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entwickeln lernen entfalten Newsletter für Erzieherinnen und Erzieher Oktober 2016 „Mehr gutes Personal“ Integration von Kindern mit Fluchterfahrung in Kitas Inhalt Berufsbegleitende Ausbildung in Wiesbaden Seite 2 Neues beim Meister-Bafög Seite 2 ver.di-Fachtagung zum KiföG Seite 3 „Pakt für den Nachmittag“: ein Flickenteppich Seite 4 ErzieherInnen mit S8b locken Seite 4 Impressum Herausgeber und V.i.S.d.P.: ver.di-Landesbezirk Hessen Fachbereich Gemeinden Kristin Ideler Postfach 200 255 60606 Frankfurt am Main Tel.: 069 2569-1242 Fax: 069 2569-2662 E-Mail: [email protected] Redaktion: Michaela Böhm, Frankfurt a. M. Layout: winterstein . grafik . design, Oberwesel Druck: Druckerei Imprenta, Obertshausen Sie kommen aus Afghanistan oder Pakistan, Somalia, Syrien und dem Irak. Zwölf Kinder mit Fluchterfah- rung werden zurzeit in der AWO- Kita betreut. Jeden Tag sechs Stun- den. Zuwenig, findet Sabine Theis. Zwei Stunden mehr und die Zwei- bis Fünfjährigen könnten auch den Nachmittag in der Kita verbringen, wenn etwa Sprachförderung statt- findet. Doch mehr wird nicht ge- nehmigt. Nicht alle Kinder sind trauma- tisiert, betont die Leiterin. Oder die Traumata zeigten sich noch nicht. Doch einige Verhaltensweisen geben ihr Hinweise, was die Kinder durchgemacht haben könnten. Wenn ein Kind keine geschlossenen Türen duldet, weint, schreit und um sich schlägt. Und lieber den Flur wählt, um von dort notfalls weg- laufen zu können. Sogenannte Flashbacks, blitzartig eine Erfah- rung wieder zu erleben, könnten jederzeit auftauchen, beim Spielen, Toben, Spazierengehen. „Wichtig ist, dass eine Erzieherin dem Kind Ruhe und Sicherheit vermittelt: Ich bin da. Ich bleibe hier. Es ist alles gut.“ Sabine Theis nennt das Kind, an das sie gerade denkt, Zahid, 5 aus Afghanistan. Er beanspruchte eine Zeitlang den großen Baube- reich nur für sich. Kein anderes Kind durfte sich ihm nähern. Alle Tiere, die er fand, alle Autos und Busse reihte er hintereinander, dann be- wegte er diese Schlange von Ge- genständen nach vorn. „Mich hat das an die Fernsehbilder von Flüchtlingswanderungen erinnert.“ Einfach findet sie die Situation nicht. Die Kinder mit Fluchterfah- rung brauchen viel Zeit und Be- treuung, gleichzeitig will das Team auch allen anderen Kita-Kindern gerecht werden. „Ich bräuchte mehr Personal. Aber das muss gut sein. Ich kann keine Erzieherin brauchen, die es nicht verkraftet, wenn eine Mutter erzählt, dass sie auf der Flucht vergewaltigt wurde.“ Geht das mit dem KiföG-Personal- schlüssel? „Unmöglich.“ Das Gesetz gehöre – und jetzt wird sie deut- lich – „ohnehin in die Tonne ge- kloppt“. Ohne regelmäßige Supervision sei die Situation nicht zu bewerk- stelligen. „Die Kolleginnen müssen verarbeiten können, was sie sehen und hören, sie brauchen Unter- stützung, wenn sie frustriert sind, weil den Kindern wegen des Duldungsstatus keine Fördermaß- nahme zugestanden wird.“ Wich- tig seien zudem regelmäßige Schu- lungen, wie sie die AWO bietet, etwa zu Traumapädagogik oder zu den aktuellen Asylgesetzen. Doch trotz all der Schwierigkeiten, ist es Sabine Theis wichtig, die Fortschritte zu sehen und das Positive wertzuschätzen. Sie freut sich über die große Offenheit der Eltern und den Willen zu koope- rieren. „Trotz alldem, was sie mit- gemacht haben. Davor ziehe ich den Hut.“ Viele Kitas betreuen Kinder mit Fluchterfahrung, die möglicherweise traumatisiert sind, in großen Unterkünften leben und noch wenig Deutsch sprechen. Wie das Team damit umgeht, welche Unter- stützung es nutzt und welche es dringend bräuchte, erzählt Sabine Theis, Leiterin der AWO-Kita am Zwingel in Dillenburg. Die Geschichte der Gewerkschaften zur Aufwertung der Frauenarbeit ist lang. Jetzt ist eine Broschüre von ver.di und der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung erschienen, die von den frühen 1990er Jahre bis heute zeigt, dass sich die An- strengungen lohnen, aber noch viel getan werden muss. In der 80-seitigen Broschüre mit Links zum Weiterlesen, Kommentaren, historischen Dokumen- ten geht es auch um die Tarifauseinandersetzung der ErzieherInnen und SozialarbeiterInnen für die Aufwertung ihrer Arbeit. Die Broschüre und noch viel mehr ist unter www.aufwertung-hessen.verdi.de zu finden. Aufwertung Macht Geschichte Sabine Theis leitet die AWO- Kita in Dillenburg: „Die Situation ist nicht einfach.“ Foto: pixabay Foto: privat

Integration von Kindern mit Fluchterfahrung in Kitas „Mehr gutes …+file++58243fe8f1b4cd1186bfdf41... · M dp j k „Q - F aK . A l s d i eL ou-Sc hrW ba K zptv enr buf sgl t dA

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entwickelnlernenentfalten

Newsletter

für Erzieherinnenund Erzieher

Oktober 2016

„Mehr gutes Personal“Integration von Kindern mit Fluchterfahrung in Kitas

Inhalt

Berufsbegleitende Ausbildung in Wiesbaden

Seite 2

Neues beim Meister-BafögSeite 2

ver.di-Fachtagung zum KiföGSeite 3

„Pakt für den Nachmittag“: ein Flickenteppich Seite 4

ErzieherInnen mit S8b lockenSeite 4

ImpressumHerausgeber und V.i.S.d.P.: ver.di-Landesbezirk HessenFachbereich GemeindenKristin IdelerPostfach 200 25560606 Frankfurt am MainTel.: 069 2569-1242Fax: 069 2569-2662E-Mail: [email protected]: Michaela Böhm, Frankfurt a. M.Layout: winterstein . grafik . design, OberweselDruck: Druckerei Imprenta, Obertshausen

Sie kommen aus Afghanistan oderPakistan, Somalia, Syrien und demIrak. Zwölf Kinder mit Fluchterfah-rung werden zurzeit in der AWO-Kita betreut. Jeden Tag sechs Stun-den. Zuwenig, findet Sabine Theis.Zwei Stunden mehr und die Zwei-bis Fünfjährigen könnten auch denNachmittag in der Kita verbringen,wenn etwa Sprachförderung statt-findet. Doch mehr wird nicht ge-nehmigt.Nicht alle Kinder sind trauma-

tisiert, betont die Leiterin. Oderdie Traumata zeigten sich nochnicht. Doch einige Verhaltensweisengeben ihr Hinweise, was die Kinderdurchgemacht haben könnten.Wenn ein Kind keine geschlossenenTüren duldet, weint, schreit undum sich schlägt. Und lieber den Flurwählt, um von dort notfalls weg-laufen zu können. SogenannteFlashbacks, blitzartig eine Erfah-rung wieder zu erleben, könntenjederzeit auftauchen, beim Spielen,

Toben, Spazierengehen. „Wichtigist, dass eine Erzieherin dem KindRuhe und Sicherheit vermittelt: Ichbin da. Ich bleibe hier. Es ist allesgut.“ Sabine Theis nennt das Kind,

an das sie gerade denkt, Zahid, 5aus Afghanistan. Er beanspruchteeine Zeitlang den großen Baube-reich nur für sich. Kein anderes Kinddurfte sich ihm nähern. Alle Tiere,die er fand, alle Autos und Bussereihte er hintereinander, dann be-wegte er diese Schlange von Ge-genständen nach vorn. „Mich hatdas an die Fernsehbilder vonFlüchtlingswanderungen erinnert.“Einfach findet sie die Situation

nicht. Die Kinder mit Fluchterfah-rung brauchen viel Zeit und Be-treuung, gleichzeitig will das Teamauch allen anderen Kita-Kinderngerecht werden. „Ich bräuchte mehrPersonal. Aber das muss gut sein.Ich kann keine Erzieherin brauchen,die es nicht verkraftet, wenn eine

Mutter erzählt, dass sie auf derFlucht vergewaltigt wurde.“ Gehtdas mit dem KiföG-Personal-schlüssel? „Unmöglich.“ Das Gesetzgehöre – und jetzt wird sie deut-lich – „ohnehin in die Tonne ge-kloppt“.Ohne regelmäßige Supervision

sei die Situation nicht zu bewerk-stelligen. „Die Kolleginnen müssenverarbeiten können, was sie sehenund hören, sie brauchen Unter-stützung, wenn sie frustriert sind,weil den Kindern wegen desDuldungsstatus keine Fördermaß-nahme zugestanden wird.“ Wich-tig seien zudem regelmäßige Schu-lungen, wie sie die AWO bietet,etwa zu Traumapädagogik oder zuden aktuellen Asylgesetzen.Doch trotz all der Schwierigkeiten,ist es Sabine Theis wichtig, dieFortschritte zu sehen und dasPositive wertzuschätzen. Sie freutsich über die große Offenheit derEltern und den Willen zu koope-rieren. „Trotz alldem, was sie mit-gemacht haben. Davor ziehe ichden Hut.“

Viele Kitas betreuen Kinder mit Fluchterfahrung, die möglicherweise traumatisiert sind, in großenUnterkünften leben und noch wenig Deutsch sprechen. Wie das Team damit umgeht, welche Unter-stützung es nutzt und welche es dringend bräuchte, erzählt Sabine Theis, Leiterin der AWO-Kitaam Zwingel in Dillenburg.

Die Geschichte der Gewerkschaften zur Aufwertung der Frauenarbeit ist lang.Jetzt ist eine Broschüre von ver.di und der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftungerschienen, die von den frühen 1990er Jahre bis heute zeigt, dass sich die An-strengungen lohnen, aber noch viel getan werden muss. In der 80-seitigenBroschüre mit Links zum Weiterlesen, Kommentaren, historischen Dokumen-ten geht es auch um die Tarifauseinandersetzung der ErzieherInnen undSozialarbeiterInnen für die Aufwertung ihrer Arbeit. Die Broschüre und nochviel mehr ist unter www.aufwertung-hessen.verdi.de zu finden.

Aufwertung Macht Geschichte

Sabine Theis leitet die AWO-Kita in Dillenburg: „DieSituation ist nicht einfach.“

Foto: pixabay

Foto: privat

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Oktober/20162

Mehr tun, um Fach-kräfte zu haltenJe wichtiger die frühkindliche Bil-dung, desto stärker steigen die An-forderungen an das Kita-Personal.Aber ist die tatsächliche Erwerbs-situation von Fachkräften geeignet,„professionelle und qualitativ hoch-wertige Dienstleistungen“ sicher-zustellen? Das haben ProfessorinKatharina Spieß und Johanna Storckvom Deutschen Institut für Wirt-schaftsforschung in einer von derHans-Böckler-Stiftung gefördertenStudie untersucht. Die wichtigstenBeobachtungen: Das Durchschnitts-alter der Beschäftigten in der Früh-pädagogik steigt und liegt bei 42Jahren, die Hälfte arbeitet in Teilzeit,30 Prozent (vor allem im Osten)würden gern mehr arbeiten. Knappein Drittel der Befragten berichtetüber fehlende Anerkennung undmangelnde Aufstiegsmöglichkei-ten. Das Gehalt wird als unange-messen niedrig eingestuft. Wer einequalitativ hochwertige Kleinkinder-betreuung auf Dauer haben will,müsste daran ansetzen, was Be-schäftigte am heftigsten kritisieren:Aufstiegsmöglichkeiten, Arbeits-zeit und Gehalt.

http://www.boeckler.de/pdf/p_fofoe_wp_009_2016.pdf

Bildungschancenvon ErzieherInnen

Helga Ostendorf analysiert inihrer Studie die Bildungschancenjunger Frauen im ErzieherInnenbe-ruf. Sie stellt für Frauenberufe typi-sche Faktoren fest, wie Ausbildungan der Schule (ohne Vergütung),Überausbildung, mangelnde Wei-terbildungs- und Aufstiegsmög-lichkeiten und eine geringe Be-zahlung. Darüber hinaus würdenhäufig nur Teilzeitstellen angebo-ten. Die Politikwissenschaftlerinfragt sich, ob die Entscheidungfür den Beruf auch gleichzeitigeine Entscheidung für Teilzeit-arbeit ist. Sie empfiehlt unteranderem, während der Schulzeitein elternunabhängiges Bafög zuzahlen, finanziert vom jeweiligenBundesland.http://library.fes.de/pdf-files/ studienfoerderung/12496.pdf

„Das erste Jahr war hart“Modellprojekt „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“

Sie haben als Koch gearbeitet oderals Bürokauffrau, waren angestelltoder selbstständig. Und hatten ir-gendwann während ihres Berufs-lebens den Gedanken, ErzieherInwerden zu wollen. Ganz unter-schiedliche Werdegänge, doch einsist ihnen gemeinsam: „Der Beruf Er-zieherIn war nicht aus der Not ge-boren“, versichert Michael Bender.Er ist Lehrer und für die Ausbildungder ErzieherInnen an der Adolf-Reichwein-Schule in Limburg zu-ständig. Die Schule kooperiert mitpädagogischen Einrichtungen derStadt Wiesbaden. Saskia Kiews-Müller, 32, emp-

findet ihren ersten Beruf als zahn-medizinische Fachangestellte eherals Verlegenheitslösung. Jetzt ist dieQuereinsteigerin im zweiten Jahrihrer Ausbildung zur Erzieherin. „Daserste Jahr war hart.“ Morgens fährtsie von Idstein nach Limburg in dieSchule, danach holt sie ihren Sohnin der Krippe ab, und wenn derDreijährige im Bett liegt, macht siesich ans Lernen. „Zeit fürs Lernenzu finden und das Lernen zu lernen“,fällt ihr am schwersten. Dennochgeht sie gern in die Schule, fühltsich in der Kita wohl, in der sie diePraxis absolviert, und ist zufriedenmit ihrer Entscheidung, den Beruf zuwechseln. Auch wenn sie Abstrichevon ihren Ansprüchen machen muss.

Dann gibt es eben nicht nur Einsenund Zweien. „Wer sich bewusstfür eine zweite Ausbildung ent-scheidet, ist hoch motiviert undwill gut abschneiden.“Das kann Michael Bender be-

stätigen. Manchmal müssen die Leh-rerInnen ihre Studierenden bremsen.Denn „die Belastungen sind sehrhoch.“ Dazu gehören der Vollzeit-unterricht, das Lernen zu ungüns-tigen Zeiten, der viele Stoff, famili-äre Verpflichtungen und mit wenigGeld auszukommen. Das erste Jahrist abgeschlossen. Von 23 Studie-renden sind noch 19 dabei. Wenn Erwachsene wieder auf

der Schulbank sitzen, müssen alleumdenken, LehrerInnen, Kita-Leiter-Innen und die Teilnehmenden. „Füreinige QuereinsteigerInnen ist dieneue Rolle eine Umstellung“, erzähltAlexandra Lemcke, Leiterin vonzwei Xenia-Einrichtungen in Wies-baden. Wer vorher eine Firma ge-leitet, sich im Beruf bewährt oderbereits Kinder großgezogen hat, fürden ist es nicht einfach, in einer Kitaerst mal zu beobachten und nichtsofort eine Gruppe eigenständigübernehmen zu können. Dennochprofitiere das Team von den Quer-einsteigerInnen: Sie brächten Lebens-erfahrung mit, viel Verantwortungs-bereitschaft und Umsicht. „EineBereicherung fürs Team.“Das Modellprojekt in Wiesba-

den wird unter Beteiligung vonver.di evaluiert.www.chance-quereinstieg.de

Wer sich mit Mitte 30 oder älter für einen neuen Beruf ent-scheidet, bringt eine hohe Motivation und viel Lebenserfahrungmit. Berufsbegleitende Ausbildungen machen es Erwachsenenmöglich, ErzieherIn zu werden. Dazu gehört das bundesweiteModellprojekt „Quereinstieg - Männer und Frauen in Kitas“.

Als die Louise-Schroeder-Schule in Wiesbaden ihr Konzept voneiner berufsbegleitenden Ausbildung entwickelt hatte, gab es dasModellprojekt „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“ nochnicht. Einiges haben die Ausbildungswege gemeinsam, anderesunterscheidet sich. Gemeinsam ist beiden, dass sich Unterrichts-zeit und Inhalt nicht von der klassischen Ausbildung der ErzieherInunterscheidet, sie sind nur anders verteilt. Zurzeit absolviert der ersteJahrgang der Louise-Schroder-Schule sein halbjähriges Berufsprak-tikum. Die Studierenden haben drei Jahre Praxis, kombiniert mitTheorie hinter sich: zweieinhalb Tage pro Woche waren sie in derFachschule für Sozialwesen, zweieinhalb Tage als TeilzeitlerInnenin pädagogischen Einrichtungen. „Die Aussichten auf einen Arbeits-platz sind gut“, sagt Schulleiterin Ute Stauch-Schauder. Die Schuleführt, anders als im jüngsten Newsletter berichtet, ihre berufsbe-gleitende Ausbildung bei großer Nachfrage langfristig fort.

Gute Aussichten

Seit 1. August 2016 erhalten Al-leinstehende als Unterhaltsbeitrag768 Euro pro Monat. Auch Freibe-träge und Zuschüsse sind gestie-gen. Das Aufstiegs-Bafög wird teilsals Zuschuss, teils als zinsgünstigesDarlehen der Kreditanstalt fürWiederaufbau (KfW) bezahlt. Bean-

tragen können die finanzielle För-derung alle, die an einer beruflichenAufstiegsfortbildung teilnehmen,ob Voll- oder Teilzeit. Mittlerweilestellen künftige ErzieherInnen bun-desweit die zweitgrößte Gruppeder Geförderten. In Hessen hat sichseit 2013 die Zahl der künftigen

ErzieherInnen, die vom Bafög pro-fitieren, mehr als verdoppelt, im ver-gangenen Jahr nutzten 677 die För-derung, Tendenz steigend, heißtes aus dem Hessischen Ministeriumfür Wissenschaft und Kunst.Antragsformulare, Infos und

Beratung bekommen InteressentIn-nen bei den Ämtern für Ausbildungs-förderung der hessischen Studen-tenwerke.

www.bafög-hessen.de (→ Online-Antrag → AFBG)

Der Weg zum Beruf der ErzieherIn ist lang. Und teuer. Denn dieklassische Ausbildung ist eine schulische ohne Vergütung. Aller-dings können angehende ErzieherInnen Meister-Bafög beantragen,das seit kurzem Aufstiegs-Bafög heißt. Mehr Geld gibt es auch.

Neues beim Meister-Bafög

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Engagierte bayerische ErzieherIn-nen in ver.di haben viel diskutiert,gerechnet, neu gedacht. Herausge-kommen ist der Entwurf für einenTarifvertrag, mit dem „endlich bes-sere Arbeitsbedingungen“ durch-gesetzt werden sollen. Nötig istder Tarifvertrag deshalb, weil imBayerischen Bildungs- und Erzie-hungsgesetz wichtige Begriffe un-bestimmt sind und manches nichtgeregelt ist, erklärt Dr. Brigitte Zach,Leiterin des Fachbereichs Gemein-den in Bayern. Der Tarifvertragsentwurf nimmt

zwei wichtige Themen auf: die Ver-fügungszeit und die Leitungsstun-den. Nach einer Formel soll in pau-

schalierter Form die Zeit errechnetwerden können, die künftig fürLeitungsaufgaben reserviert ist. Dassoll sich nach der Zahl der gebuchtenStunden in der Kita richten sowiedem Faktor des Kindes. „Aus dieserBerechnung ergibt sich dann auch,ob für eine Einrichtung eine Stellver-tretung notwendig wird“, sagt Bri-gitte Zach. Auch das fehlt im Gesetz.ver.di will in Bayern durchsetzen,

dass die Verfügungszeit konkret an-gegeben wird. Und der Träger nichtnur die „angemessene“ Verfügungs-zeit freiwillig gewährt oder ebennicht. Pro Stunde pädagogische Ar-beitszeit sollen 45 Minuten auf dieArbeit am Kind entfallen und 15

Minuten auf Verfügungszeit. Alleweiteren Aufgaben wie Dokumen-tationen, Zusammenarbeit mitSchulen und Einrichtungen oderTeamsitzungen sind als pädagogi-sche Arbeitszeit auszuweisen,betont Zach. Alles zusammen führt dazu, dass

mehr Personal eingesetzt werdenmuss. „Dadurch hätten wir nicht nureinen rechnerischen, sondern auchtatsächlich einen anderen Perso-nalschlüssel. Denn nur das führt zueiner Entlastung der KollegInnen.“Wenn der Beruf wieder attraktiverwerde, dann fehle es auch nicht

mehr überall an Fachkräften, sagtZach. Dann könnten die Erzieher-Innen länger und mehr Stundenin ihrem Beruf bleiben oder nachder Familienpause dorthin zurück-kehren. Bessere Arbeitsbedin-gungen machen den Beruf fürjunge Menschen attraktiver. Der Entwurf sieht einen An-

spruch auf Fort- und Weiterbildungvor. Ferner soll es weitere Entlas-tung für Beschäftigte mit langjähri-ger Berufserfahrung ab dem 55.Lebensjahr geben, einem Alter, indem mehr Zeit für die Regenera-tion nötig ist.

Der Saal im Frankfurter Gewerkschaftshaus war proppevoll. Esmussten zusätzliche Tische aufgestellt werden, damit die rund 50TeilnehmerInnen der Fachtagung am 5. Oktober alle Platz nehmenkonnten. Thema: Wie weiter mit dem Kinderförderungsgesetz inHessen? Zweieinhalb Jahre ist das KiföG in Hessen alt. Die Zensurenfallen bisher miserabel aus. Das Gesetz tut weder den Kinderngut noch den ErzieherInnen. Wie kann es anders weitergehen?

ver.di-Fachtagung in Frankfurt zum KiföG

Neue Standards nötig

„Leistungen, die das KiföG nicht bie-tet, gleicht die Stadt Hanau aus. Ineiner Gruppe sind maximal 20 Kin-der plus zwei Notplätze und nicht25 wie beim KiföG. Sprachförderunggibt es für alle, nicht nur für Kindermit Migrationshintergrund. Außer-dem ist die Betreuung der Schul-kinder in Kitas garantiert, montagsbis freitags von 7 bis 17 Uhr, auchin den Ferien. Selbstverständlich vonqualifiziertem und tariflich bezahltenFachpersonal. Jedem Beschäftigtenstehen pro Jahr fünf Fortbildungs-tage zu und eine kinderfreie Zeit,um Gespräche mit LehrerInnen,Eltern oder Dienstgespräche zuführen. Was leider aufgrund desFachkräftemangels nicht immer ein-zuhalten ist. Dadurch braucht mannatürlich mehr Personal, als dass mitdem KiföG der Fall wäre.“

UlrikeBräutigam,Leiterin desKinderhausesSaalburgstraßein Hanau

Moderatorin Dr. Dorothee Beck, Cordula Tschirschnitz, BiancaKistner, Ulrike Bräutigam, Anna Tadiotto (von links).

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„Marburg muss sparen, heißt es.Deshalb wird in den Kitas bald eineBesetzung nach KiföG erfolgen,sprich: 25 Kinder pro Gruppe. Aller-dings ist es jetzt schon so, dass dieKollegInnen hoch belastet sind, alsFolge gibt es viele Langzeiterkrank-ungen. Wir fürchten, dass sich unse-re Arbeitsbedingungen weiter ver-schlechtern werden. Das Gesetzführt zu chronischer Unterbesetzungund bringt chronisch schlechte Be-dingungen hervor. Zwei Beispiele: InReichskirchen erhalten neue Erzie-herInnen nur 30-Stunden-Verträgeund dürfen in mehreren Kitas einge-setzt werden. In Buseck gibt es Ver-träge mit 25 Wochenstunden, dieaufgestockt werden können, wenndie Kinderzahl steigt. Daran siehtman, dass das KiföG prekäre Be-schäftigungsverhältnisse produziert.“

CordulaTschirschnitz,Erzieherin undPersonalrätin inMarburg

„Die Finanzierung ist bei uns nichtdas Problem, da uns die Stadt Frank-furt oder - bei betriebsnahen Kitas -die Unternehmen durch ein Zu-schuss-System unterstützen und diesdurch den Träger in einen gutenFachkraft-Kind-Schlüssel umgesetztwird. Wir haben aber Debatten umden Begriff Fachkraft. Ein Beispiel:Die Heilerziehungspflegerin gilt alsFachkraft, wenn ein behindertesKind in der Kita ist. Verlässt diesesKind die Kita, wird sie nicht mehr alsFachkraft gezählt. Das ist absurd.Weiter: KinderpflegerInnen werdennach dem Gesetz in Gruppen mitunter Dreijährigen eingesetzt, abernicht wie ErzieherInnen bezahlt. Wirhaben eine Vielfalt an Berufen, un-klare Definitionen und unterschied-liche Bezahlungen. Das ist schlechtfür den Betriebsfrieden.“

Bianca Kistner,Betriebsratsvor-sitzende BVZGmbH, freierTräger von Kitasin Frankfurt

In Hanau gibt’s mehr als nurKiföG

Schlecht für denBetriebsfrieden

„KiföG produziert prekäre Arbeitsverhältnisse“

„Am meisten rege ich mich darüberauf, dass das Personal nicht mehrnach der Gruppengröße, sondernnach den betreuten Stunden der Kin-der berechnet wird. Was soll das?Wenn ein Kind einen Zwei-Drittel-Platz hat, mache ich dann auchein Zwei-Drittel-Elterngespräch, einenZwei-Drittel-Entwicklungsbericht,eine Zwei-Drittel-Dokumentation?Natürlich nicht. Auch ein Zwei-Drittel-Kind braucht meinen vollen Einsatz,die Stunden sind allerdings im Perso-nalschlüssel nicht einberechnet. Wirwerden noch dahinkommen, dasswir den Eltern raten müssen, einenGanztagsplatz zu buchen. Sonstkönnen wir ihr Kind nicht aufneh-men. Ich glaube, es ist eine klare Bot-schaft an die Geldgeber über die Per-sonalsituation nötig. Und die heißt:Nie mehr allein mit 20 Kindern!“

„Nie mehr allein mit 20Kindern“

Anna TadiottovomFrankfurterNetzwerk derSozialen Arbeit

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4 Oktober/2016

Kita rund um die UhrIn Rostock wurde die erste Kita er-öffnet, die Kinder rund um die Uhrbetreut. „Weil gute Betreuungkeine Frage der Uhrzeit ist“, sodas Bundesprogramm Kitaplus.Das ermöglicht Alleinerziehendenoder Beschäftigten im Schicht-dienst, ihren Beruf auszuüben.ver.di bezweifelt, dass eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung dem Wohldes Kindes dient, und kritisiert,dass damit die Fachkräfte in Kitaszu familienunfreundlicher Nacht-,Wochenend- und Feiertagsarbeitgezwungen werden. Mehr dazuhttp://www.dgb.de/einblick/

ausgaben-archiv/2016 (→ Ausgabe 9/16 → Artikel„Rund um die Uhr bereit“)

Familienzeit steigt

Eltern von unter Sechsjährigen ver-bringen heute mehr aktive Zeitmit ihren Kindern als noch vor 15Jahren, obwohl Kinder früher undlänger in der Kita sind. Dies isteines der Forschungsergebnissedes Deutschen Jugendinstituts.Und auch mehr Kinder sind in derKita: Die Zahl der unter Dreijähri-gen, die in einer Kindertagesein-richtung oder in der Kindertages-pflege betreut werden, hat sichinnerhalb der vergangenen zehnJahren fast verdreifacht, so dasStatistische Bundesamt.

… und täglichfehlt das Personal

Ideal ist, wenn sich eine Erzieherinum höchstens drei Krippenkinderkümmert. Die Realität sieht jedochanders aus, zeigt eine Studie derBertelsmann Stiftung. In Hessen isteine Fachkraft für knapp vierKrippen- und knapp zehn Kinder-gartenkinder zuständig. Damit istHessen schlechter als der west-deutsche Durchschnitt und verfehltauch die Empfehlungen der Expert-Innen (1 : 3 und 1 : 7,5). „Es ist nichtnachvollziehbar, warum das finanz-starke Land Hessen nicht mehr Geldfür einen besseren Personalschlüsselzur Verfügung stellt“, sagt KristinIdeler von ver.di.

Ein FlickenteppichÜber den „Pakt für den Nachmittag“ der schwarz-grünen Landesregierung

Leicht wird es Eltern nicht gemacht.Wer soll ihr Kind nachmittags be-treuen? Der Hort oder die „ganz-tägig arbeitende Grundschule“?Und was versteht man unterpädagogischer Mittagsbetreuung?An der Verwirrung der Eltern ist dasKultusministerium mit schuld. Weildas Ministerium von „Ganztags-ausbau“ spricht, den Eindruck vonGanztagsschulen weckt, aber Ganz-tagsangebote meint. Wie Grundschulkinder in Hessen

nachmittags betreut werden, siehtin der Praxis unterschiedlich aus.Mal werden SchülerInnen lediglichan drei Wochentagen bis 14.30 Uhrvon Studierenden und Honorarkräf-ten beaufsichtigt. Mal gibt es denHort, in dem die Mädchen undJungen von qualifiziertem pädago-gischem Personal betreut werden,auch in den Ferien. Mal gibt es echteGanztagsgrundschulen mit „rhyth-misierendem Unterricht“, also ler-nen, spielen, fördern, toben imWechsel. Aber davon zu wenige. Kurzum: Hessen ist ein Flicken-

teppich. Qualität der Angebote,Qualifikation des Personals und derPersonalschlüssel sind im „Pakt am

Nachmittag“ nicht geregelt, sondernabhängig davon, was Kommuneoder Landkreis mit den Trägern ver-abreden. Anders in der Kita: 50 Stun-den Öffnungszeit, auch in denFerien, qualifiziertes Fachpersonal,das Eltern bei der Erziehung undKindern beim Großwerden hilft.Pädagogisch begleiten statt beauf-sichtigen, das ist der Unterschied zuAngeboten, die Laien für die Kinderanheuern. Bis 2020 sollen alle Hanauer

Grundschulen Ganztagsschulen wer-den. Die Horte bleiben. Sie werdenzwar nicht aus-, aber auch nicht ab-gebaut. Noch ist die Nachfrage sogroß, dass sich Schulen und Hortekeine Konkurrenz machen. UlrikeBräutigam, Leiterin des Kinderhau-ses Saalburgstraße, muss jedes JahrEltern abweisen, weil ihr die Plätzefehlen. Zufrieden ist sie nicht mitdem schwarz-grünen Ganztagsan-gebot. „Ich hätte mir für Eltern einenRechtsanspruch auf einen Hortplatzgewünscht und den Ausbau vonHortplätzen.“ Denn nur in Horten sei-en Bildung und Bindung garantiert.In Kassel ist im „Pakt für den Nach-mittag“ wiederum festgelegt, dass

nachmittags ausschließlich Fachper-sonal eingesetzt wird, Träger ist dasJugendamt. Allerdings hat sich einneues Problem aufgetan. Immerwieder erhalten neue Fachkräfte Ar-beitsverträge von 20, maximal 25Stunden für Nachmittagsdienste.Dann kann es vorkommen, dass sol-che Stellen unbesetzt bleiben, sagtVera Reinbold, für Kitas zuständigePersonalrätin der Stadt Kassel.

Die Bilanz der schwarz-grünen Landesregierung zum „Pakt fürden Nachmittag“ fällt positiv aus, SPD und die Linke kritisierenihn als „Mogelpackung“. Mit Beginn des Schuljahres beteiligensich in Hessen mehr als 120 Grundschulen. Was ist dran am Pakt?

Seit einem Jahr gibt es den„Pakt für den Nachmittag“der schwarz-grünen Landes-regierung. Der sieht so aus:Verpflichtender Unterricht fin-det vormittags statt, nach-mittags gibt es freiwillige Be-treuungs- und Freizeitange-bote. Bis 14.30 Uhr ist dasLand Hessen zuständig, indemes LehrerInnenstellen zuweist,für die Zeit bis 17 Uhr undwährend der Ferien sindKommune oder Landkreisverantwortlich. Ziel ist es, sodie Landesregierung, „nochstärker zu mehr Bildungsge-rechtigkeit und einer besserenindividuellen Förderung fürdie Schülerinnen und Schülerbeizutragen.“ Innerhalb vonfünf Jahren sollen sich sämtli-che hessische Grundschulenam Pakt beteiligen.

Der Pakt

ErzieherInnen mit S8b lockenDebatten um die Eingruppierung von pädagogischen Fachkräften

Die Stadt Wiesbaden bezahlteihre pädagogischen Fachkräfteseit Jahren nach S8 (neu: S8b).Stadt und Personalrat hatten sichdamals darauf geeinigt, dass alleErzieherInnen, egal in welcher Kitasie arbeiten, eine „besondersschwierige fachliche Tätigkeit“ aus-üben. So die offizielle Definitionfür die Eingruppierung. An diesemGrundsatz hatte Personaldezer-nent Detlev Bendel (CDU) versuchtzu rütteln. Er ist aber nach dem

Protest von ver.di, Eltern und Er-zieherInnen damit gescheitert. Alleerhalten weiter die S8b. So weit istHanau nicht. Der Personalrat for-dert die prinzipielle Eingruppierungin S8b, denn mit überdurch-schnittlich viel armer Bevölkerungist das Eingruppierungsmerkmal fürdie S8b gegeben. Doch der Ober-bürgermeister stellt sich quer. Beider Suche nach Fachkräften würdedie höhere Eingruppierung keinenUnterschied machen, hatte er bei

der Personalversammlung erklärt,wie Ulrike Bräutigam, Leiterin desKinderhauses, sagt. Das sieht dieGemeinde Büttelborn anders, siewill Fachkräfte mit der S8b anlo-cken. Das zahlen auch Dietzenbach,Rüsselsheim, Mörfelden-Walldorfund Riedstadt. Kassel und Groß-Gerau halten dagegen an der 8afest. Mit dem Tarifabschluss musses nun in allen Kitas ab 40 Plätzenstellvertretende Leitungen geben.Diese werden jetzt in Langenlaut einem Zeitungsbericht je nachGröße der Einrichtung bis zu 50Prozent von ihrer pädagogischenArbeit freigestellt.

In einigen Kommunen sorgt die Umsetzung des Tarifergebnissesim Sozial- und Erziehungsdienst für Unruhe. Wie werden Er-zieherInnen in Hessen eingruppiert?