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1 Karl Grüner Der Glaube macht den Unterschied Fritz Michael Gerlich, katholischer Publizist und Widerstandskämpfer Liebe Kolleginnen und Kollegen, Das Vorbereitungsteam für dieses Jahrestreffen hatte die Idee, hier einen Mann zu würdigen, der durch seinen pub- lizistischen Widerstand gegen Hitler und seine eindeutige christliche Haltung bis in den Tod die Frage unserer Tagung „Macht der Glaube einen Unterschied“ eindeutig beantwor- tet hat: Fritz Gerlich. Einige von Ihnen werden sich vielleicht an die Mitgliederversammlung 2005 in Schmochtitz bei Bautzen erinnern: Damals haben wir den Antrag diskutiert, die GKP möge eine Initiative zur Seligsprechung von Fritz Ger- lich unterstützen. Der Antrag wurde angenommen und der Vorstand hat sich gemeinsam mit dem Vorstand des Bayerischen Presseclubs an Kar- dinal Wetter als zuständigem Ortsbischof gewandt. Wetter aber hat unter Hinweis auf die fehlende Verehrung Gerlichs im Volk abgelehnt. Er meinte aber, es könnte ein erster Schritt sein, wenn die GKP Fritz Gerlich zu ihrem Patron ernennen würde. So weit wollte wiederum der Vorstand nicht ge- hen und so ist die Initiative im Sand verlaufen. Inzwischen heißt der Erzbischof von München und Freising Rein- hard Marx und er hat sich bald nach seiner Amtsübernahme mit Gerlich beschäſtigt, der ihm davor kein Begriff war. Seither ist eini- ges passiert. Unter anderem gab es im KZ Dachau und beim Katho- likentag in Regensburg jeweils eine Fritz-Gerlich-Ausstellung. und beim Katholikentag auch eine Forumsveranstaltung über Gerlich. Der Künstler Andreas Prucker hat eine Gerlich-Büste geschaffen, die in Regensburg in der Fritz-Gerlich-Straße aufgestellt wurde und im Jahr darauf auch in München, im Hof des katholischen Unterneh- merverbands KKV Hansa. Bereits seit fünf Jahren wird beim Münchner Filmfest der von der TELLUX gestiſtete Fritz-Gerlich-Preis als katholischer Filmpreis verliehen. Im vergangenen Jahr hat schließlich Kardinal Marx aus eigener Initiative den Seligsprechungsprozess für Gerlich und zeitgleich für Romano Guardini eingeleitet. Wer war nun dieser Fritz Gerlich? Ein kurzer Film des St. Michaelsbundes aus dem Jahr 2012 gibt uns einen ersten Überblick über das Leben des in Dachau ermordeten Publizisten, der einen erbitterten Kampf gegen Hitler und seine Bewegung geführt hat. Filmeinspielung

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1Karl Grüner

Der Glaube macht den UnterschiedFritz Michael Gerlich, katholischer Publizist und Widerstandskämpfer

Liebe Kolleginnen und Kollegen,Das Vorbereitungsteam für dieses Jahrestreffen hatte die Idee, hier einen Mann zu würdigen, der durch seinen pub-lizistischen Widerstand gegen Hitler und seine eindeutige christliche Haltung bis in den Tod die Frage unserer Tagung „Macht der Glaube einen Unterschied“ eindeutig beantwor-tet hat: Fritz Gerlich.

Einige von Ihnen werden sich vielleicht an die Mitgliederversammlung 2005 in Schmochtitz bei Bautzen erinnern: Damals haben wir den Antrag diskutiert, die GKP möge eine Initiative zur Seligsprechung von Fritz Ger-lich unterstützen. Der Antrag wurde angenommen und der Vorstand hat sich gemeinsam mit dem Vorstand des Bayerischen Presseclubs an Kar-dinal Wetter als zuständigem Ortsbischof gewandt. Wetter aber hat unter Hinweis auf die fehlende Verehrung Gerlichs im Volk abgelehnt. Er meinte aber, es könnte ein erster Schritt sein, wenn die GKP Fritz Gerlich zu ihrem Patron ernennen würde. So weit wollte wiederum der Vorstand nicht ge-hen und so ist die Initiative im Sand verlaufen.Inzwischen heißt der Erzbischof von München und Freising Rein-hard Marx und er hat sich bald nach seiner Amtsübernahme mit Gerlich beschäftigt, der ihm davor kein Begriff war. Seither ist eini-ges passiert. Unter anderem gab es im KZ Dachau und beim Katho-likentag in Regensburg jeweils eine Fritz-Gerlich-Ausstellung. und beim Katholikentag auch eine Forumsveranstaltung über Gerlich. Der Künstler Andreas Prucker hat eine Gerlich-Büste geschaffen, die in Regensburg in der Fritz-Gerlich-Straße aufgestellt wurde und im Jahr darauf auch in München, im Hof des katholischen Unterneh-merverbands KKV Hansa. Bereits seit fünf Jahren wird beim Münchner Filmfest der von der TELLUX gestiftete Fritz-Gerlich-Preis als katholischer Filmpreis verliehen. Im vergangenen Jahr hat schließlich Kardinal Marx aus eigener Initiative den Seligsprechungsprozess für Gerlich und zeitgleich für Romano Guardini eingeleitet.

Wer war nun dieser Fritz Gerlich?Ein kurzer Film des St. Michaelsbundes aus dem Jahr 2012 gibt uns einen ersten Überblick über das Leben des in Dachau ermordeten Publizisten, der einen erbitterten Kampf gegen Hitler und seine Bewegung geführt hat.

Filmeinspielung

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Ich darf die groben Lebenslinien, die der Film zeichnet, noch etwas verfei-nern, um Ihnen die Persönlichkeit des Fritz Gerlich näher zu bringen:Der Regensburger Bischof Voderholzer sagte über ihn, er sei ein kantiger und schwieriger Mann gewesen, aber ein konsequenter Wahrheitssucher. Diese Suche nach der Wahrheit ging in seinem Leben aber durch allerlei Irrungen und Wirrungen.

1 Von Stettin nach München

Geboren ist Fritz Gerlich, wie wir gehört haben, am 15. Fe-bruar 1883 in Stettin als Sohn des Großhandelskaufmanns und Fischhändlers Paul Gerlich und seiner Ehefrau Therese. Er war der Älteste von drei Söhnen. Sein Vater, der geschäft-lich erfolglos war, ist früh verstorben. Seine Mutter erzog die Söhne im calvinistisch-reformatorischen Bekenntnis. Nach dem Abitur ging Fritz zusammen mit einem Freund 1901 nach München zum Studium der Naturwissenschaften. Später sattelte er um und studierte Geschichte und Anthropologie. Sein Studium verdiente er sich zum Teil als Werbetexter bei Kathreiners Malzkaffee. Pro-moviert hat er über das Testament Kaiser Heinrichs VI. Nach dem Studien-abschluss wurde Gerlich 1907 Assessor am Königl. Bayerischen Geheimen Staatsarchiv. Nach der Staatsprüfung für den höheren Archivdienst im Juni 1910 erhielt er eine Anstellung im Allgemeinen Reichsarchiv in München. 1920 heiratete er Sophie Botzenhart, geborene Stempfle aus Babenhausen. Die Ehe blieb kinderlos.

1.2 Nationalistische Gesinnung

Die politische Einmstellung des jungen Gerlich wechselte mehrmals. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg engagierte er sich politisch in der National-Liberalen Partei als Anhänger Friedrich Naumanns. Zu Beginn des Krieges hielt er es dann mit den sogenannten Alldeutschen, die für den Endsieg des Krieges eintraten und ein extremes Annexionsprogramm zur Etablierung einer deutschen Vormachtstellung in Europa, Afrika und dem Nahen Osten vertraten. Als 1916 sein Freund Emil Liecke eine größere Erbschaft machte, über-redete ihn Gerlich, mit ihm zusammen eine politische Wochenschrift zu gründen, die Sprachrohr dieser alldeutschen Kreise werden sollte. Im März 1917 erschien die Zeitschrift unter dem Titel "Die Wirklichkeit. Deutsche Zeitung für Ordnung und Recht". Doch bald gab es Schwierigkeiten mit der militärischen Zensur, weil die Beiträge äußerst radikal waren. Im Spät-herbst wurde die Zeitschrift verboten. Durch seine aggressiven politischen Beiträge machte Gerlich jedoch einflussreiche nationalistische Kreise in München auf sich aufmerksam darunter Prof. Paul Nikolaus Coßmann, He-

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3rausgeber der "Süddeutschen Monatshefte". In dieser Zeitschrift und in den „Historisch politischen Blättern“ schrieb Gerlich eine Reihe nationalistisch getönter Artikel.

2. Chefredakteur der bedeutendsten Zeitung Süddeutschlands

1920 wechselten die Münchener Neuesten Nachrichten, das größte Blatt im Süden Deutschlands, vom Verlag Knorr & Hirth in den Besitz rheinischer Großindustrieller. Deren Ratgeber war Professor Coßmann, der nun Gerlich über-raschend als neuen Hauptschriftleiter für die Münchener Neuesten Nachrichten vorschlug. Ein ungewöhnlicher Vorgang, denn Gerlich war bislang hauptsächlich als wis-senschaftlicher Autor hervorgetreten und hatte keinerlei Erfahrung in der Leitung einer großen Redaktion.

Gerlich nahm das Angebot an. Urplötzlich sah er sich in der bedeutends-ten Schlüsselstellung, die die Presse im Süden damals kannte. Die politische Linie, die die neuen Herausgeber dem bislang linksliberalen Blatt geben wollten, war die eines „Bollwerks für nationale Erneuerung gegen Sozialis-mus und republikanische Politik“. Die richtige Gesinnung hierfür hat Ger-lich mitgebracht. Die fehlende redaktionelle Praxis und die journalistische Schreibe eignete er sich nach einigen Anfangsschwierigkeiten bald an. Eine seiner ersten journalistischen Großtaten war allerdings eine Leitartikelserie, die überhaupt kein Ende mehr nahm, mit der er den Marxismus in Grund und Boden schrieb. Die Leitartikel gingen nicht nur über mehrere Seiten, sondern hatten auch noch Fortsetzungen. Aber bald lernte er, sich kürzer zu fassen, mit mehr Farbe zu schreiben, verständlich zu formulieren und das Wesentliche auf den Punkt zu bringen.

Der nationalistisch gesinnte Fritz Gerlich zeigte anfangs durchaus Sympathi-en mit der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei. So gab es 1923 drei private Treffen zwischen ihm und Adolf Hitler. Diese Treffen waren allerdings ernüchternd für ihn. Wie Gerlich erzählte, war Hitler unfähig zu jeder sachlichen Diskussion. Es kam zu keinem Dialog. Hitler habe lediglich einen Monolog losgelassen. Wenn es hie und da gelang, seinen Redestrom mit einem Einwand zu unterbrechen, habe Hitler, ohne im geringsten auf den Einwurf einzugehen, einfach dort weitergefahren, wo er grade unterbro-chen worden war.

Gerlich unterstützte damals den rechtsgerichteten Bayerischen General-staatskommissar und früheren Ministerpräsidenten Gustav Ritter von Kahr. Dieser kämpfte gegen den roten Reichspräsidenten Friedrich Eberts und sah in Hitler einen natürlichen Verbündeten.

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4Am 9. November 1923 wollte sich von Kahr im Münchner Bürgerbräukel-ler praktisch zum Diktator ausrufen lassen. Seine geplante Rede war am Schreibtisch von Fritz Gerlich unter Mitwirkung von Cossmann entstanden. Gerlich war auch im Bürgerbräukeller anwesend. Doch es kam nicht zu der Rede, weil Hitler mit seinen Schüssen in die Decke die Veranstaltung zu einem Putsch umfunktioniert hat, der am nächsten Tag allerdings an der Feldherrnhalle blutig niedergeschlagen wurde.

2.1 Politische WendeDieses Ereignis brachte eine Wende in der politischen Einstellung Fritz Ger-lichs. In einem Kommentar unter der Überschrift „Hitlers Ehrenwortbruch“ geißelte er mit scharfen Worten die revolutionären Ziele der NSDAP. Er hat innerhalb von zwei Tagen einen Schwenk um 180 Grad vollzogen. Viele sei-ner Freunde konnten das nicht verstehen und hielten ihn für einen charak-terlosen Opportunisten. Er aber ist seiner neuen Linie treu geblieben, womit er einen Teil der Leserschaft und der Herausgeber der Münchner Neuesten Nachrichten durchaus irritierte. Es kam immer wieder zu Spannungen zwi-schen Gerlich und der Verlagsleitung.

Unabhängig davon hat ein Ereignis im September 1927 Gerlichs Leben und seine berufliche Situation radikal verändert.

2.2 Umkehr und Neuorientierung2.2.1 Begegnung mit Therese Neumann

Am 3.August 1927 hat Erwein Freiherr von Aretin, Re-dakteur der Münchener Neuesten Nachrichten, in ei-nem Artikel seine Eindrücke von einem Besuch bei der stigmatisierten Therese Neumann in Konnersreuth ge-schildert. Der Beitrag wurde in 32 Sprachen in aller Welt nachgedruckt. Gerlich aber plagte die Angst, seine Zeitung könnte über etwas berichtet haben, das sich später als Schwindel herausstellen würde. So beschloss er, selbst hinzugehen und sich ein Bild zu machen. Er ist fünf Tage später zutiefst aufgewühlt zurückgekommen und hat zu dem erstaun-ten Aretin von "unserem Heiland" gesprochen und davon, dass er sein Leben lang um die Wahrheit gerungen und um sie gebetet habe. In einem langen nächtlichen Gespräch, bei dem sie die Ludwigstraße auf- und abgegangen waren, bekannte Gerlich, es sei vorgekommen, dass er, nachts von der Re-daktion heimkehrend, sich vor das geschlossene Portal der Frauenkirche gekniet habe, um Gott anzuflehen, ihm die Wahrheit zu schenken. Die Reise nach Konnersreuth sei für ihn jetzt zu einer fast wunderbaren Gebetserhö-rung geworden.

Konnersreuth ließ Gerlich nicht mehr los. Er ging immer wieder hin, in der Absicht, dem Phänomen Therese Neumann auch mit wissenschaftlichen

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5Methoden auf die Spur zu kommen. Daraus entstand ein zweibändiges Werk über die „Resl“, in dem er anthropologische, medizinische, biologische und psychologische Vorgänge beschrieb, die er durch eigene Beobachtung oder durch Gespräche mit Zeugen zu belegen versuchte. Vor allem im zweiten Band ging es um die Glaubwürdigkeit der Therese Neumann. Gerlich kam zu dem Ergebnis, dass „die Erscheinungen seit der Heilung der Blindheit der Therese Neumann nicht natürlich erklärbar sind.“ Dazu hat Gerlich viel Wi-derspruch erfahren. Die Auseinandersetzung um die Glaubwürdigkeit der Resl setzt sich bis heute fort. Das ist aber ein eigenes Thema, das ich hier nicht weiter verfolgen kann.

2.2.2 Ausscheiden aus der Redaktion der Münchner Neues-ten Nachrichten

Die Differenzen zwischen Gerlich und der Verlagsleitung über den Kurs der Zeitung nahmen mehr und mehr zu. Am Abend des 15. Februar 1928, seinem 45. Geburtstag, kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung, zu einem, wie Aretin schreibt, „nicht ganz geräuschlosen Krach“, bei dem auch Alkohol mit im Spiel war. Gerlich, der wie die meisten Tages-zeitungsjournalisten unter großer Anspannung gearbeitet hat, gönnte sich regelmäßig nach Redaktionsschluss einen guten Rotwein oder Sekt zur Entspannung. Unter dem Einfluss der Resl hat er sich zunehmend Enthaltsamkeit auferlegt, von der er sich jedoch bei der Feier seines 45. Geburtstages dispensiert hat. Und so kam es zu dem Eklat, der eine Fortsetzung der Zusammenarbeit für die Verlagsleitung unmöglich erschei-nen ließ. Gerlich schied aus der Redaktion aus.

Die ersten Monate, in denen er viel Zeit hatte, nutzte er zum Schreiben seiner Therese-Neumann-Biographie. Am 1.November 1928 wurde er als Archivrat im Oberbayerischen Kreisarchiv wieder eingestellt. Die Tätigkeit dort füllte ihn aber nicht aus. Er suchte nach einer neuen Möglichkeit, auf die Öffent-lichkeit Einfluss zu nehmen.

3 Kampf gegen den Nationalsozialismus

In Konnersreuth hat Fritz Gerlich einen neuen Freundeskreis gewonnen. Er lernte dort unter anderem den Eichstätter Alttes-tamentler Prof. Franz Xaver Wutz und den Eichstätter Kapuziner Ingbert Naab kennen. Naab war Jugendseelsorger und Schrift-steller. Er hat mehrere Jugendzeitschriften herausgebracht. Ziel dieser Zeitschriften war für P. Ingbert „die katholische Vertiefung und Ergänzung der durch die höheren Lehranstalten vermittelten Bildung.“ Er kritisierte darin unter anderem den Geschichtsunterricht in den höheren Schulen, in dem ein sehr einseitiges Bild von Deutschlands „Größe“ gezeichnet wurde: „Solange der Geschichtsunterricht nicht wahrer, sachlicher

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6und kritischer wird . . .“, schrieb er im "Weg", einer Monatsschrift für die obe-ren Klassen, „solange werden viele höhere Lehranstalten Deutschlands immer zu den Hauptlieferanten der Hitlerbewegung zählen, solange werden Univer-sitätsstudenten fortfahren, durch Krach und wüste Intoleranz ihre vaterländi-sche Ertüchtigung zu zeigen.“Scharf und unmissverständlich analysierte Ingbert Naab die Hitlerbewegung. Er nannte Hitlers „Mein Kampf “, ein „Handbuch der Demagogie". „Es ist ganz klar, dass ein Katholik nie Anhänger der Hitlerbewegung sein kann und über-haupt der sogenannten Deutsch-Völkischen Bewegung vollständig ablehnend gegenüberstehen muss“, schrieb er in der Zeitschrift „Das große Zeichen“. Und in der Passauer Donauzeitung prophezeite er schon 1924: „Wir gratulieren der kommenden Menschheit zu diesem völkischen Staat! Da war die alte Sklaverei noch eine humane Einrichtung . . .“In Ingbert Naab hat Gerlich einen Gleichgesinnten gefunden. Sie waren sich einig in der Ablehnung des nationalsozialistischen Gedankenguts. Beide wa-ren scharfsichtige Analytiker und scharfzüngige Formulierer. So nahmen sie gemeinsam den publizistischen Kampf gegen Hitler und seine nationalsozia-listische Bewegung auf. Die entscheidende Begegnung, die Gerlichs Rückkehr in den Journalismus ermöglichte, fand wiederum in Konnersreuth statt. Dort lernte Gerlich um die Jahreswende 1929/30 Fürst Erich von Waldburg zu Zeil kennen, einen erst 30jährigen Großgrundbesitzer aus dem schwäbischen Leutkirch. Mit ihm war er sich einig, dass eine Zeitung notwendig sei, die unter Berufung auf das gott-gegebene Naturrecht gegen allen Radikalismus von rechts und links kämpfen und die Anwendung der Grundsätze des Christentums im öffentlichen Leben fördern müsse.

3.1 Erwerb des „Illustrierten Sonntag“

Im Sommer 1930 kam es in München zur Gründung des „Naturverlags“. Das war ein Tarnname, der später in „Naturrechts-Verlag“ umbenannt wurde. Die Leitung übernahm Dr.Johannes Steiner, der auch die Ingbert’schen Jugend-zeitschriften verlegte. Kurz darauf ergab sich die Gelegenheit, vom Münchner Buchgewerbehaus Müller und Sohn die erfolglose Zeitschrift „Der illustrierte Sonntag“ zu erwerben. Im gleichen Müller’schen Druckhaus erschien – welche Ironie des Schicksals – auch Hitlers „Völkischer Beobachter“. Gerlich behielt den Titel des Blattes zunächst bei und änderte behutsam in den ersten Mo-naten Stil und Inhalt der Zeitschrift, indem er immer mehr soziale und po-litische, gelegentlich auch religiöse Themen behandelte. Im Juli 1931 begann er mit einem fiktiven Interview mit schweizer Freunden seinen Kampf gegen den Nationalsozialismus. Es hatte den Titel „Hitler und Wilhelm II.“ Gerlich verglich die beiden und entlarvte sie als gleichermaßen größenwahnsinni-ge Politiker. Hitler reagierte wütend auf den Artikel und versuchte, Gerlich gerichtlich mundtod zu machen, allerdings ohne Erfolg. Darauf erschien Im Völkischen Beobachter ein Pamphlet über Gerlich mit dem Titel „Vom All-

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7deutschen zum Reklamechef von Konnersreuth“, in dem dieser als „maßlos cholerischer Bandwurm-Artikel-Schreiber“ und als „Spezialist von Konners-reuth“ verhöhnt wurde.

Gerlich zeigte sich betroffen und schrieb in der nächsten Ausgabe des „Illust-rierten Sonntag“ ein bewegendes Bekenntnis: Er sei durch „viele Irrtümer hin-durch gegangen“, habe bei der Leidenschaft seines Temperaments sicher mehr gefehlt als die meisten seiner Zeitgenossen und habe allerlei wieder gut zu ma-chen. „Aber unser Herr und Heiland“, schrieb er wörtlich, „wird dem Manne, der wegen der offenen Aussprache seiner Überzeugung mit dem Strick um den Hals eines Tages zum letzten Urteil vor ihn hin tritt, sicher vieles verzeihen.“

3.2 Konversion zum katholischen Glauben

Im gleichen Beitrag offenbarte sich Fritz Gerlich als Katechumene der katholischen Kirche. Er hat von P. Ingbert Naab Konvertitenunterricht erhalten und konvertierte schließlich am 29.September 1931 in der Eichstätter Kapuzinerkirche zum katholischen Glauben. Er nahm als zweiten Vornamen den Na-men des Tagesheiligen, des hl. Erzengels Michael, an. Zwei Tage später erteilte ihm Kardinal Michael Faulhaber in seiner Hauskapelle das Sakrament der Firmung. Gerlich war von einer fast kindlichen Frömmigkeit und war immer bis zur Hingabe hilfsbereit.

3.3 Der Gerade Weg

Zum Jahreswechsel 1931/32 vollzog Gerlich den Namenswechsel vom Illustrierten Sonntag zu dem neuen Titel „Der gerade Weg – Deutsche Zeitung für Wahrheit und Recht“. Der Verlag hieß nun Naturrechtsverlag. Zum Namenswechsel schrieb P. Ingbert Naab: "In unserem Kampf für die Wahrheit haben wir das Beispiel der Propheten vor Augen. Ihre Aufgabe war es, in Zeiten größter Ka tastrophen sich mit unbeugsamem Mut vor Land und Volk hinzustellen... Die Propheten laufen nie mit der Mehrheit. Sie be kommen im Gegenteil das Geschick der Vereinsamung furchtbar bitter zu spüren ...Die Propheten aber müssen den geraden Weg weitergehen ohne Rücksicht auf Zustimmung oder Ablehnung..."

3.3.1 Deutliche Worte gegen die Nazis

Das Kämpferische in seiner Natur gab Gerlich die Kraft, seinen Weg im Sinne der einmal erkannten Wahrheit konsequent zu Ende zu gehen. Er scheute sich nicht, Hitler einen "Bankrotteur" zu nennen und den Nationalsozialismus eine

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8"Pest". Er sah den "Konkurs des Dritten Reiches" voraus und forderte seine Zeitgenossen auf: "Geht in Euch, streift den Materialismus und Atheismus ab und bekennt Euch wieder zu Gott und seinen Geboten, damit dieses Gericht für Euch nicht noch schwerer werde."

3.3.2 Offener Brief an Hitler

Eine der größten journalistischen Leistungen des "Geraden Weg" war der Offene Brief von P.Ingbert Naab an Adolf Hit-ler vom 20.März 1932, "Herr Hitler, wer hat Sie gewählt?" Er wurde in rund 1000 Zeitungen nachgedruckt und so in über 20 Millionen Auflage in ganz Deutschland verbreitet. P.Naab erinnerte darin Hitler mit tiefem Ernst an sein Gewissen und an Gott. „Wer hat Sie gewählt?“ fragt er und nennt neun verschiedene Gruppen, deren sich Hitler vor allem versicherte. Als erste die „Masse der Suggerierten“: Zitat: „Sie wollten die Massen-suggestion. Sie sprachen davon, dass man den Massen einen fremden Willen aufzwingen, dass man sie fanatisch und hysterisch mache muss. Sie betreiben dieses Geschäft nun seit mehr als zehn Jahren. Ihre Presse ist nur auf Suggestion eingestellt. Es wird behauptet und behauptet, bis der Mensch ganz dumm und blöd wird. Es wird unterschlagen und unterschlagen, gelogen und gelogen. Sind Sie nicht für diese Methode verantwortlich? Auch die Propaganda kennt Gesetze des Gewissens.“ Und dann zählt er auf, worin Hitler sich nach seiner Meinung schuldig ge-macht hat und begründet jeden Punkt: „Herr Hitler, auf Ihrem Gewissen lastet die Schuld an der Zerreißung Deutschlands… Auf Ihrem Gewissen lastet die Schuld eines möglichen Bürgerkrieges… Auf Ihrem Gewissen lastet die Schuld des Verderbens an der Jugend… Auf Ihrem Gewissen lastet die Verwirrung der moralischen Begriffe.“

3.3.3 Hitler erzwingt Wechsel des Druckhauses

Das Erscheinen des „Geraden Weg“ im gleichen Druckhaus wie der „Völkische Beobachter“ hatte zur Folge, dass Hitler von Mittelsmännern in der Druckerei bereits vor Erscheinen einer neuen Ausgabe die Druckfahnen zugespielt bekam, ebenso aber wusste auch Gerlich, was in der nächsten Ausgabe des „Völkischen Beobachter“ stehen sollte. Als Hitler in den Druckfahnen der Ausgabe vom 14.Februar 1932 einen Artikel von Gerlich las, der den Titel trug: „Hetzer, Verbrecher und Geistesverwirrte – Führertum und Presse der Hitlerbewegung“, drohte er dem Drucker Adolf Müller, ihm den Druck des „Völkischen Beobachter“ zu entziehen, wenn

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9er noch eine einzige weitere Ausgabe des Geraden Weg druckte. Müller infor-mierte Verlagsleiter Steiner und Gerlich, der darauf ähnlich wütend wurde und auf seinen Vertrag hinwies, nach dem jegliche redaktionelle Einmischung der Druckerei ausgeschlossen sei. Müller bot an, die laufende Nummer noch zu drucken, wenn Gerlich im Impressum bereits eine andere Druckerei nenne. Danach müsse dann der Wechsel zu einem anderen Drucker stattfinden. Gerlich, der einen solchen Schritt vorausgesehen hatte, war sich längst mit der Manz’schen Verlagsanstalt, in der auch die Zeitschriften von P.Ingbert und die Münchner Kirchenzeitung herauskamen, einig, dass er gegebenenfalls dort drucken lassen könne. Im Grunde war er froh, dass er nun in einer harmoni-scheren Umgebung, in einem christlichen Verlagshaus, weiterarbeiten konnte.

3.4 Brisantes Nachrichtenmaterial

Fritz Gerlich legte sich weiterhin in seiner Zeitung keine Zurückhaltung auf. Er wartete immer mehr auch mit brisantem politischem Nachrichtenmaterial auf, über das andere Zeitungen nicht verfügten und das das publizistische Profil des „Geraden Weg“ enorm stärkte. Das Blatt wurde auch im Ausland, beson-ders in der Schweiz, stark beachtet. Die exklusiven Informationen stammten von Georg Bell, einem international sehr gut vernetzten Nachrichtenbeschaf-fer. Über ihn und seine Rolle weiter auszuholen, fehlt hier die Zeit. Er hat das Ende des Geraden Weg nur um einige Wochen überlebt. Nach einer abenteu-erlichen Flucht wurde er in einem Gasthof in Tirol von der SS aufgespürt und erschossen.

4 Gerlichs Martyrium

Die Politische Entwicklung wurde nun für den Geraden Weg immer bedrohli-cher. Nach der Machtergreifung Hitlers wusste Gerlich, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis sein Blatt verboten würde. Am 9. März 1933 war es so weit. Hitler übernahm durch die Einsetzung des Reichskommissars von Epp auch in Bayern die Macht und auf dem Rathaus wurde die Hakenkreuzfahne gehisst. Was am gleichen Tag im Hause Hofstatt 5 der Manz'schen Verlagsan-stalt, in dem sich die Redaktion des Geraden Weg befand, passiert ist, habe ich 1983, genau 50 Jahre später, aus erster Hand erfahren. Mein Gewährsmann war der damals 81jährige Dr. Johannes Steiner, Mitinhaber des Verlags Schnell & Steiner und bekanntlich Gerlichs Verlags-leiter und engster Vertrauter. (Hier ein Bild von der Hofstatt 5 auf der Rückseite des ehem. Verlagsgebäudes der SZ. Dort wurde eine Gednktafel angebracht). Das nächste Bild zeigt Jo-hannes Steiner 1984 bei der Einweihung einer Gedenktafel am Wohnhaus von Gerlich in der Richard-Wagner-Str.)

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104.1 SA stürmt die Redaktion des „Geraden Weg“ (nach der Schilderung von Johannes Steiner:)

„Es ist etwa 19.15 Uhr. Die Hausmeisterin stürzt die Treppe herauf und schreit: ‚Die Hitler kommen!‘ Ein größerer Trupp SA-Leute stürmt ungeordnet unter Heil-Rufen auf das Gebäude zu und kommt die Treppe hoch. Stiefel poltern gegen die Tür: ‚Aufmachen oder wir schlagen die Türe ein!‘ Dr.Steiner öffnet und wird vom ersten der rund 5O SA-Männer umgerannt: "Weg da, wir haben Befehl, hier zu stürmen und auszuräumen. Wo ist der Gerlich, die Sau?" Fritz Gerlich bleibt noch über eine Stunde unentdeckt in seinem etwas abseits gele-genen Arbeitszimmer, während die SA-Männer bereits verschlossene Schreib-tische und Schränke aufbrechen und alles geschriebene und gedruckte Material auf Lastwagen abtransportieren. Plötzlich schreit einer zum Fenster hinunter: "Jetzt hammern g'fund'n. I hob'n glei a so in d' Fotzen nei g'haut, daß eahm d' Soß owagrunna is!" Dr.Steiner findet Gerlich blass und matt, den Kopf zu-rückgebeugt und blutverschmiert in einem Sessel. Er wischt ihm das Blut ab. "Ich hab' das Taschentücherl heute noch als kostbares Andenken", erzählte mir Steiner.

Gerlich war am Nachmittag des 9.März von einem Besuch bei Ministerprä-sident Bolz in Stuttgart zurückgekehrt. Er hatte hochbrisantes Nachrichten-material in der Tasche, unter anderem Röhms Aussage, er würde Hitler nach der Machtübernahme beseitigen. Johannes Steiner drängte ihn nach seiner Ankunft, sofort mit einem bereitgestellten Chrysler in die Schweiz zu fliehen. In einem anonymen Anruf war ihm nämlich der Sturm auf die Redaktion am Mittag angekündigt worden. Nach Steiners Vermutung kam der warnende An-ruf aus dem Druckhaus Müller. Doch Gerlich lehnte ab: "Ich bin bereit, für das, was ich geschrieben habe, mit meinem Leben einzutreten." Und er blieb und diktierte einen Artikel, in dem er das genannte Material verarbeiten wollte.

4.2 Gerlich in „Schutzhaft“

Gerlich wurde ins Polizeigefängnis an der Ettstraße gebracht und ohne Ge-richtsprozess in sogenannte „Schutzhaft“ genommen. Er war der erste Schutz-häftling Münchens. Während seiner Gefangenschaft zeigte er wahre übermenschliche Größe: Einstige Mit-gefangene berichteten: "Dr. Gerlich war in der kleinsten und unbequemsten Zelle, der Zelle 35, untergebracht. Diese Zelle war unter den Häftlingen als der 'Kerker' verrufen. Nummer 35 liegt auf der Nordseite und hat nur ein kleines, schmales Fenster unter der Decke. Kaum je dringt ein Lichtstrahl in dieses Verlies. Min-destens dreimal musste der Sonderhäftling Gerlich schlimme Misshandlungen, ja Folterungen über sich ergehen lassen...

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114.2.1 Folterung und Aufforderung zum Selbstmord

Die schlimmste Folterung erfuhr er am 17. Mai 1934. Sein Zellennachbar Ste-fan Lorant berichtet darüber in seinem Buch „Ich war Hitlers Gefangener“:„Heute sehr schlechte Nachrichten. In der vergangenen Nacht ist unser Kolle-ge Dr. Gerlich von SA-Männern beinahe totgeschlagen worden. …Letzte Nacht gegen 1 Uhr kamen zwei SA-Männer zum diensthabenden Ge-fangenenwärter und fragten nach Dr. Gerlich. Er solle heraufgebracht wer-den zum Verhör. Der Wärter fragte nicht nach einer schriftlichen Order. Er übergab Dr. Gerlich den beiden SA-Männern. Diese führten ihn den Korridor entlang bis in die Räume der Verwaltung. Dort verbanden sie ihm die Augen. Der Gefangene, der jetzt nichts mehr sehen konnte, wurde dann Treppen hin-auf- und heruntergeführt, um zu verhindern, dass er merke, in welchen Raum man ihn führte. Schließlich wurde die Augenbinde entfernt. Dr. Gerlich sah sich um. Er befand sich in einem ziemlich großen Raum. Seine Augen wurden geblendet durch das Licht mehrerer Scheinwerfer, die voll auf ihn gerichtet wa-ren. Hinter diesen Scheinwerfern saßen Leute, die er nicht sehen konnte. Eine Stimme brüllte Dr. Gerlich an: „Woher haben Sie die Informationen über das Braune Haus bekommen?" - Dr. Gerlich antwortete ruhig: „Niemand außer mir selbst ist für die Artikel verantwortlich, die in meiner Zeitung erschienen sind."-„Sie sind also nicht bereit, Ihre Komplizen preiszugeben?" brüllte die Stimme. - „Nein", erwiderte Dr. Gerlich bestimmt.Eine Sekunde lang passierte gar nichts. Im Raum herrschte Grabesstille. Dann wurde Dr. Gerlich ergriffen und auf einen Tisch geworfen. 25 Schläge mit dem Gummiknüppel gingen auf ihn nieder. Dr. Gerlich gab keinen Ton von sich. Er wurde in einen Stuhl gezwängt. Er wurde befragt. Dr. Gerlich schwieg. Der gleiche Satz wurde wieder und wieder in sein Ohr geschrien:,. Haben Sie Ihre Informationen von Dr. Bell erhalten`. Dr. Gerlich blieb bei seinem demonst-rativen Schweigen. „Wir werden Dich schnell zum Reden bringen, Du Hund!"Noch einmal 25 Schläge gingen auf Dr. Gerlich nieder. Der Unglückliche, der inzwischen fast bewusstlos geschlagen war, stolperte, einer Ohnmacht nahe, zu seinem Stuhl zurück. - „Wollen Sie jetzt sprechen?- -Dr. Gerlich saß ruhig da, ohne zu antworten. Ein Revolver krachte auf den Tisch. und eine bar-sche Stimme befahl: „Hier! Erschieß Dich selbst, Du Nichtsnutz, Du!" - Jetzt schließlich sprach Dr. Gerlich. Seine Stimme klang sehr entschieden: .,Ich weigere mich, mich selbst zu erschießen. Ich bin Katholik."Er kniete sich auf den Boden und begann zu beten. Er bereitete sich darauf vor, jetzt zu sterben. Von seiner Umgebung nahm er keine Notiz mehr. Er war allein mit Gott. Betend wartete er auf den Schuss, der seinem Leben ein Ende bereiten würde. Die tiefe Gläubigkeit dieses Mannes berührte seine Peiniger. So etwas wie ein Wunder ereignete sich. Die SA-Männer überdachten die Situation. Sie berieten sich. Sie wagten nicht, Dr. Gerlich zu erschießen. Das „Verhör" nahm ein Ende. Sie ließen Dr. Gerlich abführen.Als Dr. Gerlich seine Zelle erreichte, war er über und über mit Blut bedeckt. Er sprach ein Gebet als Dank für seine Rettung. Er lebte.“ Soweit die Schilderung von Stefan Lorant.

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124.2.2 Zeit der LäuterungEin anderer Mitgefangener, Augustin Niedermeier, sagte über ihn: „Wer sich diesen Kämpfer für die katholischen Grundsätze in der Gefangenschaft trüb-selig oder wehleidig vorstellt, irrt sich. Gewiss! Dr. Gerlich empfand seine Gefangenschaft sehr bitter. Aber wer sich als katholisch bekannte, musste nach seiner Meinung auch den Mut finden, die Folgen seiner Lebensauffassung auf sich zu nehmen und mit freudigem Herzen die Leiden ertragen.Gerlichs Gelassenheit, sein Gottvertrauen und sein Humor fielen den Mitge-fangenen auf. Ein Zellennachbar erlebte ihn als 'Mann des Gebetes und der Betrachtung'... Nie in seinem Leben vorher hatte Dr. Gerlich soviel Zeit, sich in die Heilige Schrift zu vertiefen wie jetzt. Er las und meditierte. Er verstand es - soweit man ihn in Ruhe ließ - im Gefängnis wie in einem Kloster zu le-ben. Gegen seine Peiniger empfand er keinen Hass mehr" (Niedermeier in seinem Buch „Ein Kämpfer für Wahrheit und Recht. Fritz Gerlich - ein Mann des katholischen Widerstands. 1995, S. 84 f).

4.3 Gerlichs Tod als MärtyrerEs kam Samstag, der 30.Juni 1934, der Röhmpu-tsch. Der Tag, an dem Hitler blutige Vergeltung an den Führern der SA übte, die angeblich seinen Sturz geplant haben. Um die Mittagszeit berich-tet ein Wachmann den Gefangenen von ersten Festnahmen und Erschießungen. Fritz Gerlich wird weiß wie eine Wand. Er hat keinen Zweifel, dass Hitler seine Vergeltungsaktion gegen die SA zur Generalabrechnung auch mit anderen ihm gefährlichen Gegnern nutzen wird. Er ahnt, was ihm bevor steht. Er zieht sich in seine Zelle zurück. Als er später wieder zu den anderen Gefangenen zurückkehrt, wirkt er gefasst.23.30 Uhr. Im Gefängnishof fährt ein Auto vor. Zwei Männer in Zivil steigen aus und verlangen vom Gefängnisverwalter die Herausgabe von Fritz Gerlich. Der Häftling hat sein Köfferchen bereit. Um Mitternacht wird er in dem Wa-gen nach Dachau gebracht. Ein SS-Mann namens Kantschuster soll ihn im KZ nach dem Bericht eines Gefangenen, der Kantschusters Erzählung in der Kan-tine aufgeschnappt hat, aus dem Auto gezerrt und mit einem Fußtritt in eine Zelle gestoßen haben. „Und dann“, so Kantschuster, „hamm’ ma d’raufbrennt, und zsammgsackt is’ er wie ein Mehlsack.“Gerlichs Leiche wurde mit denen anderer Ermorderter zusammen verbrannt und ruht wahrscheinlich im Münchner Ostfriedhof. Fritz Michael Gerlich starb als Märtyrer in seinem unerbittlichen Kampf nicht gegen Irrwege der Politik, sondern gegen einen gewaltigen Aufmarsch satanischer Kräfte der Lüge und der Gewalt, durch die Deutschland und die Welt, wie er prophetisch vorhersah, ins Unglück gestürzt werden sollte. Die Triebkraft für sein Han-deln war sein einmal als wahr erkannter und konsequent gelebter christlicher Glaube, die letzte, entscheidende Wahrheit, nach der er gesucht und die er im Lauf seines Lebens gefunden hat.