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Z Rheumatol 2010 · 69:863 DOI 10.1007/s00393-010-0678-1 © Springer-Verlag 2010 E. Märker-Hermann 1  · R.E. Schmidt 2 1 Klinik Innere Medizin IV (Rheumatologie, klinische Immunologie und Nephrologie), HSK Dr. Horst Schmidt Klinik GmbH, Wiesbaden 2 Klinik für Immunologie und Rheumatologie, Medizinische Hochschule Hannover Infektionen – Ursachen, Auslöser und Komplikationen rheumatischer Erkrankungen Einführung zum Thema Die Suche nach infektiösen Ursachen rheumatischer Erkrankungen ist so alt wie die pathogenetische Forschung in der Rheumatologie. Bakterielle Erreger wie Mykobakterien oder Enterobakterien wurden mit der Entstehung der rheuma- toiden Arthritis (RA) in Zusammenhang gebracht und führten sogar zu entspre- chenden Therapieansätzen (z. B. Sulfa- salazin, Tetrazykline). Viren wurden als Mitursachen der RA diskutiert, nachdem virale DNA/RNA in rheumatoider Syno- vialis – aber ebenfalls bei Arthrosen oder traumatischen Gelenkveränderungen – detektiert wurde oder auch Sequenzho- mologien zwischen Epstein-Barr-Virus (EBV) und dem „HLA-DRB1 Shared Epi- tope“ existieren. E Ein schlüssiger ursächlicher Zusammenhang zwischen bestimmten infektiösen Erregern, Genetik und Immunsystem ließ sich jedoch bei der RA bislang nicht herstellen. Pathophysiologisch ausgezeichnet unter- sucht sind die reaktiven Arthritiden nach urogenitalen (Chlamydia trachomatis) und enteralen (Yersinien, Salmonellen, Shigel- len, Campylobacter) Infektionen im Kon- text der Spondyloarthritiden. Die Bedeu- tung der Erregerpersistenz und der Inter- aktionen zwischen Antigenen, genetischen Faktoren, innatem und spezifischem Im- munsystem wurde seit den 1970er Jahren intensiv erforscht. Gerade Erkenntnisse aus ex vivo immunologischen Untersu- chungen bei HLA-B27-assoziierter Chla- mydien- und Yersinien-induzierter reak- tiver Arthritis haben die reaktive Arthri- tis zur pathogenetischen „Modellerkran- kung“ der Spondyloarthritiden gemacht. M. Rihl und J. Kuipers führen in ihrem Beitrag in dieser Ausgabe der Zeitschrift für Rheumatologie aus, welche neuen pa- thogenetischen und diagnostischen As- pekte sich bei der reaktiven Arthritis in den letzten Jahren entwickelt haben und welche Perspektiven sich für die Thera- pie ergeben. Viren können über die direkte Infekti- on synovialer Zellen über lytische Effekte, Immunkomplexbildung oder Induktion proinflammatorischer Zytokine zur Ar- thritis führen; alternativ, die vorgenann- ten direkten Viruseffekte aber nicht aus- schließend, könnten Autoimmunreakti- onen über molekulare Mimikry, „Bystan- der-Aktivierung“ oder „Epitope Sprea- ding“ induziert werden. Virale Arthri- tiden stellen eine wichtige Differenzial- diagnose bei akuter oder subakuter Poly- arthritis dar. Neben bekannten Viren wie Parvovirus B19, Röteln- oder Hepa- titisviren haben im Rahmen des zuneh- menden Ferntourismus auch in Europa durch Mückenstiche übertragene Alpha- viren und die hierdurch ausgelösten aku- ten Erkrankungen mit Fieber, Exanthem und Polyarthritis an Bedeutung zugenom- men. Nicht selten ist der Allgemeininter- nist oder der Rheumatologe neben tro- penmedizinischen Kliniken mit diesen Patienten primär konfrontiert. Schließlich sind gerade in den vergan- genen Jahren mit der konsequenten im- munsuppressiven Therapie immunolo- gischer Systemerkrankungen und mit Einführung der Biologika in die Behand- lung entzündlich-rheumatischer Erkran- kungen Infektionen als Komplikation der Therapie rheumatischer Erkrankung in den Fokus unseres Interesses geraten. Die vorliegende Ausgabe der Zeitschrift für Rheumatologie legt daher in besonde- rer Weise einen Schwerpunkt auf die in- fektiösen Komplikationen antirheuma- tischer Therapien, deren Diagnostik und Prävention. Ihre Elisabeth Märker-Hermann Reinhold E. Schmidt Korrespondenzadresse Prof. Dr. E. Märker-Hermann Klinik Innere Medizin IV (Rheumatologie, klinische Immunologie und Nephrologie), HSK Dr. Horst Schmidt Klinik GmbH Ludwig Erhard Str. 100, 65199 Wiesbaden Elisabeth.Maerker-Hermann@ HSK-Wiesbaden.de 863 Zeitschrift für Rheumatologie 10 · 2010 |  

Infektionen – Ursachen, Auslöser und Komplikationen rheumatischer Erkrankungen

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Z Rheumatol 2010 · 69:863DOI 10.1007/s00393-010-0678-1© Springer-Verlag 2010

E. Märker-Hermann1 · R.E. Schmidt2

1 Klinik Innere Medizin IV (Rheumatologie, klinische Immunologie und Nephrologie), HSK Dr. Horst Schmidt Klinik GmbH, Wiesbaden2 Klinik für Immunologie und Rheumatologie, Medizinische Hochschule Hannover

Infektionen – Ursachen, Auslöser und Komplikationen rheumatischer Erkrankungen

Einführung zum Thema

Die Suche nach infektiösen Ursachen rheumatischer Erkrankungen ist so alt wie die pathogenetische Forschung in der Rheumatologie. Bakterielle Erreger wie Mykobakterien oder Enterobakterien wurden mit der Entstehung der rheuma-toiden Arthritis (RA) in Zusammenhang gebracht und führten sogar zu entspre-chenden Therapieansätzen (z. B. Sulfa-salazin, Tetrazykline). Viren wurden als Mitursachen der RA diskutiert, nachdem virale DNA/RNA in rheumatoider Syno-vialis – aber ebenfalls bei Arthrosen oder traumatischen Gelenkveränderungen – detektiert wurde oder auch Sequenzho-mologien zwischen Epstein-Barr-Virus (EBV) und dem „HLA-DRB1 Shared Epi-tope“ existieren.

EEin schlüssiger ursächlicher Zusammenhang zwischen bestimmten infektiösen Erregern, Genetik und Immunsystem ließ sich jedoch bei der RA bislang nicht herstellen.

Pathophysiologisch ausgezeichnet unter-sucht sind die reaktiven Arthritiden nach urogenitalen (Chlamydia trachomatis) und enteralen (Yersinien, Salmonellen, Shigel-len, Campylobacter) Infektionen im Kon-text der Spondyloarthritiden. Die Bedeu-tung der Erregerpersistenz und der Inter-aktionen zwischen Antigenen, genetischen Faktoren, innatem und spezifischem Im-munsystem wurde seit den 1970er Jahren intensiv erforscht. Gerade Erkenntnisse aus ex vivo immunologischen Untersu-

chungen bei HLA-B27-assoziierter Chla-mydien- und Yersinien-induzierter reak-tiver Arthritis haben die reaktive Arthri-tis zur pathogenetischen „Modellerkran-kung“ der Spondyloarthritiden gemacht. M. Rihl und J. Kuipers führen in ihrem Beitrag in dieser Ausgabe der Zeitschrift für Rheumatologie aus, welche neuen pa-thogenetischen und diagnostischen As-pekte sich bei der reaktiven Arthritis in den letzten Jahren entwickelt haben und welche Perspektiven sich für die Thera-pie ergeben.

Viren können über die direkte Infekti-on synovialer Zellen über lytische Effekte, Immunkomplexbildung oder Induktion proinflammatorischer Zytokine zur Ar-thritis führen; alternativ, die vorgenann-ten direkten Viruseffekte aber nicht aus-schließend, könnten Autoimmunreakti-onen über molekulare Mimikry, „Bystan-der-Aktivierung“ oder „Epitope Sprea-ding“ induziert werden. Virale Arthri-tiden stellen eine wichtige Differenzial-diagnose bei akuter oder subakuter Poly-arthritis dar. Neben bekannten Viren wie Parvovirus B19, Röteln- oder Hepa-titisviren haben im Rahmen des zuneh-menden Ferntourismus auch in Europa durch Mückenstiche übertragene Alpha-viren und die hierdurch ausgelösten aku-ten Erkrankungen mit Fieber, Exanthem und Polyarthritis an Bedeutung zugenom-men. Nicht selten ist der Allgemeininter-nist oder der Rheumatologe neben tro-penmedizinischen Kliniken mit diesen Patienten primär konfrontiert.

Schließlich sind gerade in den vergan-genen Jahren mit der konsequenten im-munsuppressiven Therapie immunolo-gischer Systemerkrankungen und mit Einführung der Biologika in die Behand-lung entzündlich-rheumatischer Erkran-kungen Infektionen als Komplikation der Therapie rheumatischer Erkrankung in den Fokus unseres Interesses geraten. Die vorliegende Ausgabe der Zeitschrift für Rheumatologie legt daher in besonde-rer Weise einen Schwerpunkt auf die in-fektiösen Komplikationen antirheuma-tischer Therapien, deren Diagnostik und Prävention.Ihre

Elisabeth Märker-Hermann

Reinhold E. Schmidt

KorrespondenzadresseProf. Dr. E. Märker-HermannKlinik Innere Medizin IV (Rheumatologie, klinische Immunologie und Nephrologie), HSK Dr. Horst Schmidt Klinik GmbHLudwig Erhard Str. 100, 65199 [email protected]

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