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Kapitel 4
Gleichgewicht von
Stabwerken
Durch die Festlegung auf die grundlegenden Elementtypen und die kno-tenzentrierten Koordinatensysteme ist der Weg zur Formulierung derGleichgewichtsbedingungen vorgezeichnet. Wir betrachten nur Stab-werke, die aus den in Kapitel 3 festgelegten Elementtypen aufgebautsind und nehmen an, da� die Elementsgleichgewichtsbedingungen
(ai)TF i = Si (4.1)
in den knotenzentrierten Koordinatensystemen des linken und rechtenKnotens (Element i) bekannt sind. Das Prinzip der Berechnung l�a�tsich damit einfach darstellen.
4.1 Grundlagen
Eine wesentliche Grundlage ist das Schnittprinzip: Wir denken uns dieeinzelnen Elemente des Stabwerks herausgeschnitten. F�ur die Wechsel-wirkung zwischen Element und Knoten gilt das Gegenwirkungsprinzip:
1
2 KAPITEL 4. GLEICHGEWICHT VON STABWERKEN
actio = reactio; die Stabendkr�afte in einem durch einen Schnitt freige-legten Stabende sind den auf den Knoten wirkenden Kr�aften entgegen-gerichtet und dem Betrage nach gleich gro� (Abbildung 4.1)
Abbildung 4.1: Erl�auterung zum Schnittprinzip
F�ur ein Tragwerk gelten zusammengefa�t folgende Gleichgewichtsaus-sagen:
Satz 4.1: ein Stabwerk ist nur dann im Gleichgewicht, wenn
� die Lasten mit den Lagerreaktion im Gleichgewicht sind,
� jedes Stabelement im Gleichgewicht ist,
� an allen Knoten, die man sich durch Knotenschnitte freigelegtdenkt, Gleichgewicht zwischen den Knotenlasten und den Kno-tenkr�aften herrscht.
Die Knotenkr�afte im Knoten i sind die Summe der Stabendkr�afte (re-actio) aller am Knoten i angeschlossenen Stabelemente.
4.2. GLEICHGEWICHTSBEDINGUNGEN 3
4.2 Gleichgewichtsbedingungen
Mit Bezug auf die Randbedingungen bezeichnen wir ein Stabwerk alsunverschieblich, wenn alle Starrk�orperverschiebungen verhindert sind:in einem ebenen Stabwerk gibt es drei unabh�angige Starrk�orperver-schiebungen, zwei Translationen in der Ebene und eine Rotation in derEbene; mindestens diese Starrk�orperverschiebungen m�ussen in einemunverschieblichen ebenen Stabwerk vorgegeben sein. In einem unver-schieblichen r�aumlichen Stabwerk m�ussen mindestens drei linear un-abh�angige Translationen und drei linear unabh�angige Rotationen vor-gegeben sein.F�ur die Formulierung der Gleichgewichtsbedingungen nehmen wir an,da� die vorgegebenen Verschiebungen bzw. Verdrehungen Null sind;vorgegebene Lagerverschiebungen ungleichNull werden an sp�aterer Stel-le ausf�uhrlich behandelt.
Die �Uberpr�ufung, ob durch die vorgegebenen Lagerungsbedingungentats�achlich alle Starrk�orperverschiebungen verhindert werden, ist imallgemeinen nur durch die �Uberpr�ufung der linearen Unabh�angigkeitder Gleichgewichtsbedingungen m�oglich; wir zeigen deshalb zun�achst,wie diese Gleichgewichtsbedingungen aufgestellt werden.
Die Gleichgewichtsbedingungen in den durch Knotenschnitte freigeleg-ten Knoten werden im globalen oder einem lokalen knotenbezogenenKoordinatensystem aufgestellt. Alle Knoten eines Stabwerkes k�onnendurch �au�ere Kr�afte beansprucht werden
� die inneren Knoten durch die Belastung,
� die Randknoten durch die Lagerreaktionen.
Lagerreaktionen werden also zu den �au�eren Kr�aften gez�ahlt (Abbil-dung 4.2).
De�nition 4.1: Lagerreaktionen im Knoten i sind positiv in Richtungder positiven Achsen des Koordinatensystems im Knoten i.
4 KAPITEL 4. GLEICHGEWICHT VON STABWERKEN
Abbildung 4.2: Positive Lagerreaktionen unverschieblicher Lager
Lagerreaktionen sind damit unbekannte �au�ere Kr�afte, die in den Kno-ten in Richtung der Verschiebungskomponenten auftreten, welche vor-gegeben sind.
In Richtung der freien Verschiebungskomponenten k�onnen Knotenla-sten vorgegeben werden.
Zur Aufstellung der Gleichgewichtsbedingungen numerieren wir alle inden Knoten angreifenden Kr�afte und Momente; der Kopfzeiger kenn-zeichnet die Knotenummer, der Fu�zeiger die Belastungskomponente,die Lasten werden mit R bezeichnet, die Lagerreaktion mit ~R. Die An-zahl der Belastungskomponenten im Knoten k sei dk. F�ur das Stabwerkk�onnen somit
n0 =pX
k=1
dk (4.2)
4.2. GLEICHGEWICHTSBEDINGUNGEN 5
Gleichgewichtsbedingungen aufgestellt werden.
Abbildung 4.3: Gleichgewicht am Knoten
F�ur den Knoten k eines Rahmens (Abbildung 4.3) erh�alt man die fol-genden Gleichgewichtsbedingungen:
Gleichgewicht:
sh1 + si1 + sj1 = Rk1
sh2 + si2 + sj2 = Rk2
sh3 + si3 + 0 = Rk3
Der Knotennumerierung folgend werden alle Komponenten der Kno-tenlasten in einem Knotenlastenvektor R0 zusammengefa�t:
Der Elementnumerierung folgend werden alle Komponenten der Stab-endkr�afte in einem Stabendkraftvektor S zusammengefa�t; f�ur q Ele-
R0 =
266664R1
R2
...~Rn0
377775
�innere Knoten
�Lager
(4.3)
6 KAPITEL 4. GLEICHGEWICHT VON STABWERKEN
mente erh�alt man:
S =
266666664
S1
S2
S3
...Sm0
377777775�
266664S1
S2
...Sq
377775 (4.4)
mit m0 =qX
i=1
d0i: (4.5)
Die Gleichgewichtsbedingungen des Gesamtsystems ergeben sich damitzu
C0S = R0 (4.6)
mit C 0
n0�m0 .
Die Komponenten von C 0 erh�alt man zeilenweise wie folgt:
C 0
ij = 1, wenn Sj einen Beitrag zu dem Gleichgewicht inRichtung von R0
i leistetC 0
ij = 0, wenn Sj am Gleichgewicht in Richtung von R0
i
nicht beteiligt ist
C0 ist eine (0; 1)-Matrix; wir bezeichnen sie als Verkn�upfungs- oderInzidenzmatrix des Stabwerkes. Die systematische Besetzung von C0
erfolgt ausgehend von der Verkn�upfungstafel (Kapitel 2).
Gleichung (4.6) ist in Abbildung 4.4 symbolisch dargestellt.
4.2. GLEICHGEWICHTSBEDINGUNGEN 7
(innere Knoten)
(Lager)
1...
1 . . .
n'
m'
S0m0�1
R0
n0�1
Knotenlasten
Lagerreaktionen
C 0
n0�m0
Abbildung 4.4: Vollst�andige Gleichgewichtsbedingungen
In Reihenfolge der Elementnumerierung wird der Vektor der linear un-abh�angigen Stabendkr�afte eingef�uhrt:
F =
266666664
F1
F2
F3
...Fm
377777775�
266664F 1
F 2
...F q
377775 (4.7)
Analog zu (3.14) gilt f�ur das Gesamttragwerk mit diagf(ai)Tg als Hy-perdiagonalmatrix (Anhang A1)
S = diagf(ai)TgF: (4.8)
Durch Einsetzen in (4.6) erh�alt man
C 0diagf(ai)TgF = R0: (4.9)
Zur Abk�urzung der Schreibweise setzen wir
(a0)T = C 0diagf(ai)Tg: (4.10)
8 KAPITEL 4. GLEICHGEWICHT VON STABWERKEN
und erhalten damit f�ur (4.6)
(a0)TF = R0: (4.11)
Es ist dies die vollst�andige Gleichgewichtsbedingung des Gesamttrag-werkes.
Zur n�aheren Erl�auterung wird dieses Gleichungssystem f�ur das in Ab-bildung 4.5 dargestellte Stabtragwerk aufgestellt.
Element Knotenl r
i1 1 4i2 1 2i3 2 3i4 1 3i5 3 5
Knoten Koordinatenx [m] z
1 0 22 7,5 03 15 24 0 85 15 8
Abbildung 4.5: Rahmen in der Ebene mit Verkn�upfungstafel
4.2. GLEICHGEWICHTSBEDINGUNGEN 9
Beispiel 4.1:
Vollst�andige Gleichgewichtsbedingungen nach (4.4):
R0 = C 0 S
Die Elementgleichgewichtsmatrizen (ai)T werden dem Elementkatalog(Anhang A3) entnommen. Im Elementkatalog stehen zwei ebene Stab-elemente zur Auswahl. Wir w�ahlen das Stabelement Typ b und erhaltenmit
cos� = (xr � xl)=li und sin� = (zr � zl)=li
10 KAPITEL 4. GLEICHGEWICHT VON STABWERKEN
die folgenden Elementgleichgewichtsmatrizen
(ai)T =
2666666664
� cos� sin� 0� sin� � cos� 00 l �1cos� � sin� 0sin� cos� 00 0 1
3777777775
Element li [m] cos� sin�i1 6 0 1i2 7,76 0,966 -0,258i3 7,76 0,966 0,258i4 15 1 0i5 6 0 1
(a1)T = (a5)T =
2666666666664
0 1 0�1 0 00 6 �1: : : : : : : : : : : :0 �1 01 0 00 0 1
3777777777775
(a2)T =
2666666666664
�0; 966 �0; 258 00; 258 �0; 966 00 7; 76 �1
: : : : : : : : : : : : : : : : : : : : :0; 966 0; 258 0�0; 258 0; 966 0
0 0 1
3777777777775
(a3)T =
2666666666664
�0; 966 0; 258 0�0; 258 �0; 966 0
0 7; 76 �1: : : : : : : : : : : : : : : : : : : : :0; 966 �0; 258 00; 258 0; 966 00 0 1
3777777777775
(a4)T =
2666666666664
�1 0 00 �1 00 15 �1: : : : : : : : : : : :1 0 00 1 00 0 1
3777777777775
4.2. GLEICHGEWICHTSBEDINGUNGEN 11
Damit ergibt sich als Gleichgewichtsbedingung f�ur das Gesamtsystem:
0
0
-1
h1 h2 h3 h4 h5
R1
1
R1
2
R1
3
R2
1
R2
2
R2
3
R3
1
R3
2
R3
3eR4
1eR4
2eR4
3eR5
1eR5
2eR5
3
1
2
3
4
5
1 0 -0,966 -0,258 0 -1 0 0
-1 0 0,258 -0,966 0
0 6 0 7,76 -1
0,966 0,258 0
-0,258 0,966 0
0 0 1
0,966
0,966
-0,258 0 1 0 0
0,258 0 0 1 0
0 0 1 0 0 1
0 1 0
-1 0 0
0 6 -1
0 -1 0
1 0 0
0 0 1
0 -1 0
1 0 0
0 0 1
F 1
1
F 1
2
F 1
3
F 2
1
F 2
2
F 2
3
F 3
1
F 3
2
F 3
3
F 4
1
F 4
2
F 4
3
F 5
1
F 5
2
F 5
3
0 0
0
-1
15 -1
-0,966 0,258 0
0-0,258 -0,966
0 7,76 -1
F�ur den Aufbau der Gleichgewichtsmatrix entsprechend (4.11) ist esnicht erforderlich, die Multiplikation (4.10) durchzuf�uhren. Auch (a0)T
kann wie C 0 direkt mit der Verkn�upfungstafel aufgebaut werden. EinElement in der i-ten Zeile und j-ten Spalte der Gleichgewichtsmatrix(a0)T ist nur dann verschieden von Null, wenn Fj einen Beitrag zumGleichgewicht in Richtung von R0
i leistet. In der Gleichgewichtsmatrixsteht der Beitrag als Element der betre�enden Gleichgewichtsmatrixdes Elementes. Bisher wurde der Ein u� der Lagerung auf das Gleich-
gewicht nicht ber�ucksichtigt. Zwischen den Lagerreaktionen ~Rkund den
Knotenlasten an inneren Knoten Rk besteht jedoch ein wesentlicher Un-terschied: Die Knotenlasten Rk sind bekannt, und die Lagerreaktionen~Rksind unbekannt. Das bedeutet, da� die Gleichungen mit den Lager-
reaktionen im Lastvektor R0 keine Bestimmungsgleichungen f�ur F sind.Die Anzahl der Lagerreaktionen wird mit nr bezeichnet.
Die letzten nr Zeilen von (a0)T , die das Gleichgewicht der Lagerpunk-te beschreiben, k�onnen nicht zur Bestimmung der linear unabh�angigenStabendkr�afte F verwendet werden, da die Lagerreaktionen unbekanntsind. Das Gleichgewicht des Gesamtsystems ist allein durch die Gleich-gewichtsbedingungen der inneren Knoten bestimmt.
12 KAPITEL 4. GLEICHGEWICHT VON STABWERKEN
Die Anzahl der Knotenlasten Rki wird mit n bezeichnet:
n = n0 � nr:
F�ur Tragwerke mit unverschieblichen Lagern ist die Matrix der erstenn Zeilen von (a0)T die Gleichgewichtsmatrix aT (Abbildung 4.6). DieGleichgewichtsbedingungen eines Tragwerkes lauten damit
aT F = R (4.12)
Eine andere M�oglichkeit zur Ber�ucksichtigung der Lagerreaktionen be-steht darin, da� man die unbekannten Stabendkr�afte F mit den unbe-kannten Lagerreaktionen in einem Vektor zusammenfa�t. Dieser Wegwird in der Literatur (/66/, /47/) verschiedentlich angegeben. Da er je-doch eine gr�o�ere Gleichgewichtsmatrix als der hier beschriebene Wegerfordert, wird er nicht weiter verfolgt.
Abbildung 4.6: Gleichgewichtsbedingungen des Tragwerkes
Dem Streichen von Gleichgewichtsbedingungen f�ur die unbekannten La-gerreaktionen entspricht eine Linksmultiplikation von (4.8) mit einerunvollst�andigen Einheitsmatrix I, man erh�alt
I(a0)TF = aTF
mit R = IR0 ; In�n0 ; n0 > n
und Iij = 0 f�ur alle i 6= j
= 1 f�ur alle i = j.
4.2. GLEICHGEWICHTSBEDINGUNGEN 13
Die letzten n0 � n Spalten von I sind Null.
Bei beliebiger Numerierung der Gleichgewichtsgleichungen an Lager-punkten m�ussen Zwischenzeilen in (a0)T gestrichen werden; jede Zwi-schenspalte mit Nullwerten in einer unvollst�andigen Einheitsmatrix be-wirkt die Streichung der entsprechenden Zeilen vor (a0)T , z. B. werdendurch Linksmultiplikation einer allgemeinenMatrix (a0)Tq�m mit der Ma-trix
I6�9 =
2666666664
11 0
11 0
11 0
3777777775
1 2 3 4 5 6 7 8 9" " "
die Zeilen 3, 6 und 9 gestrichen und man erh�alt
I(a0)T = aT6�m
Wir zeigen dies f�ur den durch ein schiefes Gleitlager (Abbildung 4.7)modi�zierten Rahmen nach (Abbildung 4.5) :
Abbildung 4.7: Rahmen mit schiefem Gleitlager im Knoten 5
14 KAPITEL 4. GLEICHGEWICHT VON STABWERKEN
Beispiel 4.2: Schiefes Gleitlager
Zun�achst wird die Elementgleichgewichtsmatrix auf das knotenzentrier-te Koordinatensystem imKnoten 5 (Abbildung 4.7) transformiert; durch
LD(a5)T = (~a5)T
mit
LD =
2666666664
1 0 0 0 0 00 1 0 0 0 00 0 1 0 0 00 0 0 0; 7071 �0; 7071 00 0 0 0; 7071 0; 7071 00 0 0 0 0 1
3777777775
erh�alt man
(~a5)T =
2666666666664
0 1 0�1 0 00 6 �1
: : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : :�0; 7071 �0; 7071 00; 7071 �0; 7071 0
0 0 1
3777777777775
Da im Knoten 5 nur in ~z-Richtung eine Au agerreaktion m�oglich ist,ergibt sich der Vektor der �au�eren Kr�afte zu
(R)0T =hR1
1R12R
13; R2
1R22R
23; R3
1R32R
33; ~R4
1~R42~R43; R5
1~R52R
53
i
(a0)T und F bleiben unver�andert.
4.3. GELENKE UND GELENKKNOTEN 15
4.3 Gelenke und Gelenkknoten
Bisher wurde davon ausgegangen, da� die St�abe eines Stabtragwerkesimmer biegesteif miteinander verbunden sind. In Kapitel 2 wurden je-doch auch Stabtragwerke mit Gelenken eingef�uhrt.
Wir unterscheiden zwei Arten von Gelenken (vgl. Abbildung 4.8):
(a) Stabgelenke sind spezielle Stabelemente mit einer oder meh-reren zus�atzlichen Kr�aftebedingungen im Innern des Stabele-mentes, z. B. werden die Biegemomente, Querkr�afte oder Nor-malkr�afte zu Null vorgegeben (bei ne Komponenten von F i
k�onnen h�ochstens ne � 1 innere Kr�afte zu Null vorgegebenwerden),
(b) Knotengelenke sind durch zus�atzliche Kr�aftebedingungen beimehr als zwei St�aben in einem Knotenpunkt gekennzeichnet.
Abbildung 4.8: Ausf�uhrungsformen allgemeiner Gelenkknoten bei ebe-nen Stabtragwerken
Die Erfassung von Stabgelenken erfolgt durch spezielle Stabelementemit Gelenken im Innern. Die zus�atzlichen Kr�aftebedingungen werdenin den entsprechenden Elementmatrizen erfa�t. Dies wird am Beispieleines ebenen Stabelementes am nachfolgenden Beispiel gezeigt:
Beispiel 4.3: Ebenes Stabelement mit Querkraftgelenk
Ausgegangen wird von einem ebenen Stabelement mit einemQuerkraft-gelenk an beliebiger Position innerhalb des Elementes. Eine statisch be-stimmte Lagerung und die zugeh�origen linear unabh�angigen Stabend-kr�afte F i sind in Abbildung 4.9 dargestellt.
16 KAPITEL 4. GLEICHGEWICHT VON STABWERKEN
Abbildung 4.9: M�ogliche Lagerung und linear abh�angige Stabendkr�aftef�ur ein ebenes Stabelement mit Querkraftgelenk
Die Kr�aftetransformationsmatrix T i und die Gleichgewichtsmatrix (ai)T
ergeben sich somit zu:
T i =
2666666664
�1 00 00 �11 00 00 1
3777777775
(ai)T =
2666666664
c 00 00 �1�c 00 00 1
3777777775
(4.13)
mit
c = cos� = (xr � xl)=l: (4.14)
Durch jede Gelenkbedingung entf�allt genau eine linear unabh�angigeStabendkraft und die Anzahl der Spalten von (a0)T verringert sich umeins. Die Aufstellung der Gesamtgleichgewichtsbedingungen erfolgt inunver�anderter Form wie im Abschnitt 4.2 beschrieben.
Die Erfassung von Knotengelenken ist komplizierter und kann nur durchdie Einf�uhrung von mehreren Knoten am Gelenk mit Kopplung vonFreiheitsgraden erfolgen. F�ur das Knotengelenk nach Abbildung 4.10wurden z. B. zwei Knoten k und l mit einem knotenzentrierten Koor-dinatensystem eingef�uhrt.
In Richtung von ~x werden f�ur jeden der Knoten k und l gesonderteGleichgewichtsbedingungen aufgestellt, in ~z-Richtung und f�ur die Ro-tation der Zeichenebene wird jeweils nur eine Gleichgewichtsbedingung
4.3. GELENKE UND GELENKKNOTEN 17
Abbildung 4.10: Koordinatensystem zur Erfassung von Knotengelenken
formuliert; dies entspricht einer Kopplung der entsprechenden Freiheits-grade. Die Elemente 1 und 2 sind dadurch biegesteif in k angeschlossen,Element 3 ist mit einem Momentengelenk angeschlossen und die Ele-mente 4 und 5 sind biegesteif in l angeschlossen. Die Gleichgewichts-bedingungen in ~x-Richtung werden in Knoten k und l jeweils getrenntformuliert.
Beispiel 4.4: Knotengelenk
F�ur das in Abbildung 4.11 dargestellte System werden die Element-gleichgewichtsmatrizen (ai)T und die Gesamtgleichgewichtsmatrix (a0)T
aufgestellt.
Die Elemente i1, i2, i4 und i5 werden als ebene Stabelemente vomTyp a gew�ahlt. Das Momentengelenk in Knoten 3l wird dem Elementi3 zugeordnet.
F�ur das Element i3 wurde abweichend von Kapitel 2.2 der Knoten 6als linker Knoten gew�ahlt.
Die Elementgleichgewichtsmatrizen k�onnen dem Anhang A3 entnom-men werden. F�ur die Winkel der Koordinatentransformation ersetzt amKnoten 3 das Knotenkoordinatensystem (Abbildung 4.10) das globaleKoordinatensystem.
18 KAPITEL 4. GLEICHGEWICHT VON STABWERKEN
Abbildung 4.11: System mit Querkraftgelenk
Knoten Koordinaten
x z1 10 02 0 33 5 34 10 35 0 66 5 6
linker Knoten rechter Knoten
Element Knoten li [m] cos� sin� cos� sin�l r
i1 2 3 5 1 0 0,514 -0,857i2 3 5 5,831 0 1 -0,857 0,514i3 6 3 3 0 -1 -0,857 -0,514i4 3 4 5 0,514 -0,857 1 0i5 1 3 5,831 - 0,857 0,514 0 1
(a1)T
266666664
�1 0 00 �0; 2 �0; 20 1 0
0; 514 0; 171 0; 171�0; 857 0; 103 0; 103
0 0 1
377777775; (a2)T
266666664
0 0; 171 0; 171�1 0 00 1 0
�0; 857 �0; 088 �0; 0880; 514 �0; 147 �0; 1470 0 1
377777775
4.3. GELENKE UND GELENKKNOTEN 19
(a3)T =
266666664
0 �0; 3331 00 1
�0; 857 0; 171�0; 514 �0; 286
0 0
377777775; (a4)T =
266666664
�0; 514 �0; 171 �0; 1710; 857 �0; 103 �0; 1030 1 0
1 0 00 0; 2 0; 20 0 1
377777775
(a5)T =
266666664
0; 857 0; 088 0; 088�0; 514 0; 147 0; 147
0 1 0
0 �0; 171 �0; 1711 0 00 0 1
377777775
a0T=
2666666666666666666666664
0; 857 0; 088 0; 088
0 0 0 0 �0; 514 0; 147 0; 147
0 1 0
�1 0 0
0 �0; 2 �0; 2 0 0 0 0
0 1 0
0; 514 0; 171 0; 171 0 0; 171 0; 171 �0; 857 0; 171 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0 0 0 �0; 514 �0; 171 �0; 171 0 �0; 171 �0; 171
�0; 857 0; 103 0; 103 �1 0 0 �0; 514 �0; 286 0; 857 �0; 103 �0; 103 1 0 0
0 0 1 0 1 0 0 0 0 1 0 0 0 1
1 0 0
0 0 0 0 0; 2 0; 2 0
0 0 1
0 �0; 857 �0; 088 �0; 088
0; 514 �0; 147 �0; 147 0 0 0
0 0 1
0 �0; 333
0 0 1 0 0 0
0 1
3777777777777777777777775
1
2
3
4
5
6
i1 i2 i3 i4 i5
20 KAPITEL 4. GLEICHGEWICHT VON STABWERKEN
Der zugeh�orige Vektor der �au�eren Kr�afte R0 lautet:
(R0)T =
�~R11~R12~R13
... ~R21~R22R
23
... R3l1 R
3r1 R3
2R33
... R41~R42R
43
... ~R51~R52~R53
... ~R61~R62~R63
�
4.4 Redundanz eines Stabwerkes
Aus der Mechanik /39/ sind der Begri� der Redundanz (statischenUnbestimmtheit) und Abz�ahlkriterien zur Feststellung der Redundanzbekannt. Die Redundanz eines Tragwerkes ergibt sich direkt aus derOrdnung n�m der Gleichgewichtsmatrix aT (Abbildung 4.6). Es gilt:
Satz 4.3: Ein Tragwerk ist statisch bestimmt, wenn n = m und aT nichtsingul�ar ist; ein Tragwerk ist statisch unbestimmt, wenn n < m ist; einTragwerk ist kinematisch verschieblich, wenn n > m ist.
F�ur n = m, d. h. wenn das Tragwerk statisch bestimmt ist, k�onnen wirdas Gleichungssystem aTF = R l�osen. Die Stabendkr�afte und damitdie Schnittgr�o�en k�onnen allein mit den Gleichgewichtsbedingungenberechnet werden.
In der Literatur �ndet man oft eine Unterscheidung in �au�erliche undinnerliche statische Bestimmtheit. Ein Tragwerk ist �au�erlich statischbestimmt, wenn die Lagerreaktionen alleine mit den 3 (6) Gleichge-wichtsbedingungen der Ebene (des Raumes) berechnet werden k�onnen.Der Begri� der inneren statischen Bestimmtheit eines statisch unbe-stimmtenTragwerkes sagt aus, da� eine statisch unbestimmte Lagerungvorliegt. Oft �ndet man auch den Begri� der Wertigkeit eines Lagers.Unter Wertigkeit eines Lagers versteht man die Anzahl der durch dasLager behinderten Verschiebungen.
4.5. SCHNITTGR �O�EN 21
4.5 Schnittgr�o�en statisch bestimmter Stab-
werke
Bei statisch bestimmten Stabwerken ist die GleichgewichtsmatrixaT quadratisch und nicht singul�ar, d. h. es existiert die Inverse (aT )�1.Die linear unabh�angigen Stabendkr�afte F k�onnen mit dem Gau�'schenAlgorithmus (siehe Anhang A 2.1) berechnet werden.
Sind die linear unabh�angigen Stabendkr�afte F aus der L�osung des linea-ren Gleichungssystems (Abbildung 4.6) bekannt, k�onnen die Vektoren
der Stabendkr�afte Siin lokalen Koordinaten elementweise mit (3.5) be-
rechnet werden. Die Schnittgr�o�en ergeben sich aus den Stabendkr�aftendurch :
Satz 4.2: Die Schnittgr�o�en am rechten Stabende (r) sind die Stab-endkr�afte am rechten Stabende; die Schnittgr�o�en am linken Stabende(l) sind die negativen Stabendkr�afte am linken Stabende (vgl. De�nition3.2).
Bei Fachwerken ist die Ermittlung der Schnittgr�o�en einfacher. Mit(3.2) ergibt sich, da� die Normalkraft N in jedem Stab mit der line-ar unabh�angigen Stabendkraft identisch ist. Die Transformation nach(3.3) ist somit �uber �ussig.
Bei ebenen Stabtragwerken stellt man die Schnittgr�o�en graphisch durchdie sogenannten Zustandslinien dar. Da wir vorl�au�g nur unbelasteteElemente betrachten, sind die NormalkraftN und die QuerkraftQ in je-dem Element konstant, und das BiegemomentM ist linear ver�anderlich.Einen �Uberblick �uber die erforderlichen Einzelschritte gibt die folgende
22 KAPITEL 4. GLEICHGEWICHT VON STABWERKEN
Zusammenfassung der Berechnung der Schnittgr�o�en statisch bestimm-ter Stabwerke
1. Numerierung der Knoten und Elemente;
2. Aufstellen der Koordinaten- und Verkn�upfungstafel;
3. Aufstellen der Elementtypen entsprechend Anhang A 3;
4. Zusammenstellung der Gleichgewichtsmatrizen (ai)T ;
5. Zusammenbau der Gleichgewichtsmatrizen der Elemente zur Gleichge-wichtsmatrix aT unter Ber�ucksichtigung der Randbedingun-
gen;
6. L�osung des Gleichungssystemes aTF = R;
7. Berechnung von Si= T iF i;
8. Umkehr der Vorzeichen am linken Stabende, bei ebenen Stabtrag-werken graphische Darstellung der Schnittgr�o�en.
An einem Beispiel soll nun die Ermittlung der Zustandslinien eineseinfachen Rahmens gezeigt werden.
4.5. SCHNITTGR �O�EN 23
Beispiel 4.5: Zustandslinien
Abbildung 4.12: Rahmen
KoordinatentafelKnoten x z
1 0 42 0 03 6 04 10 05 10 4
Verkn�upfungstafel
Element Knoten li[m] cos� sin�l z
i1 1 2 4 0 -1i2 2 3 6 1 0i3 3 4 4 1 0i4 4 5 4 0 1
mit cos� = (xr � xl)=lisin� = (zr � zl)=li
24 KAPITEL 4. GLEICHGEWICHT VON STABWERKEN
Elementgleichgewichtsmatrizen (f�ur die Elemente i1 , i3 und i4 wirdStabelement Typ-b gew�ahlt):
(a1)T =
2666666666664
0 �1 01 0 00 4 �1
: : : : : : : : : : : :0 1 0
�1 0 00 0 1
3777777777775
(a2)T =
2666666666664
�1 00 �0; 50 1: : : : : : : : :1 00 0; 50 2
3777777777775
(a3)T =
2666666666664
�1 0 00 �1 00 4 �1
: : : : : : : : : : : :1 0 00 1 00 0 1
3777777777775
(a4)T =
2666666666664
0 1 0�1 0 00 4 �1
: : : : : : : : : : : :0 �1 01 0 00 0 1
3777777777775
Gleichgewichtsbedingungen des gesamten Tragwerks
2
3
4
5
266666666666666666664
13�2
06; 50
032
00
377777777777777777775
=
266666666666666666664
0 1 0 �1 0�1 0 0 0 �0; 5 0 00 0 1 0 1
1 0 �1 0 00 0 0; 5 0 �1 0 0
0 2 0 4 �1
1 0 0 0 1 00 0 0 1 0 �1 0 0
0 0 1 0 4 �1
0 �1 00 0 0 0 0 1
377777777777777777775
266666666666666666664
F 11
F 12
F 13
F 21
F 22
F 31
F 32
F 33
F 41
F 42
F 43
377777777777777777775
Element:i1 i2 i3 i4
4.5. SCHNITTGR �O�EN 25
F�ur die L�osung des Gleichungssystems verwenden wir das Matrizenin-terpretationssystem SMIS /37/. Die Eingabe ist im folgenden zusam-mengestellt:
LOAD F1 = AT N1 = 11 N2 = 11...
Es folgen zeilenweise die Elemente der Matrix aT .
LOAD F1 = R N1 = 11 N2 = 1...
Es folgen die Elemente des Vektors R.
SOLVE F1 = AT F2 = RPRINT F1 = R
Es werden die linear unabh�angigen Stabendkr�afte ausgegeben:
FT = [�6; 5 1 � 9 j 0 7 j 0 � 3 2 j � 6 0 0]:
Kr�aftetransformationsmatrizen
T 1 =
2666666666664
�1 0 00 �1 00 4 �1
: : : : : : : : : : : :1 0 00 1 00 0 1
3777777777775
T 2 =
2666666666664
�1 00 �0; 50 1: : : : : : : : :1 00 0; 50 2
3777777777775
T 3 =
2666666666664
�1 0 00 �1 00 4 �1
: : : : : : : : : : : :1 0 00 1 00 0 1
3777777777775
T 4 =
2666666666664
�1 0 00 �1 00 4 �1
: : : : : : : : : : : :1 0 00 1 00 0 1
3777777777775
26 KAPITEL 4. GLEICHGEWICHT VON STABWERKEN
Stabendkr�afte
S1
=
26666664
6; 5
�1
13
�6; 5
1
�9
37777775=
2666666664
S1
1
S1
2
S1
3
S1
4
S1
5
S1
6
3777777775
S2
=
26666664
0
�3; 5
7
0
3; 5
14
37777775=
2666666664
S2
1
S2
2
S2
3
S2
4
S2
5
S2
6
3777777775
S3
=
26666664
0
3
14
0
�3
2
37777775=
2666666664
S3
1
S3
2
S3
3
S3
4
S3
5
S3
6
3777777775
S4
=
26666664
6
0
0
�6
0
0
37777775=
2666666664
S4
1
S4
2
S4
3
S4
4
S4
5
S4
6
3777777775
Schnittgr�o�en am linken und rechten Stabenende (Dimension [kN, kNm])
Elementi12
666666664
Nl
Ql
Ml
Nr
Qr
Mr
3777777775=
2666666664
�6; 51
�13�6; 51�9
3777777775
i22666666664
Nl
Ql
Ml
Nr
Qr
Mr
3777777775=
2666666664
03; 5�703; 514
3777777775
i32666666664
Nl
Ql
Ml
Nr
Qr
Mr
3777777775=
2666666664
0�3140�32
3777777775
i42666666664
Nl
Ql
Ml
Nr
Qr
Mr
3777777775=
2666666664
�600�600
3777777775
Die Zustandslinien sind in Abbildung 4.13 graphisch dargestellt.
Abbildung 4.13: Zustandslinien
4.5. SCHNITTGR �O�EN 27
Aufgaben
1. Stellen Sie f�ur die in Aufgabe 2.1 und 2.2 dargestellten Systemedie Gleichgewichtsmatrix aT auf. Der Grad der statischen Un-bestimmtheit ist jeweils anzugeben. F�ur die statisch bestimmtenSysteme sind die Schnittgr�o�en zu ermitteln.
2. Stellen Sie f�ur die abgebildeten Stabtragwerke die Gleichgewichts-matrix auf.
Verwenden Sie f�ur Aufgabe (a) einmal Stabelement Typ-a undeinmal Typ-b. Berechnen Sie f�ur das in Aufgabe (b) dargestellteStabwerk die Schnittgr�o�en.
28 KAPITEL 4. GLEICHGEWICHT VON STABWERKEN
3. Stellen Sie f�ur den abgebildeten Kragarm die Gleichgewichtsma-trix auf. Die Elemente sollen einmal Tr�agerrost- und einmal r�aum-liche Stabelemente sein. Wie darf der Kragarm belastet werden,damit er wie ein Tr�agerrost berechnet werden kann?