4
Copyright 1932 by: Schweizerische chemische Gesehchnft, Basel - Socibte suisse de Chimie, Bile - Societa svizzern di chimica Bnsilea. Nachdruch verboten - Tous droita r&rv&. Karl Spiro. (7. IX. 32.) Dr. phil. et med. Karl Spiro, ordentlicher Professor fur physio- logische Chemie an der Universitat Basel, starb plotzlich am 21. Narz 1932 in Wimmensu im Elsass. Mit seinem Tod hat eine grosse Ge- meinde von Schiilern und Freunden ihren Mittelpunkt verloren. Karl Spiro entstammte einer Berliner Kaufmnnnsfamilie und zeigte schon als Gymnasiast eine ausgesprochen musikslische und philologische Begabung. Trotzdem folgte er dem Wunsche seines verstorbenen Vaters und studierte Naturwissenschsften. Bei Bmil Fischer in Wiirzburg promovierte er 1889 in Chemie, dazu holte er sich 1893 in Leipzig noch den medizinischen Doktorgrad. 1894 kam er d a m nach Strassburg, zunachst zum Pharmakologen Schmiede- berg und 1896 zu Bofmeister, dem neu berufenen physiologischen Chemiker. Mit Strassburg und dem Elsass war er, der Norddeutsche, sehr rasch verwachsen ; die junge, lebenspruhende Universitst, an der damsls die Elite der deutschen Wissenschaft lehrte, und be- sonders sein grosser Lehrer Hofmeister, fiir den er zeitlebens die grosste Verehrung und Dankbarkeit bezeigte, boten ihm Anregungen in reicher Fulle. So war es ein gluckliches, fruchtbares Schaffen, bis erst der Krieg mancherlei Erschwerungen und dss Kriegsende ihm, wie so vielen Kollegen und Leidensgenossen, die Ausweisung brachte. Er wandte sich in die ihm durch seinen Fmund Asher vertraute Schweiz, wo er zuerst in Bern Unterkunft fand; dann kam er nach Basel, zungchst als Pharmakologe in das wissenschaf tliche Labors- torium der Firma vorm. Sandox, bis ihrn 1921 das Ordinariat fur physiologische Chemie und damit die Nachfolge Bunge's ubertragen wurde. Es waren ihrn nur noch 10% Jahre vergonnt, bis der Tod ihn abrief; aber voller Schaffensfreude hat er das oft von ihrn zitierte ,,csrpe diem" zur Wahrheit gemacht, und in dieser Zeit allein mit seinen Schulern uber 200 wissenschaftliche Veroffentlichungen heraus- gebmcht. Will man das uberreiche Lebenswerk Karl Spiro's umreissen, so muss man sich bei seiner Vielseitigkeit mit Andeutungen be- gniigen. Die Chemie hat er durch die .Entdeckung der Pyrrolih- carboasaure und des Phenylathylamins bereichert, zweier wichtiger Bausteine des Eiweisses. Die Analyse verdankt ihrn und seinen 53

Karl Spiro

  • Upload
    hans

  • View
    212

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Copyright 1932 by: Schweizerische chemische Gesehchnft, Basel - Socibte suisse de Chimie, Bile - Societa svizzern di chimica Bnsilea.

Nachdruch verboten - Tous droita r&rv&.

Karl Spiro. (7. IX. 32.)

Dr. phil. et med. Karl Spiro, ordentlicher Professor fur physio- logische Chemie an der Universitat Basel, starb plotzlich am 21. Narz 1932 in Wimmensu im Elsass. Mit seinem Tod hat eine grosse Ge- meinde von Schiilern und Freunden ihren Mittelpunkt verloren.

Karl Spiro entstammte einer Berliner Kaufmnnnsfamilie und zeigte schon als Gymnasiast eine ausgesprochen musikslische und philologische Begabung. Trotzdem folgte er dem Wunsche seines verstorbenen Vaters und studierte Naturwissenschsften. Bei Bmil Fischer in Wiirzburg promovierte er 1889 in Chemie, dazu holte er sich 1893 in Leipzig noch den medizinischen Doktorgrad. 1894 kam er d a m nach Strassburg, zunachst zum Pharmakologen Schmiede- berg und 1896 zu Bofmeister, dem neu berufenen physiologischen Chemiker. Mit Strassburg und dem Elsass war er, der Norddeutsche, sehr rasch verwachsen ; die junge, lebenspruhende Universitst, an der damsls die Elite der deutschen Wissenschaft lehrte, und be- sonders sein grosser Lehrer Hofmeister, fiir den er zeitlebens die grosste Verehrung und Dankbarkeit bezeigte, boten ihm Anregungen in reicher Fulle. So war es ein gluckliches, fruchtbares Schaffen, bis erst der Krieg mancherlei Erschwerungen und dss Kriegsende ihm, wie so vielen Kollegen und Leidensgenossen, die Ausweisung brachte.

Er wandte sich in die ihm durch seinen Fmund Asher vertraute Schweiz, wo er zuerst in Bern Unterkunft fand; dann kam er nach Basel, zungchst als Pharmakologe in das wissenschaf tliche Labors- torium der Firma vorm. Sandox, bis ihrn 1921 das Ordinariat fur physiologische Chemie und damit die Nachfolge Bunge's ubertragen wurde.

Es waren ihrn nur noch 10% Jahre vergonnt, bis der Tod ihn abrief; aber voller Schaffensfreude hat er das oft von ihrn zitierte ,,csrpe diem" zur Wahrheit gemacht, und in dieser Zeit allein mit seinen Schulern uber 200 wissenschaftliche Veroffentlichungen heraus- gebmcht.

Will man das uberreiche Lebenswerk Karl Spiro's umreissen, so muss man sich bei seiner Vielseitigkeit mit Andeutungen be- gniigen.

Die Chemie hat er durch die .Entdeckung der P y r r o l i h - carboasaure und des Phenylathylamins bereichert, zweier wichtiger Bausteine des Eiweisses. Die Analyse verdankt ihrn und seinen

53

- 1314 -

Schulern eine reiche Literatur zur Mikromethodik, besonders an- organischer Stoffe. Seit seiner Habilitationsnrheit ,,Uber physi- kalische und physiologische Selektion" hat er der K o 11 o i d le h r e eine grosse Reihe glanzender Untersuchungen, speziell uber die Salz- wirkungen und die Hofmeister'sche Reihe gewidmet. Der p hys i - ka l i s chen Chemie hat er immer ein lebhaftes Interesse entgegen- gebrscht und grundlegende Arbeiten iiber die Pufferung geliefert. Ah einer der ersten hat er die Lehren der physikalischen Chemie auf die Bio logie angewandt, Schon in seiner er$t heute recht ge- wiirdigten Habilitationsschrift ; bei der Lehre von der oligodyna- mischen Wirkung, von der Hsrnbereitung, von der biologischen Pufferung, von den Fermenten ist er zu wichtigen Ergebnissen gelangt. Auch die P h s r m a k o l o g i e verdsnkt ihm viele wertvolle Befunde ; hier sei nur auf die erste pharmakologische Untersuchung des Ergotamins (Gynergens) hingewiesen. Und such in der T h e r a - p i e hat er sich unvergesslich gemacht mit der Anregung zur Dar- stellung des Pyramidons ; wertvolle Praparate zur perkutanen Schwefeltherapie und perkutanen Schmerzbekampfung wurden durch seine und seiner Schiiler Studien geschaffen. Im K r i e g hat er sich mit Erfolg und Anerkennung bei der Ausarbeitung der Gas- masken betatigt. Das entsprsch ganz seinem Wesen: er wollte seinem deutschen Vaterland in der Not helfen, aber nicht indem er Vernichtungswaffen schuf, sondern Leben zu erhalten, zu schutzen war sein Ziel.

Einen grossen Teil seiner unermudlichen Arbeitskraft hat er von jeher dem L i t e r a t u r w e s e n gewidmet. Sein reiches Wissen, seine aeltene Vielseitigkeit und nicht zuletzt seine mcisterhsfte Darstellungsgabe befahigten ihn dszu wie kaum einen zweiten. Jshrzehntelang war er Mitherausgeber der Xaly'schen Berichte iiber die Tierchemie und bis zu seinem Tode der Bonn-Spiro'schen Jahresberichte iiber die Physiologie; die Bedeutung der von ihm zussmmen mit L. Asher herausgegebenen ,,Ergebnisso der Physio- logic“ reicht weit uber das deutsche Sprschgebiet hinaus. Seiner eigenen Feder danken wir eine ganze Anzahl von abgeklarten, nach Form und Inhalt unerreichten Ubersichtsarbeiten aus seinen Ge- bieten. Nicht vergessen seien auch die vollendeten Biographien, die er so manchem vorangegangenen Fachgenossen gewidmet hat.

Ein Charakter wie Spiro, aufgeschlossen allem Schonen und Guten, musste mit seiner Interessensphare weit uber sein eigenes Fach, das ja eigentlich aus vier Fachern bestand : Physiologie, Pharmakologie, Chemie und Physikalische Chemie, hinausreichen. Fiir alle schonen Kunste hatte er regstes Interesse und Verstandnis. In der Malerei und Plastik standen besonders die altdeutschen Meister seinem Herzen nahe. Musik hat er schon von friihester Jugend an selbst ausgeiibt, gerne im Qusrtett, und noch in den

- 1315 -

letzten Jahren, wo seine zunehmende Schwerhorigkeit ihn immer mehr von der Welt abschloss, bedeutete ihm die gelegentliche Abend- stunde, die er dem Geigenspiel widmete, die schonste Erholung. Bus der schonen Literstur kannte und liebte er alles Wertvolle und mit manchem zeitgenossischen Dichter (wie such Maler und Gra- phiker) verband ihn herzliche, verstandnisvolle F-reundschsf t. Ein Schwerpunkt seines Wesens war in Goethe verankert. Der junge Gymnssiast hatte a19 Thema seines ersten Vortrags ,,Goethe" ge- wahlt, und fiinfzig Jahre spater wurde sein Festvortrag fur die Goethefeier der Basler Naturforschenden Gesellschaft in der ganzen Fulle seiner Weisheit zu seinem Vermhchtnis. So war ihm Goethe ,,durch ein gsnzes Lehen sin bis zur Einseitigkeit geliebter Begleiter" ; fur seine Ruhezeit im Alter hatte er zwei Plane, die Goethe als Naturwissenschaftlei und Goethe's Humor darstellen sollten, zwei PlYne, deren Ausfuhrung er uns leider schuldig geblieben ist.

Auch mit rein philologischen Fragen hat er sich gern beschaf- tigt. Auf sein wichtigstes Rustzeug dazu, das posse Worterbuch der deutschen Sprache von Grimm, war er besonders stolz. Viel- faltig waren seine Beziehungen, wissenscha,ftlich und menschlich, zur Theologie. Er hessss eine reiche theologische Bibliothek und beschaftigte sich, unterstiitzt durch die regelmksige Lektiire von Fschzeitschriften, eingehend mit sllen theologischen Gegenwarts- frsgen.

Zur Theologie ksm er uber den Nuumann-Kreis, dem er sich schon friih angeschlossen hstte und der auch seiner politischen Hsltung entsprach. Fur Friedrich Naumann hegte er die grosste Verehrung. Bis an sein Lebensende blieb er dieser demokratisch- pazifistischen Linie treu, die auch seine Einstellung zu den Elsassern und Schweizern bestimmte. Beide Volker waren fur ihn deutsche Rassen eigener und ihm besonders sympathischer Pragung. Wie er vor dem Rrieg die Missgriffe der deutschen Verwsltung im Elssss kritisierte, so gslt nach dem Krieg seine ganze Liebe diesom nie zur Ruhe kommenden Land. Vielfach schlug er die Briicke von seiner Disziplin zu allgemein menschlichen und politischen Gebieten, so in seiner Basler Antrittsvorlesung, die vom echten und Pseudo- antsgonismus der Ionen handelte, und ihn zu den entsprechenden Antagonismen der Volker uberleitete.

Seine tiefe Religiositat, seine abgeklarte Philosophie und sein warmer lebensbejahender Humor liessen ihn das viele Schwere tragen, das ihm selbst vom Geschick auferlegt war. Die brutsle Ausweisung aus seiner ihm ans Herz gewachsenen zweiten Heimat und seine schon lange bestehende immer zunehmende Schwerhorig- keit mag er wohl sls schwere Priifungen empfunden haben. Aber nie hat jemand ein Wort der Klage dariiber gehort. Seine person-

- 1316 -

liche Anspruchslosigkeit liess ihn mit den bescheidensten Verhalt- nissen vorlieb nehmen; viele Jahre nach seiner Ausweisung lebte er im einfachen Gasthsus.

Seinen Schulern war er ein zweiter Vater, der Freud und Leid mit ihnen teilte. Im Institut ein stets uberlegener, geistreicher Fuhrer und Berater, der tiiglich neue Gesichtspunkte und An- regungen wusste und in den Feierstunden, die er gerne mit seinen Schulern verbrschte, immer ein freundlicher und liebevoller Gast- geber, der alle in den Bann seiner Personlichkeit zog. Seinem reichen Wissen und seinem klaren Verstsnd verdankte er eine uberfiille von wissenschaftlichen Ideen. Und mit reicher Hand verschenkte er sie an alle - und es waren ihrer nicht wenige -, die zu ihm kamen. Jeder hatte jederzeit Zugsng zu ihm, alle fanden bei ihm Rat, ein ermunterndes Wort und tatkraftige Hilfe. So kannte er keine sozialen Unterschiede. Die grosste Freude war es ihm, wenn er bei soinen unterelsassischen Bauernfreunden weilen konnte. Wor gesehen hat, mit welch tiefem Behagen er hier in diesem einfachen und doch so harmonisch festen Kreis weilte, wie er in den Bauern und die Bauern in ihrn den Menschen gefunden hatten und liebten, der hat ein wesentliches Stuck von Spiro's Charakter erkannt.

Sein Grundzug war Liebe und Hilfe fur alle, besonders die Unter- driickten, die Hilflosen, die Anfanger, Hilfe mit der Tat und dem Geiste. ,,Die Liebe herrscht nicht, sie bildet, und das ist mehr" zitierte er in seinem Goethevortrsg, drei Wochen vor seinem Tode.

Ein Mensch, der immer strebend sich bemiiht und so sich Er- losung schuf von dem Zweifel an seiner Leistung, der auch ihn oft beschlich, so wird dioser edle und gutige Gelehrte Karl Spiro weiterleben im Gedachtnis all derer, die das Gliick hatten, ihm niiher zu kommen.

Hans und Carla illoser-Egg.

Zur Reaktion von Ammoniak auf Mercurochlorid von Carl Renz.

(9. IX. 32.)

Nach den Untersuchungen von C . Barfoedl) besteht das durch Einwirkung von Ammoniakwasser auf Mercurochlorid entstehende schwarze Reaktionsprodukt, das man vorher als eine Mercuro- ammoniumverbindung und individuellen Korper ansah, aus einem Gemisch von unschmelzbarem Prtlzipitat (NH,HgCl) und metalli- schem Quecksilber.

l) C. Barfoed, J. pr. [2] 39, 211 (1889).