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armee.ch Logistikbrigade 1 2 / 15 7 Interview Unispital Einsatz des Spitalbataillons 75 im Universitätsspital Basel «Ich habe keine einzige negative Reaktion erlebt» Soldat Stephan Zographos war im WK im Universitätsspital Basel im Einsatz. Seine Erfahrungen, unter anderem auch mit einem sterbenden Menschen, brachten ihn an seine Grenzen, «aber stets in einem geschützten Rahmen», wie er selbst sagt. Fachoffizier Marc Haring, Presse- und Informationsoffizier Spitalbataillon 75 und Soldat Remo Schraner, PIO-Soldat Spitalkompanie 75/1 Im Rahmen der Übung CONEX15 wurden im September 2015 acht Bataillone aufgeboten, um für einen allfälligen Katastrophenfall die Zusammenarbeit mit diversen zivilen Institutionen zu trainie- ren. So auch das Spitalbataillon 75, welches in den verschiedensten Abteilungen des Universitätsspitals Basel (USB) eingesetzt wurde. Soldat Stephan Zographos unterstützte beispielsweise die chirurgische Intermediate Care Station (IMC), eine Überwachungsabteilung für Patienten, die eine intensive Betreuung benötigen. Zum Abschluss der Dienstleistung luden wir Soldat Stephan Zographos, Vitomir Jankovic, den Abteilungsleiter der IMC, sowie Oberstleutnant im Generalstab Kai Tisljar, Bataillonskommandant des Spitalbataillons 75 und selber Oberarzt am USB, zu einem Ge- spräch ein. Als wissenschaftlicher Berater für analytische Labors haben Sie, Soldat Zographos, im Zivilen nichts mit der Pflege zu tun. Wie wurden Sie im Spital eingesetzt? Zographos: Zu meinen Aufgaben gehörten unter anderem das Um- lagern von Patienten, das Erledigen von administrativen Angelegen- heiten oder das Auffüllen von Verbrauchsmaterial. Vor allem war ich aber stets bereit, wenn helfende Hände gebraucht wurden. Der Einsatz im USB ist nun beendet. Wie ist Ihr Fazit? Zographos: Ich würde so einen WK auf jeden Fall nochmals machen! Das Team auf der Überwachungsstation war super. Trotz der ernsten und intensiven Arbeit ging der Humor nie verloren. Die Tätigkeit auf der Station war interessant. Zwar wurde ich gefordert und ich kam – gerade im Umgang mit aufwendigen Patienten – an meine Grenzen, jedoch stets in einem geschützten Rahmen. Als es zum Beispiel auf der Station zu einem Todesfall kam, war das für mich sehr hart, aber ich bekam dann die Zeit, die ich brauchte, um mit der Situation fertig zu werden. Jankovic: Mit der Einteilung von Soldat Zographos in meine Abteilung hat die Armee ins Schwarze getroffen. Er war eine Bereicherung für unser Team. Auf der Überwachungsstation gibt es neben vielen freudigen Ereignissen auch schwierige Situationen zu bewältigen. Der Tod gehört in einem Spital halt auch dazu. Soldat Zographos hat sich dabei hervorragend verhalten und ich hatte den Eindruck, dass er mit dem Ganzen auch gut umgehen konnte. Tisljar: Damit so ein Einsatz gelingt, müssen sowohl die zivile wie auch die militärische Seite Hand in Hand arbeiten. Grossmehrheitlich hat die Zusammenarbeit wirklich einwandfrei funktioniert. Wir konnten vom Spital viel profitieren und umgekehrt. Trotzdem will ich nicht verschweigen, dass es vereinzelt Soldaten gab, die mit den geforderten Aufgaben nicht umgehen konnten oder wollten. Oder dass sich gewisse Spitalabteilungen schwer taten, unsere AdA in den Alltag am Patientenbett einzubinden. Wichtig für mich ist aber, dass in diesen Fällen Lösungen gesucht und auch gefunden wurden. Mein Fazit: Die angestrebte zivil-militärische Zusammenarbeit funktio- nierte, der Einsatz war ein Erfolg. Zographos: Ob die Erfüllung eines Auſtrags gelingt, hängt bestimmt auch von der Motivation der Soldaten ab. Hie und da habe ich sogar vergessen, dass ich mich in einem militärischen Einsatz befinde. Denn die Zeit ging schnell vorbei, und man schaute nicht die ganze Zeit auf die Uhr. Es ist fast ein bisschen schade, dass dieser Einsatz befristet war. Werden zukünftige WK ähnlich organisiert sein? Tisljar: In den WK geht es darum, sämtliche Aufgabenbereiche der Spit Bat zu trainieren. Dabei stellt die Unterstützung von Zivilspitälern einen sicher wichtigen Teil dar. Wir müssen aber auch im Stande sein, improvisierte Bettenstationen aufzubauen und zu betreiben, oder in einer GOPS sowie einem Militärspital Patienten zu versorgen. Zudem braucht es für einen solchen Einsatz zivile Einrichtungen, welche mit uns kooperieren wollen und bereit sind, die intensive und lange Vorbereitungszeit mitzugestalten. Ich bin mir aber sicher, dass es auch in Zukunſt wieder Einsätze mit realen Patienten geben wird. Herr Jankovic, wie waren die Reaktionen Ihres Teams, als es erfuhr, dass ein Soldat ihren Arbeitsalltag unterstützen wird? Jankovic: Ich habe keine einzige negative Reaktion erlebt, auch nicht von anderen Abteilungen. Klar gab es auch ab und an einen neckischen Spruch, doch unsere Station freute sich sehr auf die Unterstützung. Soldat Zographos, fühlen sie sich durch den Einsatz am USB für einen Ernstfall besser vorbereitet? Zographos: Auf jeden Fall. Ich hatte Einblick in die Spitalstruktur und habe nun gewisse Routinen, wie zum Beispiel die Händedesinfektion, verinnerlicht. Auch das Spitalpraktikum in der Rekrutenschule und Einsatz im Universitätsspital Basel Die Angehörigen des Spit Bat 75 wurden während 13 Tagen im Universi- tätsspital Basel als personelle Unterstützung auf verschiedenen Statio- nen eingesetzt. Durch die Angabe des Berufes und die Testresultate der Pflege-Refresher-Ausbildung CURAM wurde analysiert, welche Stationen des Spitals tatsächlich besetzt werden konnten. Pro Tag unterstützten rund 50 AdA in drei Schichten (Früh-, Spät- und Nachtschicht) ganz unter- schiedliche Bereiche des Spitals. Die meisten Stationen griffen auf AdA ohne Fachkenntnisse zurück, während andere bewusst nur Pflegefachper- sonen anfragten. Dies erforderte eine gute Planung vor dem Einsatz, um die einzelnen Soldaten einzuteilen, aber auch eine grosse Flexibilität wäh- rend des Einsatzes, um auf unvorhersehbare Änderungen und Verschie- bungen reagieren zu können. Fachoffizier Marc Haring, PIO Spit Bat 75

Interview Unispital Einsatz des Spitalbataillons 75 im ......die einzelnen Soldaten einzuteilen, aber auch eine grosse Flexibilität wäh - rend des Einsatzes, um auf unvorhersehbare

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Interview Unispital

Einsatz des Spitalbataillons 75 im Universitätsspital Basel

«Ich habe keine einzige negative Reaktion erlebt» Soldat Stephan Zographos war im WK im Universitätsspital Basel im Einsatz. Seine Erfahrungen, unter anderem auch mit einem sterbenden Menschen, brachten ihn an seine Grenzen, «aber stets in einem geschützten Rahmen», wie er selbst sagt.

Fachoffizier Marc Haring, Presse- und Informationsoffizier Spitalbataillon 75 und Soldat Remo Schraner, PIO-Soldat Spitalkompanie 75/1

Im Rahmen der Übung CONEX15 wurden im September 2015 acht Bataillone aufgeboten, um für einen allfälligen Katastrophenfall die Zusammenarbeit mit diversen zivilen Institutionen zu trainie-ren. So auch das Spitalbataillon 75, welches in den verschiedensten Abteilungen des Universitätsspitals Basel (USB) eingesetzt wurde. Soldat Stephan Zographos unterstützte beispielsweise die chirurgische Intermediate Care Station (IMC), eine Überwachungsabteilung für Patienten, die eine intensive Betreuung benötigen. Zum Abschluss der Dienstleistung luden wir Soldat Stephan Zographos, Vitomir Jankovic, den Abteilungsleiter der IMC, sowie Oberstleutnant im Generalstab Kai Tisljar, Bataillonskommandant des Spitalbataillons 75 und selber Oberarzt am USB, zu einem Ge-spräch ein.

Als wissenschaftlicher Berater für analytische Labors haben Sie, Soldat Zographos, im Zivilen nichts mit der Pflege zu tun. Wie wurden Sie im Spital eingesetzt?Zographos: Zu meinen Aufgaben gehörten unter anderem das Um-lagern von Patienten, das Erledigen von administrativen Angelegen-heiten oder das Auffüllen von Verbrauchsmaterial. Vor allem war ich aber stets bereit, wenn helfende Hände gebraucht wurden.

Der Einsatz im USB ist nun beendet. Wie ist Ihr Fazit?Zographos: Ich würde so einen WK auf jeden Fall nochmals machen! Das Team auf der Überwachungsstation war super. Trotz der ernsten und intensiven Arbeit ging der Humor nie verloren. Die Tätigkeit auf der Station war interessant. Zwar wurde ich gefordert und ich kam – gerade im Umgang mit aufwendigen Patienten – an meine Grenzen, jedoch stets in einem geschützten Rahmen. Als es zum Beispiel auf der Station zu einem Todesfall kam, war das für mich sehr hart, aber ich bekam dann die Zeit, die ich brauchte, um mit der Situation fertig zu werden.

Jankovic: Mit der Einteilung von Soldat Zographos in meine Abteilung hat die Armee ins Schwarze getroffen. Er war eine Bereicherung für unser Team. Auf der Überwachungsstation gibt es neben vielen freudigen Ereignissen auch schwierige Situationen zu bewältigen. Der Tod gehört in einem Spital halt auch dazu. Soldat Zographos hat sich dabei hervorragend verhalten und ich hatte den Eindruck, dass er mit dem Ganzen auch gut umgehen konnte.

Tisljar: Damit so ein Einsatz gelingt, müssen sowohl die zivile wie auch die militärische Seite Hand in Hand arbeiten. Grossmehrheitlich hat die Zusammenarbeit wirklich einwandfrei funktioniert. Wir konnten vom Spital viel profitieren und umgekehrt. Trotzdem will ich nicht verschweigen, dass es vereinzelt Soldaten gab, die mit den geforderten Aufgaben nicht umgehen konnten oder wollten. Oder dass sich gewisse Spitalabteilungen schwer taten, unsere AdA in den Alltag am Patientenbett einzubinden. Wichtig für mich ist aber, dass in diesen Fällen Lösungen gesucht und auch gefunden wurden. Mein Fazit: Die angestrebte zivil-militärische Zusammenarbeit funktio-nierte, der Einsatz war ein Erfolg.

Zographos: Ob die Erfüllung eines Auftrags gelingt, hängt bestimmt auch von der Motivation der Soldaten ab. Hie und da habe ich sogar vergessen, dass ich mich in einem militärischen Einsatz befinde. Denn die Zeit ging schnell vorbei, und man schaute nicht die ganze Zeit auf die Uhr. Es ist fast ein bisschen schade, dass dieser Einsatz befristet war.

Werden zukünftige WK ähnlich organisiert sein?Tisljar: In den WK geht es darum, sämtliche Aufgabenbereiche der Spit Bat zu trainieren. Dabei stellt die Unterstützung von Zivilspitälern einen sicher wichtigen Teil dar. Wir müssen aber auch im Stande sein, improvisierte Bettenstationen aufzubauen und zu betreiben, oder in einer GOPS sowie einem Militärspital Patienten zu versorgen. Zudem braucht es für einen solchen Einsatz zivile Einrichtungen, welche mit uns kooperieren wollen und bereit sind, die intensive und lange Vorbereitungszeit mitzugestalten. Ich bin mir aber sicher, dass es auch in Zukunft wieder Einsätze mit realen Patienten geben wird.

Herr Jankovic, wie waren die Reaktionen Ihres Teams, als es erfuhr, dass ein Soldat ihren Arbeitsalltag unterstützen wird?Jankovic: Ich habe keine einzige negative Reaktion erlebt, auch nicht von anderen Abteilungen. Klar gab es auch ab und an einen neckischen Spruch, doch unsere Station freute sich sehr auf die Unterstützung.

Soldat Zographos, fühlen sie sich durch den Einsatz am USB für einen Ernstfall besser vorbereitet? Zographos: Auf jeden Fall. Ich hatte Einblick in die Spitalstruktur und habe nun gewisse Routinen, wie zum Beispiel die Händedesinfektion, verinnerlicht. Auch das Spitalpraktikum in der Rekrutenschule und

Einsatz im Universitätsspital Basel

Die Angehörigen des Spit Bat 75 wurden während 13 Tagen im Universi-tätsspital Basel als personelle Unterstützung auf verschiedenen Statio-nen eingesetzt. Durch die Angabe des Berufes und die Testresultate der Pflege-Refresher-Ausbildung CURAM wurde analysiert, welche Stationen des Spitals tatsächlich besetzt werden konnten. Pro Tag unterstützten rund 50 AdA in drei Schichten (Früh-, Spät- und Nachtschicht) ganz unter-schiedliche Bereiche des Spitals. Die meisten Stationen griffen auf AdA ohne Fachkenntnisse zurück, während andere bewusst nur Pflegefachper-sonen anfragten. Dies erforderte eine gute Planung vor dem Einsatz, um die einzelnen Soldaten einzuteilen, aber auch eine grosse Flexibilität wäh-rend des Einsatzes, um auf unvorhersehbare Änderungen und Verschie-bungen reagieren zu können.

Fachoffizier Marc Haring, PIO Spit Bat 75

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Interview Unispital

die Ausbildungen in meinen WK haben mich viel gelehrt. Mit dem praktischen Dienst im Spital ist meine allgemeine Hemmschwelle gesunken – mein Selbstvertrauen dagegen gestiegen.

Oberstlt i Gst Tisljar, wie sehen sie dies von der Bataillonsebene aus?Tisljar: Ob und in welcher Form wir in einem Ernstfall eingesetzt werden, ist situationsbedingt und wird jedes Mal eine speziell darauf abgestimmte Lösung erfordern. Aber es ist natürlich von Vorteil, wenn die Koordination von Spital und Armee bereits geübt wurde. Ich stimme Soldat Zographos zu: Dank realen Einsätzen zu Übungszwecken werden wir die Spitäler künftig effizienter und schneller unterstützen können. Wir müssen nicht jedes Mal bei Null anfangen, sondern können eine gewisse Kompetenz der Soldaten voraussetzen und müssten diese allenfalls nur etwas auffrischen.

Herr Jankovic, können Sie Oberstlt i Gst Tisljar zustimmen?Jankovic: Ja, ganz klar. Soldat Zographos Hintergrundwissen reichte, um die Arbeiten einer Mitarbeiterin zu übernehmen, welche für ein paar Wochen ausgefallen ist. Somit mussten wir für sie keinen Ersatz suchen, was uns natürlich sehr half.

Oberstlt i Gst Tisljar, eine der Kompanien bekam die Auswirkungen der gewalttätigen Demonstrationen gegen die Übung «Conex» direkt zu spüren, musste zeitweise von der zivilen Polizei beschützt und eine Gruppe von AdA sogar eskortiert werden. Wie gingen Sie damit um?Tisljar: Während des Dienstes bin ich für alle AdA des Spit Bat und deren Sicherheit verantwortlich. Gleichzeitig gilt es den Auftrag zu erfüllen. Aufgrund der etwaigen Gefährdung entschieden wir uns

in dieser Situation dazu, wo möglich durch alternative Routen den Demonstranten auszuweichen, die Transfers zwischen dem Kompa-niestandort und dem Spital zeitweise auszusetzen oder in einem Fall, wo dies nicht möglich war, die AdA von der Polizei begleiten zu lassen.

Die Armee steht unter anderem für den Schutz des Volkes. Wenn die Armee von der Polizei beschützt werden muss, wird jedoch ein falsches Bild erzeugt. Oder?Tisljar: Nein. Das Zivile hat in der Schweiz die Hoheit. Das heisst, wir als Armee ordnen uns dem Primat der Zivilgesellschaft unter. Einschliesslich unseres Schutzes in einer Situation, welche ein ver-hältnismässiges Handeln erforderte.Dies in diesem Fall zu zeigen war meines Erachtens auch wichtig für das Ansehen der Armee. Für die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung ist die Polizei zuständig. Erst wenn deren Mittel ausgeschöpft sind, könnte auf Antrag die Armee subsidiär zum Einsatz kommen. Die Polizei hat zweifelsohne die grössere Kompetenz im Umgang mit Demonstranten und kennt zudem die Verhältnisse vor Ort besser. Daher bin ich froh, dass wir in dieser Situation so einen guten Kontakt zur Polizei hatten und möchte mich auch an dieser Stelle nochmals für deren Einsatz zu unserem Schutz bedanken.

Herr Jankovic, was halten sie als Zivilist von den Demonstrationen?Jankovic: Ich frage mich, ob diese Leute wirklich wussten, was die Armee im und um das Universitätsspital wirklich geleistet hat. Hätten die Demonstranten selbst Angehörige, welche hier in einem Bett liegen würden, wären sie dann trotzdem auf die Strasse gegangen? n

Oberstleutnant im Generstalb Kai Tisljar, Kommandant des Spitalbataillons 75 (links), Vitomir Jankovic, Abteilungsleiter am Universitäts-spital Basel und Soldat Stephan Zographos sprechen nach dem Einsatz im Unispital über ihre Erfahrungen.

Truppenübung CONEX 15

5000 AdA trainieren Ernstfall

Vom 16. bis 25. September 2015 führte die Territorialregion 2 in der Nordwest-schweiz und am Jurasüdfuss die Truppenübung CONEX 15 durch. Rund 5000 Angehörige der Armee trainierten mögliche Einsätze zugunsten ziviler Behör-den wie die Bewachung und Überwachung wichtiger Infrastrukturen oder die Unterstützung im Bereich Genie und Rettung. Wichtig dabei war die Zusammen-arbeit mit den zivilen Partnern (unter anderen die Schweizerischen Rheinhäfen Basel, das Universitätsspital Basel, das Grenzwachtkorps und die SBB) sowie mit den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Solothurn sowie deren Polizeikorps. Im Rahmen der Übung fanden für die Bevölkerung eine Prä-sentation und Ausstellung (EXPO) von Fähigkeiten und Mitteln der beteiligten

Truppen in Muttenz und ein grosser Vorbeimarsch (DEFILEE) in Zofingen statt.Durch die Grössenordnung der Übung und die Zusammenarbeit mit den zivi-len Behörden ergab sich ein gesteigertes mediales Interesse. Militärkritisch gestimmte Gruppierungen nahmen die erhöhte Präsenz der Armee in Basel zum Anlass und führten gegen CONEX15 unter anderem zwei Demonstratio-nen durch, von denen eine den friedlichen Rahmen verliess. Vier Polizisten wur-den dabei verletzt und es kam zu zahlreichen Sachbeschädigungen. AdA und Armeematerial und kamen nicht zu Schaden.

Fachoffizier Marc Haring, PIO Spit Bat 75

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Hebamme

Spitalbataillon 75

Die Hebamme im Militär Obergefreite RKD (Rotkreuzdienst) Christine Fässler gewährt uns einen Einblick in ihre Arbeit auf der Geburtenstation. Und erklärt, wieso ihre Söhne in die Rekrutenschule sollen.

Soldat Remo Schraner, PIO-Soldat Spit Kp 75/1

Wir stehen vor einer blickdichten Türe und drücken auf die Klingel. So meldet man sich an, wenn man auf die Geburtenstation des Universitätsspitals Basel gelangen möchte. Kurz darauf geht die Schiebetüre auf und wir werden von einer freundlichen Dame in weiss begrüsst. Sie bittet uns, einen Moment auf Obergefreite Rotkreuzdienst (RKD) Christine Fässler zu warten.

Wir schauen uns um: Die Station ist ganz in weiss gehalten, in einer Ecke be-findet sich eine Sitzgelegenheit für Kinder mit einem Riesenteddy, ein Storch bewacht den Eingang der Station und auf den Fluren befinden sich Hebammen und Pflegeassis-tentinnen – und ein paar Verwandte, welche mit Freudentränen in den Augen das Zimmer mit dem Familiennachwuchs suchen.

«Es ist schon ein anderes Arbeiten hier»Obergefreite RKD Fässler begrüsst uns freundlich und bittet uns an einen Tisch in der Wartezone der Geburtenstation. Strahlend erzählt sie uns, dass Noah mit ihr aufs Foto kommen wird. Noahs Mutter ist am Morgen früh auf die Geburtenstation gekommen, gebar ihren Sohn um 11:12 Uhr und schon am Nachmittag wird sich die kleine Familie wieder nach Hause begeben. «Es ist schon ein anderes Arbeiten hier», erzählt uns die Obergefreite RKD, welche im Zivilen ebenfalls als Hebamme arbeitet. Normalerweise betreue sie die werdenden Eltern über mehrere Wochen in Form von Kursen, Schwangerschafts-Kontrollen und Gesprächen, in denen sie von möglichen Ängsten oder Eigenheiten des Paares und vor allem der Mutter erfährt. Dies fehle hier im Spital. «Trotz der wenigen Zeit, die wir hier als Hebammen haben, schaffen wir es trotz-dem, eine nahe und persönliche Betreuung für die werdenden Eltern zu gewährleisten. Das erstaunte mich am meisten.»

Auf die Frage, warum sie auch im Militär als Hebamme arbeiten wollte, antwortet sie: «Ich hätte ansonsten nie die Möglichkeit gehabt, in einem so grossen Betrieb hinter die Kulissen zu schauen. Zudem leiste ich Militärdienst, weil ich die Kameradschaft sehr schätze und ich her-

ausfinden wollte, ob die Zusammenarbeit mit den Männern funktioniert – und sie funktioniert!»

Die Mutter und die BeingümmeliVieles vom Militär nutze sie auch im zivilen Leben, wie zum Beispiel die strukturierte Organisation und dass man Verantwortung übernimmt. Sie erwähnt ebenfalls, dass sie möchte, dass ihre beiden Söhne (14 und 15 Jahre alt) Militärdienst leisten. «Sie müssen keine militärische Laufbahn einschlagen. Ich will aber, dass sie so mehr Selbstver-antwortung übernehmen. Denn in der Re-krutenschule hat man keine Mutter, welche dir deine Beingümmeli hinterher schleppt», witzelt Obergefreite RKD Fässler. In einem Nebensatz erwähnt sie, dass sie sich immer

ein Partner gewünscht hat, welcher Mili-tärdienst leistet. «Mein Mann ist Oberleut-nant», schmunzelt sie.

Die Obergefreite Hebamme verschwin-det kurz in einem Zimmer und kommt mit einem Hämpfelchen Leben auf dem Arm hinaus: Noah. Von der Geburt noch ein we-nig zerknautscht fühlt er sich sichtlich wohl auf den Armen der erfahrenen Hebamme Fässler. Beide posieren für das Foto und wir können es gar nicht richtig fassen: Noch am Morgen war das Baby im Bauch der Mutter und in wenigen Jahren wird auch Noah die Beingümmeli selbst suchen müssen. n

Obergefreite RKD Fässler präsentiert stolz den kleinen Noah.Bi

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Nachtschicht

Einsatz im Universitätsspital Basel

Wenn der Patient flüchtet und der Soldat zittert Spitalneuling Schraner meldet sich zum Dienst: Im Rahmen der Übung Conex15 waren zahlreiche Angehörige des Spital-bataillons 75 im Universitätsspital Basel im Einsatz. So auch Spitalsoldat Remo Schraner. Folgend sein ganz persönlicher Erfahrungsbericht von seiner ersten Nachtschicht.

Soldat Remo Schraner, Spit Kp 75/1

Es ist mir mulmig zumute, sehr mulmig. Gerade habe ich erfahren, dass ich in der Nachtschicht eingeteilt bin. Ich habe noch nie mit Patienten gearbeitet und schon gar nicht nachts. Mit ein paar wenigen Stunden Schlaf mache ich mich um 22 Uhr mit meinen Kameraden auf den Weg zum Universitäts-spital Basel.

In der GOPS angekommen, ziehen wir uns von grün in weiss um und werden dann nach und nach auf die Abteilungen begleitet. Ich komme auf die Medizin-Abteilung. «Easy», denke ich, «wird wohl nicht so anstrengend werden.» Denn auf der «Medizin» erwarte ich höchstens Patienten mit leichten Knochenbrü-

chen und ältere Leute mit Grippe. Spitalneu-ling Schraner meldet sich zum Dienst.

Spital-Slang und ungeahnte ÄngsteIm Personalzimmer der Station angekom-men, ist der Rapport für die Nachtschicht im vollen Gange. Ich setze mich auf einen Stuhl, höre gespannt zu und verstehe herzlich wenig. Abkürzungen bin ich mir vom Militär her gewohnt, aber aus diesem Spital-Slang werde ich nicht schlau. Nach dem Rapport zeigt mir die Pflegefachfrau die Abteilung und erklärt, dass es sich hier ausschliess-lich um Leukämie-Patienten handle, also Blutkrebs. Innerlich bin ich am flüchten. Ich war schon an einigen Beerdigungen von Familienmitgliedern und Freunden, welche

ich wegen dem Krebs verlor. Wie soll oder kann ich nun mit den Patienten hier um-gehen? Kann ich professionell bleiben und mein Mitgefühl «in Schach» halten oder werde ich emotional überfordert sein? Ich habe Angst und das gefällt mir nicht. Aber auch als erwachsener Mann und Soldat muss man seine Ängste akzeptieren, entschliesse ich mich. Und dies versuche ich nun zu tun.

«Ich sehe keine Patienten, sondern Menschen»Auf der Führung durch die Abteilung entde-cke ich zwei Isolations-Räume. Diese dürfen nur mit Schutzkleidung betreten werden. Zum einen, damit ich mich nicht mit den Keimen des Patienten anstecke und zum an-

Universitätsspital Basel

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deren, damit ich keine zusätzliche Schädlinge ins Zimmer bringe. Denn Leukämiepatien-ten haben vielfach kein Immunsystem mehr.

Zurück im Stationszimmer geht es sofort los. Die Patienten rufen uns, indem sie auf die Glocke drücken und wir die entsprechenden Zimmernummern auf dem Display ablesen können. Als der dritte Patient läutet, werde ich alleine «auf die Glocke gelassen», wie es so schön heisst. Ich betrete also das Patientenzimmer. Die Dame will ein Schlafmittel. In Absprache mit der Pflegefachfrau bringe ich der Pa-tientin das gewünschte Medikament mit zittrigen Händen meinerseits. Den nächsten Patienten begleitete ich zur Toilette. Mit der Zeit werde ich selbstbewusster und ich nutze

mein gelerntes Wissen und mobilisiere so-gar Patienten in ihre Rollstühle. Die Krank-heit Leukämie verschwindet nach und nach in meinem Kopf und in den Vordergrund treten die Patienten selbst, welche ich mit der Zeit schlicht als «normale» Menschen sehe, welche auf meine Hilfe angewiesen sind. Der jüngste Patient ist 20, also vier Jahre jünger als ich. Als würde die Pflegerin mein Unbehangen spüren, übernimmt sie den Patienten für den Rest der Nachtschicht. Da läutet auch schon die nächste Glocke.

Als ich die Tür öffne, sehe ich einen Mann mit mehreren Infusionen, welcher über die Bettkante kraxelt. Rechtzeitig mobilisiere ich ihn zurück ins Bett. Sein Zimmergenosse hat zum Glück die Glocke betätigt.

Bald FeiermorgenUm vier Uhr Morgens macht sich die Müdig-keit bemerkbar. Ein kleiner Snack und viel Wasser helfen mir, um bis 7 Uhr fit zu bleiben. Auf meinem letzten Rundgang, welcher alle zwei Stunden stattfinden muss, betrete ich ein Zimmer, da die Glocke aufleuchtete. Eine ältere Dame sitzt am Bettrand und fuchtelt wild mit ihren Armen und sie röchelt laut. Um ihre Panikattacke nicht zu fördern, probiere ich, ruhig zu bleiben, spreche mit ruhiger Stimme mit ihr und drücke gleich-zeitig den Alarm, damit ich Unterstützung der Pflegerin bekomme. Was für eine Nacht! Unterwegs zurück in die ZSA spüre ich, wie müde ich bin und freue mich sogar auf mei-nen Schlafsack im Bunker. n

Nachtschicht

Soldat Remo Schraner, in der Garderobe der GOPS, freut sich auf den Schlaf.

Gedimmtes Licht auf der Abteilung während der Nacht.

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