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Körperliche Erkrankungen - Chance für die Klinische Psychologie:
Interventionen für Menschen mit
erworbener Hirnschädigung
E. Schenk z.S.1 & C. Wendel2
DGVT Berlin 2016
1 MORITZ KLINIK BAD KLOSTERLAUSNITZ Neurologische und orthopädisch-traumatologische
Fachklinik für Rehabilitation
2 HOCHSCHULE MAGDEBURG STENDAL
ZENTRUM für ambulante Neuropsychologie und Verhaltenstherapie Berlin
Schlaganfall und Resilienz
Vorstellung eigener Studienergebnisse zum Langzeitverlauf nach Schlaganfall
Internationale Studienlage
Ansätze für Angehörige und Betroffene
Gliederung
DGVT Berlin 2016
• Inzidenzraten für Deutschland: • Schlaganfall: 250 pro 100.000 (Wendel, 2002)
• Schädel-Hirn-Trauma: 340 pro 100.000 (Cortbus & Steudel, 2000)
• Mit ihren Folgen nach wie vor zu wenig als chronische Krankheit
betrachtet
• Chronische Krankheiten erfordern komplexe Bewältigungsaufgaben seitens aller Familienmitglieder
„Head-injured family“ (Brooks, 1991)
Hintergrund
DGVT Berlin 2016
„… wie auf einen Menschen oder ein soziales System eine Belastung zukommt und er/es versucht, mit dieser Belastung fertig zu werden. Das Kennzeichen der Belastung ist, dass sie die üblichen und alltäglichen Möglichkeiten der Bewältigung übersteigt und die betroffenen Personen mit existentiell bedeutsamen Veränderungen konfrontiert.“ (Lucius-Hoene 2000)
DGVT Berlin 2016
Was heißt Krankheitsbewältigung?
Krisen meistern? Erworbene Hirnschädigung und Resilienz
• Aktuelle Resilienz-Forschung: „Erfolgreich Altern?“
– Resilientes Altern = die „Ressourcen nicht mehr in Wachstumsprozesse zu investieren, ….sondern ein gutes Verlustmanagement zu betreiben“ (Staudinger et al., 1995, Baltes & Baltes 1990)
Analogie zum „Leben mit erworbener Hirnschädigung“
– Studienlage unzureichend
– Übersichtsarbeit zu 40 qualitativen Studien (Sarre et al. 2014): „The impact of stroke is not easily distinguishable from the process of adjusting to it.“
– Erfassung und Beachtung von Resilienz als personbezogener Kontextfaktor (Pöppl et al. 2014)
DGVT Berlin 2016
Konstitutionelle Persönlichkeitsmerkmale
Fähigkeiten zur Belastungsbewältigung
Resilienz = multimodales Konstrukt
• Stabilisierendes Agieren: Geringere Störanfälligkeit & Depressivität
• Veränderbarkeit im Lebensverlauf
Herausforderung Schlaganfall (Campbell-Sills et al., 2006; Leppert , 2008; Tugade et al., 2004)
DGVT Berlin 2016
Krisen meistern? Erworbene Hirnschädigung und Resilienz
Resilience Scale RS-13 Leppert et al., 2008
Persönliche Kompetenz
• Wenn ich Pläne habe, verfolge ich sie auch.
• Normalerweise schaffe ich alles irgendwie.
• Ich kann mehrere Dinge gleichzeitig bewältigen.
• Ich bin entschlossen.
• Ich behalte an vielen Dingen Interesse.
• Normalerweise kann ich die Situation aus mehreren Perspektiven betrachten.
• Ich kann mich auch überwinden, Dinge zu tun, die ich eigentlich nicht machen will.
• Wenn ich in einer schwierigen Situation bin, finde ich gewöhnlich einen Weg heraus.
• In mir steckt genügend Energie, um alles zu machen, was ich machen muss.
Akzeptanz des Selbst und des Lebens
• Ich lasse mich nicht so schnell aus der Bahn werfen.
• Ich mag mich.
• Ich nehme die Dinge wie sie kommen.
• Ich kann es akzeptieren, wenn mich nicht alle Leute mögen.
1 = nein, ich stimme nicht zu
7 = ja, stimme völlig zu
DGVT Berlin 2016
Eigene Langzeituntersuchung
DGVT Berlin 2016
Fragestellung
Welchen Stellenwert hat Resilienz für das Outcome 2 Jahre nach Schlaganfall?
Resilienz
Depressivität &
Ängstlichkeit
Subjektive Lebens-qualität
Teilhabe
DGVT Berlin 2016
Studienablauf
T0 (Gelegenheitsstichprobe) Erwachsene Schlaganfallbetroffene (ICD-10-GM Codes I60-I69) Stationäre Reha (Phase C/D)
t0
• Akquise während stationärer Reha (C/D)
• N= 108
t1/ t2
• Postalische Befragung 4 Monate nach Ereignis
• N= 93
t3
• Postalische Befragung 2 Jahre nach Ereignis
• N= 66
DGVT Berlin 2016
Stichprobe
MW (SD) bzw. %(N)
Alter (Jahre) 64 (11)
Bildung Hauptschule/Volksschule Real-/Oberschule/POS Abitur
24,2% (16) 42,4% (28) 27,3% (18)
Geschlecht weiblich männlich
47% (31) 53% (35)
Rehadauer in Tagen 32 (21)
Partnerschaft ja nein
80,3% (53) 19,7% (13)
DGVT Berlin 2016
Depressivität, Ängstlichkeit & subjektive Lebensqualität der Gesamtgruppe im Normbereich
No
rmd
ate
n Depressivität (HADS)
(M = 4.2, SD = 3.8)
Ängstlichkeit (HADS)
(M = 5.6, SD = 3.6)
Subjektive Lebensqualität
(WHOQOL-BREF)
(M = 64.4, SD = 16.6)
DGVT Berlin 2016
Depressivität & Ängstlichkeit N
orm
dat
en
Depressivität
Ängstlichkeit
Klinisch relevante Symptomausprägung: • Ängstlichkeit: 17 (25,8%) • Depressivität: 12 (18,2%) • Kombiniert: 10 (15,2%)
DGVT Berlin 2016
Aktivität/Teilhabe (ICF-Funktion) im Verlauf?
• IMPACT-S-Gesamtwert: t1 t3 leichte Verbesserung
70
75
80
85
90
95
100
T1 T3
ID Lernen und Wissensanwendung
ID Allg Aufgaben und Anforderungen
ID Kommunikation
ID Mobilität
ID Selbstversorgung
ID Häusliches Leben
ID Interpersonelle Interaktionen undBeziehungen
ID Bedeutende Lebensbereiche
ID Gemeinschafts-, soziales undstaatsbürgerliches Leben
∗
∗
DGVT Berlin 2016
Resilienz im Normbereich
N 19 N 36 N 11
M = 71, SD = 13.3
(M = 53.7, SD 8.7) (M = 80.6, SD 5.6) DGVT Berlin 2016
durchschnittlich
Signifikante Unterschiede für psychische Belastung, Lebensqualität & Teilhabe
N 19 N 36 N 11
*
DGVT Berlin 2016
durchschnittlich
Ergebniszusammenfassung
2 Jahre nach Schlaganfall: Resilienz & psychische Belastung im Normbereich
1/3 der Betroffenen mit unterdurchschnittlicher Resilienz
Signifikant höhere Belastung in allen untersuchten Variablen
Zusammenhang zwischen Resilienz & Depression (r = -.6**, unabhängig von Funktionsfähigkeit)
DGVT Berlin 2016
Internationale Studienlage
DGVT Berlin 2016
• 35 % Depression & 25 % Angststörung nach erworbener Hirnschädigung (3 Mo - 3 J) Zunahme im 1J-Verlauf nach SHT Zusammenhang zu Ausmaß der Funktionseinschränkung?!
(z.B. Chemerinski & Robinson, 2000, Dennis et al., 2000, Jorge et al., 2004, Leppavuori et al., 2003, Draper et al., 2007, Schönberger et al., 2011)
• Nach SHT Deutlich erhöhtes Suizidrisiko Höhere Prävalenz von Gewaltverbrechen und
Suchterkrankungen (Chan et al., 2009)
Psychische Belastung = Ungünstiger Prädiktor für Rehaverlauf
Studienlage
DGVT Berlin 2016
„Schock“ im Akutstadium
„The head-injured family“
DGVT Berlin 2016
Fortsetzung des bisherigen Lebensentwurfs
• Uneingeschränkte Unterstützungsbereitschaft und Leistungs-fähigkeit der Angehörigen?!
• Belastung der Angehörigen?! Dauerhafte psychologische Langzeitfolgen als Folge der
„Doppelrolle“ zwischen Angehörige/r und Pflegende/r: Depression, Angst, stressassoziierte Beschwerden u.a.
(z. B. Balck & Dinkel, 2000; Bodenmann et al., 1999; Camplair, Bulter, & Lezak, 2003; Chan et al., 2009; Gillen et al., 1998; Laederach-Hofmann et al., 2002; Ponsford et al., 2003; Schönberger & von Kardoff, 2004; Vitaliano et al., 1991; von Kardoff & Schönberger, 2005)
„The head-injured family“ Spezielle Belastungen für Angehörige von Menschen mit
erworbener Hirnschädigung
DGVT Berlin 2016
„The head-injured family“ Spezielle Belastungen für Angehörige von Menschen mit
erworbener Hirnschädigung
DGVT Berlin 2016
(Hämmerling & Wendel, 2006, Hämmerling et al., 2008)
Ansätze für Angehörige und Betroffene
DGVT Berlin 2016
• Einzelberatungen in Krisensituationen/bei konkreten Anliegen & Vereinzelte Studien/Pilotprojekte zur intensivierten Einbindung
• Gruppen- & Beratungsangebote unterbreiten
Vermittlung von Informationen & Perspektiven Stärkung der Wahrnehmung sozialer Ressourcen Förderung der Auseinandersetzung mit eigenen Belastungen
& bewusstem Umgang mit Gefühlen wie Schuld, Scham, Ungeduld oder Gereiztheit
„The head-injured family“ Angebote für Angehörige
DGVT Berlin 2016
(Dinkel & Balck, 2003; Gründel et al. 2001; Lippert-Grüner & Teerhag, 2001; Schlote et al., 2006; Schlote et al., 2007)
• Unzureichende ambulante Versorgung • Orientierung an Autonomie der RehabilitandInnen
• Interdisziplinär realisiert
• Krankheitsbewältigung als „mehrstufiger Trauerprozess” (Verleugnung, Ärger/Wut und Depression)
• Entwicklung bedeutungsvoller neuer oder anders ausgeführter
Aktivitäten; neuer Werte und Ziele
„The head-injured family“ Versorgung der Betroffenen
DGVT Berlin 2016
Neudefinition & Akzeptanz eines neuen Selbst
(Carlsson et al.; 2009; Fraas & Calvert, 2009)
• Veränderbarkeit von Resilienz = Ansatzpunkt für Psychotherapie Selbstakzeptanz und Perspektivwechsel (Pöppl et al., 2014)
(Vorsichtig) helfen, Worte und Bilder zu finden Das Geschehene in den Lebensfaden einflechten
• Neuropsychologische Arbeit (Meichenbaum, 2012):
Soziale Beziehungen Selbstwirksamkeit Regulation negativer Emotionen Kognitive Flexibilität Zukunftsorientierte eigene Werte & Handlungen
„The head-injured family“ Resilienz stärken
DGVT Berlin 2016
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
DGVT Berlin 2016
www.tettricks.de neuro-wiki.de www.denkwerk-hirnverletzung.ch www.brainline.org www.healthtalkonline.org www.krankheitserfahrungen.de
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