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HMD 266 35 Strategieentwicklung Prozessmanagement Workflow-Management Organisations- gestaltung Anwendungs- systemgestaltung strategische Ebene fachlich- konzeptionelle Ebene operative Ebene •Prozess- abgrenzung •Prozess- führung •Prozess- modellierung •Workflow- Modellierung • Workflow Monitoring • Workflow- Ausführung Andreas Gadatsch Integriertes Geschäftsprozess- und Workflow- Management – Konzeption, Rollen und organisatorische Einbindung Der Beitrag beschreibt ein integriertes Konzept für das Geschäftsprozess- und Workflow-Ma- nagement. Es geht von einer Trennung zwischen der fachlichen Prozessanalyse und -modellierung und der nachgelagerten technischen Umset- zung modellierbarer, ausführbarer Prozesse mit- hilfe von Workflow-Management-Systemen aus. Auf Basis der Konzeption und eines Rollenkon- zepts wird ein Lifecycle-Modell vorgestellt, in das die spezifischen Rollen des Geschäftsprozess- und Workflow-Managements eingeordnet werden. Inhaltsübersicht 1 Konzeption 2 Rollen und Beteiligte 3 Prozessmanagement als Lifecycle 3.1 Vorschlag für ein Lifecycle-Modell 3.2 Einordnung der Rollen 4 Fazit und Ausblick 5 Literatur 1 Konzeption Seit den ersten Veröffentlichungen zum Ge- schäftsprozess- und Workflow-Management bis hin zu aktuellen Beiträgen wird die Be- deutung der Informationstechnik für den Erfolg des Geschäftsprozessmanagements herausge- stellt. Zur Unterstützung dieses Gedankens wird ein Konzept für ein integriertes Geschäfts- prozess- und Workflow-Management vorge- stellt. Der Gestaltungsrahmen des Ansatzes umfasst auf mehreren Ebenen die Entwicklung der Unternehmens- und Prozessstrategie (stra- tegische Ebene), das Prozessmanagement im engeren Sinne (fachlich-konzeptionelle Ebene), das Workflow-Management zur technischen Umsetzung der Geschäftsprozesse (operative Ebene) sowie die Anwendungssystem- und die Organisationsgestaltung als ergänzende Funk- tionen (vgl. Abb. 1). Auf der strategischen Ebene werden die Geschäftsfelder (z. B. Mobilfunk) eines Unter- nehmens einschließlich ihrer kritischen Erfolgs- Abb. 1: Integriertes Geschäftsprozess- und Workflow-Management [Gehring & Gadatsch 1999]

Integriertes Geschäftsprozess- und Workflow-Management

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StrategieentwicklungStrategieentwicklung

ProzessmanagementProzessmanagement

Workflow-ManagementWorkflow-Management

Organisations-gestaltung

Organisations-gestaltung

Anwendungs-systemgestaltungAnwendungs-

systemgestaltung

strategische Ebene

fachlich-konzeptionelleEbene

operative Ebene

•Prozess-abgrenzung

•Prozess-führung

•Prozess-modellierung

•Workflow-Modellierung

• WorkflowMonitoring

• Workflow-Ausführung

Andreas Gadatsch

Integriertes Geschäftsprozess- und Workflow-Management – Konzeption, Rollen und organisatorische Einbindung

Der Beitrag beschreibt ein integriertes Konzeptfür das Geschäftsprozess- und Workflow-Ma-nagement. Es geht von einer Trennung zwischender fachlichen Prozessanalyse und -modellierungund der nachgelagerten technischen Umset-zung modellierbarer, ausführbarer Prozesse mit-hilfe von Workflow-Management-Systemen aus.Auf Basis der Konzeption und eines Rollenkon-zepts wird ein Lifecycle-Modell vorgestellt, in dasdie spezifischen Rollen des Geschäftsprozess- undWorkflow-Managements eingeordnet werden.

Inhaltsübersicht1 Konzeption2 Rollen und Beteiligte3 Prozessmanagement als Lifecycle

3.1 Vorschlag für ein Lifecycle-Modell3.2 Einordnung der Rollen

4 Fazit und Ausblick5 Literatur

1 Konzeption Seit den ersten Veröffentlichungen zum Ge-schäftsprozess- und Workflow-Managementbis hin zu aktuellen Beiträgen wird die Be-deutung der Informationstechnik für den Erfolgdes Geschäftsprozessmanagements herausge-stellt. Zur Unterstützung dieses Gedankenswird ein Konzept für ein integriertes Geschäfts-prozess- und Workflow-Management vorge-stellt. Der Gestaltungsrahmen des Ansatzesumfasst auf mehreren Ebenen die Entwicklungder Unternehmens- und Prozessstrategie (stra-tegische Ebene), das Prozessmanagement imengeren Sinne (fachlich-konzeptionelle Ebene),das Workflow-Management zur technischenUmsetzung der Geschäftsprozesse (operativeEbene) sowie die Anwendungssystem- und dieOrganisationsgestaltung als ergänzende Funk-tionen (vgl. Abb. 1).

Auf der strategischen Ebene werden dieGeschäftsfelder (z. B. Mobilfunk) eines Unter-nehmens einschließlich ihrer kritischen Erfolgs-

Abb. 1: Integriertes Geschäftsprozess- und Workflow-Management [Gehring & Gadatsch 1999]

Integriertes Geschäftsprozess- und Workflow-Management

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faktoren (z. B. Preisführerschaft, Innovations-zyklen) betrachtet. Gegenstand ist die Erarbei-tung der Unternehmensstrategie und hierausabzuleitender Prozessstrategien. Auf der darun-ter liegenden fachlich-konzeptionellen Ebeneerfolgt die Ableitung der Prozesse im Rahmendes Prozessmanagements. Es stellt die Verbin-dung zur Unternehmensplanung auf der strate-gischen Ebene dar, während das Workflow-Management aus der Perspektive der darunterliegenden Ebene der operativen Durchführungdie Anwendungssystem- und Organisations-gestaltung einbindet.

Das Prozessmanagement umfasst die Pha-sen der Prozessabgrenzung, der Prozessmodel-lierung und der Prozessführung im Lebens-zyklus von Prozessen:! Die Prozessabgrenzung beschreibt die Pro-

zessentstehung. Ausgehend von den Ge-schäftsfeldern und strategisch orientiertenSpezifikationen wie Produktsortiment, kri-tische Erfolgsfaktoren usw. sind in einemschrittweisen Vorgehen Prozesskandidaten(z. B. Privatkundengeschäft, Geschäftskun-dengeschäft, Service) für jedes Geschäftsfeldabzuleiten, zu bewerten und schließlich diezu modellierenden und zu implementie-renden Prozesse (z. B. Marketing, Vertriebs-abwicklung, Produktion) auszuwählen.

! In der Prozessmodellierung geht es darum,Realitätsausschnitte aus einem Geschäfts-feld (z. B. Mobilfunk) unter einer fachlich-kon-zeptionellen Perspektive in einem Geschäfts-prozess (z. B. Reklamationsbearbeitung fürmobile Endgeräte) abzubilden. Hierzu wur-den zahlreiche Modellierungsmethoden ent-wickelt. In Deutschland ist die EPK-Methode[Keller et al. 1992] stark verbreitet. Im interna-tionalen Umfeld hat sich die BPMN-Methode[Allweyer 2008] etabliert. ObjektorientierteAnsätze konnten sich nicht durchsetzen.Neben der Prozessdokumentation unter-stützt die Prozessmodellierung auch dieOrganisationsveränderung, die Zertifizie-rung, die Softwareentwicklung und die Aus-

wahl von ERP-Systemen [Becker et al. 2005,S. 51 f.]. Abhängig von den strategischen Zie-len kann eine Neugestaltung von Abläufenoder eine weiter gehende Automatisierungbestehender Prozesse angestrebt werden. Soentwickelt die BMW-Group spezielle Ge-schäftsstrategien, die die gestiegenen Um-weltanforderungen hinsichtlich der CO2-Emmissionsgrenzwerte und die damit ver-bundene Verbrauchsreduzierung und Sicher-heitsanforderungen explizit berücksichtigen.Diese finden anschließend ihren Nieder-schlag in an diese Erfordernisse angepasstenGeschäftsprozessen. Häufig werden Refe-renzprozessmodelle zur Verkürzung der Ana-lyse- und Modellierungszeit verwendet, diefür zahlreiche Einsatzfälle von Beratungs-und Softwarehäusern und Forschungsein-richtungen entwickelt wurden.

! Das Ziel der Prozessführung ist die Aus-richtung der Prozesse an vorzugebendeMessgrößen (Key Performance Indicators) fürden Prozesserfolg, die sogenannten Prozess-führungsgrößen. Die Führungsgrößen sind,ggf. in mehreren Schritten, aus den kritischenErfolgsfaktoren der jeweiligen Geschäfts-felder abzuleiten. Je nach Umfang ermittelterErfolgsdefizite, aufgetretener Schwachstel-len im Projektablauf usw. kann eine Re-Modellierung bzw. ein erneutes Durchlaufender Prozessmodellierung erforderlich sein.Referenzprozessmodelle [Fettke & Loos 2005;Schütte 1998] unterstützen die Identifikationsinnvoller Vergleichsgrößen für ein unterneh-mensinternes (z. B. Vergleich mehrerer Nie-derlassungen) oder unternehmensübergrei-fendes Prozessbenchmarking.

Workflow-Management unterstützt die Pro-zessautomatisierung in Abhängigkeit vom Pro-zesscharakter. Insbesondere für regelmäßigeund strukturierbare Geschäftsprozesse ist eineAutomatisierung möglich. Typische Beispielesind Prozesse der Kundenauftrags-, Versiche-rungsantrags- oder Kreditkartenbearbeitung.Workflow-Management kann in drei Phasen

Integriertes Geschäftsprozess- und Workflow-Management

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CEO, CPO

Process Owner(Prozess-

verantwortliche, Prozessmanager)

Prozessmitarbeiter(Prozessexperten)

Prozess-ausführungProzess-

ausführung

Strategieberater

ProjektleiterProzessberater

Prozessmodellierer

Workflow-Modellierer

Softwareentwickler

Prozess-veränderung

Prozess-veränderung

Prozess-auditor

StrategieentwicklungStrategieentwicklung

ProzessmanagementProzessmanagement

Workflow-ManagementWorkflow-Management

• Prozess-abgrenzung

• Prozess-führung

• Prozess-modellierung

• Workflow-Modellierung

• Workflow-Monitoring

• Workflow-Ausführung

AufgabenBeteiligte Prozess-

prüfungProzess-prüfung

unterteilt werden: Modellierung, Ausführungund Monitoring von Workflows. Im Rahmen derWorkflow-Modellierung werden die Geschäfts-prozessmodelle um Spezifikationen erweitert,die für eine automatisierte Prozessausführungunter der Kontrolle eines Workflow-Manage-ment-Systems notwendig sind. Anschließenderfolgt die Phase der Workflow-Ausführung; siebeinhaltet die Erzeugung und den Durchlaufvon Prozessobjekten (z. B. Bestellung 4711 vom02.05.2009 durch den Kunden Meyer) entlangder vorgesehenen Bearbeitungsstationen unterder Kontrolle eines Workflow-Management-Systems. Das Workflow-Management-Systemübernimmt die Rolle eines Metasystems, das diefür die Prozessdurchführung erforderlichenInformationssysteme steuert. Das Workflow-Monitoring dient der laufenden Überwachungdes Prozessverhaltens hinsichtlich interessie-render Kriterien, z. B. Bearbeitungszeit, Kosten-anfall, Ressourcenauslastung. Die Gegenüber-stellung von Prozessführungsgrößen und ent-sprechenden Istgrößen auf der Ebene vonWorkflows liefert Informationen darüber, ob einProzess richtig eingestellt ist oder ob korrigie-rende Eingriffe vorzunehmen sind.

2 Rollen und Beteiligte Das Prozessmanagement ist durch das Zusam-menspiel vieler Beteiligter in unterschiedlichenRollen auf verschiedenen Ebenen geprägt. DieÜbersicht in Abbildung 2 ordnet wesentlicheBeteiligte in das Konzept aus Abbildung 1 ein.

Das Prozessmanagement prägt sich in derProzessausführung (Tagesgeschäft) und in derProzessveränderung (Veränderungsprojekte)unterschiedlich aus. Im Tagesgeschäft steht diestrategiekonforme Prozessausführung im Vor-dergrund. Veränderungsprojekte untersuchenden Istzustand, identifizieren Schwachstellenund führen einen verbesserten Sollzustand her-bei. Je nach Situation des Unternehmens kanneine Änderung der Strategie erforderlich sein.Dementsprechend fallen die Aufgaben und Be-teiligten sehr unterschiedlich aus.

Die starke Verbreitung des Prozessmanage-ments hat zur Forderung nach spezifischenRollen und einem Chief Process Officer (CPO)geführt. Allerdings ist diese Position nur ineinem Fünftel der Unternehmen besetzt[Gadatsch et al. 2007]. Seine zentrale Verant-wortung besteht in der grundsätzlichen Aus-richtung des Geschäftsprozessmanagementsan den Unternehmenszielen sowie in der Kon-zeption und Einführung von Methoden und

Abb. 2: Beteiligte (Rollen) des Geschäftsprozessmanagements [Gadatsch 2009]

Integriertes Geschäftsprozess- und Workflow-Management

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Werkzeugen. In Zusammenarbeitet mit demChief Executive Officer (CEO) entwickelt er dieUnternehmensstrategie und lenkt den Fokusauf die Anforderungen des Prozessmanage-ments (z. B. abteilungsübergreifende Verant-wortung für Prozesse, medienbruchfreie Ar-beitsorganisation). Seine Aufgaben sind:

! Strategie: Erarbeitung und Abstimmung derProzessstrategie mit der Unternehmensstra-tegie

! Prozessdokumentation: Ableitung und Be-schreibung relevanter Geschäftsprozesse

! Prozessanalyse: betriebswirtschaftlich orien-tierte Simulation von Geschäftsprozessalter-nativen und deren Schwachstellenanalyse

! Prozessoptimierung: Identifikation, Defini-tion, Umsetzung und Überwachung von Pro-zessverbesserungen

! Prozess-Monitoring: Laufende Analyse derProzesskennzahlen im Hinblick auf die Er-reichung der Prozessziele

! Entwurf und Implementierung einer prozess-orientierten Unternehmensorganisation ein-schließlich der Übertragung der Prozess-verantwortung an sog. Prozesseigentümer(Process Owner)

! Sicherstellung von prozessorientierten IT-Sys-temen durch Zusammenarbeit mit dem CIO(Chief Information Officer)

Eine weitere zentrale Rolle übernehmen die Pro-cess Owner, auch Prozessverantwortliche oderProzessmanager genannt. Sie sind verantwort-lich für die laufende Steuerung und Optimie-rung der Geschäftsprozesse. Ihre Aufgaben sind[Schmelzer & Sesselmann 2006]:

! Prozessziele festlegen und Einhaltung über-wachen

! Prozessmitarbeiter führen, disponieren undsteuern

! Vertretung des Geschäftsprozesses gegen-über Dritten (z. B. in Projekten, bei Geschäfts-abschlüssen)

Die Rolle des Process Owner gilt als etabliert[Gadatsch et al. 2007]. Prozessmitarbeiter sindProzessexperten für Teilschritte im Gesamt-prozess oder für zusammenhängende Prozess-ketten. Sie sind in erster Linie verantwortlich fürdie Aufgabendurchführung im Tagesgeschäft.Die Aufgaben hängen vom Tätigkeitsfeld ab,z. B. Kundenaufträge bearbeiten, Reklamatio-nen abwickeln, Arbeitsverträge formulieren undschließen [Schmelzer & Sesselmann 2006]. ImRahmen von Projekten zur Veränderung derUnternehmensorganisation sind weitere Betei-ligte eingebunden: Projektleiter, Prozessberater,Prozess- und Workflow-Modellierer und IT-Ex-perten. Der Projektleiter ist verantwortlich fürdie erstmalige Implementierung des Prozess-managements und dessen Weiterentwicklungbei größeren Restrukturierungen. Seine Auf-gaben sind insbesondere die Leitung des Pro-zessmanagementprojektes, die Klärung derProjektziele mit der Unternehmensleitung undSicherstellung der Zielerreichung sowie dieFührung der Projektmitarbeiter und Informa-tion des Managements.

Prozessberater sind verantwortlich für dieAusführung von konzeptionellen und aus-führenden Projektarbeitspaketen, z. B. Wissens-transfer von Best Practices für Prozesse, Einsatzvon speziellen Methoden und Werkzeugen,Durchführung von Workshops und Schulungen.Prozess- und Workflow-Modellierer beschrei-ben die Arbeitsabläufe und spezifizieren derenIT-technische Umsetzung in geeigneten Soft-waresystemen. Fallweise sind IT-Experten mitSpezial-Know-how hinzuzuziehen.

Die Prozessprüfung erfolgt durch Prozess-auditoren. Sie werden fallweise, meist in größe-ren Unternehmen eingesetzt, um Überprüfun-gen laufender Prozesse und von Veränderungs-projekten durchzuführen [Gadatsch et al. 2007].Das Ziel ihrer Tätigkeit besteht darin, Schwach-stellen in der Strategie und in den Geschäfts-prozessen zu identifizieren und den BeteiligtenHilfestellungen für mögliche Verbesserungenzu geben.

Integriertes Geschäftsprozess- und Workflow-Management

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Prozess-modellierung

Prozess-analyse

Workflow-Modellierung

Workflow-Ausführung

Workflow-Monitoring

Workflow-Optimierung

Strategie-entwicklungProzess-

restrukturierung

Simulation und Analyse

1. TeilzyklusStrategisch orientierte

Gestaltung vonGeschäftsprozessen

2. TeilzyklusOrganisatorisch-

technische Umsetzungdurch Workflows

3. TeilzyklusAusführung und Überwachung der Workflow-

Instanzen

3 Prozessmanagement als Lifecycle

3.1 Vorschlag für ein Lifecycle-Modell Phasen- bzw. Lifecycle-Modelle werden zurStrukturierung komplexer Entwicklungsvorha-ben eingesetzt (z. B. im Software Engineering)und auch im Rahmen der Prozessmodellierungvorgeschlagen. Dabei lassen sich ein- und zwei-stufige Modellansätze unterscheiden [Galler1997].

Bei der einstufigen Modellierung wird dasWorkflow-Modell direkt erstellt, ohne ein Ge-schäftsprozessmodell vorauszusetzen. DiesesKonzept hat sich bisher nicht durchgesetzt. DieGründe liegen in den hierfür fehlenden Funk-tionen am Markt verfügbarer Informations-systeme. Zum andern erfordert die fachlicheProzessmodellierung einen deutlich geringerenDetaillierungsgrad als die ausführungsorien-tierte Workflow-Modellierung. Bei der zwei-stufigen Vorgehensweise wird ein Workflow-Modell aus einem zuvor erstellten Ge-schäftsprozessmodell abgeleitet. Die zweistu-fige Workflow-Modellierung trägt der TatsacheRechnung, dass Geschäftsprozesse und Work-flows unterschiedlichen Zwecken dienen, wennauch eine Abgrenzung zwischen Geschäftspro-

zess (fachliche Sicht) und Workflow (technischeSicht) nicht in jedem Einzelfall möglich ist. InAbbildung 3 wird ein zweistufiger Lifecycle dar-gestellt, der drei teils vermaschte Teilzyklen be-inhaltet.

Der Teilzyklus (1) umfasst die Geschäfts-und Prozessstrategieentwicklung, die Ge-schäftsprozessmodellierung und -analyse so-wie die Restrukturierung der Prozesse. Er lässtsich in die strategische bzw. fachlich-konzeptio-nelle Ebene des integrierten Gesamtkonzepteseinordnen. Ausgangspunkt für den Teilzyklus (1)ist die Erhebung und Modellierung der Ist-Geschäftsprozessmodelle. Diese werden an-schließend einer Geschäftsprozessanalyse hin-sichtlich ihres Beitrages zur Erfüllung der ausder Geschäftsstrategie abgeleiteten Geschäfts-prozessziele unterzogen. Hierbei werden un-produktive oder überflüssige Geschäftspro-zesse und Organisationsstrukturen identifi-ziert. Die Geschäftsprozessanalyse kann auchRückwirkungen auf die zunächst vorgegebeneGeschäftsstrategie des Unternehmens haben,was wiederum die nachfolgende Gestaltungund Restrukturierung der Geschäftsprozessebeeinflusst. Die neu gestalteten und hinsicht-lich der Zielvorgaben der Geschäftsstrategien

Abb. 3: Lifecycle-Modell [Gadatsch 2009]

Integriertes Geschäftsprozess- und Workflow-Management

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Prozess-modellierung

Prozess-analyse

Workflow-Modellierung

Workflow-Ausführung

Workflow-Monitoring

Workflow-Optimierung

Strategie-entwicklung

Prozess-restrukturierung

Simulation und Analyse

1. TeilzyklusStrategisch orientierte

Gestaltung vonGeschäftsprozessen

2. TeilzyklusOrganisatorisch-

technische Umsetzungdurch Workflows

3. TeilzyklusAusführung und Überwachung der Workflow-

Instanzen

WF-modellierer

SW-Entwickler

Prozess-mitarbeiter

ProcessOwner

CEO + CPO

Prozess-modellierer

ProcessOwner

Prozess-berater

Prozess-mitarbeiter

restrukturierten Geschäftsprozesse werden alsSoll-Geschäftsprozessmodelle formal beschrie-ben. Eine nachfolgende Analyse der Soll-Geschäftsprozessmodelle kann zu weiteren Re-strukturierungszyklen führen, bis die Gestal-tung der Geschäftsprozesse mit den vorgege-benen oder ggf. angepassten Geschäftszielenkonform ist.

Mit dem Abschluss von Teilzyklus (1) ist diefachlich-konzeptionelle Gestaltung der Ge-schäftsprozesse abgeschlossen. Im anschlie-ßenden Teilzyklus (2) werden die Geschäftspro-zessmodelle bis auf die operative Workflow-Ebene verfeinert. Der angestrebte Detaillie-rungsgrad soll einerseits eine automatischeAusführung und andererseits eine simulations-basierte Analyse von Workflows gestatten. Dieder Analyse folgende Workflow-Optimierungvervollständigt den zweiten, ggf. iterierten Teil-zyklus.

Die Ausführung von Workflows und derenlaufende Überwachung bilden den Anfang desTeilzyklus (3), der ebenfalls der operativen Ebe-ne zuzuordnen ist. Abhängig vom Grad der beidem Monitoring festgestellten Abweichungender Prozessergebnisse von den erwarteten Er-gebnissen erfolgt eine Rückkopplung auf den

Teilzyklus (1) oder (2). Kleinere Abweichungenführen zu inkrementellen Änderungen in Formdes erneuten Durchlaufes von Teilzyklus (2),d. h. zu Optimierungen der Workflow-Modelle.Im Rahmen des Prozessbenchmarkings werdenKennzahlen zur Beurteilung der Leistungs-fähigkeit von Prozessen analysiert. Größere Ab-weichungen von Referenzwerten deuten aufModellierungsdefizite hin und können eineRe-Modellierung bzw. einen Rücksprung zu Teil-zyklus (1) erforderlich machen. Aktivitätsaus-lösende Schwellwerte für das Monitoring derWorkflow-Instanzen sind im Rahmen der Ge-schäftsprozessmodellierung als Toleranzberei-che für Prozessführungsgrößen vorzugeben.Die Ergebnisse des Workflow-Monitorings kön-nen bei gravierenden Abweichungen auch Aus-wirkungen auf die Geschäftsstrategie des Un-ternehmens haben.

3.2 Einordnung der Rollen In Abbildung 2 wurden die zentralen Rollen desGeschäftsprozess- und Workflow-Manage-ments vorgestellt. Ordnet man diese in dasLifecycle-Modell ein, so ergibt sich das in Abbil-dung 4 dargestellte Idealbild einer Rollen-Tätig-keits-Zuordnung.

Abb. 4: Idealtypische Rollenzuordnung [Gadatsch 2009]

Integriertes Geschäftsprozess- und Workflow-Management

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Der Chief Process Officer ist in Zusammen-arbeit mit der Unternehmensleitung (CEO) fürdie Ableitung der Prozessstrategie aus der Un-ternehmensstrategie und die Abstimmung mitden Geschäftsprozessen verantwortlich. Pro-zessmitarbeiter mit besonderer Erfahrung ana-lysieren, überarbeiten und optimieren die Pro-zesse. Sie werden hierbei durch interne oderexterne Berater unterstützt. Prozessmodelliererüberführen die Resultate in ein Prozessmodell.Der Process Owner hat die Verantwortung fürdas entwickelte Prozessmodell. Die Rollen kön-nen je nach Unternehmensgröße auch in Per-sonalunion wahrgenommen werden.

Die Workflow-Modellierung ist eine Auf-gabe von Workflow-Modellierern bzw. von Soft-wareentwicklern. Sie überführen das betriebs-wirtschaftliche Geschäftsprozessmodell in einausführbares Workflow-Modell. Sie führenauch die Simulation der Modelle durch, da hier-für meist spezifische Kenntnisse des Workflow-Management-Systems bzw. Modellierungs-tools notwendig sind.

Die Ausführung der Prozesse liegt in der Ver-antwortung der Process Owner. Wahrgenom-men wird die Aufgabe von Prozessmitarbeiternim Unternehmen [Schmelzer 2005].

In der Praxis wird der vorgestellte Lifecyclehäufig nicht vollständig realisiert. Prozesse sindoft nur teilweise oder gar nicht in der Unterneh-mensstrategie verankert. Nur 35 % der Unter-nehmen im deutschen Sprachraum gaben an,die Unternehmensstrategie mit ihren Prozes-sen vernetzt zu haben [Gadatsch et al. 2007].Die zentralen Gründe sind eine fehlende Unter-nehmensstrategie und die mangelnde Unter-stützung der Unternehmensleitung.

4 Fazit und Ausblick

Im Beitrag wurde ein integriertes Lifecycle-Konzept für das Geschäftsprozess- und Work-flow-Management vorgestellt. Das Konzeptwurde um zentrale Rollen erweitert, um die Ver-zahnung des Prozessmanagements mit der

Organisationsgestaltung deutlich zu machen.Leider sind in nur wenigen Unternehmen ver-gleichbare Konzepte realisiert worden, was derBedeutung des Prozessmanagements wider-spricht. Die Unternehmenspraxis wird dahermotiviert, geeignete Stellenprofile auszuprä-gen und in ihre Unternehmensorganisation zuintegrieren.

5 Literatur

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Zeitschrift für Organisation, 74. Jg., Heft 5, 2005,S. 273-277.

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Prof. Dr. Andreas Gadatsch Hochschule Bonn-Rhein-SiegFachbereich Wirtschaftswissenschaften Sankt AugustinGrantham Allee 2053757 Sankt Augustinandreas.gadatsch@hochschule-bonn-rhein-sieg.dewww.wis.fh-brs.de