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gen bzw. Unfällen in der Strahlentherapie nach der Strah- lenschutzverordnung in Deutschland zu verzeichnen ist (Beweisantrag Nr. 3), dass es seit 2002 keinen besonders schwerwiegenden meldepflichtigen Vorfall in der Strahlen- therapie nach der Strahlenschutzverordnung in Deutsch- land gab, der eine Neu- bzw. Umbewertung von Risiken erforderlich machen würde (Beweisantrag Nr. 4), und dass kein meldepflichtiger Vorfall seit 2002 in der Strahlen- therapie in Deutschland durch eine MFA oder durch eine andere Person nach § 82 Abs. 2 Nr. 4 StrlSchV verursacht wurde (Beweisantrag Nr. 5), waren abzulehnen. Auch diese Tatsachen sind nicht entscheidungserheblich. Ihr Nachweis bringt keinen Erkenntnisgewinn bezüglich der hier maß- geblichen Fragen der notwendigen Anzahl des technisch mitwirkenden Personals und der Anforderungen, die an die ständige Aufsicht und Verantwortung i. S. des § 82 Abs. 2 Nr. 4 StrlSchV zu stellen sind. Sollten die behaupteten Tat- sachen zutreffen, so spricht dies im Übrigen dafür, dass das Schutzkonzept der Strahlenschutzverordnung, das die Mit- wirkung von Personen, die nicht selbst über die erforderli- che Fachkunde verfügen, nur unter der ständigen Aufsicht und Verantwortung des fachkundigen Arztes zulässt, er- folgreich ist. d) Der Beweisantrag, welcher die Installierung eines Trainee-Programms in der Praxis der Kl. zum Gegenstand hat (Beweisantrag Nr. 6), betrifft ebenfalls eine rechtlich nicht erhebliche Tatsache. Durch das Trainee-Programm wird keine rechtlich relevante Zusatzqualifikation erwor- ben, welche eine ständige Aufsicht und Verantwortung i. S. des § 82 Abs. 2 Nr. 4 StrlSchV entbehrlich machen könn- te. Nach dem Konzept der Strahlenschutzverordnung ist es nicht möglich, die ständige Aufsicht und Verantwortung ei- ner Person nach § 82 Abs. 1 Nr. 1 StrlSchV durch eine pra- xisinterne Schulung zu ersetzen. Das Trainee-Programm führt nicht zum Erwerb einer Qualifikation nach § 82 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 StrlSchV, die ein Tätigwerden ohne ständige Aufsicht und Verantwortung erlauben würde. e) Soweit die Kl. beantragt, zum Beweis der Tatsache, dass durch den Einsatz von MFAs in der Strahlentherapie nach der Röntgenverordnung sowie in der Nuklearmedi- zin – in denen der Einsatz von MFAs die Regel sei und ein Verhältnis von einer MTRA auf zehn MFAs bestehe – kein Anstieg von meldepflichtigen Vorgängen zu verzeich- nen war, ein Sachverständigengutachten und eine amtliche Auskunft des Bundesamtes für Strahlenschutz einzuholen (Beweisantrag Nr. 7), sind diese Umstände ebenfalls nicht entscheidungserheblich. Bei der Röntgenverordnung han- delt es sich um ein anderes, vorliegend nicht einschlägiges Regelwerk. Im Übrigen gelten die Ausführungen zu den Beweisanträgen Nrn. 3 bis 5 entsprechend. f ) Der Beweisantrag betreffend die Bedrohung der Exis- tenz von niedergelassenen Ärzten in der Strahlentherapie durch die von der Richtlinie Strahlenschutz in der Medi- zin 2011 vorgesehene Einschränkung der technischen Mit- wirkung von MFAs (Beweisantrag Nr. 8) betrifft ebenfalls keine entscheidungserhebliche Tatsache. Der Beweisantrag geht von der Richtlinie aus, die, wie oben ausgeführt, keine normative Wirkung hat und hinter den hier einschlägigen Regelungen der Strahlenschutzverordnung zurücktreten muss. Im Übrigen ist auch die Eignung des Beweismittels fraglich. Es ist nicht ersichtlich, dass Herr Prof. Dr. B. zum Beweisthema Wahrnehmungen gemacht hat, über die er als Zeuge berichten könnte. Allein, dass er in einem Vor- trag das Verschwinden von niedergelassenen Praxen in der Zukunft mittels einer Power-Point-Präsentation dargestellt hat, qualifiziert ihn nicht bereits für den Nachweis der im Beweisantrag genannten Tatsachen. g) Der Beweisantrag, der die Inhalte der Ausbildung zur/zum medizinischen Fachangestellten (MFA) betrifft (Beweisantrag Nr. 9), hat ebenfalls keine entscheidungser- heblichen Tatsachen zum Gegenstand. Nach dem Schutz- konzept der Strahlenschutzverordnung kommt es auf den erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung der jeweils genannten Art, d. h. die formale Qualifikation, und bei Personen nach § 82 Abs. 2 Nr. 4 StrlSchV außerdem auf die ständige Aufsicht und Verantwortung des fachkundigen Arztes an, nicht jedoch auf die einzelnen Ausbildungs- inhalte. h) Der auf den Ablauf der Bestrahlung an dem Gerät Tomotherapie Hi-Art bezogene Beweisantrag (Nr. 10), betrifft keine entscheidungserheblichen Tatsachen. Auch wenn die Bestrahlung wie in dem Beweisantrag dargestellt abläuft, wovon – wie bereits oben dargestellt – der Senat ohnehin bereits aufgrund der ausführlichen Schilderungen der Kl. überzeugt ist, ändert dies nichts an dem Erfordernis des Vorhandenseins des i. S. des § 14 Abs. 1 Nr. 6 StrlSchV notwendigen und nach § 82 Abs. 2 StrlSchV qualifizierten und ggf. beaufsichtigten Personals. Die Strahlenschutzver- ordnung differenziert in § 82 Abs. 2 Nr. 4 nicht nach der jeweiligen Gerätekonfiguration. i) Mit dem Beweisantrag, welcher die Frage des sicheren Betriebs durch eine Person betrifft (Beweisantrag Nr. 11), wird keine konkrete Tatsache unter Beweis gestellt. Die Frage des sicheren Betriebs ist eine Rechtsfrage. Unabhän- gig davon hat der Senat den Sachverständigen K. zu den in diesem Zusammenhang relevanten tatsächlichen Fragen gehört und hält die Einholung eines weiteren Sachverstän- digengutachtens nicht für erforderlich. Im Übrigen hat auch die Kl. im Verlauf der mündlichen Verhandlung nicht mehr nachdrücklich daran festgehalten, dass die Bedienung durch nur eine Person erfolgen solle. j) Der Beweisantrag Nr. 13 befasst sich wiederum mit den technischen Abläufen des Geräts. Insoweit handelt es sich nicht um beweisbedürftige Tatsachen. […] k) Nicht beweisbedürftig ist, ob in der Praxis der Kl. Bestrahlungen nur während der Öffnungszeiten und der Anwesenheit eines Arztes in der Praxis stattfinden (Beweis- antrag Nr. 14). Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass dies bisher in der Praxis der Fall ist. Auch der Bekl. hat in- soweit keine Bedenken geäußert. Soweit die Kl. allerdings geltend macht, es sei nicht „denkbar“, dass in der Praxis Bestrahlungen durchgeführt werden und kein Arzt in der Praxis sei, ist ihr entgegenzuhalten, dass grundsätzlich al- les „denkbar“ ist und es sich insoweit nicht um eine dem Beweis zugängliche Tatsache handelt. Es ist eine rechtlich zu beurteilende Frage, ob die Anwesenheit eines Arztes in der Praxis durch eine Auflage verfügt werden könnte oder müsste, etwa um die bislang praktizierte Anwesenheit auch für die Zukunft sicher zu stellen. DOI: 10.1007/s00350-014-3709-0 Irreführender Arzneimittelbezeichnungszusatz „akut“ für omeprazolhaltigen Protonenpumpeninhibitor AMG §§ 8 Abs. 1 Nr. 2, 29 Abs. 2 Enthält die Bezeichnung eines Arzneimittels, das bei Sodbrennen bzw. saurem Aufstoßen anwendbar ist, den Bestandteil „akut“, ruft dies bei einem nicht uner- heblichen Teil der Verbraucher die Vorstellung hervor, dass eine schnelle oder/und gegenüber vergleichbaren Eingesandt von der Veröffentlichungskommission der Richter des OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Münster, Deutschland; bearbeitet von Rechtsanwältin Dr. iur. Kerstin Brixius, Fachanwältin für Medizinrecht, Kanzlei am Ärztehaus Frehse Mack Vogelsang, Gustav-Heinemann-Ufer 56, 50968 Köln, Deutschland Rechtsprechung 334 MedR (2014) 32: 334–337

Irreführender Arzneimittelbezeichnungszusatz “akut” für omeprazolhaltigen Protonenpumpeninhibitor

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Page 1: Irreführender Arzneimittelbezeichnungszusatz “akut” für omeprazolhaltigen Protonenpumpeninhibitor

gen bzw. Unfällen in der Strahlentherapie nach der Strah-lenschutzverordnung in Deutschland zu verzeichnen ist (Beweisantrag Nr.  3), dass es seit 2002 keinen besonders schwerwiegenden meldepflichtigen Vorfall in der Strahlen-therapie nach der Strahlenschutzverordnung in Deutsch-land gab, der eine Neu- bzw. Umbewertung von Risiken erforderlich machen würde (Beweisantrag Nr. 4), und dass kein meldepflichtiger Vorfall seit 2002 in der Strahlen-therapie in Deutschland durch eine MFA oder durch eine andere Person nach § 82 Abs. 2 Nr. 4 StrlSchV verursacht wurde (Beweisantrag Nr. 5), waren abzulehnen. Auch diese Tatsachen sind nicht entscheidungserheblich. Ihr Nachweis bringt keinen Erkenntnisgewinn bezüglich der hier maß-geblichen Fragen der notwendigen Anzahl des technisch mitwirkenden Personals und der Anforderungen, die an die ständige Aufsicht und Verantwortung i. S. des § 82 Abs. 2 Nr. 4 StrlSchV zu stellen sind. Sollten die behaupteten Tat-sachen zutreffen, so spricht dies im Übrigen dafür, dass das Schutzkonzept der Strahlenschutzverordnung, das die Mit-wirkung von Personen, die nicht selbst über die erforderli-che Fachkunde verfügen, nur unter der ständigen Aufsicht und Verantwortung des fachkundigen Arztes zulässt, er-folgreich ist.

d) Der Beweisantrag, welcher die Installierung eines Trainee-Programms in der Praxis der Kl. zum Gegenstand hat (Beweisantrag Nr.  6), betrifft ebenfalls eine rechtlich nicht erhebliche Tatsache. Durch das Trainee-Programm wird keine rechtlich relevante Zusatzqualifikation erwor-ben, welche eine ständige Aufsicht und Verantwortung i. S. des § 82 Abs. 2 Nr. 4 StrlSchV entbehrlich machen könn-te. Nach dem Konzept der Strahlenschutzverordnung ist es nicht möglich, die ständige Aufsicht und Verantwortung ei-ner Person nach § 82 Abs. 1 Nr. 1 StrlSchV durch eine pra-xisinterne Schulung zu ersetzen. Das Trainee-Programm führt nicht zum Erwerb einer Qualifikation nach § 82 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 StrlSchV, die ein Tätigwerden ohne ständige Aufsicht und Verantwortung erlauben würde.

e) Soweit die Kl. beantragt, zum Beweis der Tatsache, dass durch den Einsatz von MFAs in der Strahlentherapie nach der Röntgenverordnung sowie in der Nuklearmedi-zin – in denen der Einsatz von MFAs die Regel sei und ein Verhältnis von einer MTRA auf zehn MFAs bestehe – kein Anstieg von meldepflichtigen Vorgängen zu verzeich-nen war, ein Sachverständigengutachten und eine amtliche Auskunft des Bundesamtes für Strahlenschutz einzuholen (Beweisantrag Nr. 7), sind diese Umstände ebenfalls nicht entscheidungserheblich. Bei der Röntgenverordnung han-delt es sich um ein anderes, vorliegend nicht einschlägiges Regelwerk. Im Übrigen gelten die Ausführungen zu den Beweisanträgen Nrn. 3 bis 5 entsprechend.

f ) Der Beweisantrag betreffend die Bedrohung der Exis-tenz von niedergelassenen Ärzten in der Strahlentherapie durch die von der Richtlinie Strahlenschutz in der Medi-zin 2011 vorgesehene Einschränkung der technischen Mit-wirkung von MFAs (Beweisantrag Nr. 8) betrifft ebenfalls keine entscheidungserhebliche Tatsache. Der Beweisantrag geht von der Richtlinie aus, die, wie oben ausgeführt, keine normative Wirkung hat und hinter den hier einschlägigen Regelungen der Strahlenschutzverordnung zurücktreten muss. Im Übrigen ist auch die Eignung des Beweismittels fraglich. Es ist nicht ersichtlich, dass Herr Prof. Dr. B. zum Beweisthema Wahrnehmungen gemacht hat, über die er als Zeuge berichten könnte. Allein, dass er in einem Vor-trag das Verschwinden von niedergelassenen Praxen in der Zukunft mittels einer Power-Point-Präsentation dargestellt hat, qualifiziert ihn nicht bereits für den Nachweis der im Beweisantrag genannten Tatsachen.

g) Der Beweisantrag, der die Inhalte der Ausbildung zur/zum medizinischen Fachangestellten (MFA) betrifft (Beweisantrag Nr. 9), hat ebenfalls keine entscheidungser-heblichen Tatsachen zum Gegenstand. Nach dem Schutz-

konzept der Strahlenschutzverordnung kommt es auf den erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung der jeweils genannten Art, d. h. die formale Qualifikation, und bei Personen nach § 82 Abs. 2 Nr. 4 StrlSchV außerdem auf die ständige Aufsicht und Verantwortung des fachkundigen Arztes an, nicht jedoch auf die einzelnen Ausbildungs-inhalte.

h) Der auf den Ablauf der Bestrahlung an dem Gerät Tomotherapie Hi-Art bezogene Beweisantrag (Nr.  10), betrifft keine entscheidungserheblichen Tatsachen. Auch wenn die Bestrahlung wie in dem Beweisantrag dargestellt abläuft, wovon – wie bereits oben dargestellt – der Senat ohnehin bereits aufgrund der ausführlichen Schilderungen der Kl. überzeugt ist, ändert dies nichts an dem Erfordernis des Vorhandenseins des i. S. des § 14 Abs. 1 Nr. 6 StrlSchV notwendigen und nach § 82 Abs. 2 StrlSchV qualifizierten und ggf. beaufsichtigten Personals. Die Strahlenschutzver-ordnung differenziert in § 82 Abs. 2 Nr. 4 nicht nach der jeweiligen Gerätekonfiguration.

i) Mit dem Beweisantrag, welcher die Frage des sicheren Betriebs durch eine Person betrifft (Beweisantrag Nr. 11), wird keine konkrete Tatsache unter Beweis gestellt. Die Frage des sicheren Betriebs ist eine Rechtsfrage. Unabhän-gig davon hat der Senat den Sachverständigen K. zu den in diesem Zusammenhang relevanten tatsächlichen Fragen gehört und hält die Einholung eines weiteren Sachverstän-digengutachtens nicht für erforderlich. Im Übrigen hat auch die Kl. im Verlauf der mündlichen Verhandlung nicht mehr nachdrücklich daran festgehalten, dass die Bedienung durch nur eine Person erfolgen solle.

j) Der Beweisantrag Nr. 13 befasst sich wiederum mit den technischen Abläufen des Geräts. Insoweit handelt es sich nicht um beweisbedürftige Tatsachen. […]

k) Nicht beweisbedürftig ist, ob in der Praxis der Kl. Bestrahlungen nur während der Öffnungszeiten und der Anwesenheit eines Arztes in der Praxis stattfinden (Beweis-antrag Nr. 14). Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass dies bisher in der Praxis der Fall ist. Auch der Bekl. hat in-soweit keine Bedenken geäußert. Soweit die Kl. allerdings geltend macht, es sei nicht „denkbar“, dass in der Praxis Bestrahlungen durchgeführt werden und kein Arzt in der Praxis sei, ist ihr entgegenzuhalten, dass grundsätzlich al-les „denkbar“ ist und es sich insoweit nicht um eine dem Beweis zugängliche Tatsache handelt. Es ist eine rechtlich zu beurteilende Frage, ob die Anwesenheit eines Arztes in der Praxis durch eine Auflage verfügt werden könnte oder müsste, etwa um die bislang praktizierte Anwesenheit auch für die Zukunft sicher zu stellen.

DOI: 10.1007/s00350-014-3709-0

Irreführender Arzneimittelbezeichnungszusatz „akut“ für omeprazolhaltigen Protonenpumpeninhibitor

AMG §§ 8 Abs. 1 Nr. 2, 29 Abs. 2

Enthält die Bezeichnung eines Arzneimittels, das bei Sodbrennen bzw. saurem Aufstoßen anwendbar ist, den Bestandteil „akut“, ruft dies bei einem nicht uner-heblichen Teil der Verbraucher die Vorstellung hervor, dass eine schnelle oder/und gegenüber vergleichbaren

Eingesandt von der Veröffentlichungskommission der Richter des OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Münster, Deutschland; bearbeitet von Rechtsanwältin Dr. iur. Kerstin Brixius, Fachanwältin für Medizinrecht, Kanzlei am Ärztehaus Frehse Mack Vogelsang, Gustav-Heinemann-Ufer 56, 50968 Köln, Deutschland

Rechtsprechung334 MedR (2014) 32: 334–337

Page 2: Irreführender Arzneimittelbezeichnungszusatz “akut” für omeprazolhaltigen Protonenpumpeninhibitor

Arzneimitteln schnellere Wirkung eintritt. Eine solche liegt bei Eintritt der Wirksamkeit nach frühestens einer Stunde aber nicht vor.OVG Nordrh.-Westf., Beschl. v. 19. 7. 2013 – 13 A 719/13 (VG Köln)

Problemstellung: Nach § 29 Abs.  2 AMG ist im Falle der Änderung der Bezeichnung eines Arzneimit-tels der Zulassungsbescheid entsprechend zu ändern. Streitig war, ob dieser Anspruch schrankenlos oder unter dem Vorbehalt besteht, dass die geänderte Bezeichnung rechtmäßig resp. nicht irreführend ist.

Die Klägerin, ein pharmazeutisches Unternehmen, zeigte anlässlich der partiellen Entlassung des Ome-prazol aus der Verschreibungspflicht eine Änderung der Bezeichnung, konkret deren Ergänzung um den Bezeichnungszusatz „akut“ an. Die zuständige Bun-desoberbehörde, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, lehnte die Bezeichnungsände-rung wegen eines angenommenen Verstoßes gegen das Verbot der Irreführung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG ab. Dies, da bei einem nicht ganz unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise die unzutreffende Er-wartung erweckt werde, dass das Produkt eine „akute“ Wirkung i. S. einer schnellen bzw. schnelleren Wirkung als vergleichbare Präparate entfalte. Diese Irreführung führe dazu, dass das Inverkehrbringen des Arzneimittels gegen gesetzliche Vorschriften verstoße, was nach § 25 Abs. 2 Nr. 7 AMG versagungsrelevant sei und einer Be-scheidänderung entgegenstehe.

Die Klägerin sah in der Ablehnung der Bescheid-ände rung einen Verstoß gegen § 29 Abs.  2 AMG, der lediglich einen Anspruch auf Änderung des Zulassungs-bescheids nach Bezeichnungsänderung, nicht aber eine Prüfkompetenz im Hinblick auf die Vereinbarkeit der angezeigten Bezeichnungsänderung mit den Vorschrif-ten des Arzneimittelgesetzes vorsieht. In der Sache woll-te die Klägerin den Zusatz „akut“ im Lichte der Indi-kation (Sodbrennen und saures Aufstoßen), nämlich i. S. einer „akut“ auftretenden Erkrankung verstanden wis-sen. Sie brachte das Arzneimittel sodann ohne vorherige Änderung des Zulassungsbescheids in Verkehr.

Eine nach dem Inverkehrbringen geführte wett-bewerbsrechtliche Auseinandersetzung entschied die Klägerin zweitinstanzlich zu ihren Gunsten. Das OLG München stellte hierbei fest, dass durch den Bestand-teil „akut“ nicht der Eindruck erweckt werde, dass es sich um ein bei Sodbrennen und saurem Aufstoßen sehr schnell wirkendes Arzneimittel handelt, weil der übliche deutsche Sprachgebrauch zur Charakterisierung des ra-schen Zum-Ausbruch-Kommens („akut“) einer Krank-heit verwandt werde.

Anders hingegen lautet nun die Entscheidung des OVG Nordrh.-Westf., welches über die Weigerung der Beklagten bezüglich der Änderung des Zulassungsbe-scheides zu entscheiden hatte. Das OVG folgt nicht nur der Auffassung der Beklagten hinsichtlich des angenom-menen Irreführungspotentials des Bezeichnungszusatzes „akut“, sondern bescheinigte der Beklagten, dass der nach dem Wortlaut des § 29 Abs. 2 AMG schrankenlos anmutende Anspruch auf Bescheidänderung unter dem Vorbehalt der Rechtmäßigkeit einer solchen stehe.

Zum Sachverhalt: Die Kl. änderte im Jahr 2010 die Bezeichnung ihres nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittels, das hinsicht-lich Sodbrennen bzw. saurem Aufstoßen zugelassen ist, in „O. akut 20 mg“. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) lehnte eine entsprechende Änderung des Zulassungsbe-scheides wegen Irreführung ab. Der Begriff „akut“ suggerierte eine schnelle Wirksamkeit, die tatsächlich nicht vorliege. Das VG wies die Verpflichtungsklage als unbegründet ab, der Antrag auf Zulassung der Berufung blieb erfolglos.

Aus den Gründen: Der Antrag auf Zulassung der Be-rufung hat keinen Erfolg. Keiner der geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Berufung liegt vor.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzli-chen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind nicht dargelegt.

Solche ernstlichen Zweifel sind anzunehmen, wenn ge-gen die Richtigkeit des Ergebnisses der erstinstanzlichen Entscheidung nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wenn ein einzelner tragen-der Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. OVG Nordrh.-Westf., Beschl. v. 26. 10. 2010 – 13 A 615/10 –, www.nrwe.de, Rdnr. 7 = juris, Rdnr. 6). Dies ist nicht der Fall. Das VG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Kl. hat keinen Anspruch darauf, dass die Bekl. den Zulassungsbescheid für das Arzneimittel O. H. 20 mg hin-sichtlich der Bezeichnung des Präparats in „O. akut 20 mg“ ändert.

Entgegen der Rechtsauffassung der Kl. hat das Bundes-institut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Prüfkompetenz im Hinblick auf die Vereinbarkeit einer nach § 29 Abs.  2 AMG angezeigten Änderung der Bezeichnung eines zugelassenen Arzneimittels mit den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (vgl. OVG Nordrh.-Westf., Urtt. v. 17. 6. 2013 – 13 A 1113/11 –, www.nrwe.de, Rdnrn. 46 bis 50; und v. 23. 5. 2007 – 13  A 3657/04  –, www.nrwe.de, Rdnrn. 34).

Die Ablehnung der Änderung des Zulassungsbescheides ist wegen Verstoßes der angezeigten Bezeichnung „O. akut 20 mg“ gegen § 8 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 AMG rechtmäßig. Die-ser verbietet es, Arzneimittel herzustellen oder in den Ver-kehr zu bringen, die mit irreführender Bezeichnung ver-sehen sind.

Eine irreführende Bezeichnung i. S. der genannten Vor-schrift liegt u. a. vor, wenn die Bezeichnung bei einem nicht ganz unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise unzutreffende Erwartungen bzw. Fehlvorstellungen weckt. Angesichts der Bedeutung des Rechtsguts Gesundheit und der mit falschen Erwartungen an Arzneimittel verbunde-nen Gesundheitsrisiken sind an die Wahrheit, Eindeutigkeit und Klarheit der Bezeichnung von Arzneimitteln erhöhte Anforderungen zu stellen (sog. Strengeprinzip) (vgl. OVG Nordrh.-Westf., Urt. v. 17. 6. 2013 – 13 A 1113/11 –, www.nrwe.de, Rdnrn. 51 f.; BGH, Urt. v. 6. 2. 2013 – I ZR 62/11 –, juris, Rdnr. 15). Nach diesen Maßstäben ist die Verwendung der Bezeichnung „O. akut 20 mg“ irrefüh-rend i. S. des § 8 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 AMG.

Die Bezeichnung eines Arzneimittels ist nicht nur für fachlich informierte Personengruppen wie Ärzte, Apothe-ker sowie Behörden von Bedeutung. Sie ist in besonderem Maße für die Information der Verbraucher der Arzneimit-tel wichtig, die typischerweise nicht über qualifizierte me-dizinische Kenntnisse verfügen.

Aufgrund der im Jahr 2009 erfolgten Aufhebung der Ver-schreibungspflicht wird das streitige Arzneimittel „zur Be-handlung von Sodbrennen und saurem Aufstoßen“ rezeptfrei in Apotheken zur Selbstmedikation angeboten. Dabei sind weder Apotheker noch Käufer verpflichtet, ein Gespräch über die Eigenschaften und Wirkungen des Arzneimittels zu führen. Eine entsprechende Beratungsmöglichkeit wird häufig nicht in Anspruch genommen, so dass mögliche bezeichnungsbedingte Fehlvorstellungen der Verbraucher durch die Beratungsmöglichkeit nicht sicher bzw. nicht hinreichend wahrscheinlich ausgeschlossen werden kön-nen (vgl. OVG Nordrh.-Westf., Urtt. v. 17. 6. 2013 – 13 A 1113/11 –, www.nrwe.de, Rdnr. 55; und v. 12. 8. 2009 – 13 A 2147/06 –, www.nrwe.de, Rdnrn. 46 bis 51).

Bei der Ermittlung der durch die Bezeichnung eines Arz-neimittels ausgelösten Vorstellungen ist auf einen durch-schnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen. Dieser geht zu Recht davon aus,

Rechtsprechung MedR (2014) 32: 334–337 335

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dass das Gesundheitswesen einschließlich der Arzneimit-telwirtschaft staatlicherseits reguliert und überwacht wird. Er vertraut typischerweise darauf, dass die zugelassene Be-zeichnung so eindeutig ist, dass sie keine Fehlvorstellungen bzw. Missverständnisse über das Arzneimittel auslöst (vgl. OVG Nordrh.-Westf., Urt. v. 17. 6. 2013 – 13 A 1113/11 –, www.nrwe.de, Rdnrn. 57 f.). Diese erforderliche Eindeu-tigkeit ist hinsichtlich der Bezeichnung „O. akut 20 mg“ nicht gegeben. Ihr Bestandteil „akut“ ruft bei einem nicht unerheblichen Teil der Verbraucher die Fehlvorstellung hervor, dass das Arzneimittel bei einem aktuellen Auftre-ten von Sodbrennen bzw. saurem Aufstoßen eine schnel-le oder/und eine gegenüber vergleichbaren Arzneimitteln schnellere Wirkung erzielt.

Der Bezeichnungsbestandteil „akut“ mag – gemäß seiner lexikalischen und medizinischen Bedeutung – zwar von ei-nem Teil der Verbraucher auch mit dem jeweiligen Zustand der als Anwendungsgebiet angegebenen Krankheit bzw. Beschwerden in Verbindung gebracht werden, so dass für ihn der Bezeichnungsbestandteil „akut“ auf ein Arzneimit-tel hindeutet, das bei akutem Auftreten von Sodbrennen bzw. saurem Aufstoßen eingenommen werden kann.

Jedenfalls ein erheblicher Teil der durchschnittlich in-formierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher versteht die Bezeichnung „O. akut 20 mg“ aber i. S. einer schnellen Wirkung dieses Arzneimittels gegenüber solchen Beschwerden.

Dies beruht auf der unmittelbaren Anhängung des Be-griffs „akut“ an den Hauptbestandteil der Bezeichnung „O.“. Das VG hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Verbraucher hierdurch dem Arzneimittel O. (bzw. seinem Wirkstoff Omeprazol) eine „akute“ Wirkung zuschreibt i. S. einer schnellen, zeitnahen Abhilfe. Das Wort „akut“ hat in dem Sinnzusammenhang der Gesamtbezeichnung eine adjektivische Stellung und beschreibt scheinbar die Eigenschaft des Arzneimittels. Dass die eigentliche bzw. ursprüngliche Bedeutung des Begriffs „akut“ in der Be-schreibung der Qualität einer Problemlage, insbesondere einer Krankheit, liegt, nicht aber eines (Arznei-)Mittels, steht der dargelegten Sinnzuschreibung durch einen erheb-lichen Teil der aufmerksamen und verständigen Verbrau-cher nicht entgegen. Unabhängig davon, ob der verständige Verbraucher sich diese ursprüngliche Bedeutung innerhalb der kurzen Zeitspanne des Erwerbs eines Arzneimittels überhaupt bewusst macht, wird er „akut“ regelmäßig als Beschreibung einer besonderen Eigenschaft des Arznei-mittels wahrnehmen, weil das Wort integraler Bestandteil der Arzneimittelbezeichnung ist.

Gerade im Hinblick auf die oft nur vorübergehend, ak-tuell auftretenden Beschwerden Sodbrennen und saures Aufstoßen erwartet der Verbraucher bei einem dafür zuge-lassenen Arzneimittel, für das der Bezeichnungsbestandteil „akut“ genutzt wird, eine schnelle bzw. schnellere Wir-kung als bei vergleichbaren Präparaten.

Dabei handelt es sich aber um eine Fehlvorstellung. Denn nach den Angaben der Kl. im erstinstanzlichen Verfahren tritt eine Wirkung von „O. akut 20 mg“ erst nach ca. einer Stunde, im Durchschnitt eher nach etwa anderthalb Stun-den ein (s. auch www. … .de: „Die Wirkung von O. akut 20 mg setzt bereits nach ein bis zwei Stunden ein.“). Damit erreicht das streitige Arzneimittel nicht die durch den Be-griff „akut“ typischerweise hervorgerufene Verbrau cher-erwar tung einer schnellen, zeitnahen Abhilfe gegenüber den Beschwerden Sodbrennen bzw. saures Aufstoßen. Eine Wirksamkeit nach frühestens einer Stunde ist insoweit un-zureichend.

Es handelt sich bei dem streitigen Arzneimittel auch nicht um ein Präparat, das überdurchschnittlich schnell wirkt im Vergleich mit bei derselben Indikation angewendeten an-deren Arzneimitteln. Als sog. Protonenpumpenhemmer mag seine Wirkung typischerweise länger anhalten als die

von Antazida oder H2-Blockern, sie tritt aber unstreitig nicht schneller ein.

Diese Gefahr der Irreführung kann der Senat aufgrund eigener Sachkunde feststellen, weil seine Mitglieder zu dem Kreis der durchschnittlichen Verbraucher gehören. Daher bedarf es nicht der Einholung eines Sachverständigengut-achtens oder einer Verbraucherbefragung zu der irrefüh-renden Wirkung dieser Bezeichnung. Dies gilt insbeson-dere angesichts des rechtlichen Maßstabs, nach dem an die Wahrheit, Eindeutigkeit und Klarheit der Bezeichnung eines Arzneimittels erhöhte Anforderungen zu stellen sind und eine irreführende Bezeichnung schon vorliegt, wenn diese bei einem nicht ganz unerheblichen Teil der angespro-chenen Verkehrskreise unzutreffende Erwartungen bzw. Fehlvorstellungen weckt (vgl. OVG Nordrh.-Westf., Urt. v. 17. 6. 2013 – 13 A 1113/11 –, www.nrwe.de, Rdnrn. 67 bis 69; BGH, Urt. v. 2. 10. 2003 – I ZR 150/01 –, GRUR 2004, 244 = juris, Rdnrn. 18 bis 20).

Dass das OLG München in seinem eine Irreführung ver-neinenden Urt. v. 25. 2. 2010 – 29 U 5347/09 – in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren von diesem rechtlichen Maßstab ausgegangen wäre, vermag der beschließende Senat nicht zu erkennen. Das OLG hat sich mit der Be-zeichnung „O. akut 20 mg“ auch weniger in ihrem un-mittelbaren Zusammenhang mit dem konkreten Anwen-dungsgebiet des Arzneimittels auseinandergesetzt, obwohl die Bezeichnung typischerweise gerade in diesem Kontext vom Verbraucher wahrgenommen wird. Vielmehr hat es sich allgemeiner auf den „üblichen deutschen Sprachge-brauch“ bezogen und auf das Vorhandensein von über 100 Arzneimitteln diverser Anwendungsgebiete abgestellt, wel-che den Bezeichnungsbestandteil „akut“ aufweisen.

2. Die Berufung ist auch nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Darlegung der Grundsatzbedeutung setzt voraus, dass eine bestimmte, obergerichtlich oder höchst-richterlich noch nicht hinreichend geklärte und für die Berufungsentscheidung erhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert wird. Zu-dem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind die konkrete Frage, ihre Klärungsbedürf-tigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeutung.

Eine solche Frage hat die Kl. nicht formuliert.Es ist nicht klärungsbedürftig, dass das BfArM eine Än-

derung des Zulassungsbescheides ablehnen darf bzw. muss, wenn die nach § 29 Abs.  2 S.  1 AMG angezeigte Ände-rung der Bezeichnung des Arzneimittels gegen § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG verstößt. Zwar ist nach dem Wortlaut des § 29 Abs.  2 S.  1 AMG bei einer Änderung der Bezeichnung des Arzneimittels der Zulassungsbescheid entsprechend zu ändern. Daher steht dem BfArM insoweit kein Ermessen zu. § 29 Abs. 2 S. 1 AMG verpflichtet zur Änderung eines Zulassungsbescheides aber dann nicht, wenn die angezeigte Bezeichnung rechtswidrig ist. Der Senat hat bereits ent-schieden, dass bei einer Änderungsanzeige nach § 29 Abs. 2 AMG eine behördliche Prüfkompetenz besteht (vgl. OVG Nordrh.-Westf., Urt. v. 23. 5. 2007 – 13 A 3657/04 –, www.nrwe.de, Rdnr. 34).

Das BVerwG hat die Beschwerde gegen die Nichtzulas-sung der Revision in jenem Verfahren zurückgewiesen und hat die Auffassung der dortigen Klägerin, auch ein mit ir-reführender Bezeichnung (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG) versehe-nes Arzneimittel müsse zugelassen werden, unterliege aber den Eingriffsmöglichkeiten der Ordnungsverwaltung, als „nicht nachvollziehbar“ bezeichnet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27. 3. 2008 – 3 B 91.07 –, juris, Rdnr. 5).

Das Verfahren hat auch keine grundsätzliche Bedeutung hinsichtlich der Frage, welche Bedeutung der Bezeich-nungszusatz „akut“ im Rahmen der Arzneimittelbezeich-nung hat. Ob eine Arzneimittelbezeichnung irreführend

Rechtsprechung336 MedR (2014) 32: 334–337

Page 4: Irreführender Arzneimittelbezeichnungszusatz “akut” für omeprazolhaltigen Protonenpumpeninhibitor

i. S. des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG ist, ist regelmäßig eine Frage des Einzelfalls, der keine grundsätzliche Bedeutung zu-kommt. Dies gilt auch für die Bedeutung, die dem Wort „akut“ als Teil einer Arzneimittelbezeichnung von den Verkehrskreisen bzw. von einem nicht unerheblichen [Teil] der Verkehrskreise zugeschrieben wird. Es ist von der Kl. nicht dargelegt (§ 124 a Abs. 4 S. 4 VwGO), dass bzw. wes-halb die Verbraucher dem Bezeichnungsbestandteil „akut“ immer dieselbe Bedeutung zuschreiben sollten, unabhän-gig von dem jeweiligen Anwendungsgebiet des jeweiligen Arzneimittels. Daher verhindert auch die Präsenz Dutzen-der anderer Arzneimittel, deren jeweilige Bezeichnung den Bestandteil „akut“ enthält, auf dem deutschen Arzneimit-telmarkt nicht den irreführenden Charakter der Bezeich-nung „O. akut 20 mg“.

Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i. S. des § 124 Abs.  2 Nr.  3 VwGO ergibt sich auch nicht daraus, dass das OLG München in dem Urt. v. 25. 2. 2010 – 29 U 5347/09 – entschieden hat, der Bestandteil „akut“ in der Bezeichnung des streitgegenständlichen Arzneimittels ver-stoße nicht gegen § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG.

Zwar kann eine abweichende Beurteilung einer Rechts- bzw. Tatsachenfrage durch ein anderes Oberverwaltungs-gericht die grundsätzliche Bedeutung begründen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10. 9. 2009 – 1 BvR 814/09  –, NJW 2009, 3642 = juris, Rdnrn. 22 bis 24; Seibert, in: Sodan/Ziekow [Hrsg.], VwGO, 3. Aufl. 2010, § 124, Rdnr. 132), ein solches ist das OLG München aber nicht.

Ebenso wenig ist es ein oberstes Bundesgericht, des-sen abweichende Auslegung einer Norm die grundsätzli-che Bedeutung einer Rechtssache begründen kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22. 6. 1984 – 8  B 121/83  –, juris, Rdnr.  3; Meyer=Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schnei-der/Bier [Hrsg.], VwGO, § 124, Rdnr. 39).

3. Schließlich liegt auch keine Abweichung i. S. des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO vor.

Das Urt. des OLG München v. 25. 2. 2010 ist keine Ent-scheidung eines der in dieser Vorschrift abschließend be-nannten Divergenzgerichte. Diese sind allein das OVG, das BVerwG, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes und das BVerfG. § 124 Abs.  2 Nr.  4 VwGO erfasst Entscheidungen anderer Gerichtsbarkeiten nicht, sondern zielt allein auf die Einheitlichkeit der Recht-sprechung innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. Meyer=Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier [Hrsg], VwGO, § 124, Rdnr. 39 m. w. N.).

Darüber hinaus fehlt es in dem angefochtenen Urteil des VG an einer Abweichung von dem Urt. des OLG München v. 25. 2. 2010 hinsichtlich einer abstrakten Rechts- oder Tatsachenfrage. Vielmehr liegt eine abweichende Anwen-dung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG bezogen auf den Einzelfall der Arzneimittelbezeichnung „O. akut 20 mg“ vor.

Anmerkung zu OVG Nordrh.-Westf., Beschl. v. 19. 7. 2013 – 13 A 719/13 (VG Köln)

Kerstin Brixius

Der Beschluss befasst sich mit zwei Rechtsfragen. Während die Einstufung der geänderten Bezeichnung

als irreführend nachvollziehbar, wenn auch nicht über-zeugend ist, sind die Ausführungen mit Blick auf die

Reichweite der Prüfkompetenz unzutreffend, aber gefes-tigte Rechtsprechung.

So hatte das OVG Nordrh.-Westf. schon mit Urt. v. 23. 5. 2007 – 13 A 3657/04 – festgestellt, dass bei einer Än-derung der Bezeichnung des Arzneimittels der Zulassungs-bescheid zu ändern sei, der geänderte Zulassungsbescheid aber nur dann eine legale Zulassung aussprechen könne, wenn die Vereinbarkeit der Änderung mit § 25 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 i. V. mit § 8 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 AMG geprüft und bejaht worden sei. Diese Rechtsansicht war und ist rechtssystema-tisch verfehlt.

Das AMG ist ein Schutzgesetz. Dessen systematische Ausgestaltung resp. die konkreten Inhalte, insb. die dahin-ter stehenden europarechtlichen Vorgaben sind das Ergeb-nis einer sorgfältigen risikobasierten Abwägung, die den Schutz der öffentlichen Gesundheit verfolgt. Vor diesem Hintergrund sieht das AMG zahlreiche (abschließende) Eingriffs- und Maßnahmebefugnisse vor, die der jeweili-gen Gefahrensituation Rechnung tragen. Konkret hat der Gesetzgeber den Zulassungsbehörden auf der Grundlage definierter Gefahrentatbestände Eingriffsbefugnisse einge-räumt, die gebundene wie auch Ermessensentscheidungen umfassen; bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzun-gen sind Rücknahme, Widerruf oder Ruhensanordnung zur vorhandenen Zulassung zu verfügen. Die jeweiligen Eingriffstatbestände, die eine bundesoberbehördliche Maß-nahme auslösen können, sind über Verweise auf definier-te versagungsrelevante Tatbestände, wie sie in § 25 Abs. 2 AMG enthalten sind, definiert.

Die für die Bezeichnungsänderung maßgebliche Rechts-grundlage, § 29 Abs. 2 AMG, sieht indes weder eine Ein-griffsbefugnis noch eine Bezugnahme auf den Versagungs-tatbestand des § 25 Abs.  2 Nr.  7 AMG, sondern einen schrankenlosen Anspruch auf Bescheidänderung vor. Dies aus gutem Grund, da es nach der gesetzlichen Systematik schon keiner Eingriffsbefugnis bedarf. Denn das Arznei-mittelgesetz beinhaltet eine risikobasierte Regelung zum Umgang mit Bezeichnungen, die nach der Struktur des Gesetzes als abschließend anzusehen ist. So ist nach § 25 Abs. 3 AMG die Zulassung für ein Arzneimittel zu versa-gen, das sich von einem zugelassenen oder bereits im Ver-kehr befindlichen Arzneimittel gleicher Bezeichnung in der Art oder der Menge der Wirkstoffe unterscheidet. An-dere Änderungen der Arzneimittelbezeichnung sind indes nur dem abstrakten Verbot der Irreführung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG unterstellt.

Entsprechend ist es entgegen der Rechtsprechung des OVG Nordrh.-Westf. mitnichten Förmelei, im Falle ei-nes nach § 29 Abs. 2 AMG vorbehaltlos formulierten An-spruchs auf Bescheidänderung diesem schon deshalb nicht zu entsprechen, weil die hiernach geänderte Zulassung anschließend im Rahmen eines pflichtgemäßen Ermessens per Ruhensanordnung oder bestandsvernichtender Maß-nahme ausgesetzt oder vernichtet werden kann.

Denn eine solche Ansicht ist mit der risikobasierten und ausgewogenen Gesetzessystematik des AMG schlicht nicht in Einklang zu bringen. Die Änderung der Bezeichnung wird – anders als die Zulassung eines bezeichnungsgleichen Arzneimittels – vom arzneimittelrechtlichen Grundansatz offensichtlich als evident weniger risikobehaftet eingestuft als die de lege lata versagungsrelevante „gleiche Bezeich-nung“ i. S. des § 25 Abs. 3 AMG. Dies bedeutet nicht, dass eine irreführende Bezeichnung im Einzelfall nicht (nahe-zu) gleichartige Gefahrensituationen wie eine gleiche Be-zeichnung auslösen kann – doch geht der Gesetzgeber ganz offensichtlich davon aus, dass die abstrakte Gefahrensitua-tion eine weitaus weniger gefahrenträchtige ist.

Nicht zuletzt ist in diesem Kontext zu berücksichtigen, dass das Arzneimittelgesetz den Bundesoberbehörden und zuständigen Behörden alle Eingriffs- und Maßnahme-befugnisse zur Verfügung stellt, um einen tatsächlichen

Rechtsanwältin Dr. iur. Kerstin Brixius, Fachanwältin für Medizinrecht, Kanzlei am Ärztehaus Frehse Mack Vogelsang, Gustav-Heinemann-Ufer 56, 50968 Köln, Deutschland

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