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Institut für Numerische Mathematik und Optimierung Inverse Probleme und Anwendungen II Numerik inverser Probleme Oliver Ernst Hörerkreis: 6. Mm, 8. Mm, 2. MWM Sommersemester 2011

Inverse Probleme und Anwendungen II - mathe.tu-freiberg.deernst/Lehre/Inverse/ipFolien-1.pdf · Gravimetrie DasRheingold [vgl.Groetsch,1999] Richard Wagners Rheingold, der „Vorabend“

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Institut für Numerische Mathematik und Optimierung

Inverse Probleme und Anwendungen IINumerik inverser Probleme

Oliver Ernst

Hörerkreis: 6. Mm, 8. Mm, 2. MWMSommersemester 2011

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Inhalt

1. Einleitung1.1 Begriffliches1.2 Beispiele

2. Bildrekonstruktion2.1 Digitale Bilddarstellung2.2 Lineares Modell für Bildstörungen2.3 Strukturierte Matrizen in der Bildverarbeitung2.4 Operationen auf strukturierten Matrizen2.5 Singulärwertzerlegung und Spektralanalyse2.6 Rekonstruktion durch spektrale Filterung

3. Iterative Regularisierung3.1 Stationäre Iterationen3.2 Projektionsverfahren

Der Lanczos-ProzessKrylov-Verfahren für lineare Ausgleichsprobleme

4. Anhang: Das Picard-Kriterium

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Inhalt

1. Einleitung1.1 Begriffliches1.2 Beispiele

2. Bildrekonstruktion2.1 Digitale Bilddarstellung2.2 Lineares Modell für Bildstörungen2.3 Strukturierte Matrizen in der Bildverarbeitung2.4 Operationen auf strukturierten Matrizen2.5 Singulärwertzerlegung und Spektralanalyse2.6 Rekonstruktion durch spektrale Filterung

3. Iterative Regularisierung3.1 Stationäre Iterationen3.2 Projektionsverfahren

Der Lanczos-ProzessKrylov-Verfahren für lineare Ausgleichsprobleme

4. Anhang: Das Picard-Kriterium

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Zum Begriff: „Inverse Probleme“

Der Begriff Problem wird in der Mathematik synonym mit dem Begriff Aufgabeoder Aufgabenstellung benutzt. Charakteristisch hierbei ist die Benennung einerReihe gegebener und gesuchter Größen, wobei letztere zu ersteren in einempräzise definierten Sinn passend zu bestimmen sind.

In vielen Anwendungen sind eine oder mehrere Größen typischerweise„gegeben“, d.h. bekannt oder leicht zu ermitteln, die übrigen Größen dannhieraus zu bestimmen.Diese Aufgabe wird als das direkte Problem bezeichnet.Als inverses Problem bezeichnet man dann die Aufgabenstellung, die sichergibt, wenn die Rolle gegebener und gesuchter Größen vertauscht wird.Sicher ist diese Einteilung manchmal willkürlich.Inverse Probleme sind oft schlecht gestellt.

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Zum Begriff: „Inverse Probleme“

Eine solche Assoziation wird in der Spracher der Mathematiker als Abbildungoder Funktion beschrieben.

f : X → Y

Aspekte:WohldefiniertheitSurjektivitätInjektivitätLösbarkeit

Bei bijektiven Abbildungen auf mengentheoretischer Ebene direktes und inversesProblem nicht unterscheidbar.

Fehlende Surjektivität: Einschränkung auf f(X) ( Y

Fehlende Injektivität: Zusatzinformation, Nebenbedingungen

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Zum Begriff:„Inverse Probleme“

Entscheidend für Begriff des inversen Problems: topologische Eigenschaften,d.h.

Topologien in X und YStetigkeit von f , f−1

Bei inversen Problemen ist f−1 „fast nicht injektiv“.

Weitere Begriffe bei inversen Problemen:InformationsverlustSensitivitätUrsache & WirkungVorwärtsproblem, InversionStabilität, InstabilitätUmkehrungInterpretation indirekter Messungen (nicht direkt beobachtbarePhänomene)

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Zum Begriff:„Inverse Probleme“

Höhlengleichnis (Platon. Der Staat, Buch 7, 4. JH v. Chr.)

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Inhalt

1. Einleitung1.1 Begriffliches1.2 Beispiele

2. Bildrekonstruktion2.1 Digitale Bilddarstellung2.2 Lineares Modell für Bildstörungen2.3 Strukturierte Matrizen in der Bildverarbeitung2.4 Operationen auf strukturierten Matrizen2.5 Singulärwertzerlegung und Spektralanalyse2.6 Rekonstruktion durch spektrale Filterung

3. Iterative Regularisierung3.1 Stationäre Iterationen3.2 Projektionsverfahren

Der Lanczos-ProzessKrylov-Verfahren für lineare Ausgleichsprobleme

4. Anhang: Das Picard-Kriterium

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Ballistik

Niccolò Fontana Tartaglia, (1499–1557), Nuova Scienza, Venedig 1537Oliver Ernst (TU Freiberg) Numerik inverser Probleme Sommersemester 2011 8

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Ballistik

v

ϑ

x

y

R

v Mündungsgeschwindigkeitv := ‖v‖

ϑ SchusswinkelR Reichweite

Bahnkurve:[x(t)y(t)

]= v t−

[0g

]t2

2

Reichweite:

R(ϑ) = v2 sin(2ϑ)g

Inverses Problem: ϑ = ϑ(R)

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GravimetrieDas Rheingold

[vgl. Groetsch, 1999]

Richard Wagners Rheingold, der „Vorabend“ zuseinem dreitägigen Bühnenfestspiel Der Ring desNiebelungen, beginnt damit, dass die drei Rhein-töchter (Floßhilde, Wellgunde und Woglinde) einenauf dem Grund des Rheins versteckten Goldschatz,das Rheingold, bewachen.

Wie ließe sich trockenen Fußes Lage und Mengedes Rheingoldes bestimmen?

Gravimetrie: Ausnutzen der Tatsache, dass Goldeine hohe Dichte besitzt.

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GravimetrieDas Rheingold (Modell)

Rheingold sei als Punktmasse betrachtet.Umgebung besitze homogene Dichte, d.h. Rheingold stellt Anomalie dar.Newtonsches Gravitationsgesetz: zwei Punktmassen m1 und m2 mitAbstand r ziehen sich an mit der Kraft

F = γm1m2

r2 .

Dabei ist γ die Gravitationskonstante.Beobachter befinde sich an der Wasseroberfläche im Abstand x zum linkenRheinufer. Hier kann die verktikale Komponente µ der Gravitationskraftdes Rheingoldes auf eine Einheitsmasse gemessen werden.Rheingold befinde sich im Abstand s zum linken Ufer auf dem Grund, dieTiefe sei auf Eins normiert.

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GravimetrieDas Rheingold (Modell)

µ

ϑ

s

x

1

µ = γm

r2 cosϑ, r =√

1 + (s− x)2, cosϑ = 1r

Wir erhalten:µ = γm

[1 + (s− x)2]3/2. (1)

Inverses Problem: bestimme m und s aus n Messungen (xj , µj)nj=1.

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GravimetrieDas Rheingold: kontinuierliche Dichte

Anstelle eines Massenpunktes sei nun die Masse des Goldes verteilt gemäß einer(unbekannten) Dichtefunktion

ρ = ρ(s), s ∈ [0, b].

Die gemessene Kraftµ = µ(x), x ∈ [0, b],

hängt nun von Dichteverteilung ρ ab.

Masse in kleinem Intervall [s, s+ ∆s]: ≈ ρ(s)∆s.

Aufsummieren und Grenzübergang ∆s→ 0 führt auf Integralgleichung

µ(x) = γ

∫ b

0

ρ(s)[1 + (s− x)2]3/2

ds .

Inverses Problem: Rekonstruiere die Dichtefunktion ρ aus Messungen desvertikalen Schwerkraftverlaufs µ(x) für hinreichend viele x-Werte.

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GravimetrieVerwandtes

Die Gravimetrie ist ein Beispiel für Fernerkundung (remote sensing), einUrsprung vieler inverser Probleme.

In den Geowissenschaften werden zur Erkundung des Untergrundes auch anderephysikalische Phänomene ausgenutzt:

Geoelektrik: Gleich- und Wechselstromfelder, allgemeine zeitabhängigeelektromagnetische Felder, hochfrequente zeitharmonische Felder.Magnetotellurik: Das natürliche Magnetfeld der ErdeSeismik: natürliche und künstliche elastische Wellen.

Eng verwandt mit Fernerkundung sind Techniken der zerstörungsfreienMaterialprüfung (nondestructive testing).

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Röntgen-TomographiePrinzip

Medizinische Diagnosehilfe zur Erzeugung von Schnittbildern durchbiologisches Gewebe, z.B. vom menschlichen Körper.Beruht darauf, dass unterschiedliche Gewebetypen (Knochen, Organe,Muskeln, Tumorgewebe) Röntgenstrahen unterschiedlich starkabschwächen.Pro Schnittbild werden viele Röntgenstrahlen bekannter Intensität längsder Schnittebene auf das Gewebe gerichtet. Die Strahlen durchdringen dasGewebe geradlinig und werden, je nach Gewebetyp, unterschiedlich starkabgeschwächt. Nach Austreten aus dem Gewebe wird die Restintensitätjedes Strahls durch Detektoren gemessen.Aus diesen Messungen wird die Dichteverteilung des Gewebes rekonstruiert.

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Röntgen-TomographiePrinzip

Detektorenschirm

Gewebe

Röntgenquelle

Schematische Darstellung Röntgen-TomographieOliver Ernst (TU Freiberg) Numerik inverser Probleme Sommersemester 2011 16

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Röntgen-TomographieIntensitätsabschwächung längs eines Strahls

Das zu rekonstruierende Objekt in der Schnittebene befinde sich imbeschränkten Gebiet Ω ⊂ R2, die Dichtefunktion ist somit gegeben durch

ρ : Ω→ R+0 , x 7→ ρ(x ).

Ferner sei I(x ) die Intensität in einem Punkt x auf einem festen Strahl R.Abschwächung von x nach x + ∆x ∈ R gegeben durch

I(x + ∆x )− I(x ) = −ρ(x )‖∆x‖I(x ). (2)

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Röntgen-TomographieParametrisierung eines Strahls

R = R(s, ϑ) Strahls Abstand vom Ursprungϑ Winkel mit x-Achse

x

y

ϑ

R = R(s, ϑ)

s

Mit den Einheitsvektoren

uϑ =[cosϑsinϑ

], u⊥ϑ =

[− sinϑcosϑ

]erhalten wir

R(s, ϑ) = x (t) : t ∈ R mit x (t) = suϑ + tu⊥ϑ .

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Röntgen-TomographieAbschwächung

Wegenx = x (τ), x + ∆x = x (τ + ∆τ), ‖∆x‖ = ∆τ

folgt aus (2)

−ρ(x (τ))I(x (τ)) = I(x (τ + ∆τ))− I(x (τ))∆τ

und, für ∆τ → 0,−ρ(x (τ))I(x (τ)) = d

dtI(x (t))|t=τ

bzw.ρ(x (τ)) = − d

dtlog I(x (t))|t=τ .

Integration nach τ von der Röntgenquelle bis zum Detektor ergibt∫ τ1

τ0

ρ(x (τ)) dτ = − log I1 + log I0 = log I0I1.

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Röntgen-TomographieRadon-Transformation

Durch Messung von I1 bei vorgegebenem I0 erhält man also das Linienintegralder Dichtefunktion längs des Strahls R, den wir uns als in beiden Richtungenunendlich fortgesetzt denken können.1Wir definieren die Radon-Transformation T , die einer Funktion ρ ihreLinienintegrale zuordnet:

Tρ(s, ϑ) :=∫Rρ(suϑ + tu⊥ϑ

)dt.

Mit der Bezeichnung g(s, ϑ) := log(I0(s, ϑ)/I1(s, ϑ)) lautet das inverseProblem der Röntgen-Tomographie, eine Lösungsfunktion ρ derIntegralgleichung

Tρ = g

zu finden.

1Außerhalb des Objektes findet keine Abschwächung mehr statt, wir können dortdie Dichtefunktion durch Null fortsetzen.

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Impedanz-TomographiePrinzip

Indirekte Messung der elektrischenLeitfähigkeit von Gewebe.Am Rand des Objekts werdenElektroden angebracht.Reihum wird jeweils an einerElektrode ein Strom angelegt, anden übrigen die dort sicheinstellende Spannung gemessen.

σ(x )

Ω

Elektroden

Messanordnung bei derImpedanz-Tomographie

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Impedanz-TomographieModell

Bezeichnungen:

Ω : Ausdehnung des Objekts Γ : Rand von Ωx : Raumvariable σ(x ) : (ortsabhängige) Leitfähigkeit

u(x ) : (ortsabhängige) Spannung j(x ) : (ortsabhängige) Stromstärke

Es gilt:

∇ · (σ∇u) = 0 in Ω, (3a)

σ∂u

∂n= j längs Γ. (3b)

Direktes Problem: Lösung der RWA (3) unter Kenntnis von σ und j.

Inverses Problem: Schließen aus gemessenen Strom-Spannungskombinationenauf die Leitfähigkeitsverteilung.

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Impedanz-TomographieOperatorgleichung (Neumann-Dirichlet-Abbildung)

Die Messungen erlauben eine Approximation der sog.Neumann-Dirichlet-Abbildung

Λ = Λσ : j|Γ 7→ u|Γ.

Definieren wir den OperatorΦ : σ 7→ Λσ,

der einer Leitfähigkeitsverteilung ihre Neumann-Dirichlet-Abbildung zuordnet,sowie die experimentell ermittelte Approximation Λ, so besteht die inverseAufgabe formal in der Lösung der nichtlinearen Gleichung

Φ(σ) = Λ.

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Zeitumkehr bei Wärmetransport

Wärmeausbreitung in einem dünnen Stab der Länge π, dessen Temperaturendenkonstant bei Temperatur u = 0 gehalten werden, mit Anfangsverteilung u0(x)zum Zeitpunkt t = 0 bis zu einem Endzeitpunkt T wird beschrieben durchfolgende Anfangs-Randwertaufgabe:

ut − uxx = 0, (x, t) ∈ (0, π)× (0, T ), (4a)u(0, t) = u(π, t) = 0, t ∈ [0, T ], (4b)

u(x, 0) = u0(x), x ∈ (0, π). (4c)

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Zeitumkehr bei Wärmetransport

Durch den üblichen Separationsansatz konstruiert man die Lösung

u(x, t) =∞∑n=1

ane−n2tφn(x)

mitan =

∫ π

0u0(x)φn(x) dx, φn(x) =

√2/π sin(nx).

Beim inversen Problem wird die Temperaturverteilung zum Zeitpunkt Tvorgegeben und nach der Temperaturverteilung am Anfangszeitpunkt t = 0gefragt.

Worin besteht der wesentliche Unterschied zwischen direktem und inversemProblem?

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Zeitumkehr bei WärmetransportBemerkungen

Der Übergang von u0(x) nach u(x, T ) lässt sich auch als Integraloperator

u(x, T ) =∫ π

0k(x, y)u0(y) dy

ausdrücken mit der Kernfunktion

k(x, y) = 2π

∞∑n=1

e−n2T sin(nx) sin(ny).

Weitere inverse Wärmeleitprobleme:Schluss aus dem Wärmefluss durch die Außenfläche eines Körpers auf dieWärmeverteilung im InnernBestimmung des (ortsabhängigen) Wärmeleitkoeffizienten eines Körpersanhand von Temperaturmessungen an dessen Oberfläche.

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