10
120 KAPITEL 4.7 STÄDTE UND BALLUNGSRÄUME KAPITEL 4.7 STÄDTE UND BALLUNGSRÄUME

KAPITEL 4 - umwelt.nrw.de€¦ · Abb. 4.7.1: Maximale Temperaturunterschiede (dt) in Kelvin (K) zwischen Stadtzentrum und Umland in Abhängigkeit von der Einwohnerzahl für Städte

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: KAPITEL 4 - umwelt.nrw.de€¦ · Abb. 4.7.1: Maximale Temperaturunterschiede (dt) in Kelvin (K) zwischen Stadtzentrum und Umland in Abhängigkeit von der Einwohnerzahl für Städte

120 KAPITEL 4.7 STÄDTE UND BALLUNGSRÄUME

KAPITEL 4.7STÄDTE UND BALLUNGSRÄUME

MUNLV_Doku_1004_END 10.04.2009 19:09 Uhr Seite 120

Page 2: KAPITEL 4 - umwelt.nrw.de€¦ · Abb. 4.7.1: Maximale Temperaturunterschiede (dt) in Kelvin (K) zwischen Stadtzentrum und Umland in Abhängigkeit von der Einwohnerzahl für Städte

MUNLV_Doku_1004_END 10.04.2009 19:09 Uhr Seite 121

Page 3: KAPITEL 4 - umwelt.nrw.de€¦ · Abb. 4.7.1: Maximale Temperaturunterschiede (dt) in Kelvin (K) zwischen Stadtzentrum und Umland in Abhängigkeit von der Einwohnerzahl für Städte

Städte und Ballungsräume

Nordrhein-Westfalen ist das bevölkerungsreichste und am dichtesten besiedelteBundesland Deutschlands. Über 8 Millionen Menschen leben in Städten mit mehrals 100.000 Einwohnern, wobei eine außergewöhnlich hohe Konzentration vondicht besiedelten, verstädterten Gebieten im Rhein-Ruhr-Raum vorzufinden ist.

Städte und Klimawandel

In den dicht bebauten Ballungszentren Nordrhein-Westfalens werden einige Fol-gen des Klimawandels besonders deutlich zu spüren sein. Stadtplanerisch rele-vant sind die zu erwartenden häufigeren und längeren Hitzeperioden und Nieder-schlagsänderungen in Form von zunehmenden Starkregenereignissen, häufigerenFlusshochwässern und einem Anstieg der mittleren Grundwasserstände in einigenRegionen (vgl. Kap. 4.4).

Die stärksten Betroffenheiten lösen in den Ballungszentren und GroßstädtenNordrhein-Westfalens die Hitzeperioden aus. In Kapitel 4.6 wurde bereits darge-stellt, dass so genannte städtische Hitzeinseln die Belastung durch zunehmendeHitze noch verstärken. Städtische Gebiete mit hoher Bebauungs- und Bevölke-rungsdichte sowie hohem Versiegelungsgrad weisen durchschnittlich höhere Tem-peraturen auf als das unbebaute Umland, wobei das Temperaturgefälle in den frü-hen Nachtstunden besonders ausgeprägt ist. Ein solches Temperaturgefälleentsteht zum einen durch den höheren städtischen Energieverbrauch durch Ver-kehr und Energieproduktion und zum anderen dadurch, dass die städtische Be-bauung eine größere Oberfläche zur Wärmespeicherung bietet und außerdem inStädten generell eine geringere Luftzufuhr erfolgt.

MUNLV_Doku_1004_END 10.04.2009 19:09 Uhr Seite 122

Page 4: KAPITEL 4 - umwelt.nrw.de€¦ · Abb. 4.7.1: Maximale Temperaturunterschiede (dt) in Kelvin (K) zwischen Stadtzentrum und Umland in Abhängigkeit von der Einwohnerzahl für Städte

KAPITEL 4.7 STÄDTE UND BALLUNGSRÄUME 123

Abb. 4.7.1 verdeutlicht den Zusammenhang zwi-schen der Ausprägung des Hitzeinseleffekts undder Stadtgröße für verschiedene Städte in Nord-rhein-Westfalen. Es wird deutlich, dass der maxi-male Temperaturunterschied der großen Innen-städte gegenüber dem Umland bis zu 9 °C

betragen kann. Gleichzeitig zeigt sich auch, dassselbst bei kleineren Städten unter 100.000 Ein-wohner ein messbarer Wärmeinseleffekt auftre-ten kann.

Abb. 4.7.1: Maximale Temperaturunterschiede (dt) in Kelvin (K) zwischen Stadtzentrum und Umland in Abhängigkeit von der

Einwohnerzahl für Städte in Nordrhein-Westfalen (Quelle: Messdaten der Abt. Angewandte Klimatologie und

Landschaftsökologie, Universität Duisburg-Essen, ergänzt)

MUNLV_Doku_1004_END 10.04.2009 19:09 Uhr Seite 123

Page 5: KAPITEL 4 - umwelt.nrw.de€¦ · Abb. 4.7.1: Maximale Temperaturunterschiede (dt) in Kelvin (K) zwischen Stadtzentrum und Umland in Abhängigkeit von der Einwohnerzahl für Städte

Der ländliche Raum übt meist eine ausgleichende Funk-tion für die verstädterten Bereiche aus. Abb. 4.7.2 zeigt amBeispiel des Ruhrgebietes, wie sich die hoch verdichtetenInnenstädte zu einer vom Umland deutlich abgegrenztenWärmeinsel bzw. einem Wärmearchipel zusammenfügen.

Ein weiterer Grund für höhere Temperaturen in der Stadtist die dort geringere Verdunstung von Wasser durchPflanzen, die allgemein kühlend wirkt. Untersuchungenhaben gezeigt, dass Grün- und Erholungsflächen in einerEntfernung von weniger als 150 m und einer Größe vonmind. 2,5 ha Fläche den Hitzeinseleffekt verringern kön-nen (s. PIK-Studie). Das PIK hat daher in der Rhein-Ruhr-Region – einer Region mit hohem Hitzeinselpotenzial –verschiedene Gebiete analysiert, die nicht in der Näheeiner städtischen Grünfläche liegen. Abb. 4.7.3 zeigt an-hand der rot markierten Gebiete deutlich, dass hier häufigkein Ausgleich durch Grünflächen gewährleistet ist.

124 KAPITEL 4.7 STÄDTE UND BALLUNGSRÄUME

Abb. 4.7.2: Klimatopkarte des Ruhrgebietes (Quelle: RVR)

MUNLV_Doku_1004_END 10.04.2009 19:09 Uhr Seite 124

Page 6: KAPITEL 4 - umwelt.nrw.de€¦ · Abb. 4.7.1: Maximale Temperaturunterschiede (dt) in Kelvin (K) zwischen Stadtzentrum und Umland in Abhängigkeit von der Einwohnerzahl für Städte

Die zunehmende Hitzebelastung in Nordrhein-Westfalen entsteht generell nicht durch denprojizierten Anstieg der mittleren Temperatur,sondern vor allem dadurch, dass es häufiger be-sonders heiße Tage im Sommer gibt. Dabeispielt es eine entscheidende Rolle, dass diesommerlichen Hitzewellen nicht nur stärker,sondern auch über einen längeren Zeitraum an-dauern werden (vgl. Kapitel 4.6).

Infolge des Klimawandels verändert sich darü-ber hinaus auch die räumliche und zeitliche Ver-teilung von Niederschlägen. Neben dem Trendzu trockeneren Sommern und feuchteren Win-tern nehmen auch die Bandbreite der Nieder-schläge und damit die Häufigkeit von Nieder-schlagsextremen zu.

KAPITEL 4.7 STÄDTE UND BALLUNGSRÄUME 125

Abb. 4.7.3: Städtische Grünflächen und möglicher Einfluss auf das Stadtklima (rote Flächen liegen außerhalb des Wirkradius

einer Grünfläche) (Quelle: PIK)

MUNLV_Doku_1004_END 10.04.2009 19:09 Uhr Seite 125

Page 7: KAPITEL 4 - umwelt.nrw.de€¦ · Abb. 4.7.1: Maximale Temperaturunterschiede (dt) in Kelvin (K) zwischen Stadtzentrum und Umland in Abhängigkeit von der Einwohnerzahl für Städte

Durch Starkregen- und Hochwasserereignisse sowie Trockenperioden im Som-mer entsteht eine wachsende Gefährdung für Siedlungsbereiche in Nordrhein-Westfalen. Starkregen können zu Überlastungen der Entwässerungssystemeund zu Binnenhochwässern mit Überschwemmungen führen. Es ist in Zukunftmit einer Zunahme von Gebäude- und Infrastrukturschäden durch Starkregen-ereignisse zu rechnen. Ein hoher Versiegelungsgrad erhöht die Verwundbarkeitvon Siedlungsstrukturen gegenüber Sturzregen.

Handlungsoptionen

Die Klimaprojektionen zeigen, dass ab den 2030er-Jahren mit einer erhebli-chen Zunahme der Auswirkungen des Klimawandels zu rechnen ist. Aufgrundder niedrigen Geschwindigkeit eines nachhaltigen Stadtumbaus müssen An-passungsmaßnahmen für künftige Veränderungen deshalb so früh wie möglichbeginnen. Heute geplante Gebäude oder Infrastruktur werden auch in dennächsten 50–100 Jahren genutzt.

MUNLV_Doku_1004_END 10.04.2009 19:09 Uhr Seite 126

Page 8: KAPITEL 4 - umwelt.nrw.de€¦ · Abb. 4.7.1: Maximale Temperaturunterschiede (dt) in Kelvin (K) zwischen Stadtzentrum und Umland in Abhängigkeit von der Einwohnerzahl für Städte

Um die Hitzebelastung zu verringern, wird eineUmgestaltung der Stadt- und Gebäudearchitek-tur notwendig. Vorrangig sollten dabei Maßnah-men umgesetzt werden, die den direkten Hitze-eintrag reduzieren:

■ Freiraumplanung: Urbane Grünflächenhaben eine hohe Bedeutung für das Lokal-klima, da von ihnen sowohl tagsüber durchSchattenwurf und Verdunstung als auchnachts durch Kaltluftbildung und Luftaus-tausch eine kühlende Wirkung ausgeht. Ge-rade bei der Freiraumplanung tritt aber einZielkonflikt mit dem Klimaschutz auf. Wer-den innerstädtische Freiflächen bebaut, soführt das zu kompakten Siedlungsstruktu-ren, die flächen-, verkehrs- und energiespa-

rend sind, den Wärmeinseleffekt aber ver-stärken können.

■ Bebauungsgrenzen festsetzen: Frischluftund Kaltluft aus der Umgebung tragen we-sentlich zur Abschwächung der Hitzebelas-tung in Innenstädten bei. Deshalb sollte dieStadtbelüftung über innerstädtische Grün-züge und Frischluftschneisen gesichert unddiese durch Bebauungsgrenzen freigehaltenwerden. Auch im Umland einer Stadt solltedie Zersiedelung durch Bebauungsgrenzenverhindert werden, um ausreichend Freiflä-chen für den Luftaustausch mit der Innen-stadt zur Verfügung zu haben.

MUNLV_Doku_1004_END 10.04.2009 19:09 Uhr Seite 127

Page 9: KAPITEL 4 - umwelt.nrw.de€¦ · Abb. 4.7.1: Maximale Temperaturunterschiede (dt) in Kelvin (K) zwischen Stadtzentrum und Umland in Abhängigkeit von der Einwohnerzahl für Städte

■ Begrünung von Straßenzügen: Im innerstädtischenBereich kann auch die Begrünung von Straßenzügenmit Bäumen und Sträuchern die Hitzewirkung vermin-dern. Der Schatten der Vegetation sowie Verdunstungund Transpiration der Pflanzen reduzieren die Aufhei-zung der versiegelten Stadtbereiche.

■ Wasserflächen: Offene Wasserflächen haben eineausgleichende Wirkung auf die Lufttemperaturen inder Umgebung. Wasser erwärmt sich im Vergleich zurLuft relativ langsam, dadurch sind Wasserflächen imSommer relativ kühl. Die Verdunstung von Wasser ver-braucht Wärmeenergie aus der Luft und trägt zur Ab-kühlung der aufgeheizten Innenstadtluft bei.

■ Dach- und Fassadenbegrünung: Begrünte Dächerund Hausfassaden können als kleinste Grünflächen imStadtgebiet angesehen werden. Das Blattwerk, dasLuftpolster und die Verdunstung in der Vegetations-schicht vermindern ein Aufheizen der Dachfläche bzw.Hauswand im Sommer und den Wärmeverlust desHauses im Winter. Ein zusätzlicher Effekt von Dach-und Fassadenbegrünungen ist die positive Auswirkung

auf den Wasserhaushalt. 70% bis 100% der Nieder-schläge werden in der Pflanzenschicht aufgefangenund durch Verdunstung wieder an die Stadtluft abge-geben. Dies führt zu einer höheren Luftfeuchtigkeitund trägt zur Abkühlung versiegelter Stadtteile bei.Gleichzeitig werden Starkniederschläge erst zeitverzö-gert an die Kanalisation abgegeben, was das Stadtent-wässerungsnetz entlastet.

■ Gebäudedesign: Durch zunehmenden Hitzestress imSommer kommt der Kühlung von Gebäuden in Zu-kunft eine steigende Bedeutung zu. Bei der Gebäude-planung kann ein sommerlicher Hitzeschutz durch geeignete Gebäudeausrichtungen mit Hauswandver-schattung, angebauten Verschattungselementen undWärmedämmung erreicht werden. Helle Baumateria-lien reflektieren mehr kurzwellige Sonneneinstrahlung.Dadurch heizt sich ein Haus weniger stark auf. Groß-flächig in der Stadtplanung angewandt, kann somit derWärmeinseleffekt verringert werden.

Die in Zukunft zu erwartende hohe Bandbreite von Nieder-schlägen erfordert eine größere Anpassungskapazität inder Siedlungsentwässerung. Zum einen ist eine Anpas-sung der Infrastruktur an veränderte Starkregenintensitä-ten und -häufigkeiten notwendig, zum anderen die Ausweitung der natürlichen Rückhalte- und Versicke-rungsflächen für Niederschläge (s. hierzu auch Kap. 4.4):

128 KAPITEL 4.7 STÄDTE UND BALLUNGSRÄUME

MUNLV_Doku_1004_END 10.04.2009 19:10 Uhr Seite 128

Page 10: KAPITEL 4 - umwelt.nrw.de€¦ · Abb. 4.7.1: Maximale Temperaturunterschiede (dt) in Kelvin (K) zwischen Stadtzentrum und Umland in Abhängigkeit von der Einwohnerzahl für Städte

■ Siedlungswasserwirtschaft: Als Maßnahmender Siedlungswasserwirtschaft sind die Dimen-sionierung von Speicherbecken und Kanalisa-tion, die Entlastung von Abwasseranlagen durchdezentrale Maßnahmen zur Versickerung, Rück-haltung oder Nutzung von Niederschlagswasseroder die flexible Auslegung und der flexible Be-trieb der Entwässerungssysteme zu nennen.

■ Hochwasserangepasste Bauweisen: Hoch-wassergefahren können am besten vermiedenwerden, wenn hochwassergefährdete Bereichevon jeglicher Bebauung freigehalten werden.Des Weiteren kann ein Verbot des Baus von Kel-lergeschossen in hochwassergefährdeten Ge-bieten sinnvoll sein. Alternativ können verän-derte Kellerkonstruktionen mit Wannen imFundament oder erhöhten Kellerwänden dieHochwassersicherheit verbessern.

■ Bodenentsiegelung: Auch durch Bodenentsie-gelungskonzepte kann der Starkregenabflussverringert werden. Sinnvoll ist ein dezentralesWassermanagement im urbanen Raum, dasdurch Vernetzung von innerstädtischen Grün-flächen zur Ableitung, Versickerung und Ver-dunstung von Niederschlägen führt. Entsiege-lungen von großen Flächen wie Parkplätzenschaffen ortsnahe Versickerungsflächen fürNiederschläge. Ein positiver Nebeneffekt derFlächenentsiegelung im innerstädtischen Be-reich ist die kühlende Wirkung durch Verduns-tung, die von diesen Flächen ausgeht.

KAPITEL 4.7 STÄDTE UND BALLUNGSRÄUME 129

Projekte und Maßnahmen inNordrhein-Westfalen

Handbuch Stadtklima: Der RegionalverbandRuhr entwickelt im Auftrag des MUNLV bisEnde 2009 ein so genanntes „HandbuchStadtklima“ Hierin werden Problembereicheim Zusammenhang mit den projizierten Kli-maänderungen identifiziert und Maßnahmenzur Anpassung an den Klimawandel beschrie-ben. Dieses Handbuch soll der Stadtplanungin Zukunft als Leitfaden zu einer klimagerech-ten Gestaltung von Städten dienen.

Innerstädtische Grünflächen sind wichtig für das lokale Klima. Sie sorgen für regelmäßigen Luftaustausch, für Kühlung

und verringern so die Hitzebelastung.

MUNLV_Doku_1004_END 10.04.2009 19:10 Uhr Seite 129