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Islam & Entwicklung – Ein Widerspruch? Programmbüro Interkulturelle Beziehungen mit islamisch geprägten Ländern Im Auftrag des:

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Islam & Entwicklung – Ein Widerspruch? Programmbüro Interkulturelle Beziehungen mit islamisch geprägten Ländern

Im Auftrag des:

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Impressum

Herausgeber:Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbHAbteilung 3300Postfach 5180D-65726 EschbornT +49 6196 79-0E [email protected] www.giz.de

Verantwortlich:Isabel Mattes-KuecuekaliLeiterin Abteilung Mittelmeer & Mittlerer Osten (3300)

Programmbüro Interkulturelle Beziehungenmit islamisch geprägten LändernDr. Peer Gatter (Programmkoordinator),Anja Köhler und Jenny Bednarek

Kontakt:Ansprechpartner Islam, OE 3300E [email protected]

Autoren:Dr. Peer Gatter, Anja Köhler, Jenny Bednarek, Elvira Ganter, Nina Prasch, Arwa Hassan, André Kahlmeyer

Fotos:© Peer Gatter

Gestaltung:design werk, Nikolai Krasomilwww.design-werk.com

Erscheinungsort und –jahr: Eschborn, 2013 (3. Auflage)

© GIZ 2010-2013

ISBN 978-3-944152-16-5

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 04

Islam und Entwicklung – ein Widerspruch? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 06

Programmbüro Interkulturelle Beziehungen mit islamisch geprägten Ländern . . . . . . . . . . . . . . 10

Aus dem Themenspektrum des Programmbüros . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

Maghreb: Eckige Themen an Runden Tischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

Algerien: Grüner Islam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

Tadschikistan: Staat und Zivilgesellschaft im Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

Zusammenarbeit mit arabischen Gebern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

Publikationen des Programmbüros . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

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Vorwort

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Vorwort

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Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

die Partnerländer der deutschen Entwicklungszusammenarbeit sind von einer überaus großen kulturellen und religiösen Vielfalt geprägt. Diese birgt Potentiale für innovative Lösungen bestehender Entwicklungs-probleme. Für unsere Arbeit stellt die gesellschaftliche Vielschichtigkeit eine wesentliche Herausforderung dar. Entwicklungsansätze sind nicht uneingeschränkt übertragbar, sondern müssen an den jeweiligen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Kontext angepasst werden, um die gewünschten Wirkungen zu erzielen und die Menschen zu erreichen.

Entwicklungsinitiativen können aber nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn sie von den Entschei-dungsträgern und Bevölkerungen in unseren Partnerländern selbst getragen werden. Die Wertschätzung lokaler Traditionen und Werte fördert die Eigenverantwortung unserer Partner für Entwicklungsprozesse in ihren Ländern.

Bereits seit mehreren Jahrzehnten arbeiten wir im Auftrag der Bundesregierung, insbesondere desBundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), in islamischen undislamisch geprägten Ländern. Zusammen mit ihren Partnern setzt die GIZ Maßnahmen in 37 der weltweit rund 50 islamisch geprägten Ländern für verschiedene Auftraggeber um.

Um das Thema der kulturellen und religiösen Vielfalt besser in der Entwicklungszusammenarbeit zu verankern, wurde 2007 das Programmbüro Interkulturelle Beziehungen mit islamisch geprägten Ländern in der Abteilung Mittelmeer und Mittlerer Osten gegründet.

Wie das Programmbüro sich gemeinsam mit den Partnern vor Ort für eine nachhaltige Entwicklung in den Ländern engagiert, welche Erfolge und Erfahrungen seit seiner Gründung gesammelt werden konnten, das erfahren Sie auf den folgenden Seiten.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!

Isabel Mattes-Kuecuekali,Abteilungsleiterin Mittelmeer

und Mittlerer Osten

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Islam und Entwicklung – ein Widerspruch?

Islamische Bewegungen sind heute fester Bestandteil der Zivilgesellschaften islamisch

geprägter Länder. Die zunehmende Bedeutung von islamischen Organisationen und Bildungs-einrichtungen, von Moscheen, islamischen Räten und religiösen Würdenträger innerhalb dieser Gesellschaften ist jedoch nicht zwangsläufig mit Radikalisierungstendenzen gleichzusetzen. Islamische Organisationen leisten vielerorts soziale Grunddienste und tragen so zu Armuts-bekämpfung, Bildung und medizinischer Versorgung bei. Sie besitzen daher eine oftmals stärkere Verankerung in der Bevölkerung als staat-liche Behörden.

>> Chancen und Herausforderungen der Zusammenarbeit

Von der Entwicklungszusammenarbeit können diese Bewegungen folglich nicht länger ignoriert werden – kann die Einbindung moderater islami-scher Institutionen in Entwicklungsprozesse doch Konfliktpotentiale vermindern und eine höhere Akzeptanz, Effektivität und Nachhaltigkeit unse-rer Arbeit bewirken. Vor diesem Hintergrund hat sich die GIZ zur Aufgabe gesetzt, die Potentiale islamischer Kultur und Gesellschaft stärker in die Ausgestaltung von Entwicklungsprozessen einzu-beziehen. So weisen etwa islamische Werte wie die Bewahrung der Schöpfung, die Orientierung auf das Gemeinwohl, soziale Gerechtigkeit als Ver-pflichtung zu einer gerechten Verteilung von Gewinnen, deutliche Parallelen zum Leitbild der nachhaltigen Entwicklung auf. Dabei ist der Islam kein monolithisches Gebilde mit einem starren,

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unveränderlichen Werte- und Normensystem, wie er oft vereinfacht dargestellt wird. Er ist nicht nur durch verschiedene religiöse Strömungen und Rechtsschulen geprägt, sondern auch von lokalen Traditionen und politisch-historischen Erfah-rungen, wie etwa der Kolonialzeit. Es ist gerade diese Diversität, in welcher Chancen für eine fruchtbare Zusammenarbeit liegen. Eine differen-zierte Wahrnehmung des soziokulturellen Umfelds und die realistische Einschätzung von religiös motivierten gesellschaftlichen Kräften sind daher wichtige Voraussetzungen, um Möglichkeiten und Grenzen des jeweils Verhandelbaren erken-nen und Spielräume nutzen zu können.

>> Vorurteile abbauen

Unterschiedlichste Hindernisse und Vorurteile erschweren häufig jedoch eine erfolgreiche Ko- operation. Dazu zählen etwa Konflikte zwischen Staatsmacht und oppositionellen islamischen

Kräften. Aber auch Konflikte zwischen dem west-lichen Kulturkreis und dem Islam spielen hierbei eine zentrale Rolle. Deren Verhältnis zueinander ist häufig von Vorurteilen und Stereotypen geprägt. In der öffentlichen Meinung Europas dominiert dabei ein Islambild, das Entwicklungs-rückstände und Reformstau auf „den Islam“ als Religion ursächlich zurückführt und in der islami-schen Kultur eine hohe Gewaltbereitschaft ver-mutet. Umgekehrt besteht auf Seiten von Muslimen die Angst, der Westen wolle über Eingriffe in politische Systeme und die gezielte Förderung einzelner Akteure, auf Gesellschaft, Kultur und Religion der Partnerländer gestaltend Einfluss nehmen, um dabei einen dem Westen gefügigen Islam zu formen.

Hier kommt der Entwicklungszusammenarbeit die wichtige Rolle zu, Spannungen und Infor- mationsdefizite abzubauen. Dies setzt jedoch Fachkräfte mit einer hohen kulturellen wie auch religiösen Sensibilität voraus.

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Die GIZ hat sich zur Aufgabe gesetzt, die Potentiale islamischer Kultur und Gesellschaft stärker in die Ausgestaltung von Entwicklungsprozessen einzubeziehen.

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>> Erfolg kultursensibler Ansätze

Initiativen der GIZ im Bereich „Islam und Entwicklungszusammenarbeit“ zeigen, dass islamische Entwicklungsvorstellungen und Handlungsgrundlagen mit den Werten der deut-schen Entwicklungszusammenarbeit kompatibel sein können. Dies erlaubt, Entwicklungsvorhaben so zu gestalten, dass sie zu spür- und messbaren Verbesserungen der Lebensbedingungen der Menschen führen, eine gute Regierungsführung fördern und Konflikte in Bahnen des gewaltlosen Ausgleichs lenken. Dies erfordert eine hohe Dialogfähigkeit und die sachkundige Ausein-andersetzung mit den vor Ort gegebenen Realitäten und Wertvorstellungen, die in vielen Partnerländern maßgeblich vom Islam geprägt werden.

Beispiele für gelungene Kooperationen sind Projekte zur Einführung sozialer Kranken-versicherungen für Arme auf der Grundlage des Zakat (der Verpflichtung zur Entrichtung von Abgaben zu Gunsten Bedürftiger), Mikrofinan-zierung nach Prinzipien des islamischen Bankwesens, Kooperationen mit Moscheen und Imamen zu Umwelterziehung und Biodiversität, sowie die Zusammenarbeit mit religiösen Würdenträgern zur rechtlichen Besserstellung von Frauen und der Bekämpfung von häuslicher Gewalt.

Islam und Entwicklung – ein Widerspruch?

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Der Entwicklungszusammenarbeit kommt die wichtige Rolle dabei zu, Spannungen und Informationsdefizite abzubauen.

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Unter dem Eindruck der zunehmenden Politisierung des Islam und des Erstarkens

extremistischer Strömungen hat sich die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf den Islam verdichtet. Innergesellschaftliche Konflikte und geopolitische Interessenlagen haben dazu geführt, dass große Bevölkerungsteile in islamisch geprägten Ländern die Glaubwürdigkeit von glo-balen Problemlösungsstrategien mehr denn je in Frage stellen und externe Einflussnahme ablehnen.

>> Okzident trifft Orient

Zur Stärkung des Vertrauens in die Entwick-lungszusammenarbeit und ihrer Akzeptanz in der Bevölkerung, ist, insbesondere im komplexen gesellschaftlichen Umfeld unserer islamisch ge-prägten Partnerländer, eine hohe Qualität und

Wirksamkeit sowie eine starke Partnerorientierung, Transparenz und interkulturelle Sensibilität not-wendig. Dies muss gepaart sein mit einer differen-zierten Kenntnis der religiös-kulturellen Ausprägungen des Islam, seiner Werte und Traditionen sowie des religiösen und säkularen Spektrums der Zivilgesellschaften. Interessen und Reformansätze können so erkannt und erfolgreich in Entwicklungsprozesse eingebunden werden.

Um kulturelle und religiöse Vielfalt zukünftig noch stärker in der Entwicklungszusammenarbeit zu verankern, wurde 2007 das Programmbüro Interkulturelle Beziehungen mit islamisch gepräg-ten Ländern geschaffen. Hervorgegangen ist es aus einer Reihe von Pilotprojekten mit islami-schen Akteuren, welche die Bedeutung von Kultur und Religion für den Verlauf und die Wirkung von Entwicklungsprozessen verdeutlichen.

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>> Unsere Leistungen

Zu den wichtigsten Aufgaben des Programmbüros zählt die kulturadäquate Konzeption und Um- setzung von Entwicklungsvorhaben zur Erhöhung von deren Wirkungen, Akzeptanz und Nach-haltigkeit. Daneben bietet das Programmbüro eine Reihe fachlicher Beratungsleistungen für die Vorhaben und Fachkräfte der deutschen Entwick- lungszusammenarbeit an. Zu den wichtigsten Leistungen gehören:

• die Umsetzung von Pilotprojekten, welche religiöse und kulturelle Vielfalt als Entwick-lungsmotor begreifen,

• unternehmensweite Beratung zur kultursensiblen Ausgestaltung von Entwicklungsmaßnahmen,

• Analysen der Partnerlandschaft in islamisch geprägten Ländern und die Einbindung neuer Akteure in die Entwicklungszusammenarbeit,

• die Erschließung neuer entwicklungsrelevanter Themen,

• die Stärkung der interkulturellen Kompetenzen von Fachkräften der deutschen Entwicklungs-zusammenarbeit,

• Lernwerkstätten für nationale Mitarbeiter in unseren Partnerländern zur Unternehmens-kultur und Struktur der GIZ, sowie zu den Werten, Themen und Arbeitsweisen der deut-schen Entwicklungszusammenarbeit,

• die Durchführung von Dialogforen mit lokalen Partnern (religiös-säkularer Dialog),

• die Aufarbeitung erfolgreicher Ansätze der Entwicklungszusammenarbeit zu den Themen Islam und Kultur sowie deren Dokumentation und Übertragung in andere Partnerländer,

• Expertise und Veröffentlichungen zu Fachthemen.

Neben Fortbildungen, wie sie in den vergangenen Jahren etwa regelmäßig im Jemen, Algerien, Ägypten, Jordanien aber auch in Deutschland stattgefunden haben, bietet das Programmbüro auch regelmäßige Veranstaltungen zu aktuellen Themen der Entwicklungszusammenarbeit in islamisch geprägten Ländern an. Dazu zählen Konferenzen zum politischen Islam, islamischer Wirtschaftsethik, oder dem Karikaturenstreit und seinen Auswirkungen auf die deutsche Entwick-lungszusammenarbeit.

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>> Unsere Regionen, unsere Partner

Regionale Schwerpunkte unserer Arbeit sind die arabisch-sprachigen Länder, Südosteuropa sowie Zentralasien und Afghanistan. Zukünftig ist eineAusweitung der Tätigkeit des Programmbüros auch in den islamisch geprägten Ländern Süd-ostasiens und Afrikas denkbar.

Zahlreiche Praxisbeispiele aus dem Jemen, Pakistan, Mauretanien oder Indonesien zeigen wie wichtig die Einbindung von islamischen Akteuren und Vertretern traditioneller Eliten für den Erfolg von Entwicklungsprozessen ist. Dies stärkt nicht nur die Legitimation unserer Maßnahmen, sondern auch die Zivilgesellschaft und die Eigenverant-wortung unserer Partner. Mit der Schaffung und Erweiterung von Partnernetzwerken im religiös-traditionellen Sektor unterstützt das Programm-büro daher die Vorhaben der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Neuen Themen nähert sich das Programmbüro oft über Dialog-

foren, die Partnerregierungen mit Vertretern zivil-gesellschaftlicher und religiöser Institutionen sowie mit Vertretern aus Wissenschaft und Forschung an einem Tisch bringen. Ziel ist dabei die Entwicklung gemeinsamer Perspektiven aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln.

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Zahlreiche Praxisbeispiele zeigen wie wichtig die Einbindung von islamischen Akteuren und Vertretern traditioneller Eliten für den Erfolg von Entwicklungsprozessen ist.

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In vielen Partnerländern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit beeinflusst der

Islam das Leben der Menschen tief. Er bietet nicht nur Handlungsorientierungen für religiöse Praktiken und für das zwischenmenschliche Zusammenleben, sondern wirkt in vielfaltiger Weise auf Kultur, Recht, Politik, Wirtschaft oder die Staatsform. In einer Reihe von Arbeitsfeldern der Entwicklungszusammenarbeit ergeben sich daher Schnittstellen mit dem Islam. In vielen die-ser Bereiche gestattet die Einbindung islamischer Akteure eine wirkungsvollere Zusammenarbeit. In anderen jedoch können Spannungsfelder zwi-schen den Zielen von Entwicklungszusammenarbeit und den Interessen von Partnern auftreten. Eine äußerst kultursensible Herangehensweise ist etwa auf dem Feld der Frauenförderung, der Rechts-beratung oder der guten Regierungsführung gefragt.

Im Fokus des Programmbüros steht, neben der Verankerung des Themas Islam in der Entwick-lungszusammenarbeit und der Erschließung neuer Themen mit Relevanz für die Arbeit mit unseren Partnern in islamisch geprägten Ländern, daher auch die Beratung zu Themenfeldern mit hohem Konfliktpotential. Zu den Themen des Programmbüros gehören neben Kultur und Wirtschaft, politischem Islam und islamischer Bildung, auch der Klimawandel, Umwelt- und Ressourcenschutz, sowie islamische Mikrofinanz, islamisches Recht, Rechtsreform und Frauenrechte. Das Programmbüro greift diese Themen im Rahmen von Pilotprojekten und Beratungsleistungen für Kooperationsvorhaben der deutschen Entwicklungszusammenarbeit auf, sowie durch Studien, Fortbildungen und Kon-ferenzen.

>> Frauenrechte stärken

Frauenrechte in islamisch geprägten Ländern wer-den durch die Scharia und kulturelle Werte bestimmt, die mitunter Resultat patriarchaler Traditionen sind. In Fragen der Eheschließung und Scheidung, im Sorgerecht um Kinder, in der Vererbung der Nationalität oder in den Kleidungsvorschriften hat dies vielfach eine Benachteiligung der Frau zur Folge. Durch die Berufung auf die Scharia wird dies oftmals zum quasi sakrosankten Recht erklärt. Die Scharia ist denn auch der Grund für die Vorbehalte der mei-sten islamischen Staaten bei der Ratifikation der UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW). Regional bestehen große Unterschiede in der Interpretation und Umsetzung islamischer Vorschriften. Deren Anwendung kann persönlich gestaltet sein (wie etwa in Zentralasien), als Personenstandsrechte kodifiziert sein (z.B. in Marokko) und sogar durch speziell ausgebildete Ordnungshüter einge-fordert werden (so im Iran oder in Saudi Arabien). Gleichberechtigung ist jedoch eine Voraussetzung für nachhaltige Entwicklung. Grundlage dafür ist neben der rechtlichen Gleichstellung auch der Zugang zu Bildung. Für viele Frauen existiert Bildung als Menschenrecht oft nur auf dem Papier. Bildung eröffnet die Chance auf ein selbst-bestimmtes Leben und zur Teilhabe an einer repräsentativen Demokratie. Darüber hinaus muss die Teilhabe von Frauen am Wirtschafts-kreislauf gestärkt werden, da die durch Bildungszuwächse erworbenen Kompetenzen von Frauen am Arbeitsmarkt häufig noch ungenutzt bleiben.

Das Programmbüro berücksichtigt Ansätze zur Förderung der Gleichberechtigung in der Konzeption und Umsetzung von Pilotprojekten und berät staatliche Institutionen und zivilgesell-schaftliche Akteure in islamisch geprägten Ländern bei der Förderung von Frauen. In der Einführung des Themas Biodiversität in die

Aus dem Themenspektrum des Programmbüros

Aus dem Themenspektrum des Programmbüros

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Curricula algerischer Koranschulen etwa, sind Koranlehrerinnen ein zentraler Partner und wich-tiger Multiplikator. Auch in den Dialogforen des Programmbüros kommt der Betrachtung ent-wicklungspolitischer Themen in Hinblick auf geschlechterspezifische Rollen, Rechte und Bedürfnisse eine wichtige Rolle zu.

>> Brennpunkt Sicherheit

Zahlreiche Konflikte prägen die Region. Zu dem mittlerweile über Jahrzehnte andauernden Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern kommen weitere zwischen- und innerstaatliche Auseinandersetzungen um Ressourcen, Minder-heitenrechte, Chancengleichheit sowie Zugang zu Bildung und Arbeit hinzu. Der internationale Terrorismus stellt auch für die islamisch geprägten Länder eine beständige Bedrohung dar und hat massive Auswirkungen auf ihre Ökonomien. In

den vergangenen Jahren ist das Thema Sicherheit daher immer stärker in den Fokus der internatio-nalen Zusammmenarbeit gerückt. Mit der zuneh-menden Verknüpfung von Entwicklungspolitik mit Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik, kommt der Entwicklungszusammenarbeit eine immer wichtigere Rolle in der Vermittlung eines friedlichen Ausgleichs von Interessen und der Förderung von Aushandlungsprozessen zu. Wie gut sind unsere Fachkräfte auf diese anspruchsvol-len Aufgaben vorbereitet? Wie kann Vertrauen gestärkt und wie Eigenverantwortung unserer Partner für gemeinsame Vorhaben in islamisch geprägten Ländern gestärkt werden? Diesen Fragen stellt sich das Programmbüro. Dem Jahresthema der GIZ 2009 „Sicherheit entwickeln – Entwicklung sichern“ verpflichtet, veranstaltete das Programmbüro in Zusammenarbeit mit der GIZ-Repräsentanz Berlin im Mai 2009 eine Konferenz zum Thema „Blasphemie als internatio-nales Sicherheitsrisiko“. Aufhänger war der soge-

Aus dem Themenspektrum des Programmbüros

Der Entwicklungszusammenarbeit kommt eine immer wichtigere Rolle in der Vermittlung eines friedlichen Ausgleichs von Interessen und der Förderung von Aushandlungsprozessen zu.

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nannte „Karikaturenstreit“, der seit 2005 zu welt-weiten Protesten von Muslimen führte und auch in unseren Partnerländern weit über 100 Menschen das Leben kostete. Daneben haben auch die Veranstaltungen und Fortbildungen des Programmbüros zu interkultureller Kompetenz das Thema Sicherheit zum Fokus – erhöht das Verstehen des religiös-traditionellen Umfeldes in unseren Partnerländern doch die persönliche Sicherheit von Fachkräften der Entwicklungs-zusammenarbeit.

>> Islamische Wirtschaft im Fokus

Das hohe Bevölkerungswachstum sowie die Globalisierung der Wirtschaft verlangen geeignete Reaktionen der islamisch geprägten Länder, um ihre Wirtschaftsstrukturen den sich ändernden Bedingungen anzupassen. Immer mehr junge Menschen drängen auf die Arbeitsmärkte, doch das Wirtschaftswachstum dieser Länder bleibt weitgehend ohne Beschäftigungswirkung. Der wertschöpfende Sektor hat sich in den meisten islamisch geprägten Ländern nicht weiter diffe-renziert, da die Bedeutung des Privatsektors noch relativ gering ist. Zahlreiche informelle Wirt-

schaftsakteure prägen das Bild. Produktivitäts-steigerungen und Beschäftigungsmöglichkeiten für die Bevölkerung sind begrenzt. Insbesondere die Erwerbsquote von Frauen im Mittleren Osten ist weltweit die niedrigste.

Die globale Wirtschaftskrise und deren relativ geringe Auswirkungen auf das islamische Bankwesen hat islamischen Lösungen, wie etwa der islamischen Mikrofinanz, in den vergangenen Jahren starken Aufwind gegeben. Im Raum Mittlerer Osten/Nordafrika und in Zentralasien sind islamische Wirtschaft und Wirtschaftsethik daher zentrale Themen bei Dialogforen des Programmbüros. Gemeinsam mit dem alge rischen Religionsministerium arbeitet das Programmbüro zusammen mit dem deutsch-algerischen Programm für Wirtschaftsförderung an einer effi-zienteren Vergabe von Mikokrediten und einer besseren Verwaltung des Fonds für religiöse Abgaben (Zakat). Eine Reihe von Trainings-veranstaltungen sollen es Bediensteten des Ministeriums für religiöse Angelegenheiten er-möglichen, Kleinunternehmer zukünftig besser zu fördern, Betriebsgründungen auf Basis von Mikrokrediten nachhaltiger zu gestalten und so die Rückzahlungsquote von Krediten zu erhöhen.

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Aus dem Themenspektrum des Programmbüros

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Entwicklung braucht Visionen und handlungs-fähige Allianzen. Dieser Maxime folgend,

initiierte die Veranstaltungsreihe „Runde Tische Maghreb“ einen innovativen Austausch ganz unterschiedlicher Akteure zu drängenden ent-wicklungspolitischen Themen der Region. Religiöse Würdenträger trafen auf Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft, Repräsentanten staatlicher Institutionen auf Aktivisten zivilgesell-schaftlicher Organisationen. Die Veranstaltungs-reihe zu Umwelt, Migration und wirtschaftlicher Entwicklung verdeutlichte vor allem eines: auf dem Weg hin zu gemeinsamen Leitbildern und Lösungen für eine nachhaltige Entwicklung sind Dialog und Reflexion unentbehrlich.

>> Tradition und Moderne

Soziale und ökonomische Veränderungen haben in den letzten Jahrzehnten neben einem deutli-chen Wirtschaftswachstum auch das Erstarken eigener Identitätskonzepte im Maghreb bewirkt. Dies drückt sich vor allem durch die Hinwendung zu islamischen Lösungen, wie etwa dem islami-schen Bankwesen, aus. Im Mittelpunkt der ersten Dialogveranstaltung (Marokko, April 2008) stan-den die für eine nachhaltige Entwicklung bedeut-samen Potentiale von islamischer Wirtschaftsethik sowie die Rolle traditioneller und religiöser Akteure in Entwicklungsprozessen. Dabei wurde auch die schwierige Lage vieler Frauen in der Region thematisiert, welche im Spannungsfeld zwischen traditioneller Geschlechterrolle und den Anforderungen der Moderne ihre wirtschaftlichen Potentiale oftmals nicht ausschöpfen können. Im Rahmen von durchaus kontroversen aber den-noch konstruktiven Diskussionen gelang es den Teilnehmern sich auf gemeinsame Werte und Entwicklungsziele zu verständigen. Erfolgreiche Ansätze aus einzelnen Ländern Nordafrikas dien-ten als Anregungen für eine Weiterführung und Vertiefung des Dialogprozesses.

>> Eine lebenswerte Zukunft schaffen

Umwelt- und Ressourcenschutz sind Themen von besonderer Brisanz in den Ländern des Maghreb und bedeutsam für eine nachhaltigere Entwicklung der Region. Besonders die zunehmende Wasser-knappheit stellt die Menschen Nordafrikas vor enorme Herausforderungen und verlangt nach innovativen Lösungen. Daher standen die Vermittlung von Fachwissen zu den Themen Klimawandel und Umweltschutz ebenso im Mittelpunkt des zweiten Dialogforums (Algerien, November 2008) wie auch die Rolle von sozio-kulturellen und religiösen Werten für eine nach-haltige Umweltentwicklung. Mangelndes Umweltbewusstsein in der Bevölkerung wurde dabei als wesentliches Problem identifiziert. Beispiele aus Tunesien und Algerien verdeutlich-ten, wie auf ganz unterschiedliche Art und Weise – dem jeweiligen politischen und sozio-kulturel-len Kontext der Länder entsprechend – wissen-schaftliche Argumente, traditionelle Werte und religiöse Bildung in der Umwelterziehung wirk-sam miteinander verflochten werden können, um so eine breite Zuhörerschaft zu erreichen. Das

Maghreb: Eckige Themen an Runden Tischen

Maghreb: Eckige Themen an Runden Tischen

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Dialogforum gab den Anstoß für die Aufnahme des Themas Biodiversität in den Lehrplan von Koranschulen in Annaba, Algerien.

>> Jugend, Bildung & Migration

Eine hohe Arbeitslosigkeit und die damit verbun-dene Perspektivlosigkeit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind charakteristisch für die Länder des Maghreb. Mit der Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben im Gepäck kehren daher viele Menschen Nordafrika den Rücken. Die meisten von ihnen zieht es nach Europa. Die dritte Veranstaltung der Reihe „Runde Tische Maghreb“ (Spanien, April 2009) widmete sich den Ursachen, dem Ausmaß und den Folgen von Migration, mit einem besonderen Augenmerk für die Probleme junger Menschen und Frauen. Es

herrschte Einvernehmen unter den Teilnehmern, dass nur durch eine Reihe komplementärer Maßnahmen die negativen Folgen von Migration eingedämmt und ihre Entwicklungspotentiale genutzt werden können. Diese müssen sowohl staatlicher, privater, lokaler, regionaler als auch internationaler Natur sein. Eine bessere gesell-schaftliche Integration junger Menschen und ein verbesserter Zugang zu Bildungsmöglichkeiten von hoher Qualität sind dabei wesentliche Faktoren. Was Politik, Zivilgesellschaft und reli-giöse Akteure konkret bei der Verbesserung der Lebensumstände und Zukunftsperspektiven jun-ger Menschen leisten können und welche Band-breite das aktuelle zivilgesellschaftliche Engage-ment im Maghreb bei der Förderung von jungen Menschen hat, verdeutlichten Projektbeispiele aus den Ländern Nordafrikas.

Maghreb: Eckige Themen an Runden Tischen

Soziale und ökonomische Veränderungen haben in den letzten Jahrzehnten neben einem deutlichen Wirtschafts-wachstum auch das Erstarken eigener Identitätskonzepte im Maghreb bewirkt.

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Algerien: Grüner Islam

Algerien: Grüner Islam

Die islamisch geprägten Länder Nordafrikas, des Mittleren Ostens und Zentralasiens sind

in besonderem Maße vom globalen Klimawandel, zunehmender Desertifikation und dem Rückgang natürlicher Ressourcen betroffen. Die Über-nutzung der Wasserressourcen etwa gefährdet die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung genauso wie die landwirtschaftliche Produktion. Deshalb gewinnt der Diskurs um Umweltbewusstsein und Umweltschutz in diesen Regionen immer stärker an Bedeutung. Auch von islamischen Theologen wird der Gedanke immer öfter aufgegriffen und inzwischen publikumswirksam in Freitagspredigten thematisiert.

In der islamischen Vorstellung zur Beziehung von Mensch und Natur sind vier zentrale Begriffe verankert, die der islamisch-ökologische Diskurs als Pflicht der Gläubigen zum Umweltschutz interpretiert. Sie werden aus den traditionellen Quellen wie dem Koran, der Sunna und den Hadithen hergeleitet: es sind die Schöpfung Gottes, die es zu bewahren gilt (Fitra), die Einheit der Schöpfung, in der alle Dinge in Beziehung zueinander stehen (Tauhid), das Gleichgewicht der Schöpfung, das einen perfekten Zustand dar-stellt und deshalb wieder hergestellt werden muss bzw. nicht zerstört werden darf (Mizan) und die Rolle des Menschen als Sachverwalter von Gottes Schöpfung (Khilafa). Nach Auslegung der ökolo-gischen Theologie verpflichtet der Koran auch zum Ressourcenschutz, fordert doch Sure 7:31 die Gläubigen dazu auf, Verschwendung und Übertreibung zu vermeiden.

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>> Imame für den Umweltschutz

Mit den Zielen der deutschen Entwicklungszusam-menarbeit lässt sich dieses ökologisch-theologi-sche Verständnis sehr gut vereinbaren. Der reli-giöse Sektor wird von der GIZ daher zunehmend in Entwicklungsmaßnahmen eingebunden und religiöse Würdenträger aufgrund ihrer herausra-genden Stellung in den Gesellschaften vieler isla-misch geprägter Länder als Multiplikatoren einge-bunden. So können breite Kreise der Bevölkerung für umweltrelevante Themen sensibilisiert wer-den.

Maßnahmen wie die Entwicklung eines Hand-buches für Imame zur Rolle der Moschee bei der Umwelterziehung oder eines Lehrbuches zu Biodiversität für Koranschulen erwiesen sich dabei als sehr erfolgreich. Wie das Handbuch, welches Imamen religiöse Argumentationshilfen bietet, um das Thema Umweltschutz für Freitagspredigten aus dem Koran herzuleiten, ist auch das Lehrbuch zu Biodiversität aus Kooperationen zwischen dem deutsch-algerischen Programm für integriertes Umweltmanagement, den algerischen Ministerien für Umwelt und für Religion sowie dem Programmbüro Interkulturelle Beziehungen mit islamisch geprägten Ländern entstanden. Der Erfolg dieser Maßnahmen strahlt weit über Algerien hinaus und findet Resonanz in Projekten im Jemen, Pakistan, Bangladesch und Afghanistan.

Im Film „Glaube der Veränderung – Algerische Imame für den Umweltschutz“ wurde das Pilot-projekt im algerischen Annaba durch das Programmbüro dokumentiert.

>> Biodiversität an Koranschulen

Das Lehrbuch zu Biodiversität legt großen Wert darauf, Schülern die Bedeutung von ökologischer Vielfalt für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen verständlich zu vermitteln. Gleichzeitig arbeitet das gemeinsam von algerischen Naturwissen-schaftlern und Religionsgelehrten entworfene Buch die Verbindung von Umwelt zum Islam auf Basis der religiösen Quellen heraus. Das Lehrbuch erklärt anschaulich den Einfluss des Menschen auf Ökosysteme und die Atmosphäre, die Zusammen-hänge von Umweltverschmutzung und Krank-heiten, die Vielfalt des Lebens, von Mikro-organismen bis zum Menschen. An einer Reihe von Koranschulen der algerischen Pilotregion Annaba wurde das Lehrbuch bereits im Unterricht getestet. 20 Koranlehrerinnen und Koranlehrer wurden in seiner Anwendung ausgebildet und rund 2000 Schüler mit dem Thema Biodiversität vertraut gemacht. Der algerische Religionsminister sprach sich für eine weitere Verbreitung des Lehrbuches an den Koranschulen des Landes aus. 2011 soll es in enger Kooperation mit dem Religionsministerium an Koranschulen der westalgerischen Stadt Tlemcen eingeführt werden und von dort im Rahmen der offiziellen Veranstaltungen „Islamische Kulturhauptstadt Tlemcen 2011“ weiter in die gesamte islamische Welt getragen werden.

Algerien: Grüner Islam

Der Koran verpflichtet zum Resourcenschutz und fordert die Gläubigen auf, Verschwendung und Übertreibung zu vermeiden.

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Tadschikistan: Staat und Zivilgesellschaft im Dialog

Muslime stellen in den ehemaligen Sowjet-Republiken Zentralasiens einen hohen

Anteil an der Bevölkerung. Das Verhältnis zwi-schen Regierungen und zivilgesellschaftlichen wie auch islamischen Akteuren ist jedoch oft ange-spannt. Während das offizielle Staatsverständnis weiterhin säkular, atheistisch und tendenziell autoritär ist, kommt islamischen Werten, Normen und Institutionen aber oft eine wichtige Rolle bei Themen wie Bildung, Gesundheit, wirtschaftli-cher und sozialer Entwicklung zu.

Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit enga-giert sich in Zentralasien vor allem in den Bereichen Wirtschaft und Bildung. Sie geht dabei konfliktsensibel vor und fördert gezielt beteili-gungsorientierte Dialog- und Aushandlungs-prozesse. Hierbei ist das Programmbüro beratend tätig. So wurden beispielsweise 2007 in Tadschikistan, Kirgisistan und Usbekistan die Studien „Rahmenbedingung für die nachhaltige Wirtschaftsförderung in Zentralasien: kulturell-reli-giöse und politische Aspekte sowie Konfliktpotentiale und Ursachen von Fragilität“ durchgeführt. Diese legten nahe, Möglichkeiten für Bürgerinnen und Bürgern zu schaffen, die politische, wirtschaftli-che und soziale Entwicklung ihrer Länder stärker als bislang mitzugestalten.

>> Entwicklung mitgestalten

Dieser Empfehlung folgend wurde zwischen 2008 und 2010 in Tadschikistan eine Reihe von Dialogforen zu entwicklungspolitischen Themen durchgeführt, welche nachhaltige und partizi-pative Aushandlungsprozesse anstoßen sollten. Die Foren richteten sich an Vertreter des Staats-apparates, der Zivilgesellschaft, der Medien, der Privatwirtschaft sowie an religiöse Akteure und Vertreter der deutschen und internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Die Foren zu den Themen Bildung, Wirtschaft und Migration

wurden jeweils in enger Zusammenarbeit mit Vorhaben der deutschen Entwicklungszusam-menarbeit sowie mit tadschikischen staatlichen Partnern (so den Ministerien für Erziehung, Arbeit und Soziales) durchgeführt.

Kulturelle und religiöse Faktoren nahmen in den Gesprächen eine prominente Rolle ein und wur-den von den Teilnehmern, intensiv aber auch kontrovers diskutiert. Dazu zählten etwa die Rolle der religiösen Schulen (Medressen) im Land, sowie der Einfluss von religiösen Autoritäten auf Entwicklungsthemen, wie beispielsweise Mädchenbildung. Sensible Themen wie die Bekämpfung von Korruption im Schulwesen und der Wirtschaft wurde ebenso thematisiert wie auch die zunehmende Religiosität der Bevölkerung und deren Auswirkungen auf das Staatsverständnis und die staatliche Religionspolitik. Wichtige Herausforderungen, denen man sich in Tadschikistan stellen muss, sind vor allem in der Verbesserung der Qualität der Bildung, in der

Tadschikistan: Staat und Zivilgesellschaft im Dialog

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Reform des Wirtschaftssystems, in der Steuerung der Arbeitsmigration sowie der Gestaltung eines demokratischen und partizipativen politischen Systems zu sehen. Hierfür wurden von den Teilnehmern der Dialogforen Empfehlungen ent-wickelt, welche sich sowohl an die tadschikische Seite als auch an die deutsche und internationale Entwicklungszusammenarbeit richteten.

>> Vertrauensbildung zwischen Staat und Gesellschaft

Vom Bildungsminister wurde eine dieser Em- pfehlungen umgehend aufgenommen. Er bat die tadschikische Steuerungsgruppe der Dialogforen, ein Curriculum für das Fach Religionskunde aus-zuarbeiten, welches seit Oktober 2009 fest im

Lehrplan der staatlichen Schulen verankert ist. Dies trägt wesentlich zur Normalisierung vom Umgangs des Staates mit einer zunehmend reli-giösen Bevölkerung bei. Die aktive Teilnahme von Ministern und ranghohen Vertretern des Staatsapparates zeigte ein wachsendes Interesse der Regierung an einem Dialog mit der Zivilgesellschaft. Somit konnten die Dialogforen einen Beitrag zur Vertrauensbildung zwischen Staat, Zivilgesellschaft und religiösen Akteuren leisten. Zudem weckten die Foren auch die Aufmerksamkeit der Medien. So strahlte das staatliche tadschikische Fernsehen eine umfang-reiche Video-Dokumentation zur Dialogreihe und der Arbeit der deutschen Entwicklungs-zusammenarbeit aus.

Tadschikistan: Staat und Zivilgesellschaft im Dialog

Die Diologforen des Programmbüros stoßen in Zentralasien gezielt beteiligungsorientierte Aushandlungsprozesse an

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Grundlegend für die nachhaltige Entwicklung unserer Partnerländer ist neben der engen

Verzahnung mit den deutschen und „klassischen“ internationalen Akteuren der Entwicklungs-zusammenarbeit auch eine vertiefte Kooperation mit regionalen Gebern. Neben den Mitglieds-ländern der OECD haben die arabischen Staaten in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung in der Gebergemeinschaft gewonnen. Der Aufbau von Netzwerken zur Förderung zivil-gesellschaftlicher Organisationen und benachtei-ligter Bevölkerungsgruppen in enger Zusam-menarbeit mit islamischen und arabischen Geberorganisationen, war daher von Beginn an einer der Schwerpunkte der Arbeit des Programmbüros. Zur Vertiefung dieser Bezie-

hungen erteilte das BMZ der GIZ im Jahr 2009 den Auftrag, ein regionales Programm zur Kooperation mit arabischen Gebern im Raum Mittlerer Osten/Nordafrika (MENA) aufzubauen.

>> Synergien fördern

Im Hintergrund stand die Überlegung, dass eine bessere Zusammenarbeit zwischen deutschen und arabischen Entwicklungsorganisationen Synergien fördern und durch die Einbeziehung der Erfahrungen beider Seiten die Entwicklungs-zusammenarbeit noch nachhaltiger und wir-kungsvoller gestaltet werden kann. Vor allem die Mitgliedsländer des Golf-Kooperationsrats verfü-

Zusammenarbeit mit arabischen Gebern

Zusammenarbeit mit arabischen Gebern

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Zusammenarbeit mit arabischen Gebern

Neben den Mitgliedsländern der OECD haben die arabischen Staaten in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung in der Gebergemeinschaft gewonnen.

gen über spezialisierte Institutionen zur Vergabe von Entwicklungshilfe. Neben den direkten Finanztransfers, die überwiegend direkt an die Staatshaushalte der arabischen Länder fließen, werden Zuwendungen und Kredite über nationa-le und multilaterale Fonds sowie durch staatsnahe und private Nichtregierungsorganisation und Stiftungen vergeben. Wichtige Sektoren für arabi-sche Entwicklungszusammenarbeit sind Bildung, Gesundheit, Energie- und Wasserversorgung, Umwelt- und Klimaschutz, Landwirtschaft und Ernährungssicherung sowie humanitäre Hilfe und Armutsbekämpfung. Damit sprechen arabi-sche Geber Bereiche an, in denen auch die OECD- Mitgliedsländer tätig sind.

Das regionale GIZ Programm „Zusammenarbeit mit arabischen Gebern in MENA“ mit Sitz im Jemen hat im Auftrag des BMZ einen offenen Regionalfond eingerichtet, aus dem Projekte in verschiedenen arabischen Ländern anteilig finan-ziert werden. An jedem Projekt sind mindestens eine arabische Geberorganisation sowie Durch-führungsorganisationen in den Empfängerländern beteiligt. Die gemeinsamen Projekte fördern vor allem zivilgesellschaftliche Strukturen und tragen zur Armutsbekämpfung bei. Arabische Fachkräfte aus der Region und aus Deutschland beraten die beteiligten Organisationen bei der Planung, Durchführung und Auswertung der Maßnahmen. Merkmale dieser arabisch-deutschen Dreiecks-kooperationen sind transparente Prozesse, eine gute Vernetzung mit anderen arabischen Institu-tionen, kultursensible Ansätze sowie eine gemein-same Außendarstellung.

>> Regionale Geber als strategische Partner

Ein wichtiger Partner ist das Arab Gulf Programme for Development (AGFUND), eine multilaterale Organisation mit Sitz in Saudi-Arabien, die von sechs Golfstaaten finanziert wird. Gemeinsam fördern die GIZ und AGFUND im Jemen ein Projekt zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Das Projekt vermittelt Frauen und Mädchen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, sowie aus der Haft entlassenen Frauen bes-sere Zugänge zu Ausbildung und Kleinkrediten und hilft bei Existenzgründungen. Dabei arbeiten die GIZ und AGFUND eng mit Mikrofinan-zierungsinstitutionen, sozialen Einrichtungen, Gefängnissen und der Polizei im Jemen zusam-men. Ein weiteres Projekt mit AGFUND ist die Förderung des Center for Arab Women Training and Research (CAWTAR) mit Sitz in Tunis. CAWTAR führt in Jemen, Syrien und Tunesien Maßnahmen durch, um Dienstleistungen für Frauen im Gesundheitswesen zu verbessern. Wei-tere Partner sind die Arab Democracy Foundation und Silatech. Beide Organisationen haben ihren Sitz in Katar und werden von der katarischen Regierung finanziert, um Projekte zur Förderung von Jugendlichen in arabischen Ländern durchzu-führen. Eine Reihe von Projekten mit der Islamic Development Bank sind in Vorbereitung.

Durch die gemeinsame Arbeit konnten der Vertrauensaufbau und Dialog mit arabischen Geberorganisationen wesentlich verbessert werden. Darüber hinaus stellt das Programm Informationen zur Arbeitsweise und Vergabepraxis arabischer Geber zur Verfügung, von denen die Programme der deutschen Entwicklungszusammenarbeit bei der Einwerbung von Kombifinanzierungen profitieren können.

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Publikationen des Programmbüros

Publikationen des Programmbüros

• Islamistische und jihadistische Akteure in den Partnerländern der deutschen Entwicklungs­zusam menarbeit (Buch 2013, von Oliver Schlumberger, Peer Gatter & Danaë Panissié, ISBN 978-3-00-041118-2) – verfügbar auf Deutsch.

• Eine Theologie der Natur – Biodiversität als Unterrichtsfach an algerischen Koranschulen (Broschüre, 2012) – verfügbar auf Deutsch und Französisch.

• Eine Theologie der Natur ­ Biodiversität als Unterrichtsfach an algerischen Koranschulen (Film 14 min., 2012) – verfügbar auf Deutsch, Französisch und Arabisch.

• Sharia und Entwicklungszusammenarbeit (3. Auflage 2013) - Deutsch.

• Islam und Entwicklungszusammenarbeit – Ein Widerspruch? / Islam and Development Cooperation/Islam et la Coopération au Développement (2010-2012) – verfügbar auf Deutsch, Englisch, Französisch und Arabisch.

• Lehrbuch zu Biodiversität für Koranschulen (La Biodiversité - Défis et Solutions, 2010 / Biodiversity Education in Algerian Quranic Schools, 2012) – verfügbar auf Französisch, Englisch und Arabisch.

• Challenges of Migration and Employment in Tajikistan against the Background of the Global Financial Crisis (Tajikistan Forum 3, 2010) – verfügbar auf Englisch und Russisch.

• Challenges of Economic Development in Tajikistan under the Conditions of the Global Economic Crisis (Tajikistan Forum 2, 2010) – verfügbar auf Englisch und Russisch.

• Challenges and main Directions of Development of the Education Sector in Tajikistan (Tajikistan Forum 1, 2008) – verfügbar auf Englisch und Russisch.

• Glaube der Veränderung – Algerische Imame für den Umweltschutz (Film 25 min.) – verfügbar auf Deutsch und Französisch.

• The role of the Mosque in environmental education / La Rôle de la Mosquée dans L’Éducation Environnementale (Handbuch für Imame zur Gestaltung von Freitagspredigten, 2008) - verfügbar auf Englisch, Französisch und Arabisch.

• Young People, Migration and Education (Maghreb Round Table 3, Sevilla, Spain, 2009) – verfüg-bar auf Englisch und Französisch.

• Creating a Future Worth Living: Supporting Environmental Ethics in the Maghreb (Maghreb Round Table 2, Algier, Algerien, 2008) – verfügbar auf Englisch und Französisch.

• Tradition and Modernization – Promoting Sustainable Economic Development (Maghreb Round Table 1, Ifrane Marokko, 2008) – verfügbar auf Englisch und Französisch.

• Politischer Islam in arabischen Ländern (2008) -Deutsch.

• Materialsammlung „Islam und TZ in Afrika“ (2006).

• Entwicklungszusammenarbeit in islamisch geprägten Ländern – Beispiele aus der Arbeit der GIZ/ Development Cooperation in Muslim Countries – The Experience of the German Technical Cooperation (2006) – verfügbar auf Deutsch und Englisch.

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Publikationen des Programmbüros

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Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH

Dag-Hammarskjöld-Weg 1-565760 EschbornT +49 (0) 6196 79-0F +49 (0) 6196 79-1115E [email protected] www.giz.de

ISBN 978-3-944152-16-5