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Erste Hilfe bei (bevorstehender) Arbeitslosigkeit Ein Ratgeber für ALG-I-BezieherInnen und »Arbeitslos-Werdende« Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen (KOS)

Inhalt ALO I kurz 12.05.2009 12:22 Uhr Seite 1 Erste Hilfe bei …+file++... · Erste Hilfe bei (bevorstehender) Arbeitslosigkeit Ein Ratgeber für ALG-I-BezieherInnen und »Arbeitslos-Werdende«

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Erste Hilfe bei (bevorstehender) Arbeitslosigkeit

Ein Ratgeber

für ALG-I-BezieherInnen

und »Arbeitslos-Werdende«

Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen (KOS)

Inhalt ALO I kurz 12.05.2009 12:22 Uhr Seite 1

2 Arbeitslosengeld (Alg) I

Arbeitslos – was nun? VorwortLiebe Kollegin, lieber Kollege!

Der Verlust des Arbeitsplatzes ist einSchock, der erst einmal verkraftet werdenmuss. Aber gerade wenn Arbeitslosigkeit be-vorsteht, muss man/frau einen kühlen Kopfbewahren. Einige Schritte sollten unbedingtsofort unternommen werden, sonst drohenunangenehme Überraschungen.

Zum Beispiel ist es wichtig, dass Du Dichbereits lange bevor Du „offiziell“ arbeitslosbist bei der Arbeitsagentur arbeitsuchendmelden musst. Unterbleibt diese Meldung,kann eine Sperrzeit verhängt werden. Au-ßerdem muss die Kündigung selbst geprüftwerden, anderenfalls kann die Arbeitsagen-tur (AA) auch hier eine Sperrzeit anordnen.Das wäre möglich, wenn der Arbeitslose denVerlust des Arbeitsplatzes selbst zu verant-worten hat.

Um solche Klippen rechtzeitig zu um-schiffen und auch während der Arbeitslosig-keit keinen Anlass für Sanktionen undunnötigen „Ärger“ zu bieten, musst Du Dei-ne Rechte und Pflichten gut kennen. DieserRatgeber enthält wichtigen Informationenfür ALG-I-BezieherInnen und Arbeitslos-Werdende und viele Tipps, die bares Geldwert sein können. Er soll Dir helfen, die Hür-den auf dem Weg durch den Behördend-schungel besser zu meistern, damit Du dieLeistungen bekommst, die Dir zustehen!

Solltest Du noch Fragen haben, scheue Dichnicht bei Deinem Betriebsrat oder DeinerGewerkschaft um Rat zu fragen oder eineunabhängige Beratungsstelle aufzusuchen.

Arbeitslosigkeit und der Umgang vonPolitik, Gesellschaft und Behörden mit denErwerbslosen sind von der politischen Ent-wicklung stark beeinflusst. Wir möchtenDich deshalb mit diesem Ratgeber auch da-zu ermutigen, Dich mit anderen Arbeitslosenzusammenzuschließen. Bildet Initiativenund Gruppen, die gegenseitige Selbsthilfeleisten und als Interessenvertretung der Er-werbslosen innerhalb und außerhalb derGewerkschaft aktiv werden können. MischtEuch politisch für Eure Belange ein!

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Arbeitslosengeld (Alg) I 3

Inhalt

Arbeitslos – was nun? – Vorwort 2

1. Die Kündigung flattert ins Haus:vor Beginn der Arbeitslosigkeit 4Beendigung des Arbeitsverhältnisses 4Nach Erhalt der Kündigung 4Frühzeitige Arbeitsuchmeldung 5Resturlaub nehmen! 6ALG und Steuerklasse 6Krank am Ende der Beschäftigung? 7

2. Bei der Arbeitslosmeldung 7„Eigentliche“ Arbeitslosmeldung 7Fast 50 Jahre oder älter? 8Aufgepasst: Formulare, Formulare… 8

3. Das Arbeitslosengeld reicht nicht zum Leben 9Ergänzendes Arbeitslosengeld II /„Hartz IV“ 9Wohngeld oder Kinderzuschlag beantragen! 12

4. Im Arbeitslosengeldbezug 13Wie hoch ist mein ALG I? 13Wie wird das ALG I berechnet? 13Wie lange habe ich Anspruch auf ALG I? 15Nebenverdienst während der Arbeitslosigkeit 17

5. Fordern und Fördern durch die Arbeitsagentur 19Zumutbarkeitsregeln: Welche Stellen-angebote muss ich akzeptieren? 19

Sperrzeiten vermeiden! 21Ratschläge zu Bewerbungsschreibenund zum Vorstellungsgespräch 22Eingliederungsvereinbarung und Eigenbemühungen 25Welche Unterstützung bei der Arbeits-suche kann ich erwarten? 27

6. Kurzarbeitergeld (Kug): Wenn dem Berieb die Arbeit ausgeht 31

7. Pflicht zur Mitwirkung und Erreichbarkeit 32

8. Rechte haben und Recht durchsetzen! 33Wichtige Tipps zum Umgang mit denArbeitsagenturen und Jobcentern 33Erwerbslos – aber nicht wehrlos! 35

9. Guter Rat und Informationen für Arbeitslose 37Anhang 39

Abkürzungen:AA ArbeitsagenturALG/ALG I Arbeitslosengeld (I)ALG II Leistungen der Grundsiche-

rung für Arbeitssuchende,besser bekannt als „Hartz IV“

bzw. beziehungsweiseggf. gegebenenfallsi.V. in VerbindungS. SeiteSGB Sozialgesetzbuchs.o. siehe obenu.a. unter anderemz.B. zum Beispiel→ schlage nach auf…

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4 Arbeitslosengeld (Alg) I

Beendigung des ArbeitsverhältnissesSperrzeit bei Kündigung durch den Arbeitnehmer oder Auflösungsvertrag

Wenn eine betriebsbedingte Kündi-gung bereits abzusehen ist, werden Be-schäftigte oft dazu gedrängt, selbst zu kün-digen oder einen Auflösungsvertrag abzu-schließen.

Lass Dich auf keinen Fall zu einer sol-chen Beendigung des Arbeitsverhältnissesüberreden. Die Arbeitsagentur (kurz: AA)wird Dir eine Sperrzeit verhängen, wennDu die Beschäftigung vorsätzlich oder grobfahrlässig beendet hast. Das ist regelmäßigder Fall, wenn Du selbst ohne wichtigenGrund kündigst oder einen Aufhebungs-oder Abwicklungsvertrag unterschreibst.

Selbst ein Vergleich vor dem Arbeitsge-richt, mit dem eine offensichtlich rechts-widrige Kündigung durch den Arbeitneh-mer hingenommen wird, kann eine Sperr-zeit auslösen.

Eine solche Sperrzeit beträgt in der Re-gel zwölf Wochen. Das heißt, Du bekommst12 Wochen lang kein ALG I ausbezahlt.

Keine Sperrzeit bei Kündigungmit Abfindungsangebot

Wird eine rechtmäßige betriebsbeding-te Kündigung vermieden, weil sich Arbeit-geber und Arbeitnehmer gütlich auf einenAufhebungs- oder Abwicklungsvertragund eine Abfindung einigen, droht keineSperrzeit.

In diesem Fall verzichtet der Arbeitneh-mer auf eine Kündigungsschutzklage (erlässt die Klagefrist verstreichen) und be-kommt im Gegenzug eine Abfindung an-geboten, die ein halbes Monatsgehalt proBeschäftigungsjahr nicht übersteigen darf.Solche Vereinbarungen werden von der AAnur anerkannt, wenn die Voraussetzungendes § 1a Kündigungsschutzgesetz erfüllt sind.TIPP: Lasse solche Auflösungs- und Abwick-lungsverträge vor Abschluss durch den Be-triebsrat oder Deine Gewerkschaft prüfen,um eine Sperrzeit auszuschließen.

Nach Erhalt der Kündigung Ist die Kündigung rechtmässig?

Zunächst solltest Du von Deinem Be-triebsrat oder Deiner Gewerkschaft prüfenlassen, ob die Kündigung (oder ggf. die Be-fristung Deines Arbeitsverhältnisses)rechtmäßig ist: Hat der Arbeitgeber denKündigungsschutz beachtet? Wurde derBetriebsrat ordnungsgemäß angehört? Isteine Kündigungsschutzklage sinnvoll?

Eine Kündigungsschutzklage muss in-nerhalb von drei Wochen eingereicht wer-den, nachdem Du die schriftliche Kündigungerhalten hast (der Poststempel zählt). Beieiner rechtswidrigen Befristung muss dieKlage innerhalb von drei Wochen nach En-de des befristeten Arbeitsvertrages eingehen.

Was tun, wenn der Arbeitgeber pleite geht, undzahlungsunfähig wird?

Wenn Du vor Eintritt in die Arbeitslo-sigkeit keinen Lohn mehr erhältst, kann dieAA für insgesamt drei Monate Insolvenz-

1. Die Kündigung flattert ins Haus:vor Beginn der Arbeitslosigkeit

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Arbeitslosengeld (Alg) I 5

geld zahlen. Insolvenzgeld wird normaler-weise auf Antrag des Unternehmens er-bracht. Wenn nicht geklärt ist, dass der Ar-beitgeber einen solchen Antrag gestellthat, kannst Du vorsorglich einen Antrag aufInsolvenzgeld formlos bei der AA stellen.TIPP: Lasse Dich von Deinem Betriebsrat /Deiner Gewerkschaft beraten und bei der An-tragstellung nicht von der AA abwimmeln!

Frühzeitige ArbeitsuchmeldungDiese Meldepflicht ist eine böse Sankti-

onsfalle: Die Regel ist kaum bekannt undauch die Arbeitgeber informieren zu wenigdarüber. Im Jahr 2008 bekamen 294.000Arbeitslose vorübergehend kein Arbeitslo-sengeld (Sperrzeit), nur weil sie sich zu spätbei der Arbeitsagentur arbeitsuchend mel-deten.

Du musst Dich spätestens drei Monatebevor Dein Arbeitsverhältnis endet bei derAA persönlich arbeitsuchend melden (§ 38Abs. 1 SGB III neu). Dazu musst Du zumin-dest Deinen Personalausweis mitnehmen.Eine frühere Meldung ist möglich.

Du kannst auch bei der AA anrufen undDich zunächst telefonisch per FAX oderschriftlich – auch per Email – arbeitsuchendmelden, um die Frist zu wahren. Dann wirdein Termin vereinbart, an dem die persönli-che Meldung nachgeholt werden muss.Nur wenn dieser Termin auch wahrge-nommen wird, gibt es keine Sperrzeit.

Ein Telefonanruf ist aber nur im Notfallratsam – also wenn Du die Drei-Monats-Frist sonst nicht einhalten kannst. Dennein Anruf ist eine unsichere Sache: ImStreitfall ist es schwer zu beweisen, dassDu Dich tatsächlich arbeitsuchend gemel-det hast.TIPP: Notiere Dir Name des AA-Gesprächs-partners sowie Datum und Uhrzeit des Tele-fonats. Ziehe möglichst einen Zeugen hinzu.

Wer die Meldefrist versäumt, der be-kommt zu Beginn des Arbeitslosengeldbe-zuges eine Sperrzeit. Das heißt in diesemFall, die AA zahlt eine Woche lang kein ALG I.

Die Pflicht zur frühzeitigen Vorsprachebei der AA gilt nach einer Kündigung undwenn eine befristete Beschäftigung aus-läuft. Die Meldung muss auch erfolgen,wenn Du gegen die Kündigung klagst oderder Arbeitgeber in Aussicht stellt, eine be-fristete Stelle zu verlängern.

Für Auszubildende gilt die Pflicht zurArbeitssuchmeldung nur bei einer überbe-trieblichen Ausbildung.

Verschärfte Regelung bei kürzeren Kündigungsfristen!Es gibt auch Fälle, in denen die Drei-Mo-nats-Frist gar nicht eingehalten werdenkann:● Etwa wenn Dein Arbeitgeber Dir mit ei-ner Frist von vier Wochen kündigt.● Oder wenn Deine Stelle von vorne hereinauf weniger als drei Monate befristet ist.

In solchen Fällen musst Du Dich inner-halb von drei Tagen bei der AA melden,nachdem Du vom Ende der Beschäftigungerfahren hast. Nach der Rechtsprechungsind mit „drei Tagen“ Kalendertage ge-meint. Wenn es nicht möglich ist, Dich zumelden, weil die AA geschlossen hat (z.B.an Feiertagen), löst das aber noch keineSperrzeit aus. Du musst Dich dann amnächsten Öffnungstag melden.

Arbeitgeber sind verpflichtet, ihre Ar-beitnehmer bei der Kündigung über diefrühzeitige Arbeitsuchmeldung zu infor-mieren. Außerdem sollen sie die Gekündig-ten zur Meldung vom Dienst freistellen.TIPP: Wenn Du Dich nicht rechtzeitig arbeit-suchend melden kannst, weil Du nicht frei-gestellt wirst und Dein Arbeitgeber mitLohnabzug droht, trifft Dich keine Schuld fürdas Meldeversäumnis. Dann darf die AA kei-

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6 Arbeitslosengeld (Alg) I

ne Sperrzeit verhängen. Das gilt auch, wennDu nachweisen kannst, dass Dein Arbeitge-ber Dich nicht über die Meldepflicht infor-miert hat und Du die „frühzeitige Arbeit-suchmeldung“ nicht von einer früheren Ar-beitslosigkeit her kanntest. Eine Sperrzeitwäre hier unverhältnismäßig, weil Du nichtfahrlässig gehandelt hast. Die AA muss die-sen Tatbestand sorgfältig prüfen, bevor sieDich bestraft.

TIPP: Lege im Fall einer Sperre Widerspruchein und erläutere, warum Du die verspäteteMeldung nicht zu verantworten hast.

Achtung: Nach Deiner Arbeitsuchmel-dung unterliegst Du neuerdings der Melde-pflicht. Die AA kann Dir also vor Beginn derArbeitslosigkeit schon eine Sperrzeit voneiner Woche verhängen, wenn Du einenvereinbarten Termin nicht wahrnimmst.Die Sperre beginnt dann direkt nach der ei-gentlichen Arbeitslosmeldung. Vorausset-zung für diese Sperrzeit ist, dass Du zuvorüber die Rechtsfolgen belehrt wurdest undkeinen wichtigen Grund für Dein Nichter-scheinen vorbringen kannst. WichtigeGründe wären z.B. Hinderungsgründe auf-grund des noch bestehenden Arbeitsver-hältnisses, Krankheit oder „Abfeiern“ vonResturlaub. (→ S. 21, Sperrzeit vermeiden!)

Resturlaub nehmen!Achte darauf, Deinen Resturlaub vor

dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit zu neh-men. Der Urlaubsanspruch geht sonst ver-loren, denn er kann während dem Bezugvon Arbeitslosengeld nicht nachgeholtwerden und verlängert auch nicht den ALGI-Anspruch. In den ersten drei Monatennach Arbeitslosmeldung hast Du zudem inder Regel generell keinen Anspruch auf“ALG-I-Urlaub”, also kein Recht auf Ortsab-wesenheit. (→ S. 32)Wenn Du Deinen Urlaub wegen Beendigungdes Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise

nicht mehr nehmen kannst, muss der Arbeit-geber ihn Dir als Urlaubsentgelt auszahlen.

ALG und SteuerklasseViele verheiratete ArbeitnehmerInnen

wechseln die Steuerklasse, wenn sie ar-beitslos werden. Sie überlassen ihrem Part-ner / ihrer Partnerin die günstigere Steuer-klasse III. Doch davon raten wir ab: Auch dieHöhe des ALG I hängt von der Steuerklasseab. Mit einem Wechsel von Klasse III in Vsinkt das Arbeitslosengeld ganz erheblich.Beispiel: Einkommen nach Steuerklassen

Nach einem Bruttoverdienst von 2000 €beträgt das ALG I pro Monat je nachSteuerklasse914 € (Steuerklasse III)778 € (Steuerklasse IV)592 € (Steuerklasse V) In der Regel ist es günstig, wenn der Ar-

beitslose die Steuerklasse IV oder III hatund der verdienende Partner bzw die Part-nerin entsprechend IV oder V. Zwar mussdann der verdienende Ehepartner monat-lich deutlich mehr Steuern zahlen, alswenn er die für sich genommen günstigsteSteuerklasse III hätte. Unterm Strich ergibtsich jedoch ein Gewinn beim Lohnsteuer-jahresausgleich:

Das Finanzamt zahlt die wegen derungünstigen Steuerklasse zu viel gezahl-ten Steuern nämlich zurück.

TIPP: Die Kombination der Steuerklassen beiEhepartnern spielt nur für den monatlichenSteuerabzug eine Rolle. Wie viel Steuern bei-de aufs Jahr gerechnet zahlen müssen, istdavon unabhängig. Eine ungünstige Steuer-klasse bringt dem verdienenden Partner lang-fristig also keinen Nachteil. Die günstigereSteuerklasse dem arbeitslosen Ehepartneraber einen deutlichen Vorteil: nämlich einhöheres ALG!

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Arbeitslosengeld (Alg) I 7

„Eigentliche“ Arbeitslosmeldung

Arbeitslosengeld bekommst Du erst abdem Tag, an dem Du tatsächlich arbeitslosbist und – ganz wichtig – nach dem DuDich zusätzlich zur Arbeitsuchmeldung

noch einmal persönlich arbeitslos gemel-det hast (Personalausweis mitnehmen).

Um kein Geld zu verschenken, musstDu Dich also spätestens am ersten Tag, andem Du arbeitslos bist, auch arbeitslosmelden. Empfehlenswert ist aber, sich

In eine für Dich günstigere Steuerklas-se kannst Du problemlos wechseln, wennDu frühzeitig weißt, dass Du arbeitsloswirst. Denn für die Höhe des ALG I istmaßgebend, welche Steuerklasse Du am 1.Januar eines Jahres hattest. Daran musssich die AA halten. Arbeitslose, die noch imVorjahr vor der absehbaren Arbeitslosig-keit in eine günstigere Steuerklasse wech-seln, bekommen immer ein höheres Ar-beitslosengeld.

Ein späterer Wechsel, erst im Laufe desKalenderjahres, bringt nur im Ausnahme-fall einen Vorteil: Die AA zahlt nur dann einhöheres ALG I aus, wenn die neue Kombi-nation der Steuerklassen für das Ehepaarauch ohne Arbeitslosigkeit „zweckmäßig“gewesen wäre – also zu einem niedrigeren,monatlichen Steuerabzug geführt hätte.TIPP: Lasse Dich vor einem Wechsel der Steu-erklassen beraten. Ein solcher Schritt willgut bedacht sein und ist auch jeweils nureinmal zum Jahresbeginn sowie einmal imlaufenden Jahr möglich.

Krank am Ende der Beschäftigung?

Erhebliche Nachteile haben Arbeitneh-merInnen, die nach dem Ende ihrer Beschäftigung und vor der eigentlichen Arbeitslosmeldung länger krank werden.In diesem Fall besteht der Krankenversiche-rungsschutz nur noch für einen Monat fort.

Die Krankenkasse zahlt nur innerhalb die-ser Zeit etwa die Kosten für eine Behand-lung im Krankenhaus oder auch das Kran-kengeld.

Wenn Du also während der letzten Ar-beitstage krank wirst, dann solltest DuDich nicht krank zur Arbeit schleppen –weil man ja die Kolleginnen und Kollegennicht hängen lassen und einen „ordentli-chen Abgang“ hinlegen will.

Lasse Dich bei Krankheit auch tatsäch-lich arbeitsunfähig schreiben. Dann zahltDein Arbeitgeber Deinen Lohn bis zum Be-schäftigungsende und anschließend bestehtein regulärer Anspruch auf Krankengeld.Das hat mehrere Vorteile:● Das Krankengeld ist höher als das Ar-beitslosengeld und es verkürzt nicht dieBezugsdauer des Arbeitslosengeldes.● Es wird für maximal 78 Wochen gezahlt.

Krankengeldbezug zählt ähnlich wie ei-ne Beschäftigung als Versicherungszeit, dieeinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mit-begründen oder verlängern kann (→ S. 16).TIPP: Falls Du an dem Tag krank wirst, andem Du Dich eigentlich arbeitslos meldenwolltest, dann solltest Du – wenn irgendmöglich – trotzdem erst zur AA gehen undDich arbeitslos melden und erst danach zumArzt gehen. Dann begründest Du den An-spruch auf ALG I, bist über die AA kranken-versichert und kannst die oben beschriebe-nen Nachteile vermeiden.

2. Bei der Arbeitslosmeldung

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8 Arbeitslosengeld (Alg) I

deutlich früher arbeitslos zu melden: Da-mit Dein Antrag rechtzeitig bearbeitetwird, Du zügig Dein Geld bekommst undDu frühzeitig mit Deinem Vermittler übermögliche Hilfen der AA sprechen kannst.

Die Arbeitslosmeldung ist frühestensdrei Monate vor dem Beginn der Arbeitslo-sigkeit möglich.

Du kannst Arbeitsuchmeldung und Ar-beitslosmeldung in einem Aufwasch erle-digen, wenn der Zeitraum zwischen demTag, an dem Du vom Ende Deines Arbeits-verhältnisses erfährst, und dem tatsächli-chen Ende des Arbeitsverhältnisses kürzerals drei Monate ist. Das ist der Fall, wennfür Dich die verschärfte Drei-Tages-Fristfür die Arbeitsuchmeldung gilt. (→ S. 5)

Fast 50 Jahre oder älter?Ältere Arbeitslose können auch länger

als zwölf Monate Arbeitslosengeld bekom-men: Ab dem 50. Geburtstag bis zu 15 Mo-nate, ab dem 55. bis 18 Monate und ab dem58. bis 24 Monate. Bedingung: je nach Stufemuss man 30, 36, oder 48 „Beschäftigungs-monate“ in den letzten fünf Jahren zusam-men bekommen. (Zur Bezugsdauer vonALG I → S. 15)TIPP: Wenn Du kurz davor bist eine dieser Al-tersstufen zu erreichen, dann kann es vor-teilhaft sein, den Bezug von Arbeitslosen-geld etwas hinauszuzögern. Das ist zulässig.

Du kannst bei der Arbeitslosmeldungselbst bestimmen, ab wann der Leistungsbe-zug beginnen soll. Dann bekommst Du zwarfür die Tage bis zum 50., 55., oder 58. Ge-burtstag kein Arbeitslosengeld, später aberdafür drei oder sogar sechs Monate länger!

Krankenversicherungsschutzbeachten!

Nach dem Verlust des Arbeitsplatzeswirkt für Pflichtversicherte der alte Kran-kenversicherungsschutz nur noch einen

Monat nach. Danach musst Du Dich selbst– bis der ALG I-Bezug beginnt – freiwilligkrankenversichern.Aufgepasst:Formulare, Formulare…

Bei der Arbeitslosmeldung solltest Dudie Namen Deiner Arbeitgeber und die Be-schäftigungszeiten der letzten fünf Jahreparat haben. Neben dem Antrag auf Ar-beitslosengeld bekommst Du weitere Vor-drucke, u.a. diese:● die Arbeitsbescheinigung (vom Arbeit-geber auszufüllen, ggf. mit Zusatzblatt zurBescheinigung von Altersteilzeit),● die Bescheinigung zu Nebeneinkommen(→ S. 17),● das Zusatzblatt „Sozialversicherung derLeistungsbezieher? (falls zuvor Kranken-geld oder eine andere Leistung bezogenwurde, es ist vom jeweiligen Versiche-rungsträger auszufüllen),● eine Veränderungsmitteilung (→ Mit-wirkungspflichten S. 32) und● das „Merkblatt für Arbeitslose“, das Dichauf 79 Seiten über Deine Rechte und Pflich-ten informieren soll.

In der Arbeitsbescheinigung, die DeinArbeitgeber ausfüllen muss, werden u.a.die Gründe abgefragt, warum die Beschäf-tigung beendet wurde. Du solltest, wenn ir-gend möglich, mit Deinem Arbeitgebervereinbaren, dass er die Bescheinigungnicht direkt an die AA sondern an Dichschickt. Dann kannst Du die Angaben prü-fen und, falls Du nicht einverstanden bist,auf eine Änderung drängen.

Auch die Angaben des Arbeitgebers zuDeinem Bruttolohn bzw. -gehalt solltest Dugenau überprüfen. Denn danach berechnetdie AA Dein Arbeitslosengeld.TIPP: Achte darauf, dass Weihnachts- oderUrlaubsgeld, vermögenswirksame Leistun-gen oder Sachbezüge bei der Lohn- bzw. Ge-haltsaufstellung nicht „vergessen“ werden.

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Arbeitslosengeld (Alg) I 9

Ergänzendes Arbeitslosengeld II /„Hartz IV“

Wenn Dein voraussichtlicher Arbeitslo-sengeldanspruch nicht ausreicht, um Dei-nen Lebensunterhalt und den Deiner Fami-lie zu bestreiten,kannst Du zusätzliche Sozial-leistungen beanspruchen. Das ist häufigder Fall, wenn Dein ALG I zu niedrig ausfällt,Du eine größere Familie ernähren musstoder Dein Partner / Deine Partnerin nur einekleines oder gar kein Einkommen erzielt.

Die Grundsicherung für Arbeitsuchen-de, Arbeitslosengeld II (ALG II) genannt,oder besser bekannt als „Hartz IV“, ist dasunterste Netz der „sozialen Sicherung“ fürErwerbsfähige und ihre Familien. An-spruch auf Leistungen haben alle, derengesamtes Einkommen (ALG I, Erwerbsein-kommen oder sonstige Einkünfte, z.B. Un-terhalt, Kindergeld, Unfallrente usw.) unterdem Existenzminimum liegt.

Um ALG II zu bekommen, musst Du ei-nen extra Antrag bei einer anderen Behör-de stellen. Die AA kann Dir die zuständigeStelle nennen. Die ALG-II-Behörden habenunterschiedliche Namen, oft werden sieARGE oder Jobcenter genannt.

Um für Dich und gegebenenfalls DeineFamilie ALG II zu erhalten, müssen aber

strenge Voraussetzungen erfüllt werden.Die Regeln für „Hartz IV“ sind sehr kompli-ziert und können hier nur vereinfacht dar-gestellt werden, damit Du einschätzenkannst, ob sich ein Antrag bei der ARGEoder dem Jobcenter überhaupt lohnt.

Zunächst wird der Bedarf ermittelt, denalle Personen zum Leben benötigen, dieALG-II-Leistungen beantragt haben. Ist derAntragsteller keine Einzelperson, wird die-ser Personenkreis – in der Regel ist es dieFamilie – Bedarfsgemeinschaft genannt.Für jedes Mitglied der Bedarfsgemein-schaft wird ein bestimmter Betrag zurDeckung der Kosten des Lebensunterhaltsberücksichtigt. Diesen Betrag nennt manRegelleistung. Für Alleinstehende und Al-leinerziehende beträgt die Regelleistungab Juli 2009 359 €, für Paare jeweils 323 €und für Kinder 215 € (0-6 Jahre), 251 € (7-13Jahre) bzw. 287 € (14-24 Jahre). Die Regellei-stungen der Mitglieder der Bedarfsge-meinschaft werden zusammengezählt.Zum Bedarf der Gemeinschaft werdenaußerdem hinzugerechnet:● die „angemessenen“ Kosten für Unter-kunft und Heizung und● Mehrbedarfszulagen (z.B. bei Schwange-ren, Alleinerziehenden, Kranken usw.).

Wenn Du selbst gekündigt hast, einenAuflösungsvertrag abgeschlossen hast oderDein Arbeitgeber Dir fristlos oder wegen„arbeitsvertragswidrigem Verhalten“ ge-kündigt hat, dann wirst auch Du aufgefor-dert, die Gründe für das Beschäftigungsen-de aufzuschreiben. Diese Angaben zumVerlust der Arbeit sind äußerst wichtig,denn ArbeitnehmerInnen, die ihre Arbeits-losigkeit ohne wichtigen Grund „selbst ver-schuldet“ haben, bekommen eine Sperrzeit

von zwölf Wochen. Die Bezugsdauer desALG verkürzt sich zusätzlich um diese Zeit-spanne.

(Infos zur Sperrzeit → S. 21)

TIPP: Durch die Art der Antworten kann eineSperrzeit ausgelöst oder auch vermieden wer-den. Deshalb solltest Du die Gründe in Ruhezu Hause aufschreiben und Dich gegebe-nenfalls vorher von der Deiner Gewerkschaftoder einer Beratungsstelle beraten lassen.

3. Das Arbeitslosengeld reicht nicht zum Leben

Inhalt ALO I kurz 12.05.2009 12:22 Uhr Seite 9

10 Arbeitslosengeld (Alg) I

Das Einkommen der Personen, die Leis-tungen benötigen, muss unterhalb der„Hartz IV-Bedarfsgrenze“ liegen. Hier wer-den fast alle Einkommensarten der Einzel-person oder der Familie/Bedarfsgemein-schaft berücksichtigt. Das Einkommenwird gegebenenfalls um Absetzbeträge be-reinigt (z.B. einen 30-Euro-Pauschalbetragfür Versicherungen oder einen Freibetragfür Erwerbstätige) und schließlich dem Be-darf gegenüber gestellt.

Nur wenn der Bedarf das zur Verfü-gung stehende bereinigte Einkommenübersteigt, besteht Anspruch auf ALG II.Beispiel Einkommensanrechnung bei ALG II

Eva K. bezieht ALG II ist alleinstehendund hat einen Minijob mit dem sie 360 Eu-ro im Monat verdient.Regelleistung 359,00 Euro+ Kosten für Unterkunft

und Heizung + 370,00 Euro= Bedarf ALG II = 729,00 EuroEinkommensbereinigung und Freibetrag

Einkommen aus Minijob 360,00 Euro– Grundfreibetrag (pauschaler

Absetzbetrag) – 100,00 Euro– Erwerbstätigenfreibetrag

(20 % von 260 Euro) – 52,00 Euro= anrechenbares

Einkommen = 208,00 EuroBedarf ALG II 729,00 Euro– anrechenbares

Einkommen – 208,00 Euro= aufstockende

ALG II-Leistung = 521,00 EuroALG II erhältst Du und Deine Familie

aber nur, wenn Du Deinen Lebensunterhaltnicht durch die Verwertung von Vermögenbestreiten kannst. Bevor Du Dein Vermö-gen verwerten musst, sind jedoch be-stimmte Vermögensfreibeträge zu berück-sichtigen. Liegt Dein Vermögen unterhalbdieser Grenzen ist es geschützt, es muss al-so nicht verwertet werden.

Geschützt sind z.B.:● ein Betrag von 150 Euro pro Lebensjahrjeweils für Dich und Deinen Partner als freiverfügbares Vermögen,● 3.100 Euro Vermögen für jedes Kind,● zusätzliches Alterssicherungsvermögen(für Dich und Deinen Partner jeweils 250Euro pro Lebensjahr),● „Riester Rente“,● ein Kfz bis zum Wert von 7.500 Euro fürjeden Volljährigen in der Bedarfsgemein-schaft sowie● selbstgenutztes „angemessenes“ Wohn-eigentum(Diese Liste ist nicht abschließend und solleinen ungefähren Eindruck vermitteln.)Beispiel: geschütztes Vermögen

Einer 40Jährigen steht ein Freibetragvon 6.000 Euro für das frei verfügbare Ver-mögen zu (150 Euro pro Lebensjahr).

Außerdem ein Altersicherungsvermö-gen, z.B. eine Lebensversicherung, von10.000 Euro (250 Euro pro Lebensjahr), des-sen Verwertung vor Eintritt in das Renten-alter vertraglich ausgeschlossen sein muss.

Liegt ihr Vermögen darüber, muss sie dennicht geschützten Teil zuerst verbrauchen,bevor sie einen Anspruch auf ALG II hat.TIPP: Wenn vor ALG-II-Antragstellung Deinfrei verfügbares Vermögen über den Vermö-gensfreibeträgen liegt, kann es sinnvoll sein,den überschüssigen Teil in angemessenesSachvermögen umzuwandeln. Prüfe, ob Dunicht Dein schrottreifes Kfz gegen ein ange-messenes Kfz (bis 7.500 Euro!) auswechselstoder in eine neuere (energieeffiziente)Küchenausstattung investierst, wenn Er-neuerungsbedarf besteht.

Bei zusätzlichem Alterssicherungsver-mögen muss vor Antragstellung ein Ver-wertungsausschluss vertraglich geregeltsein. Frage bei der zuständigen Bank oderVersicherung nach. Informiere Dich recht-zeitig bei einer Beratungsstelle!

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Arbeitslosengeld (Alg) I 11

Anhand der oben vereinfacht darge-stellten Voraussetzungen kannst Du Dir vor-stellen, dass die ALG-II-Behörde auf Hellerund Cent prüfen muss, ob ein Anspruch aufALG II besteht oder nicht, und wenn ja, wiehoch die Leistung ist, die Dir zusteht. Dazumusst Du Deine Lebensverhältnisselückenlos offenlegen und umfangreicheNachweise erbringen. Das fängt an mitdem genauen Nachweis von Miet- undHeizkosten, geht weiter über Bescheini-gungen von sämtlichen Einkommen in derBedarfsgemeinschaft, bis hin zur Vorlagevon Kontoauszügen, Sparbüchern und Ver-sicherungsverträgen.

Zweck der Übung: „Hartz-IV-Leistun-gen“ sollen nur diejenigen bekommen, diewirklich bedürftig sind und ihren Leben-sunterhalt nicht durch vorrangige Einkom-men, Unterhaltszahlungen oder andere So-zialleistungen (ALG I, Wohngeld, Kinderzu-schlag usw.) sicherstellen können.

TIPP: Suche eine unabhängige Sozialbera-tungsstelle auf und lass Dir genau ausrech-nen, welche Leistungen Dir zustehen. Im In-ternet gibt es ALG-II-Berechnungsprogram-me, mit deren Hilfe Du Deinen Leistungsan-spruch ungefähr ermitteln kannst.

Verzeichnisse mit Beratungsstellen findest Du unter im Internet unterhttp://www.erwerbslos.de/adressen/anfrage.html.http://www.tacheles-sozialhilfe.de/adressen/default.aspxEinen ALG-II-Rechner findest Du unter http: //www.sozialhilfe24.de/hartz-iv-4-alg-ii-2/alg2-rechner.html.Weiterführende Beratungsliteratur zu ALG II:KOS: ALG-II-Ratgeber “Wissen und Tippsfür Betroffene”, DIN-A-5-Broschüre, 128 S.,Stand Juni 2009, 5 Euro plus Porto (Bezugüber KOS)

Frank Jäger/Harald Thomé, Leitfaden ALG II/Sozialhilfe von A-Z, Stand 1. Oktober 2008,25. Auflage, 449 Seiten, 10 Euro incl. Ver-sand (Bestellung: DVS Verlag, Schumann-str. 51, 60325 Frankfurt; [email protected];Fax:069 / 74 01 69)

Arbeitslosengeld II /„Hartz IV“ ist einestaatliche Fürsorgeleistung in Höhe des Exis-tenzminimums. Sie funktioniert nach ande-ren Regeln als die VersicherungsleistungALG I, deren Höhe sich individuell nach demvorherigen Lohn/Gehalt bemisst. WelchesExistenzminimum Staat und Gesellschaft denArbeitslosen und ihren Familien zugestehenund welche Auflagen und Repressionen da-mit verbunden sind, ist vor allem eine politi-sche Frage.

Wir halten die Höhe der Hartz-IV-Regel-leistung für völlig unzureichend und for-dern ihre deutliche Erhöhung! Außerdemfordern wir eine Öffnung der Zugangsvor-aussetzungen, z.B. höhere Vermögensfrei-grenzen, eine Lockerung der Unterhalsver-pflichtungen und die Nichtanrechnung be-stimmter Einkommensarten. Das Sanktions-system beim ALG II hat Existenz bedrohendeund menschenunwürdige Züge. Es gehörtabgeschafft! Mit der Hartz-IV-Reform wurdedie Rechtsstellung von Arbeitslosen starkausgehöhlt und der Umgang der Arbeitslo-senverwaltung mit Betroffenen sehr restriktivgestaltet. Verbesserungen in der Verwal-tungspraxis, bei der Finanzierung unabhän-giger Beratungsstellen und bei der gerichtli-chen Durchsetzung der Rechte von Arbeits-losen sind dringend erforderlich!

ALG-II-BezieherInnen dürfen nicht aus-sortiert und an den Rand der Gesellschaftgedrängt werden. Sie brauchen die Solidari-tät von Beschäftigten und die Unterstüt-zung der Gewerkschaften zur Durchsetzungvon Forderungen und der Verbesserung ih-rer Lage.Mach dich für Deine KollegInnen stark!

Inhalt ALO I kurz 12.05.2009 12:22 Uhr Seite 11

12 Arbeitslosengeld (Alg) I

Wohngeld oder Kinderzuschlag beantragen!

Reicht das ALG I plus Familieneinkom-men nicht zum Leben und besteht kein An-spruch auf ALG II, gibt es weitere Soziallei-stungen, die für Dich in Frage kommen. Oftbesteht dann nämlich Anspruch aufWohngeld oder den Kinderzuschlag.

Wohngeld kannst Du bei der Wohn-geldstelle der Gemeinde-, Stadt- oder Kreis-verwaltung beantragen. Es wird vom Be-ginn des Monats an gezahlt, an dem derAntrag gestellt wurde.TIPP: Wenn Du noch nicht genau weißt, wiehoch Dein ALG I ausfallen wird, kannst Duauch vorsorglich einen Antrag auf Wohngeldstellen, um Deinen Anspruch auf den Miet-zuschuss (rückwirkend) zu sichern. Die Wohn-geldstelle muss Deinen Antrag entgegen-nehmen und darf Dich nicht vertrösten, bisdie AA Dein ALG I endgültig bewilligt hat.

Wohngeld wird monatlich im Vorausausgezahlt und in der Regel für zwölf Mo-nate bewilligt.

Die Berechnung des Wohngeldes istsehr kompliziert, seine Höhe hängt vonHaushaltsgröße, der Miete und dem zuberücksichtigenden Einkommen ab.

Nach Angaben der Bundesregierungbeträgt der durchschnittliche Wohngeldan-spruch im Jahr 2009 monatlich ca. 140 Euro.

Einen Anspruch auf den Kinderzu-schlag nach § 6a Bundeskindergeldgesetzhaben unter Umständen Familien mit Kin-dern. Die Leistung wird gezahlt, wenn dasEinkommen der Eltern ausreicht, um derenALG-II-Bedarf abzudecken, und die Familiewegen der Kinder unter die „Hartz-IV-Be-darfsgrenze“ rutscht.

Ein Anspruch auf den Kinderzuschlag kanndemnach bestehen

● bei Alleinerziehenden mit einem ALG-I-Anspruch über 600 Euro,

● bei Paaren (mit Kindern) mit einem Ein-kommen (ALG I plus – falls vorhanden –Einkommen des Partners) von mindestens900 Euro.

Treffen diese Voraussetzungen zu, soll-test Du vorsorglich einen Antrag auf denKinderzuschlag bei der Familienkasse stel-len. Diese hat ihren Sitz normalerweise inDeiner Arbeitsagentur.

TIPP:Wenn Dein ALG I und sonstiges Familien-einkommen nicht ausreicht und Du nicht si-cher bist, ob ALG II, Wohngeld oder vielleichtder Kinderzuschlag in Frage kommt, solltestDu vorsorglich lieber gleich alle drei Leistun-gen beantragen. Damit wahrst du alle An-tragsfristen und sicherst Dir rückwirkendAnsprüche auf ergänzende Leistungen.

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Arbeitslosengeld (Alg) I 13

4. Im ArbeitslosengeldbezugWie hoch ist mein ALG I?

Arbeitslosengeld wird für jeden Kalen-dertag berechnet und in Tagessätzen ge-zahlt. Für einen vollen Monat der Arbeitslo-sigkeit setzt die AA immer 30 Tage an.

Das ALG I für einen Monat wird am Mo-natsende ausgezahlt. Es beträgt in etwa 60 %Deines durchschnittlichen Nettogehalts,das Du im Jahr vor der Arbeitslosigkeit be-zogen hast.

Hast Du Kinder, wird dieser Prozentsatzauf 67 % angehoben.

Die Berechnung des ALG I ist sehr kom-pliziert und es gibt viele Ausnahmeregeln(§ 129 ff. SGB III). Wie das so genannteLeistungsentgelt fürs ALG I ermittelt undwelches erzielte Arbeitsentgelt hier zu-grunde gelegt wird, kannst du auf den fol-genden Seiten nachlesen. Außerdem erläu-tern wir, wann Du mit dem erhöhten Pro-zentsatz fürs Kind rechnen kannst.

Wie wird das ALG I berechnet?a) Welcher Zeitraum dient für die Bemessung?

Die Höhe Deines ALG I richtet sich nachder Höhe des beitragspflichtigen Arbeit-sentgelts, das Du im letzten Beschäfti-gungsjahr vor Beginn Deiner Arbeitslosig-keit erzielt hast. Hier wird zunächst immervom Arbeitnehmer-Brutto-Einkommenausgegangen.

Der Bemessungsrahmen für die Ermitt-lung des so genannten Bemessungsent-gelts ist im Regelfall das Jahr vor Eintritt indie Arbeitslosigkeit. Berücksichtigt werdenalle Abrechnungszeiträume des Arbeit-sentgelts inklusive Einmalzahlungen, dievollständig in den Bemessungsrahmenhineinfallen. Das erzielte beitragspflichtigeArbeitsentgelt wird dann zusammenge-zählt, und anteilig auf die Kalendertage

verteilt. Gezählt wird nur, wenn Einkom-men erzielt wurde.

Bei der Ermittlung Deines Bemessungs-entgelts werden aber nur die Zeiträumeberücksichtigt, in denen Du tatsächlich einbeitragspflichtiges Arbeitsentgelt bezogenhast. Diese nennt man Bemessungszeiträu-me. Liegen im Bemessungsrahmen Zeiten,in denen Du z.B. unbezahlten Urlaub ge-nommen oder Krankengeld bezogen hastoder Erziehungszeiten, werden diese Zeit-räume bei der Bemessung des ALG I nichtberücksichtigt.

Das erzielte Arbeitsentgelt in den Be-messungszeiträumen wird zusammenge-rechnet. Die Summe wird durch die Anzahlder Kalendertage geteilt, die in alle berück-sichtigten Bemessungszeiträume fallen.

Durch Umlage des Arbeitsentgelts aufdie Tage, in denen es erzielt wurde, be-stimmt die AA das durchschnittliche, aufden Tag entfallende Bemessungsentgelt.Ausnahmen:

Der Bemessungsrahmen wird auf zweiJahre vor Eintritt in die Arbeitslosigkeitverlängert,● wenn in dem Bemessungsrahmen voneinem Jahr keine Bemessungszeiträumemit mindestens 150 Tage Anspruch auf Ar-beitsentgelt entstanden sind (z.B. aufgrundvon Kranken- oder Verletztengeldbezug) oder● wenn der Verdienst im letzten Jahr ge-genüber dem Vorjahr gesunken ist. Gründehierfür können betriebsbedingte Arbeits-zeitverkürzung, Lohnverzicht oder die Strei-chung von Weihnachts-, Urlaubsgeld oderSondervergütungen sein. Hier kann die AAim Rahmen einer Härtefallregelung den Be-messungsrahmen auf zwei Jahre erweitern.

Inhalt ALO I kurz 12.05.2009 12:22 Uhr Seite 13

14 Arbeitslosengeld (Alg) I

TIPP: Du musst aber von Dir aus auf die erlit-tene Lohnsenkung hinweisen, und der AAdie entsprechende Nachweise vorlegen.

Sind auch im auf zwei Jahre erweiter-ten Bemessungsrahmen keine Bemes-sungszeiträume mit mindestens 150 TagenAnspruch auf Arbeitsentgelt enthalten,wird die AA Dein ALG I fiktiv bemessen.Dann wir die Leistungshöhe anhand vonQualifikationspauschalen festgelegt.

Die Pauschalen geben Dir einen grobenÜberblick über die Höhe des zu erwarten-den ALG I.Beispiel: fiktives ALG I nach Qualifikation

Höhe des pauschalierten monatlichenALG I in den Qualifikationsgruppen 1-4(Steuerklasse III, ohne Kind; Stand: 2008)Hoch-/Fachhochschule (Gruppe 1):

1.245,30 Euro (West)1.110,00 Euro (Ost)

Fachschule/Meister (Gruppe 2):1.098,30 Euro (West)

961,80 Euro (Ost) abgeschlossener Ausbildungsberuf (Gruppe 3):

919,80 Euro (West)796,20 Euro (Ost)

keine Ausbildung (Gruppe 4):706,80 Euro (West) 597,30 Euro (Ost)

Sonderregelungen für die Bemessung desArbeitslosengeldes gibt es außerdem ● für Zeiträume in denen Kurzarbeitergeldoder Winterausfallgeld bezogen wurde und ● bei Beschäftigungen mit flexiblen Ar-beitszeiten.b) Was zählt als beitragspflichtiges Arbeit-sentgelt?

In der Regel zählen als beitragspflichti-ges Arbeitsentgelt alle Deine laufendenund einmaligen Einnahmen aus einer Be-schäftigung, für die Du Lohnsteuer zahlenmusstest.

Hierunter zählen auch Aufwandsent-

schädigungen der Privatwirtschaft, Entgelt-zahlung im Krankheitsfall, Essenszuschüs-se in Höhe der Sachbezugsverordnung,Gratifikationen, Urlaubs- und Weihnachts-geld oder vermögenswirksame Leistungen.

Teilweise beitragspflichtig sind Feier-tags-, Nacht- oder Sonntagsarbeitszuschlä-ge. Hier muss im Einzelfall geprüft werden.

Beitragsfrei sind dagegen z.B. Abfin-dungen, Zuschüsse für einen Kindergarten-platz oder Trinkgelder. Sie werden bei derErmittlung des Bemessungsentgelts nichtberücksichtigt.Ausnahmen:

Ebenfalls beim Bemessungsentgeltnicht berücksichtigt werden manipulierteLohnerhöhungen, die im Hinblick auf dieEntlassung bzw. bevorstehende Arbeitslo-sigkeit gezahlt wurden.

Auch bleiben Arbeitsentgelte unbe-rücksichtigt, die oberhalb der Beitragsbe-messungsgrenze liegen (bei einem Jahre-seinkommen über 64.800 Euro/West;54.600 Euro/Ost).c) Wie wird aus dem Bemessungsentgelt dasLeistungsentgelt?

Bei der Berechnung des Bemessungs-entgelts sind wir immer von Deinem (Ar-beitnehmer-) Bruttoeinkommen ausge-gangen. Dein Arbeitslosengeldanspruchorientiert sich aber an deinem Nettolohnoder -gehalt.Hierzu bildet die AA das pauschalierte Netto-entgelt, indem sie drei Pauschalen abzieht:● der pauschalierte Arbeitnehmeranteilder Sozialversicherung in Höhe von 21 %,● die pauschalierte Lohnsteuer nach § 10cAbs. 2 Einkommensteuergesetz mit der sogenannten Vorsorgepauschale (2009 sinddas z.B. bei 30.000 Euro Jahresbrutto2.574,60 Euro oder 8,6 %),● der Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,5 %.Das Ergebnis ergibt das Leistungsentgelt.

Inhalt ALO I kurz 12.05.2009 12:22 Uhr Seite 14

Arbeitslosengeld (Alg) I 15

d) Wie viel Prozent vom Leistungsentgelt?Der allgemeine Leistungssatz beim ALG I

liegt bei 60 % des Leistungsentgelts.Den erhöhten Leistungssatz in Höhe von 67 %erhältst Du,● wenn Du mindestens ein Kind im Sinnedes § 32 Abs. 1, 3 bis 5 Einkommensteuerge-setz hast oder● wenn Dein Ehe- oder Lebenspartnermindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs.1, 3 bis 5 Einkommensteuergesetz hat. Vor-aussetzung ist, dass Du mit Deinem Part-ner / Deiner Partnerin nicht dauernd ge-trennt lebst und ihr beide unbeschränkteinkommensteuerpflichtig seid.

Welche Kinder zählen?Als Kinder zählen die leiblichen Kinder,

Adoptivkinder, Pflegekinder und Steifkin-der. Sie müssen nicht in Deinem Haushaltleben, aber Dir gegenüber noch unterhalts-berechtigt sein.

Auch ein volljähriges Kind wird dabeinach dem Einkommensteuerrecht berück-sichtigt,● wenn es noch nicht 21 Jahre alt ist, nichtin einem Beschäftigungsverhältnis stehtund bei der AA arbeitsuchend gemeldet istoder ● wenn es noch nicht 25 Jahre alt ist und – in Berufsausbildung ist oder– in einer Übergangszeit von mindestens

vier Monaten zwischen zwei Ausbil-dungsabschnitten bzw. zwischen Aus-bildung und Wehr- oder Zivildienst

– eine Berufsausbildung mangels Ausbil-dungsplätzen nicht beginnen oder fort-setzen kann oder

– ein freiwilliges soziales bzw. ein freiwil-liges ökologisches Jahr leistet oder

– wegen körperlicher, geistiger oder see-lischer Behinderung außerstande ist,sich selbst zu unterhalten.

Wenn diese Voraussetzungen vorlie-gen, wird die oben genannte Altersgrenzeum die Zeiten von Grundwehr- oder Zivil-dienst verlängert.

Den erhöhten Leistungssatz von 67 %erhältst du für Dein volljähriges Kind abernur, wenn die genannten Voraussetzungenvorliegen und das Jahreseinkommen desKindes 7.680 Euro nicht überschreitet.e) Arbeitslosengeld und Steuerklasse

Die Höhe Deines ALG I hängt auch vonder Steuerklasse ab. Was Du hierbei beach-ten musst, kannst du auf S. 6 nachlesen.TIPP: Die Berechnung des ALG I ist höchstkompliziert und schwer nachzuvollziehen.Bei „normalen“ Voraussetzungen kannst Duden Betrag im Internet recht einfach mit ei-nem ALG-I-Rechner ermitteln (http://www.pub.arbeitsagentur.de/alt.html). Wenn DuZweifel an der Berechnung der AA hast oderwenn Ausnahmetatbestände vorliegen, dievielleicht nicht berücksichtigt wurden, wen-de Dich an eine Beratungsstelle.Denke daran: Die Widerspruchsfrist DeinesBewilligungsbescheides läuft einen Monatnach Zustellung aus. (➔ S. 60)

Wie lange habe ich Anspruch auf ALG I?Die Dauer des Anspruchs auf ALG I richtet sich● nach der Dauer Deiner sozialversiche-rungspflichtigen Beschäftigung innerhalbder letzten zwei Jahre vor der Arbeitslos-meldung und● nach Deinem Alter am Tage des ALG-An-trages.Die Zwei-Jahres-Frist vor Antragstellungnennt man Rahmenfrist. Innerhalb dieserFrist muss du mindestens zwölf Monateversicherungspflichtig beschäftigt gewe-sen sein (Anwartschaft), um überhauptALG I zu bekommen. Bei längeren Beschäf-tigungszeiten erhöht sich gegebenenfallsDein Anspruch.

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16 Arbeitslosengeld (Alg) I

Der Wehr- oder Zivildienst zählt wie ei-ne Beschäftigung ebenfalls als Anwart-schaftszeit. Einige weitere Zeiten zählenunter Umständen als Anwartschaftszeit:Zeiten in denen Krankengeld, Mutter-schaftsgeld oder Übergangsgeld währendeiner Reha-Maßnahme bezogen wird so-wie Zeiten, in denen eine Rente wegenvoller Erwerbsminderung bezogen wirdoder in denen ein Kind unter drei Jahrenerzogen wird oder eine pflegebedürftigePerson gepflegt wird. Dies gilt aber nurdann, wenn unmittelbar zuvor versiche-rungspflichtig gearbeitet wurde oder eine

Lohnersatzleistung nach dem SGB III (wiez.B. ALG I) bezogen wurde.

Wenn du über 50 Jahre alt bist und län-ger als 24 Monate versicherungspflichtigbeschäftigt warst, wird die Rahmenfristum drei Jahre verlängert. Kannst Du inner-halb dieser Fünf-Jahres-Frist längere Be-schäftigungszeiten vorweisen, verlängertsich Dein Anspruch auf ALG I unter denaufgeführten Voraussetzungen.

Wie lange Dir ALG I zusteht, kannst du ausder folgenden Tabelle entnehmen (nach § 127 SGB III):

Deine versicherungspflichtige Tätigkeit von mindestens Monaten innerhalb der der letzten Dein Alter in Dein ALG I-An-

Rahmenfrist von Jahre Jahren spruch in Monaten12 2 616 2 820 2 1024 2 1230 5 50 1536 5 55 1848 5 58 24

Rest-Anspruch nach Zwischenbeschäftigung● Wenn Du nach kürzerer Arbeitslosigkeitwieder eine Beschäftigung findest, verfälltder nicht verbrauchte ALG I-Anspruchnicht sofort.● Wenn Du innerhalb von der neuen Rah-menfrist von zwei Jahren wieder zwölf Mo-nate versicherungspflichtig beschäftigtbist, erwirbst Du Dir einen „Neuanspruch“auf Arbeitslosengeld. Wirst du dann erneutarbeitslos, kannst du den nicht verbrauchtenalten Anspruch bis zur Höchstanspruchs-dauer für Deine Altersgruppe (Tabelle, letzteSpalte) zum neuen Anspruch hinzuzählen.Voraussetzung ist, dass die neue ALG-I-An-tragstellung und die vorherige nicht längerals vier Jahre auseinander liegen.

Gut zu wissen: Solltest Du bei der letzten,zwischenzeitlichen Beschäftigung wenigerverdient haben als früher, dann gilt ein sogenannter Bestandsschutz: Dein ALG I wirdnach Deinem früheren, höheren Verdienstberechnet und Du bekommst genau so vielALG I wie vor der schlechter bezahlten, letz-ten Beschäftigung. Dies gilt immer dann,wenn die letzte Beschäftigung kürzer alszwei Jahre war.

● Wenn Du aufgrund einer kurzen Be-schäftigungsdauer in der neuen Arbeits-stelle keinen neuen ALG-I-Anspruch er-wirbst und erneut arbeitslos wirst, bleibtDir lediglich der Restanspruch aus demvorherigen ALG-I-Bezug.

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Arbeitslosengeld (Alg) I 17

Nebenverdienst während der Arbeitslosigkeit

Wenn Du ALG I beziehst darfst Du einNebeneinkommen aus einer selbstständi-gen oder unselbstständigen Tätigkeit bzw.Beschäftigung erzielen. 165 Euro dieses mo-natlichen Einkommens wird nicht auf dasALG I angerechnet (§ 141 Abs. 1 SGB III).Achtung! Die Nebenbeschäftigung darf einenzeitlichen Umfang von 15 Stunden wöchent-lich nicht erreichen. Die AA legt hier keineKalenderwoche von Montag bis Sonntag zu-grunde, sondern eine Sieben-Tage-Frist in-nerhalb der Du maximal 14,9 Stunden arbei-ten darfst.

Wenn Deine Nebentätigkeit die Dauerder wöchentlichen Arbeitszeit von 15 Stun-den erreicht oder überschreitet, giltst Dunicht mehr als arbeitslos. Dann entfällt derAnspruch auf ALG I.

Wenn die AA mitbekommt, dass DeineNebenbeschäftigung vorübergehend dieGrenze von 15 Wochenstunden erreicht oderüberschreitet, wird sie Dir das ALG I auchrückwirkend streichen. Du bis verpflichtet,der AA alle leistungsrelevanten Änderun-gen unverzüglich mitzuteilen. Auch Ne-beneinkommen und Veränderungen beimNebeneinkommen gehören dazu.

Zum Nachweis Deines Einkommenssollst Du einen AA-Vordruck von DeinemArbeitgeber ausfüllen lassen. Wir meinen,dass eine Kopie Deiner Lohnabrechnungausreicht, um das Einkommen zu belegen.

Als selbständiger Nebenberufler musstDu eine Selbsteinschätzung bzw. entspre-chende Einkommensbelege einreichen. Beiwechselndem Nebeneinkommen musstDu diese Nachweise monatlich erbringen.

Ist eine vorübergehende umfangreicheBeschäftigung vorauszusehen, kannst DuDich für diesen voraussehbaren Zeitraumauch selbst bei der AA abmelden. So kannstDu anrechnungsfrei Einkommen erzielen

und Deinen Anspruch auf ALG I nach hin-ten hinausschieben.

Fällt die Beschäftigung wieder unterdie 15 Wochenstunden, musst Du dich in je-dem Fall erneut arbeitslos melden.

Welches Einkommen wird angerechnet?

Angerechnet wird nur Erwerbseinkom-men, das Du entweder mit einer Arbeit-nehmertätigkeit oder einer selbständigenArbeit verdienst. Auch einmalig gezahlteArbeitsentgelte aus der Nebentätigkeit,wie z.B. Weihnachtsgeld, gehören dazu.

Solches Einkommen wird aber nur an-gerechnet, wenn Du es während des ALG-I-Bezuges erarbeitet hast. Nachzahlungenaus einer Beschäftigung vor der Arbeitslos-meldung werden nicht berücksichtigt.Nicht angerechnet werden so genannte„mühelose Einkommen“, die ohne Arbeits-leistung erzielt werden. Dazu gehören● Lotto- und andere Gewinne● Einkommen aus Kapitalvermögen● Erbschaften und Schenkungen und ● Sozialleistungen (z.B. Verletztenrente

oder Elterngeld)Außerdem nicht angerechnet werden:● Zahlungen von Trägern für Teilnehmer

von Trainingsmaßnahmen,● Arbeitnehmersparzulagen,● Entgelt für Pflege von Angehörigen und

Nahestehenden im Rahmen der Pflege-versicherung oder Leistungen der Kin-der- und Jugendhilfe für die Vollzeitpfle-ge von Kindern,

● bei steuerfreien Aufwandsentschädi-gungen fürs Ehrenamt ein Drittel derEntschädigung, mindestens aber inHöhe von 175 Euro monatlich,

● Entschädigungen für ehrenamtlicheMitarbeiterInnen in den kommunalenVertretungsorganen,

Inhalt ALO I kurz 12.05.2009 12:22 Uhr Seite 17

18 Arbeitslosengeld (Alg) I

● Die so genannte „Übungsleiterpauschale“(nach § 3 Nr. 26 Einkommensteuergesetz)als Aufwandsentschädigung für neben-berufliche Tätigkeit als Übungsleiter/-in,Ausbilder/-in, Erzieher/-in oder Pfleger/-in in Höhe von 2.100 Euro pro Jahr, dasentspricht 175 Euro im Monat oder

● Aufwandsentschädigungen für ALG-I-BezieherInnen mit aufstockenden ALG-II-Leistungen, die einen Ein-Euro-Jobaufgedrückt bekommen.

Vor Anrechnung wird das Einkommen be-reinigt. Beim ALG I wird nur das Nebenein-kommen berücksichtigt, was Dir tatsäch-lich zur Verfügung steht. Das heißt, der Ver-dienst wir um Absetzbeträge bereinigt underst dann angerechnet.

Beim Einkommen aus einer nichtselbst-ändigen Tätigkeit als ArbeitnehmerIn, etwabei einem Minijob oder einer sozialversi-cherungspflichtigen Nebenbeschäftigungvon weniger als 15 Wochenstunden, kön-nen folgende Beträge abgesetzt werden:● falls vorhanden Lohn- und Kirchensteu-

er sowie der Solidaritätszuschlag,TIPP: Für solche Nebeneinkommenkannst Du Dir eine zweite Lohnsteuerkar-te mit der Klasse VI besorgen. Dein anre-chenbares Nebeneinkommen sinkt dann,weil mehr Lohnsteuer abgezogen wird.Die zu viel gezahlte Lohnsteuer wird Dirspäter mit dem Lohnsteuerjahresaus-gleich zurückgezahlt.

● Beiträge zur Sozialversicherung; Renten-Kranken- und Pflegeversicherung (derBeitrag zur Arbeitslosenversicherungentfällt in Zeiten des ALG-I-Bezuges),

● Werbungskosten in Höhe der tatsächlichgeltend gemachten Beträge, wie Ge-werkschaftsbeiträge, Aufwendungen fürArbeitskleidung und Arbeitsmittel so-wie Aufwendungen für berufliche Wei-terbildung und

● Fahrtkosten in Höhe von 30 Cent proEntfernungskilometer zur Arbeitsstelle.

Bei Nebeneinkommen aus selbständigerTätigkeit wird zunächst der Gewinn ermit-telt. Die Betriebsausgaben werden von derAA pauschal auf 30 % der Betriebseinnah-men festgelegt, wenn keine höheren Aus-gaben nachgewiesen werden. Dann wer-den die Ausgaben von den Einnahmen ab-gezogen: man erhält den Betriebsgewinn.Von dem so errechneten Einkommen wer-den wiederum pauschal 10 % für die Ein-kommensteuer abgezogen. Der verbleiben-de Betrag ist das bereinigte anzurechnendeNebeneinkommen.

165 Euro Freibetrag werden nicht ange-rechnet!

Wenn Du während dem ALG-I-Bezugeinen Nebenverdienst aus einer Beschäfti-gung von weniger als 15 Wochenstundenerzielst, kannst Du immer bis 165 Euro an-rechnungsfrei hinzuverdienen. Nur das be-reinigte Nebeneinkommen, das den Freibe-trag übersteigt, wird an die Leistung ange-rechnet.Beispiel: Anrechnung von Nebeneinkommen

Marco M. ist arbeitslos und hat ein mo-natliches Nebeneinkommen von brutto 750Euro aus einem 14-Stunden-Job als Schrei-ner. Für den Nebenjob hat er sich eine zwei-te Lohnsteuerkarte Steuerklasse VI geholt.Er fährt mit dem PKW zweimal wöchent-lich in die 15 Km entfernte Schreinerei.Bruttolohn: 750,00 EuroSozialversicherungsbeiträge – 145,32 Euro(ohne Arbeitslosenversicherung)Lohnsteuer, Kirchensteuer undSolidaritätszuschlag – 119,25 Euro*Fahrtkosten (8 x 15 Km) – 36,00 Eurobereinigtes Netto-einkommen = 449,43 EuroALG-I-Freibetrag- 165,00 Euroanzurechnender Nebenverdienst = 284,43 Euro

*Die zuviel entrichtete Steuer bekommtMarco M. später mit dem Lohnsteuerjah-resausgleich vom Finanzamt zurück.

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Arbeitslosengeld (Alg) I 19

Zumutbarkeitsregeln:Welche Stellenangebote mussich akzeptieren?

Als BezieherIn von ALG I bist Du ver-pflichtet, zumutbare Arbeit anzunehmen.Diese Pflicht spielt vor allem dann eine Rol-le, wenn Du von der Arbeitsagentur einStellenangebot bekommst oder Dich selbstauf eine Stelle bewirbst bzw. bewerbenmusst. Wer eine zumutbare Arbeit ablehnt,wird mit einer Sperrzeit bestraft. Das heißt,die Arbeitsagentur zahlt für eine gewisseZeit kein ALG aus.

Angenommen werden muss aber nichtjede Arbeit sondern nur zumutbare Arbeit.

Was ist zumutbare Arbeit?Entscheidend ist der Lohn der angebo-

tenen Arbeit. Generell gilt: Auch eine Ar-beit, bei der Du weniger verdienst als inDeinem letzten Beschäftigungsverhältnis,gilt als zumutbar. Je länger die Arbeitslo-sigkeit dauert, umso mehr wird von Dir

verlangt, Verschlechterungen in Kauf zunehmen.

Neben dem Lohn spielt vor allem nochdie Fahrzeit zur Arbeit eine Rolle.

Welcher Lohn ist zumutbar?In den ersten drei Monaten der Arbeits-

losigkeit musst Du bereits einen Lohn ak-zeptieren, der bis zu 20 % unter Deinemletzten Verdienst liegt.

Vom vierten bis sechsten Monat gilt so-gar ein Minus von bis zu 30 % als zumutbar.

Verglichen wird dabei der alte mit demneuen Bruttolohn. Einmalzahlungen wieetwa Urlaubs- oder Weihnachtsgeld zählenbei dem Vergleich mit.

Ab dem siebten Monat der Arbeitslo-sigkeit muss eine noch größere Einbußebeim Lohn akzeptiert werden. Verglichenwird nun der angebotene Nettolohn ab-züglich der anfallenden „Werbungskosten“(z.B. Fahrtkosten, Gewerkschaftsbeitrag)mit der Höhe Deines Arbeitslosengeldes.

Ausnahmeregelung bei fortge-setztem Nebeneinkommen

Zusätzlich zum oben beschriebenenFreibetrag kann Dir ein weiterer Freibetragzustehen. Das ist der Fall, wenn Du vor demALG-I-Bezug neben der sozialversiche-rungspflichtigen Beschäftigung bereits ei-nen Nebenjob ausgeübt hast oder alsSelbständiger oder mithelfender Familien-angehöriger tätig warst (§ 141 Abs. 2 und 4SGB III). Diese Tätigkeit muss mindestenszwölf Monate in den letzten 18 Monatenvor dem Antrag auf Arbeitslosengeld aus-geübt worden sein und darf (bei mehrerenBeschäftigungen zusammengerechnet) 15

Wochenstunden nicht überschritten ha-ben. Der Freibetrag richtet sich nach demdurchschnittlichen Einkommen, das Du inden zwölf Monaten erzielt hast.

Mindestens beträgt er jedoch 165 Euro.Nebenverdienst aus mindestens zwölf

Monate andauernden, im ALG-I-Bezug fort-gesetzten Beschäftigungen / Tätigkeitenist anrechnungsfrei.

TIPP: Du musst die AA auf solche Nebenbe-schäftigungen hinweisen und die entspre-chenden Nachweise vorlegen.

Zu den Sonderregelungen beim Neben-verdienst für Kurzarbeitergeld → S. 31

5. Fordern und Fördern durch die Arbeitsagentur

Inhalt ALO I kurz 12.05.2009 12:22 Uhr Seite 19

20 Arbeitslosengeld (Alg) I

Du musst also auch eine Stelle akzeptieren,bei der genauso wenig Geld herausspringt,wie Du zurzeit an ALG I bekommst.

Kann ich selbst vergleichenund prüfen, ob ein Lohn zu-mutbar ist?

Ja. Vorausgesetzt in dem Stellenange-bot ist der Verdienst auch angegeben.Dann ist es ja relativ einfach zu prüfen, obder Verlust größer als 20 % bzw. 30 % ist.

Für den Vergleich des erzielbaren Net-tolohns mit Deinem Arbeitslosengeld (abdem siebten Monat) kannst Du den ALG-I-Rechner der Bundesagentur im Internetverwenden (www.pub.arbeitsamt.de/alt.html). Wenn Du da den Bruttolohn der an-gebotenen Stelle eingibst, dann zeigt dasProgramm in der Zeile „Leistungsentgelt“den entsprechenden „Nettolohn“ an.

Zumutbarkeitsregeln ändern!Wir setzen uns dafür ein, „zumutbare

Arbeit“ ganz neu zu definieren. Denn die bestehenden Regeln sind eine Zumutung!Sie befördern Lohndumping und die Aus-breitung von Niedriglöhnen. ErworbeneQualifikationen werden entwertet. Zudembesteht die Gefahr, dass besser qualifizierteArbeitnehmerInnen weniger qualifizierteArbeitnehmerInnen verdrängen. Eine Ver-besserung im Interesse von Beschäftigtenund Erwerbslosen muss her!

Wie verhalte ich mich im Zweifelsfall?

Die Arbeitsagenturen unterbreitenauch Stellenangebote, in denen der Ver-dienst gar nicht angegeben ist. Zwar hatdas Sozialgericht Dresden entschieden,dass der Lohn angegeben sein muss. Aberdiese Rechtsauffassung hat sich leidernoch nicht durchgesetzt.

Wenn unklar ist, ob eine Stelle zumut-bar ist, dann musst Dich trotzdem um siebemühen, um eine Sperrzeit zu vermeiden.

Eine Sperrzeit droht schon, wenn „dieAnbahnung eines Beschäftigungsverhält-nisses vereitelt wird.“ Laut Bundessozialge-richt heißt das im Klartext: Arbeitslosemüssen alles unterlassen, was den Arbeit-geber abschreckt und dazu führt, nichtzum Vorstellungsgespräch eingeladen zuwerden. Auch im persönlichen Gesprächdarfst Du kein Verhalten an den Tag legen,an dem offensichtlich zu erkennen ist, dassDu die angebotene Stelle gar nicht habenwillst. Das würde eine Ablehnung ja gera-dezu herausfordern (→ S. 22).

Fragen, die manchem Arbeitgebernicht passen, wie etwa, ob tariflich bezahltwird und ob ein Betriebsrat existiert, sindaber zulässig. Sie gehören schließlich insVorstellungsgespräch.

Welche Fahrzeit gilt als zumutbar?

Zusammen für den Hin- und Rückwegzur Arbeit gilt eine Fahrzeit von bis zuzweieinhalb Stunden als zumutbar. Diesgilt für eine tägliche Arbeitszeit von mehrals sechs Stunden. Unter sechs Stunden Ar-beitszeit müssen bis zu zwei Stunden Fahr-zeit akzeptiert werden.

Dabei kommt es jeweils auf dentatsächlichen Zeitaufwand von Haustür zuHaustür an. Wenn in einer Region längerePendelzeiten zur Arbeit üblich sind, danngelten diese als Maßstab.

Arbeitslose müssen unter Umständensogar vorübergehend eine doppelte Haus-haltsführung in Kauf nehmen sowie einenUmzug. Letzteres in der Regel ab dem vier-ten Monat der Arbeitslosigkeit. DiesePflicht entfällt aber, wenn wichtige Gründewie etwa familiäre Bindungen dagegenstehen.

Inhalt ALO I kurz 12.05.2009 12:22 Uhr Seite 20

Arbeitslosengeld (Alg) I 21

Gibt es weitere Gründe, war-um ein Stellenangebot unzu-mutbar sein kann?

Wenn gegen Gesetze verstoßen wird.Etwa wenn Bestimmungen zum Arbeits-schutz nicht eingehalten werden. Das kannman aber bei einem Stellenangebot mei-stens gar nicht beurteilen. Bedeutsam sindhingegen die Mindestlöhne in einigenBranchen, die ebenfalls eingehalten wer-den müssen.

Zudem sind sittenwidrige Löhne verbo-ten. Dies ist aber ein völlig unzureichenderSchutz. Denn ein Lohn gilt erst dann als sit-tenwidrig, wenn er mindestens 30 % unterdem Tariflohn liegt – oder (mangels Tarif)unter dem ortsüblichen Lohn.

Die Hans-Böckler-Stiftung hat im Inter-net eine Übersicht zu den aktuell gültigenMindestlöhnen veröffentlicht. Siehe: www.boeckler.de/pdf/ta_mindestloehne_aentg.pdf

Kann ich mich als Gewerk-schaftsmitglied auf bestehendeTarifverträge berufen?

Jein. Zwar darf ein Stellenangebot derArbeitsagentur nicht gegen einen Tarifver-trag verstoßen. Das gilt aber nur, wenn derneue Arbeitgeber tarifgebunden ist.

Wie werden meine Berufsaus-bildung oder erworbene Qualifikationen berücksichtigt?

Leider so gut wie gar nicht. Es gibt kei-nen Berufsschutz. So können Facharbeiterauch in Hilfstätigkeiten vermittelt werden.Wir meinen allerdings, dass die Arbeitsa-genturen dabei mit viel Fingerspitzenge-fühl vorgehen müssen. Schließlich soll beider Vermittlung die „Neigung, Eignungund Leistungsfähigkeit“ des Erwerbslosenberücksichtigt werden. (§ 35 Abs. 2 SGB III)

Wenn Du ein Stellenangebot unterhalbDeiner Qualifikation bekommst, dann soll-

test Du umgehend mit Deinem Arbeitsver-mittler sprechen. Sage, dass Du das Ange-bot zwar nicht ablehnen willst, aber dasses doch sinnvoller wäre, zunächst eine Ar-beit im erlernten Beruf zu suchen. BleibtDein Vermittler bei seinem Vorschlag, mus-st Du Dich allerdings um die Arbeitbemühen, sonst riskierst Du eine Sperrzeit.

Sperrzeiten vermeiden!Neben der Aufnahme einer zumutba-

ren Arbeit, gibt es weitere Pflichten, die Duals ALG-I-Bezieher erfüllen musst. „Pflicht-verletzungen“ werden als „versicherungs-widriges Verhalten“ angesehen und mit ei-ner Sperrzeit bestraft (§ 144 SGB III neu).Hierunter fallen● Verhalten, das das Zustandekommen eines

Beschäftigungsverhältnisses verhindert,● unzureichende Bemühungen, eine Ar-

beit zu finden,● die Ablehnung oder der Abbruch einer

beruflichen Eingliederungsmaßnahmeoder

● das Nichterscheinen bei einem Melde-termin bei der AA oder Untersuchungs-termin beim ärztlichen Dienst.

Was ist eine Sperrzeit?Sperrzeit bedeutet, dass Du für eine ge-

wisse Zeit gar kein Arbeitslosengeld be-kommst. Dein ALG I wird „gesperrt“.

Die Dauer der Sperre hängt von derHäufigkeit der „Pflichtverletzungen“ ab.Beim ersten „Verstoß“ erhältst Du drei Wo-chen, beim zweiten sechs Wochen undbeim dritten zwölf Wochen lang kein Ar-beitslosengeld. Zudem verkürzt jede Sperr-zeit die ALG-Bezugsdauer, also die Zeit, dieDu maximal Anspruch auf ALG I hast.

Wenn im Laufe der Zeit mehrere Sperr-zeiten von insgesamt 21 Wochen gegenDich verhängt werden, dann verlierst DuDeinen Anspruch auf ALG I ganz.

Inhalt ALO I kurz 12.05.2009 12:22 Uhr Seite 21

22 Arbeitslosengeld (Alg) I

Eine Sperrzeit ist allerdings nicht zuläs-sig, wenn Du für Dein Verhalten einenwichtigen Grund hast. Gerade weil Sperr-zeiten so harte Strafen sind, gilt es, Sperr-zeiten möglichst ganz zu vermeiden.

RechtsfolgenbelehrungVoraussetzung für eine Sperrzeit ist,

dass Du zuvor immer über die Folgen derPflichtverletzung belehrt worden bis. Be-kommst Du z.B. eine schriftliche Aufforde-rung, Dich um eine Stelle zu bewerben oderbei der AA zu melden, muss in dem Schrei-ben konkret und vollständig auf die Folgeneiner Weigerung hingewiesen werden. Inder Regel soll eine Rechtsfolgenbelehrungschriftlich erfolgen. Sie kann aber auchmündlich gegeben werden, wenn Du z.B.persönlich mit Deinem Arbeitsvermittler /Deiner Arbeitsvermittlerin einen Melde-termin vereinbarst. Erfolgt eine Rechtsfol-genbelehrung mündlich, muss das vomVermittler durch einen Vermerk in DeinerLeistungsakte dokumentiert werden.

Im Zweifel muss die AA beweisen, dassDu über die Rechtsfolgen belehrt worden bist.TIPP: Oft verhängen die Arbeitsagenturenvorschnell eine Sperrzeit. Wenn Du Dich un-gerecht behandelt fühlst, dann solltest Duunbedingt Widerspruch einlegen und gege-benenfalls auch vorm Sozialgericht klagen.Etwa 40 % der Widersprüche und über dieHälfte der Klagen gegen Sperrzeiten sind er-folgreich! Als Gewerkschaftsmitglied stehtDir dabei gewerkschaftlicher Rechtschutzzu. (➔ S. 60)

Wenn Du aufgrund einer Sperre DeinenLebensunterhalt nicht mehr bestreitenkannst, hast Du unter Umständen An-spruch auf ALG II. Du musst dann bei derARGE/dem Jobcenter einen Antrag stellen.Wenn Du mit einer Sperrzeit ins ALG wech-selst, bekommst Du auch dort nur gekürzteLeistungen. (→ S. 9)

Ratschläge zu Bewerbungsschreiben und zumVorstellungsgespräch

Wer eine von der Arbeitsagentur ange-botene Arbeit ablehnt oder nicht antritt,wird mit einer Sperrzeit bestraft. Gleichesgilt, wenn Du durch Dein Verhalten das Zu-standekommen eines Beschäftigungsver-hältnisses verhinderst. Die AA muss aller-dings auch im betreffenden Stellenange-bot mit einer Rechtsfolgenbelehrung dar-auf hingewiesen haben, dass eine Sperrzeitdrohen kann.

Bemühen um die angebotene Arbeit

Wenn Du von der AA ein Stellenange-bot erhältst, musst Du unverzüglich mitdem möglichen Arbeitgeber Kontakt auf-nehmen und Dich dort bewerben.

Wie schnell das passieren muss, istnoch umstritten. Ob sich Bewerber binnendrei Tagen oder innerhalb einer Wochemelden sollen, darüber gibt es noch keineeinheitliche Rechtsprechung.TIPP: Um Nachteile zu vermeiden, solltestDu möglichst umgehend telefonisch mitdem Arbeitgeber Kontakt aufnehmen underfragen, wie Du Dich bei ihm bewerbensollst (schriftlich oder persönlich vorbei-kommen?) und welche Bewerbungsunterla-gen erwartet werden.

Eine Bewerbung erfordert in jedem Falletwas Zeit, da es sinnvoll ist, sich vorher,z.B. im Internet, über den Arbeitgeber zuinformieren und sich gut vorzubereiten.

Die Stellenangebote der Arbeitsagen-tur sind leider oft sehr dürftig: Es muss nurder Name und die Anschrift des Arbeitge-bers sowie die Art der angebotenen Tätig-keit genannt sein. Wir meinen zwar, dassStellenangebote auch Angaben zum Ver-dienst und zur Arbeitszeit enthalten sollen –

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gesetzlich verpflichtet sind die Arbeits-agenturen dazu aber nicht. Auch prüfendie Arbeitsagenturen vorher nicht, ob dieangebotene Arbeit überhaupt zumutbar ist (→ S. 33).

Arbeitsverhältnis „vereitelt“?Wichtig: Es reicht nicht aus, sich nur „proforma“ zu bewerben. Du musst bei der Be-werbung oder bei einem Vorstellungsge-spräch darauf achten, dass Du nicht den Ver-dacht erweckst, die Arbeit gar nicht habenzu wollen. Denn bei einem solchen Verhal-ten hast Du das Zustandekommen des Ar-beitsverhältnisses verhindert und würdestmit einer Sperrzeit bestraft.

Gerichtsurteile geben HinweiseBei welchem Verhalten droht eine

Sperrzeit, weil ich angeblich gar nicht ander angebotenen Stelle interessiert bin?

Dazu gibt es zwei wichtige Entschei-dungen des Bundessozialgerichts (BSG).Kurz zusammengefasst wurde Folgendesentschieden:

Einerseits musst Du Dich gegenüberdem Arbeitgeber nicht besser darstellenals Du bist. Du kannst Dich auf die wahr-heitsgemäße Darstellung Deiner bisheri-gen Tätigkeiten und Kenntnisse beschrän-ken. Punkte, die eher gegen Dich sprechen,brauchst Du nicht schön zu lügen oder zuverheimlichen (BSG vom 9.12.2003, Az.: B 7AL 106/02 R).

Beispiele: Dein Lebenslauf enthältwahrheitsgemäß auch Zeiten, die für dieangebotene Stelle nicht hilfreich oder gareher hinderlich sind. Diese Angaben sindunschädlich, daraus kann Dir niemand ei-nen Strick drehen.

Oder: Du antwortest auf eine Fragenach Deinen Qualifikationen im Vorstel-lungsgespräch wahrheitsgemäß, dass Duin einem bestimmten Bereich noch keineKenntnisse hast.

Andererseits darf eine Bewerbungnicht so „abschreckend“ sein, dass der Be-werber alleine wegen der Art der Bewer-bung aus der Auswahl des Arbeitgebersausscheidet. Dies gilt für den Inhalt und dieForm der Bewerbung. Die Bewerbung mussverdeutlichen, dass Interesse an der ange-botenen Arbeit besteht. Der Arbeitslose sollalles unterlassen, was dem Arbeitgeber ei-nen gegenteiligen Eindruck – also Desin-teresse – vermittelt und ein persönlichesVorstellungsgespräch vereitelt (BSG vom5.9.2006, Az.: B 7a AL 14/05 R).

Beispiel: Im konkreten Fall, in dem dieBundesrichter eine Sperrzeit für rechtenshielten, hatte ein Erwerbsloser in seiner Be-werbung u.a. geschrieben:

„... möchte ich darauf hinweisen, dassich im Bereich (...) weder über eine guteAusbildung noch über jedwede Berufspra-xis verfüge und dies auch keine Wunsch-Tätigkeit wäre.“

Einige Tipps zur „Bewerbung“Wenn Du von der Arbeitsagentur ein

Stellenangebot bekommst, lohnt es sichmeistens, umgehend mit Deinem Arbeits-vermittler Kontakt aufzunehmen und zufragen, ob er noch weitere Informationenüber die Stelle hat. Bekanntlich steht indem Stellenangebot selbst nicht viel drin.Aber ganz unabhängig von den Sperrzei-ten, ist es für jede Bewerbung vorteilhaft,möglichst viel über die offene Stelle zu er-fahren.

Wenn Du unsicher oder überfordertbist, wie du Dich bewerben sollst oder wieDu im Vorstellungsgespräch auftretensollst, dann besprich auch das mit DeinemVermittler. Frage ihn, ob Du kurzfristig Hil-fe bekommen kannst.

Wenn Du meinst, dass die angeboteneStelle nicht für Dich geeignet ist, empfeh-len wir ebenfalls ein offenes Gespräch mit

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Deinem Vermittler / Deiner Vermittlerin.Mache allerdings klar, dass Du das Angebotkeinesfalls ablehnen willst, jedoch Beden-ken hast, die Du mit ihm / ihr besprechenmusst. Schildere Deine Einwände mög-lichst konkret und frage, ob nicht ein ande-res Stellenangebot verfügbar ist, das besserzu Dir passt. Bleibt der Arbeitsvermittler /die Vermittlerin bei dem ursprünglichenAngebot, musst Du Dich natürlich darumbemühen.

Deine Bewerbung sollte Interesse aus-drücken. „Heikle“ Punkte und „kritischeNachfragen“, die zulässig sind, aber demArbeitgeber vielleicht nicht passen, solltestDu beim Bewerbungsschreiben erst malweglassen und dann später im Vorstel-lungsgespräch ansprechen.Einige Tipps zum „Vorstellungsgespräch“

Neben dem „Werben“ für Dich solltestDu auch Fragen zu dem angebotenen Ar-beitsplatz stellen. Dies gilt für Fragen zurTätigkeit an sich aber auch zu den Arbeits-bedingungen. Völlig zulässig sind Fragenwie: Gibt es im Betrieb einen Betriebsrat?Wie hoch ist der Lohn oder das Gehalt?Wird nach Tarifvertrag bezahlt? Oder etwaim Baugewerbe: Wird der gesetzliche Min-destlohn gezahlt? Wie sind die Arbeitszei-ten? Sind Überstunden üblich? Usw.

Entspricht die angebotene Stelle nichtDeinen Qualifikationen, kannst Du auchdarauf hinweisen, dass Du zwar an derStelle interessiert bist, dauerhaft aber lie-ber entsprechend Deiner Ausbildung ar-beiten möchtest. Frage nach Aufstiegs-möglichkeiten oder ob es im Unternehmenauch eine freie Stelle zu besetzen gibt, dieeher Deinen Qualifikation entspricht.

Ist die angebotene Stelle befristet,kannst Du fragen, wie die Chancen stehen,im Anschluss eine unbefristete Stelle zubekommen. Oder schlage vor, die Entschei-

dung über die Befristung bis ans Ende derProbezeit zu verschieben.

Unzulässige Fragen des Arbeitgebersbrauchst Du nicht oder nicht wahrheits-gemäß zu beantworten. Ob eine Frauschwanger ist, geht den Arbeitgeber z.B.nie etwas an. Ob und welcher Gewerk-schaft, Partei oder Religion Du angehörstist – von ganz wenigen Ausnahmefällenabgesehen – Deine Privatsache.TIPP: Die Arbeitsagentur kann die Fahrtkos-ten für ein Vorstellungsgespräch übernehmen,wenn Du das vorher beantragst. Vorausset-zung ist, dass der (mögliche) Arbeitgeberdiese Kosten nicht erstattet. Erkundige Dichzuvor mit einem Anruf beim Arbeitgeber.

Welches Verhalten unschädlich ist undwann eine Strafe droht, weil ein Bewerberdas Zustandekommen eines Arbeitsver-hältnisses verhindert hat, kann nur mitBlick auf die konkrete Situation beurteiltwerden.

Wenn die Werbung für die eigene Per-son stimmt, dann sind auch kritische Fra-gen zulässig – auch wenn sie manchem Ar-beitgeber nicht gefallen.

Erwerbslose müssen viele (überzogene)Pflichten und Auflagen erfüllen und des-halb aufpassen, keine Sperrzeit aufge-brummt zu bekommen. Andererseits soll-test Du Dir aber auch nicht bange machenlassen: Als Bewerber bist Du kein Bittstel-ler, der sich unterwürfig verhalten und „zuKreuze kriechen“ muss. Im Bewerbungs-verfahren bist Du Verhandlungspartner fürden Arbeitgeber. Du sollst für Deine eige-nen Interessen eintreten!

Die AA befragt Arbeitgeber regelmäßignach den Gründen einer Ablehnung. Wirdeine Ablehnung mit Deinem „abschrecken-den“ Verhalten begründet, droht eineSperrzeit. Dann ist es wichtig, dass Du dieAussage des Arbeitgebers mit glaubwürdi-gen Argumenten entkräften kannst.

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TIPP: Notiere alle Deine Bewerbungsakti-vitäten mit Datum und Uhrzeit – also z. B.,wann Du mit Deinem Vermittler / DeinerVermittlerin telefoniert hast, wann bei ei-nem Arbeitgeber angerufen oder wann Dueine Bewerbung abgeschickt hast. MacheDir nach einem Vorstellungsgespräch Noti-zen über den Gesprächsverlauf.

Eingliederungsvereinbarungund Eigenbemühungen

Eingangscheck durch den Arbeitsvermittlerund mehr

„Unverzüglich nach der Arbeitsuchmel-dung“ soll der Arbeitsvermittler im Ge-spräch mit Dir alle zur Vermittlung erfor-derlichen Merkmale feststellen. Im Gesetzheißt das „Potentialanalyse“ (§ 37 Abs. 1SGB III neu). Das Prozedere soll also schonvor Deiner eigentlichen Arbeitslosmel-dung beginnen. Den Vermittler interessie-ren dabei insbesondere Informationenüber Deine beruflichen Fähigkeiten, DeineEignungen, Neigungen und ob es Gründegibt, die eine berufliche Eingliederung er-schweren.

Wenn im Rahmen dieses „Analyse“-Ge-sprächs nicht festgestellt werden kann, inwelche berufliche Tätigkeit Du vermitteltwerden kannst oder welche Maßnahmenzu Eingliederung für Dich geeignet sind,wird weiter geforscht. Dann wird die AADich auffordern, an einer Maßnahme zurEignungsfeststellung teilzunehmen. Die-ses so genannte „Profiling“ wird oft von pri-vaten Einrichtungen im Auftrag der AAdurchgeführt. Eine solche Eignungsfeststel-lung muss nach anerkannten fachlich aus-gewiesenen Standards erfolgen und solltevon Fachleuten, etwa PsychologInnen oderSozialarbeiterInnen, ausgeführt werden.Diese unterliegen der Schweigepflicht!

Schütze Deine Sozialdaten!Die AA darf Deine Daten nur erheben,

wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben er-forderlich ist. Die Behörde muss nicht mehrüber Dich wissen, wie ein möglicher Ar-beitgeber. Ob eine Frau schwanger ist, gehtz.B. weder den Arbeitgeber noch die AA et-was an. Lasse Dir im Zweifelsfall vom Ar-beitsvermittler schriftlich darlegen, war-um bestimmte Angaben benötigt werden.

Der Bundesbeauftragte für den Daten-schutz hat wiederholt verlangt, dass in denComputervermerken der Arbeitsvermitt-lung „weder negativ gekennzeichnet nochsubjektive Eindrücke und Bewertungenaufgenommen werden“. (15. Tätigkeitsbe-richt des Bundesbeauftragten für Daten-schutz [1993-1994] S. 197 f; zitiert nach Leit-faden ALG I 2007, S. 48)

Unzulässig sind z.B. Eintragungen wie„Arbeitslosmeldung nach Drogenthera-pie“, „hat Alkoholprobleme“, „einschlägigvorbestraft“, Zugehörigkeit einer Rasseoder„anscheinend psychische Probleme“.

Falsche Daten müssen berichtigt, un-zulässig gespeicherte Daten müssengelöscht werden.

Deine Sozialdaten dürfen auch an pri-vate Stellen weitergegeben werden. Abernur, soweit dies zur Erfüllung der übertra-genen Aufgaben erforderlich ist. Zu diesenAufgaben gehören z.B. Eignungsfeststel-lung, Qualifizierung, Eingliederung, Verleihoder Vermittlung von Arbeitslosen.

Vereinbart wird,was eingliedern soll

Auf der Grundlage der Potentialanalysebzw. des Profilings soll die AA mit Dir eineEingliederungsvereinbarung abschließen(§ 37 Abs. 2 SGB III neu). Diese Vereinbarungist für drei bis sechs Monate gültig und solldanach fortgeschrieben bzw. angepasstwerden.

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In der Eingliederungsvereinbarung sollenfestgehalten werden:● Deine Eigenbemühungen zur Eingliede-

rung,● die Vermittlungsbemühungen der AA

und● künftige Leistungen der Arbeitsförde-

rung, soweit erforderlich.Die Eingliederungsvereinbarung soll zwi-schen Dir und Deinem Arbeitsvermittler /Deiner Vermittlerin „partnerschaftlich“, al-so auf Augenhöhe ausgehandelt werden.Sie soll auf Deine besonderen Bedürfnisseund Rechte zugeschnitten sein. Es darf sichalso nicht um ein vorgefertigtes Muster-schreiben der AA handeln, das Dir zur Un-terzeichnung vorgelegt wird. Vielmehrsolltest Du versuchen, dass eigene Vorstel-lungen und Wünsche in die Vereinbarungaufgenommen werden.TIPPS: Überlege Dir vorher, wie Du die Ver-handlungen führen und was Du erreichenwillst: Welche Unterstützung durch die AAbenötigst Du? Welche Maßnahmen sind fürDich geeignet? Was kann Dir als Bewer-bungsauflage höchstens abverlangt wer-den? Wie und in welcher Höhe sollen die Be-werbungskosten erstattet werde? BrauchstDu einen Eingliederungsgutschein? (➔ S. 30)

Vor Abschluss einer Eingliederungsver-einbarung kannst Du Dir immer eine Be-denkzeit einräumen lassen. Dann hast DuZeit, Dich von Deiner Gewerkschaft oder ei-ner unabhängigen Stelle beraten zu lassen.

Wenn Du Dich „weigerst“ eine Einglie-derungsvereinbarung abzuschließen, darfkeine Sperrzeit verhängt werden.

Kommt eine Eingliederungsvereinba-rung nicht zustande, kann der Arbeitsver-mittler / die Arbeitsvermittlerin Dir auchso Vermittlungsvorschläge unterbreitenoder eine Maßnahme „anbieten“. LehnstDu solche Angebote ab, droht eine Sperr-zeit.

Außerdem soll die AA die in der Verein-barung vorgesehenen Pflichten und Eigen-bemühungen in einem Eingliederungsplaneinseitig festlegen. Dieser Plan ist für Dichbindend. Er ist ein Verwaltungsakt, was be-deutet, dass Du Widerspruch dagegen ein-legen kannst, wenn die festgelegten Pflich-ten überzogen sind. (→ S. 35)

Hältst Du Dich nicht an die in der Ein-gliederungsvereinbarung festgelegtenPflichten und kommst Deinen Eigen-bemühungen nicht nach, kann die AA eineSperrzeit verhängen. Die Dauer der Sperrehängt von Art und Schwere der Pflichtver-letzung ab und ob es sich um eine wieder-holte Pflichtverletzung handelt.

Es kann sogar vorkommen, dass die AAdie Auszahlung Deines ALG I ganz einstellt,wenn Du den vereinbarten Vermittlungs-bemühungen der AA nicht mehr zur Verfü-gung stehst. Zwar hat laut Gesetz tatsäch-lich nur derjenige Anspruch auf ALG I, derbei den Vermittlungsbemühungen der AAmitwirkt und sich aktiv um eine neue Ar-beit bemüht – ein passives Abwarten reichtalso nicht aus. Doch welche konkretenPflichten daraus folgen, das ist rechtlichumstritten.TIPP: Falls die AA Deine Leistung ganz ein-stellt, solltest Du Dich in jedem Fall beratenlassen und Dich mit Widerspruch und Klagewehren (➔ S. 35).

Welche Eigenbemühungenkönnen mir zugemutet werden?

Es gibt keine klaren Regeln, welcheBemühungen bei der BeschäftigungssucheDir zugemutet werden können. Wie vieleBewerbungen Du pro Monat nachweisenmusst oder welche Maßnahmen Dir die AA„anbietet“, hängt immer von Deiner per-sönlichen Situation ab. Fest steht: Was inDeiner Eingliederungsvereinbarung fest-gelegt wurde, kann Dir abverlangt werden.

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Deshalb musst Du schon bei Aushandlungder Vereinbarung genau aufpassen, wasder Vermittler Dir auferlegen will und wieDu Deine Bemühungen nachweisen sollst.

Maßnahmen zur Eingliederung undLeistungen, die Dich bei der Arbeitsaufnah-me finanziell unterstützen, werden wir imfolgenden Kapitel kurz beschreiben (→ S. 47).Neben den festgelegten Bewerbungengehören zu den Eigenbemühungen u.a.● Stellensuche in der Stelleninformations-

börse der AA und im Internet,● Auswertung von Stellenanzeigen in Zei-

tungen, Fachzeitschriften und anderenMedien,

● Arbeitssuche über eine eigene Stellenan-zeige,

● Besuch von Arbeitsmarktbörsen oder● Kontaktaufnahme bei privaten Vermitt-

lern.TIPP: Weil einige dieser Bemühungen kaumoder nur schwer zu belegen sind, solltest Dudarauf achten, dass der Arbeitsvermittlerschriftlich darlegt, ob dafür Nachweise zu er-bringen sind und wenn ja, in welcher Form.

Keine überzogenen Bewerbungsauflagen!

Trotz ungünstiger Arbeitsmarktlagewerden Arbeitslose oft gezwungen, Un-mengen von Bewerbungen zu schreibenund das der AA zu belegen. Eine pauschaleForderung von fünf Bewerbungen pro Wo-che dürfte in jedem Fall zu hoch sein. Dasgibt der Arbeitsmarkt gar nicht her undführt zur sinnlosen Vergeudung von Ener-gie und Geld. Zwangsläufige Absagen flat-tern regelmäßig ins Haus, sorgen für Dau-erfrust und schwächen die Motivation.

Die Anzahl der geforderten Bewerbun-gen sollte immer dem Einzelfall gerechtwerden, so dass der Arbeitslose entspre-chend seiner Verhältnisse und Arbeits-fähigkeiten eine konkrete Erfolgsaussicht

auf die beworbene Stelle hat. In der Regelsollte es ausreichen solche Eigenbemühun-gen mündlich darzulegen. Gegebenfalls kanneine schriftliche Aufstellung der Bewer-bungen mit Ergebnis und Ansprechpartnerim Betrieb als Nachweis hilfreich sein.

„Blinder Bewerbungsaktionismus“ (L.Valgolio, in Kasseler Handbuch des Arbeits-förderungsrechts,§ 10 Rz. 238,zitiert nach Leit-faden ALG I 2007, S 125) darf von Arbeitslo-sen nicht verlangt werden. Er ist reine Schi-kane um Sperrzeiten zu provozieren!

Welche Unterstützung bei der Arbeitssuche kann ich erwarten?

Neben Vermittlungsangeboten kannstDu von der Arbeitsagentur unter Umstän-den weitere Leistungen erhalten, um eineneue Arbeit zu finden. Es gibt eine ganzeReihe von Eingliederungshilfen wie etwafinanzielle Beihilfen für Bewerbungen undbei Arbeitsaufnahme, Zuschüsse an Arbeit-geber, Qualifizierungskurse oder Beschäfti-gungsmaßnahmen.

Wenn Du weißt, was Du bekommenkannst, kannst Du Deinen Vermittler / Dei-ne Vermittlerin bei Bedarf auch selbst dar-auf ansprechen oder solche Leistungenschriftlich beantragen.

Die Qualität und der Nutzen der einzel-nen Hilfen sind sehr unterschiedlich. Sogibt es beispielsweise sowohl gute Weiter-bildungskurse über mehrere Monate, aberauch sehr kurze Maßnahmen, die für dasberufliche Weiterkommen oft nichts brin-gen und Dir eher Frust bescheren.

Alle Eingliederungshilfen sind im Re-gelfall nur Kann-Leistungen. Das heißt, Duhast keinen Rechtsanspruch auf die Hilfen.Der Arbeitsvermittler / die Vermittlerinentscheidet nach den Vorgaben der AA, ober Dir eine bestimmte Leistung gewährtoder nicht.

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Finanzielle Hilfen bei der Stellensuche

Seit Anfang 2009 gibt es ein so genann-tes Vermittlungsbudget (§ 45 SGB III neu).Das ist ein „Geldtopf“, aus dem die AA DirKosten erstatten kann, die bei der Sucheund Aufnahme einer Beschäftigung anfal-len. Geld bekommst Du aber nur, wenn dieFörderung „notwendig“ ist. Darüber ent-scheidet Dein Vermittler. Dabei kann erauch Deine finanziellen Möglichkeitenberücksichtigen.

Statt festgelegter Leistungennur vage Förderung

Vor Einführung des Vermittlungsbud-gets waren die unten aufgeführten Lei-stungen gesetzlich genau geregelt. Für dieeinzelnen Leistungen waren Obergrenzenfestgelegt. Das schuf Klarheit für Vermitt-ler und Arbeitslose. Beantragte Leistungenwurden daher in der Regel bewilligt.

Mit dem neuen Vermittlungsbudget ab2009 will die Bundesregierung Arbeitslosebei ihren individuellen Eingliederungszie-len besser unterstützen und den Prüfauf-wand reduzieren. Das ist nur vorgescho-ben: Unklare Leistungen, fehlende finanzi-elle Vorgaben, bürokratische Einzelfallprü-fung und die neu eingeführte Bedürftig-keitsprüfung bei Eingliederungsleistungenführen zur Beschneidung von Ansprüchenund zu Kürzungen bei den Eingliederungs-leistungen.Beispiele für Kosten bei der Suche und Auf-nahme von Arbeit, die aus dem Vermitt-lungsbudget erstattet werden können

TIPP: In den Klammern findest Du die jewei-ligen Obergrenzen, die bis Dezember 2008noch gesetzlich für die einzelne Leistungfestgelegt waren (§§ 45 und 52 SGB III alt).Orientiere Dich bei der Antragstellung anden angegebenen Beträgen.

● Bewerbungsunterlagen wie Mappe, Ko-pien, Foto und Porto (bis 260 Euro proJahr, in der Regel 5 Euro pro nachgewie-sener Bewerbung),

● Fahrten zur Arbeitsagentur,● Fahrten zu Vorstellungsgesprächen (bis

130 Euro pro Fahrt) und● Arbeitskleidung oder Werkzeuge, die für

eine neue Arbeit angeschafft werdenmüssen (bis 260 Euro pro Jahr)

Wenn Du eine Arbeit außerhalb DeinesWohnorts in Aussicht hast, dann könnenauch Kosten● für die erste Fahrt zum Antritt einer Ar-

beit (bis 300 Euro pro Jahr),● für tägliche Fahrten zwischen Wohnung

und Arbeitsstelle (sechs Monate lang biszu 260 Euro pro Monat),

● für getrennte, doppelte Haushalts-führung (sechs Monate lang bis zu 260Euro pro Monat) und

● für den notwendigen Umzugskosten (bis4.500 Euro)

übernommen werden.TIPP: Beantrage die Übernahme der Kostenimmer bevor sie anfallen!

Berufliche WeiterbildungMöglich sind Fortbildungen, bei denen

berufliche Kenntnisse erweitert werden so-wie Umschulungen, bei denen es um eineberufliche Neuorientierung geht (§§ 77 ff.SGB III). Als Leistungen können die reinenLehrgangskosten und die mit der Weiterbil-dung verbundenen Kosten – etwa Fahrtkos-ten, Übernachtungskosten oder Kosten derKinderbetreuung – übernommen werden.

Als Arbeitsloser bekommst Du aber nurdann eine Weiterbildung finanziert, wenndie Arbeitsagentur dies für notwendig hält.Die AA muss also davon überzeugt sein,dass Du nach der Weiterbildung höchstwahrscheinlich eine neue Arbeit findenkannst.

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In Frage kommt eine Weiterbildung un-abhängig von den Chancen auf eine neueArbeit aber, wenn Du keinen Berufsab-schluss hast oder Deine Berufsausbildungals „veraltet und vergilbt“ gilt. Letztereswird angenommen, wenn Du mehr als vierJahre berufsfremd eine ungelernte oderangelernte Tätigkeit ausgeübt hast.

Wenn Du die Voraussetzungen für eineWeiterbildung erfüllst, dann kannst Duvon der AA einen Bildungsgutschein be-kommen. Mit dem Gutschein verpflichtetsich die AA, die Kosten einer Weiterbildungfür ein bestimmtes Bildungsziel zu über-nehmen. Mit dem Gutschein in der Handkannst Du dann unter den zugelassenenBildungsträgern frei auswählen. Dies istaber eine sehr zweifelhafte Freiheit. Dennoft besteht mit Blick auf das Bildungszielkeine Auswahl und es ist kaum möglich zubeurteilen, welcher Bildungsträger einegute Qualität bietet.

TIPPS: Falls Du konkrete Vorstellungen hast,welche Zusatzqualifikationen Du gerne er-werben möchtest, frage Deinen Arbeitsver-mittler/Deine Vermittlerin, ob Du eine solcheWeiterbildung bezahlt bekommst. Du mussimmer zuerst abklären, was möglich ist undwer die Kosten trägt, bevor Du einen selbstausgesuchten Lehrgang beginnen kannst.

Falls Du unsicher bist, ob Du weiterhin eineArbeit in Deinem erlernten Beruf suchensolltest oder einen beruflichen Neuanfangwagen sollst, bitte Deinen Vermittler/DeineVermittlerin um Rat und Unterstützung.

Tipps für die Suche nach Weiterbil-dungskursen enthält der Leitfaden „Pers-pektive für Arbeitslose“ der Stiftung Warentest. (www.test.de → „Bildung undSoziales“ → „Infodokumente“).

Die Stiftung Warentest hat auch einigeAngebote getestet (www.weiterbildungstests.de).

TrainingsmassnahmenDie AA kann Dich zur Verbesserung

Deiner Vermittlungsaussichten zu einerTrainingsmaßnahme heranziehen (§ 46SGB III neu). Solche Maßnahmen habenhöchst unterschiedliche Inhalte und Ziel-setzungen. Bis Ende 2008 war ihre Maß-nahmendauer auf zwölf Wochen be-schränkt. Ab 2009 muss die Dauer derMaßnahme (nur noch) „ihrem Zweck undihrem Inhalt entsprechen“. Nach sechs Mo-naten Arbeitslosigkeit können ALG-I-Bezie-her neuerdings die Zuweisung einer Trai-ningsmaßnahme verlangen.

Maßnahmen zur Unterstützung der Ar-beitssuche und Vermittlung oder Maßnah-men zur Vermittlung von Kenntnissen, dieeine Vermittlung oder Weiterbildung er-leichtern, werden meist bei Beschäfti-gungsträgern durchgeführt.Die häufigsten Trainingsmaßnahmen sind● ca. zweiwöchige Bewerbungstrainings oder

umfangreichere Maßnahmen, in denenArbeitslose bei der Arbeitsplatzsuche be-raten und unterstützt werden sollen,

● Kurse, um kurzfristig behebbare Qualifi-kationsdefizite abzubauen (z.B. Compu-terlehrgänge, Internetkurse etc.),

● Kurse zur Vorbereitung einer Existenz-gründing und

● Maßnahmen zur Überprüfung der Mit-wirkung am „Integrationsprozess“ oderzur Überprüfung von Motivation und Ar-beitsbereitschaft von ALG-I-Beziehern.

Die Qualität dieser Maßnahmen lässt häufigzu wünschen übrig. Das liegt an den oft zwei-felhaften Zielen und Inhalten aber auch ander Zusammensetzung der Kurse: Sie werdennicht selten mit Teilnehmern unterschied-licher Qualifikation und Interessen gefüllt.

Bundesregierung und Bundesagenturfür Arbeit wollen, dass möglichst viele Arbeits-lose solche Trainingsmaßnahmen durchlau-fen. Deshalb kommt es in erster Linie auch

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nicht auf die Qualität an. Teilnehmer vonTrainingsmaßnahmen zählen nicht als ar-beitslos, das schönt die Arbeitslosenstatistik.

Daneben haben solche Maßnahmenvermehrt das Ziel, Arbeitslose zu kontrol-lieren, zu disziplinieren und Sperrzeitenherbeizuführen. Je schlechter die Qualität,desto höher die Quote der Abbrecher.Achtung: Ablehnung oder Abbruch einerTrainingsmaßnahme wird mit einer Sperr-zeit von bis zu zwölf Wochen bestraft, auchwenn die Maßnahmen selbst oft nur dreiWochen dauern.

Trainingsmaßnahmen können auch inBetrieben in Form von Praktika durchge-führt werden. Solche Maßnahmen dürfenmaximal acht Wochen dauern. Hier bestehtdie Gefahr, dass die Qualifizierung in denHintergrund gedrängt wird, weil Arbeitslo-se als billige Arbeitskraft ausgenutzt werden.Eingliederungszuschüsse

Arbeitgeber können Zuschüsse bekom-men, wenn sie Erwerbslose einstellen (§§227 ff. SGB III). Die AA erstattet dem Arbeit-geber dann einen Teil der Lohnkosten – inder Regel bis zu 50 % des Bruttolohns. Die-se Zuschüsse schaffen keine neuen Arbeits-plätze und werden von Arbeitgebern oftausgenutzt. Immerhin können DeineChancen auf Arbeit gegenüber anderen(ungeförderten) Mitbewerbern steigen,wenn Deine Einstellung mit einem solchenZuschuss gefördert wird.Eingliederungszuschüsse gibt es● für unter 25Jährige, die mindestens

sechs Monate lang arbeitslos sind,● für ältere Arbeitslose ab 50 Jahren,● unabhängig vom Alter für Arbeitslose,

die so genannte „Vermittlungshemm-nisse“ haben – also für Arbeitslose, die esbesonders schwer haben, eine neue Be-schäftigung zu finden. Als Vermittlungs-hemmnisse gelten vor allem gesund-heitliche Einschränkungen, lange Ar-

beitslosigkeit oder ein fehlender Schul-oder Berufsabschluss.

TIPP: Frage Deinen Arbeitsvermittler, ob fürDich ein solcher Zuschuss in Frage kommt.Kläre mit ihm, ob Du in Bewerbungsschrei-ben und Vorstellungsgesprächen Arbeitge-ber auf den Zuschuss aufmerksam machenkannst, um Deine Chancen zu erhöhen.

Für Arbeitslose ab 50 Jahren kann dieAA auch so genannte Eingliederungsgut-scheine ausstellen. Der Gutschein ist eineBescheinigung, in der sich die AA verpflich-tet, bei Einstellung einen Zuschuss an denArbeitgeber zu zahlen.Arbeitsbeschaffungs-massnahmen

Bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen,kurz ABM genannt, geht es um Tätigkeiten,die der Allgemeinheit zugute kommen sol-len (§§ 260 ff. SGB III). ABM müssen laut Ge-setz zusätzlich sein, das heißt, sie sollen be-stehende Stellen in der Privatwirtschaftoder im öffentlichen Dienst nicht ersetzen.Oft führen Kommunen, Wohlfahrtsverbän-de oder gemeinnützige Vereine ABMdurch. ABM gibt es vor allem in Regionenmit hoher Arbeitslosigkeit.

Die Bedeutung von ABM als arbeits-marktpolitische Maßnahme schwindet zu-nehmend. Von Januar bis Ende März 2009haben bundesweit nur 4.600 ALG-I-Bezie-her eine ABM begonnen – 60 % weniger alsim Vorjahreszeitraum.

Arbeitslose bekommen nur dann eineABM, wenn die Arbeitsagentur es so ein-schätzt, dass die ABM die einzige Chanceist, eine Arbeit zu finden.

ABM sind Arbeitsverhältnisse zweiterKlasse: Die Bezahlung ist in der Regel nied-rig und die ABM gilt auch nicht als Versi-cherungszeit, mit der man einen neuenAnspruch auf Arbeitslosengeld erwerbenkann. Außerdem sind die ABM oftmals aufsechs Monate befristet.

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6. Kurzarbeitergeld (Kug):Wenn dem Berieb die Arbeit ausgeht

Allein im März des „Krisenjahres“ 2009 ha-ben 24.000 Betriebe für insgesamt 670.400Beschäftigte Kurzarbeitergeld (Kug) bean-tragt. Kug wird von der AA für maximal 18Monate gezahlt, um den Verdienstausfallder Beschäftigten auszugleichen, weil in ei-nem Betrieb vorübergehend Kurzarbeit ge-leistet werden muss. Damit sollen Arbeit-nehmer von der Arbeitslosigkeit bewahrtund Betriebe in wirtschaftlich schlechtenZeiten entlastet werden. (§§ 169 ff. SGB III)

Kurzarbeit ist nur zulässig, wenn es ei-ne entsprechende tarifvertragliche Rege-lung gibt oder im Betrieb eine solche Ver-einbarung zwischen dem Arbeitgeber undBetriebsrat oder den einzelnen, von Kurzar-beit betroffenen Beschäftigten abgeschlos-sen wurde.

Die gesetzlichen Mindestvoraussetzungenfür Kug können auf zwei unterschiedlichenWegen erfüllt werden:

● Mindestens ein Drittel der Beschäftigtenist betroffen und der Lohnausfall beträgtüber 10 %. In dieser Variante erhalten al-le Beschäftigten, die vom Arbeitsausfallbetroffen sind, Kurzarbeitergeld – auchdiejenigen, deren individueller Lohnaus-fall unter 10 % liegt.

● Alternativ kann ein Betrieb nur für ein-zelne Beschäftigte mit einem Lohnaus-fall von über 10 % Kug beantragen. Indieser Variante entfällt die „Drittel“-Vor-aussetzung.

In jedem Fall müssen Betriebe jedochzuvor einige vorrangige Maßnahmen (z.B.Abbau von Urlaubsansprüchen oder Ab-bau von Guthaben auf Arbeitszeitkonten)

nutzen, bevor Kug gezahlt wird. Der Antragauf Kug wird in der Regel von den Arbeit-gebern oder dem Betriebsrat bei der Arbeit-sagentur gestellt.

Hast Du Anspruch auf Kurzarbeiter-geld, zahlt der Arbeitgeber Deinen Lohnnur für die tatsächlich geleistete Arbeit.Den Verdienstausfall gleicht die AA teil-weise durch Kug aus.

Du bekommst nur 60 % des ausgefalle-nen Nettolohnes. Wenn du ein Kind haststehen Dir 67 % der Lohneinbuße zu. (Zuden Voraussetzungen für den höheren Satz→ S. 15)

Wenn Du aufgrund von Kurzarbeit einneues Nebeneinkommen erzielen kannst,mindert dieses Einkommen Dein Kug. Eswird zum Arbeitseinkommen hinzuge-rechnet. Dadurch verringert sich der Ver-dienstausfall, den die AA ausgleichenmuss.

Fortgesetztes Nebeneinkommen, dasschon vor der Kurzarbeit erzielt wurde,wird während des Kug-Bezuges nichtberücksichtigt.

Wenn Dein verringertes Einkommenwährend einer länger andauernden Kurz-arbeit nicht zum Leben reicht, kannst Duaufstockendes ALG II beantragen. (→ S. 9)

Solltest Du nach der Kurzarbeit arbeits-los werden, dann wird Dein „normaler“Verdienst ohne den Arbeitsausfall zugrun-de gelegt. Du wirst also so behandelt, alshättest Du normal verdient und als obKurzarbeit gar nicht stattgefunden hätte.

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32 Arbeitslosengeld (Alg) I

7. Pflicht zur Mitwirkung und Erreichbarkeit

Mitwirkungspflichten und mehr

Wenn Du Arbeitslosengeld beziehst,bist Du verpflichtet, alle Veränderungen inDeinen Verhältnissen, die sich auf den Be-zug der Leistungen auswirken, von selbstdem Amt mitzuteilen. Das betrifft den ge-planten Umzug genauso, wie die Arbeits-unfähigkeit, einen Wechsel der Steuerklas-se oder eine Veränderung des Einkommensaus dem Nebenjob. (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I)TIPP: Wir empfehlen grundsätzlich, gegenü-ber dem Amt mit offenen Karten zu spielenund relevante Änderungen anzugeben. DieAA hat die Möglichkeit Daten mit anderenBehörden auszutauschen. So kann sie z.B. anInformationen über erzielte Einkommenherankommen.

Wenn die AA Dir nachweist, dass Duabsichtlich Einkünfte verschwiegen hast,wird nicht nur die überzahlte Leistungzurückgefordert, es drohen sogar weitererechtliche Schritte. Das kann, je nachSchwere des Verstoßes, z.B. ein Ordnungs-widrigkeitsverfahren oder sogar eine Straf-verfahren wegen Betruges zur Folge ha-ben.

Wenn die AA Nachweise von Dir einfor-dert, die für die Leistung relevant sind, bistDu ebenfalls gehalten, diese beizubringen.Du musst allerdings zuvor schriftlich aufdie Folgen fehlender Mitwirkung hinge-wiesen worden sein.

Wenn Du den Mitwirkungspflichtennicht nachkommst, können Deine Leistun-gen ganz oder teilweise eingestellt werden,bis Du die Mitwirkungspflichten nachge-holt und entsprechende Nachweise er-bracht hast. (§ 66 Abs. 1 i.V. mit §§ 60 ff. SGB I)

Zu Deinen Pflichten der Mitwirkung gehörenaußerdem:● persönliches Erscheinen bei einem Ter-

min auf dem Amt oder bei ärztlichenund psychologischen Untersuchungenund

● aktive Mitwirkungen bei der Vermitt-lung durch die AA und den Maßnahmenzur Eingliederung und Weiterbildung.

Erreichbar seinAls Bezieher von ALG I musst Du für die

Arbeitsagentur werktags täglich per Posterreichbar sein – und zwar nach der Vorga-be der Bundesagentur für Arbeit höchst-persönlich, ein Kontakt über eine Mittels-person reicht nicht aus. Die an einemSamstag oder vor einem Feiertag einge-hende Post musst Du demnach am Tag vordem nächsten Werktag nach Vermittlungs-angeboten und Meldeaufforderungen derAA durchsehen (§ 1 Erreichbarkeits-Anord-nung).Durch die Anordnung der Erreichbarkeitsollst Du für die AA verfügbar sein. Du mus-st in der Lage sein, „unverzüglich”● Mitteilungen der Behörde zu empfangen,● sie aufzusuchen,● mit einem möglichen Arbeitgeber Kon-

takt aufzunehmen und ihn aufzusuchenund

● eine vorgeschlagene Arbeit anzuneh-men oder an einer beruflichen Eingliede-rungsmaßnahme teilzunehmen.

Um Deine Erreichbarkeit zu gewährleisten,sollst Du Dich als Arbeitsloser ständig in-nerhalb des „zeit- und ortsnahen Bereichs“aufhalten.

Damit meint die Arbeitsagentur einenBereich, in dem Du innerhalb einer Pendel-

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Arbeitslosengeld (Alg) I 33

Zu zweit aufs Amt gehenDu kannst eine Person Deines Vertrau-

ens mit zur Arbeitsagentur nehmen – ei-nen so genannten Beistand. Das ist Deingutes Recht (§ 13 Abs. 4 SGB X). Teile Dei-nem Sachbearbeiter oder Arbeitsvermittlerzu Beginn des Gesprächs mit, dass Du Dei-nen Begleiter/ Deine Begleiterin als Bei-stand mitgebracht hast.

Solange Du ALG I beziehst, ist ein Bei-stand ratsam, wenn ein schwieriges Ge-spräch bevorsteht wie z.B. das Aushandelneiner Eingliederungsvereinbarung. Meisthilft es schon und stärkt es Dir den Rücken,

wenn der Beistand nur als „stummer Zeu-ge“ beim Gespräch dabei ist. Der Beistandkann aber auch für Dich sprechen, alsostellvertretend für Dich ein Anliegen vor-bringen. Dann wird alles, was der Beistandsagt, so gewertet, als hättest Du es selbstgesagt. Das gilt solange, bis Du dem Bei-stand ausdrücklich widersprichst.

Es ist besser jemand aus dem Freundes-oder Bekanntenkreis als Beistand mitzu-nehmen als den Ehepartner oder Verwand-te. Im Streitfall sind verwandte oder ver-schwägerte Personen als Zeugen nicht ge-eignet, da sie als „befangen“ und wenigglaubwürdig angesehen werden.

zeit von 2,5 Stunden für Hin- und Rückwegdas Amt erreichen kannst. Je nach Ver-kehrsverbindungen kann das ein Radius von250 km sein. Eine gesetzliche Grundlagefür diese Einschränkung des Grundrechtsder Freizügigkeit gibt es ist allerdings nicht.Am Wochenende ist es Dir möglich, im ge-samten Bundesgebiet unterwegs zu sein,ohne dass Deine Vermittlungsfähigkeit anWerktagen einschränkt wäre.

Abwesenheit und Urlaub? –Nicht ohne Abmeldung!

Wenn Du wegen eines wichtigen Grun-des den „zeit- und ortsnahen Bereich“ anWerktagen verlassen musst (z.B. für einVorstellungsgespräch, eine Beerdigungetc.), melde Dich zuvor bei Deinem Arbeits-vermittler ab!

Als ALG-I-Bezieher hast Du Anspruchauf 21 Kalendertage „Urlaub” bzw. „Freistel-lung von der Verfügbarkeit”. Diese 21 Tageschließen auch Sonntage, Feiertage undSamstage ein. Im Jahr kommst Du also aufdrei Wochen Urlaub. Stimme den Urlaubs-

termin mit Deinem Vermittler ab und meldeDich für den Urlaub offiziell bei der AA ab!

Zusätzlich können Ortsabwesenheitenvon bis zu drei Wochen im Jahr beantragtwerden für ehrenamtliche Tätigkeiten oderum an Veranstaltungen teilzunehmen – et-wa wenn Du auf ein Seminar Deiner Ge-werkschaft fahren willst. Auch dabei gilt:Termine vorher abklären!Hier noch ein praktischer Tipp aus einem Info-Blatt der ver.di-Erwerbslosen Mittelhessen:Du möchtest über das Wochenende vereisen?

Am Donnerstag die letzte Postzustel-lung kontrollieren. Ist keine „Einladung“ fürden Freitag enthalten, dann kannst Du bisMontag (sehr) früh verreisen. Nach derRückkehr sofort den Briefkasten nachse-hen, ob eine Einladung für den gleichenTag eingegangen ist. Hier gibt es ein sehrgeringes Risiko, dass am Freitag eine Einla-dung für den Samstag verpasst wird. Dochseit wann arbeiten die MitarbeiterInnender AA samstags? Ist der Donnerstag einFeiertag, dann reicht es, die letzte Postzu-stellung am Mittwoch zu kontrollieren…

8. Rechte haben und Recht durchsetzen!Wichtige Tipps zum Umgang mit den Arbeitsagenturen und Jobcentern

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34 Arbeitslosengeld (Alg) I

In einigen Orten gibt es auch Erwerbslosen-initiativen oder Beratungsstellen, die eineBegleitung zum Amt anbieten. (→ S. 37)

Eigenen Ordner anlegenWas Du schwarz auf weiß hast, kannst

Du jederzeit nachlesen. Daher ist es emp-fehlenswert, einen eigenen Ordner anzule-gen. Darin solltest Du alle Bescheide undBriefe der AA abheften. Auch die Kopienvon Deinen Anträgen oder Briefen an dieAA gehören in den Ordner.TIPP: Wir empfehlen Dir, nach einem Terminauf dem Amt kurz das Ergebnis aufzuschrei-ben. Bei schwierigen Verhandlungen mitdem Vermittler/Sachbearbeiter sind auchNotizen über den Gesprächsverlauf durch-aus nützlich. Wer kann sich schon nach Wo-chen oder Monaten daran erinnern, was ge-nau besprochen wurde?

Schriftliche Anträge stellenWenn Du einen Anspruch beim Amt

geltend machen willst, solltest Du immereinen schriftlichen Antrag stellen. Münd-lich vorgetragene „Wünsche“ werden oftmündlich abgelehnt, oder gar nicht bear-beitet. Wenn aber ein schriftlicher Antragvorliegt, muss die AA darüber in Form ei-nes Bescheides entscheiden. Bist Du dannmit der Entscheidung unzufrieden, hast Dudie Möglichkeit, den Bescheid mit Wider-spruch und Klage anzufechten.

TIPP: Es kommt vor, dass Briefe beim Amtverloren gehen. Wir empfehlen daher, vorallem wichtige Schreiben, wie Anträge undWidersprüche persönlich bei der Behördeabzugeben und sich den Eingang auf einerKopie bestätigen zu lassen (Eingansstempelund Unterschrift des Mitarbeiters). Nur sokannst Du zweifelsfrei nachweisen, dass einDokument bei der AA eingegangen ist.

Einen Mustertext für einen Antrag findestDu im Anhang (➔ S. 39).

Recht auf einen schriftlichen Bescheid

Auf Dein Verlangen hin muss die Ar-beitsagentur Dir über alle ihre Entschei-dungen einen schriftlichen Bescheid – einenso genannten Verwaltungsakt – aushändi-gen (§ 33 Abs. 2 SGB X). Ein solcher schriftli-cher Verwaltungsakt muss begründet sein.Es muss also aus dem Bescheid nachvoll-ziehbar hervorgehen, warum die AA etwasentschieden hat (§ 35Abs. 1 und 3 SGB X).

Wenn es um Geldleistungen wie etwadie Höhe Deines Arbeitslosengeldes geht,dann bekommst Du automatisch einenschriftlichen Bescheid. Einen schriftlichenBescheid solltest Du darüber hinaus immerdann einfordern, wenn Du etwas von derAA haben willst: Z.B. wenn Du die Erstat-tung von Bewerbungskosten oder eineWeiterbildung beantragt hast.Ein schriftlicher Bescheid hat mehrere Vorteile:● Auf ihn kannst Du Dich berufen,

während Du eine mündliche Zusage, aufdie Du Dich verlassen hast, im Nachhineinnicht beweisen kannst.

● Die AA trifft ihre Entscheidung sorgfälti-ger, wenn sie diese schriftlich begründenmuss.

● Wenn Du mit einer Entscheidung nichteinverstanden bist, kannst Du Dich ge-gen einen schriftlichen Bescheid auchbesser mit Widerspruch und Klage weh-ren. (→ S. 39)

Nachweise und BelegeOft verlangt die AA, irgendwelche

Schriftstücke als Belege beizubringen.Dann solltest Du das Original mitnehmenund vorlegen. Falls für die weitere Bearbei-tung ein Schriftstück bei der AA verbleibenmuss, kann sich Dein Sachbearbeiter / Dei-ne Sachbearbeiterin selbst eine Kopie ma-chen. Für solche Kopien darf das Amt keinGeld verlangen. Nehme auf jeden Fall das

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Arbeitslosengeld (Alg) I 35

Original wieder mit nach Hause. Die Origi-nal-Dokumente gehören Dir. In Deine Aktebei der AA gehören immer die Kopien.Um Bedenkzeit bitten

Du solltest bei der Arbeitsagenturnichts vorschnell und unüberlegt unter-schreiben. Wenn Du Dir unsicher bist unddie Folgen Deiner Unterschrift nichtüberblicken kannst, bitte um Bedenkzeit.Du kannst Dich dann in Ruhe von DeinerGewerkschaft oder einer unabhängigen Be-ratungsstelle beraten lassen. Das ist vor al-lem wichtig, wenn die AA mit Dir eine Ein-gliederungsvereinbarung abschließen will.Hier geht es schließlich um den Vertrag, indem festgelegt wird, welche Hilfen Dir dasAmt bietet und welche Pflichten und Eigen-bemühungen Du erfüllen musst. (→ S. 43)Erwerbslos – aber nicht wehrlos!Beratungs- und Aufklärungspflicht der Ar-beitsagentur

Sozialbehörden haben nach §§ 13 und 14SGB I eine Beratungs- und Aufklärungs-pflicht. So hat jeder Betroffene einen An-spruch auf umfassende Beratung. UnterBeratung wird die Vermittlung aller erfor-derlichen Kenntnisse verstanden, die not-wendig sind, um seine Rechte und Pflich-ten wahrnehmen zu können.

Immer wieder wird auf die Merkblätterder Agentur für Arbeit verwiesen. Diese rei-chen jedoch dann nicht aus, wenn es umschwierige oder außergewöhnliche Fragengeht. Solltest Du nachweislich vom Amtfalsch beraten worden sein und Dir entste-hen dadurch Nachteile, dann hast Du einenso genannten „sozialrechtlichen Herstel-lungsanspruch“: Das Amt muss seinenFehler wiedergutmachen und DeinenNachteil „heilen“. In einem solchen Fallsolltest Du eine Beratungsstelle aufsuchen.Wichtig: Die Beratungspflicht der Arbeits-agenturen und Jobcenter kann eine Beratung

durch eine unabhängige Einrichtung nichtersetzen! Denn die Ämter sind gesetzlichenZwängen und die Sachbearbeiter/Vermittleramtsinternen Vorgaben unterworfen, derenZiel die Senkung der Arbeitslosenzahlenund die Reduzierung der Ausgaben ist.

AkteneinsichtManchmal ist es wichtig zu wissen,

welche Schreiben und Informationen inder Leistungs- und Vermittlungsakte derAA gesammelt werden. Du hast das Recht,Einsicht in Deine Akte zu nehmen (§ 25 SGBX). Eine Akteneinsicht musst Du erst bean-tragen und dabei einen Grund für DeineÜberprüfung angeben. Während Du DeineAkte prüfst, kannst Du Dir wichtige Passa-gen abschreiben. Du kannst auch Kopienvon Unterlagen aus Deiner Akte machenlassen. Das kann sich die Arbeitsagenturaber von Dir bezahlen lassen.

Vor allem die Vermittlungsakten wer-den bei der AA zum Großteil elektronischgeführt, also nur noch mit dem Computer.Wenn Du es beantragst, muss Dir Dein Ver-mittler auch Einsicht in die elektronischeAkte gewähren (§ 83 SGB X). Du kannst DirDeine gespeicherten Daten auf dem Bild-schirm anschauen und bei Bedarf Aus-drucke verlangen. Das Einsichtsrecht giltauch für alle Dienstanweisungen der Ar-beitsagentur, die bei Entscheidungen inDeinem Fall angewendet wurden.Widerspruch und Klage

Viele Arbeitslose vertrauen darauf, dassihre Bescheide korrekt sind. Viele denken,was in einem offiziellen Brief einer Behör-de steht, das wird schon stimmen. Leiderist aber eine ganze Reihe von Bescheidenfehlerhaft oder rechtswidrig. Dies belegtdie hohe Erfolgsquote von Widersprüchenund Klagen, mit denen sich Leistungsbe-rechtigte gegen Entscheidungen „ihresAmtes“ wehren.

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36 Arbeitslosengeld (Alg) I

Beispiel Sperrzeiten:40 % der Widersprüche und 50 % der

Klagen gegen verhängte Sperrzeiten sinderfolgreich. Und wenn es um Hartz IV-Lei-stungen geht, sind 60 % der Widersprücheerfolgreich und (einschließlich Vergleichen)gehen rund drei von vier Klagen vorm Sozi-algericht für Erwerbslose positiv aus!

Wenn Du Dich ungerecht behandeltfühlst, dann solltest Du Bescheide der AAnicht widerspruchslos hinnehmen.

Wende Dich an Deine Gewerkschaftoder eine Beratungsstelle für Arbeitslose.Dort kann geklärt werden, ob die rechtlicheGegenwehr mit einem Widerspruch Aus-sicht auf Erfolg hat.

Ein Widerspruch muss innerhalb einerFrist von einem Monat nach Zugang desBescheides eingelegt werden. Achte dar-auf, dass die Frist nicht verstreicht!

Einen Mustertext für einen Wider-spruch findest Du im Anhang → S. 39.

Auch vor einer Klage vorm Sozialge-richt brauchst Du keine Scheu zu haben.Das Gerichtsverfahren ist kostenlos und re-lativ bürgerfreundlich.

Als Mitglied einer Gewerkschaft hastDu Anspruch auf gewerkschaftlichenRechtschutz. Dann kannst Du Dich vor Ge-richt vertreten lassen. GewerkschaftlicherRechtsschutz gilt nicht nur bei Streitigkei-ten mit dem Arbeitgeber sondern auch imStreitfall mit der Arbeitsagentur!

Der Ton macht die MusikFrüher oder später wirst Du wahr-

scheinlich enttäuscht und genervt von„Deinem Amt“ sein oder Dich ungerechtbehandelt fühlen. So geht es jedenfalls vie-len Arbeitslosen. Vor allem bei ALG II /Hartz IV treten häufig Konflikte mit derBehörde auf. Das liegt daran, dass die Lei-stungen für Arbeitslose völlig unzurei-chend sind und dass sie wenig Rechte ha-

ben, dafür aber viele Pflichten erfüllenmüssen. In den Gesetzen ist einfach keinfairer Umgang mit Erwerbslosen auf glei-cher Augenhöhe mehr vorgesehen.

Bei allem berechtigten Ärger solltestDu bedenken: Die Probleme, die Du auf demAmt hast, sind meist nicht von den Mitar-beitern dort verschuldet, sondern sie ha-ben strukturelle Ursachen. Interne Vorga-ben gehen zulasten von Erwerbslosen, dieÄmter leiden unter ständigem Personal-mangel und die Mitarbeiter bearbeiten zuviele „Fälle“ und werden oft nicht richtiggeschult.

Und vor allem: Die gesetzlichen Regelnwurden nicht von den Beschäftigten erfun-den. Die Politiker in Berlin haben Dir undallen anderen Arbeitslosen die Sache ein-gebrockt!

In aller Regel wirst Du für Dich am mei-sten erreichen, wenn Du im Umgang mitdem Amt das Sprichwort berücksichtigst:„Wie man in den Wald hineinruft, soschallt es wieder heraus.“ Trete bestimmtauf und entschieden in der Sache, aberfreundlich und angemessen im Ton.

Allein machen sie Dich ein...

Arbeitslos zu sein, bedeutet nicht nur finanzielle Sorgen, sondern oft auch denVerlust sozialer Beziehungen. Der Kontaktzu ehemaligen Kolleginnen und Kollegengeht verloren, und manchmal ziehen sichsogar Freunde zurück. In solchen Situati-onen ist es gut, sich mit anderen Erwerbs-losen zusammen zu tun, die ja in derselbenLage sind. In vielen Orten gibt gewerkschaft-liche Arbeitslosengruppen, Gruppen andererTräger oder Arbeitslosentreffs und Arbeits-losenzentren.

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Arbeitslosengeld (Alg) I 37

In vielen Städten gibt es Arbeitslosen-zentren, Erwerbsloseninitiativen und Bera-tungsstellen. Bei Problemen mit der AAkannst Du Dich hier nach einer Beratungs-möglichkeit erkundigen.

Bist Du Mitglied einer Gewerkschaft,kannst Du Dich mit Fragen und Problemenauch an die zuständige Gewerkschaftsglie-derung wenden. Möglicherweise existiertein Erwerbslosenarbeitskreis oder -aus-schuss. Es gibt auf jeden Fall einen örtli-chen Ansprechpartner. In der Regel ist daseine Sekretärin/ ein Sekretär, die/ der fürerwerbslose Mitglieder zuständig ist. Auchauf Landes-, Bezirks- und Vorstandsebeneder Gewerkschaft gibt es Ansprechpartnerfür Fragen der Erwerbslosigkeit.Bundesweite Adressverzeichnisse von Ar-beitslosenzentren, Beratungsstellen oderSelbsthilfegruppen im Internet:● Die Koordinierungsstelle gewerkschaft-

licher Arbeitslosengruppen (KOS) bietetauf ihrer Internetseite ein Adressenver-zeichnis: http://www.erwerbslos.de/adressen/anfrage.html

● Der Erwerbslosen- und Sozialhilfever-ein Tacheles e.V. betreibt ebenfalls einbundesweites Adressverzeichnis. Hierfindest Du außerdem Rechtsanwälte:http://www.tacheles-sozialhilfe.de/adressen/default.aspx

Wichtige Ansprechpartner● Koordinierungsstelle gewerkschaftli-

cher Arbeitslosengruppen (KOS)Märkisches Ufer 28, 10179 BerlinTel.: 030-86876700, Fax: 030-868 76 70 21Email: [email protected]: www.erwerbslos.de

Die KOS gibt einen regelmäßigen Info-Rundbrief mit Tipps und Informationenzum Arbeitslosenrecht (Arbeitslosengeldund Arbeitslosengeld II) und zur aktuellenRechtsprechung heraus. Musterexemplareund Bezugsbedingungen werden aufWunsch zugeschickt.Hier kann man sich auch telefonisch nach Be-ratungsstellen, Initiativen und Ansprechpart-nern der Gewerkschaften vor Ort erkundigen.● Tacheles e.V. (Erwerbslosen-

und Sozialhilfeverein)Rudolfstraße 125, 42285 WuppertalTel. 0202-318441, Fax: 0202-306604Email: [email protected] Internet: www.tacheles-sozialhilfe.de

Der Verein Tacheles betreibt eine Internet-seite mit Informationen zu Hartz IV undSozialrecht. Hier finden sich zudem Daten-banken mit Adressen (s.o.), Gerichtsent-scheidungen und Durchführungshinwei-sen der Bundesagentur für Arbeit sowieein moderiertes Internetforum.Der Verein bietet donnerstags zwischen 14und 17 Uhr tel. Beratung an (0202-318441).

Solche Gruppen bieten Möglichkeiten● Dich mit anderen Arbeitslosen auszu-

tauschen,● sich gegenseitig (z.B. als Beistand) zu

unterstützen,● sich gemeinsam Beratungswissen anzu-

eignen, um wiederum anderen Erwerbslo-sen zu helfen,

● Dich mit anderen über gemeinsame In-teressen zu verständigen und

● sich gemeinsam für mehr und bessere Arbeitsplätze sowie ausreichende Sozial-leistungen für Erwerbslose politisch zu engagieren.

Erkundige Dich nach solchen Angeboten anDeinem Wohnort!

9. Guter Rat und Informationen für Arbeitslose

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38 Arbeitslosengeld (Alg) I

● Die Gewerkschaft ver.di bietet für ihre Mitglieder eine indivi-duelle Internetberatung an:www.verdi-erwerbslosenberatung.de

Allgemeine Informationen zu rechtlichenFragen sowie politische Positionen findestDu unter http://erwerbslose.verdi.de

Weitere wichtige Internetseiten● www.dgb.de und www.ratgeber-

ungesicherte-jobs.dgb.de● www.arbeitnehmerkammer.de/

sozialpolitik Hier findest Du eine hervorragende Ma-terialsammlung zu Sozialpolitik und So-zialrecht. Auch Informationen zum ALGI und zu Hartz IV sind dort gut sortiert.

● www.labournet.deTreffpunkt für Ungehorsame, mit undohne Job, basisnah, gesellschaftskri-tisch. Informationen zur Einschätzungaktueller Fragen, die die Interessen derArbeitnehmerInnen betreffen sowieihren Widerstand gegen Sozialabbau,Lohnkürzungen, Ein-Euro-Jobs usw.

● www.die-soziale-bewegung.deDies ist die Internetseite des Aktions-bündnisses Sozialproteste, ein Netz-werk unterschiedlicher Sozialprotesti-nitiativen, das aus den Montagsdemon-strationen hervorgegangen ist.

Im Internet werden inzwischen auch Programme angeboten, mit denen man dieLeistungen berechnen kann.● Einen ALG-I-Rechner findest Du unter

www.pub.arbeitsagentur.de/alt.html● ALG-II-Rechner findest Du unter http://

www.sozialhilfe24.de/hartz-iv-4-alg-ii-2/alg2-rechner.html oder über

● die Seite der Arbeitnehmerkammer Bremen (s.o.)

● Die Meinung der Bundesregierung findest Du unter www.bmas.bund.de(Bundesministerium für Arbeit und Soziales)

● www.arbeitsagentur.deInteressant sind die „Hinweise“ derBundesagentur für Arbeit (BA) zu deneinzelnen Paragrafen / Regelungen desSGB II und SGB III.Die „Hinweise“ enthalten sehr detail-

lierte Informationen darüber, wie das SGBII/SGB III aus Sicht der BA auszulegen undanzuwenden ist.

Die Hinweise findest Du unter www.arbeitsagentur.de → Veröffentlichungen → Weisungen → Arbeitslosengeld I bzw. Arbeitslosengeld II

Literatur● Leitfaden für Arbeitslose –

Der Rechtsratgeber zum SGB IIIherausgegeben vom Arbeitslosenpro-jekt TuWas, 26. Auflage, Stand 2.3.2009,656 S., 15,00 Euro zzgl. Porto, ISBN: 978-3-940087-35-5Der „Leitfaden für Arbeitslose“ ist dasStandardwerk für alle Erwerbslosen, diees genau wissen wollen: fachlich hervor-ragend, sehr fundiert und umfangreich.

● Ratgeber und Leitfaden zum ALG II(„Hartz IV“) siehe ➔ S. 11

● quer – unabhängige Erwerbslosenzeit-schriftDie quer erscheint etwa alle zwei Mo-nate. Sie ist die bundesweit herausge-gebene, unabhängige Zeitschrift für Er-werbslose. Hier erhältst Du wichtige In-fos zu den Themen Erwerbslosigkeit,Armut und Sozialpolitik aus Sicht derBetroffenen.Kosten: pro Ausgabe und Exemplar1,50 Euro + Versand.Bezug: quer, Postfach 1363 · 26003 Oldenburg. Email: [email protected]

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AnhangLeistungen der Arbeitsagentur z.B. für Wei-terbildung oder Bewerbung solltest Du im-mer vorher und schriftlich beantragen. Dernachfolgende Mustertext gibt eine Formu-lierungshilfe.

Denke daran, den Antrag möglichst per-sönlich bei der AA abzugeben und dir denEingang mit Datum Stempel und Unter-schrift des AA-Mitarbeiters bestätigen zulassen.

Arbeitslosengeld (Alg) I 39

Antrag auf Übernahme meiner BewerbungskostenAgentur für Arbeit XYKunden-Nr.:.............................

Sehr geehrte Damen und Herren,hiermit beantrage ich die Übernahme der Kosten für meine schriftlichen Bewerbungen,die ich im Rahmen meiner Eigenbemühungen, erstellen und versenden werde.Ich bitte Sie um eine baldige Bewilligung und Zusendung der schriftlichen Entschei-dung.

Mit freundlichen Grüßen(Unterschrift)

Widerspruch gegen den Bescheid vom................

Agentur für Arbeit XYKunden-Nr.:.............................

Sehr geehrte Damen und Herren,gegen o.g. Bescheid lege ich hiermit fristwahrend Widerspruch ein.Die Begründung reiche ich nach.

Mit freundlichen Grüßen(Unterschrift)

Erste Hilfe bei „falschen“Behördenbescheiden.

Wenn Du mit einem Bescheid der Ar-beitsagentur nicht einverstanden bist oderihn schlichtweg für falsch hältst, solltestDu formlos und fristwahrend Widersprucheinlegen. Die Begründung kannst Du später

nachreichen – z.B. nachdem Du Dich von ei-ner unabhängigen Stelle beraten lassen hast.Achtung! Die Widerspruchsfrist endet einenMonat nach Zugang des Schreibens (i.d.R.Poststempel plus drei Werktage).Der passende Musterwiderspruch zurFristwahrung:

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ImpressumHerausgeber:Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen (KOS)V.i.S.d.P.: Horst SchmitthennerTitelfoto: Werner BachmeierGestaltung und Druck:schmidt & pähler | www.sup-bi.de

Autoren:Frank Jäger und Martin Künkler.Frank Jäger ist Mitarbeiter von Tacheles e.V.,Sozialberater und Referent für Sozialrecht.Martin Künkler ist Mitarbeiter der KOS.

Stand April 2009Preis: 2 € zuzüglich Porto.

Bestellungen bitte per Post,Fax oder E-Mail an:Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen (KOS)Märkisches Ufer 2810179 BerlinTel: 030 / 86 87 67 0 -0Fax: 030 / 86 87 67 0 [email protected]

Dieser Ratgeber wurde gefördert von der

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