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INTERVIEW Abtei Münsterschwarzach - Aikidojournal · PDF fileINTERVIEW 9 Aïkido-Journal 1/2000 »Jonathan, wenn jemand auf die Homepage des Klosters Münsterschwarzach kommt und

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I N T E R V I E W

8Aïkido-Journal 1/2000

Nach seiner Auflösung wurde es 877 vonMünchen, vom 816 gegründeten Benediktiner-klosters Megingaudshausen / Mfr. übernommen.In 10. Jahrhundert war das Kloster für mehrereJahrzehnte verwaist. Im 11. Jahrhundert erlebtedie Abtei eine Blütezeit. Abt Walter errichteteeine frühromanische Basilika (Weihe 1023), dieAbt Egbert 1066 vollendete.

Münsterschwarzach schloss sich den Reform-bewegungen von Gorze (1001 und 1047),Hirsau (ca. 1135) und Bursfelde (1480) an.1525 verbrannten Archiv und Bibliothek. Im30jährigen Krieg wurden die Mönche vertrieben(1635).

Im 18. Jhdt. erfolgte durch Josef Greisingeine bauliche Erneuerung. Balthasar Neumannerrichtete eine Basilika mit Kuppel und zweiWesttürmen. 1803 hob der bayerische Kurfürstdas Kloster auf. Zahlreiche Gebäude wurdenabgebrochen. 1913 wurde Münsterschwarzachdurch die Mis-sionsbenediktiner von St. Ottilienwiedererrichtet 1935-37 erfolgte der Bau derKirche. Von 1941-45 traf das Kloster erneut dasSchicksal der Vertreibung der Mönche.

Abtei MünsterschwarzachMünsterschwarzach,

an der Mündung

der Schwarzach, in

den Main gelegen,

gehört zu den

ältesten Klöstern

Frankens. Es wurde

um 788 als Frauen-

kloster errichtet.

Schwenk in die heutige

Zeit: Selbstverständ-

lich ist das Kloster

mit einer Homepage

im Netz vertreten, auf

welcher, man glaubt es

kaum, unter anderm

das Wort AIKIDO

figuriert.

»AIKIDO HINTER KLOSTERMAUERN«3. Aikido-Landeslehrgang in Münsterschwarzach

Aus nahezu allen Teilen Bayerns kamen dieTeilnehmerinnen und Teilnehmer des 3. Aikido-Landeslehrgang, der in der Abtei Münster-schwarzach, vom 27. bis 28.2.99 stattfand.

Auf 260 m2 Mattenfläche übten unter der An-leitung von Robert Hundshammer (3. Dan) ausDeggendorf die über 40 »Aikidokas« vor allemeinmal die Aikido-Grundtechniken ein, um späterteilweise überraschende Bewegungsvariationenkennenzulernen. Überzeugend brachte der Trai-ningsleiter den TeilnehmerInnen die Effektivitätder aufrechten Gewaltlosigkeit nahe, die es nichtnötig hat, gewalttätiger Aggression auf der glei-chen Ebene zu begegnen.

Ohne die Klarheit der Grundformen zuverlieren, machten die Variationen dazu deutlich,dass es auch für die vielen »alten Hasen« (es

waren wieder eine grosse Anzahl von Dan-Trägern dabei) immer wieder Neues zuentdecken gibt. Auf diese Weise wurde derLehrgang für die Teilnehmerinnen und Teil-nehmer auch zu einem spannenden Erlebnis, dasder Lust am Weitertrainieren und am Ausprobie-ren neuer Bewegungskombinationen wertvolleImpulse gab.

Der nächste Landeslehrgang in Münster-schwarzach war per Sommerferien, für das letzteAugust-Wochenende (28.& 29.8.) geplant.

Pater Jonathan Düring OSB

Abtei MünsterschwarzachSchweinfurter Strasse 4097359 Münsterschwarzach AbteiGermany

Tel.: +49 9324 / 201 Fax: +49 9324 / 20211

e-mail: [email protected]

Auszug aus N° 21D – 1/2000

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9Aïkido-Journal 1/2000

»Jonathan, wenn jemand auf die Homepagedes Klosters Münsterschwarzach kommt unddort das Wort „Aikido“ findet, wird der nichtsehr verwundert sein?«

»Das kann schon sein. Es kommt auf die Vor-stellung an, die jemand über Mönche und dasKlosterleben hat. Wer allerdings weiss, dass dieklösterliche Lebensform gerade für suchende (prä-ziser: Gott-suchende und / oder Sinn-suchende)Menschen ist, dürfte sich über die Verbindung»Mönch und Aikido« nicht wundern – natürlichvorausgesetzt, ein Gespür für den geistig-phi-losophischen Hintergrund von Aikido ist vorhan-

den. Nicht ohne Grund wurde in Japan der Budobesonders auch von Mönchen praktiziert und inKlöstern gelehrt.«

»Wie bist Du gerade auf Aikido gekommen,warum nicht Gymnastik odgl.?»

»Weil mich genau dieser spirituelle Hinter-grund des Aikido angesprochen hat. Mein No-vizenmeister riet mir, ich solle doch etwas mehrfür meinen Leib tun. Dass ich da auf ein Aikido-Wochenende stiess, war Zufall. Die Art und Weisewie der Leiter des Wochenendes (Norbert Mayer,München) Aikido als ganzheitlichen Weg ver-mittelt hat, war für mich ein Glücksfall. Seit derersten Trainingsstunde hat Aikido sowohl meinGefühl für meinen Leib auf eine positive Ebenegebracht, als auch meinem eigenen geistlichenWeg inspiriert. Ob Gymnastik bei mir das auch zuWege gebracht hätte, wage ich zu bezweifeln.«

»Das Aikido hat Dich also im Kloster gehalten«

»Dank Aikido bin ich im Kloster geblieben.Es war Zeit, die Gelübde zu erneuern und ich wareigentlich auf dem „Absprung“. Ich fand heraus,dass ich persönlich ein solche Form suche undbrauche, und dass es mir gut tut, wenn ich michdarauf einlasse. Ich habe das nie bereut, es sindseit damals immerhin 12 Jahre vergangen.

»Was hielt Dich, in den 10 Jahren ohne Aikido?«

»Mich hat der Gedanke persönlich fasziniert –„lerne, aufrecht zu fallen“. Also nicht dieses Buck-lige, sich kleinmachen, sondern aufrecht zu Bodengehen können und schon wieder zu stehen.

Phot

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Dann hat mir der aufmerksame Umgang mit-einander sehr zugesagt. Aber auch das Erlebnisdes Übungsraums, den ich im Grunde wie einenheiligen Raum erlebe. Das kommt mir sehrentgegen. Und ich hatte all die Jahre in Er-innerung behalten, dass es mir sehr sehr vielSpass macht, meinen Leib weiterzubringen, zuspüren. Einfach zu merken, ich möchte endlichwieder mal dieses Rollen spüren, dieses Prä-sentsein.

Ich habe in dem ersten halben Jahr, als ichmit Aikido anfing, nach jedem Training re-gelmässig Brechreiz gehabt. Aber ich bin je-desmal wieder hingegangen, da stand die Devise„da musst du jetzt durch“.«

»Welche Aktion war es, die den Brechreiz er-zeugte?«

»Das war eine körperliche Reaktion. Aber eskönnte auch sein, dass es innerlich war, weil sichdadurch einiges „umgestülpt“ hat. Jetzt, imNachhinein bin ich froh, dass ich so hart mit mirwar, denn danach hatte ich viel Freude amTraining, das in mir so vieles öffnete.

Zwischendrin habe ich immer wieder malversucht, hineinzukommen aber irgendwie „kames nicht“– es war nicht soweit. Erst 1996 hatteich wieder solche Probleme, mit der Wirbelsäulebis hin zu Schultergelenksentzündungen. Daswar so schlimm, dass ich meinem Leib ver-sprechen musste „ich tue wieder was für dich,regelmässig, aber bitte, bitte werde wieder gut!“

Ich habe das versprochen, bin dann zum Ein-renken und was da so alles gemacht wird, auchSpritzen gegen die Entzündungen habe icherhalten.

Drei Tage später lese ich in der Zeitung, dassin Kitzingen eine Aikidogruppe aufgemachtwurde. „Wenn das kein Zeichen ist“!

Da bin ich hin, wir haben uns auch vonAnfang an gleich gut verstanden und seitdem binich regelmässig dabei, ich werde mich hütennoch einmal abzuspringen. Mein Körper ist damittlerweile knallhart mit mir, das muss er auchsein, er darf es auch sein. Seit ich regelmässigtrainiere, habe ich keine körperliche Problemmehr.

In der Zeit, als ich kein Aikido betrieb, merkteich, wieviel mir fehlte, zum Beispiel hat es mir,von seiner Idee her, „Rückgrad“ gegeben.

Dieses Präsentsein, alles in eine Richtungbringen, nicht so zerfleddert leben, sondern dieGrundprinzipien, all dies ist bei mir weiterge-wachsen. Diesen Übungsweg, den wir als Mön-che gehen, hält mir auch Aikido wach.

Jeder, der auf dem Weg ist, hat das gleicheZiel. Wenn ich regelmässig meine Aikidoformeneinübe, dann beherrsche ich irgendwann dieseFormen, und wenn ich regelmässig meineÜbungen in der Kirche mache, das Singen, das„aufeinandereinstimmen“ – 60 Männer zwischen25 und 90 versuchen sich Tag für Tag fünf Malauf eine einheitliche Tonhöhe zu einigen. ImAikido muss ich das auch, wenn ich nur Ältereoder nur Anfänger habe, dann kann ich kein»Koshi nage« machen, den ich durchaus machenkann, wenn ich Fortgeschrittene da habe, dieden fallen können. Wenn ich nur alte Mitbrüderhier habe, dann kann ich auf bestimmte gre-gorianische Gesänge verzichten, denn das hörtsich dann grausam an. So habe ich dann fürmich die Verbindungen gezogen.

Seitdem ich das hier regelmässig anbiete,hat mich besonders gefreut, das so viele jungeSchüler darauf angesprungen sind. Ich habe esauch in den Jugendkursen, die wir mehrfach imJahr hier haben, angeboten und da sind si-cherlich schon 30–40 Jugendliche von hier ausins Aikidotraining ausserhalb der Abtei gegan-gen. Ich durfte erleben, wie Freude ansteckt.«

»Wie sprichst Du die Jugendlichen hier in derangegliederten Schule an?«

»Ich biete meistens ein geistliches Thema an,auf dem Hintergrund einer Aikidobewegung z. B.

Horst SchwickerathBeaumont

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dabei die Rolle aus dem Stand zu üben. Tai-Sabki geht schon ein wenig, das Ausweichen, dieersten Ikkyo-Bewegungen sitzen. Auch das„reingehen“ kommt schon, statt sich mitschützenden Händen zurückzuziehen.

Sie verstehen, dass es eine ganz andereHandlungsweise ist, eben nicht zurückweichen.Das lasse ich sie schonmal nee ganze Stundeüben.

Tja, und wenn ich sie dann das nächste malim Religionsunterricht habe, dann gehen sie mirgenauso entgegen. Es ist schön, wie schnell sielernen.

Auch ich habe sehr viel gelernt. Auf Fragenmeiner Gegenüber kann ich heute schnellerreagieren, eben IRIMI. Dazu war ich früher nichtfähig. Da hat es 24 Stunden gedauert, bis mireine Frage eingefallen ist. Ich war ohne Aikidonicht in Bewegung.«

»Wie ist das mit Deinen Mitbrüdern, kommensie auch zum Kurs«

»Es ist immer mal wieder ein Mönch dabei.Es ist einfach von der Auslastung her für unsschwierig, zum einen sind hier sehr viele ältereMönche und das Arbeitspensum lässt wenigSpielraum und dann wird ein freier Abend gernezur Ruhe genützt. Ein Mitbruder von mir, ausDamme, bei Osnabrück, wir haben dort nocheine kleine Niederlassung, hat ein Dojo.

Er macht seit 1987 Aikido, aber ohne Un-terbrechung. Er hat zur Zeit den ersten Kyu oder1. Dan und ist beim Aikikai-Deutschland. Aikidoist also bei uns durchaus bekannt. In Würzburghaben wir das Haus St. Benedikt für Zen-Meditation. Der Pater Jäger ist für manche

Erklärung des Wappensder BenediktinerabteiMünsterschwarzach

Schild gespalten von einer auf-steigenden, eingerundetenblauen Spitze, die mit zwei gekreuzten goldenen (oder sil-bernen) Abtsstäben belegt ist;im (heraldisch) rechten (vorde-ren) Seitenfeld auf Blau ein her-sehender, goldener Löwenkopfmit einem goldenen Sparrenim Maul; das linke Seitenfeld(vielfach) siebenmal geteiltvon Blau und Silber (mit Blauoben anfangend), von einemAdler mit goldener Krone inverwechselten Farben belegt.Der Blick des Adlers ist nachinnen gewandt.

Das untere Feld mit den zweigekreuzten Abtsstäben (daskleine Abteiwappen) weist aufdie beiden Klöster hin, ausdenen Münsterschwarzachhervorgegangen ist: auf dasum 788 in Münsterschwarzachan der Stelle des heutigenKlosters errichtete Benedikti-nerinnenkloster und auf das816 in Megingaudshausen /Oberlaimbach (Mfr.) gegrün-dete Benediktinerkloster, des-sen Mönche nach 877 in dasaufgelassene Frauenklosterübersiedelten. Der Löwe erin-nert an das fränkische Adelsge-schlecht der Mattonen, welchedas Frauenkloster in Münster-schwarzach und unter GrafMegingaud das Männerklosterin Megingaudshausen gründe-ten. Der Adler lenkt den Blickauf den Würzburger BischofAdalbero von Lambach-Wels /Oberösterreich (1045–1090),der zusammen mit Abt Egbertaus Gorze in Lothringen(1047–1077) Münsterschwarz-ach zur hohen Blüte führte.

das Fallen zu lernen. Das fängt dann z. B. damitan: „wo bin ich denn in diesem Jahr auf dieSchnauze gefallen“. Was geschieht da mit mir?Die Angst, die Blamage etc. Dann kommt eineEinheit, von ganz unten das Fallen üben, dieVorwärtsrolle. Das lasse ich sie ausprobieren.Plötzlich meinen dann einige: „Ach ja, das hat jawirklich was mit meinem Leben zu tun“!«

»Selbst die Jugendlichen?«

»Ja, ja, ich bin auch mit den 10jährigen, dieim Internat lebten, was ja seit diesem Jahr nichtmehr besteht, über zwei Jahre lang viermal dieWoche morgens um 5:30 Uhr raus, zum Üben.Zwischen vier bis zehn waren immer dabei. Frei-willig, Internatsschüler! Wir haben eine Dreivier-telstunde trainiert, dann einen Kakao getrunken,miteinander getratscht und dann habe ich dieanderen geweckt. Und das zwei Jahre lang.

Da war sicherlich auch das Erlebnis dabei,mich auch einmal anders anpacken zu dürfen.nicht als Präfekt oder Lehrer. Und dass sie michauch mal schmeissen konnten – ich machs dannnatürlich auch gerne dramatisch, mit vieljauuhhh und peng.

Dadurch bekommen sie gut mit, wie man mitGewalt umgehen kann, mit Kraft. Kraft kommtund ich muss nicht auch gewalttätig werden.Trotzdem kann ich effektiv sein.

Es ist natürlich eine ideale Welt, die hierherrscht, das ist klar – ein Glashaus. Aber sielernen, sich selber kennen, zu sich zu stehen,sich zu bewegen, ein besseres Körpergefühl. Daskommt sehr gut rüber.

Dieses Jahr, das Schuljahr hat ja gerade erstangefangen, sind wir „im Schnupperkurs“ schon

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