs- und Umfeldplanung“ anunserer Hochschule zu installieren, um im Rahmeneines Kurzstudienganges Architekten auf einerbreiten wissenschaftlichen Grundlage für Aufgaben

speziell im Tätigkeitsfeld der Denkmalpflege heran-zubilden. Daneben galt sein besonderes Interesseimmer dem Aufbau seines Forschungs- und Ent-wicklungsschwerpunktes Baudenkmalpflege. Hierhat er im Rahmen der Drittmittelforschung an derFakultät seit über einem Jahrzehnt zum Teil sehrumfangreiche Forschungsprojekte bzw. gutachterli-che Aufgaben mit seinen Mitarbeiterinnen undMitarbeitern, im Übrigen aus den verschiedenstenFachrichtungen, bewältigt. Dass er bemüht war,diese einzelnen Forschungsteams durch Studie-rende vor allem des Studienschwerpunktes „Bau-denkmalpflege“ zu ergänzen – damit eine praxisna-he Ausbildung erfolgt – versteht sich von selbst.

Überhaupt hat er die Lehre als zentrale Aufgabeseines Schaffens verstanden und die Studierenden– ob jung oder alt – durch seine eigene Freude ander Historie und durch den Umgang mit histori-scher Bausubstanz fasziniert. Welcher Kölner Ar-chitekturstudent erinnert sich nicht an EberhardtsVorlesungen zur „Einführung in die Geschichte derDenkmalpflege“, wo er mit feiner Ironie das einoder andere denkmalpflegerische Bemühen seinerArchitektenkollegen anzuprangern verstand. Oderseine fast allwöchentlich stattfindenden Exkursio-nen zur Lehrbaustelle Burg Nothberg, wo er, trotzchronischem Rückenleiden, immer an vordersterFront die schwersten Quader auf einen der restau-rierungsbedürftigen Ecktürme wuchtete.

In seinen Entwurfsbetreuungen spielte natürlichder Bereich des „Bauens im historischen Kontext“eine wesentliche Rolle. Auch hierbei suchte erstets den aktuellen bzw. praxisorientierten Bezug,was eine Sichtung seiner über die Jahre gestelltenEntwurfs- und Diplomthemen leicht veranschau-licht. Bei diesen Korrekturgesprächen – die mitun-ter lange dauern konnten – ging er immer gerade-

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Grußwort des Dekans der Fakultät für Architektur

Es ist mir eine besondere Freude, für diese Festschrift ein Vorwort beisteuern zu dürfen, gehörte dochHerr Prof. Dr.-Ing. Jürgen Eberhardt zu den ersten Personen, die ich an der FH Köln kennen lernte, nämlichals Mitglied meiner eigenen Berufungskommission!

„Dem kulturellen Erbe verpflichtet“.

Historisches Luftbild der Burgruine Nothberg bei Eschweiler, Rheinland

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zu fürsorglich auf die jeweils ihm gegenübersitzen-de Person ein. Er verstand es, für jedermann ein-sichtig, die entsprechenden Entwurfskriterien zuerläutern und was ebenso wichtig ist, aufbauendund motivierend auf die ihm Anvertrauten einzuwir-ken. Für seine Studentinnen und Studenten hatteer mehr als nur eine offene Tür und ein offenes Ohr.Er war, seit ich ihn kenne, für die Studierendenauch der väterliche Freund, der ansprechbar war,in Sorgen und Nöten!

Darüber hinaus setzte er sich in den unter-schiedlichsten Ausschüssen der Fakultät immerwieder für ein breites und nicht nur der Denkmal-pflege verpflichtetes Lehrangebot ein. Da er seineAnwesenheit an der Hochschule sehr ernst nahmund dadurch – an seinen Tagen – auch wirklich prä-sent war, fand er zahlreiche Möglichkeiten, um mitKolleginnen und Kollegen sowie dem wissenschaft-lichen und nichtwissenschaftlichen Personal „inallen Geschossen“ der Fakultät gleichermaßen diehohe Kunst des wissenschaftlichen Gesprächs unddes persönlichen Kontakts zu pflegen.

Lehre und Forschung spielte sich – wie schonangedeutet – bei Jürgen Eberhardt nicht im engenElfenbeinturm ab. Allzeit hat er die Verbindung zwi-schen der Hochschule und der Stadt Köln bzw. demLand Nordrhein-Westfalen enger zu knüpfen ge-sucht, indem er neben der Fülle von gutachterli-chen Stellungnahmen, ungezählte, zumeist nichtveröffentlichte Vorträge gehalten, Exkursionengeführt und Präsentationen bzw. Ausstellungenerarbeitet hat.

Sein Forscherherz schlug allerdings schon im-mer für die Architektur der Renaissance, wobei eshier vor allem die Idealstadtanlagen sind, die ihnseit seiner Dissertation über „Das Kastell vonL´Aquila degli Abruzzi und sein Architekt PyrrhusAloisius Scriva`“ – quasi dem ersten Sündenfall inseinem Forscherleben – nicht ruhen lassen wollen.Dass er noch vor seiner Berufung als Professorüber das Staatshochbauamt Aachen mit den Res-taurierungsarbeiten an der Zitadelle Jülich betrautwurde, ist mehr als Fügung!

Als Vizepräsident der Deutschen Gesellschaftfür Festungsforschung zeigte er auch ein entspre-chendes Engagement außerhalb von Forschung und

Lehre, wobei ihm hierbei nicht der militärische,sondern der bauliche Aspekt, nämlich z. B. derEinsatz der geometrischen Formen für den Bau vonFestungen und Bastionen interessiert hat. Dass erdes Weiteren in den unterschiedlichsten regiona-len Geschichtsvereinen entweder als Vortragenderoder als Mitarbeiter gern gesehen wurde und da-durch zahlreichen Institutionen wichtige Impulsevermittelt hat, versteht sich von selbst.

Als Mitglied einer Vielzahl von Wettbewerbs-ausschüssen, vor allem dort, wo es um denkmal-pflegerische Themenstellungen ging, schätzte manseine fachlichen Kommentare und Anmerkungen imRahmen der preisrichterlichen Meinungsprozesse.Innerhalb der Hochschule war er ebenfalls als Jury-mitglied von diversen Architekturpreisen für Stu-dierende beteiligt und setzte sich somit auch hierfür die Förderung der angehenden Architektinnenund Architekten ein.

Die Festschrift, die Sie nun in Ihren Händen hal-ten, musste sich – schon aus Zeitgründen – ledig-lich auf den Bereich Baudenkmalpflege beschrän-ken. Die Gliederung der Festgabe erfolgte in zweiBlöcken: Der erste Teil widmet sich der Lehre, diesowohl im Hauptstudium als auch im Zusatzstu-dium zum Tragen kommt. Der zweite Teil widmetsich der Forschung, die an „seinem Institut“ überdie Jahre betrieben wurde.

Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dieserFestgabe, Freunde und Kollegen und besonders dieMitglieder seines „Instituts für bauhistorische Un-tersuchungen“ hoffen, dass er in der nun dauerhaftvorlesungsfreien Zeit seine vielfältigen Pläne zurErforschung z. B. historischer Wehranlagen ver-wirklichen kann. Die Studien in Archiven und Biblio-theken sowie am heimischen Schreibtisch mögendurch die gewohnten Spaziergänge (mit Hund) imTecklenburger Land und v.a. durch Gespräche mitFreunden und Kollegen aufs Angenehmste unter-brochen werden. An seinem Institut wird er jeden-falls auch in Zukunft immer herzlich willkommensein.

Köln, im Juli 2003

Prof. Dr.-Ing. Michael Werling

1. Die Lehre

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Mehrere Fächer des grundständigen Studiumsdecken sich mit denen des Zusatzstudiums, sodass diese im weiteren Studium anerkannt werdenkönnen.

Die Vorlesungen finden in der Regel von 17.00-20.00 Uhr statt. Zusätzlich werden überwiegendim Sommersemester Kompaktveranstaltungen anSamstagen durchgeführt.

Die Vertiefungsrichtung Baudenkmalpflege

Im Jahr 1996 wurde das Architekturstudium ander FH Köln neu gegliedert. Seitdem kann man un-ter fünf verschiedenen Studienschwerpunkten wäh-len. Einer davon ist die Baudenkmalpflege. Im acht-semestrigen Architekturstudium entscheidet mansich nach der Praxis- und Projektzeit im fünften Se-mester bei der Rückmeldung zum sechsten Se-mester für eine Vertiefungsrichtung. Sinnvoll ist esnatürlich, bereits das Praxis- und Projektsemesterin der gewünschten späteren Vertiefungsrichtung(Neigung) zu absolvieren.

Im Schwerpunkt C 4 Baudenkmalpflege werdenfolgende Fächer als Pflichtveranstaltungen belegt:• Entwerfen/ Gebäudelehre III• Bauko III/ hist. Bautechniken• Bau-/ Denkmalrecht• Bauaufnahme I + II• Historische Tragwerke• Historische Innenräume• Dokumentation/ Inventarisation

Begleitend hierzu werden aus dem ergänzendenWahlpflichtfächerkatalog weitere Fächer belegt.Sie werden mit zwei Fachprüfungen und zwei Leis-tungsnachweisen abgeschlossen.• Baugeschichte/ Architekturtheorie II• Stadtbaugeschichte• Kunst-Wissenschaft• Projektentwicklung• Wertermittlung• Facility Management• Baukalkulation• Baustofflehre II• Ausstellungsbau• Einf. in die Denkmalpflege• Vermessungskunde• Garten-/ Grünraum-/ Landschaftsplanung• CAD• Freihandzeichnen II• Räumliches Zeichnen

Das Zusatzstudium: Baudenkmalpflege,Denkmalbereichs- und Umfeldplanung

Nach einem erfolgreichen Abschluss des grund-ständigen Studiums bietet es sich an, das o.g. Zu-satzstudium aufzusatteln. Es umfasst zwei Se-mester und schließt mit einer sechswöchigen Ab-schlussarbeit ab. Es beginnt jeweils im Winter-semester.

Zugangsvoraussetzungen für das Zusatzstudi-um sind ein abgeschlossenes Architekturstudium (Abschluss an einer FH, TH, Universität oder einergleichwertigen Institution des Auslands)

Dazu kommen noch nachgewiesene Fähigkeitenin folgenden Fächern:a) Baugeschichte und/oder Stadtbaugeschichte

(Prüfungsleistung)b) Denkmalpflegec) Vermessungskunded) Bauaufnahmee) Entwurf mit der Thematik „Entwerfen in hist.

Umgebung“ oder „Substanzschonende Umnutzung denkmalwerter Bauten“

f) Städtebauliches Entwerfen „Stadtplanung unterBerücksichtigung denkmalwerter Substanz“

Für Studienplatzbewerber besteht auch dieMöglichkeit, Fächer des grundständigen Studiums(b-f), die zu den oben genannten Zugangsvoraus-setzungen gehören, parallel zum Zusatzstudiumnachzuholen. Die Entwürfe e+f sind bei der Bewer-bung vorzulegen.

Darüber hinaus ist der Nachweis eines dreimo-natigen einschlägigen Praktikums (bei Denkmalbe-hörden, Museen, Dombauhütten sowie spezialisier-ten Bauunternehmungen) zu erbringen.

Eine adäquate berufliche Tätigkeit von mindes-tens drei Monaten kann an Stelle des Praktikumsebenfalls anerkannt werden.

VERTIEFUNGSRICHTUNG UND ZUSATZSTUDIUM

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Stundenplan

WS SS

Archäologie 2V/4S T

Sondergebiete der Baugeschichte 2V 2V T

Stadterhaltung als Aufgabe der Stadtentwicklung 2V mP

Denkmalrecht/ Finanzierung 2V T

Begleitende Dokumentation 2V T

Traditionelle Bautechniken 2V/2S F+1T

Konservierungs- und Sanierungstechniken 2V/2S mP

Sondergebiete der Werkstofflehre 2V L

Historische Tragwerke 2V mP

Techn. Ausbau in denkmalwerten Gebäuden 2V T

Bauphysik. Untersuchung historischer Konstruktionen 2V T

Praxisprojekt „Steinkonstruktionen“ 8S T

Praxisprojekt „Holzkonstruktionen“ 8S T

Erarbeitung einer Erhaltungskonzeption 4S F+1T

Erarbeitung einer Ortssatzung oderDenkmalbereichssatzung 4S F+1T

Semester-Wochenstunden 28 28

Leistungsnachweise

T= unbenoteter Leistungsnachweis (Testat)L= Leistungsnachweis (benotet)mP= mündliche Prüfung (Meldung beim Dozenten)F+1T= Fachprüfung (Meldung über das Prüfungsamt; Leistungsnachweis Voraussetzung für dieZulassung zur Prüfung; Meldetermine beachten)

Der Stundenplan ist so strukturiert, dass sich das Studium mit halber Stundenzahl pro Semester auf vier Semester aufweiten lässt.

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VERTIEFUNGSRICHTUNG UND ZUSATZSTUDIUM

Die Vertiefungsrichtung Baudenkmalpflege und das Zusatzstudium„Baudenkmalpflege, Denkmalbereichs- und Umfeldplanung“

Dipl.-Ing. Martina Rentrop-Yen

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untersuchen, eine Ahnung von unserer „verlore-nen Zeit“. Daher müssen wir verstehen lernen,was sie uns jeweils sagt. Dies gelingt uns nur,indem wir uns ihre Geschichte erschließen undanhand wiederkehrender Formen (Typen) eineVerbindung zur Kultur und zum Lebensstil derjeweiligen Epoche herstellen.

Im Fach Entwerfen wird vor allem im Haupt-studium anhand von Projektentwürfen aber auchin Form von kleinen Entwürfen bzw. Stegreifent-würfen das Planen unter dem Aspekt „Bauen imhistorischen Umfeld“ geübt. Das Ziel ist, imZusammenspiel von Altbausubstanz und zeitge-mäßer Architektur ein gelungenes Ganzes zuentwickeln.

Natürlich ist am Fachgebiet auch der BereichForschung angesiedelt. Ein Schwerpunkt dieserArbeit liegt darin, Hilfestellungen bei gegenwär-tigen planerischen Problemen zu leisten. Die Zu-sammenarbeit mit den Denkmal-schutzbehörden nicht nur von Kölnsondern auch z. B. von Dubrovnikoder Cavtat in Kroatien haben hier-bei immer wieder zu kleinen undsehr fruchtbaren Forschungsvor-haben geführt.

Im Bereich der „reinen“ Baufor-schung ist das Fachgebiet derzeit –in enger Zusammenarbeit mit derBauaufnahme – mit der Untersuchung von histo-rischen Friedhöfen beschäftigt. Des Weiterenerfolgt immer wieder, z. B. im Rahmen vonVeröffentlichungen, Vorträgen u.ä. die Hinwen-dung zu dem komplexen Thema der Klosterbau-kunst, hier im Besonderen der des Zisterzien-serordens.

Es soll an dieser Stelle nicht unerwähnt blei-ben, dass eine Fülle von Diplomthemen, die amFachgebiet gestellt und erfolgreich bearbeitetwurden, auch den diversen Kommunen (von St.Sunniva, einem Kulturzentrum in Selje/Norwegenoder einem europäischen Forum für Kunst undKultur in Prag bis zum Museum für Troia/ Türkeioder der Erweiterung des Bernischen Histori-schen Museums in Bern) schon wertvolle Bei-träge geliefert haben.

BAUGESCHICHTE, STADTBAUGESCHICHTE UND ENTWERFEN

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Wie die Bezeichnung des Fachgebietes schonvermuten lässt, geht es nicht nur um die Ver-mittlung einer reinen Baustilkunde, sondernauch um die Vermittlung des zeitgenössischenBauens. Es werden in der Lehre nicht nur mono-grafische Darstellungen von Sakral- und Profanbauten thematisiert, sondern es gehtauch darum, dass die Abhängigkeiten, Ent-wicklungen bzw. Querverbindungen von derHistorie bis zum heutigen Bauen aufgezeigt wer-den, damit die Studierenden ihren „architektoni-schen Standort“ bestimmen lernen und letztlichdadurch eine begründete, reflektierende Ent-wurfshaltung erreichen.

Während des Grundstudiums erhalten dieStudierenden zunächst im Rahmen einer Vor-lesung einen Überblick über die Baugeschichtedes europäischen Raumes von den Anfängen biszur Gegenwart. Diese Vorlesungsreihe erstrecktsich über das 1. und 2. Semester mit jeweilszwei Semesterwochenstunden.

Im Rahmen dieser Vorlesungen soll vor allemdas Verständnis für die gebaute historische Um-welt entwickelt werden und es sollen die ent-sprechenden Rahmenbedingungen oder bestim-menden geschichtlichen Kräfte aufgezeigt wer-den, welche zu dieser historischen Architekturgeführt haben.

Natürlich ist es nicht möglich, in dieser kur-zen Zeit die gesamte Baugeschichte in all ihrenFacetten darzustellen. Deshalb werden anhandausgewählter Beispiele die Themenschwerpunk-te erörtert, die jeweiligen Entwicklungen oderTechniken in den entsprechenden Kontext ge-

setzt und dadurch die baugeschichtlich relevan-ten Epochen dargestellt. Das Fach schließt miteiner schriftlichen Fachprüfung ab.

Im Hauptstudium werden in seminaristischerWeise und wiederum über lediglich 2 Semesterausgewählte Themen der Baugeschichte (Bau-geschichte II) vertieft.

Die Vorlesungsreihe „Stadtbaugeschichte“(vgl. Frau Dr. Zimmermann, S. 24) vermittelteinen fundierten Überblick über die Geschichteund Architektur von Städten auf der ganzenWelt. Dabei werden repräsentative Beispieleaus allen Kulturen von der Antike über das Mit-telalter bis hin zur Architektur und dem Städte-bau der Neuzeit angesprochen. Die Vorlesungs-reihe reicht ebenfalls über zwei Semester.

Ein weiteres angebotenes Wahlpflichtfach,nämlich „Historische Innenräume“, wird lediglichüber ein Semester angeboten. Es ist vor allemfür jene Studierenden gedacht, die sich späterals praktizierende Architekten vorwiegend mithistorischer Bausubstanz beschäftigen wollenund schon jetzt den Studienschwerpunkt „Bau-denkmalpflege“ eingeschlagen haben.

Das Fach „Historische Innenräume“ handeltvorwiegend vom „Gesicht“ der Innenräume, denEinrichtungsgegenständen und Möbeln, mit de-nen wir das häusliche Umfeld gestalten und diesomit einen unlöslichen Bestandteil unseres „Le-bensraumes“, in dem unser tägliches Leben„stattfindet“, darstellen. Die Einrichtung hinter-lässt nämlich in unserem Zuhause Spuren unse-res Lebens und vermittelt jenen, die sie später

Über das Fachgebiet:

Baugeschichte, Stadtbaugeschichte und Entwerfen

Prof. Dr.-Ing. Michael Werling

Lehrbeauftragte:Dipl.-Ing. Ulrich Hartmann (Entwurf)

Dr. phil. Dipl.-Ing. Thomas Werner (Sondergebiete der Baugeschichte)PD Dr. phil. Petra Sophia Zimmermann (Stadtbaugeschichte)

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BAUGESCHICHTE, STADTBAUGESCHICHTE UND ENTWERFEN

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dass eine Bestandsaufnahme dringend erforder-lich wurde, um die Grundlage zu schaffen fürgeplante Um- bzw. Neubauten im Umfeld desweitläufigen Villenanwesens. Das Institut fürBaugeschichte und Denkmalpflege der Fakultätfür Architektur wurde gebeten, diese Dokumen-tation zu fertigen und außerdem eine Konzeptionfür die denkmalverträgliche Um- bzw. Neunut-zung des Behördenhauses zu erarbeiten. Mitt-lerweile liegt die Planung vor Ort vor. Es hat sichhierbei gezeigt, dass sehr wohl ein Zusammen-spiel zwischen historischer Villa und zeitge-mäßer Bürohausarchitektur möglich ist.

(Abb. 5: Dokumentation der Villa Banac ein-schließlich Büroneu- bzw. Ausbau)

Bauaufnahme/ForschungsprojektDokumentation und Neunutzung bzw. Erweiterung der sog. Alten Schule inCavtat/Kroatien(Betreuung: M. Werling, B. Franken, R. Hempel)

Das wahrscheinlich um 1900 errichtete ehe-malige Schulgebäude in Cavtat ist seit mindes-tens 20 Jahren ungenutzt. Auf Grund fehlenderUnterhaltungsmaßnahmen weist die Bausub-stanz einige bauliche Schäden auf, die bald zueiner erheblichen Gefährdung des Bestandesführen können. Die Fakultät für Architektur derFH Köln wurde deshalb von der zuständigenDenkmalbehörde in Cavtat gebeten, sowohl fürdie Sicherung als auch für die Neunutzung die-

ses Gebäudes eine Konzeption zu entwickeln.Mittlerweile liegt die Umnutzungsplanung vor,wobei zunächst sogar angedacht war, das Hauseinschließlich entsprechender Erweiterungen alsArbeits- und Forschungsstätte, quasi als ein La-boratorium der FH Köln in Cavtat, einzurichten.

(Abb. 6: Die sogenannte „Alte Schule“ in Cavtat

BAUGESCHICHTE, STADTBAUGESCHICHTE UND ENTWERFEN

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BAUGESCHICHTE, STADTBAUGESCHICHTE UND ENTWERFEN

PROJEKTAUSWAHL:

Bauaufnahmeprojekt „Sveti Roko“Das Mausoleum der Familie Racic inCavtat/Kroatien(Betreuung: M. Werling, R. Hempel)

Die Bauaufnahme umfasste das für das Orts-bild von Cavtat so wichtige Mausoleum der Fa-milie Racic. Dieses Aufmaßobjekt wurde von derörtlichen Denkmalpflege vorgeschlagen. Gründehierfür sind sicherlich sowohl die ortsbildprä-gende Bedeutung dieses imposanten und auchüberregional bedeutenden Grabmals als auchdas vollständige Fehlen von Planunterlagen bzw.Bestandszeichnungen. Daneben wünschte mansich eine adäquate Erweiterung der an dasMausoleum anschließenden Friedhofsfläche.

(Abb. 1 - 3: Ansicht, Querschnitt und Detaildes Mausoleums)

Bauaufnahme/ForschungsprojektBauhistorische Unter-suchungen an der ehe-maligen Franziskaner-Klosteranlage auf derInsel Lopud/Kroatien(Betreuung: M. Werling)

Bereits im Herbst1990 (damals zusam-men mit Kollegen Prof.Dr. Eberhardt) und er-neut seit 1997 konntemit ersten Untersuchun-gen der im Jahre 1483gegründeten ehemaligenFranzikanerklosterkircheeinschließlich des nocherhaltenen Claustrumsbegonnen werden. Ne-ben der Sichtung undAuswertung entspre-chender Quellen und Li-teraturen wurden aucherste planerische Kon-zeptionen erarbeitet, diemöglicherweise dazu bei-

tragen können, den sich in baufälligem Zustandbefindenden Klosterkomplex einer neuen Nut-zung zuzuführen. Daneben gelang die bauhistori-sche Untersuchung des Chorraumes der ehema-ligen Klosterkirche einschließlich der Vermes-sung und Dokumentation des Hauptaltares.

(Abb. 4: Klosteranlage Lopud auf der InselLopud / Kroatien, Grundriss einschließlich

Erweiterungsvorschlag

Bauaufnahme/ForschungsprojektDokumentation und Neunutzung bzw.Erweiterung der Villa Banac in Cavtat/Kroatien(Betreuung: M. Werling, B. Franken, R. Hempel)

Die im Stil der Neorenaissance errichtete Vil-la Banac wird heute als Behördenhaus (u.a.Bürgermeisteramt) der Stadt Cavtat genutzt.Durch die kriegerischen Ereignisse in den letz-ten Jahren kamen u.a. sämtliche archivarischenDokumente und Planunterlagen abhanden, so

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den, in dem die in der ganzen Welt verstreutenFundstücke einschließlich des sog. „Schatz desPriamos” ein Platz finden konnten. Die Vorschlä-ge fanden nicht nur an der Universität Tübingen,sondern auch bei der Türkischen Regierunggroße Zustimmung. Momentan ist man bemüht,eine entsprechende Konzeption vor Ort auszu-führen.

(Abb. 8 und 9: Diplomarbeit - Ein Museumfür Troia, Plakat und Beispiel

eines Lageplanes)

Diplomarbeit„Nutzungskonzept für den Gebäudekomplex HausKutz und die angrenzende Blockbebauung“, Köln(Betreuung: M. Werling, R. Hempel)

Das ehemalige Haus bzw. Kaufhaus Kutz, dasdie Diplomanden erst kürzlich zu überplanen hat-ten, liegt an ganz wichtiger Stelle in Köln, näm-lich in unmittelbarer Nachbarschaft des Wallraf-Richartz-Museums und des Rathauses bzw. desRathausplatzes. Die Stadt Köln plant schon seitlanger Zeit, dieses innerstädtisch so wichtigeGelände einer kulturellen Nutzung zuzuführen.Da aber die Verantwortlichen der Stadt Kölnnicht so recht wissen, was sie mit dem Bau bzw.dem Gelände anfangen sollen, wie sie mit den

Pfunden, die sie besitzen, wuchern und die Zu-kunft planen könnten, haben wir uns entschlos-sen, dieses anspruchsvolle Thema als Diplom-thema zu stellen. Und da momentan die Kunst-und Museumsbibliothek in Köln ein ihrem Rufkeineswegs entsprechendes Dasein fristet,sahen wir uns weiter veranlasst, neben einemKultur-Stadthaus die Kunst- und Museums-bibliothek auf diesem ca. 3500 m2 großenGrundstück ansiedeln zu lassen.

Insgesamt haben 32Diplomanden sich aufdieses „Abenteuer“ ein-gelassen und wieder ein-mal für die Stadt Kölnbeachtliche planerischeEntwurfsergebnisse ge-liefert.

(Abb. 10:Diplomarbeit –

Nutzungskonzept fürHaus Kutz,

Arbeit Jarosch)

Diplomarbeit„Haus und Museum der jüdischen Kultur inNordrhein-Westfalen“(Referenten: M. Werling, R. Hempel)

Wohl kaum eine deutsche Stadt ist so langemit jüdischer Geschichte verbunden wie Köln. ImMittelalter war die Kölner Judengemeinde eineder bedeutendsten in Deutschland. Als steiner-nes Zeugnis ist im Kern der alten Reichsstadtdas mittelalterliche Judenbad (die Mikwe) erhal-ten geblieben. Heute besitzt das KölnischeStadtmuseum mit seiner Judaica-Abteilung eineder reichhaltigsten Sammlungen jüdischer Kult-geräte in einem deutschen historischen Mu-seum. Daneben gibt es weitere jüdische Samm-lungen, die vor der Zerstörung durch die natio-nalsozialistische Barbarei bewahrt werden konn-ten und die in einem „Haus und Museum der jü-dischen Kultur in Nordrhein-Westfalen“ in Kölnkonzentriert und präsentiert werden könnten.

Als Standort für dieses Haus bietet sich dieFreifläche vor dem historischen Rathaus an. Andiesem Standort könnte neben den gewünschtenPräsentationsflächen ein Forum für Ausstellun-gen, Diskussionen, Vorträge, Veranstaltungenund Feiern entstehen, zugänglich und attraktivfür jedermann.

Zielsetzung dieser Diplomarbeit war es, einMuseum planerisch in das archäologischäußerst sensible Umfeld (Mikwe, Synagoge,Praetorium) zu integrieren und die begleitendenEinrichtungen sinnvoll in den Gesamtkomplexeinzubinden. Die erbrachten Vorschläge fandensowohl bei der Verwaltung der Stadt als auchbei der Bevölkerung großen Zuspruch.

(Abb. 7: Haus und Museum der jüdischenKultur in Köln – Plakat zur Diplomarbeit)

Diplomarbeit„Ein Museum für Troia“(Referenten: M. Werling, B. Franken)

Im Rahmen dieser Diplomarbeit beschäftig-ten sich 16 Diplomanden mit dem Burgberg inTroia. Es sollte, in Zusammenarbeit mit denTroia-Ausgräbern, ein Museum konzipiert wer-

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Die Voraussetzung fürdie Untersuchungen warvor allem durch die vorca. 20 Jahren durchge-führte steingerechte Bau-aufnahme auch der Ge-wölbebauteile geschaf-fen. So konnte einemschon lange gehegtenBedürfnis Rechnung ge-tragen werden, nämlichdiese Tafeln erneut zustudieren und zu be-schreiben, damit überdie reine Betrachtunghinaus auch tiefere Ein-blicke in das Ideen- undKonstruktionsgefüge desspätromanischen Bau-schaffens bei der Ein-wölbung solch großerBauten gegeben werdenkönnen.

Sowohl mittels der indieser Publikation unter-nommenen Vergleichemit Kirchenbauten despfälzischen Raumes alsauch durch die erneuteBetrachtung des ent-sprechenden Baubefun-des darf man ab-schließend feststellen,dass allein die zwischen1180 bis 1242 errichte-te Einwölbung der ehe-maligen Otterberger Ab-teikirche schon in derZeit ihrer Entstehungwohl zu den großartig-sten Leistungen in deroberrheinischen Regionzählte. Dass dieser Gewölbetyp nicht nur bei denmit dem Wormser Dom verbundenen Bauten –und Otterberg spielt hier eine besondere Rolle –sondern auch darüber hinaus aufgegriffen wur-de, ist ebenfalls in dieser Schrift ausreichenddargestellt. Inwieweit nun die OtterbergerWölbkunst für andere – kleinere – Kirchenbau-

ten in der Pfalz bzw. am ganzen Oberrhein stil-bildend gewesen ist, wäre eine weitere Unter-suchung wert, auf die sich der Autor schonheute freut. Vielleicht gelingt dies sogar zusam-men mit dem Kollegen Eberhardt!

Abb.12: Otterberg /Lehrgerüstbau frei nachD. Macaulay

Forschungsprojekt„Die historischen Grabsteine an der sog.Taufkirche in Bergisch Gladbach/Refrath“(Betreuung: M. Werling)

Im Rahmen dieses Projektes wurden sämtli-che Grabkreuze dieses altehrwürdigen Friedho-fes erstmalig zeichnerisch und fotografisch auf-genommen, umfassend analysiert und entspre-chend publiziert. Zusätzliche Lebensdaten,hauptsächlich aus den Bensberger Kirchenbü-chern, ergänzen die „Lebensläufe“ der Verstor-benen auf den Grabsteinen.

Die Grabdenkmäler wurden zu einem großenTeil aus dem in der Gegend von Bergisch Glad-bach gebrochenen, relativ anfälligen mitteldevo-nischen Sandstein gefertigt. Allein die fort-schreitende Verwitterung verlangte diese Inven-tarisation bzw. Dokumentation, die im Rahmeneines Entwurfsseminars im Sommersemester2001 durchgeführt wurde.

Neben der Bauaufnahme der Grabsteineinteressierte natürlich auch die stilistischeEntwicklung der Steindenkmäler, vornehmlich in

Bezug auf ihre äußere Kontur, um von ihr ausdas jeweils Charakteristische der vielfältigenGrabsteinformen an der „Refrather Taufkirche“festzustellen.

Die Veröffentlichung bzw. dieses Projekt ver-steht sich auch als eine Anregung, sich zukünf-tig verstärkt um die „kleinen Denkmale“ zu küm-mern und sie vor allem vor dem Steinzerfall zubewahren.

(Abb. 11: Zeichnerische Erfassung eines Grabsteins auf dem Friedhof

an der sog. Taufkirche)

ForschungsprojektOtterberg und die Kunst der Wölbung

Diese Studie über das Gewölbe der ehemali-gen Otterberger Abteikirche verfolgt zwei Ziele:Sie möchte sich ganz speziell mit einemTeilbereich jener bedeutenden Zisterzienser-kirche auseinandersetzen und, sowohl allgemeinals auch anhand einiger – im weiteren Umfeldvon Otterberg anzutreffender – pfälzischerSakralbauten, einen Einblick in die Thematik derWölbkunst geben.

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den gedanklichen Hintergrund für die Planungenin Pienza: Die äußere Form und damit Ausdeh-nung ebenso wie die Straßenführung wurde bei-behalten. Nukleus der Umgestaltung war diePiazza und die umliegenden Gebäude. Dom undPapstpalast (Palazzo Piccolomini) entstanden ineiner ersten Bauphase, der sich dann in einerzweiten Phase weitere Paläste der Kurie, derKommunalpalast und eine Armensiedlung in derPeripherie anschlossen.

Nach einem zu unterstellenden Gesamtplantreten die verschiedenen Bauwerke miteinanderin Bezug, sei es durch Gemeinsamkeiten in ihrerarchitekonischen Gestaltung oder durch opti-sche Abfolgen und perspektivische Effekte imStadtraum. Das städtebauliche Prinzip basiertfolglich auf der Einbindung des Einzelnen in einenübergreifenden Kontext. Als Vergleichsbeispielezur Stadtplanung der Renaissance in Italien wur-

den Urbino unter Frederico da Montefeltre,Venedig mit der Piazza S. Marco und Genua mitder Strada Nuova herangezogen.

Grundsätzlich beginnen die Seminare miteiner Einführung in die Themenstellung und indie grundlegende Literatur. Die Studierendenkönnen ihre Studienleistung durch die Ausarbei-tung eines Referates erbringen. Ihre Aufgabe istes dann, sich eigenständig mit einem speziellen,gegebenenfalls auch selbst gewählten Themaauseinander zu setzen, die Literatur zu dem je-weiligen Sachverhalt zusammenzutragen undauszuwerten. In Form eines Vortrags (mit Diasoder Anschauungsmaterial) sollte das Thema imSeminar vorgestellt und anschließend in einerschriftlichen Ausarbeitung (mit Anmerkungenund Literaturhinweisen) niedergelegt werden.

Abb.: Filarete: Architekturtraktat (ca. 1461-64), Die ideale Stadt Sforzinda

Innerhalb des Architekturstudiums nimmt einLehrgebiet wie die Stadtbaugeschichte – ähnlichdie Baugeschichte oder Architekturtheorie –eine gewisse Sonderstellung ein. In dem für dasStudium vorgeschriebenen Fächerkanon stehenEntwurf, Baukonstruktion, Tragwerkslehre,Raum- und Objektgestaltung bis hin zur Organi-sation des Bauens im Vordergrund und damitLehrinhalte, die die Studierenden mit den kon-kreten Anforderungen der Architektur in der Ge-genwart vertraut machen und auf eine entspre-chende Berufsausübung vorbereiten sollen. DasGebiet der Baudenkmalpflege betrifft dann imweitesten Sinne den Umgang mit historischerBausubstanz und blickt folglich von einem gege-benen Bestand zurück in die Vergangenheit.Dem gegenüber setzt die Stadtbaugeschichteeinen umgekehrten Blickwinkel voraus: Hier be-ginnt die Betrachtung in der Vergangenheit –von zurückliegenden Epochen aus sollen diePrinzipien städtebaulicher Konzepte aufgezeigtwerden.

Wenn auch die einzelnen in der Stadtbauge-schichte angesprochenen Themen den Studie-renden vertraut sind und Brücken zu den gegen-wartsbezogenen und angewandten Fächernschlagen, wie Städtebauliches Entwerfen oderVerkehrsplanung, so verlangt der historisch-wis-senschaftliche Ansatz eine neue Art der Einar-beitung. Im Ergebnis eröffnen sich dann jedochden Studierenden komplexe Einblicke, die für einVerständnis der heutigen Stadtplanung und derEinbindung von Architektur in einen übergeord-neten Zusammenhang grundlegend sind.

Mit dem Wintersemester 02/03 begann indem Gebiet Stadtbaugeschichte eine neue Folgevon Lehrveranstaltungen, innerhalb derer einGang durch die Baugeschichte der Neuzeit un-ternommen werden soll. Das erste Seminar hat-te die Stadtplanung in der Renaissance zum

Thema, das nächste wird dem Barock gewidmetsein. Im Zentrum der jeweiligen Seminareinheitsteht ein Fallbeispiel, anhand dessen die stadt-planerischen Grundgedanken der einzelnen Epo-chen besonders gut nachvollzogen werden kön-nen. Dabei wird zunächst nach den spezifischenBedingungen, wie der geografisch-topografi-schen Situation und den historisch, politisch,ökonomisch oder sozial geprägten Vorausset-zungen gefragt, um die Ausrichtung der Pla-nungskonzepte verstehen zu können. Ebensosind die konkreten städtebaulichen und architek-tonischen Gegebenheiten und Bautraditionen zuberücksichtigen, so dass der Wandel, aber auchKontinuitäten erkennbar werden. Die Struktur-elemente, wie Straßen, Plätze oder verschiede-ne Gebäudetypen, die neu geschaffen wurdenoder eine durchgreifende Veränderung erfuhren,werden im Einzelnen betrachtet, um davon aus-gehend ihre Funktion und Bedeutung für dasStadtganze zu analysieren. Zum Vergleich mitdem ausführlich behandelten Fallbeispiel werdenandere Stadtplanungen derselben Epoche heran-gezogen. Ziel der Seminare ist es, festzuhalten,nach welchen Kriterien jeweils Struktur und Bildeiner Stadt neu gestaltet wurden – welche Leit-ideen den Städtebau in einer Epoche bestimm-ten.

Ausgangspunkt des Seminars im WS 02/03war die italienische Stadt Pienza als erste reali-sierte Idealstadt. Im Jahr 1459 hatte PapstPius II. Piccolomini seinen Geburtsort Corsig-nano (seit 1562 Pienza genannt) besucht undeinen durchgreifenden Neubau verkündet, derinnerhalb von nur fünf Jahren durch den Archi-tekten Bernardo Rossellino umgesetzt wurde.Die zeitgenössische Architekturtheorie, z. B. dieTraktate von Leon Battista Alberti und Filarete,vermittelt uns eine Vorstellung von den damalsentwickelten Ideen zur idealen Umgestaltungoder Neugründung von Städten und bildet somit

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STADTBAUGESCHICHTE

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STADTBAUGESCHICHTE

Historische Grundlagen für heutige Planungen:

Das Fach „Stadtbaugeschichte“

PD Dr. Petra Sophia Zimmermann

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und frühneuzeitliche Land-wehren durchaus eindrucks-voll aufragende obertägigeDenkmäler, während ande-rerseits z.B. Fundamenteund Kellergewölbe einer indie Zuständigkeit des Lan-deskonservators fallendenBurg- oder Schlossanlagetief hinabreichende untertä-gige Baudenkmäler sind.

Besondere Bedeutungerhält die Sicherung, Ber-gung und Dokumentationder o.a. Hinterlassenschaf-ten, Spuren und Fun-de durch die Boden-denkmalpflege auchdeshalb, weil so inunserem Raum fürdie gesamte vorge-schichtliche (schrift-lose) Kulturentwick-lung von der ältestenSteinzeit bis zu denRömern die einzigenQuellen erschlossenwerden können, ausdenen sich die Le-bensumstände un-serer frühen Vorfah-ren nachvollziehenund rekonstruierenlassen. Auch für diespäteren geschichtlichen Epochen (mit schriftlicherÜberliefung) dienen archäologische Bodenfundeund -spuren in den meisten Fällen nicht nur derBestätigung oder Ergänzung der Schriftzeugnisse,sondern bieten auf Grund ihrer Vielfalt und unmit-telbaren, konkreten Aussagekraft häufig bessereErkenntnismöglichkeiten als die oft lückenhaftenund gelegentlich tendenziösen (oder auch bewusstgefälschten) Schriftquellen und Bilddokumente.Daher ist die „Archäologische Bodendenkmalpfle-ge“ für die Erfassung und das reale Verständnisder kulturhistorischen Menschheitsgeschichte bisweit in die Neuzeit hinein (z.B. in der Industrie-archäologie) unabdingbare Voraussetzung undständige akute Notwendigkeit.

Im Rahmen des Zusatzstudienganges „Bau-denkmalpflege...“ wird das Pflichtfach „Archäologie“(seit 1987) im Sommersemester angeboten undvermittelt in (derzeit) 36 Vorlesungs- und 72Übungsstunden sowohl theoretische als auch prak-tische Kenntnisse in folgenden Bereichen: DieLehrinhalte der Vorlesungen umfassen kurzeEinführungen in die Archäologie und Bodendenk-malpflege mit Begriffsbestimmungen und ge-schichtlicher Entwicklung (seit immerhin mehr als180 Jahren), heutiger Organisation und Situationim Rheinland sowie wesentliche Bestimmungenund Anwendungsmöglichkeiten des Denkmal-schutzgesetzes (DSchG) NRW.

Dem schließt sich ein knapper Überblick zurUmwelt-, Menschheits- und Kulturentwicklung (all-

Allgemein ist festzustellen, dass das Interessean unseren Vorfahren, ihren greifbaren, dinglichenHinterlassenschaften und den Spuren ihrer Aktivi-täten sowie den archäologischen, urkundlichen undsonstigen Zeugnissen früherer Lebens- und Ar-beitsumstände in den letzten Jahren und Jahr-zehnten erfreulicherweise zugenommen hat. Je-dem Menschen, der nicht nur (sozusagen mitScheuklappen) die unmittelbare Gegenwart vor Au-gen hat, sollte bewusst sein, dass weder unserekulturellen Entwicklungen im weitesten Sinne nochdie vielfältigen technischen bzw. zivilisatorischenFortschritte schlagartig von heute auf morgen ent-standen sein können. Vielmehr wird bei nähererBetrachtung deutlich, dass in allen wesentlichenLebensbereichen die jeweiligen, oft als selbstver-ständlich hingenommenen Errungenschaften in derRegel eine lange, häufig in prähistorische Zeitenzurückreichende Entwicklungsgeschichte haben.

Die sich daraus ergebenden vielfältigen Fra-gestellungen transparent zu machen und soweitwie möglich zu beantworten, ist Aufgabe verschie-dener wissenschaftlicher Disziplinen, darunternicht zuletzt auch der Archäologie, oder – wie siebei uns offziell heißt – der „Bodendenkmalpflege“mit ihren speziellen Prospektions- und Ausgra-bungsmethoden, die ständig weiterentwickelt undverfeinert, d.h. in den Verfahrensweisen den zuuntersuchenden Objekten – je nach Zeitstellungund möglicher Aussagekraft – zunehmend zweck-mäßiger und auch wirtschaftlicher angepasst wer-den. Dabei nutzt man selbstverständlich die Hil-festellungen, die durch verwandte Zweige (die sog.„Nachbarwissenschaften“) beigesteuert werdenkönnen. Besonders wichtig sind in diesem Zusam-menhang naturwissenschaftliche Untersuchungs-,Bestimmungs- und Messmethoden, die nicht nurMaterialanalysen und frühere Umweltbedingungenbetreffen, sondern in manchen Fällen zeitliche Fixierungen erlauben, welche mit rein archäologi-schen Mitteln nur vage und weniger genau möglichwären.

Wichtig ist zunächst die klare Begriffsbestim-mung und Abgrenzung der Archäologie im Rahmender „Denkmalpflege“. Diese wird landläufig und imAllgemeinen nur auf die obertägig sichtbaren Bau-denkmäler bezogen. Deren Erforschung und Be-treuung ist im Rheinland Aufgabe der Kulturabtei-lung des Landschaftsverbandes Rheinland und hierspeziell des „Landeskonservators“ oder – genaugesagt – des „Rheinischen Amtes für Denkmal-pflege“ mit Sitz in der Abtei Brauweiler am West-rand von Köln bzw. – korrekt – in Pulheim-Brauwei-ler, Erftkreis.

Im Unterschied dazu wird der evtl. etwasverwirrende und leicht missverständliche Begriff„Bodendenkmalpflege“ klarer, wenn man von „Ar-chäologischer Bodendenkmalpflege“ spricht. Diesebefasst sich – wie oben schon angedeutet – mitder Erforschung und (wo möglich) Erhaltung derheute noch im Gelände vorhandenen archäologi-schen Denkmäler und Spuren von Siedlungs-, Kult-und Bestattungsplätzen, Wirtschaftbetrieben,Produktionsstätten, Wegen, Grenzen etc. (inklusi-ve der davon und daraus zu bergenden bewegli-chen, gegenständlichen Hinterlassenschaften)sowie deren Erschließung für die Öffentlichkeit. ImRheinland werden diese Aufgaben durch das„Rheinische Amt für Bodendenkmalpflege“ (alsPendant zum o.a. Landeskonservator) mit derZentrale in Bonn und regionalen Außenstellen inXanten, Overath, Nideggen und Titz (für dieBraunkohlen-Abbaugebiete) wahrgenommen. DieStadt Köln hat für ihr Gebiet eigene Denkmal- undBodendenkmalpflege-Einrichtungen.

Zwischen den Aufgabenbereichen der Bau- undBodendenkmalpflege bestehen Übergänge und Be-rührungen, denen schlichte Definitionen wie: Bau-denkmalpflege = „oberirdisch“ – Bodendenkmalpflege= „unterirdisch“ keinesfalls voll gerecht werden. Sosind z.B. von der archäologischen Bodendenkmalpfle-ge betreute vorgeschichtliche Grab- und mittelalterli-che Turmhügel (sog. Motten) oder Ringwallanlagen

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Abb. 1: Stumpfwinklig abknickendes Fundamentder Loggia (vorn) vor dem nordöstlichen

Bering. In der Mitte jüngeres Spannmauerwerk.

Abb. 2: Sandstein-Spolie (vgl. Abb. 5). Zwei Amazonen mit zerstörten Gesichtern und floral-

ornamentalen Flachreliefs auf den Körpern.(Sämtliche Fotos (1 – 5): A. Jürgens)

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ARCHÄOLOGIE

Im Boden versteckte Geschichte:Das Fach Archäologie

Dr. Antonius Jürgens

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Die Lehrinhalte der Übungen umfassen zunächst die etwa einwöchige praktische Tätigkeitan der Burg Nothberg mit Erstellung von Mess-systemen und der Durchführung von Ausgrabungenmit Anlage, Untersuchung und Dokumentation vonFlächen, Schnitten und Profilen. Wichtig ist dabeidie Erkennung und Differenzierung von anstehen-den (sog. gewachsenen) Böden und Schichten imUnterschied zu Situationen mit anthropogenenWirkungen und archäologischen Befunden wieMauern, Schuttlagen, Verfärbungen, Überschnei-dungen, Stratigrafien, Störungen etc.

Dazu kommt dieBehandlung von ar-chäologischen Fun-den mit der Einmes-sung und Bergungvon Stein, Keramik,Glas, Metall, Holz,Knochen, Leder, Ge-weben etc. Ebensowerden die Fundevor Ort so weit wiemöglich schon klas-sifiziert, gewaschenund beschriftet so-wie nach Funktionund Zeitstellung be-stimmt.

Als ergänzende Schulungen erfolgen im Rahmender Praxis eine ganztägige Exkursion zu Boden-denkmälern in der Nordeifel, der Besuch einer lau-fenden Grabung und eines einschlägigen Museumsmit ur- und frügeschichtlichen Sammlungen sowie(wenn möglich) eine Führung in den Werkstättenund Restaurierungsabteilungen des RheinischenLandesmuseums.

Zur archäologischen Praxis sei bemerkt,dass die pro Semester mögliche Grabungstätigkeitam Objekt Burg Nothberg zeitlich zwar sehr be-grenzt ist, sich bisher jedoch über den reinenSchulungszweck hinaus in Abstimmung mit denörtlichen Aktivitäten (Bauaufnahme-, Sicherungs-,Wiederaufbau- und Restaurierungsmaßnahmen)der sonstigen relevanten Fächer als durchaus nütz-lich für das Gesamtunternehmen erwiesen hat. Sowurde durch die archäologischen Grabungen z.B.

eine bis dato unbekannte, innen an den Nordberingschließende Pflasterfläche freigelegt (Abb. 3).Besonders wichtig war der eindeutige Nachweisfür die Fundamentierung der in den Bering einge-stellten Renaissance-Loggia A. Paqualinis d. Ä.(Abb. 1). Ebenso wurden viele verlagerte Blau-stein-Elemente zu dieser qualitätvollen Architektur(Abb. 4 u. 5) und darüber hinaus manches bedeu-tende skulptierte bzw. figürliche Sandstein-Werkstück der älteren Burgausstattung entdeckt(Abb. 2 u. 5). Vor allem zahlreiche Keramikscher-ben, aber auch sonstige Kleinfunde aus Glas, Me-tall etc. belegen die lange, bewegte Geschichte derBurg Nothberg durch die Jahrhunderte.

Generell sei noch einmal betont, dass der fürdie Vermittlung des Faches Archäologie vorgege-bene knappe Zeitrahmen in Anbetracht des um-fangreichen und vielfältigen Stoffes die Beschrän-kung auf das Wesentliche und unbedingt Notwen-dige erfordert und Ballast durch weitgehende sach-liche, fachliche und regionale Beschränkung (aufdas Rheinland) zu vermeiden ist. Daher werden vonden wichtigen Fakten und Möglichkeiten primär diegesicherten und häufig benötigten Eckdaten sowiedie wirklich praktikablen Verfahren gelehrt.

Ziel dieses Vorgehens ist in erster Linie, Grund-wissen, Kenntnisse und Fähigkeiten aus dem all-täglichen Betrieb der Bodendenkmalpflege zu ver-mitteln. Bei den Absolventinnen und Absolventensoll auf diese Weise das Verständnis für die spezi-fischen Probleme und Möglichkeiten der Boden-denkmalpflege geweckt bzw. vertieft werden.

Im Verein mit den Angeboten der sonstigenFächer des Zusatzstudienganges kann so das not-wendige Rüstzeug erworben und die Einsatzfähig-keit der Betreffenden für alle denkmalpflegerischenBereiche (z.B. in den verschiedenen Denkmalbehör-den der Kommunen, Kreise, kreisfreien Städte unddes Landes) ganz konkret verbessert werden. Nachden bisherigen Erfahrungen sind diese Zielvor-gaben durchaus realisierbar und wirken sich zudempositiv für die Chancen bei Bewerbungen auf der-artige interessante Stellen aus.

gemein und speziell desRheinlandes) mit Geologie(vor allem der Quartär-geologie des Eiszeital-ters) und knappen Einfüh-rungen zur Bodenkunde,Paläobotanik und -zoolo-gie sowie (etwas ausführ-licher) Paläontologie an.

Breiteren Raum bean-spruchen dagegen dieEinführungen zu den urge-schichtlichen Epochen(mit den verschiedenenStein- und Metallzeiten)sowie die Darstellung dergeschichtlichen Abschnit-te (von der römischenZeit bis zur frühen Indus-trieentwicklung).

Wichtig sind außer-dem noch beschreibendeErläuterungen zu den ver-schiedenen Methoden derArchäologie und Boden-denkmalpflege in derFeldarbeit (Außentätig-keit) mit Bergung, Siche-rung und Dokumentation(Vermessung, Zeichnung,Fotografie) im Rahmenabgestufter Möglichkei-ten durch Begehung,Prospektion, Notber-gung, Bergung, Grabungund Plangrabung.

Die Aufbereitung und die Auswertung der ar-chäologischen Befunde und Funde schließlich(durch überwiegende Innentätigkeiten wie Fund-bearbeitung, Reinigung, Inventarisierung, ggf.Restaurierung etc.) werden ebenfalls kurz vorge-stellt. Hinweise zur abschließenden Dokumentati-on und Publikation sowie zur Einschaltung der brei-ten Palette von Hilfs- und Nachbarwissenschaften(mit knappen Darstellungen der jeweiligen Verwen-dungsmöglichkeiten) runden dann den theoreti-schen Block ab.

ARCHÄOLOGIE

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ARCHÄOLOGIE

Abb. 3: Pflasterfläche zwischen Nordbering (hinten links) und Fundamentierung der Loggia

(vorn rechts).

Abb. 4: Verlagerte Blaustein-Werkstücke derLoggia im nordwestlichen Niedergang zum

Indetal.

Abb. 5: In der Nordwestecke des Berings nie-dergelegte Blaustein-Werkstücke der Loggia und

figürlich skulptierte Sandstein-Spolie (rechts).

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Das Thema „Stadterhaltung als Aufgabe derStadtentwicklung“ ist von großer Aktualität, wennsich auch laufend Verschiebungen ergeben und sichinfolgedessen die Themen ändern. Unsere Städtebezeugen die verschiedenen Phasen der Entwick-lung vom „sanierenden Wiederaufbau“ der Nach-kriegszeit über den Stadtumbau und die Flächen-sanierungen in den siebziger/ achtziger Jahren, diedurch das Europäische Denkmalschutzjahr 1975aufgehalten wurden. Es setzte danach eine Phaseder Modernisierung/ Instandsetzung ein, die denDenkmalschutz beflügelte und in den achtziger Jah-ren in eine „behutsame Stadterneuerung“ überging.Während in den neunziger Jahren zugleich Stadt-erneuerung durch Großprojekte und „soziale Stadt-entwicklung“ betrieben wurden, verschoben sichdie Schwerpunkte um die Jahrtausendwende aufeine „integrierte Quartiersentwicklung“ und die Um-nutzung von Industriebrachen. Die Aktualität derLetzteren hält an; zugleich ist das Thema „Rück-bau“ im Wohnungsbau durch Bevölkerungsverlusteein drängendes Problem geworden, das sich vonOst nach West verlagert. Das Thema der „nach-haltigen Stadtentwicklung“ im Anschluss an dieKonferenz von Rio und die „Urban 21“ erfordertvollständiges Umdenken, was sich in der Praxisnoch nicht durchgesetzt hat, im Studium jedochvermittelt wird.

Insofern umgreift das Fach „Stadterhaltung“heute ein weites Spektrum, das innerhalb einesSemesters kaum vermittelt werden kann. Dazugehören Grundlagenermittlung, Standortunter-suchung, Bestandsicherung, Um-/Nutzungskon-zepte, Räumliche Entwicklungsmodelle, Durchset-zungsstrategien und Regelungsinstrumentarien so-wie Finanzierung. Letztere Inhalte werden anhandvon aktuellen Beispielen aus Köln übermittelt.

Aktuell sind Aspekte der Baukultur in Stadt undLand; hinzu kommen neue Strategien, beispielswei-se städtebauliche Moderationsverfahren, wie sieneuerdings zur Entwicklung von Lösungen für städtebaulich schwierige Gemengelagen vom Fach-minister empfohlen werden.

Der Begriff der „städtebaulichen Denkmalpflege“– Schutz und Pflege von Ensembles, Stadt- undOrtsstrukturen sowie Ausschnitten aus der Kul-turlandschaft mit allen ihren Methoden und Instru-menten – ist umfassend. Allgemeines Materialdazu liefern nationale und internationale Dekla-rationen und Empfehlungen von der Vereinigungder Landesdenkmalpfleger – u. a. zum Thema„Denkmalpflege und historische Kulturlandschaft“aus dem Jahr 2000 – über Arbeits- und Experten-gruppen beim Städtetag und Deutschen National-komitee für Denkmalpflege bis zum InternationalenRat für Denkmalpflege – ICOMOS – mit der Chartazur Denkmalpflege in historischen Städten von1987.

Wegen der ganzheitlichen Ausrichtung undumfassender Ausarbeitungen von Strategien zurUmsetzung und zum „monitoring“ sind auchWeltkulturerbestätten Gegenstand des Studiums.

Die Auffassung, dass Denkmalpflege nicht beimEinzelobjekt endet, hat eine gewisse Tradition.Insofern wird im Studium ein kurzer geschichtlicherÜberblick gegeben. Im 19. Jahrhundert wurde imZuge des Abrisses der Stadtbefestigungen derBlick auf städtebauliche Zusammenhänge gelenkt.Der Wiener Camillo Sitte befasste sich mit derRaumwirkung mittelalterlicher Städte. Bei denStadtplanern kann Joseph Stübben als ein Wort-führer der städtebaulich orientierten Denkmal-pflege angesehen werden. Der erste Provinzial-konservator des Rheinlandes, Paul Clemen, sah inüberlieferten Strukturen „steinerne Zeugen derOrtsgeschichte“. Bei den Denkmaltagen, die ab1900 regelmäßig unter Beteiligung von Heimat-schutzorganisationen stattfanden, war der Schutzdes Orts- und Landschaftsbildes ein besonderesAnliegen. Das erste Denkmalschutzgesetz aufdeutschem Boden, das 1902 in Hessen erlassenwurde, bezog sowohl Naturdenkmäler als auch dieUmgebung von Denkmälern ein.

Dennoch musste in den letzten Jahrzehnten inDeutschland die städtebauliche Denkmalpflege neu

verankert werden. Außerdem richtete sich derBlick der Denkmalpfleger nur langsam auf dieKulturlandschaftspflege als eigenes Anliegen.

Wenn auch die Pflege von Geschichtszeugnis-sen und die Gestaltung von Stadt und Landschaftzwei unterschiedliche Ansätze sind, so kann dieDenkmalpflege heute nicht umhin, sich neben derErhaltung um die Gestalt der heutigen Stadt undder Kulturlandschaft zu bemühen. Sie muss sichjedoch wehren gegen Tendenzen der bloßen „Stadt-verschönerung“ (beispielsweise im Rahmen derVerkehrsberuhigung), die ohne Respekt vor derhistorischen Überlieferung stattfinden. Die städte-bauliche Denkmalpflege vermittelt – wie der Begriffverdeutlicht – zwischen den verschiedenen Fachbe-reichen.

Die Arbeit der städtebaulichen Denkmalpflegebeginnt wie üblich mit der Erforschung des Be-standes und der historischen Entwicklung („Orts-analyse“), um das Wesen des Gegenstandes zu

erfassen, setzt sich fort mit dem frühzeitigenErkennen von nachteiligen Entwicklungen, derErarbeitung von erhaltungssichernden Planungs-konzeptionen sowie ihrer Umsetzung und kritischerBegleitung von Planungsverfahren. Letztere bezie-hen sich nicht nur auf Bauleit- und Verkehrs-planungen, sondern auch auf Verfahren zurUmweltverträglichkeitsprüfung, Entwicklungs- undRahmenpläne sowie Landschaftspläne und Kultur-landschaftskataster. Dadurch ergibt sich für die inder städtebaulichen Denkmalpflege Tätigen einganz neuer Arbeitsbereich und Umfang, auf den dieStudierenden vorbereitet werden sollen. Jenseitsder Tendenz zur Beschleunigung von Verfahren undder begrenzten fachlichen sowie der Bürgerbetei-ligung gibt es Tendenzen, das kulturelle Erbe stär-ker und qualifizierter in Verfahren einzubringen.Diesem Ziel dienen beispielsweise „IntegrierteRaumanalysen“ einschließlich Aussagen zumKulturgüterschutz, die Bauleitplanverfahren vorge-zogen werden, wie es an Beispielen aus der StadtKöln belegt werden kann.

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STADTENTWICKLUNG

Stadterhaltung als Aufgabe der StadtentwicklungDr. Barbara Precht-von Taboritzki

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Innerhalb des Faches Sondergebiete derBaugeschichte wird pro Semester entweder einebesondere Stilepoche der Architekturgeschichtegenauer untersucht, so z. B. „Der romanischeSakralbau in Deutschland“, oder aber es werden anausgewählten herausragenden Bauwerken aus ver-schiedenen Zeitepochen die Entwurfskonzepte dereinzelnen Architekten gezielt analysiert, so z. B.„Das Pantheon in Rom“ (vergl. Abb.) oder „DasHaus Müller von Adolf Loos“.

Unabhängig vom Thema werden zusätzlich diesozial-kulturellen Faktoren, wie architektonischerZeitgeschmack, Stand der Bautechnik, Einfluss desBauherren, philosophische Strömungen der Zeit,usw. dargestellt, die letztendlich die Form und dieKonzeption eines Bauwerks mitbestimmen.

Der Inhalt des Faches erhöht zum einen dieKenntnis von wichtigen Architekturdenkmälern undzum anderen erhalten hier die Studierenden dieMöglichkeit, sich wissenschaftlich-theoretisch miteinem bestimmten Architekturthema auseinanderzu setzen.

Zusätzlich wird hier anhand von Architektur-beschreibungen die fachspezifische Architektur-terminologie trainiert, die ein unerlässlichesGrundhandwerkszeug im Bereich der Denkmal-pflege darstellt.

Grundlage der Seminare ist der Vortrag einesReferates. Diese Form des Leistungsnachweisesbeinhaltet mehrere Lernziele (siehe oben), die auf-einander aufbauen. Diesem Referat entspricht diespätere berufliche Praxis, sei es im Verfasseneiner Wettbewerbs- und Entwurfserläuterung oderaber vor allem in der Erstellung eines bauhistori-schen Gutachtens.

Abb.: Pantheon / Rom

Kenntnisse zu vermitteln gilt es auch über spe-zielle Inventare, die allgemeine Grundlagen für diestädtebauliche Denkmalpflege liefern wie Ortskern-atlanten (Baden-Württemberg), Stadtkernatlanten(Schleswig Holstein), Atlas der historischenSchutzzonen (Österreich) und Inventar der schüt-zenswerten Ortsbilder (Schweiz). Mit den allge-mein in Deutschland vereinbarten Denkmaltopo-grafien wird der Denkmälerbestand in seinen struk-turellen Beziehungen dargestellt.

Es wird im Studium auf verschiedene Grund-lagen und Methoden der städtebaulichen Denk-malpflege, beispielsweise die Ortsanalyse, diefachlich bedingt unter speziellen Voraussetzungenzu erfolgen hat, näher eingegangen. Hierzu sinddenkmalpflegerische Erhebungsbögen erarbeitetworden, die in der Praxis Anwendung finden kön-nen. Selbstverständlich werden die verschiedenenerhaltungssichernden Planungskonzeptionen be-handelt, deren Methoden und Instrumente derstädtebaulichen Denkmalpflege zur Verfügung ste-hen (wie Erhaltungskonzeptionen, Bereichs-,

Erhaltungs- und Gestaltungssatzungen sowieDenkmalpflegepläne). Auf sie gehe ich hier nichtnäher ein, da sie in getrennten Beiträgen abgehan-delt werden. Das betrifft auch die wissenschaftli-che Grundlagenermittlung.

Wünschenswert wäre mehr Zeit zur gemeinsa-men Bearbeitung von Einzelthemen, wie jüngst beieiner Stellungnahme zur Entwicklung des ICE-Haltepunktes in Köln-Deutz.

Das vertiefende Studium wird durch umfangrei-ches von der Dozentin erarbeitetes Material er-leichtert.

Diese kurzen Erläuterungen machen dieBedeutung des umfassenden Fachgebietes deut-lich, dem mehr Raum eingeräumt werden sollte.

(Abb. 1: Quedlinburg – Burgberg mitStiftskirche)

(Abb. 2: Plan der Kulturgüter von Köln Flittard)

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SONDERGEBIETE DER BAUGESCHICHTE

Lebendige Zeugnisse in der Architektur:Das Fach Sondergebiete der Baugeschichte

Dr. phil. Dipl.-Ing. Thomas Werner

Lernziele

1. Das Beschaffen und Sammeln vonInformationen aus verschiedenen Quellen wieBibliotheken, öffentliche Archive, Internet usw.

2. Das kritische Sichten und Aussortieren vonvorliegenden Texten

3. Das Ordnen und Strukturieren derInformationen

4. Die Präsentation eines Ergebnisses inmündlicher und schriftlicher Form

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STADTENTWICKLUNG

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anstehenden Baumaß-nahmen geschützt wer-den, wenn sie in ihrer Be-deutung erkannt wurde.Voraussetzung für diedenkmalgerechte Erhal-tung und Nutzung sinddaher auf die jeweiligeAufgabe abgestimmteDokumentationen. Siebilden die Grundlage fürdie Konzeption denkmal-gerechter Erhaltungs-und Nutzungskonzeptio-nen.

Ein wichtiges Instru-mentarium stellen dabeidie Baualterspläne dar.Sie benennen das Baual-ter für jedes einzelne Bau-teil. So fällt es aus denk-malpflegerischer Sicht si-cherlich leichter, eine not-wendige Türöffnung ineine sekundäre Wandder 1960-er Jahre zubrechen, als in eine mit-telalterliche Bruchstein-mauer. Auch wird mansich sicherlich mit demEinschlitzen von Elektro-leitungen und Heizungs-rohren bei einer farbiggefassten Wand aus derBarockzeit eher zurück-halten. Dies aber setztvoraus, dass man denWert der Wand über-haupt erkennt.

Raumlisten, Raumbücher und strukturierteFotodokumentationen sollen hier Hilfestellungfür die Planung geben. Dabei finden auch immerstärker naturwissenschaftliche Methoden An-wendung. Die Dendrochronologie, die Lehre vonder Bestimmung der Bauhölzer über die Aus-wertung der Jahresringbreiten, ist heute bei derAltersbestimmung von HolzkonstruktionenStandard.

Thermografische und endoskopische Techni-ken helfen, verdeckte Bauteile zu entdecken. Inder Bodendenkmalpflege halten geomagnetischeTechniken zunehmend Einzug. Letztlich habenaber auch alle diese Techniken nur das eine Ziel,historische Objekte bzw. Siedlungen als Zeug-nisse der Geschichte zu bewahren.

Abb. 1 und 2: Die frühbarocke Remise inHaus Meer, der heutige Zustand (oben) und ein

historisches Foto von 1959 (unten).

Die Arbeit der Denkmalpflege gliedert sich indie beiden großen Arbeitsfelder „Inventarisation“und „Praktische Denkmalpflege“.

Die „Inventarisation“ hat im Kern die Frage zubeantworten, ob beispielsweise ein Einzelge-bäude, eine Grünfläche, ein Quartier oder garein ganzer Stadtkern Denkmalwert besitzt. DieGrundlage für diese Bewertung liefert der § 2des nordrhein-westfälischen Denkmalschutzge-setzes. Danach müssen die Objekte Bedeutungfür „die Geschichte des Menschen, für Städteund Siedlungen oder für die Entwicklung derArbeits- und Produktionsverhältnisse“ aufwei-sen. Zudem müssen für deren Benennung alsDenkmal „künstlerische, wissenschaftliche,volkskundliche oder städtebäuliche Gründe“sprechen.

Ob die Bedeutung im jeweiligen Einzelfallgegeben ist und ob entsprechende Gründe fürdie Ausweisung als Denkmal angeführt werdenkönnen, ist nicht immer auf den ersten Blick zuerkennen. Viele Gebäude besitzen eine wechsel-volle Geschichte, die sich an zahlreichen Um-bauten und Umnutzungen festmacht. Diese er-weisen sich auch nicht immer als Gewinn. Oftsind historische Objekte durch jüngere Eingriffeerheblich verunklärt. Gleiches kann auch fürStädte und Siedlungen gelten. Durch Neubautenoder Straßenverlegungen veränderte sich dieStadtstruktur oft gravierend.

Im Rahmen der Inventarisation gilt es, diedenkmalwerte Substanz aufzuspüren, zu analy-sieren und zu bewerten. Wichtigste Quelle istdabei das Objekt selber. Die bauhistorische For-schung arbeitet am Objekt. Bauaufnahmen bil-den dabei die unverzichtbare Grundlage allerForschungen. Allerdings gilt es, für jedes einzel-ne Objekt den Aufnahmestandard und die einzu-setzende Technik zu bestimmen. Je umfangrei-cher die Schäden bzw. die geplanten Eingriffesind, je umfangreicher und detailgenauer wird in

der Regel auch die zeichnerische Dokumentationausfallen.

Oft aber sieht man die historische Substanznicht wirklich. Es finden sich Teppichböden, Ta-peten und abgehängte Decken, hinter denen mandenkmalwerte Substanz vermutet. Gezielte Ein-griffe der Bauforschung sind daher erforderlich,um hinter neueren Bauteilen originale, bauhisto-risch bedeutende Substanz zu entdecken.

Allein durch die Untersuchungen am Objektentschlüsselt sich die Geschichte eines Gebäu-des jedoch meist nur schwer. Zur bauhistori-schen Dokumentation gehört daher regelmäßigauch die Auswertung der sekundären Quellen.Hierzu gehören u.a. Akten und Urkunden, histo-rische Abbildungen, Karten und Zeichnungen.Diese in Archiven, Sammlungen und Bibliothekenaufzuspüren und auszuwerten, ist ein wesentli-cher Lehrinhalt dieses Seminars. So gilt es beijedem Archivstück neu, die Aussagen quellenkri-tisch zu bewerten. Insbesondere für die Denk-mäler des 19. und frühen 20. Jahrhunderts lie-gen die Schriftquellen oft reichlich vor. Aller-dings zeigt sich hier noch das Problem, dass sieüberwiegend noch per Hand in der alten„Kurrent-Schrift“ verfasst wurden. Die Vermitt-lung von Grundkenntnissen in dieser altenSchrift gehört daher zum Handwerkszeug derDenkmalpfleger und damit zum Lehrinhalt diesesSeminars.

Die Bewertung eines Gebäudes oder einerstädtebaulichen Struktur als Denkmal ist dieeine Aufgabe. Die Erhaltung und Pflege bildetden zweiten Schwerpunkt denkmalpflegerischerArbeit. Der Denkmalwert ist stets an die Origi-nalsubstanz gebunden. Geht die historische Sub-stanz durch Eingriffe verloren, verschwindetauch der Denkmalwert. Eine zentrale Aufgabeder Denkmalpflege gilt daher der Bewahrung deroriginalen Substanz. Diese originale, denkmal-werte Substanz kann aber stets nur dann bei

DOKUMENTATION / INVENTARISATION

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DOKUMENTATION / INVENTARISATION

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Das Fach „Dokumentation / Inventarisation“

Dr. Norbert Schöndeling

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Im Fach HistorischeBautechnik werden einer-seits Grundkenntnissevermittelt, in Form vonVorträgen – unterteilt indie großen Bereiche Holz-bauweisen und Massiv-bauweisen – auf derGrundlage von histori-schen Fachbüchern, Ver-öffentlichungen über Er-kenntnisse der Baufor-schung und Erfahrungs-berichten. Wegen dergroßen Vielfalt der zeitli-chen und regionalen Va-rianten wird dabei beson-deres Gewicht auf diesystematische Betrach-tungsweise gelegt, ausge-hend von der zeitlosen undüberregionalen – imHauptstudium im FachBaukonstruktion vermit-telten – Systematik desBaugefüges. Deshalb wirdandererseits anhand vonÜbungen eine Methodikfür die Beurteilung vor-handener Bausubstanzvermittelt, im Hinblick aufdie Möglichkeiten ihrerVerwertung, die techni-schen Grenzen ihrer Ver-änderbarkeit, die Rekon-struktion zerstörter Teile,die Sanierung schadhafterTeile, die Möglichkeitender Erfüllung von derzeitgültigen bauaufsichtlichenAnforderungen und sons-tige Eingriffe, z.B. Einfü-gung von modernen haus-technischen Anlagen.

Das Instrumentarium umfasst die Recherche, dieBeschaffung von und den kritischen Umgang mitInformationsmaterial und Fachliteratur, die Suchenach historischen und antiquarischen Quellen, dieSystematik der Aufarbeitung und die Darstellung.

Abb. aus Schlomann-Oldenbourg „Illustrierte Technische Wörterbücher“ Band

13, „Baukonstruktionen“Deutsch / Englisch / Französisch / Russisch /

Italienisch / SpanischDruck und Verlag von R. Oldenbourg, München

und Berlin, 1919

Für die überwiegende Zahl der älteren Bautensind meistens – soweit überhaupt welche erstelltwurden – die Ausführungsunterlagen verlorenge-gangen; ebenso zum größten Teil das praktischeWissen um die bautechnischen und bauhandwerkli-chen Besonderheiten vergangener Zeiten.

Die gründliche Kennt-nis der verwendeten Ma-terialien, Bauweisen undKonstruktionen mit ihreneigenen Gesetzmäßigkei-ten ist aber eine wesentli-che Voraussetzung fürden Umgang mit der Bau-substanz eines histori-schen Gebäudes. Die Bau-aufnahme alleine kann die-se Grundlage nicht bieten,weil man beim Aufnehmensystematisch vorgehen (-suchen) muß, d.h. voneinem Grundwissen aus-gehend. Zudem wird dasBaugefüge in der Regelnicht in seinem ursprüng-lichen, unveränderten undvollständigen Zustand vor-gefunden.

Diese systematischeBetrachtungsweise giltfür Zeit und Raum, da dieTätigkeit des Architektenim Umgang mit Baudenk-mälern, historischen Ge-bäuden oder mit demBauen im Bestand sichauch auf andere Kultur-räume ausdehnen kann.

Die historischen Bau-konstruktionen haben sichin der Regel aus einer lan-gen regionalen Bautradi-

tion entwickelt und sind in einem tradierten Bau-handwerk verankert. Sie sind nicht, wie die aktuel-len, aus einem ingenieurwissenschaftlichen Ent-wicklungsprozess hervorgegangen. Daher werdensie auch „traditionelle“ Bautechniken genannt.

HISTORISCHE BAUTECHNIK

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HISTORISCHE BAUTECHNIK

Historische BautechnikProf. Dipl.-Ing. Bruno Franken / Prof. Dipl.-Ing. Ulrich Kuhn

Regularien / Abwicklung / Studienleistungen

Vorlesung und Seminar werden zur Zeit einmal im Jahr imWintersemester angeboten.

Im Sommersemester werden die Ausarbeitungen betreut.

Studierende im Hauptstudium Architektur, Studienschwerpunkt C4Baudenkmalpflege, belegen:• Vorlesung Baukonstruktion III im 6. Studiensemester,• Seminar „Konstruktiver Entwurf“ im 6. und 7. Studiensemester, • Lehrveranstaltung „Historische Bautechnik“, 4 SWS;

Studienleistung: Referat über ein Thema der historischen Bautechnik.• Abschluss zusammen mit der Fachprüfung im Fach Baukonstruktion III.

Das Fach Historische Bautechnik kann auch unabhängig vom Studien-schwerpunkt als Wahlpflichtfach belegt werden; dann gelten dieBedingungen wie für

Studierende des Zusatzstudiums Baudenkmalpflege:• Lehrveranstaltung „Historische Bautechnik“, 4 SWS;

Studienleistung: Referat über ein Thema der Historischen Bautechnik, das im Laufe des Semesters vor den Kommilitonen gehalten wird undzugleich die Prüfungsvorleistung ist;dazu gehört ein Exposée mit den Quellenangaben und den wesentli-chen Illustrationen.

• Fachprüfung: Prüfungsform Vorlage mit Kolloquium. Prüfungsleistung:Ausarbeitung zu einem Thema der Historischen Bautechnik.

Vorzugsweise werden historische Gebäude aus dem Kölner Raum bearbeitet, zur Zeit aus der Moderne und der Aufbauzeit nach dem zweiten Weltkrieg. Die Exposées der Referate und die Ausarbeitungengehen in die Handbibliothek des Institutes ein.

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prominenten Baudenkmälern ist dies meistgewährleistet. Bei der großen Masse der kleine-ren Baudenkmäler vertrauen Architekten undBauherren aber all zu leicht Patentrezepten.Entsprechend hoch ist die Versagensquote.

Die Aussage beispielsweise: „Die Wand istnass“, kann alleine wohl kaum als qualifizierteSchadensanalyse ausreichen. Dazu sind diemöglichen Schadensursachen viel zu unter-schiedlich. Entsprechende Fehlschläge bei derSanierung sind zu erwarten, denn beispielsweisedie Injektage von dichtenden Mitteln ist nurunter speziellen bauphysikalischen Rahmenbe-dingungen erfolgreich.

Die Sanierung von Feuchteschäden ist oft derSchlüssel zur Beseitigung weiterer Schäden. Somacht beispielsweise die Bekämpfung von holz-zerstörenden Pilzen ohne die Beseitigung derFeuchte-Ursache wenig Sinn. Über eindringendeFeuchtigkeit gelangen schließlich auch Schad-stoffe in Natursteine hinein und greifen dort dieBindemittel an. Steinzerfall ist die Folge undstellt seit Jahrzehnten eine besondere Heraus-forderung in der Denkmalpflege dar.

Die Aufgabe, Bindemittelverluste durch festi-gende Mittel auszugleichen, ist nicht neu. Selbstfür die Antike sind bereits erste Versuche über-liefert. Insgesamt ist die Geschichte derSteinfestigung überwiegend von Fehlschlägenbegleitet. Meist handelt es sich um das immergleiche Problem. Die festigenden Mittel dringennur unzureichend in den Stein ein oder bindennur unzureichend ab und bilden damit eine zudichte Kruste über der weiterhin geschädigtenZersetzungszone. Damit vergrößert sich derSchaden weiter. Oft platzen ganze Schalen durchzu dichte Krusten ab. Mit den heutigen Kiesel-säureestern stehen Produkte zur Verfügung, diedeutlich gezielter eingesetzt werden können.Aber auch hier sind stets umfangreiche Vorver-suche in jedem Einzelfall erforderlich.

Mit der Unterschutzstellung von Gebäudendes 19. und 20. Jahrhunderts kommen neueBaustoffe hinzu. Die Sanierung von Betonkons-truktionen ist allein durch den Instandsetzungs-bedarf an vielen Ingenieurbauwerken ein umfang-

reiches Aufgabenfeld. Zur Erhaltung dieserKonstruktionen wurden in der Zwischenzeit wir-kungsvolle Techniken entwickelt. Hierbei entste-hen in der Regel neue Oberflächen oder zuschwach dimensionierte Bauteile mit oft unzu-reichenden Überdeckungen der Armierung wer-den verstärkt. In der Regel gehen diese Maß-nahmen einher mit deutlichen Veränderungendes Erscheinungsbildes. Hier liegt das eigentli-che Problem der Instandsetzung von Beton-oberflächen.

Eisen- und Stahlkonstruktionen stellen für dieDenkmalpflege eine weitere große Herausfor-derung dar. Hier gilt es insbesondere, der Kor-rosion zu begegnen. Schichten, die einmal kor-rodiert sind, können nicht wieder in tragfähigeSubstanz umgewandelt werden. Die Strategiegeht deshalb dahin, korrodiertes Material zuentfernen und die Konstruktion vor beginnenderKorrosion zu schützen. Häufig wurden Eisen undStahl bei Ingenieurbauwerken eingesetzt. Es giltabzuwägen, ob die verbleibende Substanz in derLage ist, die vorhandenen Lasten auch weiterhinaufzunehmen. Hinzu kommt, dass historischeKonstruktionen auch bei nicht vorhandener Ma-terialschädigung allein auf Grund ihrer Konstruk-tion und Bemessung nicht den heutigen Normenentsprechen. Sehr häufig folgt hier entspre-chend der Ruf nach vollständigem Austausch.Damit wird das Baudenkmal in seiner originalenSubstanz aufgegeben.

Ein spezielles Problem stellt schließlich nochdie Sicherung von Glasmalereien dar. Histori-sche Glasflächen sind den Schadstoffen der Luftausgesetzt. Das Fortschreiten der Schädigun-gen in den letzten Jahrzehnten ist erschreckend.Mit Schutzverglasungen wird versucht, den di-rekten Angriff der Schadstoffe zu verringern.Gleichzeitig gilt es, die Substanz der geschädig-ten Gläser zu festigen.

Die Konservierung und Restaurierung vonBaudenkmälern ist erforderlich, um diese für dieZukunft zu bewahren. Das mit 4 Semesterwo-chenstunden ausgestattete Fach soll hierzu bau-konstruktive, bauphysikalische und baustofftech-nische Grundlagen vermitteln.

Abb.: Innenraum der Remise in Haus Meer

Gebäude unterliegeneinem stetigen Verfall.Dieser Verfall hat oft na-türliche Ursachen. Wei-tere Schäden entstehenaber auch beispielsweisedurch Feuchtigkeit, dasEinwirken von Schad-stoffen, durch Verschleißoder durch fehlendeWartung. Der alleinigeSchutz eines Gebäudesdurch die Eintragung indie Denkmalliste reichtdamit zur Erhaltungnicht aus. Aktive Maß-nahmen der Denkmal-pflege müssen hinzukommen.

Oberstes Ziel ist dieKonservierung, d.h. dieBewahrung der origina-len Substanz. Unabhän-gig vom Bauteil bzw.Baustoff ist dafür Sorgezu tragen, dass die vor-handene, denkmalwerteSubstanz erhalten bleibt,d.h. der Verfall gestopptoder doch zumindest spürbar verlangsamt wird.In vielen Fällen reicht das alleinige Konservierenjedoch nicht aus. Restaurierende Maßnahmenkommen hinzu, indem Bauteile wieder in Standgesetzt oder Partien ergänzt werden. Bei star-ken Schädigungen ist nur noch ein Austausch zuvertreten bzw. technisch zu realisieren.

Aber spätestens hier wird jede Erhaltungs-maßnahme schwierig. Es wurde nachgerechnet,dass bei vielen konventionellen Sanierungsmaß-nahmen, je nach Bauteil bzw. Baustoff, 60 –100 % der originalen Substanz verloren gehen.Denkmäler sind daher nach einer Restaurie-

rungsmaßnahme wieder ansehnlich, aber rund-erneuert. Viele Gebäude tragen nur noch sowenig originale Substanz in sich, dass sieeigentlich aus der Denkmalliste wieder herausgenommen werden müssten. Jede Konservie-rungstechnik ist deshalb dahingehend zu über-prüfen, in welchem Umfang sie wirklich „konser-vierend“ bzw. „substanzerhaltend“ wirkt.

Nun herrschen an einem historischen Ge-bäude oft andere Bedingungen, als in einemBaustofflabor. Grundsätzlich müssen daher ziel-gerichtete Schadenserfassungen und -analysenam Beginn einer jeden Maßnahme stehen. Bei

KONSERVIERUNGS- UND SANIERUNGSTECHNIKEN

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KONSERVIERUNGS- UND SANIERUNGSTECHNIKEN

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Konservierungs- und Sanierungstechniken

Dr. Norbert Schöndeling

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Zusammenhänge verständlich gemacht und gehensomit in eigene Erfahrungen und Erkenntnisse über.Dadurch wird ein gewisses Selbstbewusstseingeschaffen und die Möglichkeit gegeben, dieseErfahrungen später in die Praxis umsetzen zu kön-nen.

Abb. 1: Herstellen eines Lehmwickels

Abb. 2: Fachwerk wurde zerstört durchVersiegelung

Themen

1. Der Baustoff Lehm• Der Baustoff Lehm als Notwendigkeit ?• Was ist Lehm ?• Wo und wie finde ich Lehm ?• Lehmtauglichkeit• Lehmprüfverfahren• Vor- und Nachteile des Lehms• Die Aufbereitung der Lehme

2. Die Lehmbautechniken• Der Lehmstampfbau• Der Lehmsteinbau• Der Lehmwellerbau• Der Fachwerkbau mit Lehmausfachung

3. Bauphysik mit Lehm• Wärmespeicherung• Wärmeisolierung• Dampfdiffusion, Taupunkt• Schallisolierung• Brandverhalten

4. Die Beimischungen für Lehm• Stroh • Schweineborsten usw.• Molke usw.• Sand• Kalk• Kuhdung• Wasser

5. Die Ausfachungen im Fachwerkbau• Fachwerkwände, innen• Fachwerkwände, außen• Lehmdecken

6. Das Lehmgefach als Außenwand/Innenwand• Bestand, Gestern und Heute• Restaurierung ohne Erneuerung • Restaurierung mit heutigen Erkenntnissen

7. Der Lehmverputz• Putz als notwendiger Schutz• Putzarten • Putztechniken

8. Der Anstrich auf Lehm und Putz• Anstrich mit Kalkfarbe• Farbstoffe • Anstrich mit Leimfarbe• Dispersionsfarbe aus Naturharz

- Kalkkaseinfarben- Silikatfarben

9. Kosten von Restaurationsarbeiten• Beschaffung von Material• Kosten des Materials• Stundenaufwand der Arbeiten• Kostenschätzverfahren• Bauzeiten• Möglichkeiten der Kostenoptimierung

Das Fach beschäftigt sich mit der Technologie,Forschung und Lehre der Baustoffe, die an histori-schen Gebäuden verwendet wurden und heute wie-der bei der Restaurierung verwendet werden. Inden letzten Jahrzehnten hat sich gezeigt, dass derBaustoff „Lehm“ im Zusammenspiel mit Natursteinund Holz eine besondere Rolle spielt. Aus diesemGrund ist der Lehm hier zu einem Schwerpunkt-thema geworden.

Bei der Restaurierung von historisch wertvollenGebäuden wurden und werden noch immer sehrviele Fehler gemacht. Durch den Einsatz von fal-schen Baustoffen, sowie die Kombination von Bau-stoffen, die nicht miteinander harmonisieren,kommt es leider häufig zur Zerstörung wertvollerBausubstanz. Erst mit theoretischer, vor allemaber praktischer Kenntnis der Baustoffe und ihrerAnwendung lassen sich Bauschäden vermeiden.

Ziel ist es, dem Studierenden die Kenntnisseüber diese Werkstoffe zu vermitteln, die für dieKonstruktion und den Ausbau der historischen Bau-werke wieder Anwendung finden.

Die Unterschiede in den Eigenschaften, der Ver-arbeitung und der Anwendung ergeben sich jeweilsaus der besonderen stofflichen Zusammensetzungder einzelnen Baustoffe. Für ihren sinnvollen undsachgerechten Einsatz genügt oft nicht allein dieKenntnis der Theorie. Mindestens genauso wichtigist das Verständnis für die Zusammenhänge zwi-schen dem Aufbau bzw. der Technologie derBaustoffe einerseits und ihren Eigenschaften undihrer Verarbeitung andererseits.

Durch praktische Arbeit an bestehenden Ge-bäuden, z.B. im Freilichtmuseum Lindlar oder ananderen aktuellen Projekten, werden diese

SONDERGEBIETE DER WERKSTOFFLEHRE

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SONDERGEBIETE DER WERKSTOFFLEHRE

„Sondergebiete der Werkstofflehre“

Dipl.-Ing. Herbert Schmitz, ArchitektLehrbeauftragter

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erhaltenen Sockel bzw. nördlichen Umfassungs-mauer durch eine flache Aufmauerung optischergänzt. In den Jahren 1978-1983 wurden Siche-rungsmaßnahmen mit verschiedenen Fugen-,Mauer- und Injektionsmörteln durchgeführt. Obwohldiese mit sulfatbeständigem Zement erfolgten, tre-ten erneut Risse auf.

Die Umweltsituation ist ländlich, die Kloster-gebäude liegen in der feuchten Talaue auf nachgiebi-gem Untergrund. Bei dem vorgefundenen Gesteinhandelt es sich um Dolomit. Als ursprünglichesFugenmaterial ist Gipsmörtel verwendet worden.

1. Einleitung – Allgemeines – Veranlassung

Beim Ortstermin in Walkenried am 18.09.2001wurde festgestellt, dass sich in vielen Bereichen Fu-genmörtel von den Steinflächen abgelöst hat und da-bei häufig Steinsubstanz anhaftet. Als weiteres auf-fälliges Schadensbild sind viele lange und breite Ris-se vorhanden, die mit bloßem Auge erkennbar sind.Die Risse verlaufen nicht nur in den Fugen, sonderngehen häufig auch durch die Natursteine.

Abb. 1: Lagegrundriss der Kirchenruine

Während der dem Verfasser teilweise persönlichbekannten letzten großen Sicherungsarbeiten von1978-83 wurde angeblich hochsulfatbeständiger

Zement (HS-Zement) als Injektionsmörtel verwen-det. Zeitgleich hatte der Verfasser eigene Versuchemit HS-Zementen und diversen historischen Gips-mörteln durchgeführt und dabei eindeutig nachge-wiesen, dass bei entsprechendem FeuchtangebotTreibreaktionen ablaufen.

Die Vermutung liegt nahe, dass viele dieser Risseauf Treibmineralbildung zurückzuführen sind. Fallssich diese Vermutung bestätigen sollte, muss damitgerechnet werden, dass die Schäden in der nahenZukunft deutlich größere Ausmaße annehmen.

Die aufgetretenen Schäden können aber auchandere Ursachen haben, wie z. B. Korrosion von ein-gebauten Stahlankern, Lastumlagerungen infolgeder größeren Steifigkeiten von bestimmten Mauer-werkszonen nach erfolgter Vernadelung bzw. Vor-spannung.

Um den Bereich der Spekulation zu verlassen undverlässliche Erkenntnisse zu gewinnen, müssengrundlegende Untersuchungen durchgeführt werden.Die zu untersuchenden Bereiche sind die West-wand, die südliche Jochreihe, die südlichen Quer-schiffwände und die südliche Langhaus-Außenwand.

Unabhängig von den vorgenannten Schadensbil-dern ist auch der Bereich der biologischen Schädi-gungen infolge von Umwelteinwirkungen, saurem Re-gen und hohem Feuchteangebot zu beachten. Biolo-gische Korrosionen durch Mikroorganismen, Mooseund Flechte treten infolge der o.a. Ursachen auf.

Moose sind in Walkenried an Teilen von Wand-oberflächen und den mit Beton gesicherten Mauer-kronen zu finden. Aus konservatorischen und ästhe-tischen Gründen kann man Moose eventuell auf denMauerkronen belassen. Gefährdete und von Be-wuchs befallene Wandflächen sollten genauer beob-achtet werden, um zu entscheiden, ob weiterführen-de Maßnahmen notwendig werden. Flechten, Bakte-rien und Algen können Säuren entwickeln, die Steinelösen und ähnliche Merkmale wie bei chemischenAngriffen aufweisen.

2. UntersuchungskanonZur Feststellung der Schadensursachen und

deren Behebung schlägt der Verfasser die folgendeVorgehensweise vor:

HISTORISCHE TRAGWERKE

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0. Vorbemerkungen

Dieser Beitrag ist der Auszug eines Zwischenbe-richtes zur Standsicherheitsuntersuchung der Bau-konstruktionen an der Kirchenruine der ehem. Zis-terzienserabtei Walkenried. Es müssen weiterge-hende Entscheidungen getroffen werden, um dieStandsicherheit der Kirchenruine möglichst dauer-haft zu gewährleisten. Die nachfolgenden Ausfüh-rungen sind bewusst knapp gehalten worden, um diebisher durchgeführten Untersuchungen zu präsen-tieren und die notwendigen künftigen Maßnahmen imZusammenhang zu erläutern.

0.1. Gründung und Entstehung des Klosters

Die Klosterkirche zählte zu den größten mittelal-terlichen Sakralbauten Niedersachsens. Begonnenwurde mit dem Bau um 1207 oder 1214. Die ge-naue Kartierung ist nicht bekannt. Sicher ist, dassdie gotische Kirche 1290 von Bischof Siegfried vonHildesheim geweiht wurde und somit zu diesemZeitpunkt fertiggestellt war.

Das Kloster selbst gründete sich aus einer Stif-tung heraus um 1127. Der Einzug des Konventserfolgte nach spätmittelalterlicher Ordenstraditionzwei Jahre später. Als Gründungsjahr gilt daher1129. Bereits 1137 wurde die erste Klosterkirche(romanischer Bau) feierlich eingeweiht. Das Mut-terkloster von Walkenried war die 1123 gegründeteAbtei Kamp am Niederrhein, die das älteste deut-sche Zisterzienserkloster ist. Walkenried selber warMutterkloster zwei weiterer Gründungskonvente.1132 - Kloster Schmölln in Thüringen, 1141 - Klos-ter Sittichenbach bei Eisleben.

Im 13. und 14. Jahrhundert erfolgte ein völligerNeubau der Klosterkirche und der Klausurgebäude.Die frühgotische Kirche war einst eine der größtengotischen Sakralbauten Niedersachsens, sie wurdejedoch im Bauernkrieg 1525 verwüstet und verfielzur Ruine. 1542 erlangte das Kloster die Reichs-

standschaft. 1546 schloß sich der WalkenriederKonvent der lutherischen Lehre an. 1578 übernah-men die Walkenrieder Schutzvögte, die Grafen vonHohnstein, die Verwaltung des Klosters und Reichs-stiftes. 1593 fiel Walkenried an die Herzöge zuBraunschweig und Lüneburg. Formal bestand derKonvent noch weiter. Ihm war seit 1557 eine La-teinschule angeschlossen, die 1668 aufgehobenwurde. Als Folge des Dreißigjährigen Krieges wurde1648 der Konvent aufgelöst und das Stift säkulari-siert. Vom Kloster überdauerte der Wirtschaftshofals Domäne bis zu seiner Auflösung um 1950.

Von den Gebäuden der ersten Klosteranlage istnichts erhalten geblieben. Jedoch konnten in denJahren 1978-83 wesentliche Teile der romanischenKlosterkirche und der dazugehörenden Klausurbau-ten archäologisch nachgewiesen werden. Von dengotischen Klausurgebäuden sind dagegen großeTeile erhalten geblieben. Eine architektonische Be-sonderheit stellt der Kreuzgang dar, der im Nord-flügel zweischiffig ist. Zahlreiche skulptierte Werk-steine der ehem. Kirche sind an unterschiedlichenOrten im Kloster zu finden.

0.2. Jetziger Zustand der Kirchenruine

Erhalten sind wesentliche Teile der westlichenGiebelfassade, große Partien der südlichen Seiten-schiffwand, der Ostteil der südlichen Mittelschiff-wand und die anschließende Westwand des südli-chen Querhauses bis etwa zur Traufhöhe. In den So-ckelzonen sind die übrigen Umfassungswände desSüdquerhauses und der beiden südlichen Chorsei-tenschiffe vorhanden. Zu Teileinstürzen des Choreskam es im Jahr 1902. Weitere Teilabbruchmaßnah-men fanden im Jahre 1972 statt. Im Zusammen-hang mit umfangreichen baulichen Sicherungsmaß-nahmen 1978-83 wurden der Chor und andere Teileder Ruine neu aufgemauert. Viele Grundmauern derKirchenruine sind heute größtenteils mit Erde be-deckt. 1992/93 wurden zur besseren Ablesbarkeitder Gebäudestruktur fehlende Partien der teilweise

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HISTORISCHE TRAGWERKE

Zisterzienserkloster WalkenriedStandsicherheit der Baukonstruktionen der Kichenruine

Prof. Dr.-Ing. Rainer Hempel

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• Auswertung von Planunterlagen, vorherigen Sicherungen und Sanierungen

• Aufnahme der Rissverläufe und Kartierung der Risse in den Ansichtszeichnungen

• Sichtung und Beurteilung der Risse nach zu erwartendem Gefahrenpotential in Bezug auf Standsicherheit und Dauerhaftigkeit

• Beobachtung von ausgewählten Rissbreiten überdie Zeit in Abhängigkeit zur Temperatur und der Luftfeuchte

• Entnahme von ausgewählten Mörtel- und Gesteins-proben. Untersuchung der Proben mit chemischenund, wichtiger noch, mineralogischen Analysen

• Auswertung der Analysen• Überprüfung und Wertung der Wirksamkeit der

Sicherungen mit Nadelankern und Spannstäben• Auf Grund der gewonnenen Erkenntnisse Planung

von eventuellen Sanierungsmaßnahmen mit ent-sprechenden Überwachungs- und Wartungs-anweisungen zur Erhaltung der Dauerhaftigkeit und der Standsicherheit

Von den vorgeschlagenen Maßnahmen sind dererste Punkt in Teilbereichen und der zweite und drit-te Punkt bisher durchgeführt worden. Sie dienen alsGrundlage für das weitere Vorgehen.

2.1. Auswertung von Planunterlagen vorherigerSicherungen und Sanierungen

Die vorhandenen Planunterlagen bestehen imWesentlichen aus Abrechnungsplänen, in denen derBestand prinzipiell dargestellt ist und die einzelnenEinbaumassen differenziert aufgeführt sind. DiePlanunterlagen standen dem Verfasser bisher nureine begrenzten Zeit zur Verfügung, so dass dieAuswertung noch nicht abgeschlossen ist.

In dem Zeitraum von 1900 – 1911 wurdenumfangreiche Sicherungsarbeiten am südlichenLang- und Querhaus vorgenommen. Mit massivenStützpfeilern versuchte man, den Verformungen ent-gegen zu wirken. Planungsunterlagen hierüber konn-ten noch nicht entdeckt werden.

Neuere umfassende Sicherungen und Sanierun-gen haben in den Jahren 1977-83 stattgefunden.Statische Berechnungen und Abrechnungszeichnun-gen sind vorhanden und können noch detailliert aus-gewertet werden.

Im Bereich der Westfassade wurden mit Ze-mentinjektionen sowohl der Baugrund verbessert alsauch die gemauerten Fundamente verpresst. Dasaufgehende Mauerwerk wurde systematisch mit Be-wehrungsstäben vernadelt und mit Zementsuspen-sion verpresst. Den oberen Wandabschluss bildetein Stahlbetonbalken, der eine stabilisierende undverbindende Funktion innehat. Die Abbruchkantenwurden neu aufgemauert bzw. mauerwerkstech-nisch gefestigt.

Die Fundamente der südlichen Jochreihe, dersüdlichen Querschiffwände und der südlichen Lang-haus-Außenwand wurden ebenfalls durch umfangrei-che Injektionen mit Zementsuspensionen verpresst.Das aufgehende Mauerwerk wurde anschließend,wie die Westfassade, vernadelt und mit Zement-suspension verpresst. Alle Mauerkronen wurden umca. 1,00 - 1,50 m abgetragen und dann wieder auf-gemauert. Innerhalb dieser Aufmauerung und alsoberer Wandabschluss wurden Stahlbetonbalkeneingebaut, die stabilisieren und zusammenhaltensollen. Des Weiteren sind Spannstäbe mit sehrhoher Vorspannkraft in die Langhaus- und Querhaus-wände eingezogen worden.

2.2. Aufnahme der Rissverläufe und Kartierung

Die Kartierung von Rissen erfolgt in Planunterla-gen. Von der Kirchenruine konnten dem Verfasserkeine geeigneten Planunterlagen und schon gar keinsteingerechtes Aufmaß zur Verfügung gestellt wer-den. Folglich wurden fotogrammetrische Aufnah-men gemacht, die im Original im Maßstab 1:50 ab-gezogen wurden. Sie bilden die Plangrundlagen. Zurbesseren Bearbeitung und der Möglichkeiten derVervielfältigung für andere Planungsbeteiligte, dieBauherrschaft usw. wurden die fotogrammetrischenAufnahmen gescannt und die Risse in die nun digitalvorliegenden Pläne eingetragen. Zur Ergänzung undzur Vermittlung von Detailinformationen wurdennoch digitale Fotos in die Pläne mit aufgenommen.

Es wurden somit 14 Pläne erstellt. Der Plan K-00 beinhaltet die Übersicht der einzelnen Pläne.Die Pläne Nr. K-01 bis K-13 zeigen die einzelnenWand-abwicklungen. Für die Bereiche zwischen derehe-maligen südlichen Außenwand und der südlichenJochreihe konnten aus geometrischen Gründen keinefotogrammmetrischen Aufnahmen angefertigt wer-

den. Die entsprechenden Wandabwicklungen konn-ten jedoch aus den vorliegenden Fotogrammmetriender jeweiligen Rückseiten hinreichend treffend skiz-ziert werden (Pläne K-07 bis K-09 und K-11). AlleWandflächen wurden in Augenschein genommen.Hierzu wurden sie mit einem Hubsteiger befahren.Alle erkennbaren Risse und Schädigungen wurdenkartiert und weitgehend digital fotografiert.

Alle vom Verfasser für relevant erachtetenInformationen wurden in die Pläne K-00 bis K-13 ein-getragen und somit dokumentiert.

3. Sichtung und Beurteilung der Risse nach demzu erwartenden Gefahrenpotential in Bezug aufStandsicherheit und Dauerhaftigkeit

Die jetzt kartierten Risse liefern nur eine Mo-mentaufnahme, aus der keine signifikanten Schlüssegezogen werden können. Um Aussagen über dieDauerhaftigkeit und vor allen Dingen die Standsi-cherheit machen zu können ist es erforderlich aus-gewählte Risse über einen längeren Zeitraum zu be-obachten und eventuell auftretende Veränderungenin den Rissbreiten festzuhalten. Da auch Tempe-ratur- und Luftfeuchteänderungen Einfluss auf dieRissbreiten haben, sind die zum jeweiligen Mess-zeitpunkt vorhandenen Klimadaten mit zu erfassen.

Eine kontinuierliche elektronisch gesteuerte Mes-sung liefert selbstverständlich die besten Daten.Hierbei ist vor allen Dingen der jeweilige Einfluss derKlimaveränderungen gut ablesbar. TraditionelleMesstechniken erfordern gezielte Messungen beiunterschiedlichen Klimabedingungen und regelmäßi-ge Messungen, bzw. Beobachtungen zur Feststel-lung von signifikanten Veränderungen. Für denEinsatz beider Verfahren sind jedoch ausreichendeMesszeiträume erforderlich.

Im Bereich der südlichen Jochreihe sind relativviele Risse vorhanden, so dass vieles daraufhin deu-tet, dass hier mit den meisten Verformungen zurechnen ist. An diesem Abschnitt ist die Dringlich-keit der Untersuchungen am größten. Hier lösensich viele Gewände. Eventuell besteht dadurch baldeine Gefährdung der Besucher.

Eine konkrete Gefährdung ist bereits in denBereichen Plan K 06, Bilder 47, 57, 58 gegeben. Es

sind einige Zierformen derart zerstört, dass sieabstürzen können und somit eine akute Gefahr fürLeib und Leben darstellen. Hier muss konservato-risch und denkmalpflegerisch schnell gehandelt wer-den, ansonsten ist dieser Bereich umgehend abzu-sperren.

4. Weitere Vorgehensweise - Handlungskonzept

Zunächst sind die Maßnahmen zur Aufrecht-erhaltung der Sicherheit für Leib und Leben durch-zuführen, d.h. die Absturzgefährdungen von Steinen,Zierformen usw. müssen gebannt werden.

Eine Bauaufnahme und die anschließende vorü-bergehende Entfernung mit eventueller Rekonstruk-tion bzw. chemischer Verfestigung und anschließen-dem Wiedereinbau der gefährdeten Teile ist vorzu-nehmen. Danach müssen die Ursachen und Schädeneindeutig ermittelt werden, um zielgerichtet dieSchadensursachen bekämpfen zu können. Diesscheint der einzig sinnvolle Weg zu einer möglichstdauerhaften Sanierung zu sein.

Die nächsten Schritte müssen wie folgt eingelei-tet werden:

• Beobachtung von ausgewählten Rissbreiten überdie Zeit in Abhängigkeit der Temperatur und derLuftfeuchte

• Entnahme von ausgewählten Mörtel- und Gesteinsproben. Untersuchung der Proben mit chemischen und, wichtiger noch, mineralogi-schen Analysen

• Auswertung der Analysen• Überprüfung und Wertung der Wirksamkeit der

Sicherungen mit Nadelankern und Spannstäben• Auf Grund der gewonnenen Erkenntnisse Planung

von eventuellen Sanierungsmaßnahmen mit ent-sprechenden Überwachungs- und Wartungs-anweisungen zur Erhaltung der Dauerhaftigkeit und der Standsicherheit

Eine ganz wesentliche Rolle spielt hierbei dieregelmäßige Revision und damit die Erfolgskontrolleder Sanierung.

Abb. 2 (folgende Seiten): Auszug aus derGesamtübersicht der Kartierungspläne.

Fotogrammetrische Aufnahmen der Fassaden.

HISTORISCHE TRAGWERKE

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HISTORISCHE TRAGWERKE

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HISTORISCHE TRAGWERKE

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Planung und Ausführung eine gesamtheitlicheVorgehensweise unter Beteiligung aller betroffe-nen Fachleute, wie z.B. Archäologe, Denkmal-pfleger, Holzfachmann, Orgelbauer und Statiker,frühzeitig abzustimmen. Das ermittelte Raum-klima wird damit zum primären Planungsziel derHeizungsfachleute.

Anforderungen an das Raumklima

Bei der Festlegung der Anforderungen sind diebauphysikalischen und materialtechnischen Beson-derheiten sowie die wirksam werdenden Witte-rungseinflüsse zu beachten.

Zu niedrige Lufttemperaturen haben niedrigeOberflächentemperaturen zur Folge, so dass es beiansteigender Luftfeuchte zu Taupunktunterschrei-tungen kommen kann. Durchfeuchteter Putz, Aus-blühungen, Versporungen und Schwärzungen sinddie Folge.

Schwitzwasserbildung führt in Kombination mitLuftschadstoffen auch zur Schädigung von Buntver-glasungen und Marmoroberflächen.

Zu hohe Raumlufttemperaturen führen im Win-ter vielfach zum starken Absinken der relativenRaumluftfeuchte, so dass es an tragenden Holz-elementen, Einrichtungen und Kunstwerken zuSchäden kommen kann.

Möbel, Treppen, Altäre, Skulpturen, Orgeln,Wandverkleidungen, Leinwandbilder, Stukkaturenusw. bestehen aus hygroskopischen Stoffen. DieseStoffe stehen im Feuchteaustausch mit der umge-benden Raumluft. Eine Änderung der Umgebungs-feuchte führt nach einer Anpassungszeit zu einerÄnderung der Volumenfeuchte bei den hygroskopi-schen Materialien.

Eine zu hohe Volumenfeuchte führt zu Quellvor-gängen, z.B. auf den Oberflächen von Skulpturen,Holzbauelementen usw. und kann auch zu Ver-sporungen führen.

Eine zu geringe Volumenfeuchte führt zu einerÜberschreitung der Querzugfestigkeit und somit zuRissbildung in hölzernen Bauteilen, Einrichtungenoder Kunstwerken.

In der Regel führen Feuchtewerte unter 45 %r.F. zu Trockenschäden und Luftfeuchtewerte über65 % r.F. in Verbindung mit kalten Außenflächen zuSchwitzwasser- und/oder Schimmelbildung sowiezu Quellvorgängen im Holz.

Anzustreben ist eine relative Luftfeuchte, dieeine Dimensionsstabilität der hygroskopischenBaustoffe sicherstellt, Schwitzwasser vermeidet,Versporungen und andere Feuchteschäden aus-schließt.

Für selten beheizte Gebäude (z.B. Kirchen) isteine Grundtemperierung anzustreben, um Frost-schäden, Schwärzungen wie auch Schwitzwasser-schäden zu vermeiden. Bei dieser Gebäudegruppeist die Beachtung der Aufheizgeschwindigkeit zwi-schen Grundtemperatur und Nutzungstemperaturbesonders wichtig, damit die einhergehende Ände-rung der Volumenfeuchte keine Schäden verursa-chen kann. Die Temperaturveränderungen sind jenach Empfindlichkeit der Materialien auf 0,5 bis1,5 K/h einzuregeln.

Zu guter Letzt darf z.B. ein Heizkörper nur soplaziert werden, dass die historische Dispositionerhalten bleibt und eine nutzungsgerechte Raum-gestaltung ermöglicht wird. Vorhandene histori-sche Heizungstechniken sind möglichst zu reakti-vieren.

Die Heizungsbranche befindet sich seit Jahr-zehnten in der glücklichen Situation, zwischen denPhasen verstärkter Neubau- und Modernisierungs-tätigkeiten immer wieder durch staatliche Pro-gramme und Gesetzgebungsverfahren zur Energie-einsparung oder zum Umweltschutz ausreichendbeschäftigt zu sein. Infolge dieser sicheren Auf-tragslage versäumte es diese Branche, sich einge-hend mit den besonderen Problemstellungen bei derDenkmalpflege zu beschäftigen und die Fachleuteentsprechend zu sensibilisieren. Daher werden nochimmer modernste Heizungskonzepte und -technikenunreflektiert auf Baudenkmäler übertragen und dieKulturgüter – mit aller Energie – verheizt.

Da diese Branche also unter Vollbeschäftigungleidet, werden die Verantwortlichen auch in Zukunftkaum Gelegenheit finden, sich mit dem Denkmal-schutz zu beschäftigen. Es wird weiterhin wie bis-her gebohrt, gestemmt und geschlitzt, ohne Rück-sicht auf die geschützte Bausubstanz. Neben densubstanzschädigenden Installationsarbeiten wer-den durch die Nutzungsänderungen aber auchSchäden als Folge einer geänderten Raumlufttem-peratur und relativen Raumluftfeuchte verursacht.

Diese Sachverhalte sind schon lange bekanntund wurden in Arbeitshilfen eingearbeitet, um einequalifizierte Vorgehensweise aufzeigen. Denn in derPraxis orientieren sich die Gewerke der techni-schen Gebäudeausrüstung ausschließlich an Re-gelwerken. Technische Richtlinien sind aber in denseltensten Fällen für Baudenkmäler, deren Einrich-tungen und Ausstattungen konzipiert, denkmalwer-te Objekte schon gar nicht für solche Richtliniengeschaffen. Das bedeutet, dass bei technischenErfordernissen am Denkmal immer individuelle undmanchmal auch fantasievolle Einzelfallentschei-dungen getroffen werden müssen.

Für die Heizungstechnik bestehen zwei konkreteHandlungsschwerpunkte: Installation/-Leitungs-führung sowie Raumklima.

Installation/Leitungsführung

Es ist Stand der Technik, substanzschädigendeStemm- und Schlitzarbeiten für Unterputzinstalla-tionen zu vermeiden (VDI 3817, DIN 1053). Alter-nativ sollten verfügbare Aussparungen, Nischen,nicht mehr genutzte Schornsteinzüge und Schäch-te als Trassen für die Aufnahme der Heizungsrohregenutzt werden. Stehen derartige Installations-möglichkeiten nicht zur Verfügung, sollte dieTrassenführung durch untergeordnete Räume er-folgen.

Denkmalgerechte Alternativen bieten auch in-dustriell gefertigte Vorwandelemente, wie z.B.:

• Selbsttragende, eigenstabile Elemente für den Trockenausbau,

• Elemente, deren Stabilität und Tragfähigkeit durch eine nachträgliche Ausmauerung gewährleistet wird,

• kompakte, eigenstabile Bausteine, derenFreiflächen auszumauern sind,

mit unterschiedlichen Einsatz- und Variations-möglichkeiten. Mit der trocken ausgebauten Vor-wandinstallation wird auch die für Holzbalken-decken zulässige Belastung von 250 kg/m_ unter-schritten.

Raumklima

Zum Schutz des denkmalwerten Gebäudes,des Innenausbaus sowie der Inneneinrichtung undum darüber hinaus eine sinnvolle Nutzung zuermöglichen, ist das erforderliche Raumklimafachübergreifend zu ermitteln. Hierzu ist es erfor-derlich, den Baubestand so genau wie möglichaufzunehmen, die bauphysikalischen und raumkli-matischen Überprüfungen durchzuführen und mitder beabsichtigten Nutzung in Einklang zu brin-gen. Damit möglichen fachübergreifenden Pro-blemstellungen begegnet werden kann, ist bei der

TECHNISCHER AUSBAU IN DENKMALWERTEN GEBÄUDEN

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TECHNISCHER AUSBAU IN DENKMALWERTEN GEBÄUDEN

Mit aller Energie – Technischer Ausbau in denkmalwerten Gebäuden

Dipl.-Ing. Hans Albert Preißler

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Von 1982 bis heutesind die Sicherungs- undErhaltungsarbeiten ander Burg Nothberg wis-senschaftlich betreut wor-den. Ziel des Förderver-eins in Verbindung mitder FH Köln, dem Rheini-schen Amt für Denkmal-pflege Bonn, den Hand-werkskammern zu Kölnund Aachen und dem Rhei-nischen Verein für Denk-malpflege und Landschaftsschutz war es, einenBeitrag zur Ausbildung von Junghandwerkern (Aus-bildung Bruchsteinmauern) und Architekturstu-dent/innen in der Denkmalsicherung und Denkmal-pflege an einem geeigneten Objekt zu leisten, inenger Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftund Handwerk. In den vergangenen 20 Jahren wur-den die Student/innen mit vielen Arbeiten und Tech-niken vertraut gemacht, wie:

• Verformungsgerechtes Aufmaß• Zeichnerische Erfassung• Fotodokumentation• Fotogrammetrische Aufnahmen• Vermessungsarbeiten• Bodensondierungen• Bodendenkmalpflege (Ausgrabungen,

Restaurierung von Fundstücken etc.)• Einrichtung eines Lapidariums• Sicherungsarbeiten• Mauern in Trassmörteltechnik (mit

Bruchsteinen aus dem alten Steinbruch)• Bleiarbeiten (Falztechniken und Vergießen)• Fertigen von Tätigkeitsberichten und vieles mehr.

Bei der Burgrune Nothberg in der Nähe vonEschweiler handelt es sich um ein spätgotischesHochschloss; einen sogenannten Donjon miteiner 660 m langen Burgmauer, die das weitläu-fige Gelände umschließt. Errichtet wurde dieAnlage um 1445 durch Werner von Palant.

1543 brannte diese große Fortifikation aus.1555 wurden die Erneuerung und der Ausbau imStil der Renaissance durch den italienischenBaumeister Alessandro Pasqualini eingeleitet,besonders hervorzuheben sind hier der Erkerund die Loggia. Während des 30-jährigen Krie-ges wurde die Burg stark zerstört und demVerfall preisgegeben.

1914 - 1917 führteman die ersten Ausbes-serungsarbeiten durch.1976 begannen die lang-jährigen Sicherungsar-beiten, wobei man dieLoggia wiederentdeckte.1977 erfolgten die stati-schen Untersuchungenmit dem Ergebnis: „Ausstatischen Gründen istgegen die geplanten Si-cherungsarbeiten nichtseinzuwenden“.

1979 starteten diewissenschaftlichen Un-tersuchungen an derBurg und dem umfas-senden Gelände durchdie FachhochschuleKöln, Fachbereich Ar-chitektur, unter derLeitung von Prof. Dr.Jürgen Eberhardt.

Wie Prof. Dr. Eber-hardt im Heft „Noth-berger Burg 1“ dar-legt, sind sowohl die

Renaissance-Bauteile der Burg (Erker, Portaleetc.) eine Kostbarkeit, als auch das ältereBurggebäude selbst eine einmalige Burganlagein der Bundesrepublik Deutschland. Beides warsomit offensichtlich der Grund für den Lan-deskonservator, die Vorhaben des Fördervereinszu fördern. So konnten nach Bereitstellung derentsprechenden Mittel für die notwendigenSicherungsarbeiten am 24.4.1982 mit einer25-köpfigen Studentengruppe die vielseitigenArbeiten, u.a. Freilegung der Mauerkronen imweitgehend abgetragenen Ostteil der Burg, be-gonnen werden.

PRAXISPROJEKT STEINKONSTRUKTIONEN

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PRAXISPROJEKT STEINKONSTRUKTIONEN

Das Praxisprojekt „Steinkonstruktionen“ Burg Nothberg

Dipl. -Ing. Axel Kotitschke Dipl. -Ing. Heiner Rosenkranz

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Das unter Verwen-dung eines Trasskalk-mörtels hergestellte Mau-erwerk ist sehr sorgfäl-tig unter Vermeidungvon Stoßfugen so gefügt,dass sich in z.T. unregel-mäßigen Abständen im-mer wieder durchlaufen-de Horizontalfugen erge-ben. Vor Beginn der Auf-mauerungsarbeiten wur-de der vorgefundene Be-stand durch Bohrungen(Lochkette) markiert.

Für die Bevölkerungsichtbarer Fortschrittder Arbeiten ist dergerade erst fertigge-stellte Nord/ West-Turmmit einer Kranzabde-ckung aus Basaltsteinen.

Die hier vor Ort ge-leisteten Arbeiten findenüberwiegend an Wochen-enden statt. Bis heute ist es insbesondere derpersönliche Einsatz von Prof. Dr. JürgenEberhardt, der dieses Projekt vorangetriebenhat. Durch sein eigenes Zupacken und Handelnist es ihm immer wieder gelungen, die Mit-arbeiter und Studenten/innen für die gemein-same Aufgabe zu motivieren.

Wer heute das Gelände betritt, wird in derRuine unschwer den einstigen Schlossbau erken-nen. Die Anlage stellt sich als rechteckigerMittelbau dar mit vier runden Flankierungs-türmen an den Ecken. Dass der Verfall begrenztwurde und der Originalzustand dabei soweit wiemöglich beibehalten wurde, ist zum einen einZeichen „guter Denkmalpflege“, zum anderendas Resultat der Bemühungen vieler Hände. Sowaren z.B. 1989 im Sommersemester 41Studenten/innen auf der Burg tätig.

Die speziellen Anfor-derungen des Bruchstein-mauerns bei Mauer-stärken bis zu 1,98 m las-sen nur langsame Fort-schritte zu. Da jeder Steinein eigenes „Gesicht“ hat,muss er sorgfältig posi-tioniert werden. Die ori-ginale Trassmörtelmi-schung wurde anhandvon Proben in unseremLabor analysiert. DasErgebnis ist die heutevon den Studenten/innenangewandte Mischung:

• 5 Teile scharfer Sand• 5 Teile Fummelsand• 2 Teile Weißkalk• 2 Teile Trassmehl• 1 Teil Zuschlag (Splitt)

und Wasser.

PRAXISPROJEKT STEINKONSTRUKTIONEN

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PRAXISPROJEKT STEINKONSTRUKTIONEN

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meister und Restaurator im ZimmererhandwerkBurkhard Zinn verantwortlich.

Ziel des Praxisprojektes ist die Vermittlungpraktischer Kenntnisse. Jede Maßnahme beginntdabei mit der Erfassung und Analyse der Bauschä-den an den historischen Holzkonstruktionen. Anhistorischer Originalsubstanz gilt es, die unter-schiedlichen Schadensbilder vom statischen Scha-den (Risse, Brüche) bis hin zum Insekten- und Pilz-befall zu erfassen und hinsichtlich ihrer Schwere zubeurteilen.

Bei der Klassifizierung der Schäden ist zu be-werten, ob Restaurierungsmaßnahmen überhaupterforderlich werden, was nicht immer der Fall ist,ob Restaurierungsmaßnahmen noch möglich sind,oder aber ob die Schäden bereits so umfangreichsind, dass Teile oder ganze Balken ersetzt werdenmüssen.

Die Ergebnisse werden in detailgenauen Bauauf-nahmeplänen kartiert. Im folgenden Arbeitsschrittgilt es, eine Planung für die anstehenden Restau-rierungsmaßnahmen zu erstellen. Dabei steheneine ganze Reihe von bewährten Reparaturverbin-dungen zur Verfügung, mit denen beispielsweisegeschädigte Holzverbindungen instandgesetzt undstark geschädigte Balkenstücke ausgewechseltwerden können.

Im Rahmen des Praxis-projektes besteht die wei-tere Aufgabe darin, einzel-ne Reparaturmaßnahmenselber auch auszuführen.Hierfür stehen die Restau-rierungswerkstätten desMuseums mit den ent-sprechenden Fachhand-werkern zur Verfügung.Diese Arbeiten werdenvon den Studierenden do-kumentiert.

Natürlich können dieangehenden Architektenund Denkmalpfleger imRahmen eines einzelnenPraxisprojektes nicht

gleichzeitig auch zu erfahrenen Zimmerleuten aus-gebildet werden. Ziel ist vielmehr, Kenntnisse überdie Erhaltungsmöglichkeiten zu gewinnen. So zeigtdie Geschichte der Denkmalpflege, dass viele Fach-werkgebäude aus Unverstand aufgegeben wurden,obwohl deren Bestand durch relativ einfache, hand-werkliche Maßnahmen hätte gesichert werden kön-nen. Hierzu gehört theoretisches Wissen um dieSchadensmechanismen und die dazu gehörendenSchadensbilder. Dazu gehören aber auch Kennt-nisse über die handwerklichen Möglichkeiten.

Die seit 1985 am Bergischen Freilichtmuseumeingerichtete Lehrbaustelle bietet hierzu idealeRahmenbedingungen. Als großer Vorteil hat sicherwiesen, dass das Freilichtmuseum für die Durch-führung der praktischen Übungen sowohl das erfor-derliche Material als auch das fachkundige Per-sonal zur Verfügung stellen kann. Die besondereAtmosphäre eines Freilichtmuseums trägt darüberhinaus dazu bei, dass die Kurse sich stets großerBeliebheit erfreuen.

Abb. 1: Ein Lehmgefach entsteht.Abb. 2: Fäulnisschaden an einem

Fachwerkbalken.

Bis zum Ende des 19.Jahrhunderts war dasWissen um die Erhaltungvon Fachwerkbauten All-gemeingut. Besonders dieregelmäßige Instandhal-tung der Gefache undPutze geschah häufig inEigenleistung. Lediglichfür umfangreichere Repa-raturen am Holzgerüstholte man sich den Zim-mermann zur Hilfe.

Mit dem Verschwindendes traditionellen Fach-werkbaus nahm aber auchdas Wissen um die Erhal-tung und Pflege dieserJahrtausende alten Bau-weise ab. Daher stellt die Wartung der traditionel-len Fachwerkbauten insbesondere im Bereich derDenkmalpflege eine nach wie vor umfangreiche undanspruchsvolle Aufgabe dar. Die hierfür erforderli-chen Fachkenntnisse auf Seiten der Architektenwerden in der allgemeinen Architekturlehre jedochkaum mehr vermittelt. Entsprechend breiten Raumnimmt dieses Aufgabengebiet im Zusatzstudium„Baudenkmalpflege, Denkmalbereichs- und Umfeld-planung“ ein.

Parallel zum Praxisprojekt „Steinkonstruktionen“wird hierzu das Praxisprojekt „Holzkonstruktionen“angeboten. Möglich wird diese Lehrbaustelle fürden Bereich des Fachwerkbaus durch die sehr en-ge Zusammenarbeit der FH Köln mit dem Bergi-schen Freilichtmuseum, das der Landschaftsver-band Rheinland in Lindlar errichtet.

Die Lehrbaustelle im Bergischen Freilichtmuse-um ist eng verbunden mit der Lehrtätigkeit deslangjährigen Museumsdirektors Hans Haas. Be-reits während seiner Tätigkeit beim Stadtkonser-

vator Köln konnte er Lehraufträge für das FachBauaufnahme an der FH Köln übernehmen. In die-sem Rahmen erfolgte u.a. die bauhistorische Un-tersuchung, Dokumentation und anschließendeTranslozierung des Baumhofhauses in Rösrath imRahmen einer Lehrbaustelle.

Mit der Gründung des Bergischen Freilicht-museums in Lindlar und der Einsetzung von HansHaas als Museumsleiter konnte die enge Zusam-menarbeit weiter ausgebaut werden. Die erstenPraxisprojekte wurden dabei an solchen Objektendurchgeführt, die für die Translozierung vorgese-hen waren. Mit der Erschließung des Lingenbach-tals als Museumsgelände und der Einrichtung derRestaurierungswerkstätten konnten dann die Kur-se in das Museum verlegt werden.

Das Praxisprojekt „Holzkonstruktionen" wirdbereits seit einigen Jahren von dem am Museumtätigen Bauforscher Dieter Wenig M.A. geleitet.Für die praktischen Anleitungen ist insbesondereder Leiter des Handwerksbereiches, der Zimmer-

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PRAXISPROJEKT HOLZKONSTRUKTIONEN

Holz und Lehm:Das „Praxisprojekt Holzkonstruktionen“

Dr. Norbert Schöndeling

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fung von Küchen und Sanitärräumen in gewerblichgenutzten Denkmälern kann mit erheblichen Ein-griffen und damit Substanzverlusten verbundensein. In diesem Fällen ist eine Auslagerung in einenergänzenden Baukörper angeraten. Dies kann glei-chermaßen auch für erforderlich werdende Flucht-treppenhäuser und Aufzugsanlagen gelten. DieseErweiterungen sind Mittel, um das Denkmal mitseiner Substanz zu bewahren. Die Ergänzungendienen vom Grundsatz her nicht der Renditeer-höhung. Allerdings muss die Erwirtschaftung einerRendite möglich sein. Keinem Denkmalbesitzer istauf Dauer zuzumuten, bei der Erhaltung „zuzu-schießen“. Wenn eine wirtschaftliche Nutzung nurdann gegeben ist, wenn durch Erweiterungen dieNutzfläche vergrößert werden kann, dann kannauch dies eine sinnvolle Maßnahme der Denkmal-pflege darstellen; aber auch nur dann.

Erweiterungen von Denkmälern sind ein schwie-riges und ein seit Jahrzehnten lebhaft diskutiertesThema. Hier scheinen die Auffassungen von Archi-tekten, Bauherren, Kommunalpolitikern und Denk-malpflegern oft meilenweit voneinander entfernt zuliegen. Sehr kontrovers wird insbesondere der Stilder erforderlichen Erweiterungen diskutiert. DieBandbreite reicht dabei von der detailgenauen His-torisierung neuer Bauten bis zum scharfen Kon-trast. Dabei ist die Haltung der Denkmalpflege zudieser Art von Ergänzungen und Erweiterungeneigentlich seit Jahrzehnten klar umschrieben.

Jede Zeit hat ihre Architektursprache. So solljede Architektengeneration in der Sprache ihrerZeit bauen. Nur in wenigen, sehr eng begrenztenAusnahmefällen wird die Denkmalpflege die Rekon-struktion einer abgängigen Architektur fordern. Die

Regel ist dies nicht. Viel häufiger erschallt der Rufnach historisierender Architektur von der Kom-munalpolitik; hier meist aus Angst vor zeitgenössi-scher Architektur. So wird die Denkmalpflege häu-fig missbraucht, um „Schlimmeres“ zu verhindern.

Bei der denkmalpflegerischen Bewertung mo-derner Ergänzungen gilt die Grundannahme: „DasDenkmal ist das Wertvolle und Bedeutende. DasNeue ist das Erforderliche und Notwendige.“ Einegute Architektin, ein guter Architekt in der Denk-malpflege zeichnet sich daher in erster Linie durchRespekt vor der historisch wertvollen Substanzaus. Diese gilt es zu bewahren, zur Geltung zu brin-gen und sinnvoll zu nutzen. Das Neue soll dabei alsZutat seiner Zeit erlebbar werden. Dies erfordertstets hohes Einfühlungsvermögen. Zu jeder Erhal-tungs- und Nutzungskonzeption gehört eine Ein-griffskartierung. In den Farben gelb und rot sindErgänzungen und Abbrüche zu kennzeichnen. Jebunter dieser Plan ausfällt, desto größer istgrundsätzlich die Gefahr der Denkmalzerstörung.

Denkmäler sind Urkunden der Geschichte, diedurch geeignete Maßnahmen der Erhaltung undNutzung für spätere Generationen zu bewahrensind. Sie eignen sich nicht als Spielmaterial sub-stanzopfernder Architekturexperimente. Dafürmüssen die Denkmäler aber auch keineswegs herhalten, denn hierfür stehen schließlich die übrigen 98 % der bestehenden Gebäude zur Verfügung, de-nen kein Denkmalwert beigemessen werden kann.

Abb. 1 und 2: Hohltraverse und Gesamtansichtdes napoleonischen Brückenkopfes in Jülich

nach seiner Umnutzung als Teil derLandesgartenschau 1998.

Jedes Gebäude bedarf der regelmäßigen War-tung und Unterhaltung. Unterbleibt sie, dann setztder Verfall ein. Der Schutz der Denkmäler durchrechtskräftige Eintragung allein reicht daher zuderen Erhaltung nicht aus. Zu den gesetzlichenMaßnahmen des Denkmalschutzes müssen die er-haltenden und sichernden Maßnahmen der Denk-malpflege treten.

Oberstes Ziel aller Maßnahmen von Denkmal-schutz und Denkmalpflege ist die Bewahrung desGeschichtszeugnisses. Der Denkmalwert haftetdabei an der originalen Substanz. Geht diese verlo-ren, so verliert sich auch der Denkmalwert.

Nun lehrt die Erfahrung, dass die Erhaltungeines Denkmals insbesondere dann gewährleistetist, wenn eine sinnvolle Nutzung gefunden werdenkann. Die Nutzung eines Denkmals ist daher Mittelder Denkmalpflege zur Erhaltung, nicht deren vor-rangiges Ziel. Dies wird häufig verwechselt. Jedeangedachte Nutzung ist also unter dem Gesichts-punkt zu überprüfen, in welchem Umfang die histo-rische Substanz bewahrt werden kann. Idealziel ist,die Originalsubstanz ohne Verluste zu bewahren. Inder Praxis ist eine 100-prozentige Bewahrung un-realistisch; allein schon deshalb, weil durch natür-liche Alterungsprozesse und Umwelteinflüsse Bau-teile abgängig werden und damit ersetzt werdenmüssen.

Von der Tendenz her bietet die Nutzungskon-tinuität gute Chancen, Denkmäler zu bewahren.Aber auch die Nutzungskontinuität erfordert oftEingriffe. So kann natürlich eine Pfarrkirche alsRaum der Liturgie bewahrt werden, wenn sie wei-ter als Kirche genutzt wird. Veränderungen in derLiturgie führen aber auch hier oft zu spürbarenVeränderungen. Ein ehemaliges Wohnhaus weiter-hin als Wohnhaus zu nutzen, macht grundsätzlichSinn. Aber man wird wohl kaum einem Besitzereines 200 Jahre alten Wohnhauses zumuten wol-len, so zu leben, wie seine Vorgänger zu Beginndes 19. Jahrhunderts. Selbstverständlich wird

man einem Nutzer moderne Installationen, Küchenund Bäder zugestehen müssen. Diese Anpassun-gen an heutige Nutzungsanforderungen sind aberstets mit Eingriffen verbunden.

An diesem Punkt setzt das Fach „Erarbeitungeiner Erhaltungs- und Nutzungskonzeption“ an.Ausgangspunkt aller Überlegungen ist das Denk-mal selber. Ohne vertiefte Kenntnisse über dasObjekt, über seine erhaltenswerten Elemente, isteine denkmalverträgliche Nutzung kaum zu konzi-pieren. Jede Planung beginnt daher mit der Erfas-sung und Analyse der Substanz. Nicht immer sindalle Teile eines Gebäudes gleichermaßen erhaltens-wert. So zeichnen sich an vielen Objekten gleichmehrere Phasen der Veränderung ab. Manch älte-rer Eingriff erweist sich sogar als problematisch.Es gilt daher, die erhaltenswerte Substanz präzisezu benennen. Ein wichtiges Instrumentarium isthierbei der Baualtersplan, der für jedes Bauteil,von der Wand, über das Fenster bis zur Treppe,das jeweilige Alter benennt. Auf dieser Grundlageschält sich dann eine Gebäudestruktur ab, für dieeine denkmalverträgliche Nutzung gefunden wer-den muss. Für eine ehemalige Industriehalle wirdman eine andere Nutzung finden müssen als füreine Volksschule.

Für jede Nutzung muss allerdings auch einBedarf vorhanden sein. Bietet sich bei einem Ge-bäude die Umnutzung zu einem Veranstaltungs-saal an, so kann diese letztlich nur Sinn machen,wenn ein solcher Raum an diesem Platz auch be-nötigt wird. Sonst würde man eine solche Investi-tion wohl kaum tätigen. Alle denkbaren Nutzungensind daher auch daraufhin zu überprüfen. Bei derSuche nach geeigneten Nutzungen sind daher oftumfangreiche Bedarfserhebungen erforderlich.

Die Umnutzung eines Denkmals ist Detailar-beit. Jeder Eingriff ist nach Möglichkeit zu mini-mieren. Allein die Leitungsführung der erforderli-chen Haustechnik kann in Baudenkmälern eine an-spruchsvolle Aufgabe darstellen. Gerade die Schaf-

ERHALTUNGSKONZEPTION

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ERHALTUNGSKONZEPTION

Erarbeitung einer Erhaltungs- und Nutzungskonzeption

Dr. Norbert Schöndeling

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Um diese zu überwinden, werden bei den Ex-kursionen Ensemble-Typen von der umfangrei-chen Gesamtanlage (Schloss Gimborn bei Ma-rienheide; Textilfabrik Ermen & Engels, Engels-kirchen) über Dörfer und Kleinstädte (Rün-deroth, Bergneustadt, Wipperfürth) bis zu groß-flächigen städtebaulichen Strukturen (Kurfürst-liche Residenz zu Bonn mit Stadtschloss,Poppelsdorfer Schloss, Kreuzbergkirche, Hof-garten, Poppelsdorfer Allee) vorgestellt, ihrehistorisch-städtebaulichen Merkmale dargelegtund geeignete Ansätze zur Anaylse erörtert.

Eine weitere Herausforderung ist es, denStudenten die denkmalrechtliche Besonderheitdes Schutzes von Denkmalbereichen durch kom-munale Satzungen nahezubringen. Einerseitsbesteht für die Gemeinden die Pflicht zumSchutz, andererseits ist die Satzung das ori-ginäre und autonome kommunale Instrument zurRechtssetzung, u.a. in der Bauleitplanung. Be-bauungspläne und Flächennutzungsplan, eben-falls Satzungen, müssen daraufhin überprüftwerden, ob sie Regelungen enthalten, die denDenkmalschutzzielen entgegenstehen. Obwohles sich um die gleiche Rechtssetzungsebenehandelt, geht m. E. der Denkmalschutz alsPflichtaufgabe auf Weisung dem Planungsrechtvor, so dass ggf. die Bauleitplanung an dasDenkmalrecht angepasst werden muß (Stüer1989). Sowohl im Aufstellungsverfahren derDenkmalbereichssatzung als auch in der An-wendung durch die Untere Denkmalbehörde sinddie Eigentümlichkeiten kommunalpolitischerVerantwortung und Entscheidung zu berücksich-tigen. Dies betrifft Fragen der inhaltlichen Aus-formung und räumlichen Abgrenzung der Sat-zung ebenso wie Fragen der Beteiligung von poli-tischen Gremien und Bürgern oder des Verhält-nisses von Rat und Verwaltung (Walgern 2003).

Übungsgegenstand sind häufig Orte mit aktu-ellen Problemstellungen, die in Zusammenarbeitmit dem Rheinischen Amt für Denkmalpflege(Fachamt) und den Kommunen (Untere Denkmal-behörden) ausgewählt und betreut werden. Sowird den Studenten eine praxisnahe Arbeit undunmittelbare Rückkoppelung ermöglicht. Wich-tig sind realistische Rahmenbedingungen, insbe-sondere hinsichtlich Leistungsumfang und Ar-

beitsaufwand. Wesentliche Vorleistung ist da-her, sich über orts- und regionalgeschichtlicheLiteratur sowie Umfang und Standort von Quel-len zu informieren. Gefordert sind als Übungs-leistung, einzeln oder in Gruppen bis zu vier Stu-denten, ein zusammenfassendes denkmalpflege-risches Gutachten für einen Denkmalbereich alsErgebnis der Historischen Ortsanalyse und derEntwurf einer Denkmalbereichssatzung, ggf. al-ternativ einer Erhaltungssatzung oder des Rah-mens für eine Gestaltungssatzung. Die hoheQualität der studentischen Arbeiten zeigt sichu.a. an der Tatsache, dass inzwischen mehrereÜbungsarbeiten von Gemeinden in konkrete Sat-zungen umgesetzt wurden.

Die Verknüpfung umfangreicher theoretischerGrundlagen mit der Praxis kommunalen denk-malpflegerischen Handelns stellt eine besonderedidaktische Herausforderung dar, wie die Dis-kussion in der Seminarrückschau regelmäßigzeigt. Durch Darstellung der Rolle der Denkmal-pflege in der städtebaulichen Planung wird diebesondere Konkurrenzsituation zur kommunalenBauleitplanung aufgezeigt. Die Entwicklung derRechtsprechung durch die Verwaltungsgerichteverlangt eine regelmäßige Fortschreibung derInhalte des Seminars. Dies wird im Studiengangdurch Lehrbeauftragte mit unmittelbarer berufli-cher Erfahrung in besonderem Maße sicherge-stellt.

Der Umfang des fachlichen Inhalts macht essinnvoll, das Fach in Zukunft zweisemestrig an-zubieten. Die Einbeziehung des Sommersemes-ters ist gerade für die Übungen mit der Arbeitvor Ort, aber auch für Exkursionen sinnvoll. Einestärkere inhaltliche und methodische Zusam-menarbeit der historisch-städtebaulichen Fä-cher des Studienganges wie Stadtbaugeschich-te, Quellenkunde oder Denkmalrecht sollte ange-strebt werden. Themen wie Erhaltende Stadt-erneuerung oder Denkmalpflegeplan könnten denLehrplan sinnvoll erweitern.

Neben den Denkmalkategorien Baudenkmäler,Bodendenkmäler und bewegliche Denkmälerkennt das Denkmalschutzgesetz Nordrhein-Westfalen (DSchG) als weitere Kategorie Denk-malbereiche (Memmesheimer, Upmeier, Schön-stein 1989). Dies sind flächenhafte Denkmäler,allgemein als Ensembles bezeichnet, die im Ge-gensatz zu den anderen Denkmalkategorien nichtdurch Verwaltungsakt, sondern durch kommuna-le Satzung geschützt werden. Eine HistorischeOrtsanalyse ist unabdingbare Voraussetzung fürErlass und Anwendung der Denkmalbereichssat-zung, um Rechtssicherheit und bürgernahe An-wendung zu gewährleisten.

Im Fach „Historische Ortsanalyse und erhal-tende Satzungen“ sollen die Studenten daher fol-gende Sachverhalte kennenlernen und verstehen:

• denkmalpflegerische Ziele im städtebaulichenZusammenhang

• städtebaulich-denkmalpflegerische Begriffe wie Ensemble, Denkmalbereich etc.

• methodische Ansätze zur HistorischenOrtsanalyse

• historische Karten und Pläne als Quellen• rechtliche Grundlagen und Instrumente zur

Erhaltung historischer Bereiche, insbeson-dere das Instrument der Denkmalbereichs-satzung

• kommunalpolitische Willensbildung beiSatzungen

Wegen der Komplexität des Themas und deri.d.R. geringen Vorkenntnisse der Studenten ge-schieht die didaktische Vermittlung weitgehenddurch Seminarvortrag mit Diskussion anhand vonFallbeispielen, durch Exkursionen und durch um-fangreiche Materialien wie Literaturlisten, Auf-sätze, Arbeitshilfen, Satzungsbeispiele. In einerbetreuten Übungsaufgabe, deren Gegenständemöglichst aktuelle Fälle der denkmalpflegerischenPraxis sind, werden die erworbenen Kenntnisse

angewandt und Fertigkeiten eingeübt, die in einerPräsentation mit mündlicher Prüfung nachgewie-sen werden. Durch die fächerübergreifende The-matik und den relativ hohen Arbeitsaufwand bil-det das Fach für die Studenten einen Schwer-punkt im Studiengang, vergleichbar dem Fach„Entwicklung eines Erhaltungskonzeptes“. Vier in-haltliche Blöcke gliedern das Seminar:

• Ziele und rechtliche Grundlagen städtebau-licher Denkmalpflege,

• Historische Ortsanalyse,• Inhalt und Aufstellungsverfahren der

Denkmalbereichssatzung,• städtebauliches Erhaltungsrecht durch

Bebauungsplan, Erhaltungs- und Gestaltungssatzungen (BauGB, BauO NW).

Bei der Historischen Ortsanalyse werden dieMethoden der architektonisch-städtebaulichenStadtuntersuchung mit den denkmalpflegerisch-historischen Methoden und denen der Histori-schen Geografie verknüpft. Diese Arbeitsweisewurde insbesondere in den Landesdenkmaläm-tern Baden-Württemberg und Bayern entwickelt(Strobel, Buch 1986; Gunzelmann 1987). Topo-grafie und naturräumliche Gegebenheiten bildenden kulturlandschaftlichen Rahmen eines Ortes.Allgemeine Ortsgeschichte und historisch-städ-tebauliche Siedlungsentwicklung sind Grundlagenfür das Verständnis der konkreten städtebauli-chen Situation, die sich in Stadtgrundriss, inne-rer Ortsstruktur und dem Gebäudebestand sowieprägenden Ansichten und Silhouetten widerspie-gelt. Hieraus sind die historisch wichtigen Ob-jekte, Flächen, Räume und Strukturen herauszu-arbeiten und in ihrer Bedeutung im Einzelnen undin der Gesamtheit des Ensembles zu charakteri-sieren (Strobel, Buch 1986). Die räumliche,städtebauliche Dimension des Denkmalbereichesbildet für die als Architekten am einzelnen Ge-bäude geschulten Studenten eine besondereSchwierigkeit.

HISTORISCHE ORTSANALYSE UND ERHALTENDE SATZUNGEN

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HISTORISCHE ORTSANALYSE UND ERHALTENDE SATZUNGEN

Stadt und Land. Das Fach „Historische Ortsanalyse und erhaltende Satzungen“

Dipl.-Ing. Heinrich Walgern

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Den nächsten Einschnitt in Europa brachten diefranzösische Revolution und die nachfolgendenEroberungen unter Napoleon I. Von Militäringe-nieuren wurden in großem Umfang topografischeKarten für militärische Zwecke (Abb. 2: Ausschnitteiner Karte Nordwestdeutschlands, Leqoc, 1797 -1813) und Katasterkarten als Grundlage für dieBesteuerung angelegt (Abb. 3: Kataster-Uraufnahmeblätter der Pfalz, 1820 - 1842). Dieswird bis zum heutigen Tag weitergeführt, wobeisich die messtechnischen Verfahren dem techni-schen Fortschritt anpassen (Abb. 4: aktuelle auto-matisierte Liegenschaftskarte).

Die Geodäsie lässt sich in vier Abschnitte gliedern:

• Erdmessung - Bestimmung der Gestalt derErde und des äußeren Erdschwerefeldes

• Landesvermessung - Darstellung der Erdoberfläche

• Detailvermessung - Topografische- und Katastervermessung

• Ingenieurvermessung - Industrie- und Bauvermessung.

Im Fach „Einführung in die Vermessungskunde“erfolgen nach einem geschichtlichen Überblick undeiner theoretischen Einführung praktische Übungenaus dem Bereich der Bauvermessung, was für dasArchitekturstudium von besonderem Interesse ist.In den letzten Semestern fanden die Übungenmeist auf dem jüdischen Friedhof in Köln-Deutzstatt, in Zusammenarbeit mit der Fakultät fürRestaurierung der Fachhochschule Köln, Prof. Dr.Leisen, statt. Im Fach Steinrestaurierung behan-deln die angehenden Restauratoren hier histori-sche, vom Verfall bedrohte Grabsteine.

„Geodäsie ist die Wis-senschaft von der Aus-messung und Abbildungder Erdoberfläche“. Fried-rich Robert Helmert(1843 - 1917). Treffenderlässt sich Geodäsie wohlkaum definieren. Der Be-griff stammt aus demGriechischen und bedeu-tet „die Erde aufteilen“.Als deutsches Pendanthierfür hat sich der Aus-druck „Vermessungskun-de“ etabliert.

Die Wurzeln dieser Wissenschaft reichen bis zuden asiatischen und afrikanischen Hochkulturenzurück. Griechen und später Römer übernahmendiese Kenntnisse und entwickelten, soweit unsbekannt, die mathematischen wie auch technischenGrundlagen der Geodäsie.

In der nachrömischen Zeit fand die Weiterent-wicklung vor allem in den arabischen Kulturenstatt. Im christlichen Europa herrschte ein theo-zentrisches Weltbild vor, eine christliche Deutungvon antikem Wissen, durch biblische Elemente er-weitert. Terrarum Orbis, eine kreisförmige Dar-stellung der Welt als Zeichen der göttlichen Voll-kommenheit, und die Trinität, die Dreiteilung derWelt in Europa, Asien und Afrika, formte seit derZeit der Diokletianischen Reichsreform das dog-matische Weltverständnis.

Dies änderte sich im Wesentlichen erst amÜbergang vom Mittelalter zur Neuzeit, im Zeit-alter der Entdeckungen (Abb.1: Weltkarte in Oval-projektion, Francesco Rosseli, Florenz, ca. 1508).Die vielen neuentdeckten Länder und besonders dieerste Weltumseglung 1519-1522 ließen das altechristliche Weltbild zusammenbrechen. Hier liegendie Anfänge unserer heutigen modernen Kartie-rungs- und Vermessungstechniken.

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VERMESSUNGSKUNDE

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VERMESSUNGSKUNDE

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Mit Bandmaß und Tachymeter: Einführung in die Vermessungskunde

Dipl.-Ing. Jost Broser

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Die Fähigkeit, eine Bauaufnahme zu erstellen,wird bei jedem planenden Architekten vorausge-setzt. Die Unterschiede liegen allerdings in der Artder Bauaufnahme. Die Bandbreite reicht von dereinfachen Erfassung eines Wohnungsgrundrissesim Maßstab 1:100 oder kleiner bis zum sogenann-ten steingerechten Aufmaß im Maßstab 1:10 bissogar 1:1. Bestimmt wird dies von dem aufzumes-senden Objekt und der dem Aufmaß zu Grunde lie-genden Intention. Für den Umbau einer Wohnungsind oft skizzenhafte Pläne mit wenigen Maßen völ-lig ausreichend. Eine Nutzungsänderung dagegenbringt oft statische und bauphysikalische Problememit sich, die nur mit genauen Bestandsplänen ge-löst werden können. Die geplante Sanierung eineseinsturzgefährdeten Baudenkmals setzt eine um-fangreiche Bestandsdokumentation voraus, bis hinzur genauen Erfassung von Rissbildern und kunst-geschichtlich bedeutenden Details. Dies sind allesnur Beispiele; sie zeigen aber deutlich die Kom-plexität in der Erstellung einer Bauaufnahme.

An der Fachhochschule Köln erstreckt sich dasFach Bauaufnahme über zwei Semester und ist inzwei Abschnitte unterteilt, Bauaufnahme I und Bau-aufnahme II. Nach einertheoretischen Einführungan 2-3 Vorlesungstermi-nen erfolgt als erstes Pra-xisprojekt die Bauaufnah-me I. Hierbei messen dieStudenten/innen in Zwei-er- oder Dreiergruppenbestehende Objekte aufund zeichnen Grundrisse,Schnitte und Ansichten.Die Objekte sollten relativeinfach zu erfassen sein(Abb.1). Oft wenden sichStädte und Gemeinden andie Fachhochschule Kölnmit der Bitte um die Er-fassung für sie interes-santer Gebäude. Die Stu-

denten/innen können auch eigene Vorschläge ma-chen; manche haben schon während ihrer prakti-schen Arbeit z.B. in Architekturbüros Projekte ent-sprechend aufgenommen. Nach abgeschlossenerBauaufnahme I erfolgt die Bauaufnahme II. Dabeiwerden kompliziertere, oft unter Denkmalschutzstehende Bauwerke mit entsprechend höheremtechnischen Aufwand aufgemessen. Meist sind esdie Denkmalbehörden, die mit Objekten an die FHKöln herantreten, oft ist auch eine Beteiligung derStudenten/innen an Projekten in der Drittmittelfor-schung möglich.

Lernen die Studenten bei der Bauaufnahme Iden Umgang mit Zollstock, Bandmaß, Wasser-waage und Schlauchwaage, so kommen bei derBauaufnahme II zusätzlich computergestützte Ver-fahren zum Einsatz. Der Fortschritt im elektroni-schen Bereich, der besonders in den letzten 15Jahren stattfand, hat auch die Methoden der Bau-aufnahme verändert. Das Bandmaß wird immermehr durch Laser-Distanzmesser verdrängt, mitRotationslasern lassen sich Bezugsebenen anlegenund visualisieren, eingeschränkt auch mit Laser-Nivellieren und -Wasserwaagen.

Bei den Vermessungsübungen werden die ein-zelnen Gabsteine und Gäber in Lage und Höhegenau erfasst. Hierbei teilen sich die Architektur-studenten in Gruppen von vier bis fünf Personeneinen Abschnitt entsprechender Größe mit einfa-chen Hilfsmitteln (Zollstock, Bandmaß, Fluchtstab,Lot, Winkelprisma, Nivelliergerät). Die Ergebnissewerden in CAD übertragen und die einzelnen Ab-schnitte in einen Gesamtplan eingefügt, welcherden an den Grabsteinen arbeitenden Studenten alsÜbersichtsplan dient und der jüdischen Gemeindezur Verfügung gestellt wird (Abb. 5: Auschnitt ausdem Lageplan des jüdischen Friedhofs in Köln-Deutz).

Die Übung der Turmhöhenbestimmung erfolgtan einem entsprechenden Gebäude. Hierzu sindTheodoliten notwendig, die dem Labor für Foto-grammetrie an der Fakultät für Architektur zurVerfügung stehen. Eine Hausaufgabe aus dem Be-reich der Katastervermessung oder Bauvermes-sung ergänzt die praktischen Übungen. Hiermitwerden den Architekturstudenten Grundlagen ver-mittelt, die im späteren Büroalltag hilfreich sindund auf die sie bei ihren späteren Projekten auf-bauen können.

BAUAUFNAHME I UND II

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Mit Laptop und Tachymeter: das Fach Bauaufnahme I und II

Dipl.-Ing. Jost Broser

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VERMESSUNGSKUNDE

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Das sog. Polaraufmaß, bei dem markante Ge-bäudepunkte mit einem Tachymeter dreidimensio-nal erfasst werden, bildet die Grundlage jeder Bau-aufnahme II. Es werden zwei Systeme benutzt. Beidem einen werden die Koordinaten im Tachymeterberechnet und gespeichert, dann in einen PC über-tragen und mit einem CAD-Programm weiter be-arbeitet. Bei dem anderen erfolgt direkt vor Ort dieÜbertragung der Messdaten in ein auf einem Lap-top installiertes CAD-Programm. Die Aufmaßergeb-nisse lassen sich so am Bildschirm verfolgen, Kor-rekturen und ergänzende Handaufmaße können di-rekt eingetragen werden. Der dazu notwendigewetterfeste Laptop steht zur Verfügung. Durchweitere Messungen von Hand können die Zeich-nungen dann entsprechend verdichtet werden. Inder Regel erfolgt dies vor Ort auf einer verzugs-freien Kunststofffolie, in die die Ergebnisse des Po-laraufmaßes bereits eingetragen sind.

Auch die Fotogrammetrie, ein Verfahren zurmesstechnischen Auswertung fotografischer Bil-der, schon seit dem 19. Jahrhundert bekannt, er-fährt durch die Verbreitung der PC’s und die Ent-wicklung entsprechender Software geradezu eineRenaissance. Am Labor für Fotogrammetrie an derFakultät für Architektur der FH Köln kommen haupt-sächlich zwei Softwarelösungen von Rollei, Rollei-metric MSR und Rolleimetric CDW, zum Einsatz.Rolleimetric MSR liefert als Ergebnis in ein odermehreren Ebenen entzerrte, maßstäbliche Fotos(für Ansichten oder Schnitte). Diese können als Pi-xeldateien in CAD-Programme eingelesen und ent-sprechend weiter bearbeitet werden. Mit Rollei-metric CDW lassen sich dreidimensionale Zeich-

nungen erstellen (Abb.3), aus denen der Bearbei-ter dann Grundrisse, Ansichten und Schnitte her-leiten kann. Die hierzu nötigen Gebäudeinformatio-nen in Form von dreidimensionalen Passpunktensind am günstigsten mit reflektorlos die Distanzbestimmenden Tachymetern zu erreichen. Das mo-dernste Gerät, das dem Labor zur Verfügungsteht, ist ein Tachymeter von Nikon mit elektro-optischer Distanzmessung.

Diese technischen Verfahren werden denStudenten/innen am Objekt vorgestellt, ebenso dieWeiterbearbeitung an den PC’s der FH. Ein Schwer-punkt wird hierbei auf die Darstellung der Vor- undNachteile der einzelnen Verfahren sowie derensinnvolle Anwendung gelegt. In ihrem späteren Be-rufsleben sollen sie entscheiden können, welcheVorgehensweise bei jedem Objekt notwendig ist.Auch soll Interesse an der Materie geweckt wer-den, damit sie den zu erwartenden weiteren tech-nischen Fortschritt in diesem Bereich mitverfolgen.Besonders ist dies bei der Fotogrammetrie zu er-warten, aber auch andere Möglichkeiten, wie dieseit einigen Jahren auch bei der Bauaufnahme ein-gesetzten Laserscanner, sind zu berücksichtigen.

Den Abschluss im Fach Bauaufnahme bildet ei-ne Fachprüfung. In erster Linie erfolgt hierbei dieVorstellung der beiden Bauaufnahmen, aber auchtheoretische Fragen über die einzelnen Verfahrenund Anwendungen müssen beantwortet werden.

Abb.1: Bauaufnahme I – SchnittAbb.2: Bauaufnahme II – Schnitt Hohltraverse

Abb.3: 3-D-Bauaufnahme Haus Dahl

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BAUAUFNAHME I UND II

2. Die Forschung

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Für das Projekt „Zitadelle Jülich“ erhielt dieFakultät immer wieder Arbeitsaufträge. Aufbau-end auf den positiven Erfahrungen in Jülich ent-wickelte sich ab 1990 mit dem Forschungspro-jekt „Archäologische Bestandserhebung in denhistorischen Stadt- und Ortskernen in Nord-rhein-Westfalen“ das zweite große Arbeitsfeld,die stadtgeschichtliche Forschung. Initiiertdurch das Land Nordrhein-Westfalen und diebeiden Fachämter für Bodendenkmalpflege imRheinland und in Westfalen, konnte hier ein fürdie Bundesrepublik maßstabgebendes Projektrealisiert und an großen Städten, wie u.a.Detmold, Minden, Soest oder Paderborn umge-setzt werden.

Seit 1993 erfolgt diepraktische Umsetzungfast ausschließlich rech-nergestützt. Hier war esmöglich, aus entspre-chenden Drittmitteln ei-nen Rechnerpool aufzu-bauen, der gleichzeitigauch von den Studieren-den genutzt werdenkann. Die Fakultät stellteauf Grund des größerenRaumbedarfs den Raum311 zur Verfügung. Die-ser Raum dient mit sei-nem Seminarbereichnicht nur der Lehre, son-dern nimmt insbesonde-re auch das Labor fürVermessung und Foto-

grammetrie auf. Dies war erforderlich, da auchim Bereich der Fotogrammetrie beachtlichetechnische Veränderungen erfolgt waren.Vorherrschend sind heute die digitale Mess-bildentzerrung und die dreidimensionale Mess-bildauswertung. Diese Technik ist hochkomplexund erfordert Fachpersonal. Als Mangel hat sichdabei erwiesen, dass auf Grund der engen Per-sonalressourcen der Fachhochschule derzeitkein Laboringenieur für die Betreuung des La-bors zur Verfügung steht. Betreut wird die digi-tale Fotogrammetrie derzeit glücklicherweisevon Dipl.-Ing. Jost Broser im Rahmen seinerLehraufträge.

Seit 1988 erfolgte darüber hinaus dieschrittweise Umstellung der klassischen Ver-messung auf ebenfalls digitale Techniken. Sokönnen die Messdaten heute unmittelbar in

1987 wurde Jürgen Eberhardt vom Städte-bau-Ministerium des Landes Nordhein-Westfalengebeten, ein Gutachten zur Präsentation der ausdem 16. Jahrhundert stammenden Zitadelle inJülich zu erarbeiten, einem Denkmal, das sich inLandesbesitz befindet. Für diese ehemalige Fes-tungsanlage, auf deren Schlossgrundriss in den1960-er-Jahren ein staatliches Gymnasium er-richtet wurde, galt es Vorschläge für die Erhal-tung bzw. Restaurierung und zum Teil auch fürdie Rekonstruktion zu entwickeln, die insbeson-dere die museale Präsentation bei vorhandenemSchulbetrieb ermöglichte. Dieses 1988 vorge-legte Gutachten überzeugte sowohl den Eigen-tümer als auch die Denkmalpflege und wurde zurAusführung bestimmt. Zur Entwicklung der ent-sprechenden Detailkonzepte, verbunden mit ei-ner grundlegenden, detailgenauen Vermessung,sollte Jürgen Eberhardt weiterbeauftragt wer-den. Die Ausführung der denkmalpflegerischenMaßnahmen erfolgte durch das Staatliche Bau-amt, heute BLB (Bau- und Liegenschaftsbetrieb).

Auf Grund der gewaltigen Größe der Anlagewaren für diese gutachterlichen Aufgaben Mit-arbeiter erforderlich. Daher wurden mit Mittelndes Landes Dipl.-Ing. Jost Broser und Dipl.-Ing.Karl-Rüdiger Hofen für die Vermessung und Dr.-Ing. Norbert Schöndeling für die bauhistori-schen Untersuchungen per Werkvertrag beauf-tragt. Die Leistungen waren auf einen Zeitraumvon sechs Monaten abgestimmt, wobei aber beientsprechend erfolgreicher Bearbeitung bereitseine Option auf Verlängerung um ein weitereshalbes Jahr bestand.

Die heutige Fakultät für Architektur stellte fürdie Bearbeitung des Projektes im Rahmen ihrerKapazitäten Räume und Gerät bereit. Von An-fang an erfolgte die Zusammenarbeit mit demLabor für Vermessung und Fotogrammetrie. Sokonnten Dipl.-Ing. Klaus Schilling und Dipl.-Ing.Heiner Rosenkranz gegen Kostenerstattungzahlreiche fotogrammetrische Messbilder anfer-tigen.

BAUDENKMALPFLEGEFORSCHUNG

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BAUDENKMALPFLEGEFORSCHUNG

Forschung am „Lehr- und Forschungsgebiet Baudenkmalpflege“

Dr. Norbert Schöndeling

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Von Anfang an erwiessich die Forschung alswichtige Ergänzung derLehre. So können seit1988 Studierende alsstudentische Mitarbeiterin die Forschungen ein-gebunden werden, bis zuvierzig Studenten/innenin einem Jahr. ZahlreicheStudierende erhalten sodie Möglichkeit, u.a. ihreFachpraktika abzuleistenund dabei erste Erfah-rungen in der prakti-schen Denkmalpflege zugewinnen.

Das in den Lehrver-anstaltungen vermittelte

Wissen kann von denStudierenden darüberhinaus im Rahmen ihrerMitarbeit praktisch um-gesetzt werden. Umge-kehrt wiederum profi-tiert die Lehre unmittel-bar von den Ergebnissender Forschungsarbeiten.Der gerade für Fach-hochschulen gefordertePraxisbezug findet hierentsprechende Umset-zung. Die Fakultät ist aufdiese Weise sehr eng indie rheinische Denkmal-pflege eingebunden.

BAUDENKMALPFLEGEFORSCHUNG

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CAD-Programme umge-setzt werden. In der Pra-xis führt dies dazu, dassim Rahmen der For-schung bei bedeutendenDenkmälern die Eck-punkte digital eingemes-sen werden, so dass de-ren Koordinaten dannden Studierenden für dieBearbeitung der Studien-arbeiten in den Fächern„Bauaufnahme I“ und„Bauaufnahme II“ bereitgestellt werden können.

Die nachfolgenden Bei-träge vermitteln einenkleinen Einblick in dieBandbreite der Aufgaben,die seit 1988 kontinuier-lich an der Fakultät bear-beitet werden. Viele derForschungsprojekte sindinterdisziplinär angelegt.So setzt sich das Teamder im Werkvertrag fürdie Hochschule tätigenBearbeiter neben Archi-tekten auch aus Stadtpla-

nern, Archäologen undLandschaftsarchitekten zu-sammen. Dies macht denbesonderen Reiz dieserArbeiten aus.

Die Finanzierung er-folgt fast ausschließlichaus Drittmitteln. D.h., dieAuftraggeber, in der Re-gel Gemeinden, das Landoder die Landschaftsver-bände, erstatten die an-fallenden Personal- undSachkosten. Davon profi-tiert die Hochschule un-mittelbar, denn diesesklassische, universitäreZusammenspiel von Lehreund Forschung hat sichbewährt.

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BAUDENKMALPFLEGEFORSCHUNG

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Nach anfänglichen Plänen, die aus dem 16. Jahr-hundert stammende Zitadelle niederzulegen, ent-schloss sich das Land Nordrhein-Westfalen, die be-deutende Bausubstanz zu erhalten. Ein wichtigerSchritt war dabei die Einrichtung eines staatlichenGymnasiums auf den Resten des ehemaligen Schlos-ses. So konnte der Ostflügel mit der kunsthisto-risch bedeutenden Kapelle restauriert werden.

Umfangreiche Sicherungs- und Restaurierungs-maßnahmen standen darüber hinaus an den Be-festigungswerken der Zitadelle an. Dabei bestandder Wunsch, dieses Baudenkmal auch für Besu-cher zu öffnen. Lange war jedoch unklar, in welcherForm dies realisiert werden könnte und welcheBaumaßnahmen hierzu auszuführen sein würden.Immerhin wurde die Anlage als Schule genutzt unddamit waren Konflikte zwischen Schul- und Mu-seumsnutzung zu erwarten.

1987 erhielt Jürgen Eberhardt vom Land Nord-rhein-Westfalen, dem Eigentümer der Zitadelle,den Auftrag, im Rahmen eines Gutachtens ein Kon-zept für die Präsentation des Baudenkmals zu ent-wickeln. Wesentliche Elemente dieses Konzepteswaren:

• Die Einrichtung der St.-Johannes-Bastion alsMuseumsbastion

• Die Einrichtung des napoleonischen Pulver-magazins als Informationszentrum

• Die Erschließung der Grabenzone• Die Schaffung eines Rundwegs über die vier

Bastionen und Kurtinen

Dieses Konzept fand allgemeine Zustimmungund wurde zur Ausführung beschlossen. JürgenEberhardt wurde daraufhin beauftragt, die Detail-konzepte zu erarbeiten. Voraussetzung hierfür wa-

Zur Errichtung einer befestigten Residenz nachitalienischer Manier holte Herzog Wilhelm V. imJahr 1549 den 1493 in Bologna geborenen Bau-meister Alessandro Pasqualini nach Jülich. Pas-qualini war seit 1530 in Diensten bei Maximilianvon Egmond gewesen, bevor er 1549 zum „Bau-meister aller herzoglichen Lande“ ernannt wurde.

Die gestellte Aufgabe in Jülich war ehrgeizig. Ersollte auf der Grundfläche des 1547 abgebrann-ten, mittelalterlichen Jülich eine neue Stadt ent-werfen, die von einem durch eine Zitadelle ge-schützten Schloss gekrönt werden sollte. Gemäßden Entwurfsprinzipien der italienischen Hochre-naissance entwarf er für die Stadt ein Fünfeck, das„Jülicher Pentagon“ (J. Eberhardt) nach strenggeometrischen Grundsätzen. Das Schloss ent-stand als gewaltige Vierflügelanlage, die von derZitadelle geschützt wurde. In Architekturstil und

Befestigungstechnik gehörte die Stadt Jülich damitzu den modernsten Residenzanlagen ihrer Zeit.

Auch von den folgenden Herrschern wurde Jü-lich weiter als Festung genutzt, wenn die Stadt sel-ber auch ihre Bedeutung als Residenz verlor. Erst1861 gab die preußische Armee Jülich als Festungauf, behielt aber den Militärstandort bei. Währenddie Stadtbefestigung geschleift wurde, bliebenSchloss und Zitadelle erhalten. Ebenfalls erhaltenblieb der in französischer Zeit ab 1799 entstande-ne Brückenkopf auf dem westlichen Rurufer.

Obwohl die Festung schon lange keine militäri-sche Bedeutung mehr besaß, wurde die Stadt1944 Opfer umfangreicher Luftangriffe, die zu ei-ner fast vollständigen Zerstörung des Stadtzen-trums und zu umfangreichen Schäden an der Zita-delle führten.

STADT UND ZITADELLE JÜLICH

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STADT UND ZITADELLE JÜLICH

Stadt und Zitadelle Jülich

Dr. Norbert Schöndeling

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schieden wurde dabei zwi-schen einer Tageslicht-Ergänzungsbeleuchtungund einer künstlichen Be-leuchtung.

Das Anfang des 19. Jahrhunderts durch franzö-sische Truppen errichtete Pulvermagazin auf derSt.-Johannes-Bastion erwies sich als Musterbaunach Idealplänen des französischen Festungsbau-meisters Vauban. Auf der Basis einer umfassen-den Vermessung und Befunduntersuchung konntedas ursprüngliche Erscheinungsbild rekonstruiertwerden. So erhielt das Magazin wieder eine spezi-elle Schiefereindeckung und im Innern wurde ein

aufgeständerter Holzbo-den eingezogen. Ausge-stattet mit entsprechen-der Technik kann das Ma-gazin nun als Informati-onspunkt genutzt werden.

Das ursprünglich aufein halbes Jahr konzipierteForschungsprogramm er-fuhr mehrere Erweiterun-gen und sollte die FH Kölngut 10 Jahre beschäfti-gen. So folgten u.a. Un-tersuchungen auf den übri-gen Bastionen und Kurti-nen. Die Aufgabe war auchdabei stets, die vorhande-ne Substanz zu erfassen,den bauhistorischen Wertzu bestimmen und Vor-schläge für die Erhaltungbzw. Wiedergewinnung zuerarbeiten. Starke Verän-derungen zeigten sich z.B. bei den Profilierungender Bastionen und Kurti-nen. Auch für die Graben-zone galt es, Erschlie-ßungskonzepte zu entwi-ckeln, wobei die Wieder-herstellung der Südbrückeeine wesentliche Voraus-setzung wurde.

Zur Landesgartenschau im Jahr 1998 konntendie Restaurierungsmaßnahmen weitgehend abge-schlossen und die Zitadelle der Öffentlichkeiterstmals in größerem Umfang präsentiert wer-den.

Abb. 1: Ostflügel des Schlosses mit derSchlosskapelle.

Abb. 2: Luftbild der ZitadelleAbb. 3: Rekonstruktion des Pulvermagazins

Abb. 4: Kanonenhof innerhalb derKasematten

Abb. 5: Defensionsgang

ren wiederum detailgenaue und verformungsge-rechte Vermessungen und eingehende, bauhistori-sche Untersuchungen. Hierzu wurde an der FHKöln eine spezielle Forschungsgruppe gebildet. DieArbeiten begannen 1988 mit der Vermessung desPulvermagazins und der Kasematten auf der St.-Johannes-Bastion. Abschnitt für Abschnitt wurdendie Gänge vermessen und dabei Bauspuren undBauschäden erfasst. Parallel dazu wurde das um-fangreich erhalten gebliebene Karten- und Planma-terial ausgewertet. Für die Ermittlung der ur-sprünglichen Laufhorizonte wurden archäologischeUntersuchungen innerhalb der Poternen und Kano-nenhöfe durchgeführt.

Als besonders anspruchsvoll galt die Sicherungdes westlichen Kanonenhofs. Eine Bombe hattedas erdüberdeckte Gewölbe durchschlagen. Seit-dem lag der Kanonenhof weitgehend ungesichert,so dass sich u.a. erhebliche Schädigungen der his-torischen Substanz einstellten. Allerdings bestandan dieser Stelle auch die Möglichkeit, den konstruk-tiven Aufbau der Bastion mit seinen beeindrucken-den Dimensionen zu erleben. Es wurde daher ent-schieden, diesen Bombenkrater nicht durch dasWiedereinziehen eines Gewölbes zu verschließen,

sondern durch eine Platte zu sichern. Dies war dertechnisch deutlich schwierigere Weg, denn hierzumusste eine umfangreiche Stützkonstruktion konzi-piert werden. Hierbei wirkte Prof. Dr. MichaelSchütz als Tragwerkplaner der Fakultät für Archi-tektur der FH Köln maßgeblich mit.

Zur Sicherung der Anlage waren zahlreiche Tü-ren und Tore notwendig. An keiner Stelle fandensich jedoch noch originale Verschlüsse. DerenForm konnte aber durch entsprechende Befund-untersuchungen ermittelt werden. Von der FH Kölnwurden Konzepte erarbeitet, die die historischüberlieferten Formen mit Hilfe moderner Stahlpro-file nachbildeten.

Ursprünglich waren die Kasematten und Kano-nenhöfe wohl nur sehr spärlich beleuchtet. Für diemuseale Präsentation mussten allein schon ausSicherheitsgründen aber bestimmte Mindesthel-ligkeiten erreicht werden. Dadurch sollte sich je-doch das Erscheinungsbild der Anlage nichtgrundsätzlich verändern. Aus diesem Grund führtedas Lichtlabor der Fakultät für Architektur umfang-reiche Untersuchungen mit unterschiedlichenLeuchtenformen und Lichtfarben durch. Unter-

STADT UND ZITADELLE JÜLICH

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STADT UND ZITADELLE JÜLICH

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Bis zur Aufgabe der Festungsfunktion im Jahr1861 war die Zitadelle Jülich über je eine Gra-benbrücke im Norden und Süden zugänglich, dieim Falle eines Angriffs beide auf einfache Weisezerstört werden konnten. Später wurden dieseim Unterhalt teuren Brücken durch Erdwälle er-setzt, die senkrecht auf die beiden Portale in derSüd- bzw. Nordkurtine zuführten.

Diese beiden Erdwälle, insbesondere der imSüden, erwiesen sich in mehrfacher Hinsicht alsungünstig. So wurde unter anderem der Luftaus-tausch zwischen der Ost- und Westseite desZitadellengrabens unterbunden und damit dasKleinklima erheblich beeinträchtigt. Die histori-sche Zugangssituation war zudem erheblich ver-fremdet und die für das Verständnis derFestungsarchitektur so wichtigen Blickbezie-hungen zwischen der St.-Johannes- und Wilhel-musbastion unterbrochen. Außerdem stand derWall vor der Südkurtine einer durchgehendenBegehbarkeit des Zitadellengrabens im Wege.

Bereits seit längerer Zeit wurde daher dieIdee verfolgt, den Wall wieder durch eine Brückezu ersetzen. Diese Ideen berücksichtigten abernur bedingt die historische Substanz bzw. ent-sprachen nicht der vom Land Nordrhein-West-falen verfolgten Konzeption zur Präsentation derZitadelle.

1991 wurde daher die FH Köln damit beauf-tragt, denkmalpflegerische Vorentwürfe in dreiVarianten zu erarbeiten:1. Fußgängerbrücke auf den alten Fundamenten2. Fußgängerbrücke auf Zwischenstützen3. Befahrbare Brücke (16 t) auf

Zwischenstützen

Als besondere Schwierigkeit erwies sichdabei der Umstand, dass in dem vorhandenenErdwall zwar die Reste der alten Brückenfunda-mente vermutet werden konnten, man aber kein-erlei Vorstellungen über deren Lage und erhalte-

ne Größe besaß. Auch waren die originalenBrückenauflagen nicht bzw. nur unvollständigsichtbar.

Die von der FH Köln zu erarbeitenden Studiensollten die Grundlage für einen auszulobendenRealisierungswettbewerb bilden.

Die parallel durchgeführten archäologischenGrabungen bestätigten die Annahme, dass dieBrücke mehrfach erneuert worden war. Sobesaß die älteste Brücke einen s-förmig ge-schwungenen Verlauf. Die letzte Brücke folgte inihrem Verlauf der Sichtbeziehung zwischen demKölntor und dem Südportal der Zitadelle. Geradediese Sichtbeziehung ist besonders bedeutendfür das Verständnis der Stadtanlage. Noch vorder vollständigen Abtragung des Walles war da-mit klar, dass die ursprüngliche Lage der Brückewieder aufgenommen werden sollte.

Ursprünglich war auch die stützenfreie Über-spannung des ca. 42 Meter breiten Grabens an-gedacht worden. Diese Lösung war technischrealisierbar, hätte aber im Bereich der Zitadellebzw. auf dem Schlossplatz eine entsprechendePilonkonstruktion für die Aufnahme der Abspan-nungen erforderlich gemacht. Dies hätte einesolch starke Beeinträchtigung des Erschei-nungsbildes der Zitadelle sowie der Denkmal-substanz bedeutet, dass stützenfreie Variantennicht weiter erwogen wurden.

Die Wahl fiel schließlich auf eine Brücke, diemit nur zwei Stützen auskommt. Die Lage desnördlichen Pfeilers war dabei durch die Größeder ursprünglichen Zugbrücke vorbestimmt.Darüber hinaus wurde es für sinnvoll erachtet,den zweiten Pfeiler über die Künette, den Was-sergraben, zu stellen. Dies entsprach zudemdem statisch günstigsten Fall.

Grundidee des verwirklichten Entwurfes war,über den historischen Fundamenten einen

„schwebenden“ Träger zulegen, der lediglich anzwei Punkten unterstütztwird und der so geglie-dert ist, dass er mit denhistorischen Pfeilerres-ten korrespondiert. Ins-besondere aus der Gra-benzone heraus betrach-tet, stellt sich dieser Ef-fekt sehr gut ein.

Die von der FH Kölnvorgelegten Studien, diebereits sehr weit im De-tail ausgearbeitet waren, fanden bei der Lan-desregierung und den Denkmalbehörden Zustim-mung. Es wurde auf einen weiteren Realisie-rungswettbewerb verzichtet und der Entwurf zurAusführung bestimmt. Pünktlich zum 500. Ge-burtstag des Architekten Alessandro Pasqualini

am 5. Mai 1993 konnte die Brücke eingeweihtwerden.

Abb. 1 und 2: Gesamtansicht der Pasqualini-Brücke und Blick auf die Brückenkonstruktion

aus der Grabenzone heraus.

DIE ALESSANDRO-PASQUALINI-BRÜCKE IN JÜLICH

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DIE ALESSANDRO-PASQUALINI-BRÜCKE IN JÜLICH

Die Alessandro-Pasqualini-Brücke an der Zitadelle Jülich

Dr. Norbert Schöndeling

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Da die Fachhochschule Köln bereits bei derZitadelle umfangreich tätig war, wurde sie auchbeim napoleonischen Brückenkopf um Rat gebe-ten. So konnte die Hochschule für den Architek-tenwettbewerb die bauhistorischen und denk-malpflegerischen Grundlagen erarbeiten. JürgenEberhardt wurde als Fachpreisrichter in dasPreisgericht berufen.

Mit der Erteilung des Zuschlages an die StadtJülich zur Veranstaltung der Landesgartenschau1998 begannen umfangreiche Planungsaufgabenzur Restaurierung des Baudenkmals. Die FHKöln erhielt im Rahmen ihrer Drittmittelfor-schung den Auftrag, das Festungsbauwerk zuvermessen, bauhistorisch zu analysieren undVorschläge für die Erhaltung und Restaurierungzu entwickeln. Diese Arbeiten an dem 800 x200 m großen Objekt nahmen insgesamt fünfJahre in Anspruch. Dabei entstanden mehr als200 Einzelpläne.

Gleich mehrere Aufgaben waren zu lösen.Das Erdwerk mit seinen umfangreichen, ausZiegelstein gemauerten Kasematten, Defen-sionsgalerien und Hohltraversen war durch Be-schuss im II. Weltkrieg, aber auch durch denfehlenden Unterhalt in den zurückliegenden 50Jahren erheblich geschädigt. Teilweise warendie Zerstörungen bereits so stark, dass auf derBasis von historischen Quellen und bauhistori-schen Untersuchungen vor Ort erst einmaldetailgenaue Rekonstruktionen angefertigt wer-den mussten.

Die vom Land bereitgestellten Fördermittelwaren festgeschrieben und entsprachen nichtdem Finanzbedarf für eine vollständige Instand-setzung. Die anstehenden Maßnahmen musstendaher in einer Prioritätenliste beschrieben undnach Dringlichkeit bewertet werden. Diese vonder FH Köln aufgestellten Maßnahmenkatalogebildeten die Grundlage für die Realisierung.

Art und Umfang der Konservierungs- bzw.Restaurierungsmaßnahmen leiteten sich ausdem Schadensbild her. Allerdings war vonBeginn an auch die zukünftige Nutzung zu be-rücksichtigen. So gehörte die Entwicklung einesNutzungs- und Präsentationskonzeptes ebenfalls

zu den Aufgaben der Fachhochschule. Rundwegewaren zu konzipieren und die dafür erforderli-chen Zugänge zu schaffen. Absturzsicherungenmussten entworfen werden, insbesondere fürjene Bereiche, wo ursprünglich keine vorhanden

waren. Gerade an solchen Stellen bestand je-doch die Gefahr, dass durch DIN-gerechte Gitterdas Baudenkmal in erheblichem Maße in seinemErscheinungsbild verunklart würde. Oft wurdendaher Lösungen in gleich mehreren Variantenerarbeitet und anschließend gemeinsam mitdem Rheinischen Amt für Denkmalpflege und derUnteren Denkmalbehörde bewertet.

Ab 1799 wurde die von französischen Trup-pen besetzte Festungsstadt Jülich weiter ver-stärkt. Im Zuge dieser Verstärkungsmaßnahmenentstand ab 1801 auf dem westlichen Ruruferein großer Brückenkopf in der Form eines Kron-werks, bestehend aus einer Voll- und zwei Halb-bastionen, die mit zwei Kurtinen verbunden sind.Dieser Brückenkopf hatte die strategisch wichti-ge Rurbrücke und die Westflanke der Stadt zusichern.

Begonnen als reines Erdwerk, entstanden ab1803/4 umfangreiche Planungen zum weiterenAusbau. Teile dieses größeren Ausbaus mitbombensicher überdeckten Kanonenstellungenkonnten in der Südbastion tatsächlich auch rea-lisiert werden. Mit der Aufgabe der FestungJülich im Jahr 1866 verlor der Brückenkopf sei-ne Bedeutung als Verteidigungswerk. Das Ge-lände wurde aber auch weiterhin von der Armee

als Übungsgelände genutzt. In den 1930erJahren schließlich begannen Planungen zur Um-gestaltung als städtische Freizeit- und Erho-lungsanlage, in deren Rahmen auch eine Frei-lichtbühne bzw. Thingstätte vom Reicharbeits-dienst angelegt wurde.

Nach dem II. Weltkrieg, der auch für denBrückenkopf erhebliche Schäden brachte, wurdedas Brückenkopfgelände als Festplatz genutzt.Die eigentlichen Befestigungsanlagen bliebenweitgehend ohne Pflege und überwucherten mitder Zeit. Die Erfordernis umfangreicher Erhal-tungsmaßnahmen war offensichtlich. Mit einerMauerlänge von fast 1.000 Metern waren dieRestaurierungsmaßnahmen aber für die 36.000Einwohner zählende Stadt Jülich nicht alleine fi-nanzierbar. So entwickelte sich Anfang der1990er Jahre die Idee, auf dem Brückenkopf-Gelände eine Landesgartenschau durchzuführen.

DER NAPOLENISCHE BRÜCKENKOPF IN JÜLICH

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DER NAPOLENISCHE BRÜCKENKOPF IN JÜLICH

Der napoleonische Brückenkopf in Jülich

Dr. Norbert Schöndeling

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Ingenieurbüros wurde lange nach Lösungengesucht. Eine ursprünglich projektierte Brückemusste aus Kostengründen verworfen werden.Es wurde schließlich die Lösung gefunden, denErdwall durch Spundwände deutlich in seinerBreite zu reduzieren, so dass die Südbastionwieder freigestellt und der Zusammenhang zwi-

schen Süd- und Mittelbastion auch optisch wie-derhergestellt werden konnte.

Diese Maßnahmen waren häufig mit Eingriffenin die Natur verbunden, denn durch die über 40Jahre unterlassene Pflege hatte sich ein beacht-licher Pflanzenbestand entwickelt, der leidernicht nur auf, sondern auch im Mauerwerk saß.Je größer die Schäden an einem Mauerwerksind, desto leichter können sich auf ihm Pflanzenund Tiere ansiedeln. So sehr dies den Land-schaftsschutz freut, so wenig kann dies denDenkmalschutz begeistern. Damit besteht sehrhäufig ein Konflikt zwischen Landschafts- undDenkmalschutz.

Ein weiteres Arbeitsfeld war daher, hier nachgemeinsamen Strategien zu suchen. So galt es,die Belange der Landesgartenschau mit jenendes Denkmalschutzes in Einklang zu bringen.Dies geschah unter anderem durch regelmäßigeArbeitskreissitzungen, die über mehr als zweiJahre hinweg alle anstehenden Maßnahmenkoordinierten.

Insgesamt wurden mehr als 9 Millionen DMverbaut. Mit diesem Geld und den Mitteln derLandesgartenschau konnte ein städtisches Nah-erholungsgebiet geschaffen werden, dass durchden napoleonischen Brückenkopf besondereAttraktivität erhält. Gleichzeitig konnte ein wich-tiges Geschichtszeugnis der napoleonischenEpoche erhalten werden.

Abb. 1: Der napoleonische Brückenkopf,Ansicht einer Face.

Abb. 2 - 4: Eine Hohltraverse vor derSanierung, während der Arbeiten und nach

abgeschlossener Rekonstruktion.Abb. 5: Der Brückenkopf als Teil derLandesgartenschau 1998 in Jülich.

Jene Kasemattenabschnitte, die öffentlichzugänglich gemacht werden sollten, musstenbesonders wiederhergestellt werden. Dazu musste eine passende Beleuchtung geschaffenwerden. Vom Lichtlabor der Fakultät wurdenverschiedenste Leuchten auf ihre Wirkung hingetestet.

Eine der schwierigsten Planungsaufgabenüberhaupt war die Durchführung der Bundes-straße, die nach Aufgabe der Festung zwischender mittleren und der südlichen Bastion aufeinem Erddamm über den Brückenkopf geführtwurde und so das Bauwerk in zwei Teile zer-schnitt. Gemeinsam mit Verkehrsplanern und

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traverse, Rekonstruktions-zeichnung, FH Köln) Dasuntere Geschoss liegt imErdwall und bildet einenbombensicheren Verbin-dungstunnel von demdurch die Wallanlagen ge-schützten östlichen Be-reich, dem Waffenplatz,zu den Defensionsgalerienbzw. über zwei ehemalsvorhandene Brücken überden Wassergraben zu denvorgelagerten Befestigun-gen. Das obere Geschossbefindet sich auf dem Erd-wall und durchschneidetdie Brustwehr. Es bietetbombensicheren Unter-stand für eine Kanone undteilt die Wallanlagen ineinzelne Abschnitte.

Fünf dieser Hohltraver-sen waren hier noch alsvollständige Bauwerke zuerkennen, in unterschiedli-chem Erhaltungszustand.Unter der Berücksichti-gung der Anforderungendes Naturschutzes er-folgte eine schrittweiseEntfernung des Bewuch-ses, so dass bis Herbst1995 das Gelände nördlich der Aachener Land-straße aufgemessen werden konnte. An mehrerenStellen der nördlichen Kurtine und der nördlichenFlanke der Nordbastion wurden archäologischeGrabungen in Form von Suchschnitten durchge-führt, die jedoch keine verwertbaren Ergebnissehervorbrachten.

Als sekundäre Quelle stand das umfangreichePlanmaterial aus Merseburg bzw. dem Stadtar-chiv Jülich zur Verfügung (alle Pläne sind in Neu-mann, Hartwig. Stadt und Festung Jülich auf bildli-chen Darstellungen. Bonn: Bernard & Graefe,1991 veröffentlicht, jedoch so stark verkleinert,daß Maßangaben nicht lesbar sind. Eine Einsicht-nahme in die im Stadtarchiv Jülich vorhandenen

Originalpläne war also notwendig). Als besondersinteressant erwies sich ein Originalplan (Abb. 3:Traversen, Poternen, Geschützkasematten 1806.Original: Stadtarchiv Jülich), in dem die Höhe derBrustwehr dem Abstand zwischen der Fahrebeneund dem Gesims der Hohltraverse entsprach, miteiner genauen Bemaßung. Die Höhe von Gesimsund Fahrebene ließen sich an allen fünf noch vor-handenen Hohltraversen nachweisen. Ein genauesNivellement ergab jedoch, dass die Höhen bis zu1,37 m in den Fahrbahnen und 1,30 m in derGesimshöhe differieren. Die Hohltraverse auf derNordbastion lag am höchsten, dann kamen die bei-den auf der Mittelbastion, dann jene auf den Kur-tinen. Nimmt man jetzt die Gesims- und Fahrbahn-höhen als feste Bezüge für die Brustwehrhöhen an

Bei den Befestigungsanlagen des Brückenkopfeshandelt es sich zum größten Teil um Erdbauwerke.Im Zusammenhang mit der Landesgartenschau inJülich 1998 sollten die drei Bastionen mit dendazwischenliegenden Kurtinen rekonstruiert wer-den, während die dem Wassergraben vorgelager-ten Bauwerke in der Landschaft nicht mehr ables-bar sind und somit unberücksichtigt blieben.(Abb.1: historischer Plan, Plan coté de L’Ouvrage àCouronne de la Roer servant de l’été de pont) ZuBeginn der Vermessungsarbeiten am Brückenkopfdurch die Fachhochschule Köln im Frühjahr 1993war durch den dichten Bewuchs von der Wallober-fläche kaum etwas zu erkennen. Lediglich einigeBereiche, besonders auf der Nordbastion und dernördlichen Kurtine, waren einsehbar. Hier befandsich das Mufflongehege des Brückenkopfzoos.Nachforschungen ergaben, dass gerade diese Be-reiche stark verändert worden waren.

Die nördliche Kurtine mit den angrenzendenTeilen der Bastionen wurde unter nationalsozialisti-

scher Herrschaft zu einer Freilichtbühne umge-baut, wobei große Teile der Wallanlagen abgetra-gen und in den Wassergraben geschüttet wurden,so dass die heute noch vorhandene Plattform vorder Nordkurtine entstand.

Die Nordbastion war in den 80er Jahren sa-niert worden, wobei besonders im Bereich derBastionsspitze große Erdbewegungen stattgefun-den hatten. Die dem Wassergraben zugewandtenTeile der Mittelbastion und der südlichen Kurtinewaren durch das auch hier vorhandene Mufflon-gehege frei von hohem Bewuchs, so dass sich vomwestlichen Ufer des Wassergrabens eine grobeForm der Brustwehr erkennen ließ.

Die Südbastion, durch die Aachener Land-straße vom restlichen Teil des Bauwerkes ge-trennt, wurde lange von der Stadt Jülich als Bauhofgenutzt, wovon die Wallanlagen jedoch unberück-sichtigt blieben und deshalb völlig von hohemBewuchs überdeckt waren.

Die Aufmaßarbeitenbegannen in dem nördlichder Straße gelegenen Be-reich mit den in massivemZiegelmauerwerk ausge-führten Bauteilen. Dabeihandelte es sich um dieden Wassergraben be-grenzende 1 m starke undmit Schießscharten ver-sehene Umfassungsmau-er mit den dahinter gele-genen Defensionsgalerienund den sogenannten Hohl-traversen. Dies sind zwei-geschossige Ziegelbau-werke mit einer ca. 1,2 mstarken Erdabdeckung,die mehrere Funktionenerfüllten. (Abb.2: Längs-schnitt durch eine Hohl-

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Die Erdwälle des napoleonischen Brückenkopfes in Jülich

Dipl.-Ing. Jost Broser

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differenz ergibt sich folgendes geometrischesProblem: möchte man keine in sich gekrümmtenFlächen haben, die sich in der Praxis nur schwerumsetzen lassen, müssen alle Böschungswinkelgleich bleiben. In dem geschützten Bereich hinterder Brustwehr bereitet dies keine Probleme, hiererfolgt ja der gleiche Höhenversprung. An derBöschung zum Wassergraben bleibt die Höhe derZiegelmauer und somit der Ansatz der Brustwehrjedoch konstant auf 81,7 m ü. N.N. (Abb. 4:Nordbastion und nördliche Kurtine, Rekonstruk-tionszeichnung, FH Köln). Die Winkel sind aus denhistorischen Plänen (Abb. 5: Plan du Rempart dudemi bastion de droite de l’ouvrage a couronne dela Roer, avec la disposition des Traverse. Original:Stadtarchiv Jülich) im Vergleich mit dem Bestandbestimmt worden.

Zeichnerisch läßt sich das Problem nun einfachlösen. Man verlängert die Böschung zum Wasser-graben bis zum Erreichen der erstrebten Höhe undführt eine entsprechende Parallelverschiebung derrestlichen Brustwehr durch. Die Brustwehrbreitean der Oberkante verkleinert sich hierdurch. Diesdeckt sich ziemlich genau mit den Befunden anHohltraverse 2: diese ist gegenüber Hohltraverse3 etwas zurückversetzt, auch ist der gesamte Wall

an dieser Stelle etwas breiter. Um Höhe und Lagefür die spätere Bauausführung genau angeben zukönnen, ist jedoch eine mathematische Lösungsinnvoll. Hierzu legt man die Winkel fest undbenutzt die trigonometrischen Funktionen. Diebenötigten Winkel und Strecken im Schnitt durchdie Wallanlage bekommen eine entsprechendeBezeichnung (Abb. 6). Dann ist:

tan α = H1/L1 => H1 = L1 • tan αundtan β = H2/L2 = H – H1 / L – L1=> L • tan β – L1 • tan β = H – H1

Ersetzt man nun H1 in der zweiten Gleichungdurch den aus der ersten Gleichung gewonnenenWert, ergibt sich:

L • tan β – L1 • tan β = H – L1 • tan α=> L1 • tan α + L • tan β – L1 • tan β = H=> L1 • tan α – L1 • tan β = H – L tan β=> L1 • (tan α – tan β) = H – L • tan β=> L1 = (H – L • tan β) / (tan α – tan β)

Da L1 nun bekannt ist, lässt sich aus der erstenGleichung auch H1 bestimmen, H2 und L2 erhältman durch einfache Subtraktion, da

H = H1 + H2L = L1 + L2

Auf diese Weise lässt sich nun jeder Knickpunktbestimmen, bei bekannten Strecken kann manebenso die Winkel errechnen. Jede Höhenanpas-sung konnte so für die Bauausführung genau fest-gelegt werden. Auf der Südbastion ergab sichdurch die fortgeschrittene Ausbauphase eine ande-re Situation, doch auch hier ließen sich die Wall-profile auf die gleiche Art festlegen.

(dies ist die einzig sinnvolle Annahme, denn dieBrustwehren schützen ja den Verkehrsbereich aufdem Wall, den die Verteidiger zur Verbindung dereinzelnen Abschnitte der Anlage benötigten), somuss die Brustwehr entsprechend dieser Höhen-versprünge verlaufen.

Dies kann auf zwei Arten erfolgen, zum einendurch einen Versatz an geeigneter Stelle mit einerStützmauer, zum anderen mit einem entsprechen-den Verziehen des Erdwalls. Reste von Stützmau-ern waren nirgendwo feststellbar, so dass die Ent-scheidung auf das Verziehen fiel. Aber wie könntedies aussehen? Der noch vorhandene, wenn auchstark verschliffene Erdkörper auf der Südkurtine

ließ keine Höhendifferenzen erkennen, also mussteder Höhenausgleich in den Abschnitten von denKnickstellen Kurtine/Bastion bis zur nächstenHohltraverse auf den Bastionen erfolgen. Leiderwar an den entsprechenden Stellen die Brustwehrso stark gestört, daß der Bestand keine Hinweiselieferte. Eine genaue Untersuchung der Ziegel-mauer, an deren Oberkante der Erdwall der Brust-wehr ansetzte, ergab eine ehemals konstante Höheim gesamten nördlichen Bereich.

Die Höhenanpassung konnte also nur im Bereichdes Erdwalls erfolgen. Als Beispiel soll hier der Ab-schnitt zwischen der Hohltraverse auf der Nord-bastion, der sogenannten Hohltraverse 2, und der

Hohltraverse auf der Süd-kurtine, der sogenanntenHohltraverse 3, gezeigtwerden. Da es sich um einErdbauwerk handelt, erfol-gen sinnvolle Höhenan-gaben im Dezimeterbe-reich. Die Brustwehrhöhean Hohltraverse 2 beträgt85,4 m ü.N.N., an Hohl-traverse 3 84,3 m ü.N.N.,es ergibt sich also eineHöhendifferenz von 1,1 m.Die Fahrbahnhöhe anHohltraverse 2 beträgt82,9 m ü.N.N., an Hohl-traverse 3 81,8 m ü.N.N.,also auch hier eine Hö-hendifferenz von 1,1m.Die Höhe der Brustwehrüber Fahrbahn beträgtalso durchgehend 2,5 m,was dem historischenPlan (Abb. 3) entspricht.

Auf Grund des Befun-des an der Südkurtinewerden die an Hohltra-verse 3 festgestelltenHöhen bis zur Winkelhal-bierenden zwischen Nord-kurtine und südlicher Flan-ke der Nordbastion beibe-halten. Beim Ausgleichder nun folgenden Höhen-

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Analyse sowie mit der Erarbeitung denkmalpfle-gerischer Empfehlungen beauftragt. Es galt un-ter anderem, den Umfang des Lagers zu ermit-teln, Schutzzonen auszuweisen und zudem Em-pfehlungen für die zukünftige Nutzung zu erar-

beiten. Es entstandenzahlreiche thematischeKarten, welche die erhal-tenswerten Objekte undstädtebaulichen Struk-turen darstellten und be-werteten.

Die Bearbeitung die-ses Forschungsprojekteswar anspruchsvoll und

spannend, aber berührte auch auf oft unange-nehme Weise. Gerade aber an diesen Objektenzeigt sich, ob bzw. in welcher Form die Denkmal-pflege Ernst macht mit ihrem Anspruch, Zeug-nisse der Geschichte zu bewahren.

DAS NKWD-LAGER IN FÜRSTENWALDE

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Längst hat sich die Definition des Denkmalsvom engen Begriff des Kunstdenkmals gelöst.Verstanden als dreidimensionale Urkunden, sol-len die Denkmäler die gesamte Lebenssituationeiner Gesellschaft widerspiegeln.

Neben dem Zeugniswert eines Objektes istauch dessen Alter von Bedeutung. Denkmälersollen einer historisch abgeschlossenen Epocheentstammen, und es herrscht Einigkeit darüber,dass mit dieser Definition auch die Zeugnisseder Nachkriegszeit geschützt werden können.Wie schwierig der Umgang mit dem Denkmal-begriff in der Praxis jedoch ist und dass es auchDenkmäler gibt, die eigentlich niemand habenmöchte, zeigt das Beispiel der „Reifenwerksied-lung“ in der Stadt Fürstenwalde (Land Branden-burg).

Die Brandenburgische Heimstätte errichtete1938 diese Werksiedlung für die Deutschen Ka-belwerke, das spätere Reifenwerk „Pneumant“.Es entstanden Einfamilienreihen- und Doppel-häuser sowie Mehrfamilienhäuser in der typi-schen landschaftsgebundenen Bauweise. DieseArchitektur war in jenen Jahren üblich und be-sitzt allein noch keinen Denkmalwert.

Im März 1945 wurden die 180 Wohnungendieser Siedlung von der sowjetischen Militär-polizei beschlagnahmt und zur Unterbringungpolitischer Häftlinge genutzt. Zwei Monate spä-ter folgte der Ausbau zum „Speziallager Nr. 5“des NKWD, der sowjetischen Geheimpolizei.

Die Siedlung wurde mit einer Doppelzaun-anlage und Wachtürmen abgegrenzt und erhielteinen eigenen Gleisanschluss zum Transport derstetig steigenden Zahl der Internierten. Bis zu8.000 Menschen – darunter auch zahlreicheKinder – waren gleichzeitig im „Lager Ketschen-dorf“ inhaftiert. Auf Grund der völlig unzurei-chenden hygienischen Verhältnisse und derschlechten Versorgung starben zahlreiche Häft-

linge. Sie wurden auf dem Siedlungsgelände inMassengräbern beigesetzt. 1947 wurden dieHäftlinge verlegt und die Lagereinrichtungen de-montiert. Bereits einen Monat später zogen wie-der Betriebsangehörige in die Häuser.

Zu DDR-Zeiten war keine historische Ausein-andersetzung mit sowjetischen Straflagern aufdeutschem Boden gewünscht, und so unterbliebdie historische Aufarbeitung und die denkmal-

pflegerische Erfassung. Auch scheute man sichnicht, die Massengräber – von deren Existenzman wohl wusste – zum Teil mit Plattenbautenund Garagenanlagen zu überbauen. Erst mit derWende konnte sich eine Bürgerinitiative bilden,die mit der Aufarbeitung der Lagergeschichtebegann. Der Wunsch, in der Siedlung eine Ge-denkstätte zu errichten, stieß aber bei derMehrheit der Bewohner und dem bisherigen Ei-gentümer auf weitgehenden Widerstand.

Da 1993 ein Verkauf der Siedlung anstand,und ein Interessent eine weitere Verdichtungder Bebauung anstrebte, wurde ein Stadtpla-nungsbüro mit den vorbereitenden Untersuchun-gen gemäß Baugesetzbuch beauftragt. AufGrund der historischen Brisanz wurde die FHKöln mit der bauhistorischen Dokumentation und

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DAS NKWD-LAGER IN FÜRSTENWALDE

Das NKWD-Lager in FürstenwaldeDr. Norbert Schöndeling

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In Vollzug des 1980 verabschiedeten nord-rhein-westfälischen Denkmalschutzgesetzes be-gannen 1982 die beiden LandschaftsverbändeRheinland und Westfalen-Lippe mit der Schnell-inventarisation des Bodendenkmalbestandes.Beide Ämter konnten zu diesem Zeitpunkt be-reits auf umfangreiche Datensammlungen zuFund- und Befundplätzen in ihren Gebieten zu-rückgreifen. Mit diesen Arbeiten gelang die Ge-winnung eines ersten Überblicks über die ar-chäologisch bedeutenden Quartiere.

Für die Arbeit der praktischen Bodendenk-malpflege gilt es, diese Informationen weiter zuvertiefen. Auf Initiative der Landesregierung undmit Förderung der beiden Landschaftsverbändewurde daher im Jahr 1990 das Forschungspro-jekt „Archäologische Bestandserhebungen in denhistorischen Stadt- und Ortskernen in Nord-rhein-Westfalen“ initiiert. Mit der Erarbeitungeines Leistungskataloges und der Realisierungdes Forschungsprojektes wurde die Fakultät fürArchitektur der Fachhochschule Köln beauftragt.

Für die Umsetzung wurde im Rahmen derDrittmittelforschung eine Forschungsgruppe un-ter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr.Jürgen Eberhardt gebildet, in die wissenschaft-liche Mitarbeiter unterschiedlicher Fachrichtun-gen über Werkverträge eingebunden wurden.Insbesondere bei der sehr arbeitsintensiven Be-gehung der Keller sowie bei der Erstellung derthematischen Karten wirken darüber hinausauch studentische Mitarbeiter mit, die die Ver-tiefungsrichtung C4 „Baudenkmalpflege“ bzw.das Zusatzstudium „Baudenkmalpflege, Denk-malbereichs- und Umfeldplanung“ an der FH Kölnbelegt haben.

Bei der Bearbeitung des historischenStadtkerns von Soest wirkten Schüler des Aus-bildungsganges „Denkmaltechnischer Assis-tent“ der Boerdeschule Soest mit.

Drei Schwerpunkte bildeten sich bei derFormulierung des Forschungsansatzes heraus.Eine wesentliche Aufgabe des Projektes solltesein, das zum Teil nur schwer zugängliche Da-tenmaterial zur Bau- und Siedlungsgeschichte zuerfassen, auszuwerten und für die Wahrneh-mung der Aufgaben der Bodendenkmalpflege be-reitzustellen. Viele Städte sind bereits seit lan-ger Zeit Gegenstand der Forschung. Es zeigtesich aber, dass die Erforschung der Bau- undSiedlungsgeschichte oft noch ein Desiderat dar-stellt.

Erforderlich ist darüber hinaus eine umfas-sende Zusammenstellung und Bewertung allerbisher bekannten Bodenfunde und Grabungsbe-richte. Mit jeder neuen archäologischen Unter-suchung nimmt nicht nur das Wissen zu. Eszeigte sich, dass mit der Zeit Wissen auch wie-der verloren geht, d.h., ältere Ergebnisse derarchäologischen Forschung bei der Bearbeitungaktueller Aufgaben nicht mehr zur Verfügungstehen. An diesem Punkt setzt die „Archäolo-gische Bestandserhebung“ mit ihrem Fundstel-lenkatalog an.

Diese Recherchen in Archiven und Sammlun-gen werden ergänzt durch Untersuchungen vorOrt. So bildet die Erfassung der Bodeneingriffebzw. die Kartierung in jüngerer Zeit gestörterBodenschichten den dritten Schwerpunkt. Beijedem historischen Stadtkern stellt sich neu dieFrage, ob in solchen eng bebauten Quartierenüberhaupt noch die Chance für die Bodendenk-malpflege besteht, Spuren früherer Besiedlungzu entdecken. Nun fehlen geeignete Methoden,mit denen man innerhalb historischer Stadtker-ne zerstörungsfrei in den Boden blicken könnte.So kann diese Frage letztlich nur durch eine Gra-bung beantwortet werden. Es ist jedoch mög-lich, der Beantwortung dieser Frage ein gutesStück näher zu kommen. Erfasst man nämlichalle größeren Bodeneingriffe, d.h. also jene Ein-

griffe mit Grundfläche und Tiefe, wo keine archä-ologischen Befunde mehr erhalten gebliebensein können, dann müssen sich im Umkehr-schluss jene Flächen bzw. Schichten abzeichnen,in denen sich Besiedlungsspuren erhalten habenkönnen.

Die Ergebnisse aus allen Projektstädten be-stätigen immer wieder neu, wie gering der Gradder Unterkellerung ist; in Quartieren mit histori-scher Substanz oft weniger als 30 % der über-bauten Fläche. Hinzu kommt, dass sich nicht nurin den Hof- und Straßenflächen, sondern geradeauch unter den nur teilweise unterkellerten Ge-bäuden Besiedlungsspuren erhalten haben.

Um eine Vergleichbarkeit der am Projekt be-teiligten Städte zu erzielen, wurde ein einheitli-cher Leistungskatalog erarbeitet. Dieser hattedie sehr unterschiedliche Größe der Untersu-chungsgebiete zu berücksichtigen.

Ziel der Gesamtuntersuchung ist es, sowohlden Referenten in den Fachämtern als auch denUnteren Denkmalbehörden in den Kommuneneine gegliederte Datensammlung zu erstellen,welche die Wahrnehmung der Aufgaben der Bo-dendenkmalpflege in den historischen Stadt- undOrtskernen ermöglicht. Diese Materialsammlun-gen sind daher ausschließlich für den Dienstge-brauch bestimmt. So soll verhindert werden,dass aus der Veröffentlichung eines vollständi-gen Fundstellenkataloges zusätzliche Gefährdun-gen des Bodenarchivs erwachsen.

Mit dem Forschungsprojekt „ArchäologischeBestandserhebung“ hat die nordrhein-westfäli-sche Bodendenkmalpflege, was Methodik, Auf-wand und Kosteneinsatz angeht, Neuland be-schritten. Die für die Realisierung dieser Unter-suchung eingesetzten Haushaltsmittel über-schreiten bei weitem das Maß ähnlicher Unter-suchungen, und es stellte sich damit zwangsläu-fig die Frage, ob diese Summen in einer vertret-baren Relation zu dem Erkenntnisgewinn stehen.Darüber hinaus galt es zu untersuchen, ob esgelingen kann, in einem sehr engen Zeitrahmensoviel an Erkenntnissen zu gewinnen, dass damitdie Arbeitsgrundlage der Bodendenkmalpflegespürbar verbessert werden kann.

Das Forschungsprojekt läuft in der Zwischen-zeit im 12. Jahr und derzeit kann auf die Erfah-rung aus insgesamt achtzehn sehr unterschied-lichen Städten zurückgeblickt werden. Insbeson-dere von den Stadtplanungsämtern, welche dieAktivitäten der Bodendenkmalpflege oft mit ei-nem – verständlichen – Misstrauen betrachte-ten, wurde bescheinigt, dass auf Grund der Un-tersuchungen nun eine deutlich größere Pla-nungssicherheit erzielt werden konnte.

Die Bereitstellung des aufgearbeiteten Da-tenmaterials zur Entwicklung der historischenStadt- und Dorfkerne ermöglicht nun eine einge-hende Auseinandersetzung bereits im Vorfeldumfangreicherer Bodeneingriffe. Die Bodendenk-malpflege trägt damit ganz wesentlich dazu bei,dass die bei Großbauvorhaben zwangsläufig auf-tretenden Konflikte minimiert werden. Ein Um-stand, der von den Planungsbehörden nachhaltigbegrüßt wird.

ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG

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ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG

Archäologische Bestandserhebungen in den historischen Stadt- und Ortskernen in Nordrhein-Westfalen

Dr. Norbert Schöndeling

ForschungsprojektArchäologische Bestandserhebung in

den historischen Stadt-und Ortskernenin Nordrhein-Westfalen

Landesteil Rheinland

Bedburg-Alt-Kaster 1992Hellenthal-Reifferscheid 1994Hennef-Stadt-Blankenberg 1991Kalkar 1998Krefeld-Linn 1996Stolberg 1991Essen-Werden 2001Rheinbach 2002Wesel (Festungswerke) 2001Essen-Steele 2003Duisburg (Zentrum) seit 2002

Landesteil Westfalen

Detmold 1999Freudenberg 1993Minden 1996Rheda-Wiedenbrück 2001Soest 1997Tecklenburg 1992Warburg 1999Paderborn 2003Paderborn-Schloß Neuhaus 2003

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Vermutungen über die ursprüngli-che Gestalt der Burg gehen weitauseinander. „Die Burganlage ha-ben wir uns als klein vorzustel-len...“ (Kittel, 1953). O. Gaul da-tierte 1968 aber in seinen „Kunst-denkmälern“ den unteren Teil desmächtigen Rundturmes in dieMitte des 13. Jhs., was bei denAusmaßen des Turmes bereits füreine bedeutende Anlage sprechenwürde. In diesem Zusammenhangbleibt eine Privatführung S. D. Dr.Prinz Armin zur Lippe durch dasSchloss für Prof. Eberhardt mit E.Kandler und K. Lynch unvergessen, bei der wir Bau-strukturen erkennen konnten, die eindeutig derVorgängerburg zuzuordnen sind, von denen aberkeinerlei Hinweise in bisherigen Veröffentlichungenexistieren. Diese Erkenntnisse führten zusammenmit weiteren Beobachtungen zur Baugeschichtedes Schlosses, die aus der detaillierten Auswer-tung der Stadtansicht von Merian (vor 1600),einer Federzeichnung des Dr. Faber (1632) undeiner „Vogelperspektive“ von E. van Lennep (1663)gewonnen werden konnten, zu dem Entschluss, einkleines Folgeprojekt zur Baugeschichte des Re-

naissanceschlosses zu initiieren.Dieses Vorhaben kam leider trotzbereits gesicherter wichtigerRahmenbedingungen aus uner-wartetem Grund nicht zur Aus-führung.

Somit fand auch eine bei der„Archäologischen Bestandserhe-bung“ gewonnene und für die For-schung wichtige Erkenntnis nochkeine Berücksichtigung in einerangemessenen Publikation. Esbetrifft die Stadtansicht von Me-rian, die dieser in seiner Topo-

graphia Westphaliae 1647 in Frankfurt/ Main ver-öffentlichte. Was wir bei analogen DarstellungenMerians für andere Städte vermuteten, konntenwir in diesem konkreten Fall beweisen: Die Vorlagefür den Kupferstich von Detmold stammt aus derZeit deutlich vor dem 30- jährigen Krieg. Sie ist vor1600 entstanden und damit die älteste Darstel-lung Detmolds.

Abb. 1: Stadtansicht von Merian, vor 1600. Abb. 2: Innenansicht aus dem Schloss.

ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG DETMOLD

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Die gültige Geschichtsschreibung geht davonaus, dass es sich bei der genannten Örtlichkeit„Theotmalli“ in einer Beschreibung der SchlachtKarls des Großen gegen die Sachsen im Jahre 783um den Namen eines alten Gaues Detmold handelt.Aus der aufgeführten Bezeichnung „in loco, quiTheotmalli vocatur juxta montem, qui Osnengi dici-tur“ wird weiterhin die Existenz eines Gerichtsplat-zes angenommen, an dem die Schlacht stattgefun-den hat, der sowohl bei der späteren Siedlung Det-mold, als auch auf einer Flur namens „Thießplaß“ ander Grotenburg in Heiligenkirchen existiert habenkönnte.

Des Weiteren gibt es zwei weitere frühe Nach-richten über ein „Thietmalli“ in den Lebensbe-schreibungen des Bischofs Meinwerk von Pader-born (U 1036). Die Geschichtsschreibung stelltüberzeugend eine örtliche Zuordnung zum heutigenDetmold dar. Bischof Meinwerk übergab nach die-ser Überlieferung einem Priester als Gegenleistungfür eine Schenkung an die Paderborner Kirche dieKirche zu Detmold mit 6 Pflügen und einem Pferdeauf Lebenszeit. Außerdem ließ Meinwerk 1023 ei-nen angeblich von Papst Leo 799 während einesBesuches bei Karl dem Großen in Paderborn ge-weihten Altarstein aus Detmold holen und in derKrypta des Klosters Abdinghof aufstellen, ein The-ma, das 5 Jahre später bei der „ArchäologischenBestandserhebung“ in Paderborn Bestandteil tief-greifender Diskussionen werden sollte.

Diese frühen Berichte haben aber nichts mit derheutigen Stadt Detmold zu tun, in der wir 1997/98die „Archäologische Bestandserhebung“ durchführ-ten. Die Archäologie konnte zu der Frage nach denUrsprüngen Detmolds bislang wenig beitragen.Das älteste im mittelalterlichen Stadtkern aufge-fundene Material stammt aus dem 12./13. Jh. Diein ihrer Struktur sehr ähnlichen lippischen StädteDetmold, Blomberg und Horn, in denen je eine lan-desherrliche Burg in der Stadt liegt und zugleicheinen Teil der Stadtbefestigung bildet, fallen mit Si-cherheit in die selbe Gründungsphase. Detmold

wird nach Blomberg, wahrscheinlich kurz vor1265, jedoch sicherlich vor 1298 als Stadt ge-gründet worden sein.

Die Hauptachse in Detmold bildet die LangeStraße. Sie führt an der Erlöserkirche mit demMarktplatz vorbei. Kirche und Kirchhof liegen aufdem höchsten Punkt der Stadt auf einem nachNorden leicht abfallenden Geländesporn. Noch bisins 17. Jahrhundert wird der Kirchhof durch eineMauer von der Bruchstraße getrennt und ist überzwei Treppen von dieser aus zugänglich. Der Kirch-hof wird später abgetragen. Der Verlauf der Bruch-straße zum Zeitpunkt der Stadtgründung entspre-chend der heutigen Situation kann nicht als gesi-chert gelten, da durch den Bau des breiten Was-sergrabens um das neue Renaissanceschloss umetwa 1537-1557 eine Verlegung bzw. Verschie-bung der Bruchstraße nicht auszuschließen ist.

Die NO-S verlaufende Lange Straße (Steinweg)bündelt mehrere Verkehrswege und führt sie durchdie Stadt, so die hier über das breite Werretal füh-rende alte Wegeverbindung von Paderborn Rich-tung Lemgo und später ab 1361 den Weg vonHorn über Lage nach Herford. In diesem Zusam-menhang ist für Detmold urkundlich belegt, was fürandere Städte analog angenommen werden kann:ein Verkehrszwang durch die Stadt zur wirtschaft-lichen Förderung derselben. Am 15. März 1361wird den Detmolder Bürgern („opidanis“) gestattet,den öffentlichen Weg von Horn nach Lage, welchervor dem südlichen Tor an der Stadt vorbeiführt, zuversperren (einzuziehen) und durch die Stadt zu lei-ten (Lippische Regesten).

Die Soester Fehde (1447-1449), bei der dasSelbstständigkeit beanspruchende Soest vom Köl-ner Erzbischof belagert und teilweise zerstört wird,hat auch entscheidenden Einfluss auf die künftigeEntwicklung Detmolds. Von den vereinigten kölni-schen und böhmischen Kriegsvölkern wird am 14.Juni 1447 auch Detmold geplündert und ver-brannt. Die Burg Detmold wird dabei zerstört. Die

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ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG DETMOLD

Archäologische Bestandserhebung in Detmold

Dipl.-Ing. Ekkehard Kandler

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Die Voraussetzungen für eine Erfassung der Bo-dendenkmäler im Bereich der Duisburger Altstadtsind überaus günstig, da sie sich auf eine gute ar-chivarlische wie kartografische Überlieferung inVerbindung mit der langjährigen Arbeit der Duis-burger Stadtarchäologie seit dem 2. Weltkriegstützen kann.

Die ersten archäologischen Untersuchungen inder Duisburger Altstadt wurden 1897 bis 1904durch den Berliner Professor Konrad Plath beimNeubau des Rathauses auf dem Burgplatz ge-macht. Von diesen Ausgrabungen liegt ein Befund-plan vor. Aus der Zeit zwischen den Weltkriegensind keine systematischen Tätigkeiten zum mittel-alterlichen Stadtgebiet Duisburgs überliefert. Erstnach dem zweiten Weltkrieg fand sich mit FritzTischler, dem Direktor des Niederrheinischen Mu-seums, ein engagierter Archäologe als Begleiterdes Wiederaufbaus der zerbombten Stadt. WeiteBereiche der Altstadt sind durch seine Arbeit unddie seines Technikers Johannes Falkowski erst inihrer stadthistorischen Bedeutung erkannt worden.Dazu gehören Ausgrabungen auf und um den Burg-platz, wie auch wichtige Beobachtungen beimAbriss von großen Teilen der Duisburger Stadtmau-er in den 60er Jahren. Durch seinen Tod im Jahre1967 wurde diese Arbeit unterbrochen.

Mit Beginn der 80er Jahre wurde sie durch dendamaligen Kustos des Museums, Günter Krause,wieder aufgenommen. Seine umfangreichen Aus-grabungen im gesamten Altstadtgebiet in den da-rauf folgenden 15 Jahren führten zu einer wesent-lichen Neubewertung der frühen Duisburger Ge-schichte. Ihnen kommt aber auch überregionaleBedeutung zu, insbesondere auf dem Gebiet derhochmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kera-mikentwicklung, da sich hier am alten Markt dieeinzige vollständige Stratigrafie des Mittelalters imRheinland findet. Aber auch im Bereich der inter-disziplinären Zusammenarbeit von Archäologie,Baugeschichte und Naturwissenschaften, im Be-reich der Pfalzenforschung, sowie der Befestigungdes mittelalterlichen Duisburgs können die Ergeb-nisse der Duisburger Stadtarchäologie dieser Zeitals überaus gelungen bezeichnet werden.

Seit dem Jahr 1994 steht die Stadtarchäologieals Ergebnis tiefgreifender städtischer Umstruk-

turierungen unter der Leitung von Tilmann Bechert.Ihre Arbeit verlagerte sich auf Grund nachlassen-der Häufigkeit und Umfang von Bauvorhaben in derInnenstadt in dieser Zeit vermehrt in den Südender Stadt, außerhalb der mittelalterlichen Stadt-grenze. Erst im Jahr 2000 wurde, durch die Um-stände bedingt, wieder der Faden aufgenommenund eine größere Grabung innerhalb dieser Gren-zen durchgeführt.

Eine wesentliche Arbeitsgrundlage sowohl fürdie Bodendenkmalpflege als auch für das laufendeProjekt bildet der Plan des Johannes Corputius von1566. Dieser Plan ist von beträchtlicher Genauig-keit, denn sein Grundriss entspricht nahezu korrektdem preußischen Urkataster von 1824. So ist erein unentbehrliches Hilfsmittel für die archäologi-sche und historische Erforschung Duisburgs.

Auf Grund der kontinuierlichen denkmalpflegeri-schen Arbeit in Duisburg seit fast 60 Jahren sinddie dabei gewonnenen Unterlagen als wichtigsteQuelle für die archäologische Bestandserhebunganzusehen. Diese Grabungsdokumentationen wur-den von der unteren Denkmalbehörde den Orts-akten zugefügt und sind dort nahezu vollständigvorhanden. Allein der Fundbestand der Stadt Duis-burg umfasst zur Zeit ca. 1,8- 2 Millionen Funde.Als weitere wichtige Quellen für das Projekt sinddas Stadtarchiv Duisburg und das örtliche Haus-aktenarchiv zu nennen.

Die zu erstellende Datenbank soll sowohl derDenkmalpflege als wissenschaftliche Arbeitsgrund-lage dienen als auch helfen, die archäologischenBelange in stadtplanerische Vorgänge einzubindenund Interessenskonflikte frühzeitig zu erkennen undzu vermeiden. Dabei soll den damit beschäftigtenÄmtern ein schneller und umfassender Zugriff aufdie baurelevanten archäologischen Gegebenheitenjedes Grundstückes im historischen Kern Duis-burgs ermöglicht werden und damit eine größerePlanungssicherheit erreicht werden. Dazu werdenin drei Arbeitsschritten, die in sich noch einmal un-terteilt sind, die Daten erfasst, strukturiert undgrafisch aufbereitet.

Im ersten Schritt wurden sämtliche Grabungs-unterlagen, Grabungspläne und Abschlussberichteeingesehen und gesammelt. Da bei einem großen

ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG DUISBURG

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Die Duisburger Alt-stadt ist seit August2002 Teil des Forschungs-projektes „ArchäologischeBestandserhebung in denhistorischen Stadt- undOrtskernen des LandesNordrhein-Westfalen".Durchgeführt wird dieseBestandserhebung durchdie Fachhochschule Köln,Fachbereich Architektur,Lehr- und Forschungsge-biet Baudenkmalpflege un-ter Leitung von Prof. Dr.Ing. J. Eberhardt. Finan-ziert wird das Projekt jezur Hälfte von der StadtDuisburg und dem LandNordrhein-Westfalen.

Die Duisburger Alt-stadt kann auf eine nahezu2000-jährige kontinuierli-che Besiedlungsgeschichte zurückblicken. ÄltesteFunde aus dem ummauerten Stadtgebiet sind Reste einer eisenzeitlichen Siedlung des 4. - 3. Jhs.v. Chr. Vereinzelte, aber regelmäßige Funde römi-scher Keramik des 1. bis 4. Jhs. sowie spätrömi-sche und frühfränkische Befunde und Funde des 5.Jhs. markieren wohl die unmittelbaren Vorläuferder Stadt Duisburg. Aus einem fränkischen Kö-nigshof des 8. Jhs. entwickelte sich im 10. Jh. dieDuisburger Königspfalz. Sowohl diese, als auch ei-ne vermutete friesische Händlersiedlung an derNiederstraße bildeten die Keimzellen für die mittel-alterliche Stadt, welche schon vor 1125 eine ersteStadtmauer erhielt. Trotz schwindender Bedeutungals Pfalzort wuchs die Stadt weiter, da ihre Bedeu-tung als Marktort, die sich schon im 10. Jh. andeu-tet im 12. und 13. Jh. ausgebaut wird. Im 13. Jh.erreichte Duisburg eine Ausdehnung von ca. 33 ha.Nach den Johannitern im 12. Jh., siedelten sich imspäten 13. Jh. auch der Deutsche Orden in Duis-

burg an. Eine Verlagerung des Rheinbettes um dieJahrtausendwende hatte scheinbar keine unmittel-baren Auswirkungen auf die wirtschaftliche Ent-wicklung der Stadt.

Ein Niedergang der ehemals freien Reichsstadtist erst nach dem 13. Jh. zu bemerken und spie-gelt sich im Siedlungsbild wider, wie es der Stadt-plan des Johannes Corputius von 1566 deutlichwerden lässt. Nicht mehr Handel und Gewerbe ste-hen im Vordergrund, sondern die Landwirtschaft.Dieses Bild einer mittelgroßen Ackerbürgerstadtsollte sich erst mit der industriellen Revolution än-dern. Aber auch dann blieben die alten baulichenStrukturen weitgehend erhalten. Erst die großflä-chigen Zerstörungen des 2. Weltkrieges, aber vorallem die nachfolgende rücksichtslose Erneuerungder Stadt führte zu massiven Veränderungen imStadtbild und damit zum heutigen, trügerischenBild einer gesichts- und geschichtslosen Stadt.

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ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG DUISBURG

Bodendenkmälerfassung in der Duisburger Altstadt

Ingo Buhren, M. A. / Hans-Peter Schletter, M. A.

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1998 traten bei der Neugestaltung des ehemali-gen Feintuchwerkgeländes östlich der Abtei über eineStrecke von fast 100 Metern Teile der alten Stadt-mauer zutage. Der Verlauf der freigelegten Mauer-reste stimmte mit dem Verlauf einer Mauer in derältesten amtlichen Karte Werdens, dem sogenann-ten Urkataster von 1822, fast genau überein. Über-raschenderweise wurde jedoch am nördlichen Endedes Befundes eine zweite Mauer aus anderem Stein-material angeschnitten, die von der ersten Mauernach Nordosten hin abzweigte.

Der Bau der Werdener Stadtmauer, so wie sie so-wohl von den vorhandenen Bauresten her als auchaus kartografischen, bildlichen und schriftlichen Quel-len bekannt ist, wurde bisher in die Zeit um oder nach1317 datiert. Weiterhin nahm man an, dass der Ver-lauf dieser Mauer sich seit dem 14. Jh. kaum verän-dert habe. Somit wäre der ursprüngliche Verlaufnoch in der ersten maßstäblichen Kartierung, derAufnahme von Honigmann zu Anfang des 19. Jhs.,festgehalten. Die 1998 gefundene Mauer paßte nichtin dieses Bild. Weitere archäologische Befunde ander Straße „Haus Fuhr“, sprachen dafür, dass es imNordosten der Stadt nicht nur einen, sondern zweiMauerzüge gegeben hat. Im Rahmen der Archäo-logischen Bestandserhebung im Jahr 2000 erfolgteeine Aufnahme der Mauer anhand der bekanntenober- und untertägigen Baureste, sowie der schriftli-chen und bildlichen Quellen.

Die in der Urkunde von 1317 genannte Mauer mitihren vier Toren wurde lange Zeit als die Stadtmauerbetrachtet, die man auf der ältesten Stadtansichtvon Braun-Hogenberg aus dem Jahr 1581 sieht, unddie auf vielen älteren Karten und Stadtansichten ausder Zeit zwischen etwa 1600 und 1800 abgebildetist. Diese kaum veränderte Mauer ist auch in derKarte Honigmanns (1803-6) zu erkennen. Das Born-,Brück- und Hecktor kennzeichnen die wichtigstenStraßenachsen. Im Osten und im Westen der Stadtsind die Abtei und das Kastell zu erkennen. 1822waren große Strecken der Mauer nicht mehr vor-handen; von den Toren blieben nur noch Teile des

Brücktores übrig. Einige Mauerstrecken, die wederVerkehrshindernissse darstellten noch baulichenEntwicklungen im Wege standen, blieben jedoch bisheute erhalten. So die Mauerstrecke, die an derSüdwand des Hauses „Hufergasse 24“ beginnt. Diezwischen zwei und zweieinhalb Meter hohe Mauerbesteht ausschließlich aus Naturstein. Weitere ober-tägige Mauerreste stehen im Südosten der Stadt,hinter den Häusern „Klemensborn 89-93“. Das drit-te Mauerstück steht direkt hinter dem Marienbildauf dem Grundstück „An der Stadtmauer 19“.

Durch Untersuchungen der Essener Stadtarchä-ologie 1998 kennen wir zwei weitere Teile der Mau-er. Auf dem Grundstück an der Ecke Körholzstraße/Grafenstraße trat während Ausschachtungsarbei-ten eine Mauerstrecke von etwa 25 m Länge zuta-ge. Ihr Verlauf stimmte mit dem aus den Karten be-kannten Verlauf überein. Überraschend war jedochder Fund eines Turmes, der weder durch schriftlichenoch durch bildliche Quellen belegt war, genau amSchnittpunkt mit der Mauer hinter der Grafenstraße.Ein weiterer Mauerbefund kam zwischen dem ehe-maligen Abteigelände und dem östlich davor liegen-den Parkplatz ans Licht. Auch hier stimmten kartier-ter und tatsächlicher Verlauf überein. Am nördli-chen Ende der freigelegten Mauer zweigte jedocheine weitere Mauer nach Nordosten ab. Sie bestandaus Gneis anstatt des in Werden üblichen Ruhrsand-steins. Obwohl es nicht möglich war, den Verlauf bei-der Mauern weiter nach Norden zu verfolgen, hat essomit im Nordosten der Stadt wohl nicht eine, son-dern zwei Stadtmauern gegeben.

Die abzweigende Mauer warf Fragen auf. Wannwurde sie errichtet? Wann wurde die innere Mauer,von der sie abbiegt, gebaut? Wie verliefen die beidenMauern weiter? Gab es auch in anderen Bereichender Stadt zwei Mauern? Die Suche nach Antwortenbeginnt im Nordosten der Stadt, in unmittelbaremAnschluss an die Mauerreste an der Abtei. Es gibtdort, zwischen der ehemaligen abteilichen Mühleund der Heckstraße, zahlreiche Hinweise auf einendoppelten Mauerring.

ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG ESSEN-WERDEN

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Teil der Ausgrabungen keine Pläne oder Abschluss-berichte vorlagen, mussten von den BearbeiternZusammenfassungen der Grabungsergebnisse er-stellt werden. Gleichzeitig wurde eine Bibliografiezur Archäologie und Bodendenkmalpflege derDuisburger Altstadt angefertigt. Als weitererSchritt in diesem Stadium wurden alle Kanaltras-sen und Hausakten gesammelt.

In einem zweiten Schritt wurden die so gesam-melten Daten in einer Datenbank erfasst, die spä-ter einen schnellen Zugriff auf alle Erkenntnissebezüglich eines Flurstückes erlauben wird. Die aufAccess basierende Datenbank ArchBest2K bein-haltet Daten zur Lage, Art der Fundstelle, Zeit-stellung und durchgeführte Aktivitäten der Denk-malpflege.

Auf Grund der Denkmälerstruktur kann eine Da-tenerhebung anhand von Fundstellen zu Problemenführen. Als Beispiel sei hier die Duisburger Stadt-mauer genannt. Da die Stadtmauer auf den Katas-terplänen historisch bedingt nur auf wenige Flur-stücke verteilt ist, sie jedoch eine große Ausdeh-nung aufweist, muss eine Inventarisierung nachFlurstücken – wie bisher durchgeführt – hierzwangsläufig unübersichtlich werden. Als Auswegbietet sich eine Inventarisierung nach durchgeführ-ten Aktivitäten an. Hierbei gilt als erstes Ord-nungskriterium die denkmalpflegerische Tätigkeit.Diese wird in ihrer Art und Lage im jeweiligen Da-tensatz nachgeordnet beschrieben. Erst dieseStruktur ermöglicht es, die für jedes Flurstückdurchgeführten Maßnahmen in Gänze zu erfassen.Diese Umstrukturierung der Datenbank wird zurZeit durchgeführt und demnächst abgeschlossensein.

Der dritte Schritt wird die grafische Aufberei-tung der erfassten Daten mithilfe der schon im er-sten Schritt gesammelten Feldzeichnungen undGrabungspläne umfassen. Dabei soll als Endpro-dukt auf der einen Seite ein Übersichtsplan zurschnellen Orientierung der verschiedenen Benut-zer, auf der anderen Seite eine thematische Dar-stellung nach verschiedenen Kriterien stehen, z.B.nach chronologischen Merkmalen, nach Art undUmfang der archäologischen Befunde, nach Aus-dehnung und Tiefe von Bodeneingriffen. Ergänzenddazu werden auch die Daten der Kanaltrassen,Hausakten und der noch durchzuführenden Keller-begehung im Altstadtgebiet einfließen müssen.Diese Kartierungen erlauben durch die hohe Dichtevon Fundstellen im Untersuchungsraum und derendetaillierte Darstellung auch Aussagen zu Grund-stücken, von denen bisher noch keine Bodenein-griffe bekannt sind, die aber auf diese Weiseschnell und recht sicher von der Bodendenkmal-pflege bewertet werden können.

Abb. 1: Plan des Johannes Corputius von 1566.

Abb. 2 : Grabungen und Kanaltrassen imBereich des Burgplatzes, erster Versuch eines

Kartenentwurfes für die Duisburger Altstadt.

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ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG DUISBURG

Essen-Werden – Über den Verlauf der Stadtmauer(n)

Kevin Lynch, M. A.

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Eine Karte aus dem Jahr 1767 liefert die ers-ten Anhaltspunkte. In der Honigmann’schen Karteknickt die Stadtmauer im Bereich der Abteimühlezuerst nach Nordosten ab, um dann in einem wei-ten Bogen und in einiger Entfernung von dem Stra-ßenzug „Haus Fuhr“ das Wigtor am unteren Knickin der Wigstraße zu erreichen. Auf dem Plan von1767 gibt es keine Abzweigung nach Nordosten,stattdessen begleitet die Mauer die Straße „HausFuhr“ bis zu dem Haus des Vogtes, das der Straßeihren Namen gab. Auf dem Mauerzug sind zweiTürme eingezeichnet.

In der Tat sind Mauerreste sowie möglicherwei-se ein Turm belegt, die zu dem abgebildeten Ver-lauf passen. Als 1979 die kleinen Fachwerkhäuser„Haus Fuhr 15-19“ saniert wurden, zeigte sich,dass die Rückwand der drei Häuser aus einem zu-sammenhängenden Mauerzug bestand. Zur glei-chen Zeit wurden weiter oben an der Straße, unterdem neuen Altenheim, die Reste eines Turmes ge-funden. Auf der Karte von Honigmann sowie auf

den ältesten Flurkarten istan dem Straßenknick inHaus Fuhr eine turmartigeStruktur zu erkennen, sodass wir Außenmaße undLage des Gebäudes re-konstruieren können. Einkürzlich entdeckter Planaus der Zeit um 1800weist weitere wichtigeDetails auf. Vor der Mau-erstrecke, die sich an dieSüdostecke des Haus FuhrGeländes anschließt, sowiean der Ostseite des Ge-ländes ist ein Graben ver-zeichnet. Vermutlich han-delt es sich hierbei um denalten Stadtmauergraben.

Es gibt auch aus ande-ren Teilen der Stadt Hin-weise auf eine Stadter-weiterung in alle Richtun-gen während der erstenHälfte des 15. Jhs. In ei-ner Urkunde von 1317steht der folgende Satz:

„Das Thor, durch welches man dem Bornplatzezugeht, …, nebst seiner Vorstadt, gehören demAbt“. Auf dem steil ansteigenden Gelände vor demheute bekannten Borntor hat jedoch nie ein Vorortgestanden. Die Vermutung liegt nahe, dass daserste Borntor deutlich weiter stadteinwärts stand,vielleicht dort, wo die Straße Klemensborn nachOsten abknickt, und dass der Vorort sich im Be-reich der Straßen Ulrichgasse, Saal sowie der obe-ren Strecke des Klemensborns befand.

Im Jahr 1993 wurden bei Kanalisationsarbeitenvor dem Haus „Bungertstraße 28“ im Straßenraumunmittelbar vor dem Bürgersteig Bruchsteinmau-ern freigelegt. Sie verliefen parallel zur Bordstein-kante bzw. in der Flucht der Straße und liefernmöglicherweise einen archäologischen Beleg für ei-ne Stadterweiterung im Südwesten der Stadt, dieauch aus anderen Gründen zu vermuten wäre. ImJahre 1417 kauften nämlich Bürgermeister undRat der Stadt dem Abt und dem Stift den Bun-gartshof gegen einen jährlichen Zins ab. Interes-

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ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG ESSEN-WERDEN

sant ist, dass dieser Kauf auf Anraten des Vogtes,des Grafen von Kleve, geschah. Der hatte zu dieserZeit gerade mit dem Bau des Kastells begonnen.Die Gelegenheit, den neu entstehenden Stützpunktder vogteilichen Macht in den Verlauf der Stadt-mauern einzubinden, wurde also nicht versäumt.

Den letzten Hinweis auf eine Stadterweiterungfinden wir im Nordwesten der Stadt. Die Grafen-straße müßte eigentlich Grabenstraße heißen. Siewird zum ersten Mal 1475 erwähnt, zu dieser Zeithieß sie „up den Graven“. 1519 hieß sie schon„Gravenstrate“. Im Laufe der Jahre wurde der Ur-sprung des Namens vergessen, so dass es zu derheutigen Fehlbezeichnung kam. Wenn die Grafen-straße dem Verlauf eines alten Grabens folgt,hängt dieser vermutlich mit der älteren Stadtbe-

festigung zusammen. Der Graben schließt denKreis, der am Haus Fuhr beginnt. Es ergibt sich einungefähres Oval, das von den Straßen Haus Fuhr,Grafenstraße und Bungertstraße gebildet wird.Hier ist der erste Stadtkern, der von der Mauervon 1317 umgeben war, zu vermuten. Die Mauer,die wir bislang als Werdener Stadtmauer von denältesten Karten und Stadtansichten kennen, wurdedagegen anscheinend erst zwischen 1400 und1450 erbaut.

Abb. 1: Ausschnitt des Plans von Honigmann,1803-1806.

Abb. 2: Rekonstruktion der Verläufe der erstenStadtmauer und der Stadterweiterung im

frühen 15. Jahrhundert. Der älteste Stadtkernist gelb dargestellt.

ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG ESSEN-WERDEN

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nen rechteckigen, sonderneinen rautenförmigenGrundriss aufweist, wasauf Veränderungen in derParzellenstruktur hin-weist. Das ehemaligeStiftsherrenhaus stammtlt. Denkmalliste im Kernaus dem 15. Jahrhundert.Der Keller ist zweige-schossig. Auf einen gro-ßen, tonnenüberwölbtenKeller, von dem nur dieWestwand identisch mitder Flucht der aufgehen-den Westwand ist, wurdeein aus zwei parallelen Ge-wölben bestehender Kelleraufgesetzt. Dieser ent-spricht zwar in seinen

Umfassungswänden weitgehend dem unteren Kel-ler, richtet sich aber mit der Mittelwand, der süd-lichen Wand und dem Treppenhaus nach demGrundriss des aufgehenden Gebäudes aus. Es istzu vermuten, dass der obere Keller bei einemNeubau entstand, während der untere Keller wahr-scheinlich einem älteren Gebäude zuzuordnen ist.Bemerkenswert ist, dass die Fluchten dieser Kellermit den Fluchtabweichungen des zuerst beschrie-benen Kellers korrespondieren, also ebenfalls aufeine geänderte Parzellenstruktur hinweisen. Die

Bearbeiter, die in der ge-gebenen Zeit lediglich eineintensive Bauaufnahmeincl. einer ausführlichenBeschreibung durchführenkonnten, sind der Ansicht,dass durch konsequentdurchgeführte Baufor-schung im Kellerbereichsicherlich noch weiterewertvolle Beiträge zurSiedlungsgenese er-bracht werden können.

Die Bearbeiter des Pro-jektes waren Jadwiga Pi-larska, M. A., Stadtplane-rin (Zeichnerische Doku-

mentation), Dipl.-Archäologe Zafer Görür (Fotodoku-mentation), Kevin Lynch M.A, Zbyszek Pilarski, Dipl.-Hist. Birol Koni (Bestandsaufnahmen) sowieDipl.-Ing. Karla Krieger (Projektleitung)

Abb. 1: Barock überformte Fassaden.Abb. 2: Oberamtsstraße 5. Aus der Flucht

abweichende Mauerzüge im zwei-geschossigen Keller.

Abb. 3: Oberamtsstraße 2. In abweichenderFlucht überformte Baureste.

ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG ELLWANGEN

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In Zusammenarbeit des LandesdenkmalamtesBaden - Württemberg mit der Stadt Ellwangen ander Jagst wurde in den Jahren 1994/ 1995 ein„Denkmalpflegerischer Fachplan“ aufgestellt. Die-ser Plan dient zum einen der Feststellung desDenkmalwertes einzelner Gebäude und zum ande-ren der Aufarbeitung und Bereitstellung der örtli-chen Baugeschichte.

Zu diesem Zweck wurde seitens des Landes-denkmalamtes eine sehr umfangreiche Sichtung al-ler bauhistorisch relevanten Archivmaterialien or-ganisiert. Anschließend wurden die Gebäude mehr-fach besichtigt. Während die Begutachtung desaufgehenden Baubestandes und der Dachstühle(Dendrochronologische Datierung) von Mitarbei-tern des Landesdenkmalamtes vorgenommen wur-de, erfolgte die Bestandsaufnahme der insgesamt99 umfangreichen, oft mehrteiligen Kelleranlagendurch Mitarbeiter der Fachhochschule Köln/ Insti-tut für bauhistorische Untersuchungen (IBU e.V.).

Die Auswahl der Stadt Ellwangen als Pilotstadtfür den Denkmalpflegerischen Fachplan erfolgtenicht zufällig, handelt es sich doch im Kern um eine

karolingische Klostergrün-dung aus dem 9. Jh., diezu einer bedeutendenReichsabtei aufstieg. EineBlütezeit des Klosters Ell-wangen lag im ausgehen-den 12. Jh. In dieser Zeitwurde die erste Burg unddas heutige Münster er-richtet. Seit der 1. Hälftedes 12. Jahrhunderts warbereits eine planmäßigeSiedlung innerhalb desummauerten Klosterbezir-kes angelegt worden. Im13. Jh. wurde Ellwangenunter Einbeziehung einerdörflichen Siedlung erwei-tert. Im Barock erlebte die

Stadt eine planmäßige Überformung durch zahlrei-che Neu- und Umbauten, einhergehend mit einerAngleichung von Baufluchten und einer partiellenVeränderung der Parzellenstruktur. Von diesenUmstrukturierungen des Stadtgrundrisses warendie Keller jedoch nur bedingt betroffen. So habensich in den Kellern nachweislich Baureste undStadtstrukturen des Mittelalters in nicht unbe-trächtlichem Umfang erhalten, die von den Be-arbeitern der Fachhochschule Köln zeichnerisch(CAD) und fotografisch dokumentiert wurden.

Mit Spannung erwartet wurden die Ergebnisseder Untersuchung des Gebäudes Oberamtsstraße5, in dem die alte Ummauerung des Klosterbezir-kes vermutet und in der Rückfront des Gebäudesauch lokalisiert werden konnte. Zudem trat im Fuß-boden und Sockelbereich des Kellers ein Mauerzugzu Tage, welcher eine deutlich abweichendeFluchtrichtung aufwies und somit einem entspre-chend älteren Gebäude zugeordnet werden muss.

Eine solche Fluchtabweichung ungeklärten Ur-sprunges zeigt auch der Keller des gegenüberlie-genden Gebäudes Oberamtsstraße 2, welches kei-

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ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG ELLWANGEN

Ellwangen – Barocke Überformung einer mittelalterlichen Stadt

Dipl.-Ing. Karla Krieger

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diversen Inventarver-zeichnissen war es insbe-sondere eine Skizze (ausderselben Zeit) der Be-festigung zu Freudenbergaus dem KriegstagebuchGraf Johanns des Mittle-ren. Auf dieser Skizze bil-det das Schloss ein unre-gelmäßiges Rechteck,das sich im Süden (bzw.Südwesten) des Burgbe-reichs befand. DieseSkizze war auch dieGrundlage für weiterfüh-rende Überlegungen zurSiedlungsgenese und zurBefestigung von Freuden-berg.

Die Beschreibung derBefestigung, die Skizze aus demKriegstagebuch, und die Inventa-rien bildeten also unsere zuverläs-sigsten Anhaltspunkte. Vielschwieriger zu deuten war die ein-zige mögliche bildliche Darstel-lung des Schlosses, ein Kupfer-stich von Merian, z.B. abgebildet in „MeisnersSchatzkästlein“ von 1624. Es ist zu Recht bestrit-ten worden, dass er Freudenberg am Main, wieso lange angenommen wurde, darstellt – in deroriginalen Ausführung des Kupferstiches fehlendie später hinzugefügten Wörter „am Main“, undFreudenberg am Main weist keine Ähnlichkeit mitder Darstellung von Merian auf. Ob es sich jedochum Freudenberg im Siegerland handelt, konntevon uns nicht geklärt werden, obwohl eine diesbe-zügliche positive Bestätigung ein Hauptwunschder örtlichen Heimatforschung war. Weder lässtsich der Kupferstich mit dem heutigen Aussehenvon Freudenberg in Übereinstimmung bringen,noch passt etwas zu dem Wenigen, das wir überdie ursprüngliche Befestigungsanlage wissen. Esfehlt der nachgewiesene runde Wehrturm, derheutige Kirchturm. Das abgebildete Schlossscheint viel größer als das Gebäude, dessen Räu-me in den Inventarien aufgeführt wurden, viel grö-ßer auch als der Umriss auf der Befestigungs-skizze.

Eine Beson-derheit in Freu-denberg ist, wiebereits angedeu-tet, die Pfarr-kirche. Ihr Turmist ein erhöhter

Wehrturm der Burganlage. Im unverputzten In-neren des Turmes waren sowohl die Schießschar-ten als auch eine urkundlich erwähnte Erhöhungsehr klar zu erkennen.

Am 9. September 1796 kam es in Freudenbergzum Überfall auf einen Kriegsgeldtransport derfranzösischen Armee, der Gegenstand zahlreicherVeröffentlichungen wurde und als „FreudenbergerKassenraub“ in die Ortsgeschichte einging. Dergeraubte Gesamtbetrag konnte nie genau festge-stellt werden, doch wurden einzelne Münzen inKellern des Fleckens gefunden. Dieses Ereignis istbis heute in den Erzählungen der FreudenbergerBürger sehr lebendig. Überlegungen, die denGrund für die umfangreichen Kellerinstandsetzun-gen auf dieses Ereignis zurückführen, entsprechenallerdings wohl nicht ganz der Realität.

Abb. 1: LuftbildAbb. 2 und 3: Ansicht und Grundriss

der Pfarrkirche

ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG FREUDENBERG

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Das in touristischenPublikationen sehr häufigverwendete Stadtpanora-ma von Freudenberg mitseinen sich am Hang re-gelmäßig aneinanderrei-henden Fachwerkhäusernhaben diesen alten „Fle-cken“ zum volkstümlichenInbegriff einer typischensiegerländischen altenFachwerkstadt werden las-sen. Entsprechend großwar unsere Vorfreude En-de 1992 auf eventuellebauliche Besonderheitenin den Kellern des altenSiedlungskerns. Dass wirdann eine erstaunlicheDominanz moderner Bau-stoffe antrafen, ist wohldamit zu erklären, dassdie Sanierungen bereits ineiner für derartige Vorhaben recht frühen Zeitbegannen. Der gesamte „Alte Flecken“ wurde be-reits 1966 Baudenkmal laut Kulturatlas NRW, zueiner Zeit also, als an die Denkmalschutzgesetzeder Bundesländer noch nicht zu denken war.

Freudenberg liegt in dem zum Rechtsrheini-schen Schiefergebirge gehörenden Siegerland aneinem größeren Seitental der Sieg. Als Ortsnamekommt Freudenberg in mehreren Gebieten vor undist wohl teilweise in der Tat von dem Wort Freudeabzuleiten. Dies ist für das hier betrachtete Freu-denberg jedoch sehr unwahrscheinlich. Vielmehrist der erste Namensteil sicherlich abzuleiten vondem altsprachlichen Ausdruck „frith“ oder „vreide“,aus denen z.B. auch in abgewandelter Form derBegriff „Bergfried“ entstand. Hinzu kommt, dass inder plattdeutschen Mundart „ei“ dem hochdeut-schen „eu“ entspricht. Freudenberg bedeutet mithoher Wahrscheinlichkeit „Berg mit eingegrenztem(Burg)-Bereich“. Aus einer auf das Siegerland be-

züglichen Urkunde von 1345 ergibt sich, dass derBegriff "Burgvreide" eine damals übliche Bezeich-nung für den in Frage kommenden Sachverhalt war.

Vom Schloss sind keine baulichen Überreste er-halten, auch ist dessen ehemaliges Aussehen nichtbekannt, obwohl vor 1927 und zwischen Februarund Mai 1933 offensichtlich recht erfolgreicheSondierungen durchgeführt wurden. In einem Auf-satz über die Burg Freudenberg (Heimatland1927) wird berichtet: „Heute befinden sich aufdem Schlossplatz unter dem Rasen nur noch Mau-erreste, aus denen man den Grundriss desSchlosses feststellen kann, wie es bei Ausgrabun-gen geschehen ist". Alle nützlichen Pläne aus die-ser Zeit sind jedoch verschwunden und wir konntennicht genau ermitteln, wo sich das Schloss undseine Nebengebäude sowie die Teile der Wehran-lage befanden. Die jüngsten gesicherten Quellenzum Schloss stammen somit lediglich aus dem 16.Jahrhundert. Neben einer Beschreibung und neben

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ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG FREUDENBERG

Archäologische Bestandserhebung in Freudenberg

Dipl.-Ing. Ekkehard Kandler

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Erschlossen wurde dieAltstadt durch zwei We-ge, durch den „gemeinenWeg“ und den „Steinweg“,die beide in dem Rent- undLagerbuch erwähnt wer-den. Über den Verlauf desgemeinen Weges ist ledig-lich bekannt, dass er zueinem Wasserpfuhl führte,der mit der heutigen Senkein der Mitte der Altstadtidentisch sein könnte. DerSteinweg stellte nach dervorbenannten Beschrei-bung die direkte Verbin-dung zwischen dem Gra-benturm, der als Torturmder Altstadt diente, unddem Burgtor dar. Weiter-hin waren die Flächen bei-derseits des Weges früherbebaut.

Da der Weg heute ent-sprechend gültiger Inter-pretation die südwestlicheBegrenzung der Altstadtbildet, eine Bebauung bei-derseits des Weges alsonicht denkbar wäre, sindwir zu der Erkenntnis ge-kommen, dass die Alt-stadt in diesem Bereichgrößer gewesen seinmuss (Abb.), die Flächeaber hier durch den mo-dernen Straßenbau erheb-lich verändert wurde, sodass dies heute an der To-pografie nicht mehr ables-bar erscheint. Wesentlichgestützt wird diese Thesedurch die Form des Torturmes der Altstadt, derein nach hinten offener „Schalenturm“ ist, demzu-folge niemals ein Eckturm gewesen sein kann,sowie durch die Flurbezeichnung „Teche-Graben“oder „Feche-Graben“ im Urkataster westlich desTores, was deutlich für eine ursprüngliche Fortset-zung des Grabens in dieser Richtung spricht.

Eingang in die Literatur hat diese plausible The-se, dass die Altstadt im Westen größer gewesensein muss, bisher nicht gefunden.

Abb.: Historischer Grundriss von Blankenberg aus dem 19. Jahrhundert.

ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG BLANKENBERG

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„Stadt Blankenberg“ war eine der drei Modell-städte zu Beginn des Untersuchungsprogramms„Archäologische Bestandserhebung in NRW“, dieim Jahre 1991 Arbeitsgegenstand für uns war.

Auf dem linken Ufer der Sieg rund 14 km ober-halb von Siegburg liegen Burg und Stadt Blanken-berg. Die urkundlich erstmals 1181 erwähnte BurgBlankenberg wurde auf dem äußersten Punkt eineszur Sieg hin auslaufenden Bergsporns errichtet.Auf diesem Höhenrücken schließen sich gewisser-maßen „aufgereiht“ die Vorburg, die Altstadt unddie Neustadt an (Abb.). Während zwischen derBurg mit 147 m ü. NN und der Altstadt, die rund150 m ü. NN liegt, ein verhältnismäßig geringerHöhenunterschied besteht, steigt dem gegenüberdas von der Neustadt eingenommene Areal von150 m ü. NN auf 170 m ü. NN im Bereich der Kir-che an. Hier musste mit erheblichem Aufwand eineVerteidigungslinie gegenüber dem weiter anstei-genden südlichen Außengelände geschaffen wer-den, die in dem großen Halsgraben und den Restender Stadtmauer heute noch nachvollziehbar ist.

Der erste Teil des Namens Blankenberg weistbereits darauf hin, dass auch dieser Höhenrückenzur Zeit der aktiven Nutzung der Burganlage im ei-gentlichen Sinne unbewaldet gewesen war. Er wirdhergeleitet vom Althochdeutschen planck, blanck inder Bedeutung von blinken. Umstritten ist dabeijedoch, ob sich „blank“ auf den Berg oder die weißgetünchte Burg bezieht, die weithin sichtbar aufdem Berg lag (Fischer 1970). Zu bedenken ist da-bei allerdings, dass die älteste Nennung Blanken-bergs nicht im Zusammenhang mit der Burg er-folgte, sondern in Zusammenhang mit einem Hof.

Ein Stadtprivileg von 1245 ist das erste schrift-liche Zeugnis für eine Siedlung Blankenberg, dienach 1245 als „oppidum“ bzw. „stat“ bezeichnetwird. Die Grenzen des städtischen Rechtsbereichswerden in dieser Erhebungsurkunde allerdingsnicht exakt definiert. Sie werden aber weitgehend,vielleicht mit Abweichungen im Bereich der Kirche,

mit den zwei Siedlungskernen Alt- und Neustadtgleichgesetzt.

Eine klare Unterscheidung zwischen Alt- undNeustadt wird erstmals in einem Rent- und Lager-buch, das in den Jahren 1643-1645 aufgestelltwurde, aktenkundig, obwohl die Bezeichnung „alteStadt“ schon im 16. Jahrhundert bekannt war.

Neben der ursprünglich wohl aus einer Burg-siedlung erwachsenen Altstadt gab es also einenzweiten Siedlungsbereich, die Neustadt. Bei die-sem Siedlungskomplex wurde außerdem noch zwi-schen der Unter- und der Oberstadt differenziert.Die Grenze bildeten die Renteigasse und die Ger-berstraße, was auch der markanten Topografieentspricht

Eine Besonderheit in Blankenberg bestand nundarin, dass die Altstadt wüst gefallen ist, womitder gewachsene Zusammenhang zwischen Burgund Neustadt auf den ersten Blick nicht mehr zuerkennen ist. Der Zeitpunkt des Wüstfallens diesesSiedlungsteiles ist nicht überliefert, auch sind dieGründe dafür nicht bekannt. Ein kausaler Zusam-menhang zwischen überlieferten Stadtbränden(1506, 1526, 1566) oder dem Ausbruch der Pestund dem Wüstfallen der Altstadt kann jedenfallsnicht hergestellt werden. Immerhin ist wohl über-liefert, dass der Landesherr die wüst gefallenenPlätze eingezogen hat. Hierin könnte sich auch einemilitärisch bedingte zielgerichtete Maßnahme desLandesherrn erkennen lassen, da mit dem Aufkom-men der Feuerwaffen ein freies Schussfeld günsti-gere Verteidigungsmöglichkeiten erwarten ließ.

Die „Altstadt“ präsentiert sich heute also ledig-lich als große Wiese, womit dieser Bereich einewesentliche Voraussetzung für die Einstufung alsBodendenkmal erfüllt, zumal Bebauungen in jünge-rer Zeit offenbar ausblieben. Zielgerichtete archäo-logische Untersuchungen erfolgten bisher nicht, sodass sich Erkenntnisse zur „innerstädtischen´“Struktur auf Schriftquellen beschränken.

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ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG BLANKENBERG

Archäologische Bestandserhebung in Stadt Blankenberg

Dipl.-Ing. Ekkehard Kandler

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Eintrag konnte mit den Daten von 2000 präzisiertwerden: Heiersstraße 41, Flur 9, Flurstück 45 undist damit geografisch genau verortbar. Dennochsollten die alten Angaben nicht unterschlagen wer-den, denn es könnte eine zweite Angabe auftauchen„Heiersstraße neben Hörling“ o.ä. Mittels der Da-tenbank ließe sich dann der Eintrag leicht heraus-filtern. Außerdem können immer noch Unterlagen,Fundkisten oder Funde auftauchen, die eventuellnur mit dem damaligen Grabungsnamen (also oftder alte oder zukünftige Hausbesitzer) beschriftetsind. Sehr wichtig sind auch die Angaben von Gra-bungsjahr und Ausgräber, um Verwechslungen zwi-schen verschiedenen Kampagnen zu vermeiden.

Im Allgemeinen erscheinen 70 Jahre Stadtar-chäologie in Paderborn wie ein undurchdringlichesDickicht. Sie werden beherrscht von dem manch-mal fast übermenschlichen Einsatz Einzelner, dermindestens in gleicher Intensität geschwächt wird.Wodurch? In der Hauptsache dadurch, dass in allder Zeit niemand existierte, der sich über mehre-re Jahre hauptberuflich der Archäologie in Pader-born widmen konnte. Entweder gab es privates En-gagement nach Feierabend und amWochenende, oder eine projektbezoge-ne Beschäftigung und die nur solangedie Ausgrabung vor Ort lief und nichtetwa für eine Aufarbeitung. Oderjemand musste sich neben vielen an-deren Aufgaben zusätzlich um dieStadtarchäologie kümmern. Nicht nurdie Bautätigkeit der letzten Jahre son-dern auch die Ergebnisse der Archäo-logischen Bestandserhebung machendeutlich, dass das für Paderborn mitseinem geschichtsträchtigen Bodennicht ausreicht. Von den etwa 900Grundstücken in der Innenstadt gibt esüber 400 archäologische Beobachtun-gen. Ihre Kartierung zeigt, dass sichkein Bereich ausnehmen lässt. Nichteinmal große moderne Keller lassenden Schluss zu, hier sei für die Archäo-logie nichts mehr zu untersuchen, wiedie Tiefe von 7 Metern bei Fundstelle203 im Kötterhagen oder der reicheBefund unter den Sparkassenkellernim Schildern (Fundstelle 210) in letz-ter Zeit gezeigt haben.

Dennoch unterstützt die Kellerbegehung denSchluss, den man für Paderborn ziehen muss. Überder Stadt schwebt immer noch ein wenig der Fa-talismus der letzten Kriegstage als 86 % der Ge-bäude schwer beschädigt oder zerstört waren.Hartnäckig hat sich der Eindruck festgesetzt, da-mit wäre bis auf wenige Kirchen, das Rathaus unddie Pfalz die materielle Geschichte beseitigt wor-den. Die Begehung der einzelnen Keller im Stadt-kern hat aber ganz im Gegenteil viele unentdeckteSchätze ergeben. Wunderschöne Konstruktionen,von denen einige wohl bis in die Gotik zurückreichen,schlummern unter oft wenig ansehnlichen Häusernder 50er Jahre einen Dornröschenschlaf. Die ar-chäologischen Kleinodien kann man nur durch Aus-grabungen optisch erfassen. Beide Untersuchungenzusammen zeigen aber eindrücklich, dass Pader-borns Boden ein reiches Vorkommen an wertvollenhistorischen Dokumenten birgt.

Abb. 1: Merian Stich von PaderbornAbb. 2: Handskizze zu einem archäologischen

Befund aus Paderborn

ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG PADERBORN

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Bei den Vorüberlegungen zum Projekt „Archäo-logische Bestandserhebung Paderborn“ wurde derAufwand kalkuliert, den es bedürfte, alle Paderbor-ner Altgrabungen zu erfassen. Man ging dabei von220 bis höchstens 250 Fundstellen aus. Aus-gangspunkt war die genaue Aufzählung von Ober-baurat Dr. Bernhard Ortmann jeder noch so kleinenBaustellenbeobachtung. Er erstellte eine Liste von170 Fundstellen, die im wesentlichen von 1933 bis1959 zutage getreten sind. In einem Katasterplander Innenstadt im Maßstab 1 : 25.000 kartierte erdie Punkte mit sauberen, kleinen roten Zahlen.Teilweise trug er auch mit Strichen die Lage undGröße von Profilen und Flächen ein.

Nachdem Ortmann 1950 beruflich nach Essengewechselt hatte, konnte er Baustellen lediglicham Wochenende beobachten. Das Landesmuseumfür Vor- und Frühgeschichte musste nun für einzel-ne wichtige Grabungen Personal von Münster bzw.Bielefeld entsenden. Naturgemäß wurden nun vielseltener Beobachtungen in Paderborn gemacht undaufgezeichnet. Zu Beginn der Neuaufnahme derFundstellen im Jahr 2000 ging man von diesen170 Fundpunkten aus, addierte die 13 Grabungender seit 1994 wieder kontinuierlich betriebenenstadtarchäologische Tätigkeit und schätzte denRest.

Vor der Komplexität der Paderborner Vergan-genheit und dem Nicht-Vergleichen-Können mit an-deren Städten, was den Aufwand für eine Bestands-erhebung betrifft, haben Kenner der Materie ge-warnt. Nicht vorhersehbar war, dass mit dem Ab-leben von Prof. Winkelmann umfangreiches Materi-al aus seinen Büroräumen zum Vorschein kommenwürde. So fanden sich dort die Aufzeichnungen Kes-selmeiers, der allein weitere 130 Beobachtungenkatalogisiert hatte. Winkelmann seinerseits hattenicht nur die Ordner Kesselmeiers relativ unzu-gänglich verwahrt, sondern auch die ihm „interes-sant“ erscheinenden Blätter aus der akribischenSammlung entnommen.

Nach Abschluss der Aufnahme stellte sich her-aus, dass man auf nicht weniger als zwölf verschie-dene Fundstellen- bzw. Fundinventare zurückgreifenkonnte oder musste. Sie sind, wie die einzelnenBeobachtungen auch, von sehr unterschiedlicherQualität. Mit dem für Paderborn neu konzipiertenDatenaufnahmeformular wurde diesen SchwächenRechnung getragen. Das heißt, durch eine Vielzahlvon Möglichkeiten, alte Angaben zu übernehmen,sollte keine Information verloren gehen. Zum Bei-spiel Fundstellennummer 162. Als Adresse gabOrtmann hier „Postzweigstelle Heiersstraße, Teget-hoff und Hörling“ an – wohlgemerkt 1953. Der

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ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG PADERBORN

Archäologische Bestandserhebung in Padernborn

Marianne Moser, M. A.

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hofes ist nichts bekannt. Vermutet wird der Be-reich des Kirchhofes, der höchste Punkt im Ort,aber auch das Gelände der späteren Burg ist denk-bar.

Die Errichtung der ersten Burg 1257, also über200 Jahre nach der urkundlichen Ersterwähnung,und die damit verbundene Verlegung der Residenznach Neuhaus, war das eigentliche entscheidendeEreignis für die weitere Entwicklung von Neuhauszum Flecken oder zur sogenannten „Minderstadt“.Diese erste Burg war offensichtlich noch nicht sehrstark befestigt, denn nach einer Überlieferung desChronisten Gobelinus Person berannten die Pa-derborner Bürger wohl in der Fehde vor 1286 dieBurg Neuhaus. Nach ihrer Einnahme wurde dieBurg angezündet. Während die Paderborner be-gannen, die Gräben um die Burg einzuebnen, wur-den sie von Truppen des Bischofs überrascht underlitten eine empfindliche Niederlage.

Die ältesten im heutigen Schloss noch erhalte-nen baulichen Überreste eines mittelalterlichen go-tischen Wohnturmes stammen aus dem Jahre1370. Das sogenannte „Haus Spiegel“ wurde in diespätere Vierflügelanlage integriert (Westflügel)und überragte die anderen Gebäudeteile mit sei-nem dritten Geschoss, bis dieses bei einem Um-bau 1881/82 abgerissen wurde. Die Lage derBurg im Bereich des heutigen Schlosses ist dem-zufolge erst für das 14. Jahrhundert gesichert,aber für die Anlage des 13. Jahrhunderts sehrwahrscheinlich.

Auf die weitere Bauabfolge des Schlosses sollhier im Detail nicht weiter eingegangen werden.Die Vollendung zur regelmäßigen Vierflügelanlageerfolgte erst unter der Regierung Dietrichs vonFürstenberg (1585-1618). Er lässt den fehlendenNordflügel errichten und verbindet diesen durchZwischenbauten mit den bestehenden Flügeln imWesten und Osten. Markante Bauteile sind weiter-hin die vier runden Ecktürme, die Fürstenberg er-richten ließ. Die Anlage des rechteckigen Wasser-grabens (Gräfte), wie er in einem 1797 nachge-zeichnetem Plan von 1675 überliefet ist, ist si-cherlich auf diese Baumaßnahmen unter BischofDietrich von Fürstenberg zurückzuführen. Als Be-sonderheit für Schloss Neuhaus ist die barockeUmgestaltung der Gesamtanlage und hier insbe-

sondere die Umgestaltung der Freianlagen unterFürstbischof Clemens August von Bayern (1722-1754) anzusehen. Die Planungen für einen großzü-gigen Barockgarten sahen die Verlegung des Lippe-Flusses vor, um ausreichend Fläche zu erhalten.Für die Anlage des Gartens ließ Clemens Augustden berühmten Gärtner Hatzel aus Wien kommen.Bei der Realisierung der Barockanlage spielten for-tifikatorische Belange keine Rolle mehr.

Abb. 1 : Merian-Stich von dem Ort SchloßNeuhaus, gedruckt 1647.

Abb. 2: Stich der Barockgärten, die unterFürstbischof Clemens August von Bayern

zwischen 1722 und 1754 entstanden.

PADERBORN – SCHLOß NEUHAUS

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Der heute eingemeindete Ort Schloß Neuhausliegt etwa 4 Kilometer nördlich von Paderborn ent-fernt. Die Geschichte des Fleckens ist untrennbarmit der Stadt Paderborn verbunden. Die Archäo-logische Bestandserhebung von Paderborn und vonSchloß Neuhaus wurde daher auch als ein gemein-sames Projekt initiiert, das seit Ende 2000 bear-beitet wird.

Seine Bedeutung als Residenz verdankt SchloßNeuhaus dem nicht ungewöhnlichen Streit einesLandesherrn mit der Bürgerschaft seiner Haupt-stadt im 13. Jahrhundert, im konkreten Fall demStreit zwischen Bischof Simon I. zur Lippe (1247-1277) und dem erstarkten und selbstbewusstenBürgertum von Paderborn. Simon I. erwirkte beiPapst Alexander IV. das Recht zur Errichtung vonBurgen und Befestigungen. Nach erfolgter Geneh-migung im Jahre 1257 begann der Bischof mitdem Bau einer ersten Burganlage. Das Aussehendieser Burg ist nicht bekannt. Sie wird mit hoherWahrscheinlichkeit im Bereich des heutigenSchlosses gelegen haben, geschützt durch denZusammenfluss von Alme und Lippe, die hier eine

Art Halbinsel bilden. Da-mit verbunden war dieVerlegung des Wohnsit-zes heraus aus derHauptstadt. Die Dom-stadt Paderborn verlordamit ihre Funktion alsResidenz.

Bedeutsam ist dieErlangung des Befesti-gungsrechts auch in Hin-sicht auf die Diskussiondes Alters von Stadtbe-festigungen im Paderbor-ner Land allgemein, soz.B. in Warburg. Das Jahr1257 kann auf Grund derVerlegung der Residenzals Gründungsdatum des

Fleckens Schloß Neuhaus angesehen werden. Einbischöflicher Haupthof Neuhaus wird aber bereitsfür das Jahr 1016 erwähnt. Abt Konrad von Ab-dinghof nennt um 1160 diesen in der von ihm ver-fassten Vita des Bischofs Meinwerk. Der Haupthofwar zu jenem Zeitpunkt Erbgut der Familie der Im-mendinger, aus der Meinwerk stammte. Die VitaMeinwerks gilt jedoch nicht als urkundlicher Beleg,da sie erst reichlich 100 Jahre nach dem Tod desBischof verfasst wurde.

Als urkundliche Ersterwähnung und somit alsEintritt in die geschriebene Geschichte gilt dieGründungsurkunde des Busdorfstiftes zu Pader-born im Jahre 1036. Bischof Meinwerk stattetekurz vor seinem Tod das neu gegründete Stift St.Petrus und Andreas (Busdorf) mit dem „Zehnten“der Haupthöfe einer Reihe von Ortschaften aus,darunter auch der bischöfliche Haupthof Neuhausund die vier dazu gehörigen Vorwerke Elsen,Ascha, Burch und Thune. Dieses „Nyenhus“ istebenso wie das in Paderborn nachgewiesene„Enenhues“ auf eine fränkische Namensgebung zu-rückzuführen. Über die ehemalige Lage des Haupt-

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PADERBORN – SCHLOß NEUHAUS

Paderborn – Schloß Neuhaus

Dipl.-Ing. Ekkehard Kandler

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ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG WIEDENBRÜCK

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Die Stadt Wiedenbrück entwickelte sich aneiner Emsfurt, die vermutlich bereits in vorge-schichtlicher Zeit als solche genutzt wurde.Geschützt in der Flussniederung entstand ein er-ster Siedlungskern auf dem Kirchhügel. Ausgra-bungen haben früheste Besiedelungsspuren ausdem späten 9.Jh. ergeben. In diesem Zusammen-hang taucht bereits die erste bislang ungelösteFrage zur Stadtgeschichte auf. Da die Kirche St. Ägidius zu den karolingischen Urpfarreien zählt,geht man davon aus, dass sie um 785 gegründetwurde. Wo liegt aber der Kirchenbau aus dieserZeit und wo die dazugehörige Siedlung?

Eine weitere Frage ist, warum an der „LangenBrücke“, dem eigentlich siedlungsbildenden Ele-ment des Ortes bisher noch keine Besiedlungs-spuren gefunden wurden; hat sich doch gerade indiesem Bereich um 1651 noch das alte Rathausbefunden. So legt es auch die Stadtansicht von Me-rian nahe, die, wie Ekkehard Kandler nachweisenkonnte, den tatsächlichen Gegebenheiten durchausentspricht und nicht wie in der örtlichen Forschungzeitweise vertreten, gespiegelt werden muss.

Im 12./ 13. Jh. wuchs die Stadt zunehmend.1249 erfolgte die Schenkung eines größerenGrundstückes, welches der Stadterweiterung dien-te. Wo dieses Grundstück lag und ob es sich dabeitatsächlich, wie oft vermutet, um einen Bereich derim Nordosten des Kirchhügels angesiedelten Neu-stadt handelt, ist eine weitere nicht geklärte Frage.

Die besondere Bedeutung von Wiedenbrück im13. Jh. (Burg, Gerichtsstätte, Marktplatz und Münz-stätte) lässt an die Errichtung einer Stadtmauer zudieser Zeit denken. Sie ist schriftlich allerdings erstfür das 15. Jh. belegt. Die Hoffnung, in einigen derKeller noch Stadtmauerreste zu entdecken, erfülltesich leider nicht. Die Mauer wurde vermutlich ir-gendwann systematisch abgeräumt.

Vom Reichtum der Stadt im 16./ 17. Jh. zeugendie beeindruckenden Fachwerkbauten entlang der

Lange Straße, die immer wieder gern als Postkar-tenmotiv Verwendung finden. Darüber wird gernvergessen, dass Wiedenbrück gerade in der Nach-kriegszeit überraschend viel von seiner histori-schen Bausubstanz verloren hat. Viele Wieden-brücker sind der Meinung in einer historischenStadt zu leben. Der Baualtersplan zeigt jedoch einanderes Bild, nämlich eine in weiten Teilen moder-ne Stadt des 20. Jh.. Zahlreiche Bauten und ar-chäologische Relikte fielen der Bautätigkeit unsen-sibler Investoren und Architekten zum Opfer. Durchdie Anlage großflächiger Keller und Tiefgaragen, oftohne entsprechende archäologische Begleitung,wurde das „Bodenarchiv“ der Stadt Wiedenbrückempfindlich gestört. Dabei lassen sich gerade inWiedenbrück die zahlreichen Fragen zur Stadtent-wicklung fast ausschließlich durch die Archäologieklären. Die Bearbeiter verbanden mit der Abgabedes Gutachtens die Hoffnung, dass es allen an derStadtplanung Beteiligten in Zukunft gelingt, dienoch verbliebenen Reste des Wiedenbrücker „Bo-denarchivs“ entsprechend ihrer Bedeutung zu be-rücksichtigen.

Das Gutachten für Wiedenbrück im Rahmen der„Archäologischen Bestandserhebung in NRW“wurde in den Jahren 2000/ 2001 durch dieBearbeiter Dipl.-Ing. Ekkehard Kandler, Kevin LynchM.A. und Dipl.-Ing. Karla Krieger erstellt. Die Ar-beiten erfolgten im Zusammenhang mit der geplan-ten Herausgabe des umfangreichen Wieden-brücker Häuserbuches von Josef Temme.

Abb. 1und 2: Ein indirekter Beweis für dieStadtmauer: Die Situation am Mühlenwall links

auf einem Gemälde des 19. Jhs, rechts ineinem Katasterausschnitt von 1867. Beide

zeigen die starken Strebepfeiler der altenStadtmauer. Über die schmale Parzelle „LangeStraße 29“ (rot markiert) könnte ehemals der

Zugang zur Stadt erfolgt sein. Abb. 3: Baualtersplan der Stadt Wiedenbrück.Blau gekennzeichnet sind die nach dem zweiten

Weltkrieg errichteten Gebäude.

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ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG WIEDENBRÜCK

Wiedenbrück – Tiefgaragen contra Mittelalter

Dipl.-Ing. Karla Krieger

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Im Jahr 2000 beauftragte das Rheinische Amtfür Bodendenkmalpflege des Landschaftsverban-des Rheinland die Fachhochschule Köln mit derDarstellung der mittelalterlichen StadtbefestigungWesel im heutigen Kataster.

Vor dem Ausbau zur neuzeitlichen Befestigungwar Wesel durch eine Mauer geschützt. Teile die-ser mittelalterlichen Stadtmauer sind heute an kei-ner Stelle mehr sichtbar. Allerdings sind Restedavon als archäologisch bedeutende Relikte im Bo-den zu erwarten. Durch Baumaßnahmen sind sieimmer wieder gefährdet. Zum Schutz der histori-schen Substanz sind daher detaillierte Kartierun-gen zur Lage erforderlich. Präzise Anhaltspunktezum Verlauf geben nur die wenigen Grabungsbe-

funde im Nordwestabschnitt. Daher bildeten diehistorischen Karten und Veduten die wesentlicheQuelle für die Rekonstruktion.

Dabei erwies sich neben dem Urkataster der1592 entstandene Entwurf Alessandro Pasqualinisfür die Neubefestigung der Rheinseite mit einerKartierung der vorgefundenen mittelalterlichenMauerzüge als recht genaue Wiedergabe der tat-sächlichen Verhältnisse. Dieser Pasqualini-Grund-riss, zur Deckung gebracht mit den archäologi-schen Befunden und mit der Lage des Fischtoresim Urkataster, präzisiert die Mauerdarstellungen inden Abbildungen von Mercator, Hammelmann u.a.Unmittelbar aus dem Urkataster konnte darüberhinaus die Lage des Flensgen- und des Viehtores

ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG WESEL

übertragen werden. Die Position des Brüner- unddes Dämmer-Tores in den Straßenläufen des Ur-katasters wurde mit Hilfe der Entfernungsangabenbei Martin Roelen „Studien zur Topografie und Be-völkerung Wesels im Spätmittelalter“ bestimmt.Der Verlauf der Mauern zwischen Altstadt undMathenavorstadt zeichnet sich auf großen Stre-cken noch im Urkataster ab. Ähnliches gilt für densüdlichen Mauerabschnitt der Mathenavorstadt.

Der Mauerverlauf auf der Nordseite der Vor-stadt orientiert sich in der Rekonstruktion konkretan der nördlichen Begrenzung der Neustraße. Fürdie Ostseite fehlen auf Grund der hier stattgefun-denen Eingriffe in die mittelalterliche Struktur plau-sible Bezugslinien.

Insgesamt gelang es im Rahmen des Projektes,für die Denkmalbehörden Karten zur Lage der Stadt-mauer zu entwickeln, die helfen, das archäologischePotential einer Parzelle sicherer einzuschätzen.

Abb. 1: Situation am FischtorAbb. 2: Auswertung der Pläne von Pasqualini

und MercatorAbb. 3: Situation am Dämmer-Tor

ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG WESEL

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Die Darstellung der mittelalterlichen Stadtbefestigung Wesel im heutigen Kataster

Jadwiga Pilarska, M. A., Stadtplanerin

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terunterstützte Entzerrungen historischer Plänezur Anpassung an die Gegebenheiten moderner Ka-tasterpläne.

Basis für die Kartierung der Festungsanlagenwar der digitalisierte Katasterplan der Stadt We-sel. Um möglichst viele Festpunkte für die „Einpas-sung“ der historischen Karten zu gewinnen, wurdenzunächst alle obertägig noch auszumachendenMauerreste der Festung erfasst und im Kataster-plan markiert. In einem weiteren Schritt übertrugman die erfassten Grabungsbefunde in den Katas-terplan. Auch wenn, wie üblich, die Festungsan-lagen in Wesel nicht vom Urkataster erfasst wur-den, so bietet sich doch durch dessen Transponie-rung in den modernen Katasterplan die Möglich-keit, eine große Anzahl zusätzlicher Fixpunkte undFixlinien mit vergleichswei-se großer Genauigkeit zuerhalten.

Da die historischenFestungsgrundrisse in Be-zug auf die dargestelltenLängen und Winkel zumTeil stark voneinander ab-weichen, wurde zunächstder Plan ermittelt, dersich noch am ehesten aufdie ober- und untertägigangetroffenen Festungs-mauern beziehen lässt.Dazu wurden alle Pläne ge-scannt und, soweit mög-lich, mit der bekanntenSubstanz zur Deckung ge-bracht. Leider erwiesensich dabei die den gesam-ten Befundbereich abdeckenden Pläne aus der Zeitvor der Reduzierung der Anlage durch Friedrichden Großen bestenfalls als eine grobe Annäherung.

Als wesentlich genauer zeigten sich Pläne ausder Zeit unmittelbar vor der Schleifung. Hier ließsich die gesamte Nordfront im Grundriß von 1880fast perfekt mit den Befundeintragungen im heuti-gen Katasterplan zur Deckung bringen. Entzerrun-gen waren nur noch in geringem Umfang erforder-lich. Bei einer solchen Übereinstimmung dürfen wirsicher sein, für den Nordabschnitt des letzten Bau-

zustandes der Festung das Ziel einer parzellen-scharfen Darstellung der im Boden noch zu erwar-tenden Mauerfunde erreicht zu haben.

Wie für die Nordfront, so erwies sich auch fürden Südabschnitt der Stadtbefestigung mit der Zi-tadelle der Plan von 1880 als die noch am ehestenzutreffende Darstellung. Er deckt sich bei nur ge-ringfügigen Entzerrungen sowohl mit den Baures-ten der Zitadelle als auch mit den umfangreichenGrabungsbefunden im Bereich des ehemaligen Ra-velins X. Hilfreich war hier zudem die Ermittlungvon Bastions- und Ravelinachsen auf Grund heuti-ger Parzellenstrukturen. Als recht komplex stelltsich die Situation im Bereich der zuletzt noch vor-handenen Lunette XXV dar. Hier überlagern sichVorwerke aus zwei Epochen.

Mit der vorliegenden lagerichtigen Darstellungder ehemaligen Festung im heutigen Kataster be-sitzt die Bodendenkmalpflege jetzt ein Instrument,mit dem sich Bauvorhaben in ihren möglichen Aus-wirkungen auf das Bodendenkmal konkret beurtei-len und gegebenenfalls durch Plankorrekturen un-nötige Substanzzerstörungen vermeiden lassen.Für die öffentlichen und privaten Bauherren ergibtsich eine deutlich größere Planungssicherheit mitverlässlicherer Kostenschätzung. Der Forschungstehen zudem nun verlässliche Pläne der ehemali-gen Festungsanlagen zur Verfügung.

Mit der Durchführung der Untersuchungen zurDarstellung der Festung Wesel im heutigen Katas-ter beauftragte das Rheinische Amt für Boden-denkmalpflege des Landschaftsverbandes Rhein-land die Fachhochschule Köln im Jahr 1999. 1679,nach längerem Erbfolgestreit, nahm Kurfürst Fried-rich Wilhelm von Brandenburg Wesel endgültig inBesitz. Er baute die Stadt zu einer der stärkstenFestungen in seinem Herrschaftsgebiet aus undbelegte sie mit einer entsprechend großen Garni-son. Er ordnete zudem auch noch den Bau der Zi-tadelle im Süden der Stadt an. Unter Friedrich Wil-helm I erreichte Wesel dann einen Ausbauzustand,der für eine wirksame Verteidigung eine Besatzungvon ca. 20.000 Soldaten erforderlich gemacht hät-te. Friedrich der Große ließ daher zur Reduzierungdes Truppenbedarfs die äußeren Werke wieder ein-ebnen bzw. im Sinne einer Vereinfachung überfor-men – was heute die Lesbarkeit der Bodenbefundenicht unbedingt erleichtert.

In Jahre 1886 beschloss man, die 200 Jahrealte Festung zu schleifen. Die Wälle und Bastionen

wurden zwischen 1890und 1895 bis auf Terrain-höhe eingeebnet; die mas-siven unterirdischen Bau-teile blieben – jetzt durchdie Verfüllung der Gräbengut geschützt – weitge-hend erhalten und stehenzum Teil noch bis kurz un-ter die Erdoberfläche an.Wie substanz- und damitressourcenschonend beider Schleifung verfahrenwurde, zeigt das heutigeKanalsystem an; auf einerLänge von mehr als vierKilometern besteht es ausvor der Grabenverfüllungüberwölbten einstigen Kü-netten. Unter den Bau-herren und Architekten

des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahr-hunderts waren sicher etliche, denen die Lage derFestungsreste noch bekannt war, und die deshalbihre Baukörper so anordneten, dass Mauerüber-schneidungen vermieden wurden. Diejenigen aber,deren Neubauvorhaben die alten Mauern ungewollttangierten, mussten sie unter großem Kostenauf-wand erst einmal beseitigen.

Um nun einerseits größere Planungssicherheitzu gewinnen und andererseits der Bodendenkmal-pflege bessere Möglichkeiten zu geben, Bauanfra-gen hinsichtlich ihrer eventuellen Auswirkungen aufdas Bodendenkmal Festung zu beurteilen und auchgegebenenfalls gezielt Grabungen vorschalten zukönnen, trug man sich schon seit längerem mitdem Gedanken, mit Hilfe des historischen Karten-materials die genaue Lage der im Boden noch zuerwartenden Bauteile in den heutigen Katasterplaneinzutragen – ein Unternehmen, das jeweils nur fürrecht kleine Teilbereiche und auch nur näherungs-weise realisiert werden konnte. Größeren Erfolg beivertretbarem Aufwand versprachen dann compu-

ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG WESEL

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ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG WESEL

Die Darstellung der Festung Wesel im heutigen Kataster

Jadwiga Pilarska, M. A., Stadtplanerin

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von Hand erfolgen konnte. Man entschloss sichdeshalb zur Einführung eines CAD-Systems. Eserwies sich als glücklicher Zufall, dass die am Pro-jekt beteiligten Schüler des Ausbildungsgangeszum „Denkmaltechnischen Assistenten“ an derBördeschule Soest unter der Leitung von AchimZickwolf, bereits mit dem CAD-Programm SPIRITin Grundzügen vertraut waren. So entschloss sichauch die Fachhochschule Köln dazu, dieses Pro-gramm einzusetzen.

Insgesamt 12 Schüler der Bördeschule warenim Rahmen der „Archäologischen Bestandserhe-bung“ an der Kellerbegehung beteiligt. Durch ver-schiedene Einführungsveranstaltungen und eine Ex-kursion nach Tecklenburg wurden sie intensiv mitden Inhalten und der Verfahrensweise des Projek-tes vertraut gemacht. Durch eine umfangreicheÖffentlichkeitsarbeit und Gespräche mit den Be-wohnern gelang es, nahezu 100% des Kellerbe-standes im Untersuchungsgebiet zu erfassen.

Erste Kartierungsarbeiten in SPIRIT wurden pa-rallel von einigen besonders engagierten Schülernder Bördeschule geleistet, dann auf Grund derkomplexen Anforderungen an der FH Köln zu Endegeführt. Gewisse Probleme bereitete zunächst dieOrganisation der Datenmenge, die vom Kreis Iser-lohn geliefert worden war. Durch tatkräftige Unter-stützung des SPIRIT-Distributors, der Firma AGMaus Herdecke, konnte aber bald eine bearbeitungs-fähige Struktur der Daten erreicht werden, sodasssowohl die Parzellen- und Gebäudestrukturen alsauch die Kanaltrassen digital verfügbar waren.

Die Bearbeiter wollten keine Abstriche an derzuvor erreichten Informationsdichte und der Dar-stellungsqualität hinnehmen, was durch umfangrei-che grafische Anpassungsarbeiten auch gelang.Durch den frei wählbaren Eingabemaßstab konntedie Darstellung der Kellergrundrisse nun mit be-merkenswerter Genauigkeit erfolgen. Originalaus-gabemaßstab ist 1:500. Ausschnittsvergrößerun-

gen oder auch Verkleine-rungen sind aber in jedembeliebigen Maßstab mög-lich.

Fünf wichtige Anforde-rungen wurden durch dieUmstellung auf das CAD-System erreicht:

1.Die Bearbeitung einer großen Menge vonVektordaten

2.Die Fortschreibung derDaten nach Abschluss des Projektes durch die Stadt

3.Eine maßstabs- und farbgetreue Vervielfäl- tigungsmöglichkeit in beliebiger Stückzahl

4.Die Überführung der Daten in eigene An-wendungen der Stadt (GIS-System)

5.Eine ansprechende undanschauliche Präsen-tation der gesammel-ten Daten

Die „Archäologische Bestandserhebung inNRW“ wurde von 1993 bis 1996 für die histori-sche Altstadt von Soest durchgeführt. Archäolo-gische Ausgrabungen weisen eine Besiedelung desSoester Stadtgebietes bereits vor ca. 6.000 Jah-ren durch Angehörige des Michelsberger Kultur-kreises nach. Ebenfalls auf dem Gebiet der Alt-stadt konnten überaus interessante Überreste ei-ner Sälzersiedlung des 6. Jahrhunderts n.Chr. auf-gedeckt werden.

Für den westfälischen Raum nahm Soest durchseine verkehrsgünstige Lage am Hellweg eine her-vorragende Stellung ein. Wirtschaftlichen Gewinnbrachten die umgebenden äußerst fruchtbaren Bö-

den der Soester Börde sowie die Holzbestände desnahen Sauerlandes und nicht zuletzt die Salzvor-kommen in Soest und Umgebung. Um 1180 wurdedie Stadtmauer in ihrer heutigen Ausdehnung er-richtet, die ein Gebiet von rund 100 ha umschließt.Der überdurchschnittlichen Bedeutung der Stadtim Mittelalter ist es zu verdanken, dass Soest mitüber 1.500 zu untersuchenden Gebäuden die weit-aus größte Stadt der „Archäologischen Bestands-erhebung in NRW“ wurde (zum Vergleich – Pader-born weist nur 900 Objekte auf).

Den Verantwortlichen des Projektes war schnellklar, dass die Kartierung der Kellerdaten, des Bau-alters und des Denkmälerbestandes nicht mehr

ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG SOEST

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ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG SOEST

Soest – Denkmalpflege auf dem Weg ins Computerzeitalter

Dipl.-Ing. Karla Krieger

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Im Frühjahr 1999 ergriff der Verein „Freundedes Archivs der Stadt Rheinbach e.V.“ die Initiative,um für den historischen Stadtkern der Stadt Rhein-bach ein Kellerkataster zu erstellen. Geleitet vomInteresse für das Stadtarchiv sowie die Stadtge-schichte und die Gegenwart, machte der Verein essich zur Aufgabe, ein Kataster zu erstellen, mitwelchem man beweisen könnte, wo sich in Rhein-bach weitere archäologisch interessante Bereichebefinden, die man bei der Stadtentwicklungspla-nung berücksichtigen sollte. In den Jahren 1999-2002 erfolgte die Bestandsaufnahme der Kellerim Ortskern durch Mitglieder des Vereins. Es wur-den Aufmaße, Zeichnungen, Fotos und Beschrei-bungen für jeden Keller angefertigt.

Diese sehr sorgfältig und vollständig durchge-führte Arbeit erwies sich bereits als bedeutenderBaustein einer umfassenden „Archäologischen Be-standserhebung“. Ziel war auch für diesen Stadt-

kern, eine Übersichtskarte zum „untertägigen“Baubestand anzufertigen. Hierzu war eine entspre-chende CAD-Ausstattung erforderlich. Aus diesemGrund beauftragte das Rheinische Amt für Boden-denkmalpflege des Landschaftsverbandes Rhein-land im Jahr 2002 die Fakultät für Architektur derFH Köln mit der Zusammenführung der Ergebnisseund der Anfertigung der thematischen Karten.

Neben der kartografischen Aufarbeitung der vomVerein vorgelegten Materialien galt es, das histori-sche Planmaterial, hier insbesondere das preußi-sche Urkataster, auszuwerten und auf das heutige,digitale Kataster zu übertragen. Zur vollständigenDarstellung der Eingriffskartierung im Ortskern,wurden von der Stadtverwaltung Pläne mit Kanal-trassen zur Verfügung gestellt.

Im Herbst 2002 wurde die gemeinsame Arbeitdem Bürgermeister der Stadt Rheinbach übergeben.

ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG RHEINBACH

Während der Projektlaufzeit konnte die StadtSoest das Geografische Informationssystem (GIS)Arc-View einführen. Vor der Übergabe an die Stadtwurden deshalb die Daten für die Übertragung indas GIS System aufbereitet. Dieses GIS-Systemwurde inzwischen mit weiteren denkmalrechtlichenund bauhistorischen Informationen „gefüttert“, sodass die verantwortlichen Mitarbeiter der UnterenDenkmalbehörde, des Planungsamtes und derStadtarchäologie nun in der Lage sind „auf Knopf-druck“ sämtliche für die Stadtplanung und die Bau-und Bodendenkmalpflege relevanten Daten abrufenzu können.

Derzeit ist die Stadt Soest dabei, das compu-tergestützte Info-System auf GIS-Basis zu erwei-tern, um bei Eingang eines Bauantrages sämtlicheInformationen zum Denkmal wie Baualter, Lage-

plan, Begründung, Fördermaßnahmenund Fotos abrufen zu können. Zudemist durch die Visualisierung des Denk-malbestandes auf dem Bildschirm derbei Neubaumaßnahmen früher oft ver-nachlässigte Umgebungsschutz einesDenkmals gewährleistet.

Die Einführung der computerge-stützten Kartierung bau- und boden-denkmalpflegerisch relevanter Datenund die Erstellung entsprechenderthematischer Karten wurde seit derEinführung des CAD-Systems SPIRITan der Fachhochschule Köln im Fach-bereich Architektur/ Lehrgebiet Bau-denkmalpflege unter der Leitung vonProf. Dr. Jürgen Eberhardt beständigverbessert und ausgebaut. Mittler-weile wird zur Erstellung von Denkmal-bereichssatzungen und Denkmalpfle-geplänen sowie der Erstellung von 3D-Anwendungen auch das ProgrammAutocad eingesetzt. Die Aufbereitungund Darstellung verschiedener Datenerfolgt durch grafische Programmewie Adobe Photoshop oder AdobeIllustrator. Zur Gebäudevermessungwerden anspruchsvolle fotogrammetri-sche Programme genutzt wie dasSystem Rolleimetric und Vitruvius.

Abb.1: Die Stadt Soest verfügt über einengroßen Denkmälerbestand. Allein innerhalb der

mittelalterlichen Stadtmauern befinden sich570 eingetragene Baudenkmäler.

Abb. 2: Die Eingriffskartierung per CAD bringteine deutlich verbesserte grafische Darstellungmit sich und macht die Daten für verschiedene

Anwendungen verfügbar. Auch dieFortschreibung der Daten ist gesichert.

Abb. 3: Der obertätige Baubestand ist nichtimmer identisch mit dem Untergrund einer

Stadt. Unter banalen Neubauten derNachkriegszeit verbirgt sich nicht selten alte

Bausubstanz. Der per CAD erstellte „unterirdische“ Stadtplan gibt Aufschluss über

historische Strukturen im Boden.

ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG SOEST

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Das Rheinbacher Kellerkataster

Jadwiga Pilarska, M. A., Stadtplanerin

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kunft in vielen Fällen einzelnen Gebäuden und Bau-phasen zugeordnet werden. Zu erwarten ist vor al-lem auch die Auffindung von Kelleranlagen der altenBurggebäude. Dies muss vor einer wie auch immergearteten Baumaßnahme beachtet werden.

Im Bereich der historischen Altstadt konnten imZuge der systematischen Erfassung der Keller in-teressante Beobachtungen gemacht und in Bezie-hung zu bereits erfolgten archäologischen oder ar-chivalischen Untersuchungen gesetzt werden.

Die Altstadt als suburbium zur Burg wird 1226erstmals erwähnt. Die Stadtmauer dürfte mindes-tens seit 1320 vorhanden gewesen sein. Sie um-schloss teils unter Ausnutzung eines natürlichenGeländeabfalles das in zwei Ebenen angelegte kreis-förmige Plateau der Altstadt und ist heute nurnoch in Resten zu erkennen. Sie ist vor allem dorterhalten, wo sie in Neubauten des 16./17. Jahr-hunderts integriert wurde (Im Grund 5, 8; Markt 6u.a.). Im 16. Jahrhundert dürfte sie endgültig ihrewehrtechnische Funktion verloren haben.

Die heutige Bebauung des Altstadtareals zeigtin weiten Teilen keine mittelalterliche Parzellen-struktur mehr. Da eine großflächige Zerstörung derAltstadt durch Feuer archivalisch und archäolo-gisch nicht nachgewiesen ist, kann man davon aus-gehen, dass die Stadt planmäßig umgestaltet wur-de, vermutlich aus Anlass fortifikatorischer Not-wendigkeiten. So deutet einiges darauf hin, dass eszu einer Einplanierung des Altstadtbereiches kam,um im Zuge der umfangreichen Neubefestigungender Burg ein freies Schussfeld zu schaffen. In die-sem Zusammenhang dürfte es zu größeren Boden-bewegung und zu Terrainanhebungen innerhalb derMauern gekommen sein. Dafür finden sich ver-schiedene Hinweise.

Im heute abgedeckten Brunnen auf demMarktplatz wurde eine Baunaht festgestellt, die aufeine nachträgliche Erhöhung des Brunnenschach-tes hinweist. Nach mündlicher Überlieferung sollenHolzreste (Bäume oder Balken) bei Kanalbauarbei-ten im Bereich des Marktes gefunden worden sein.Auf die Anhebung des Marktplatzniveaus weist

ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG TECKLENBURG

Durch die Begehung der Keller im historischenStadtkern von Tecklenburg konnten manch span-nende und neue Einblicke in die historische Bau-struktur der Stadt gewonnen werden.

Der mittelalterliche Ort Tecklenburg verdanktseine Entwicklung der Lage am „Jacobsweg“, einerüberregionalen Verkehrsverbindung, die als Pilger-und Handelsstraße bis in den nordspanischen Wall-fahrtsort Santiago de Compostela führte. Bei Teck-lenburg senkt sich der Weg in die Ebene der west-fälischen Bucht. Eine Kreuzung mittelalterlicher We-geführungen ist südöstlich der Kirche St. Georg aus-zumachen. (Abb. 2) Spuren der von dort abzweigen-den Zuwegung zur Burg finden sich im Keller des„Schiefen Hauses“ in der Krummacher Straße.

Erste schriftliche Erwähnung findet die Tecklen-burg 1181 anlässlich ihres Ankaufes durch denKölner Erzbischof. Die relativ hohe Kaufsummedeutet auf eine nicht geringe Bedeutung der Burgsowie auf das Vorhandensein umfangreicher bauli-cher Anlagen hin. Die Burg wird immer wieder ent-sprechend den waffentechnischen Neuentwicklun-gen um- und ausgebaut.

In der Neuzeit erfährt Tecklenburg einen materi-ellen Aufschwung. In diese Zeit fallen bedeutendebauliche Veränderungen von Burg und Stadt. DieBurg wird nach den Moden der Zeit zu einer reprä-sentativen Schlossanlage umgestaltet, wie sie aufder Stadtansicht von 1623 (Abb. 1) noch zu erken-nen ist. Die Entscheidung, im großen Stil Hanf undFlachs anzubauen, stärkt die WirtschaftskraftTecklenburgs nach dem Dreißigjährigen Krieg.Daran erinnert die 1660 im ehemaligen Stadttoran der Schlossstraße angelegte Prüfanstalt fürLeinen, die „Legge“.

Nach dem Übergang der Grafschaft an diePreußen 1707 wird mit dem Ausbau der Burg zueiner modernen Festung begonnen. Die Arbeitenwerden jedoch bald wieder eingestellt und diehistorischen Gebäude auf der Burg ab 1744 fastvollständig abgebrochen, die Steine als Baumate-rial, das Gelände als Gartenland verkauft. Auf demGelände der Burg ist allerdings bei jeder Art vonBodeneingriff mit archäologischen Befunden zurechnen. Mit Hilfe der im Rahmen des Gutachtenserfolgten baugeschichtlichen Aufarbeitung derBurganlage können archäologische Befunde in Zu-

ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG TECKLENBURG

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Tecklenburg - Keller als Quelle der Baugeschichte

Dipl.-Ing. Karla Krieger

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Die Altstadt von War-burg ist zu denjenigenhistorischen Städten zuzählen, die sich ganz of-fensichtlich eine gewisseUrsprünglichkeit im Er-scheinungsbild bewahrthaben. Jedenfalls faszi-nierten uns 1998 / 99 inbesonderem Maße sowohlAlt- als auch NeustadtWarburg bei der Erfas-sung ihrer baulichen undräumlichen Strukturen.Die Ergänzung der „Ar-chäologischen Bestands-erhebung“ mit einer „Bau-historischen Bestands-erhebung“ wäre hier einesinnvolle Maßnahme ge-wesen.

Die bisherige Geschichtsschreibung ist sichprinzipiell einig, dass der Ausgangspunkt für dieStadtentwicklung die Burg „Wartberg“ war. Eineralten, heute nicht mehr zu überprüfenden Nach-richt zufolge wurde die Burg angeblich bereits vonKarl dem Großen im 8. Jahrhundert gegründet.Konkreter und von wesentlicher Bedeutung für dieKeimzelle Warburgs sind jüngere Auswertungenvon Grabungsdokumenten aus den Jahren 1964/65 zur ehemaligen Petrikirche auf der Hüffert. Da-nach lagen hier die fränkisch/ karolingischen An-fänge in unmittelbarer Nachbarschaft nordwestlichdes Burgberges. Es konnte als Vorgängerbau derPetrikirche noch eine Holzkirche aus dem 8./9.Jahrhundert nachgewiesen werden.

Aber auch auf dem Burgberg selbst sindSiedlungsschichten des 9. Jahrhunderts vorhan-

den. Die Gründung der Feste ist jedenfalls vor1010 zu vermuten. Für dieses Jahr wird sie erst-mals in der Vita Meinwerki rückblickend erwähnt.Die Burg entstand direkt am Fernverkehrsweg zwi-schen den Niederlanden und Hessen, der hier inzwei Trassen beidseitig an der Burg vorbei ins Talführte und die Diemel überquerte. Die in den Ur-kunden überlieferte Bezeichnung „Wartberg“, na-mensgebend für die spätere Stadt Warburg, be-stätigt eine Überwachungsfunktion der Burg. Ab1017 ist ein Graf Dodiko, aus dem Geschlecht derHaholde entstammend, als deren Besitzer nach-weisbar. Nach dem tödlichen Sturz seines einzigenSohnes vom Pferd schenkt er die Burg mit reichemBesitz und Zubehör auf Bitten des Bischofs Mein-werk dem Bistum Paderborn. Nach längeren Strei-tigkeiten mit dem Erzbischof von Mainz kommt1031 Warburg endgültig an Paderborn. Für 1036ist bereits eine Siedlung („villa“) belegt, die sich imöstlichen Anschluss an die Burg entwickelt hat.Vermutlich gleichzeitig erfolgte an diesem Südhangder Bau einer Kirche inmitten dieser kleinen Han-delssiedlung mit Markt.

ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG WARBURG

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zudem nun auch ein im Zuge der Kellerbegehungerfasster Gewölbekeller im Gebäude Markt 2 hin,der nach dem Stadtbrand von 1904 in das darauf-hin neu errichtete Gebäude integriert wurde. DasLaufniveau des Gewölbekellers liegt 85 cm tieferals das des Kellers von 1904 (Abb. 3). Interessantist, dass die Flucht des Gewölbekellers nicht mitder Gebäudestruktur des Urkatasters überein-stimmt, der Keller also einem noch älteren Ge-bäude entstammen muss. Es zeigt sich, dass dasGewölbe vermutlich sekundär aufgesetzt wurde,denn unterhalb des Gewölbeansatzes befinden sichKonsolsteine, die als Auflager für eine Holzbalken-decke anzusprechen sind. Die heutigen Kellerlicht-schächte sind nachträglich eingebrochen worden.

In der südlichen Längswand des Kellers befindetsich in ca. 1.00 m Höhe (Unterkante) eine heutevermauerte Öffnung, die zunächst als Mauernischeerscheint. Es handelt sich aber um ein vermauer-tes Fenster, worauf vor allem die waagerechteSohlbank hindeutet. Es muss davon ausgegangenwerden, dass der ursprüngliche Laufhorizont min-destens 1,80 m tiefer lag als der heutige. Spe-kulativ ist die Annahme, dass es sich, wie auch beieinigen Kellern in Soest nachgewiesen, bei demKeller vielleicht sogar um ein ehemaliges Erdge-schoss handeln könnte. Eine weitere Beobachtungin diesem Keller weist auf eine Verkürzung des

Kellers bzw. Gebäudes hin, die im Zuge der Anlageder neuen Zuwegung zur Burg im 16. Jahrhundertüber die Trasse der heutigen Landrat - Schultz -Straße entstanden sein kann.

An diesem Beispiel wird vor allem deutlich, inwelcher Weise bestehende Bausubstanz im Zu-sammenhang mit nur noch archäologisch nach-weisbarer Bausubstanz ineinander greift und sichin ihrer Interpretation gegenseitig ergänzt.

Auch in anderen Kellern konnten interessanteBeobachtungen gemacht werden. So ist unter demGebäude Landrat-Schultz-Straße 15 noch die alteTraufgasse als Grenze zweier einstmals unabhängi-ger Parzellen erkennbar, obwohl das aufgehendeGebäude heute zwei Parzellen umfasst. Im gleichenKeller wurden alte Grabsteine sekundär als Trep-penstufen verwendet. In den Kellern Landrat-Schultz-Straße 17 und 19 wurde die gleiche Mau-erstruktur festgestellt.

Tecklenburg gehört neben Stolberg und Freu-denberg zu den drei Pilotprojekten der Archäolo-gischen Bestandserhebung. Die Bearbeitung er-folgte in den Jahren 1991/ 1992 durch Dr. GabiBöhm und Dipl.-Ing. Karla Krieger, die sich in be-sonderer Weise auf die umfassenden Ortskennt-nisse von Prof. Dr. Eberhard stützen konnten.

Abb. 1: Historische Ansicht derTecklenburg von Süden,

Kupferstich von Meissner, 1623.

Abb. 2: „Veränderungen imWegenetz/ Stadtgrundriss

zwischen dem Mittelalter und dem 16. Jahrhundert“.

Abb. 3: Tecklenburg Markt 2,Haus Saatkamp,

Kellergrundriss, M 1:00.

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ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG TECKLENBURG

Archäologische Bestandserhebung in Warburg

Dipl.-Ing. Ekkehard Kandler

3 Abb 1.: Vor der Warburger Stadtmauer ander Diemel.

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Das Projekt „VirtuellesJülich“ entstand 1997 imRahmen eines Koopera-tionsprojektes. Die Idee lie-ferte der Förderverein Fes-tung Zitadelle Jülich e.V.,der auch bei der Realisie-rung maßgeb-lich mitwirkte.Ziel war es,mit den Mög-lichkeiten dermultimedialenPräsentationinsbesondereüber das In-ternet die kom-plexe Ge-schichte derStadt Jülich darzustellen. Wissen-schaftliche Mitarbeiter des Lehr- undForschungsgebietes Baudenkmalpflegedes Fachbereichs Architektur der Fach-hochschule Köln lieferten die bauhisto-rischen Grundlagen und rekonstruier-ten die verschiedenen Epochen Jülichs. Mitarbeiterdes Zentralinstituts für Angewandte Mathematikdes Forschungszentrums Jülich lieferten die Tech-nik zur Umsetzung dieser Computermodelle undrealisierten die multimediale Präsentation.

Die 2000-jährige Siedlungs- und Stadtbauge-schichte Jülichs wurde entsprechend den Ergeb-nissen der stadtgeschichtlichen Forschung in sie-ben verschiedenen Epochen dargestellt und mitsechs Modellen visualisiert. Jedes dieser Modellewurde dreidimensional mit dem Programm „Auto-CAD - 14“ als 3D-Drahtmodell entworfen. Es ent-standen 6 Gesamtmodelle und 71 Einzelmodellemit insgesamt 466 Teilmodellen. Diese Modellewurden mit dem Programm „3D-Studio-Max“ wei-terverarbeitet. Die Oberflächen erhielten ihre Far-ben, die Kamerafahrten wurden festgelegt und dieModelle in ein VRML-Modell umgewandelt.

Mit dem Programm „Cosmo Worlds“wurden Navigation, Beleuchtung,Rundgänge (ca. 115 Haltepunkte),Rundflüge, gesprochener Text und Hin-tergrundmusik hinzugefügt. Es entstan-den ca. 170 Audiodateien. Mit HTML(Hyper Text Markup Language) wurdenbegleitende Informationsseiten erstellt.Hier erhält der Betrachter durch Text-abschnitte (über 500 Seiten) und Ab-bildungen (ca. 300 eingebundene Bil-

der) eine Fülle detaillierter Informationen zur Ge-schichte der Stadt. Schließlich wurden die VRML-

Modelle und HTML-Seitenmit einer geeigneten, ein-fachen Benutzeroberflächezu einer Gesamtpräsen-tation verbunden.

Bei diesen Präsentatio-nen handelt es sich nichtum vorher festgelegte undabgespeicherte Kamera-fahrten. Die Modelle sindnicht als fertige Bilder

abgespeichert, sondern vielmehr ein Abbild großerDatenmengen, die vom Computer in Bruchteilenvon Sekunden immer wieder neu zu Bildern zusam-mengesetzt werden. Der Betrachter entscheidetselber, welche Teile der historischen Stadt er vonwelchem Standort aus betrachten möchte.

Im Zuge der Landesgartenschau Jülich 1998wurde diese multimediale Präsentation auf einemInformationsstand des Forschungszentrums Jülichauf einer Großleinwand präsentiert. Die Nutzer hat-ten die Möglichkeit, sich auf eine virtuelle Reisedurch die verschiedenen Epochen der JülicherStadtgeschichte zu begeben. Dazu wurde aktuellesund historisches Material eingespielt und erläu-ternde Texte gesprochen. Weiterhin steht diePräsentation im Internet zur Verfügung:

www.juelich.de/virtuell

VIRTUELLES JÜLICH

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Es können hier weder die weitere komplizierteSiedlungsgenese der beiden Städte Warburg, nochdie interessante Baugeschichte einzelner Bauten,wie z.B. die der Dominikanerkirche oder die derAltstadtkirche, erörtert werden. Auf ein Thema solldennoch an dieser Stelle eingegangen werden, dawir in diesem Zusammenhang Beobachtungen an-stellten, die bisher in keiner Veröffentlichung ihrenNiederschlag fanden: Es betrifft die Stadtmauerder Altstadt und deren Entstehungszeit.

Die Neustadt Warburg bildete ja eine völlig ei-gene Stadtanlage, die unabhängig von der Altstadtgegründet wurde. Diese wird zeitlich mit demAmtsantritt des Paderborner Bischofs BernhardIV. 1228 angesetzt. 1260 gestattete dann SimonI. den Neustadtbürgern die Errichtung einer Stadt-mauer, auch zur Altstadtseite hin (WUB IV). DasNichtvorhandensein einer gleichlautenden Urkundefür die Altstadt führte bisweilen zu der Schlussfol-gerung, dass diese im Gegensatz zur Neustadtnoch keine Mauer bauen durfte. Deutliche Unter-schiede in baulichen Details schienen eine Später-datierung zu bestätigen.

In diesem Zusammenhang wird eine Schrift-überlieferung sowie ein bauliches Detail der Alt-stadtmauer von besonderem Interesse. BischofSimon I. förderte das Mühlenwesen in Warburg,was kurz vor 1262 zwischen Altstadt und demDiemel-Fluss zum Aushub eines Mühlengrabensführte. Die Altstadtbürger behaupteten nun, dasssie durch die Anlage des Mühlengraben geschädigtworden seien. Die Geschichtsschreibung hat die imersten Moment unverständlich erscheinende Be-hauptung auch nicht erklären können, handelt es

sich doch aus fortifika-torischer Sicht eher umeinen Vorteil, um einenzusätzlichen Schutz.Dass es sich jedoch umeine tatsächliche Be-nachteiligung gehandelthaben muss, zeigt derUmstand, dass derBischof den Altstadt-bürgern zunächst eineRente aus den oberhalbder „Neuen Mühle“ ge-legenen bischöflichen

Gärten als Entschädigung überwies. Die Benach-teiligung der Altstadt ist nun unserer Meinungnach darin zu sehen, dass mit der Anlage des Müh-lengrabens, der zwangsläufig im Verlauf derHöhenlinien des Geländes ausgehoben werdenmusste, ein Teil des Altstadtgebietes nordöstlichdes sogenannten Biermannsturmes abgeschnittenwurde. An dieser Stelle befindet sich auch der auf-fällige bauliche Befund an der Stadtmauer. Diesewechselt hier plötzlich ihre Richtung und Mau-erstruktur. Es bestand eindeutig die Absicht, dieStadtmauer nordöstlich des Turmes entsprechendder Flucht des vorhandenen kurzen Abschnittes ge-rade weiterzuführen, was jedoch auf Grund der An-lage des Mühlengrabens vor 1262 nicht mehrmöglich war. Offensichtlich musste ein bereits be-stehender Stadtmauerteil 1262 wieder abgerissenwerden. Der heute noch vorhandene kurze Mau-erabschnitt ist primär mit dem Biermannsturmverbunden, womit dieser im unteren Bereich nachunserer Argumentation mindestens auf 1260 / 61zu datieren wäre, also zeitgleich mit der Errichtungder Neustadtmauer.

Große Teile der Altstadtmauer mit ihren Rund-türmen im Grenzbereich zum Burgberg weisen eineerstaunliche Ähnlichkeit mit der Stadtmauer vonPaderborn auf. In Paderborn vertritt die Ge-schichtsschreibung eine Entstehung vor 1183,ohne freilich auf bauliche Details einzugehen. Einegemeinsame Bestandsaufnahme und baugeschicht-liche Untersuchung beider Stadtmauern wäre einsehr erfolgversprechendes Forschungsprojekt.

Abb 2.: Abbildung der Stadt Warburg beiMerian.

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ARCHÄOLOGISCHE BESTANDSERHEBUNG WARBURG

Von Juliacum virtuell bis Jülich

Jadwiga Pilarska, M. A., Stadtplanerin

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schluss der Biotop-Erfas-sung und der Aufstellungdes Biotopmanagement-plans durch die Landes-anstalt für Ökologie, Bo-denordnung und Forsten /Landesamt für Agrarord-nung Nordrhein-Westfalen das Präsentationskon-zept unter dem erweiterten Ansatz „Kulturland-schaft“ vorgelegt werden. Hierzu beauftragte derFörderverein Talaue Wasserschloss Haus Marckim Dezember 1995 die FH Köln mit der Bearbei-tung des Gutachtens „Erhaltung und Präsentationder naturnahen Kulturlandschaft Talaue Wasser-schloss Haus Marck“.

Die historische Kulturlandschaft der TalaueWasserschloss Haus Marck mit ihren zahlreichen,sehr unterschiedlichen Elementen erschließt sichdem Besucher in ihrer Komplexität nicht unmittel-bar. Den Besuchern müssen daher Hilfsmittel zurErschließung an die Hand gegeben werden. DieseHilfsmittel und Medien wurden im Rahmen dieses

Gutachtens konzipiert. Hauptelemente der Präsen-tation sind:

• Das Informationszentrum „Alte Scheune“ • Begleitende Medien• Ein Gesamtinformationssystem in der

Landschaft (Beschilderung der Zufahrtsstraßen, Informationstafeln zu Einzelelementen der Kulturlandschaft)

Hierzu gehören u.a.:• Informationspunkte mit Informationstafeln in

der Talaue• Rundwege, differenziert nach Länge und Thema

• Das Informationszentrum in der Scheune am Wasserschloss Haus Marck mit Modellen, Dioramen, Schautafeln und audiovisuellen Medien

• Informationsschriften in Form von Führungsblättern und Unterrichtsmaterialien

• Vorträge, Seminare, Führungsdienste (Angebote der Akademie und der Biologischen Station)

Teile dieses Konzeptes, wie beispielsweise derAusbau der ehemaligen Scheune zu einem multi-funktionalen Informationszentrum, konnten in derZwischenzeit bereits realisiert werden.

TALAUE WASSERSCHLOSS HAUS MARCK

Mit der ca. 2 km langen und 0,8 km breitenTalaue Wasserschloss Haus Marck hat sich unter-halb der historischen Altstadt von Tecklenburg, zwi-schen einem Sandstein- und einem Kalksteinrücken,eine alte Kulturlandschaft erhalten, die eine Vielzahlvon ökologischen, kulturhistorischen und geologi-schen Aspekten aufweist. Diese Kulturlandschaft isthohem Veränderungsdruck ausgesetzt. An aktuellenGefährdungen sind unter anderem zu nennen:

• wohnungswirtschaftlicher Entwicklungsdruck (Ausweisung von wertvollen Freiflächen als Bauland)

• Schädigungen des Biotops durch eine Klär-anlage und eine stillgelegte Hausmülldeponie

• Schädigungen der Kultur- und Naturdenkmäler durch zahlreiche Besucher

• Umnutzung der landwirtschaftlichen Hofstellen• Umstellung der bisher extensiven Land-

wirtschaft

Da sofortiger Handlungsbedarf bestand, grün-dete sich 1990 der Förderverein Talaue Wasser-schloss Haus Marck mit dem Ziel, die historischeKulturlandschaft der Talaue Wasserschloss HausMarck zu erhalten. Unterstützung erfuhr diesesProjekt durch die Stadt Tecklenburg, die seit 1981Sach- und Arbeitsleistungen für dieses Projekt auf-brachte. Bestandteil des Gesamtkonzeptes ist da-rüber hinaus die Einrichtung der Akademie TalaueWasserschloss Haus Marck, für die der Landgast-hof Pregge-Nordhausen in Lengerich-Wechte(Brochterbecker Straße) restauriert werden konn-te. 1996 wurde diese Einrichtung eröffnet.

1992 erfolgte durch Jürgen Eberhardt eineerste kulturgeschichtliche Bewertung der Talaue.1993 wurde von einem Architekturbüro ein Gut-achten über die erhaltenen baulichen Anlagen vor-gelegt. 1996 konnte die Landesanstalt für Ökolo-gie, Bodenordnung und Forsten / Landesamt fürAgrarordnung Nordrhein-Westfalen den Pflege-und Entwicklungsplan Talaue Wasserschloss HausMarck vorstellen. Dieses Gutachten beschreibt dienaturräumliche Lage der Talaue, liefert eine präzi-se Beschreibung des heutigen Zustandes, benenntBeeinträchtigungen und Schäden und bewertet dieSchutzwürdigkeit. Formuliert werden langfristigeEntwicklungsziele, aus denen sich konkrete Maß-nahmen zur Pflege und Entwicklung herleiten. Ins-gesamt wird dem Gebiet aus der Sicht des Natur-schutzes überregionale Bedeutung beigemessenund der Raum aus ökologischer Sicht als hochwer-tig bezeichnet.

Nachdem schon 1994 ein Führungsdienst fürdas Schloss und sein unmittelbares Umfeld einge-richtet werden konnte, sollte nun nach dem Ab-

TALAUE WASSERSCHLOSS HAUS MARCK

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Die Präsentation der Talaue Wasserschloss Haus Marckin Tecklenburg

Dr. Norbert Schöndeling

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Torturms, die baulichen Reste der Burgmannen-höfe sowie die dominierende Kirche der Burg, diesich an hervorgehobener Lage des unbewaldetenBergsporns befindet, sind hier deutlich erkennbar.

Die Fachhochschule Köln, Lehrgebiet Denkmal-pflege, wurde im Juli 1999 von der Stadt Oeldebeauftragt, eine Präsentation des Burgbergesnach museumspädagogischen Gesichtspunkten fürden „Tag des offenen Denkmals 1999“ zu erstellen.In enger Absprache mit der Unteren Denkmalbe-hörde der Stadt Oelde, den Vertretern der örtli-chen Bezirksversammlung, dem Vorsitzenden desHeimatvereins sowie dem Pfarrer der KatholischenKirche wurde ein vielseitiges Veranstaltungspro-gramm erstellt.

Präsentationskonzepte, die die affektive Wahr-nehmung des Menschen ansprechen, sind eherdazu geeignet, Wissen zu vermitteln, als ein aufrein rezeptive Wissensvermittlung angelegter„Lehrpfad“. Besonders eine Kombination aus sinnli-cher Wahrnehmung, interaktiver Wissensvermitt-lung und spielerischen Elementen gestaltet einenPfad abwechslungs-, erlebnis- und lehrreich. Daherwurde in Stromberg eine Mischung aus Informa-tion, Gespräch mit ortskundigen Führern und demEinsatz spielerischer Elemente gewählt.

Am 12.09.1999, dem„Tag des offenen Denk-mals“, konnten die Besu-cher während der stünd-lich stattfindenden Füh-rungen, geleitet von zweiStadtführerinnen derStadt Oelde sowie Mit-gliedern des Heimatver-eins Stromberg, auchsonst nicht zugänglicheGebäude besichtigen.Außergewöhnlich span-nend war dabei die aus-nahmsweise ermöglichteErsteigung des Paulus-turms, in dem noch in situbefindliche historische Ge-fängniszellen und die Glo-cken der Kreuzkirche zubesichtigen waren.

Auf dem Gelände wurde ein Rundweg eingerich-tet, an dessen 14 Stationen sich Informations-tafeln über die Geschichte der Burganlage befan-den. Einen besonderen Punkt des Rundweges stell-te die Präsentation eines Grabungsberichtes von1936 dar, der im Verlauf der Recherche zu der bis-lang noch weitestgehend unerforschten Geschichteder Burg im Staatsarchiv in Münster gefundenworden war.

Ein Faltblatt, auf dem der eingerichtete Rund-weg in einem Lageplan eingetragen worden war,enthielt neben Kurzinformationen zu jeder Rund-wegstation ein für Kinder entwickeltes „Burgenrät-sel“. Faltblatt und „Burgenrätsel“ waren Anregungund Ansporn zu einer eigenständigen und altersge-rechten Erkundung des Burgareals.

Die Veranstaltung am „Tag des offenen Denk-mals 1999“ auf dem Burgberg in Stromberg wurdevon ca. 500 Menschen besucht.

Abb. 1: Zugang zum Burgberg.Abb. 2: Infotafel zu den Rundwegstationen.

Abb. 3: Burg Stromberg, nach einem Gemäldevon Theobald Reinhold Freiherr von Oer, 1830.

TAG DES OFFENEN DENKMALS – OELDE-STROMBERG

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Der zu Oelde in Westfalen ge-hörende Ortsteil Stromberg liegt amsüdlichen Rand der BeckumerBerge. Auf einem durch den Gass-bach herausgeschnittenen Berg-sporn befinden sich, am Ostendedes steil zur Lippeniederung nachSüdosten abfallenden Höhenzuges,die Reste einer Befestigungsanlage.

Die Burg Stromberg wird imJahre 1177 zum ersten Mal ur-kundlich erwähnt. In dieser Zeit istsie im Eigentum des Bischofs vonMünster und gehört zu den Landesburgen, die dasweltliche Herrschaftsgebiet der münsterschen Bi-schöfe wie ein Kranz umgaben. Nachdem die Burgin der frühen Neuzeit ihre militärische Bedeutungverloren hatte, ließ sie Fürstbischof MaximilianFranz 1780 weitgehend abtragen.

Auf einem Gemälde des Künstlers TheobaldReinhold Freiherr von Oer von 1830 ist der Burg-berg aus südwestlicher Blickrichtung dargestellt.Die Ansicht veranschaulicht die wesentlichen Ele-mente, die diesen Ort auch heute noch charakteris-tisch bestimmen. Der spitz aufragende Helm des

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TAG DES OFFENEN DENKMALS – OELDE-STROMBERG

Ausrichtung „Tag des offenen Denkmals“ am 12.09.1999 in Oelde-Stromberg

Dipl.-Ing. Volker Kirsch

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nachzeichnet und derenhöchster Punkt sich 30 cm unter der Mau-erkrone befindet. DieTragkonstruktion bestehtaus Holz und liegt aufdem vorhandenen Ziegel-mauerwerk auf, für dieDachdeckung wurde ausGründen der HaltbarkeitZinkblech gewählt. DieMauerkrone selbst wurdebis zur Höhe der teilweise

noch vorhandenen Ab-decksteine in Ziegelmau-erwerk ergänzt, wobeidas gotische Bogenfriesan den Fehlstellen weg-gelassen wurde.

Die Abdeckung erfolg-te ebenfalls mit Zink-blech, die Wasserablei-tung nach innen auf dieDachscheibe. Zum Schutzder hofseitigen Turm-wand dient eine zweiteDachscheibe. Diese istunterhalb der erstenDachscheibe in einemWinkel von 35 Gradangeordnet, überdeckt

den wiederhergestellten Treppenaufgang (Abb. 3)und leitet das von der oberen Scheibe anfallendeWasser weiter (Abb. 4). In ähnlicher Weisewurde mit dem ebenfalls kreisförmigen, aberwesentlich größeren Ostturm verfahren.

SCHLOSS HAMBACH

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Bei Schloss Hambach in der Gemeinde Nieder-zier handelt es sich um die Reste einer Burganla-ge, deren vermutlicher Baubeginn im Jahre 1290liegt, unter Walram I. von Jülich. Herzog Johann I.begann 1526/27 umfangreiche Vorarbeiten zumAusbau der Burg. Die Mutter Herzog Wilhelms V.(1516 - 1592) wählte die Burg als Altersruhesitz.In der „Jülicher Fehde“ erfolgte am 3. Oktober1542 eine weitgehende Zerstörung der Anlage,ebenso des Wirtschaftshofes und des zugehörigenDorfes. Ein Wiederaufbau erfolgte in den Jahren1557 - 1580. Im Jülich-Klevischen Erbfolgekriegsetzte ab 1610 ein Verfall der Burg ein.

Ab 1653 unter Herzog Philipp Wilhelm gewannHambach als Schloss wieder an Bedeutung. Hierwurde nun oft Hof gehalten. Eine rege Bautätigkeitan Gebäuden und Außenanlagen erfolgte bis 1716,dem Todesjahr von Herzog Wilhelm II. Sein Nachfol-ger verlegte die herzogliche Residenz nach Mann-heim. 1779 war das Schloss weitgehend verfallenund wurde als Bauernhof genutzt. Während derBesetzung der Jülicher Lande durch die französi-schen Revolutionsarmeen 1792 wurde Hambachzum Nationalgut erklärt und zum Abbruch freigege-ben. Der Privatmann Sonanius erwarb das Schloss1803 und ließ es zu einem Wirtschaftshof umbauen.

Ab 1926 fanden durch den Provinzialkonserva-tor erste Sicherungsmaßnahmen der Denkmalpfle-ge statt. Durch Studenten der TH Aachen erfolgte1933 eine Vermessung der Anlage. Zerstörungenim 2. Weltkrieg, der Ausbau von Notunterkünftenund mangelnde Möglichkeiten der Bauunterhaltunghatten weiteren Verfall zur Folge.

Heute gehören die Reste der Schlossanlageeiner Erbengemeinschaft; lediglich Teile des Süd-ost-Flügels sind bewohnt. Bei Beginn der Sanie-rungsarbeiten unter Mitwirkung der Fachhoch-schule Köln waren Ost-, Süd- und Westturm undder Südwest-Flügel vom Verfall bedroht. Mittler-weile sind die Arbeiten fast abgeschlossen und diegefährdeten Bauteile gesichert.

Beispielhaft soll hier der Südturm betrachtetwerden. Dieser hat einen annähernd kreisförmigenGrundriss und sitzt am Scheitelpunkt von Südost-und Südwest-Flügel, die einen Winkel von 103Grad bilden. Dem Betrachter stellte er sich alsefeubewachsene Ruine dar (Abb.1). Nach derEntfernung des Bewuchses ließen sich die Schädenerkennen: eine große Fehlstelle im Mauerwerk aufGrund eines Granattreffers, zur Hofseite hin standdie Außenmauer nur noch bis zum 1. Oberge-schoss, Risse zeigten sich besonders am Treppen-aufgang zum Südost-Flügel und die Mauerkronewar nur noch teilweise vorhanden (Abb. 2).

Der von einem achtteiligen Kreuzrippen-gewölbe überspannte Raum zeigte sich dagegenin gutem Zustand. Lediglich die drei Fenster unddie Türöffnung mussten geschlossen und der In-nenputz ausgebessert werden. Der Besitzer woll-te den Raum als zeitweiligen Aufenthaltsraumnutzen. Man hat von hier Zugang zu einem ehe-maligen Abtritt an der Westecke und zu demoben erwähnten Treppenaufgang zum 2. Ober-geschoss.

Das Planungsbüro P. Möhring aus Stolbergwurde mit den Arbeiten beauftragt, die Fachhoch-schule Köln übernahm die Bestandserfassung undmachte Vorschläge zur denkmalgerechten Durch-führung.

Wesentlichster Punkt war der Schutz vor Re-genwasser. In Abstimmung mit dem Landeskon-servator Rheinland entschied man sich für eineunauffällige, unterhalb der Mauerkrone befindli-che Dachkonstruktion. Die Ableitung des anfallen-den Wassers ließ sich am besten an der starkgestörten Hofseite bewerkstelligen. Hier konntedas Wasser über ein kurzes Mauerstück amSüdost-Flügel zu der schon bestehenden Fall-leitung am bewohnten Teil geführt werden. Umdies zu erreichen, wurde der Turm von einer zurHofseite hin um 15 Grad abfallenden Scheibeabgedeckt, welche hier die ehemalige Außenkante

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SCHLOSS HAMBACH

Schloss Hambach

Dipl.-Ing. Jost Broser

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folgenden knapp 400 Jahre traten nun die Kurfürs-ten von Sachsen als Bauherren in Erscheinung, ei-ne Voraussetzung für den weiteren Ausbau sowiedie spätere völlige Umgestaltung der Anlage. Mitder Machtübernahme durch Herzog Moritz (Her-zog 1541-1547; Kurfürst 1547-1553) im alberti-nischen Sachsen im Jahre 1541 begann eine regeBautätigkeit. Parallel zum Umbau der Burg erfolg-te eine aus Erdwerk bestehende erste festungsar-tige Sicherung des Renaissanceschlosses. VomAussehen des Erdwalles mit vier zunächst rundenBasteien gibt die erste überlieferte Bestandsauf-nahme aus dem Jahre 1632, die im StaatsarchivDresden erhalten ist, eine recht gute Vorstellung.Eine Überlieferung aus dem Jahre 1551 bestätigtden Abschluss der umfangreichen Strukturverän-derungen bis etwa 1550. 1591 wird erstmals dieAbsicht für den weiteren Ausbau der Anlage zurFestung erkennbar. Graf Rochus zu Lynar, der be-reits seit 1569 in kurfürstlich-sächsischen Diens-ten steht, zu diesem Zeitpunkt aber auch im Kur-fürsten von Brandenburg einen wohlwollenden undergiebigen Auftraggeber hat, besichtigt im Auf-trag des sächsischen Kurfürsten Christian I. offen-sichtlich erstmals Senftenberg. Der Kurfürst stirbtjedoch noch im gleichen Jahr, worauf eine völligeKehrtwende in der sächsischen Außenpolitik ein-tritt. Lynar wird am 25. November 1591, offiziellaus Einsparungsgründen, entlassen. Pläne Lynarszu Senftenberg sind nicht bekannt geworden. Bau-maßnahmen an der Festung können somit, entge-gen oftmals geäußerter anders lautender Behaup-tungen, weitestgehend ausgeschlossen werden.

Erst die wachsende Kriegsgefahr durch die poli-tischen Ereignisse des 30-jährigen Krieges lässtdie immer noch sehr einfach befestigte Anlage ausder Vergessenheit treten. Oberlandbaumeister istder aus Hessen stammende Wilhelm Dilich (1571-1650). Dilich fertigte einen großzügigen Befesti-gungsplan von Stadt und Schloss mit dem Hinweis„Prototypus und Vorrise Wilhelmi Dilichy wegenbevestigung Senftenberges“. Dieser Plan stellteeinen Grundsatzentwurf vor, der Orientierung fürden künftigen langfristigen Ausbau sein sollte. Dieweiträumige Einbeziehung der gesamten Stadt indas neue Befestigungssystem wurde nie realisiert,der Ausbau beschränkte sich auf die konsequenteDurchbildung des Bastionärsystems an den Fes-tungswällen. Im Juni des Jahres 1632 begibt sich

ein Schüler Dilichs, Sebastian König, nach Senf-tenberg, um „den vorgeschlagenen und bewilligtenWalbau“ zu beginnen und persönlich zu leiten.

Nach zahlreichen Reparaturen, insbesondere anden Wällen, ist der militärische Teil der Bauge-schichte der Festung Senftenberg bereits in derzweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beendet. Siehat in den folgenden kriegerischen Auseinanderset-zungen mit Brandenburg-Preußen keinerlei Bedeu-tung. Festungswälle und Schloss sind dem Verfallpreisgegeben. Nach einem Bericht von 1763 ist„Das Schloß ... durch alle oberen Etagen völligwüste und in allen Gegenden sehr baufällig, und bisaufs Parterre, so noch logable, in selbigem nicht zuwohnen ist. ... sämtliche Festungswerke ...[sind]durchgängig recht durchwühlet und verfallen, auchdermaßen in= und auswendig mit Strauchwerkbewachsen, daß man von außen kaum eine Festungsehen ...“ könne.

Mit dem auf dem Wiener Kongress aufgestell-ten Vertrag übernimmt Preußen 1815 einen Groß-teil des sächsischen Staatsgebietes, darunter dieNiederlausitz mit Senftenberg. Das Schloss bleibtSitz des Amtsgerichts, 1879 wird das Gerichts-gefängnis eingerichtet, was mit erheblichen bauli-chen Veränderungen einhergeht. Die Wallanlagenwerden als „Gräserei“ benutzt. Dass die gesamtenWallanlagen Ende des 19. Jahrhunderts nicht ein-geebnet wurden, ist ein Verdienst des „Ausschus-ses für Denkmalpflege in Berlin“.

Damit ist uns ein einzigartiges Bau- und Bo-den-denkmal erhalten geblieben. Seine Bedeutung liegtnicht in der Größe oder der langen Liste er-folgreich widerstandener Belagerungen, im Gegen-teil. Vielmehr ist es die Einzigartigkeit der Erdbau-weise, die im 16./17.Jahrhundert sehr häufig in Er-scheinung trat, aber bedingt durch das erosions-anfällige Baumaterial regelmäßig nach Aufgabe derWehranlagen mit einer Einebnung endete. Die Fes-tungswälle in Senftenberg sind, neben den andersstrukturierten in Heldrungen, die wohl einzig kom-plett erhaltenen ihrer Art in Deutschland.

Abb.: Schloss und Festung im 18. Jahrhun-dert. Umzeichnung nach historischen Plänen und

der verformungsgerechten Bestandsaufnahme

SCHLOSS SENFTENBERG

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Ein „Abriss der Baugeschichte von Schloss undFestung Senftenberg anhand archivalischer Quel-len“ ist ein Forschungsauftrag, dessen Realisie-rung man zunächst an der Philosophischen Fakultäteiner Universität erwarten würde. Dass die Be-arbeitung an der Fachhochschule Köln, FachbereichArchitektur, Forschungsschwerpunkt Baudenkmal-pflege erfolgte, ist insofern kein Zufall, als dass diejahrelangen erfolgreichen Forschungen zur Renais-sancefestung und zum Renaissanceschloss Jülichspeziell sowie zur Thematik allgemein durch Prof.Eberhardt hier bereits eine überregional bekannteBasis geschaffen hatten. Die interdisziplinäre Be-arbeitung von bauhistorisch-archäologischen Fra-

gestellungen und somitauch die Auswertung vonSchriftüberlieferungen ausArchiven, war durch die„Archäologische Bestands-erhebung“ bereits ein ver-trauter Arbeitsgegenstandgeworden.

Die Aufarbeitung derBaugeschichte von Schlossund Festung Senftenbergim Rahmen dieses Auf-trages erfolgte im We-sentlichen im Jahr 1994.Sie war als Grundlagenar-beit im Vorfeld der geplan-ten umfassenden Restau-rierung und Sicherung derGesamtanlage gedacht.Dass sich im Anschlussan diesen Forschungsauf-trag eine bis zum heutigenTag andauernde Betreu-ung aller hier anstehendenBaumaßnahmen durch denVerfasser als verantwort-lichem Architekten erge-ben würde, zur Auswer-tung der Schriftquellen

sich somit die Möglichkeit von Untersuchungen ameigentlichen Objekt ergeben würde, konnte zu je-nem Zeitpunkt noch niemand ahnen.

Wie die Mehrzahl vergleichbarer militärischerAnlagen des 16. Jahrhunderts war Schloss Senf-tenberg mit seiner Erdwallbefestigung unter Ein-beziehung mittelalterlicher und frühneuzeitlicherStrukturen errichtet worden. Über das Aussehender Vorgängerburg des 13. bis 15. Jahrhundertskonnten in jüngster Zeit durch baubegleitende ziel-gerichtete Forschungen konkretere Vorstellungengewonnen werden. 1448 erwirbt Friedrich II. vonSachsen Burg und Herrschaft Senftenberg. Für die

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SCHLOSS SENFTENBERG

Schloss und Festung Senftenberg

Dipl.-Ing. Ekkehard Kandler

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der im II. Weltkrieg geringe Schäden erlitten hatte.1963 veräußerte die Familie den größeren Teil desGeländes von Haus Meer mit dem Ziel, dort einesozial-caritative Einrichtung entstehen zu lassen.Verschiedene Altenheim-Projekte konnten jedochnicht realisiert werden. Aus jener Planungsphasestammt der heute noch gültige Bebauungsplan,der eine bis zu 12-geschossige Bebauung auf demGelände bei gleichzeitigem Abbruch der barockenRemise gestattet.

Das Gelände ging danach durch verschiedeneHände und befindet sich heute in Privatbesitz. AbMitte der 1990-er Jahre mehrten sich die Stim-men, die für eine Erhaltung der historischen Relikteeintraten. Die in der Zwischenzeit vorgelegten Pla-nungen gingen bereits deutlich stärker auf die Si-tuation ein. So wurde nun auch der Bereich der1807 niedergelegten romanischen Kirche und derKlausur ausgespart. Diese Flächen waren bereits1963 von Hugo Borger zu größeren Teilen ausge-graben worden. Alle anderen Bereiche des großenGeländes jedoch noch nicht. Ein Suchschnitt im Be-reich des ehemaligen Priorengebäudes aus demJahr 1996 belegt, wie umfangreich die im Bodenverborgenen Relikte erhalten geblieben sind.

Als Grundlage für die anstehenden Planungenwurde im Jahr 2001 die FH Köln mit der Erfassungund Bewertung der denkmalwerten Relikte beauf-tragt. Bei dem Entwurf der Aufgabenstellung zeig-te sich sehr schnell, wie komplex das Gesamt-thema war. Von der Fakultät wurde daher das„Vier-Säulen-Modell“ entwickelt, mit dem die ver-schiedenen Themenbereiche dargestellt wurden:

• Die Aufarbeitung der historischen Schrift- und Bildquellen

• Die Baudenkmäler und der historische Garten• Flora und Fauna• Die archäologischen Relikte

Die Fakultät für Architektur übernahm neben derVermessung der historischen Bausubstanz und derErstellung der digitalen Pläne insbesondere dieProjekt-Koordination und -moderation. Im Juli 2002konnte die FH Köln dem Kulturausschuss der StadtMeerbusch die Ergebnisse präsentieren. Kernaus-sage war, dass es sich bei Haus Meer um ein Ge-samtdenkmal handelt, mit umfangreichen bauhis-

torischen, archäologischen und gartendenkmalpfle-gerischen Elementen. Die genaue Auswertung derarchäologischen Fundberichte konkretisierte dieAnnahmen der Bodendenkmalpflege zum archäolo-gischen Potential. Durch Historiker konnten zweihintereinander bestehende Friedhöfe auf dem Ge-lände auf Grund entsprechender Schriftquellen be-nannt werden, ohne dass diese bisher bereits loka-lisiert werden konnten. Die Vermessungen der FHKöln bestätigten, dass verschiedene Baukörperdeutlich älteren Bauphasen entstammen, als bis-her angenommen. Auf großes Interesse stießen dieUntersuchungen der Gartendenkmalpflege. Bereitsvorher waren 29 verschiedene Baumarten erfasstworden. Darüber hinaus zeigt sich der Park aberauch als eine kunstvolle Inszenierung sorgsam ge-setzter Blickbeziehungen. Seit dem Sommer 2002folgen nun Beratungen zur Zukunft dieses histo-risch bedeutenden Areals.

Für die Fakultät für Architektur war dieses For-schungsprojekt schon allein deshalb spannend, dahier an einer sehr komplexen Aufgabenstellung kon-krete Moderationsverfahren zur Integration unter-schiedlicher Fachdisziplinen überprüft werdenkonnten. Diese Art der Bearbeitung hat für großeBaudenkmäler sicherlich Zukunft.

Abb. 1: Plan des Geländes von Haus MeerAbb. 2: Historisches Foto von Park und Schloss

Abb. 3: Heute noch im Park ablesbareSichtachsen des um 1865 geschaffenen

Landschaftsparks

HAUS MEER

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Das in der ehemaligen Ge-meinde Büderich gelegene HausMeer war Namenspate für die1970 gegründete Stadt Meer-busch (Kreis Neuss). DiesenNamen wählte man, da sich in die-ser gut 4,5 ha großen Anlage wiein kaum einem anderen ObjektGeschichte bündelt. Erste Spurender Besiedlung finden sich bereitsaus spätantiker Zeit, z. B. ein nochin situ erhaltener römischer Was-serkanal. Für die Zeit um 1000 istin unmittelbarer Nähe die Errich-tung einer Motte belegt. Bei denAusgrabungen in den 1960-er Jah-ren konnten dort zahlreiche Funde,vom Hausrat bis zum erhaltenenFenster, geborgen werden. Aufdem eigentlichen Gelände vonHaus Meer, hochwassersicher aufeiner natürlichen Niederterrassegelegen, könnte sich zu diesemZeitpunkt bereits ein Versor-gungshof befunden haben. Sicherist, dass die aus adeliger Familiestammende und später selig ge-sprochene Hildegunde von Ahr undMeer dort um 1166 ein Prämon-stratenserinnenkloster errichtete,das bis zur Säkularisation 1803bestand. Zusammen mit umfang-reichen Ländereien wurde es da-

nach von der Krefelder Industriellenfamilie von derLeyen erworben und nach 1865 zu einem großzügi-gen Familiensitz umgebaut. Aus dieser Zeit stammtder Landschaftspark nach Plänen des KrefelderGartenarchitekten Joseph Clemens Weyhe.

Das Hauptgebäude wurde 1943 bei Luftangrif-fen zerstört und seine Reste Ende der 1950-erJahre abgebrochen. Die aus dem 17. Jahrhundertstammende Remise wurde bis 1963 weiter be-wohnt. Bis heute genutzt wird der Wirtschaftshof,

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HAUS MEER

Haus Meer in Meerbusch

Dr. Norbert Schöndeling

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Der Ort „Huchilheym“ wird1229 in einer Urkunde des StiftsKaiserswerth erwähnt, der Orts-name Huckingen erscheint erst-mals in einer Urkunde aus demJahre 1243. Es handelte sichoffensichtlich um ein Siedlungs-gebiet („heym“) an einer spitzenWeggabelung oder in der Eckeeiner Abzweigung („huck“ = Spitze,Ecke). Vermutlich handelte es sichum die Gabelung, an der die heuti-ge Raiffeisenstraße in die Düssel-dorfer Landstraße einmündet.Huckingen gehörte wahrscheinlichbereits seit dem 14. Jahrhundertzum Amt Angermund, einer über-geordneten Verwaltungsinstanzdes Herzogtums Berg. Das Amtexistierte nach der Auflösung desHerzogtums Berg 1806 von 1815bis 1929 als Landbürgermeistereiweiter. 1929 wurde dieser Land-kreis aufgelöst und das vorhereher zum Düsseldorfer Norden orientierte Amt wurde in die StadtDuisburg eingemeindet.

Seit der Kartenaufnahme untervon Müffling (1824-1825) sowieauf der Uraufnahme von 1843 undder preußischen Landesaufnahmevon 1892 konnte man Huckingenals deutlich abgegrenzte Ortslage östlich einesgroßen Rheinbogens ablesen. Der Ort entwickeltesich zwischen Raiffeisenstraße entlang des Bruch-grabenbogens und der Düsseldorfer Landstraße,die mindestens seit dem 17. Jahrhundert als Post-weg Köln-Kleve bedeutsam war.

Zur Bestimmung eines abgegrenzten histori-schen Bereiches, der als Denkmalbereich in Fragekommt, wurde eine intensive Quellenforschung be-trieben. Historische Schrift- und Bildquellen wur-den zusammengetragen, ausgewertet und mit demheutigen Bestand verglichen. Dazu wurden in meh-reren Ortsbegehungen Bestandskartierungen undeine umfangreiche Fotodokumentation angefertigt.Diese Bestandsaufnahme wurde analysiert und mitden historischen Quellen abgeglichen. Im Mittel-

punkt der Auswertung stand die Frage nach einerhistorisch begründeten Abgrenzung des Denkmal-bereichs sowie die exakte Ausweisung seinerschützenswerten Gestaltmerkmale. Als Kern einessolchen Bereiches konnte in Huckingen das Sied-lungsgebiet um die Katholische Kirche St. Peterund Paul identifiziert werden, die sich an der zen-tralen Verbindung zwischen Raiffeisenstraße undDüsseldorfer Landstraße befindet. Die Kirche bil-det im Zusammenspiel mit der anschließenden his-torischen, dörflich geprägten Bausubstanz einecharakteristische Silhouette mit einer ausgepräg-ten Dachlandschaft.

Abb. 1: Uraufnahme von 1843Abb. 2: Zeichnung von 1752

Abb. 3: Vergleich des Kartenmaterials

DENKMALBEREICHSSATZUNG DUISBURG-HUCKINGEN

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Nach § 5 des Denkmalschutzgesetzes in Nord-rhein-Westfalen (DSchG NRW) werden Denkmal-bereiche durch Satzung der Gemeinde unterSchutz gestellt. Die Unterschutzstellung einesDenkmalbereichs bedarf der Genehmigung derOberen Denkmalbehörde, hier das RheinischeAmt für Denkmalpflege. Denkmalbereiche be-zeichnen Gebiete, in denen Maßnahmen nach § 9DSchG NRW erlaubnispflichtig sind. Es ist anzu-geben, aus welchen Gründen das Gebiet als Denk-malbereich festgesetzt wird, erläuternde Pläne

und Darstellungen sindzum Bestandteil der Sat-zung zu erklären. Wesent-liche Teile der Satzung sinddaher die Darstellung derAbgrenzung des räumli-chen und sachlichen Gel-tungsbereiches, die Be-gründung zur Unterschutz-stellung des Denkmal-bereichs sowie die Dar-stellung der Rechtsfolgen.Die Erarbeitung einerDenkmalbereichssatzungfür den zur Stadt Duisburggehörenden Ortsteil Huck-ingen wurde 2001 von derStadt Duisburg in Auftraggegeben.

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DENKMALBEREICHSSATZUNG DUISBURG-HUCKINGEN

Denkmalbereichssatzung für „Duisburg-Huckingen“

Dipl.-Ing. Volker Kirsch

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2 Abgrenzung und Darstellung von Gebieten mit denkmalwerter, erhaltenswerter und möglicherweise erhaltenswerter Bausubstanz

3 Analyse bestehender Planungen4 Kartierung der Bau- und Bodendenkmäler5 Systematische Erfassung der Gefährdungs-

faktoren

B Maßnahmen- und Handlungskonzept

Die Form der Bearbeitung war an dem Grund-gedanken orientiert, dass die Ziele des Denkmal-schutzes sich insbesondere dann verwirklichen las-sen, wenn sie von einer breiten Öffentlichkeit getra-gen werden. So wurden die innerhalb des Stadt-bezirks tätigen Denkmal- und Geschichtsvereine indie Arbeit miteingebunden, genau so wie die örtli-chen Bürgervereine, mit deren Vertretern gemein-same Ortsbegehungen durchgeführt wurden. ZurBegleitung der Arbeiten wurde ein Arbeitskreis ge-bildet, in dem die wesentlichen Inhalte diskutiert undabgestimmt wurden. Von den Bearbeitern wurdenalle historischen Bereiche im Stadtbezirk Bonn-Beuel begangen. Die dabei erstellten Kartenent-würfe zur Erfassung der Baudenkmäler, der zusätz-lich erhaltenswerten Bausubstanz und möglicher Ab-grenzungen der vorgeschlagenen Denkmalbereichewurden ausgearbeitet. Anschließend fanden in je-dem Ortsteil Begehungen unter Beteiligung desStadtplanungsamtes, der Unteren Denkmalbehördeund der örtlichen Vereine statt, auf denen die Ar-beitsergebnisse diskutiert und ergänzt wurden.

Die Inhalte des Denkmalpflegeplans werden invier Kartensätzen mit 13 Einzelblättern dargestellt:

Karte I Historische Ortsstruktur 1820 - 1895 - 1957 - 1995

Karte II Historische Elemente (Denkmäler / erhaltenswerte Strukturen)

Karte III Historische Elemente (Wirtschaftsstand-orte / erhaltenswerte Strukturen)

Karte IV Historische Elemente / rechtskräftige Bebauungspläne / Landschafts- und Naturschutzgebiete

Der Denkmalpflegeplan nennt alle rechtskräftig indie Denkmalliste eingetragenen Bau- und Boden-denkmäler. Über diesen Bestand hinaus zeigen sichin den historischen Ortslagen zahlreiche weitere his-

torische Objekte, die das Ortsbild prägen. Ein Ver-lust dieser Objekte würde zu einem Verlust im Orts-bild führen. So unterscheidet das Denkmalschutz-gesetz im § 25 zum einen Baudenkmäler (§ 2 Abs.2 DSchG), erhaltenswerte Bausubstanz (§ 25 Abs. 2 Nr. 2) sowie bauliche Anlagen, die nicht imZusammenhang mit dem Denkmalschutz stehen.

Die Kartierung dieser Objekte zeigt deutlich, dassder Stadtbezirk Bonn-Beuel eine Reihe von Quartie-ren mit einem dichten Bestand an „erhaltenswertenGebäuden" besitzt. Führt die Summe dieser Objektezu einem heute noch erlebbaren historischen Er-scheinungsbild, so wurden diese Quartiere als „his-torisch geprägte Ortslage" (siehe nachstehend) aus-gewiesen. Die Benennung als „erhaltenswertes Ge-bäude" führt zu keinen rechtlichen Konsequenzen fürden Eigentümer. Soweit das als „erhaltenswert" ein-gestufte Objekt nicht in einem Denkmalbereich liegt,können von Seiten der Denkmalpflege keine Auflagenhinsichtlich Erhaltung und Gestaltung gemacht wer-den. Mit der Kartierung der im großen Umfang er-halten gebliebenen „erhaltenswerten Substanz"zeichnen sich aber jene Objekte bzw. Bereiche ab,die in besonderer Weise zum Erscheinungsbild derhistorisch gewachsenen Ortsstruktur beitragen. Da-mit wird ein Signal gegeben, bei Maßnahmen an denObjekten bzw. im Umfeld besondere Sorgfalt waltenzu lassen. Im Kartensatz 2 „Historische Elemente:Denkmäler, erhaltenswerte Strukturen" sind die Ge-bäude kartiert, die in die Denkmalliste der Stadt ein-getragen sind, die von den Bearbeitern zur Überprü-fung auf ihren Denkmalwert vorgeschlagen wurdensowie jene Objekte, die von den Bearbeitern zusätz-lich als erhaltenswert benannt wurden. Durch dieseKartierung zeichnen sich Bereiche mit hoher Dichtean denkmalwerten (denkmalgeschützten) bzw. erhal-tenswerten Objekten ab. In diesen Bereichen ist diehistorisch gewachsene Ortsstruktur noch erlebbar.

Neun dieser insgesamt siebzehn Bereiche weiseneine so hohe Bedeutung auf, dass steuernde Maß-nahmen zur Erhaltung dieser Bereiche angeratensind. Ihre Ausweisung als Denkmalbereich wird da-her empfohlen. Weitere sieben Bereiche werden als„historisch geprägte Bereiche" benannt. Zusätzlichwird auf Grund der hohen Dichte an Relikten der In-dustriegeschichte das Umfeld der Ortslage Nieder-holtorf als bedeutende historisch geprägte Indus-trielandschaft benannt.

DENKMALPFLEGEPLAN BONN-BEUEL

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Im September 1999 beauftragte die Stadt Bonndie Fakultät für Architektur der FH Köln mit der Er-arbeitung der Grundlagen für den Denkmalpflege-plan Bonn-Beuel. Dieser umfasst mit dem Stadtbe-zirk Bonn-Beuel das ganze rechtsrheinische Stadt-gebiet. Die gesetzliche Grundlage für den Denkmal-pflegeplan liefert das „Gesetz zum Schutz und zurPflege der Denkmäler im Lande Nordrhein-West-falen" (Denkmalschutzgesetz / DSchG). Dieses be-stimmt in § 25, dass Gemeinden Denkmalpflege-pläne aufstellen und fortschreiben sollen und nenntdazu Aufgaben und Ziele. Danach gibt der Denkmal-pflegeplan die Ziele und Erfordernisse des Denkmal-schutzes und der Denkmalpflege sowie die Darstel-lungen und Festsetzungen in der Bauleitplanungnachrichtlich wieder. Gemäß den Bestimmungen des§ 25 DSchG enthält der Denkmalpflegeplan als Ele-mente: die Bestandsaufnahme und Analyse des Ge-bietes der Gemeinde unter siedlungsgeschichtlichenGesichtspunkten, dazu die Darstellung der Bau- undBodendenkmäler, der Denkmalbereiche, der Gra-bungsschutzgebiete sowie – nachrichtlich – der er-

haltenswerten Bausubstanz und schließlich ein Pla-nungs- und Handlungskonzept zur Festlegung derZiele und Maßnahmen, mit denen der Schutz, diePflege und die Nutzung von Baudenkmälern im Rah-men der Stadtentwicklung verwirklicht werden sol-len. Auf dieser Grundlage wurde von der StadtBonn gemeinsam mit der FH Köln für den Denkmal-pflegeplan Bonn-Beuel als Gliederung erarbeitet:

A Verfeinerung des vorliegenden Grundlagen-berichtes

1 Siedlungsgeschichtliche Entwicklung1.1 Knappe Darstellung der siedlungsge-

schichtlichen Entwicklung durch die Aus-wertung der historischen Siedlungskarten (Tranchot/Müffling / Urkataster)

1.2 Bearbeitung von Einzelthemen, die für die heutige Situation von Bedeutung sind:- Industrie und Gewerbe- Abbau von Bodenschätzen- Bahnanlagen

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DENKMALPFLEGEPLAN BONN-BEUEL

Der Denkmalpflegeplan Bonn-Beuel

Dr. Norbert Schöndeling

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Diese Frage gab dieStadt Dinslaken an die Fa-kultät für Architektur derFachhochschule Köln wei-ter. Dort wird im Rah-men eines entsprechen-den Forschungsprojektesdie Geschichte der Sied-lung und deren gestalte-rische Merkmale aufge-arbeitet.

Die Bearbeitung be-gann mit der Durchsichtder vielen hundert Bau-akten, die zu einem gro-ßen Teil aus der Erbau-ungszeit stammen. Esfanden zahlreiche Begeh-ungen und Untersuchun-

gen vor Ort statt. Die Bearbeitung erfolgt dabei inenger Abstimmung mit dem „Forum Alt-Lohberg“,einem Arbeitskreis der örtlichen Vereine, die sichum die Pflege der Zechensiedlung und das sozia-le Miteinander bemühen. Ein eigens gebildeterArbeitskreis begleitet die Arbeiten der FH Köln.Vorgesehen sind Gesprächsrunden mit den Bür-gern sowie eine Ausstellung und eine Veröffentli-

chung. Ziel ist, mit mög-lichst vielen Bewohnernins Gespräch zu kom-men. Ein wichtiges The-ma werden dabei u.a. dieVeränderungen darstel-len, die die Siedlung,nicht zuletzt auch durchdie Verluste des II. Welt-krieges, erfahren hat.Das Ergebnis wird eine

Gestaltungssatzung sein, die in ihrem Erläute-rungsteil Empfehlungen für die Gestaltung derGebäude und des Gebäudeumfeldes enthält.

Abb. 1: Steigergasse 8Abb. 2: Haldenstraße 28 - 34

Abb. 3: Stollenstraße 13

GESTALTUNGSSATZUNG ZECHENSIEDLUNG ALT-LOHBERG

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Ab 1908 wurde von der damaligen Zeche„Gewerkschaft Deutscher Kaiser“, Hamborn, dieZechensiedlung Lohberg in Dinslaken errichtet. Inweniger als 20 Jahren entstand eine Werkssied-lung, die mit Konsumanstalt, Casino, Schulen undKinderheimen zu den modernsten, vorbildlichstenSiedlungen ihrer Zeit gehörte. Obwohl einheitlichgeplant, sollte die Siedlung mit ihrem Grundrissund ihren Gebäuden den Eindruck eines gewach-senen Ortes vermitteln.

Auch heute noch ist diese Planungsidee ables-bar. Aus gutem Grund wurde die Siedlung daherbereits als Denkmalbereich ausgewiesen und eineGestaltungssatzung von der Stadt Dinslaken er-lassen. Diese beiden Rechtsinstrumente garan-tieren jedoch allein keineswegs den Erhalt derSiedlung. Insbesondere an jenen Gebäuden, dievon der Wohnungsgesellschaft an Privat verkauftwurden, werden umfangreiche Renovierungen und

Veränderungen vorgenommen, die auf das bishereinheitliche Erscheinungsbild wenig Rücksichtnehmen. Ebenso umfangreiche Veränderungenzeigen sich im Umfeld der Gebäude. So konntebisher keine gemeinsame Sprache bei der nach-träglichen Errichtung von Garagen und der Ein-zäunung der Grundstücke gefunden werden. Diegültige Gestaltungssatzung erbrachte nicht dieerforderlichen Ergebnisse.

Solche Satzungen bedürfen daher in regelmä-ßigen Abständen der Überprüfung und Aktualisie-rung. Dabei bedeutet die Ausweisung als Denk-malbereich keineswegs das „Einfrieren“ aller Bau-absichten. Die Gebäude und auch das Umfeldmüssen sich selbstverständlich immer wieder neuden veränderten Anforderungen anpassen. Dabeistellt sich auch immer wieder neu die Frage, wiedies geschehen kann, damit auch weiterhin derbesondere Charakter der Siedlung erhalten bleibt.

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GESTALTUNGSSATZUNG ZECHENSIEDLUNG ALT-LOHBERG

Gestaltungssatzung für die Zechensiedlung Alt-Lohberg

Dr. Norbert Schöndeling

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weist. Auch diese sollen durch die bestands-sichernde Erhaltungssatzung geschützt werden.

Die Gestaltungssatzung nach § 86 BauO NRWgeht über die Erhaltung der vorgefundenen Merk-male hinaus. Bezogen auf die Fragestellung nacheiner Erhaltung der unverputzten Steinoberflächenist die Gestaltungssatzung nicht das geeignete In-strument, da sie ein Instrument zur Steuerung derzukünftigen Gestaltung des Ortsbildes darstellt.

Es muss zunächst geklärt werden, ob und wie dievorgefundenen Merkmale die künftige Gestaltungmittels Satzung bestimmen sollen. Hierbei müssenjedoch vorab die Fragen beantwortet werden:

• ob diese vorgefundenen Merkmale bei Neubauten zu übernehmen sind oder aber

• ob dafür die Verwendung bestimmter Materialien auszuschließen und auf wenige ver-trägliche Materialien zu beschränken sind oder

• ob diese Festsetzungen ausschließlich für die Mauern als Einfriedungen gelten sollen,

während andere Merkmale wie Sockel, auf-gehendes Mauerwerk und Pflaster künftig zu vernachlässigen sind.

Bei einer Modifizierung der bestehenden Gestal-tungssatzung ist zu bedenken, dass Vorschriftenfür die Verwendung von unverputzten Naturstein-fassaden langfristig zu einer Homogenisierung Pa-derborns führen könnten, die historisch nicht be-gründbar ist. Unverputzte Mauern und Fassadensind in weiten Bereichen ein Gestaltungselementunter vielen, das aber nicht generell im gesamtenStadtkern anzutreffen ist.

Abb. 1: Busdorfkirche Abb. 2: Dom in Paderborn

Abb. 3: Steinsichtige Fassaden, Mauern undBodenbeläge:

Gelb: Natursteinpflaster Orange: Kalksteinsichtigkeit, glatte OberflächeRot: Kalksteinsichtigkeit, Bruchsteinoberfläche

Rosa: Tudorfer Pflaster

GESTALTUNGSSATZUNG KERNSTADT PADERBORN

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Die Erstellung einer Machbarkeitsstudie alsGrundlage zur Erarbeitung einer Gestaltungssat-zung für das historische Zentrum von Paderbornwurde im April 2002 beauftragt. Ausgangspunktder Machbarkeitsstudie war eine auf Grund derVerputzung der Busdorfkirche eingesetzte Dis-kussion um die Sicherung steinsichtiger Gebäudein Paderborn. Ziel der Studie sollte die Bewer-tung der „Steinsichtigkeit“ denkmalgeschützterund denkmalwerter Sakral- und Profanbautensowie historischer baulicher Anlagen und Grund-stücksmauern sowie ggfs. die Bestimmung derForm ihres Schutzes sein.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die„Steinsichtigkeit“ historischer Fassaden, Gassenund Mauern als eines der wesentlichen Merk-male der Stadtgestalt in weiten Teilen des

Zentrums von Paderborn vorhanden ist. Von ihrgeht eine das Erscheinungsbild prägende Wir-kung aus, die erhaltenswert ist. Der Schutz desMerkmals „Steinsichtigkeit“ kann grundsätzlichdurch den Erlass einer Erhaltungssatzung gem. § 172 Bau GB erreicht werden. Nicht ganz aus-zuschließen sind jedoch das heutige Erschei-nungsbild verändernde Sicherungsmaßnahmen(z.B. Pietra-Rasa-Putz oder Verschlämmen derFlächen), die aus konservatorischen Gründennotwendig bzw. entsprechend einer befundge-treuen Präsentation nachvollziehbar sind.

Darüber hinaus zeigt die Studie auf, dass derhistorische Stadtkern von Paderborn in umfang-reichen Bereichen weitere prägende Merkmale(Wirkung verputzter Bauten, Raum- und Platz-folgen, Stadtgrundriss und -Silhouette, etc.) auf-

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GESTALTUNGSSATZUNG KERNSTADT PADERBORN

Machbarkeitsstudie „Gestaltungssatzung für die historischeKernstadt Paderborn“

Dipl.-Ing. Volker Kirsch

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Denkmalbereichs- und Umfeldplanung“, das zumWintersemester 1986/87 an der Kölner Architek-tur-Fakultät eingerichtet wurde, nur folgerichtig.

Durch das nordrhein-westfälische Denkmal-schutzgesetz von 1980 wurden die Städte undGemeinden zu Unteren Denkmalbehörden erklärt.Auf diese Weise entstanden 396 Behörden imLand, die mit Fachpersonal ausgestattet werdenmussten. Darüber hinaus zeichnete sich zuneh-mend ab, dass die Architektinnen und Architektenbesondere Fachkenntnisse benötigten, um die ge-bauten Zeugnisse der Geschichte zu bewahren.Daher entwickelte sich schon bald bei der nord-rhein-westfälischen Landesregierung der Plan, inNordrhein-Westfalen ein entsprechendes Zusatz-studium einzurichten.

Aus gutem Grund fiel die Wahl auf Köln. In Jür-gen Eberhardt fand die Landesregierung einen be-geisterten Mitstreiter, der umfangreich an der Ent-wicklung des Curriculums mitwirkte. Erklärtes Zielwar von Beginn an, wissenschaftlich fundierte Aus-bildung mit praktischer Erfahrung zu kombinieren.Aus diesem Grund bildeten die Lehrbaustellen fürSteinrestaurierung in Eschweiler-Nothberg und fürHolzrestaurierung im Bergischen Freilichtmuseumin Lindlar von Beginn an feste Elemente im Lehr-plan; eine Besonderheit in der bundesdeutschenHochschullandschaft. Jürgen Eberhardt gelang esdarüber hinaus, kompetente Dozentinnen und Do-zenten zu werben. Dies mit nachhaltigem Erfolg.Viele sind seit über 17 Jahren lehrend an der FHKöln tätig.

Denkmalpflege bedeutet intensive Auseinander-setzung mit dem Objekt bzw. der Stadt. Die Ein-bindung von Aufgabenstellungen der denkmalpfle-gerischen Praxis in die Lehre gehört daher zumSelbstverständnis der Hochschule. Die enge Ver-bindung von Forschung und Lehre war daher Jür-gen Eberhardts erklärtes Ziel.

Auch nach seinem Ausscheiden aus der staatli-chen Bauverwaltung wurde er als Berater immerwieder gerufen. Beginnend mit einem Forschungs-auftrag zur Erhaltung und Präsentation der ausdem 16. Jahrhundert stammenden Zitadelle in Jü-lich, konnte Jürgen Eberhardt 1988 einen Dritt-mittelforschungsbereich aufbauen, der schnell An-

erkennung im Land fand. Insbesondere mit demseit 1991 realisierten Forschungsprojekt „Archäo-logische Bestandserhebung in den historischenStadt- und Ortskernen in Nordrhein-Westfalen“ be-schritt Jürgen Eberhardt Neuland auf dem Gebietder wissenschaftlichen Stadtkernforschung. Davonprofitierte die Lehre an der Fakultät unmittelbar.Eine große Zahl an Studierenden konnte seit 1988berufliche Erfahrungen sammeln. Das von JürgenEberhardt aufgebaute Labor für Vermessung undFotogrammetrie konnte nicht zuletzt durch dieProjekte der Forschung auf aktuellem Stand gehal-ten werden und ist heute in der Lage, auch schwie-rige und komplexe Baustrukturen digital zu erfas-sen.

Jürgen Eberhardt ist dabei Perfektionist. Ver-schiedentlich zum Leidwesen seiner Mitarbeiterwurde oft bis kurz vor einer Präsentation noch ankleinsten Details gefeilt. Dahinter steckt sein aus-gegebener Grundsatz, dass man sich einen gutenRuf mit hundert Projekten aufbauen und mit nureinem Projekt wieder zerstören kann.

So wie die Denkmalpflege immer wieder neuihre Bedeutung für die Gesellschaft definieren undverdeutlichen muss, so hatte Jürgen Eberhardtauch immer wieder neu die Denkmalpflegelehreinnerhalb der Architektenlehre zu verteidigen. Dieswar keineswegs immer einfach. Manchen Tief-schlag und persönlichen Angriff hatte er einzuste-cken. Aber fest überzeugt von der Wichtigkeit undRichtigkeit der gestellten Aufgabe und gestütztdurch die Landesregierung und das Rektorat, be-hielt er Rückgrat. Wahrscheinlich half ihm hier sei-ne westfälische Standhaftigkeit, manchen (rheini-schen) Sturm zu überstehen.

Eine große Zahl an Architektinnen und Architek-ten hat er für die Aufgaben der Denkmalpflegebegeistern können. Viele sogar so nachhaltig, dasssie Denkmalschutz und Denkmalpflege ganz zuihrem Beruf machten.

Jürgen Eberhardt hat im Rheinland und inWestfalen deutliche Spuren hinterlassen. Er kannnach 32 Jahren die Hochschule mit aufrechtemGang und erhobenem Haupt verlassen.

Gratulation!

ZUR PERSON – JÜRGEN EBERHARDT

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Jürgen Eberhardt wurde am 8. Juli 1940 inOsnabrück als erstes von zwei Kindern des Kauf-manns Erich Eberhardt und seiner Ehefrau Mar-tha, geborene Oberhellmann, geboren. Verheira-tet mit der Lehrerin Heide Eberhardt, geboreneTrockels, ist er Vater von einer Tochter und zweiSöhnen.

Nach dem Besuch der Grundschule in Len-gerich/Westfalen und dem Amtsgymnasium inIbbenbüren nahm er nach erfolgreicher Abiturprü-fung zum Wintersemester 1960/61 das Architek-turstudium an der RWTH Aachen auf. Seine erstenbaugeschichtlichen Prägungen erhielt er als stu-dentische Hilfskraft am Institut für Kunstgeschich-te bei Prof. Dr. Braunfels. Noch während seinesHauptstudiums wurde er für ein Semester als Ar-chitekturzeichner an die Bibliotheca Hertziana (Max-Planck-Institut) nach Rom entsandt. Hier wurde erentgültig mit dem „Renaissance-Bazillus“ infiziert;einer Krankheit, die ihn nicht mehr loslassen sollte.

Dem Architektur-Diplom 1966 schloss sich dasPromotionsstudium an. Er wählte das Thema „DasKastell von L’Aquila degli Abruzzi und sein ArchitektPyrrhus Aloisius Scrivà“. Hierzu erhielt er von1966 bis 1968 ein Stipendium der Max-Planck-Gesellschaft an der Bibliotheca Hertziana in Rom.Es folgte 1969 ein Promotionsstipendium derStudienstiftung des Deutschen Volkes.

Zum 1. Juni 1969 konnte Jürgen Eberhardtseine Tätigkeit als Architekt beim Staatshochbau-amt Aachen aufnehmen. Auf Grund seiner Renais-sance-Kenntnisse wurde er insbesondere mit denWiederherstellungsarbeiten in der von dem italie-nischen Architekten Alessandro Pasqualini errich-teten Zitadelle in Jülich betraut.

Zum Wintersemester 1971/72 wurde er zumProfessor an die gerade errichtete FachhochschuleKöln gerufen. Neben dem Entwurf kristallisiertesich schon bald die Denkmalpflege-Lehre als seinSchwerpunkt heraus. Zuletzt lauteten seine Tätig-keitsmerkmale „Baudenkmalpflege, Erhaltungs- und

Nutzungskonzeptionen“. Jürgen Eberhardt gehörtdamit zu jenen, die das Werden des Kölner Fach-bereichs von seiner Gründung an mitgestaltendurften. Damit kann er auf 32 Jahre Forschung undLehre zurückblicken, oder 64 Semester Studium,wie er lieber zu sagen pflegt.

Jürgen Eberhardt ist Lehrer mit Leidenschaft.Mit oft bewundernswerter Geduld feilte er mit sei-nen Studentinnen und Studenten an möglichstdenkmalverträglichen Erhaltungs- und Nutzungs-konzeptionen. Dabei sparte er durchaus nicht anKritik. Diese war jedoch immer konstruktiv undnachvollziehbar. Das wurde von den Studierendengeschätzt, und so konnte er sich in all den Jahrenüber mangelnden Zulauf nie beschweren.

Denkmalpflege kann nur mit Leidenschaft be-trieben werden oder gar nicht. Diese Leidenschaftfür das bauliche Erbe versuchte er in seinen Vor-lesungen und zahlreichen Exkursionen zu vermit-teln. Zur Leidenschaft muss für ihn aber stets auchKompetenz und Respekt hinzu kommen; Respektvor dem Geschichtszeugnis und seiner originalenSubstanz. Seine größte Genugtuung hatte er stets,wenn er bei einer Diplomarbeit oder einer Ab-schlussarbeit im Zusatzstudium erkennen konnte,dass aus den Studierenden qualifizierte Architek-ten für die Denkmalpflege geworden waren. „Ichglaube sie(er) kann es!“, kam dann meist nur kurz.

Jürgen Eberhardt hat, obwohl dies von man-chem immer wieder mit großer Hartnäckigkeit be-hauptet wurde, nie Denkmalpflegerinnen und Denk-malpfleger ausgebildet, sondern stets nur Archi-tekten/innen. Diese sollten allerdings mit einer zu-sätzlichen, ergänzenden Qualifikation in der Denk-malpflege ausgestattet werden. Auf diese feine,aber entscheidende Feststellung legte er stetsWert. Ein Architekt in der Denkmalpflege muss alleFachkenntnisse besitzen, die ein „normaler“ Archi-tekt ebenfalls besitzt. Das für den Denkmalschutzund die Denkmalpflege erforderliche Fachwissenmuss dann ergänzend hinzu kommen. So war derWeg zum Zusatzstudium „Baudenkmalpflege,

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ZUR PERSON – JÜRGEN EBERHARDT

Zur Person – Prof. Dr.-Ing. Jürgen EberhardtDr. Norbert Schöndeling

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Projektleitung:Prof. Dr.-Ing. Jürgen Eberhardt

Geschäftsführung:Dr.-Ing. Norbert Schöndeling

Wissenschaftliche Mitarbeiter im Werkvertrag:

Dipl.-Ing. Jost BroserDipl.-Ing. Ekkehard KandlerDipl.-Ing. Volker KirschDipl.-Ing. Karla KriegerKevin Lynch M.A.Jadwiga Pilarska M.A.

sowie

Dr. phil Gabriele BöhmIngo Buhren M.A.Udo Fabesch M.A.Ava Jasmin Fatah M.sc.Dipl.-Ing. Karl-Rüdiger HofenDr. Klaus-Dieter KleefeldDipl.-Ing. Henriette KlompmakerDipl.-Ing. Gisela KunzeAndreas Kupka M.A.Arch. Graciela Morel de GilMarianne Moser M.A.Dipl.-Ing. Ulrich SchaafHans-Peter Schletter M.A.Dr. Christiane Weiser

Sowie:Christiane Kirsch (Internet)Peter Knösel (EDV)Anna Koll-Broser (Veröffentlichungen)Bettina Rösgen (Sekretariat)

Studentische Mitarbeiter und Fachpraktikanten:

Nazem S. AhmedStefan AmsbeckNicola BachHans-Joachim BeinLuz Leon Bejarano de JustoChristine BewersdorffDaniel BirdMonika BrüggemannAlexander BüchlerSandra CanisiusMichele CotzaAlexandra CuberHelmut DietzAndreas DoerenkampThomas EberhardtAgnes ErdösJ. Bustamante FloresThomas GärtnerBodo GerlingAbel Gil BoscoZafer GörürA. GrafMiguel Guimaraes da RochaUte HaasMonika HaertelFrank HageClaudia HausmannTanja HayerOliver HeckelClaudia HerberJörg HolzschneiderAndreas JardinJuliane JürgesVassilia Kerestetzi Monika KnorrDaisuke KomuroBirol KoniMichael KoppenburgArnd KrieglerElke KruegerAndrew LeikKarl-Heinz LintveldHelga LöcherKovith LyKatrin Martini

KOLLEGEN UND MITARBEITER

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KOLLEGEN UND MITARBEITER

Kollegen und Mitarbeiter:

Prof. Dr.-Ing. Jürgen Eberhardt Baudenkmalpflege, Planen im Bestand, Baudokumentation(Institutsdirektor)

Prof. Dr. M. Grüterich Kunstwissenschaften, insbesondere Kunst des 20. Jh.Prof. Dr. R. Hempel Ingenieurhochbau und TragwerkslehreProf. Dr. M. Werling Baugeschichte, Stadtbaugeschichte und EntwerfenDipl.-Ing. M. Rentrop-Yen (wissenschaftliche Mitarbeiterin)

im Zusatzstudium „Baudenkmalpflege, Denkmalbereichs- und Umfeldplanung“

Dipl.-Ing. J. Broser Bauaufnahme IIProf. Dr.-Ing. J. Eberhardt Erarbeitung einer Erhaltungskonzeption

Praxisprojekt SteinkonstruktionenProf. Dipl.-Ing. B. Franken Traditionelle BautechnikenProf. Dr. R. Hempel Historische TragwerkeDr. A. Jürgens ArchäologieDipl.-Ing. A. Kotitschke Praxisprojekt SteinkonstruktionenProf. Dipl.-Ing. U. Kuhn Traditionelle BautechnikenDr. B. Precht-von Taboritzki Stadterhaltung als Aufgabe der StadtentwicklungDipl.-Ing. H. A. Preißler Technischer Ausbau in denkmalwerten GebäudenDipl.-Ing. H. Rosenkranz Praxisprojekt SteinkonstruktionenDipl.-Ing. H. Schmitz Sondergebiete der WerkstofflehreDr. N. Schöndeling Dokumentation

Konservierungs- und SanierungstechnikenProf. Dr.-Ing. M. Schütz Historische TragwerkeProf. Dr. D. Suflet Bauphysikalische Untersuchung historischer KonstruktionenDr. F. Talbot Bau- und DenkmalrechtDipl.-Ing. H. Walgern Erarbeitung einer Ortssatzung oder DenkmalbereichssatzungDipl.-Ing. D. Wenig Praxisprojekt HolzkonstruktionenProf. Dr. M. Werling Sondergebiete der BaugeschichteDr. T. Werner Sondergebiete der Baugeschichte / BaugeschichteB. Zinn Praxisprojekt Holzkonstruktionen

im Institut für Baugeschichte und Denkmalpflege

im Lehr- und Forschungsgebiet Baudenkmalpflege

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Bernd Michael MaurerKarin MayerR. MeissnerVolker MichelswirthSabine MixRalf MüldersNicola NaeckelZohreh OvisiAnette Paetz gen. SchieckOrania PapadimitrouF. ParaskevaidisManfred PietschWilhelm Plattner Jasna PopovicJoanna PortmannSabine QuantiusSven RehagelD. ReinhardtP. RicharzUrsula RotheJörg RuckesPetra RugeMascha RyborschClaudia SchmidtkeA. SchmitzDieter SchmitzSilke Schneider Christian SchniedersRaimund SchumacherBarbara SiefenPetra SimonsJudith StahlNassim StammelPascale StangierDagmar StegemannKrystyna Szczepanska-MayRoland TauberNicole von der LoheBenjamin WardemannMonika WichtowskaMonika WinggenErnst-Jürgen WilkeHorst WinklerNicole WittkämperThomas WrobelKofi YeboahChristiane ZappJohannes Zündorf

Für die Bearbeitung des historischen Stadtkernsvon Soest wurde eine Zusammenarbeit mit demAusbildungsgang "Denkmaltechnischer Assistent"der Boerdeschule Soest möglich. Aus diesemAusbildungsgang wirkten mit:

Christiane BonkElke BucklerAndreas EckhoffRobert EickhoffJürgen FränzeGeorg zur HeidenAndreas MergnerNicole MoheitAndreas RömmeSwantje SaadhoffBastian SchniggenfittichMarc SchnurbusAnja SchuchhardtBirgit SchuleraUrs von Vacano

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KOLLEGEN UND MITARBEITER