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INFOS Magazin des nationalen Branchenverbands der Institutionen für Menschen mit Behinderung Nr. 44| Juni 2014 Kooperationen «Wenn Institutionen mit anderen kooperieren, profitieren alle – vor allem die Menschen mit Behinderung», sagt die Expertin. Seiten 4 - 5 Der Lehrbetriebsverbund Die Stiftung Züriwerk kooperiert erfolgreich mit dem ersten Arbeits- markt und bietet dort derzeit 47 Jugendlichen eine Lehrstelle. Seite 8 Werkstätten-Netzwerke Werkstätten für Menschen mit Behin- derung sind auch Konkurrenten. Trotzdem können sich Kooperationen auszahlen. Seite 3

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Mitgliedermagazin INSOS Schweiz, Juni 2014

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INFOSMagazin des nationalen Branchenverbands der Institutionen für Menschen mit Behinderung Nr. 44 | Juni 2014

Kooperationen

«Wenn Institutionen mit anderenkooperieren, profitieren alle – vorallem die Menschen mit Behinderung»,sagt die Expertin. Seiten 4 - 5

Der Lehrbetriebsverbund

Die Stiftung Züriwerk kooperierterfolgreich mit dem ersten Arbeits-markt und bietet dort derzeit 47Jugendlichen eine Lehrstelle. Seite 8

Werkstätten-Netzwerke

Werkstätten für Menschen mit Behin-derung sind auch Konkurrenten.Trotzdem können sich Kooperationenauszahlen. Seite 3

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Editorial

Ist Konkurrenz wichtiger als Kooperation?Wir leben in einer Welt des Wettbewerbs, dessich Messens, des Besser-sein-Wollens. Sei es nunbei Schönheitswettbewerben, beim Fussball, beider Pferdestärke des Autos oder der Grösse derKochinsel im neuen Eigenheim. Von Kind an wer-den wir darauf getrimmt, dass unser Leben einWettbewerb im Sinne von «survival of the fittests»ist. Wohl aus diesem Gedankengang heraus sindwir zaghaft im Umgang mit Kooperationen: Siekönnten als Schwäche verstanden werden odernicht zum angestrebten Ziel führen, weil wir ge-lernt haben, dass wir als Einzelkämpferin oder alsEinzelkämpfer am Weitesten kommen.

Ich sehe das ganz anders: Kooperation und Konkurrenz sind kein Widerspruch – imGegenteil. Viele Situationen lassen sich mit geeigneten Kooperationen bessermeistern als ohne, selbst im Wettbewerb. An der Tour de France schaffen es diedrei Ausreisser an der Spitze nur dann, vom Feld nicht wieder eingeholt zu werden,wenn sie miteinander perfekt kooperieren, sich gegenseitig Windschatten gebenund sich in der Führungsarbeit regelmässig ablösen. Nur so gelingt es ihnen, vordem Feld ins Ziel zu kommen und den Sieg unter sich auszumachen. Kooperierensie nicht, werden sie ein- und überholt.

Genauso wichtig ist es, im Bereich des Sozialen und der Wirtschaft, geeigneteKooperationen zu suchen. Ein Beispiel: Die Integration von Menschen mit Behin-derung in den ersten Arbeitsmarkt gelingt insbesondere dort sehr gut, wo diebetroffenen Menschen, die Institutionen (mit ihren Angestellten), die Firmen desersten Arbeitsmarktes und die Behörden gut miteinander kooperieren. Durch dasZusammenspiel der verschiedenen Player werden alle notwendigen Kompetenzen,Mittel und das Know-how miteinander verknüpft. Dies schafft Synergieeffekte, diedazu führen, dass «1 + 1» mehr als 2 ist. Gut miteinander kooperieren heisst, dassjeder dem anderen vertraut, keiner den anderen ausnützt, alle Beteiligten einenNutzen haben und das Ziel, beispielsweise die Integration von Menschen mitBehinderung, erreicht wird. Misstrauen ist eine schlechte Basis für Kooperationen.Es braucht eine entsprechende Kultur. Darauf weist auch Regula Ruflin im Inter-view auf Seite 4 hin, indem sie sagt: «Es braucht eine Kultur, in der kooperativesVerhalten selbstverständlich ist.»

Mit den richtigen Kooperationen gelingen Dinge, welche alleine nie zu schaffensind. Und insofern können mit Kooperationen, mit dem Miteinander statt demGegeneinander, auch Wettbewerbe bzw. Konkurrenzen gewonnen werden.

Freundliche Grüsse

Peter SaxenhoferGeschäftsführer INSOS Schweiz

< Eine Verkaufslehreim Spielwarengeschäft:Dank zahlreichenKooperationen mitPartnerbetrieben kanndie Stiftung Züriwerkjungen Menschen eineLehrstelle im erstenArbeitsmarkt bieten.Bild | Stiftung ZüriwerkLehrbetriebsverbund

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Kooperation | Werkstätten spannen zusammen

Ressourcen wie ein Grossbetrieb

«Kooperationen machen zum Beispieldann Sinn, wenn eine Institution einProdukt oder eine Dienstleistung alleinenicht anbieten kann», sagt Regula Ruf-lin, Spezialistin für Soziales Manage-ment (vgl. Interview S. 4). Das ist derHauptgrund, wieso in der Ostschweiz 22Werkstätten für Menschen mit Behinde-rung in der «Virtuellen Werkstatt Orga-nisation VWO» zusammenarbeiten. IhrVerkaufsargument: «Zusammen bietenwir die Ressourcen eines Grossbetriebs.»Wenn eine einzelne Institution einenAuftrag nicht allein ausführen kann,weil die Menge zu gross oder spezifi-sches Know-how wie etwa Laserverarbei-tung nicht vorhanden ist, dann werdenim internen Online-Forum andere Werk-stätten angefragt. Das funktioniert –seit fünfzehn Jahren.

Netzwerk im HintergrundDaran ändert auch die Tatsache nichts,dass die Werkstätten am Markt durchausauch als Konkurrenten auftreten. «Dort,wo es uns nützt, kooperieren wir», sagtDaniel Brunner von der ABA Amriswilund Präsident der VWO. Es sei ein unge-schriebenes Gesetz, dass man einer an-deren Werkstätte keinen bestehendenAuftrag abwerbe. Das Netzwerk bietetauch einen regelmässigen fachlichenAustausch. Nach diesen Sitzungen wirdeine Institution besichtigt: «Das bautVertrauen auf, so dass ich Aufträge auchneuen Kollegen weitergebe», sagt Dani-el Brunner.Abgerückt ist die VWO hingegen vom ur-sprünglichen Gedanken, am Markt aktivmit dem Vereinsnamen zu werben.«Letztlich sind wir halt doch alle vomeigenen Unternehmen bezahlt, das indi-rekt vom Netzwerk konkurrenziert wird.»Nur wenige Aufträge jährlich kommendenn auch über den gemeinsamen Inter-

Werkstätten für Menschen mitBehinderung sind mitunter Konkur-renten – und kooperieren dennoch.Einige mit anhaltendem Enthusias-mus und Erfolg; bei anderen laufendie Kooperationen auf Sparflammeoder wurden wieder eingestellt.

netauftritt herein. Doch untereinandervergeben die Partner über das interneForum jedes Jahr Teilaufträge von bis zu500 000 Franken.Ein ähnliches virtuelles Netzwerk vonüber 20 Werkstätten existierte bis An-fang Jahr auch im Kanton Aargau: dasagnetz. Doch nach nur zwei Jahren wur-de der virtuelle Auftritt – nicht aber dieKooperation unter den Werkstätten –wieder eingestellt. René Moor von derazb sagt: «Die meisten Beteiligten wa-ren vom Nutzen der Internetplattformnicht überzeugt.» Als eine kostenrele-vante Überarbeitung des Webauftrittsanstand, hätte sich die Mehrheit derWerkstätten dagegen entschieden.

Online-Shops mit ProduktenAuch nicht mehr viel Enthusiasmus istbeim Produkte-Webshop www.originell.net zu spüren. Nach über zehn Jahren istdie Online-Boutique mit Produkten aus14 Zürcher Werkstätten zwar noch in Be-trieb, doch der jährliche Umsatz stammtgrösstenteils aus Verkäufen der Stiftungfür Ganzheitliche Betreuung. Deren Lei-ter, Thomas Meier, ist nach wie vor über-zeugt vom gemeinsamen Auftritt, dochdie meisten anderen Institutionen in-vestieren seit Beginn nur wenig Energiein diesen Absatzkanal.Auf eine gegenläufige Entwicklung hofftder Westschweizer Onlineshop www.oka-

do.ch. Seit zwei Jahren wird die Platt-form von der Fondation Les Oliviers be-trieben. Nun hat das Projekt mit demEinbezug von INSOS Suisse romande undder Ausweitung auf die ganze West-schweiz neuen Schub erhalten. Der Shopist auch Teil eines geplanten, gemeinsa-men Webauftritts der WestschweizerWerkstätten, um deren vielfältigeDienstleistungen besser zu vermarkten.

Ein Laden mit ProduktionsstätteGanz neu eröffnet ist «HeimArt», ein La-den mit Produkten von 13 Behinderten-institutionen mitten in der SolothurnerAltstadt. Menschen aus den beteiligtenTagesstätten arbeiten im Verkauf undvor Ort in der Produktion. Patrick Martivon Rodania Grenchen, einer der Initi-anten, sprüht förmlich vor Begeiste-rung: Vor vierzehn Jahren habe in derINSOS-Kantonalgruppe noch ein starkesKonkurrenzdenken geherrscht, dochjetzt würden alle Beteiligten an einemStrang ziehen. Die Zusammenarbeit inder vierköpfigen Kerngruppe sei von Ver-trauen geprägt gewesen: «Wir habenkeine einzige Sitzung protokolliert.»Alle hätten das gleiche Ziel für Men-schen mit Behinderung vor Augen ge-habt: «Mittendrin statt nur dabei.»| Barbara Spycherwww.vwo.ch; www.originell.net;www.okado.ch; www.heim-art.ch

13 Institutionen betreiben einen Laden:«HeimArt» in der Solothurner Altstadt. Bild | zvg

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Kooperation | Regula Ruflin, Expertin für Soziales Management, über die Vorteile von Kooperationen

«Von Kooperationen profitieren alle – speziell die Menschen mit Behinderung

INFOS INSOS: Frau Ruflin, wann emp-fehlen Sie einer Institution eine Ko-operation?Regula Ruflin: Eigentlich immer - soferndie Kooperation für die Beteiligten einendirekten Nutzen schafft. Kooperationenmachen zum einen dann besonders Sinn,wenn eine Institution ein Produkt odereine Dienstleistung alleine nicht anbie-ten kann, weil sie zu klein ist oder nichtüber alle nötigen Kompetenzen oderRessourcen wie Zeit, Personal oder Geldverfügt. Zum anderen werden Kooperati-onen oft dann eingegangen, wenn sichPartner ideal ergänzen: Der eine bietetstationäre Dienstleistungen an, der an-dere ambulante. Gemeinsam erhalten sieein kompletteres Angebot. Kooperatio-nen sind auch sinnvoll in Verhandlungenmit Dritten oder dem Kanton.

Wie kooperationsfreudig sind Institu-tionen für Menschen mit Behinde-rung?Das ist unterschiedlich. Die einen habensich – gerade im Zusammenhang mit denVeränderungen durch die NFA – stärkerkooperativ ausgerichtet und arbeiten ak-tiv mit Partnern zusammen. Andere sindzurückhaltender und erachten sich alsalleine stärker. Dahinter steckt oft dieAngst, ausgenutzt zu werden, Kunden zuverlieren oder der Wunsch, die Komple-

«Kooperationen lohnen sich fürInstitutionen immer», betont Regu-la Ruflin, Expertin für SozialesManagement. Wichtig für den Erfolgsind Transparenz und Offenheit,gemeinsame Ziele und Vorstellun-gen, verbindliche Abmachungen,Wertschätzung und Vertrauen.«Dann gewinnen alle.»

xität durch Kooperationen nach aussennicht noch zu vergrössern.

Ist diese Angst denn nicht berechtigt?Wenn man sich einen Kooperationspart-ner sucht, läuft dies wie in einem Bewer-bungsprozess ab: Man zieht Erkundigun-gen ein, sucht das direkte Gespräch,analysiert den Partner – und achtet aufrationale Auswahlkriterien wie auch aufsBauchgefühl. Wichtig ist herauszufin-den, ob man dem Partner vertrauenkann. Bei einer Kooperation gilt es zuklären, wie weit sie gehen soll, und ge-genüber dem Partner die eigenen Inter-essen zu deklarieren. Zentral ist, dass dieeigene Position und mögliche Verhand-lungsspielräume klar sind.

Die Interessen einer Institution kön-nen im Bereich Werkstätte und im Be-reich Wohnen sehr unterschiedlichsein. Wie kann da eine Kooperationfunktionieren?Man kann im einen Bereich Konkurren-ten sein und trotzdem einzelne Themenoder Angebote gemeinsam anpacken.Das eine schliesst das andere nicht aus.Institutionen können sich beispielswei-se einigen, im Wohnen fachlich zusam-

menzuarbeiten, aber beim Absatz derWerkstättenprodukte eigenständig unddamit Konkurrenten zu bleiben.

Und wie sieht es mit der Angst vorMehrarbeit oder Kontrollverlust aus?Sie lässt viele zögern. Doch ich bin über-zeugt: Wenn die Vorstellungen und Zielebeider Partner übereinstimmen, sie dieSituation sauber analysieren und die Ko-operation verbindlich planen, behalten

beide die Kontrolle und der Nutzen über-steigt den Aufwand. Wichtig sind regel-mässige Standortbestimmungen.

Wovon profitieren Institutionen, diemit anderen kooperieren?Kooperationen mit anderen Institutio-nen oder mit der Selbsthilfe können grö-ssere Fachlichkeit in Teams bringen, In-

Dr. Regula Ruflin istStaatswissenschafterin,Sozialarbeiterin, Heilpädagoginund Mitinhaberin dersocialdesign AG, die sich aufSoziales Managementspezialisiert hat.Bild | zvg

«Erfolgreiche Kooperationenerkennt man daran, dass dieOrganisationen die gemein-sam gesteckten Ziele errei-chen und ihnen die Zusam-menarbeit Spass macht.»

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«Kooperationen mitdem ersten Arbeits-markt unterstützen dieIntegration vonMenschen mitBehinderung und bauenBarrieren ab», betontRegula Rurflin.Bild | Stiftung ZüriwerkLehrbetriebsverbund

ationen für Behinderteninstitutionen

speziell die Menschen mit Behinderung»

novation und Weiterentwicklung fördern,die Verhandlungsposition gegenüberdem Kanton stärken und Synergien sowievielfältigere, durchlässigere Angebotefür Menschen mit Behinderung schaffen.Kooperationen mit dem ersten Arbeits-markt verbessern die Arbeitschancendieser Menschen, unterstützen ihre Inte-gration und bauen Barrieren ab. Sie se-hen: Menschen mit Behinderung profitie-ren von Kooperationen besonders stark.

Und was sind die Nachteile?Es gibt keine, wenn beide Partner seriösvorgehen. Natürlich können kooperieren-de Organisationen an Flexibilität und anEigenständigkeit verlieren und müssenneu in grösseren Komplexitäten denken.Doch der Nutzen wiegt meist den Auf-wand auf.

Was machen Institutionen, die erfolg-reich kooperieren, besonders gut?Erfolgreiche Kooperationen erkennt mandaran, dass die Organisationen die ge-meinsam gesetzten Ziele erreichen, ih-nen die Zusammenarbeit Spass machtund sie ihre Erfolge teilen. Die wichtigs-ten Erfolgsfaktoren sind: 1. Transparenzund Offenheit; 2. eine sorgfältige Analy-

se, verbindliche Planung sowie eine ent-sprechende Umsetzung; 3. Wertschät-zung und Respekt; 4. Vertrauen.

Und was erhält Kooperationen aufDauer am Leben?Schädlich sind eine intransparente Kom-munikation und Partner, die gegen au-ssen zwar kooperieren, ihr Positionsden-ken aber nicht aufgeben. Längerfunktionierende Kooperationen zeichnensich durch eine konstruktive, transpa-

rente, wertschätzende Kommunikationaus sowie dadurch, dass sie die Zusam-menarbeit mit allen Involvierten – z.B.mit Bewohnenden und Personal – feiern,mit Apéros oder gemeinsamen Treffen.

Das Engagement und die Haltung desPersonals dürften den Erfolg einer Ko-

«Es ist zentral, die Mitarbei-tenden früh ins Boot zuholen und sie aktiv in denKooperationsprozess einzu-beziehen.»

operation massgeblich beeinflussen.Das ist so. Es ist zentral, die Mitarbei-tenden früh ins Boot zu holen und sieaktiv in den Prozess einzubeziehen. All-fällige negative Erwartungen oder Ste-reotypen gilt es direkt anzusprechenund aufzuarbeiten. Wichtig ist, in derInstitution eine Kultur zu schaffen, inder kooperatives Verhalten selbstver-ständlich ist. Dann funktioniert aucheine Kooperation nach aussen.

Sie haben wiederholt auf die Vorteilevon Kooperationen hingewiesen. Ver-passen also nicht-kooperierende Ins-titutionen die Chance, sich weiterzu-entwickeln und besser zu werden?Genau. Es lohnt sich zu kooperieren undüber den eigenen Tellerrand zu blicken.Wichtig ist, dass die Institutionen dabeiden Menschen mit Behinderung ins Zen-trum stellen und von ihm aus sowie un-ter seinem Einbezug überlegen, welcheAngebote es braucht und mit welchemPartner sie realisiert werden können.Dann stimmt die Denkrichtung. Unddann profitieren alle.| Interview: Barbara Lauberwww.socialdesign.ch

Leitfragen für eine erfolgreiche Kooperation

Regula Ruflin hat exklusiv fürs INFOSINSOS wichtige Leitfragen für eine er-folgreiche Kooperation formuliert:

• Warum wollen wir kooperieren?• Was ist unser Kooperationsziel?• Was sind die Vorteile/der Gewinn,was die Risiken und Gefahren?

• Wie lange wollen wir kooperieren?• Wer ist die treibende Kraft? (dieMenschen mit Behinderung oder ihreAngehörigen? die strategische oderdie operative Führung? die Mitarbei-tenden oder eine Finanzgeberin?)

• Wer hat den Lead für die Kooperati-onsverhandlungen, wer die Entschei-dungsbefugnis?

• Wie schaffen wir einen Ausgleichzwischen allenfalls verschiedenenAusgangslagen oder Interessen?

• Was macht uns zu Partnern?• Wer setzt die Kooperation um?

• Erstellen wir einen Vertrag zur Ko-operation?

• Falls ja, hat dieser Auswirkungen aufandere Verträge?

• Welche Auswirkungen hat die Koope-ration auf unsere Organisation? Wiewird das Personal einbezogen?

• Welche Kosten entstehen durch dieKooperation und welche Einsparun-gen? Wie kalkulieren wir diese (Voll-/Teilkostenrechnung)?

• Gibt es Auswirkungen auf unsere in-terne und externe Kommunikation(inkl. Marketing, Public Relations)und wenn ja, inwiefern und wie wirddies integriert?

• Welche Instrumente wollen wir zurSicherung der Qualität unserer Ko-operation?

• Wenn wir mit mehreren Partnern ko-operieren, wie managen wir dieseKooperationen?

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Kooperation | Das Wohnheim KONTIKI in Subingen (SO) ist lokal gut vernetzt

Hier wohnt ein offener GeistDas Wohnheim KONTIKI im solothurnischenSubingen bietet Menschen mit geistiger undkörperlicher Behinderung Arbeit und einZuhause. Öffnung gegen aussen wird imKONTIKI gross geschrieben, und deshalbist es ein anregendes Beispiel für lokaleKooperationen unterschiedlichster Art.

Kulturelle AnlässeWie langweilig wäre dasLeben ohne Kultur! Deshalbfinden im KONTIKI vieleFeiern statt, zu denen auchdie Öffentlichkeit und andereHeime eingeladen werden,wie zum Beispiel der Oster-montagsbrunch mit «Eierauf-leset». Es gibt auch öffent-liche Konzerte, Film- oderTheatervorführungen undAusstellungen. Hie und dawerden die Bewohnendenselber aktiv als Künstlerinnenoder Schauspieler und zeigenihre Darbietungen auchausserhalb des Heims. Palliative Care

An ihrem Lebensende werdendie Bewohnerinnen und Be-wohner nach den Grundsätzender Palliative Care begleitet.Ohne die enge Zusammen-arbeit mit der Spitex, freiwil-ligen Nachtwachen und Mit-gliedern des Hospizvereinswäre dies unmöglich.

Fussballclubund TurnvereinJeden Montag turnen einigeBewohner des KONTIKI mitder Männerriege in der Turn-halle. Sie helfen auch beiVereinsanlässen wie dem«Lösli»-Verkaufen und sindan Turnfesten ausserhalb desDorfes dabei.Zwei Bewohner sind Mitgliedim Fussballclub, der eine alsaktiver Fussballer bei denSenioren, der andere als Hel-fer neben und auf dem Platz.

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Altersheim und SchuleZwischen einigen Bewohne-rinnen und Bewohnern desKONTIKI und des AltersheimsHof Obermatt besteht ein re-ger Austausch. Die KONTIKIA-NER besuchen das Altersheimund helfen beim Zubereitenvon gedörrten Apfelschnitzen.Die Seniorinnen und Seniorenwiederum schätzen die ge-schäftige Atmosphäre in derKONTIKI-Abteilung Arbeitund nutzen die Infrastrukturzum Basteln. Auch Schülerund Lehrerinnen der Umge-bung nutzen die gute Infra-struktur im Wohnheim zumgemeinsamen Werken.Der Austausch und diegegenseitige Unterstützungergeben sich von alleine.

Pro-Infirmis-BildungsklubRegelmässig besuchen dieBewohnerinnen und Bewoh-ner Kurse im Pro-Infirmis-Bildungsklub. Die Themensind vielfältig – von Compu-terkursen über den Umgangmit Geld bis zu Kochkursen –,doch genauso wichtig sinddie Begegnungsmöglichkeitenmit anderen Menschen unddas grosse jährliche Ab-schlussfest.

FreiwilligenarbeitWas einmal gelernt wurde,will weiter geübt werden.Deshalb kommt jeden Mitt-wochmorgen ein freiwilligerMitarbeiter und übt mit einerBewohnerin am Computer.Ein anderer freiwilliger Mitar-beiter kommt regelmässigvorbei, um einen Jass zuklopfen. Eine freiwillige Mit-arbeiterin besucht mit einem

Texte Regula Hutter, Barbara SpycherBilder Wohnheim KONTIKI

Bewohner seine Eltern oderbegleitet ihn auf einerEinkaufstour. Die freiwilligenMitarbeitenden bekommenam Jahresende einen Ausweisüber ihre geleisteten Ein-sätze, und sie sind zu inter-nen Feiern oder Weiter-bildungsanlässen eingeladen.Das Wohnheim KONTIKI istMitglied von BENEVOL.

Jeden Dienstag- undDonnerstagmittag wird esetwas lauter als gewohnt imKONTIKI-Esssaal: Fünf bissieben Kinder aus der Primar-schule Subingen kommen zumMittagessen. Sie kennen sichgut aus, decken ihren Tischselber, holen sich das Essenin der Küche und bedienensich am Salatbuffet. Ein Mit-glied der JuFaSU (JungeFamilien Subingen), die denMittagstisch organisiert, be-gleitet sie. Nach dem Mittag-essen kommt es meistenszu einem «Töggeli»-Turnierzwischen Kindern und KONTI-KIANERN.

Mittagstisch für Kinder

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Kooperation | Die Stiftung Züriwerk kooperiert erfolgreich mit dem er

«Wir glauben an den Jugendlichen, der Coiffeur w

«Jugendliche mit Beeinträchtigung wol-len heute in der Migros oder bei Coopeine Lehre machen, nicht in einer Insti-tution», sagt Heïkki Sirén betont plaka-tiv. Ein Grossteil dieser Jugendlichen,erklärt der Abteilungsleiter des «StiftungZüriwerk Lehrbetriebsverbund», werdeheute im Kanton Zürich integrativ ge-schult. «Nach der Regelschule wollendeshalb auch sie im ersten Arbeitsmarkteine Lehrstelle finden und Fuss fassen.»

Integration ist ProgrammDer Lehrbetriebsverbund ist eine von dreiAbteilungen der Stiftung Züriwerk, diesich heute aktiv für die Integration vonMenschen mit Beeinträchtigung in denersten Arbeitsmarkt einsetzen. Währenddie Abteilung «Produktion» Betrieben imersten Arbeitsmarkt Mitarbeitende fürEinzeleinsätze zur Verfügung stellt, be-gleiten die Job Coaches der Abteilung«Integrierte Arbeitsplätze» aktuell 60Erwachsene – sei es bei der Stellensuche,beim Stellenantritt oder in der Zeit da-nach.Der Lehrbetriebsverbund wiederum küm-mert sich um die beruflichen Massnah-men. Die Abteilung hat sich zum Zielgesetzt: Jeder Jugendliche soll seinenLehrstellentraum (PrA, EBA oder EFZ),wenn immer möglich, verwirklichen kön-nen. «Der Berufswunsch ist für uns Pro-gramm», betont Sirén. «Wir glauben anden Jugendlichen, der Coiffeur werdenwill, und unterstützen ihn dabei.»

Jugendliche steuern den ProzessVon den 56 Lehrverhältnissen, die aktu-ell über den Lehrbetriebsverbund laufen,finden 47 im ersten Arbeitsmarkt statt.«Wir arbeiten mehrheitlich mit Einzelbe-trieben zusammen – mit dem Ziel, dassdie Lernenden nach der Lehre im Betrieb

Engagiert setzt sich die StiftungZüriwerk dafür ein, dass Jugendli-che mit Beeinträchtigung im erstenArbeitsmarkt eine Lehrstelle undErwachsene einen Job finden.Hinter ihrem Erfolg steckt vielArbeit, Geschick im Umgang mitKMU und grosse Hartnäckigkeit.

Dank Kooperationender Stiftung Züriwerkmit Partnerbetriebenkönnen derzeit 47Jugendliche mitBeeinträchtigung eineLehre im erstenArbeitsmarkt machen.Bild | Stiftung ZüriwerkLehrvertriebsverbund

bleiben können», erklärt Sirén. Dies be-deute jedoch auch, dass sie bei der Suchenach Partnern nicht auf bisherige zurück-greifen könnten. «Der einzige Partner,mit dem wir fortlaufend zusammenarbei-ten, ist die Migros, welche acht Lernen-den eine Lehrstelle bietet.»

Mehrere ErfolgsfaktorenHeïkki Sirén führt die Integrationserfol-ge insbesondere auf vier Faktoren zurück:• Modell Lehrbetriebsverbund: DerVerbund stellt den Lehrvertrag aus,bezahlt den Lohn und stellt den Aus-bildungscoach. Der Lehrbetrieb bietetbetriebspraktische Lernmöglichkeitenund bezahlt dem Verbund eine monat-liche Leistung. Sirén: «Damit trägt derVerbund die Ausbildungsverantwor-tung und nicht der Partnerbetrieb.»

• Ressourcenorientierung: Der Ver-bund arbeitet bewusst ressourcenori-entiert. Sirén: «Die Jugendlichensteuern den Prozess selber und sinddadurch beim Vorstellungsgesprächwie auch bei der Arbeit sehr moti-viert.»

• Unterstützerkreise: Bei der Lehrstel-lensuche steht die individuelle Vernet-zung resp. der Unterstützerkreis desJugendlichen im Mittelpunkt, dem El-

Kooperation | Brändi und SSBL

GemeinsameTagesstätte

Die Stiftung Brändi und die Stiftung fürSchwerbehinderte Luzern SSBL sind un-terschiedlich aufgestellt: In ersterer er-bringen die Menschen mit Behinderungwirtschaftlich produktive Leistungen. Inletzterer stehen sinnstiftende Arbeitenim kreativen und musischen Bereich imVordergrund. Nach regelmässigem Aus-tausch auf Geschäftsleitungsebene ha-ben die beiden Stiftungen 2002 ent-schieden, ihre unterschiedlichen Stärkenzu nutzen und die Tagesstätte Triva zugründen. Triva bietet 30 vorwiegend jun-gen Menschen mit geistiger und mehrfa-cher Behinderung die Möglichkeit, Ar-beitserfahrungen zu sammeln und ihreRessourcen weiterzuentwickeln. «DerArbeitsinhalt orientiert sich am Angeboteiner geschützten Werkstatt, die Betreu-ung am Konzept einer Beschäftigungs-gruppe», erklärt Triva-Leiter Reto Kas-par.

«Das Triva-Angebot ist ein Erfolg»Das Angebot richtet sich an Menschen,die weder eindeutig in die eine noch indie andere Stiftung passen. Nach kurzemAufenthalt in der Triva sollte je nach Eig-nung der Übertritt in eine der Stiftungenerfolgen. «Doch bald zeigte sich, dassTriva selbst für viele das passende Ange-bot ist. Es gab weniger Übertritte alserwartet», erklärt Hanspeter Wigger, Prä-sident der Betriebskommission, die Trivastrategisch führt. Beide Stiftungen sindmit je zwei Sitzen vertreten.«Die Zusammenarbeit hat von Anfangfunktioniert», betont Wigger. Er räumtaber auch ein, dass das gemeinsame An-gebot mehr Aufwand bedeutet und er-wähnt u.a die eigens geschaffene Be-triebskommission und den erforderlichenManagementreview. «Die Kooperationlohnt sich trotzdem. Für mich ist Trivaein Erfolg.» | Barbara Lauberwww.triva-lu.ch

Die Luzerner StiftungenBrändi und SSBL führen seit2002 gemeinsam die Tages-stätte Triva. Dort könnenMenschen mit BehinderungArbeitserfahrung sammeln.

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eich mit dem ersten Arbeitsmarkt

Jugendlichen, der Coiffeur werden will»

Der Verein Psychosoziale Arbeitsgemein-schaft PSAG und die Stiftung Melchior ausBasel fusionieren: Ab 1. Juni 2015 wirddie neue Organisation unter der Leitungder bisherigen Geschäftsleitenden PeterEttlin (PSAG) und Martina Saner (StiftungMelchior) operativ tätig. Neu werden 85Mitarbeitende rund 1200 Klienten mitpsychischer Beeinträchtigung und derenAngehörige begleiten.«Die PSAG und die Stiftung Melchior er-gänzen sich sehr gut», sagt Ettlin. Wäh-rend die PSAG die ambulante Wohnbe-gleitung als Schwerpunkt pflegt, verfügtdie Stiftung über ein eigenes Wohnheim.Und während die Stiftung eine offenereTagessstruktur und eine für 65+ anbietet,führt die PSAG zwei Tagesstätten mit ver-bindlichen Strukturen. Beide engagierensich zudem in der Begleitung von Ange-hörigen. «Mit der Fusion schliessen wirLücken im Angebot», sagt Ettlin weiter.Zudem könnten die Angebote besser ver-netzt und weiterentwickelt sowie Über-gänge reibungsloser gestaltet werden.«Alle werden profitieren: die Klienten,die Angehörigen, die Mitarbeitenden unddie Zuweiser, die nur noch mit einer Ins-titution kommunizieren müssen.»

«Wir sitzen jetzt im gleichen Boot»Die beiden Institutionen arbeiten schonlänger eng zusammen. «Das funktioniertegut. Trotzdem war stets eine gewisse Zu-rückhaltung spürbar; die Organisationenblieben letztlich immer in ihrem Garten»,so Ettlin. Mit der Fusion werde die Zusam-menarbeit nun verbindlich und alle wüss-ten: «Wir sitzen alle im gleichen Boot.»Laut Ettlin trägt das Personal – es wurdefrüh und transparent informiert – die Fu-sion engagiert mit; Stellen werden keineabgebaut. Die grösste Herausforderungsei nun, eine neue Organisation zu schaf-fen, «die trotz ihrer Grösse flexibel bleibtund den Respekt vor der Unterschiedlich-keit bewahrt.» | Barbara Lauber

Kooperation| PSAG und Melchior

Zwei wagendie FusionFusionen im Behindertenbe-reich sind selten. Trotzdemschliessen sich der VereinPSAG und die Stiftung Mel-chior nun zusammen.

tern, Coaches, Verwandte etc. angehö-ren können. Sirén: «Nicht selten kannjemand aus diesem Kreis bei der Lehr-stellensuche konkret weiterhelfen.»

• Hartnäckigkeit: Manchmal meldensich Betriebe mit offenen Lehrstellenbei Züriwerk. Sirén: «Meistens jedochtelefonieren wir für Lehrstellen lange‹auf der grünen Wiese› herum. DerAufwand ist riesig und verschlingtStunden. Das erfordert von allen Mit-arbeitenden einen langen Atem.»

IntegrationserfolgeNach der Lehrabschlussprüfung verlau-fen die Wege der Jugendlichen unter-schiedlich: 42 Prozent der Jugendlichenfanden 2013 nach der Lehre eine Festan-stellung im ersten Arbeitsmarkt – ohneVertrag mit Züriwerk. 41 Prozent erhiel-ten einen Integrierten Arbeitsplatz imersten Arbeitsmarkt (80 Prozent davonmit einer reduzierten IV-Rente). Und 17Prozent traten in eine Werkstätte über.«Somit können 83 Prozent der Jugendli-chen nach der Lehre weiterhin im erstenArbeitsmarkt arbeiten», rechnet Sirénvor. «Diese Zahl entspricht dem Anteilintegrativer Ausbildungen.»Für Heïkki Sirén ist damit die Aufbauar-beit bei der Stiftung Züriwerk abge-

schlossen – weshalb er Mitte Juni 2014den Lehrbetriebsverbund verlässt und inseinen ursprünglichen Beruf als Werkleh-rer zurückkehrt.| Barbara Lauberwww.zueriwerk.ch

Regionales Netzwerk

Das regionale Netzwerk «Unterneh-men mit Verantwortung» ist ein ein-zigartiges Kooperationsprojekt vonwirtschaftlichen und gemeinnützigenUnternehmen in der Zentralschweiz.Es wurde 2011 unter der Leitung derHochschule Luzern als Verein gegrün-det und geniesst seither Pioniersta-tus. Das Netzwerk will neue Formender Zusammenarbeit entwickeln, Ko-operationsprojekte (insbesondere imBereich Corporate Volunteering) för-dern und einen branchenübergreifen-den Austausch im Rahmen gemeinsa-mer Anlässe oder von Impulswochenanregen. Präsidiert wird der Vereinvon Marc Pfister, Geschäftsführer derIG Arbeit, und von Markus Schmid,CEO und Verwaltungrat der SchmidGruppe. | blbwww.verantwortung.lu

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Kooperation | Adecco und Orif

«Wie Nord- und Südpol»

Unterschiedlicher könnten sie kaumsein: Auf der einen Seite Adecco, bör-senkotierter, weltweiter Marktführer un-ter den Temporärfirmen, auf der anderenSeite Orif, die Westschweizer Integra-tions- und Berufsbildungsinstitution,eine Non-Profit-Organisation mit sozia-lem Auftrag. Dennoch haben sie sich vorvier Jahren auf eine Kooperation miteinem gemeinsamen Ziel eingelassen:Möglichst vielen Jugendlichen und Er-wachsenen, die bei Orif eine Ausbildungabgeschlossen haben, über eine Tempo-rärstelle die (Re-)Integration in den ers-ten Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Über zehn Prozent ErfolgsquoteDas ist in den letzten Jahren jeweils beimindestens zehn Prozent der rund 100Lehrabgänger/innen von Orif, die sichfür eine Bewerbung bei Adecco ent-schieden, geglückt. «In der Business-welt sind zehn Prozent natürlich nichts»,sagt Vincent Botet, Leiter Integrationbei Orif, «doch für uns sind das jedesJahr zusätzlich zehn Personen, die sonstkeine Stelle gefunden hätten.» Es sindjunge Menschen mit einer Beeinträchti-gung, denen die IV eine Erstausbildungfinanziert hat, oder Erwachsene, die sichnach einem physischen oder psychi-schen Einschnitt beruflich neu orientie-ren mussten.Sie schliessen bei Orif mit einem EFZ,einem Berufsattest oder einer Orif-eige-nen Ausbildung – ähnlich der Prakti-schen Ausbildung nach INSOS – ab. Undsie profitieren von der Zusammenarbeitmit Adecco nicht nur bei einer erfolgrei-chen Stellenvermittlung, sondern auchdurch das Know-how des Stellenvermitt-lers in Form von Sprach- und Kompe-tenztests, Tipps fürs Bewerbungsdossiersowie einem Bewerbungsgespräch unter

Die Kooperation zwischen der Tem-porärfirma Adecco und Orif, einerWestschweizer Integrations- undBerufsbildungsinstitution, istschweizweit einzigartig. Sie erhöhtdie Chancen von Menschen mitBeeinträchtigung, im ersten Arbeits-markt Fuss zu fassen.

realen Bedingungen mit anschliessen-dem Feedback. Diese Leistungen werdenOrif von Adecco nicht verrechnet.Findet eine stellensuchende Person überAdecco eine Stelle, wird sie wenn mög-lich in den ersten Monaten durch einenJob Coach begleitet, ansonsten ist sieganz normal bei der neuen Firma ange-stellt. Wie viele der via Adecco temporäroder fest angestellten Berufseinsteiger/innen langfristig im ersten ArbeitsmarktFuss fassen, können weder Adecco nochOrif sagen. Eine Statistik aller Orif-Ab-gängerinnen und -abgänger hingegenzeigt: Zwei Jahre nach Abschluss derAusbildung haben 83 Prozent eine An-stellung, 74 Prozent im ersten Arbeits-markt. Zehn Prozent erhalten eine volleIV-Rente, 90 Prozent keine oder eineTeilrente.

Soziale Verantwortung wahrnehmenWas aber bewegt die gewinnorientierteTemporärfirma Adecco, sich in dieser Ko-operation zu engagieren? Was bringt esihr? «Wir wollen unsere soziale Verant-wortung wahrnehmen und mit gutemBeispiel vorangehen», sagt DominiqueCiavardini, Adecco-Regionalleiter. Wiesehr das dem Image nütze, sei schwermessbar, aber klar sei, dass es die Mitar-beitenden von Adecco motiviere. «Es istsinnstiftend, wenn man jemandem ineiner schwierigen Lebenssituation eineStelle vermitteln kann.» Zurzeit läuft dieKooperation zwischen Orif und Adeccoan neun Standorten in der Westschweiz.Ciavardini schliesst eine Ausweitung derKooperation auf eine andere Partnerins-titution in der Deutschschweiz nicht vonvornherein aus, strebt sie aber auchnicht aktiv an. «Wir sind zufrieden, dasswir mit Orif gut unterwegs sind.»Dafür wird auch etwas investiert, mitgegenseitigen Besuchen und Newslet-tern, denn, so Vincent Botet von Orif:«Orif und Adecco sind wie der Nord- undder Südpol, mit unterschiedlichen Kultu-ren und Zielen, eigentlich nicht gemachtfür eine Kooperation.» Deshalb müsseman sich gegenseitig kennenlernen undeine gemeinsame Sprache finden. Dassei gelungen, aber es brauche Engage-ment und Zeit. | Barbara Spycherwww.orif.ch

In eigener Sache

Liebe Mitglieder

Politik, Lobbying, Kompromisssuche: Die-se Begriffe gehören untrennbar zur Ver-bandsarbeit, sind aber gleichzeitig auchmit einer Menge Vorurteilen, Skepsis,Misstrauen oder gar Desinteresse behaf-tet. Diesem Spannungsfeld kann sich auchINSOS Schweiz nicht entziehen. Wir kön-nen uns aber immer wieder neu daraufbesinnen, dass Verbandsarbeit politischeArbeit ist. Deshalb kommt auch in derneuen INSOS-Strategie der Politik ein gro-sses Gewicht zu.Ich werde immer wieder gefragt, ob wir inder politischen Praxis jeweils konkret et-was erreichen können. Meine Antwort ist:Ja! Ein Beispiel: Kürzlich haben besorgteFachpersonen aus INSOS-Gremien einerRegion mit Recht erkannt, dass einschnei-dende Negativtrends im Werkstättenbe-reich am effizientesten mittels einer Bun-deslösung angegangen werden könnten.Also schrieben sie dem Bund einen Brief– und waren erstaunt, keine Antwort zuerhalten. Ich selber erfuhr als INSOS-Prä-sidentin und Nationalrätin nur zufälligdavon. Aber genau für solche Situationenist INSOS Schweiz da: Wir konnten poli-tisch aktiv werden. Und dank dem direk-ten Kontakt mit dem zuständigen Bundes-rat wurde kurze Zeit später einverheissungsvolles Treffen zwischen dementsprechenden Abteilungschef des Bun-des und INSOS Schweiz möglich. Wir sindnun im Gespräch und auf der Suche nacheiner Lösung.Liebe Mitglieder, die dynamische Entwick-lung am Markt und in der Sozial-, Finanz-und Wirtschaftspolitik fordert uns heraus,uns künftig noch intensiver und konse-quenter verbandspolitisch zu positionie-ren. Wir sind für Sie und Ihre Anliegen da.Sie können auf mich und auf uns zählen.

Herzlich,Marianne StreiffPräsidentin INSOS Schweiz

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Aus dem Bundeshaus | Pädophilen-Initiative und Prävention sexualisierter Gewalt

Präventionsarbeit: Jetzt erst recht!

«Personen, die verurteilt werden, weilsie die sexuelle Unversehrtheit einesKindes oder einer abhängigen Person be-einträchtigt haben, verlieren endgültigdas Recht, eine berufliche oder ehren-amtliche Tätigkeit mit Minderjährigenoder Abhängigen auszuüben.» So lautetArt. 123c, der mit dem klaren Ja zurPädophilen-Initiative neu in die Bun-desverfassung aufgenommen wird. Das

Stimmvolk hat sich damit für eine Null-Toleranz bei Übergriffen auf Minderjäh-rige oder Menschen in einem Abhängig-keitsverhältnis ausgesprochen.

Gefahr der falschen SicherheitINSOS Schweiz verfolgt ebenfalls eineabsolute Null-Toleranz-Politik. Im Vor-feld der Abstimmung hat sich der Ver-band für den indirekten Gegenvorschlagvon Bundesrat und Parlament zur Volks-initiative «Pädophile sollen nicht mehrmit Kindern arbeiten dürfen» ausgespro-chen und deshalb die Initiative abge-lehnt. Dies vor allem deshalb, weil dieUmsetzung der Initiative rechtstaatlichproblematisch ist, und sie nicht wirklicheinen Beitrag zur Reduktion von Über-griffen leistet.Es besteht nun die Gefahr, dass sich dieGesellschaft in einer falschen Sicherheitwiegt. Denn der neue Verfassungsartikelsetzt erst dort an, wo es bereits zu einerTat gekommen ist – und das ist viel zuspät. Die Gruppe der verurteilten pädo-philen Wiederholungstäter ist gering im

Das Schweizer Stimmvolk hat Jagesagt zur Pädophilen-Initiative.Wichtig ist, sich nun nicht in fal-scher Sicherheit zu wiegen. DieInstitutionen von INSOS Schweizsetzen sich deshalb weiterhin füreine aktive Präventionsarbeit ein.

Vergleich zu all jenen Tätern, die bislangnoch gar nicht entdeckt oder überführtbzw. verurteilt worden sind. Der Fall H.S.wäre mit dieser Initiative zum Beispielnicht zu verhindern gewesen.

Aktive PräventionsarbeitINSOS Schweiz und seine Mitgliedsinsti-tutionen verfolgen deshalb weiterhindas Ziel, sich aktiv für die Präventionvon sexualisierter Gewalt einzusetzen.

Prävention ist eine Daueraufgabe – nichtnur für die Institutionen für Menschenmit Behinderung, sondern für die ge-samte Gesellschaft. Aktive Präventions-arbeit gilt es mit allen Mitteln zu för-dern, Übergriffe mit allen Mitteln zuverhindern. Es geht darum, hinzuschau-en und bei Verdachtsfällen aktiv zu wer-den und couragiert einzugreifen. DieCharta Prävention ist dafür eine hilfrei-che Richtschnur und zeigt, auf welchePunkte in der Präventionsarbeit insbe-sondere geachtet werden muss.

Mitarbeit in Arbeitsgruppe PräventionINSOS arbeitet weiterhin aktiv in derverbandsübergreifenden ArbeitsgruppePrävention mit. Diese setzt sich aktuellmit der Forderung nach einer nationalenMeldestelle auseinander. Um hier Klar-heit über die bestehenden Angebote undMöglichkeiten zu erhalten, vergibt dieArbeitsgruppe einen Projektauftrag mitdem Ziel, eine Kartographie der Angebo-te zu erstellen. Wichtig dabei ist, diebestehenden Angebote hinsichtlich ih-res Zielpublikums (Opfer, Täter, Angehö-rige, Mitarbeitende etc.), ihrer Themen-fokussierung (Gewalt, sexualisierteGewalt, Mobbing, etc.) und anderen Kri-terien zu gliedern. Die Arbeitsgruppesucht zudem nach geeigneten Massnah-men und Vorkehrungen, um die Präven-tion noch stärker zu fördern und so dieWahrscheinlichkeit von Übergriffen wei-ter zu reduzieren. | Peter Saxenhofer,Geschäftsführer INSOS Schweizwww.insos.ch > Themen > Gewaltprä-vention > Sexualisierte Gewalt

Das Parlament lehntedie Pädophilen-Initiative ab, dasSchweizer Stimmvolkstimmte ihr deutlich zu.Bild | Parlamentsdienste

UN-BRK und INSOS Schweiz

Am 15. April 2014 hat die Schweiz inNew York die UNO-Behindertenrechts-konvention als 144. Staat ratifiziert.Seit dem 15. Mai 2014 ist die Konven-tion für die Schweiz in Kraft. INSOSSchweiz freut sich über diesen Schritt.Vom Beitritt verspricht sich der Bran-chenverband eine Konkretisierung so-wie eine erleichterte Umsetzung desgeltenden Behindertenrechts. DieKonvention birgt für INSOS wie für dieInstitutionen die Chance, dass sie alsDienstleister im Bereich der Angebotefür Menschen mit Behinderung ihreLeistungen hinsichtlich UN-BRK über-prüfen und allenfalls anpassen. Dies,damit Menschen mit Behinderung ihrLeben autonomer und selbstbestimm-ter gestalten können. Ende Jahr plantINSOS Schweiz dazu eine spezielleTagung zum Thema «Inklusion versusInstitution?». | PSxwww.insos.ch > Themen >UNO-Behindertenkonvention

«Aktive Präventionsarbeit gilt esmit allen Mitteln zu fördern,Übergriffe mit allen Mitteln zuverhindern.»Peter Saxenhofer, Geschäftsführer INSOS Schweiz

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Praktische Ausbildung

Neues Lehrmittel

Erstmals liegt ein Lehrmittel für denallgemeinbildenden Unterricht vonPrA-Lernenden vor. Darin werden inmöglichst einfacher Sprache Wissens-inhalte in Anlehnung an den EBA-Rahmenlehrplan vermittelt.Das erste Modul der fünfteiligen Rei-he «Arbeitsmaterialien für den ABUin der Praktischen Ausbildung» the-matisiert den Übergang von der Schu-le in die Berufsausbildung, der füralle Jugendlichen eine grosse Heraus-forderung darstellt. Die Rahmenge-schichte von Anna und Luca, zweiPrA-Lernenden, stellt einen engenLebens- und Praxisbezug sicher. Zu-sätzlich stehen auf der Website deshep-Verlags von PrA-Lernenden undLehrpersonen eingesprochene Hör-texte, Lösungen und didaktische An-regungen zur Verfügung.Das Lehrmittel wurde im Auftrag vonINSOS Schweiz von einer Projekt-gruppe unter der Leitung von TanjaRüdisühli von «lehrundmehr» erar-beitet und durch das EidgenössischeBüro für die Gleichstellung der Men-schen mit Behinderung und das Mig-ros-Kulturprozent finanziert. Es kannfür fünfzehn Franken via INSOS-Shoponline bestellt werden.Im Winter 2014/15 finden erneutzwei Einführungs-Workshops zumneuen Lehrmittel statt. Die genauenDaten werden im Juli 2014 auf www.insos.ch publiziert. | spy

INSOS-Kongress | Theorie U

«Ganz neue Wege gehen»

INFOS INSOS: Herr Koenig, Sie referie-ren am INSOS-Kongress unter ande-rem über die Theorie U, eine Methode,die zum Ziel hat, wirklich Neues in dieWelt zu bringen. Wie denn?Oliver Koenig: Die Theorie U ist Denkrah-men, Methode und Phänomen gleicher-massen. Sie steht für einen Prozess, umaus den gewohnten Strategien des «Ichreagiere» oder «Ich handle basierendauf Erfahrungen der Vergangenheit» ineine neue Form und Qualität von Bewe-gung zu kommen. In den ersten Phasengeht es um eine tiefere Form der Auf-merksamkeit, bevor auf experimentelleWeise ganz neue Wege erschlossen wer-den, die vorher häufig nicht einmal alsWeg erkannt worden wären. Die TheorieU, die unter anderen von Otto C. Schar-mer vom Institut für Technologie in Mas-

sachusetts entwickelt wurde, wird mitt-lerweile weltweit in Veränderungspro-zessen angewendet.

Sie nutzen die Theorie U für neueWege zur Inklusion. Was zeichnet siedafür aus?Ich glaube, dass Inklusion weltweitnoch nirgends wirklich gelebte undselbstverständliche Praxis ist. Genausowie ich Inklusion selbst als etwas Ge-meinschaftliches verstehe, halte ich esfür notwendig, den Weg dorthin als ko-kreativen Prozess zu gestalten, an dem

Neue Wege zur Inklusion denkenund gehen: Der Wiener Sozialwis-senschafter Oliver Koenig hat hier-bei gute Erfahrungen mit der Per-sönlichen Zukunftsplanung und derTheorie U gemacht. Darüber wird eram INSOS-Kongress 2014 sprechen.

alle betroffenen Menschen gleichbe-rechtigt und gleichwertig mitarbeiten.Inklusion stellt Fragen an uns, auf diewir noch keine Antworten haben. DieTheorie U unterstützt Menschen darin,bewusster zuzuhören und diese Fragensichtbar zu machen, statt einen vorge-zeichneten Weg zu einem vordefiniertenZiel zu gehen. Zudem bedingt der Wegzur Inklusion ein Loslassen, etwa vonder Überzeugung «Ich bin Profi, unddeshalb kenne ich den Weg». Hier ist dieTheorie U hilfreich, weil sie auf einertieferen Ebene ansetzt und versteckteAnnahmen und konkurrierende Ver-pflichtungen an die Oberfläche holt.

Zum Beispiel?Scharmer beschreibt drei Widersachervon Veränderung: Die Stimmen des Ur-teils, des Zynismus und der Angst. Kon-kret sind das etwa die Ängste der Profis,die sich fragen: Was bedeutet das fürmich, meine Rolle und meine Vorstellungvon guter Arbeit, wenn ich nicht mehrdie alleinige Instanz bin, die weiss, wasrichtig ist, sondern wenn ich einfacheine Instanz bin, die eine Meinung hat,die hilfreich sein kann?

Können Sie ein konkretes Anwen-dungsbeispiel nennen?Ja, den Verein Balance in Wien, ein An-bieter von Dienstleistungen für Men-schen mit Behinderung, der seit mehre-ren Jahren auf dem Weg zu einerpersonenzentrierten Organisation ist.Vor einigen Wochen fand eine inklusiveVeranstaltung mit dem Titel «Change –Zusammenarbeit für Veränderung» statt,die sich im weiteren Sinn an der Prozess-logik der U-Theorie orientiert hat. DasBesondere an dieser Veranstaltung warunter anderem, dass sich die Organisati-on auf einen absolut ergebnisoffenenProzess eingelassen hat. Am Ende derVeranstaltung stand das Bekenntnis,Fragen der Steuerung und Weiterent-wicklung der Organisation in Zukunftnur noch gemeinsam mit den betroffe-nen Personen anzugehen.| Interview: Barbara Spycher

Der INSOS-Kongress «Vorwärts denken» findet vom26. bis 28. August 2014 in Lausanne statt.

www.insos.ch > Veranstaltungen

Neue INSOS-Statuten

Die DelegiertenversammlungentscheidetDie Vernehmlassung in den Regionenhat gezeigt, dass die neuen Statutenvon INSOS Schweiz grossmehrheitlichpositiv aufgenommen werden. Nunhat die Delegiertenversammlung vonINSOS das letzte Wort. Mit den neuenStatuten soll der nationale Verbandeine schlankere Struktur erhalten undkünftig nur noch über (kantonale)Sektionen anstelle von Regionalver-bänden und Kantonalgruppen verfü-gen. Einer Sektion können auch meh-rere Kantone angehören. | blb

Dr. Oliver Koenig,Universitätsassistent an derUniversität Wien undwissenschaftlicher Mitarbeiter imForschungsbüro «queraum.kultur- und sozialforschung» in Wien.Bild | zvg

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Generalistische FABE-Ausbildung| Auf dem Prüfstand

Verschwinden die Generalisten?

Martin Spielmann, Geschäftsleiter derStiftung Lebenshilfe in Reinach (AG), istvon den Vorteilen der generalistischenAusbildung zur Fachperson Betreuungüberzeugt. Seit den Anfängen der Sozia-len Lehre bietet die Lebenshilfe als Leit-firma zusammen mit Altersheimen, Kin-dertagesstätten und Kindergärtengeneralistische Ausbildungen an. «Wirhaben damit nur gute Erfahrungen ge-macht», betont Spielmann. «Die Furchtvieler Institutionen, dass die generalis-tische Ausbildung mehr Aufwand bedeu-tet als die fachrichtungsspezifische, hatsich bei uns – wir bieten beides parallelan – nicht bewahrheitet.»

Willkommene GeneralistenGeneralisten arbeiten während ihrerAusbildung sowohl im Bereich Behinder-tenbetreuung als auch in den BereichenKinder- und Betagtenbetreuung. Dies imGegensatz zu den FABE-Lernenden, diesich auf eine der drei Fachrichtungenspezialisieren. «Dank ihrer vielfältigenAusbildung zeichnen sich Generalistendurch hohe Transferkompetenz und Fle-xibilität, ein grosses Verständnis fürübergreifende Prozesse und Interdiszip-linarität sowie durch grosse Offenheitaus», betont Spielmann.Die Mitglieder der INSOS-Fachkommissi-on Bildung können Spielmanns Einschät-zung nur beipflichten. Und Verena Baum-gartner, Bereichsleiterin Bildung beiINSOS, ergänzt: «Auch aus berufspoliti-scher Sicht ist eine breite Grundbildungwichtig für die Branche. Die Spezialisie-rungen können später darauf aufbauen.»

Zu wenig LernendeBloss: Fast niemand entscheidet sich inder Deutschschweiz für diese FABE-Rich-

Die generalistische FABE-Ausbil-dung ist in der Deutschschweizkaum bekannt und wird nur seltengewählt. «Schade», finden vieleInstitutionen. Denn die jungenGeneralisten bringen Flexibilität,Offenheit, grosses Verständnis fürInterdisziplinarität sowie eine hoheTransferkompetenz mit.

tung. Jedes Jahr wählen hier rund 350Personen die FABE-Ausbildung im Behin-dertenbreich. Den generalistischen Wegjedoch schlagen jeweils nur zwischen 15und 30 Jugendliche ein. Zum Vergleich:In der Westschweiz sind es jedes Jahrüber 250.Warum stösst die Generalisten-Ausbil-dung in der Deutschschweiz auf so wenigInteresse? Verena Baumgartner nenntmehrere Gründe: «Zum einen bieten dieInstitutionen nur wenige Lehrstellen fürGeneralisten an. Viele befürchten einenorganisatorischen Mehraufwand. Zumandern hat das generalistische Modellbei den Jugendlichen den Ruf, an-spruchsvoller zu sein.» Hinzu komme,dass bislang nur die BerufsfachschuleWinterthur Berufskunde für Generalistenangeboten habe. «Das bedeutete für Ler-nende zum Teil weite Anreisewege.»

Weitere BewährungsprobeNun steht das generalistische Modell voreiner weiteren Bewährungsprobe: Wegender geringen Nachfrage wird die Berufs-fachschule Winterthur ab September

2014 keine generalistischen Ausbil-dungsplätze mehr anbieten. Was nun?Die Subkommission Schulorte der SBBKempfiehlt kantonale Lösungen resp. dieBerufskunde dezentral an der Berufs-fachschule in Posieux (FR) zu besuchenoder in eine andere Fachrichtung zuwechseln. Für Verena Baumgartner sinddiese Vorschläge nicht haltbar: «Siekönnten das Aus der generalistischenAusbildung bedeuten.» Savoirsocialwird sich deshalb weiter aktiv für einezentrale Berufsschullösung einsetzen.

Werbetrommel rührenINSOS Schweiz will nun bei den Institu-tionen Werbung für die generalistischeAusbildung machen und prüfen, mitwelchen Dienstleistungen der Verbandallfällige organisatorische Hürden ab-bauen könnte. Wichtig sei, betontBaumgartner, auch den Kinder- und Al-tersbereich ins Boot zu holen und sichgemeinsam für den Erhalt des generalis-tischen Modells einzusetzen. Denn: «Esbringt viele Vorteile.» | Barbara Lauberwww.savoirsocial.ch

Nur ein kleiner Teil derFABE-Lernenden in derDeutschschweizentscheidet sich heutefürs generalistischeAusbildungsmodell.Bild | Robert Hansen

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Kontakt

Für weitere Informationen oder direkten Kontakt:• Stiftung MBF, Jean-Paul Schnegg, Geschäftsleiter,Stein/AG; www.stiftung-mbf.ch

• Fondation gad Stiftung, Rolf Zumstein, Geschäftsfüh-rer, Bern; www.gad.ch/de

• OVWB, Christine Kühnis, Leiterin Managementservice,St. Gallen; www.ovwb.ch

• B’VM, Thomas Zurkinden, Berater, Bern; www.bvmbera-tung.net

• VMI, Universität Freiburg, Prof. Dr. Hans Lichtsteiner,Direktor Weiterbildung, Freiburg; hier finden Sie auchdie Checkliste zum NPO-Label ; www.vmi.ch/?idnav=325

• SQS, Franziska Wey, MAS NPO Management, Zollikofen;www.sqs.ch/de/Leistungsangebot/Produkte/Labels/NPO/L.NPO/

Ein Label mit echtem Mehrwert

PUBLIREPORTAGE | B'VM

Das NPO-Label für Management Excellence ist eine Ergänzung zu INSOS Qoder zur Qualitätsrichtlinie SODK Ost+. INSOS-Mitglieder, die damitpraktisch arbeiten, sehen darin einen Mehrwert.

Das NPO-Label für Management-Excellence baut auf das«Freiburger Management-Modell für Nonprofit-Organisatio-nen» (FMM) auf, dem am weitesten entwickelten und ambesten dokumentierten Managementsystem für Stiftungenund Vereine/Verbände.Drei Managementfelder sind definiert und vernetzt aufeinan-der abgestimmt:• System-Management: Führung, Organisation, Steuerung,Innovation.

• Marketing-Management: Marketing-Planung, Dienstleis-tungsmarketing, Interessenvertretung, Eigenmarketing,Kommunikation.

• Ressourcen-Management: Hauptamt, Ehrenamt, Freiwil-lige, Mitgliedschaft, Finanzen.

Verbesserungspotenzial entdeckenWer sein soziales Unternehmen nach dem NPO-Label führt,belegt damit, dass er integrierte und umfassende Manage-ment-Instrumente einsetzt, die den langfristigen Erfolg si-chern können. Die Forderungen des NPO-Labels sind auf dieBedürfnisse der verschiedenen Organisationen anpassbar.Institutionen für Menschen mit Behinderung finden nebenden oben erwähnten üblichen Themenfeldern auch die Mög-lichkeit, ihre spezifischen Fragen – wie beispielsweise derUmgang mit Klienten und ihren Angehörigen, die Zusammen-arbeit mit der öffentlichen Hand im Rahmen von Leistungs-verträgen, Spendenwesen und Sponsoring, Rekrutierung undPflege von Ehrenamtlichen und Freiwilligen – zu integrieren.Die strukturierte Arbeit nach dem FMM und die Einführungdes NPO-Labels führen auch systematisch zur Entdeckungvon Verbesserungspotenzialen. Damit verbunden ist das Re-flektieren der eigenen (Fehler-)Kultur. Im Sinne des Quali-täts-Managements wird aber nicht die Frage gestellt «Wermachte den Fehler?», sondern «Wieso konnte er auftretenund wie kann er in Zukunft vermieden werden?».

Grosser MehrwertBei der Einführung müssen bestehende Management-Instru-mente mitberücksichtigt werden. Nur so besteht die Gewähr,dass das bestehende System sinnvoll weiter entwickelt wirdund kein Parallelsystem entsteht. Den eigentlichen Mehrwertformulieren die Label tragende Organisationen (vgl. Kasten)wie folgt:• Benchmarking: Sich anhand des definierten Massstabs mitanderen Organisationen vergleichen zu können.

• Kontinuierlicher Verbesserungsprozess: Druck auf denständigen Verbesserungsprozess durch jährliche Assess-ments zu erhalten.

• Kompatibilität: Anschlussfähig zu sein bezüglich klassi-scher Normen (z.B. ISO 9001) oder Fachlabels (z.B. INSOSQ, SODK Ost+).

• Dokumentation: Systematische Dokumentation der Pro-zesse und Hilfsmittel, substanzielle Reduktion des Such-aufwandes, Realisierung von Kosten- und Zeitersparnis-sen.

• Personenunabhängigkeit: Loslösung der Kenntnisse vonLeistungs-/Arbeitsprozessen und den dafür verantwortli-chen Angestellten. Verbesserung und Erleichterung vonÜbergaben bei Personalwechsel oder Personalausfall.

• Transparenz: Schaffen von Transparenz auf allen Ebenen,innerhalb und ausserhalb der Institution.

• Vertrauen: Schaffen von Vertrauen und Aufbau von Akzep-tanz und Image bei Klienten und Angehörigen, bei Ange-stellten, Kunden, der öffentlichen Hand, bei Vertragspart-nern und in der Öffentlichkeit.

Ein umfassendes ManagementwerkzeugDas NPO-Label ist primär ein Instrument für die Institutionund deren gutes Funktionieren im Dienste der Klienten undihrer Angehörigen. Es ist weiter ein umfassendes und infor-matives Managementwerkzeug, welches in den BereichenStrategie, Struktur und Kultur viel bewirken kann. Damit die-se hohen Ziele erreicht werden können, braucht es den Wil-len der obersten Führungsverantwortlichen und ein Projekt-design, das die Betroffenen zu Beteiligten macht.| J.-P. Schnegg, P. Hüberli-Bärlocher, R. Zumstein

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Ich bin 16 Jahre alt und arbeite als Kochlehrlingauf einem Segelschiff. Es segelt um die halbe Welt,heisst Salomon und ist für Jugendliche, die in derSchweiz nicht klargekommen sind und viele Proble-me hatten. Ich war auch als Jugendlicher auf derSalomon, und jetzt mache ich dort eine Praktiker-lehre als Koch. Das Schiff ist 35,44 Meter lang, eshat drei Masten und die Farbe ist blau-weiss. Wirsind meistens so 20 Leute. Das Schiff ist gut, weilwir viele andere Orte sehen. Wir sind momentan aufden Kapverden. Das sind Inseln westlich von Sene-gal, und es ist wie in Afrika: Es ist sehr warm, unddas Wasser ist auch schön. Dieses Jahr gehen wirauch noch in die Karibik, was mich sehr freut.

Ich habe die Möglichkeit, auf dem Schiff eine Leh-re zu machen. Ich hätte lieber eine Lehre in derSchweiz gemacht, aber da gab es keine für mich.Ich habe die Lehre genommen, weil ich dann vielmachen und lernen und auch jeden Abend an Landin den Ausgang gehen kann.

Auf dem Schiff ist alles anders als in der Schweiz.Wir sind wie eine kleine Stadt. Wir müssen allesselber machen und lernen wie das geht im Leben.Speziell ist auch, wenn das Schiff segelt. Wenn ichauf See bin, dann muss man in der Küche alles see-fest machen, damit die Gläser nicht herum rollen,und den Kühlschrank muss man auch mit Teigwaren-packungen vollstopfen, damit nichts rumrutscht.

Kolumne

Meine PrA-Lehre auf einem Schiff

Aber ich bin nicht so gerne auf Überfahrt, weil dasSchiff hin und her rollt und ich seekrank werde, unddarum bin ich nicht gerne in der Küche beim Segeln.Dort ist es dann so heiss und mir wird übel. Dannbin ich lieber draussen und setze Segel, das heisstdas Segel geht hoch. Ich bin auch Vormann, dasheisst, dass ich das Segelsetzen anleiten kann, unddas macht viel Spass.

Es gefällt mir, für viele zu kochen und von mei-nem Lehrmeister neue Menus zu lernen. Wenn ichkoche, muss ich für etwa 20 Personen kochen. Einnormaler Tag sieht für mich so aus: Ich muss um7.45 Uhr aufstehen, danach muss ich in die Küchegehen und das Morgenessen vorbereiten, dann dieKüche aufräumen und dann meinem Lehrmeister bisum 13 Uhr kochen helfen. Dann habe ich bis um 16Uhr Pause. Dann gehe ich in die Küche und machedas Abendessen, danach muss ich die Küche putzen.Um 19 Uhr bin ich fertig mit der Küche und kann indie Freizeit gehen. Am Mittwochnachmittag und amSonntag habe ich auch frei. In meiner Freizeit kuckeich Filme und gehe an Land mit einem anderenLehrling, gehe etwas essen und geniesse denStrand.

Ich muss auch jede Woche in die Schule. Ich habeschon viel gelernt. In der Schule habe ich gelernt,besser zu schreiben. In der Küche habe ich gelernt,wie man viele Gerichte kocht. Ich koche am liebstenPommes und Schnitzel und Lasagne. Dann habe ichgelernt, wie man putzt und die Küche sauber hältund Fisch ausnimmt und fischt. Ich habe gelernt,einen Grosseinkauf zu machen. Im Nautischen habeich segeln gelernt.

Das Leben auf dem Schiff ist gut, aber auchmanchmal anstrengend, weil man in die Schule ge-hen und arbeiten und viel machen muss. Wenn ichfertig bin mit der Lehre, will ich selbstständig seinund in der Schweiz weiter machen mit der Arbeitund selber wohnen. Am liebsten möchte ich in ei-nem Altersheim arbeiten, weil man weniger schnellarbeiten muss als im Restaurant.www.jugendschiffe.ch

C.B.(16) ist in der Ausbildung zum PraktikerPrA Küche. Er macht seine Lehre auf demJugendschiff Salomon (Bild unten), einem 35Meter langen Segelschiff, das derzeit vor denKapverden liegt. Bilder | zvg

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INFOS INSOS | Juni 2014

ImpressumHerausgeberINSOS Schweiz3000 Bern 14Erscheint 3x jährlichRedaktionBarbara Lauber (Leitung);Barbara SpycherAbopreisCHF 30.– (im Mitgliederbei-trag enthalten),Einzelnummer CHF 15.–

AdressenINSOS SchweizZieglerstrasse 53Postfach 10103000 Bern 14

Tel 031 385 33 00Fax 031 385 33 [email protected]. 80-28082-2

INSOS SuisseAvenue de la Gare 171003 Lausanne

Tél 021 320 21 70Fax 021 320 21 [email protected]

Gestaltungsatzart, Bern

Layout und DruckUD Medien AG, Luzern

Auflage1700 deutsch600 französisch

Abdruck mit Quellenangabe erlaubt

P.P.3007

Bern

INSOS-Veranstaltungen 2014INSOS Schweiz organisiert jedesJahr nationale Fachtagungen,Workshops und Plattformen sowieden dreitägigen INSOS-Kongress.Für 2014 stehen folgende Veran-staltungen fest:

17.06.2014 - 21.06.2014INSOS-Studienreise nach Belgien

26.06.2014INSOS-Delegiertenversammlung inAarau

21.08.2014INSOS-Plattform FunktionaleGesundheit in Olten«Kompetente Teilhabe im Praxisalltag»

26.08.2014 - 28.08.2014INSOS-Kongress in Lausanne«Vorwärts denken - Wie Institutionenmit Trends und künftigen Herausforde-rungen klug umgehen und sie gezieltnutzen können»

30.8.2014Fachtagung VBMB in Bern«Schmerz?! – Schmerzen ausdrücken,erkennen, vorbeugen, behandeln»

24.09.2014INSOS-Fachtagung Arbeit in SolothurnWerkstätten und Marketing

06.11.2014Fachtagung Psychische Beeinträchti-gung in Solothurn«Recovery – ein Gewinn für alle! WarumRecovery sich für Institutionen lohnt»(zusammen mit Pro Mente Sana und So-lodaris)

Ausführliche Informationen undAnmeldung unter:www.insos.ch > Veranstaltungen