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IN SIEBEN SCHRITTEN ZUR KOMPETENZ Problembasiertes Lernen Lehrende in der Pflege müssen den Spagat schaffen zwischen einer komplexer werdenden Pflegewirklichkeit und den von der Digitalisierung geprägten Lehr- und Lernmethoden der „Generation Z“. Die Gesundheits- und Krankenpflegeschule am Klinikum Nordschwarzwald nutzt dazu das Siebensprung-Modell des problem- basierten Lernens. Der Beitrag beschreibt erste Erfahrungen am Beispiel der Vermittlung von Pflegeberatungskompetenz. Text: Elisabeth Sehmsdorf, Carmen Dölling, Andreas Dummert 68 Die Schwester | Der Pfleger 11 |19 Problembasiertes Lernen Problembasiertes Lernen ist eine Lernmethode, der ein pädagogisch-didaktisches Verständnis des gemäßigten Konstruktivismus zugrunde liegt, das die Lernenden in die Eigen- verantwortlichkeit führt. Ziele [2] sind n selbstständiges und strukturiertes Lösen von Problemen, n Entwicklung von begründetem Entscheiden, n Ausbau von sozialen und kommunikativen Kompetenzen, n Anbahnen von Transferfähigkeit in die Praxis, n Stärkung der Fähigkeiten zur Selbstreflexion. – Nur zum privaten Gebrauch –

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Page 1: IN SIEBEN SCHRITTEN ZUR KOMPETENZ · SCHRITTEN ZUR KOMPETENZ Problembasiertes Lernen Lehrende in der Pflege müssen den Spagat schaffen zwischen einer komplexer werdenden Pflegewirklichkeit

IN SIEBEN SCHRITTEN ZUR KOMPETENZProblembasiertes LernenLehrende in der Pflege müssen den Spagat schaffen zwischen einer komplexer werdenden Pflegewirklichkeit und den von der Digitalisierung geprägten Lehr- und Lernmethoden der „Generation Z“. Die Gesundheits- und Kranken pflegeschule am Klinikum Nordschwarzwald nutzt dazu das Siebensprung-Modell des problem- basierten Lernens. Der Beitrag beschreibt erste Erfahrungen am Beispiel der Vermittlung von Pflegeberatungskompetenz.

Text: Elisabeth Sehmsdorf, Carmen Dölling, Andreas Dummert

68 Die Schwester | Der Pfleger 11 |19

� Problembasiertes LernenProblembasiertes Lernen ist eine Lernmethode, der ein pädagogisch-didaktisches Verständnis des gemäßigten Konstruktivismus zugrunde liegt, das die Lernenden in die Eigen- verantwortlichkeit führt. Ziele [2] sindn selbstständiges und strukturiertes Lösen von Problemen,n Entwicklung von begründetem Entscheiden,n Ausbau von sozialen und kommunikativen Kompetenzen,n Anbahnen von Transferfähigkeit in die Praxis,n Stärkung der Fähigkeiten zur Selbstreflexion.

– Nur zum privaten Gebrauch –

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DDie Verantwortlichen der Gesundheits- und Krankenpflegeschule am Klinikum Nord-schwarzwald gingen in der Entwicklung der Lerneinheit zur Thematik „Beratung in der Pflege“ folgenden Fragestellungen nach:n Wie kann es also gelingen, den sich verän-

dernden Bedingungen der Gesellschaft auf beiden Seiten des demografischen Wandels im Rahmen der Pflegebildung gerecht zu werden?

n Wie können Auszubildende an ein lösungs-orientiertes Handeln herangeführt werden?

n Wie kann dieses Handeln geübt, vertieft und in der Praxis anwendungsfähig abgeru-fen werden?

n Wie kann die im Pflegeberufegesetz [1] geforderte Kompetenzorientierung in der Ausbildung und Prüfung sichergestellt werden?

Praxisnahe Problemaufgabe

Zunächst entwarfen die Pädagoginnen eine Problemaufgabe, die dem Kenntnis- und Erfah-rungsstand der Lernenden im zweiten Ausbil-dungsjahr angemessen war. Dazu generierten sie die Aufgabe anhand einer praxisnahen, rea-len Pflegesituation. Die Fallbeschreibung bezog sich auf ein Pflegesetting im Rahmen einer vor-herigen Praxisbegleitung der Auszubildenden auf einer geriatrischen Station.

Diese Problemaufgabe wurde zum Aus-gangspunkt aller weiteren Planungen. So orien-tierte sich die Konzeption eines Skillstrainings, innerhalb dessen die Lernenden ihre Bera-tungskompetenzen einüben konnten, an dieser realistischen Situation.

Die Ergebnispräsentation der erarbeiteten Lerninhalte sollte als konkrete Beratungssitua-tion mit einem von der Pflegeschule aquirierten und instruierten Schauspieler als Simulations-patienten erfolgen. Auch hier diente die au-thentische Pflegesituation als Grundlage für ei-ne exakte Rollenbeschreibung. Ill

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70 Die Schwester | Der Pfleger 11 |19

dig die zentrale Lernfrage: „Wie berate ich ei-nen Menschen mit eingeschränkter Lebens-energie, damit er psychisch und physisch selbstständiger wird?“ Aus dieser übergeordne-ten Lernfrage entwickelten die Lernenden weitere Lernziele (Auszug):n Welche Rahmenbedingungen müssen ge-

geben sein, um eine gelungene und ver-trauensvolle Kommunikation zu erreichen?

n Wie läuft eine professionelle Beratung ab?n Welche Fragen können gestellt werden, um

die bestehenden oder beobachteten Pro-bleme anzusprechen oder zu bearbeiten?

n Wie kann der Muskelaufbau des Patienten gefördert werden, ohne das Risiko eines Sturzes zu erhöhen?

In der anschließenden Recherchezeit bearbei-teten die Lernenden die zuvor identifizierten persönlichen Wissenslücken. Als Arbeitsma-terial standen thematisch zusammengestellte Reader, PC mit Internetzugang und Lehrbü-cher zur Verfügung.

Eigenständiger Lösungsweg

Das Projekt wurde auf insgesamt 28 Unter-richtseinheiten verteilt und zeitlich zusam-menhängend in zwei aufeinanderfolgenden Wochen umgesetzt (Tab. 1).

Da die Lernenden die Methode pro-blembasierten Lernens (PBL, Textkasten) nicht kannten, erhielten sie zunächst eine Einführung zu den theoretischen Grundla-gen. Nach Aushändigung der Problemaufga-be und einer 60-minütigen Vorlesung zum Thema Beraten, Anleiten und Schulen erar-beiteten sich die Auszubildenden innerhalb größtmöglicher Selbstständigkeit die erfor-derlichen Lerninhalte. Der gesamte Prozess orientierte sich am „Siebensprung-Modell“ [3] (Tab. 2).

Um Selbstlernkompetenz und Problemlö-sungsfähigkeiten der Auszubildenden zu för-dern, begleiteten die Pädagoginnen diesen Lernprozess lediglich als Tutorinnen durch achtsam gewählte Impulse.

Die Auszubildenden formulierten anhand der authentischen Problemaufgabe eigenstän-

Tab. 2Siebensprung-Modell der Unterrichtsführung

Phase IProblemanalyse Tutoratsgruppe, Tutorin/TutorSchritt 1: Undeutliche Begriffe klärenSchritt 2: Zentrale Fragestellungen bestimmenSchritt 3: Erklärung suchen, Problem analysierenSchritt 4: Erklärungen systematisieren,

Aussagen zusammenfassenSchritt 5: Lernziele oder Lernfragen formulieren

Phase IIProblembearbeitung Selbststudium, VorlesungenSchritt 6: Problembearbeitung

Phase IIIErweitertes Problemverständnis Tutoratsgruppe, Tutorin/TutorSchritt 7: Präsentation der Lösungen

Tab. 1 Unterrichtsplan der Lerneinheit „Beratung in der Pflege“

Di

6 UE

Einführung PBL

TutoratFallvorstellungSchritte 1–5

Mi

4 UE

VorlesungBeratung

Schritt 6Recherchezeit

Do

6 UE

Schritt 6Recherchezeit

Di

8 UE

Skillstraining

– Üben in Kleingruppen– Simulation mit

Schauspieler (Schritt 7)– Vertiefungsaufgaben

Do

4 UE

Besprechung der Vertiefungsaufgaben

Gesamtreflexion

– Nur zum privaten Gebrauch –

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Pflegebildung

Andreas DummertSchulleiter

Gesundheits- und Krankenpflegeschule Klinikum Nordschwarzwald, Calw-Hirsau

Carmen DöllingDipl.-Pflegepädagogin

Gesundheits- und Krankenpflegeschule Klinikum Nordschwarzwald, Calw-Hirsau

Elisabeth SehmsdorfErwachsenenpädagogin M. A.

Gesundheits- und Krankenpflegeschule Klinikum Nordschwarzwald, Calw-Hirsau

[email protected]

Realitätsnahes Üben

In einem von den Tutorinnen begleiteten Skills -training hatten die Auszubildenden Gelegen-heit, ihre Beratungs-, Anleitungs- und Schu-lungsfähigkeiten zu erproben. Das Herzstück des Projekts bildete die Beratungssituation mit dem professionellen Schauspieler als Simula -tionspatient. In vier Gruppen waren die Auszu-bildenden gefordert, ihr erarbeitetes Wissen und die erprobten Fähigkeiten aus der Klein-gruppe in einer „Echtsituation“ zu präsentieren.

Wesentliche Bestandteile des anschließen-den Debriefings zeigten sich in der Selbstre-flexion der beratenden Personen (Auszubil-denden) sowie im Feedback des Schauspielers. Dieser gab ihnen unmittelbar Rückmeldung, in welcher Weise bestimmte Fragen, Haltun-gen und Vorgehensweisen auf ihn gewirkt ha-ben. Mit dieser umfangreichen Resonanz wa-ren die Auszubildenden in der Lage, ihren Lernerfolg selbstständig zu evaluieren. In der ergänzenden Stellungnahme von beobachten-den Mitschülerinnen und Mitschülern sowie den Pädagoginnen ließen sich weitere Stärken und relative Schwächen in der Interaktion während der Beratung herausarbeiten.

Den Abschluss der PBL-Einheit bildete die Besprechung der Vertiefungsaufgaben, die die Teilnehmenden parallel zur Simulation mit dem Schauspieler erörterten. Inhalt dieser Se-quenz war z. B. der Umgang mit Widerstän-den und Stolpersteinen in der Beratung.

Simulation fördert Kompetenz

Die Lernenden waren nach anfänglicher Un-sicherheit in der Lage, die für sie neue Lern-form anzuwenden Sie betonten insbesondere die Vorteile der gemeinsamen Erarbeitung der Lerninhalte innerhalb der Lerngruppen und das damit verbundene Teilen von Wissen, Er-fahrungen und verschiedenen Perspektiven.

Die Präsentation der Lernergebnisse in-nerhalb der realitätsnahen Simulation und das anschließende Debriefing empfanden die Aus-zubildenden als ausgesprochen eindrücklich, lernförderlich und gewinnbringend für ihre tägliche Arbeitspraxis. Die Pädagoginnen be-obachteten eine hoch motivierte Lernhaltung. Die einzelnen Schritte des Siebensprungs wur-den konzentriert und mit Engagement bear-beitet.

Eine weitere Vertiefung der Pflegeberatungs-kompetenz wird in der Berufspraxis erfolgen. Im dritten Ausbildungsjahr ist eine Praxisbe-gleitung mit dem Schwerpunkt Beraten, An-leiten und Schulen von Patienten geplant, in der die Auszubildenden ihre Kompetenzent-wicklung unter Beweis stellen können.

Die Gesundheits- und Krankenpflegeschu-le am Klinikum Nordschwarzwald will im Rah-men der Generalistik künftig weitere PBL- Sequenzen im neuen Curriculum verankern.

[1] Bundesgesetzblatt Jahrgang 2017: Pflegeberufereform -gesetz

[2] Fischer R. Problemorientiertes Lernen in Theorie und Praxis. 1. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer; 2004

[3] Schwarz-Govaers, R. Problemorientiertes Lernen in der Pflegeausbildung. PR-Internet 2002/4; 30–45

– Nur zum privaten Gebrauch –