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Alphonse Quizet (1885 -1955) und die Maler vom Montmartre MAIER & CO. FINE ART Kunsthandlung Thomas Maier & Co. OHG

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Katalog zur Ausstellung "Alphonse Quizet (1885-1955) und die MAler vom Montmartre

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Alphonse Quizet(1885-1955)

und die Maler vom Montmartre

MAIER & CO. FINE ARTKunsthandlung Thomas Maier & Co. OHG

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Alphonse Quizet(1885-1955)

und die Maler vom Montmartre

Stanislas Lépine | Marcel Leprin | Elisée MacletGen Paul | Maurice Utrillo

AUSSTELLUNGNovember 2012 – Januar 2013

in der Galerie Stuttgart StadtmitteEberhardstraße 6

MAIER & CO. FINE ARTKunsthandlung Thomas Maier & Co. OHGBARBIZON | IMPRESSIONISMUS | MODERN ART

Schwabstraße 22, D-70197 Stuttgart, Telefon 0049 (0)711 - 6 64 50-10, Fax -11E-Mail: [email protected], Internet: www.barbizon.de

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Die abgebildeten Gemälde sind verkäuflich.Das auf der Seite 27 beschriebene Gemälde

wurde in eine private Sammlung weitergegeben und steht nicht mehr zum Verkauf.

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Alphonse QuizetLeben und Werk

Alphonse Quizet wird am 13. März 1885 ineine kleinbürgerliche Pariser Familie hinein-geboren. Seine Eltern Joseph und LéontineQuizet stehen kurz vor der Eröffnung einesCafés am Quai de l'Hôtel de Ville. Ganz inder Nähe, in der Rue François-Miron, besit-zen Josephs Schwiegereltern ebenfalls einCafé, wo er und seine Frau sich kennen ge-lernt hatten.

Im Alter von 10 Jahren – Alphonse lebt mitt-lerweile mit seinen Eltern auf dem ButteMontmartre – kauft er sich erstmals Künst-lerfarben und schwänzt wiederholt dieSchule, um ins Musée du Louvre gehen zukönnen. Zu seinen Spielkameraden auf demMontmartre gehören die späteren MalerEdmond Heuzé (1883-1967) und AndréUtter (1886-1948).

Um das Jahr 1900 kommt es – bewusst oderunbewusst – bei Quizet zu einer zweigleisi-gen Entwicklung, die sein gesamtes Lebenprägen wird. Einerseits hat er den Wunsch,ein geregeltes, gutbürgerliches Leben mitFamilie in materieller Sicherheit zu führen.Andererseits möchte er seiner Leidenschaft, Maler zu werden, nachgehen. Und es wirdihm gelingen, diese beiden „Parallelwelten“ zu vereinen.

Quizet schließt seine Schulbildung am Gymnasium Colbert in Paris ab und arbeitet alsLehrling bei der Omnibusgesellschaft von Paris. Danach lässt er sich in zwei Archi-tekturbüros zum technischen Zeichner ausbilden. In diesem Beruf erhält er bei der„Compagnie des omnibus de Paris“ eine Anstellung und geht dieser Tätigkeit – stetskorrekt und elegant gekleidet – bis zur Pensionierung nach. 1910 heiratet er und bekommt mit seiner Frau Jeanne drei Töchter. Jeanne arbeitet als Schneiderin in dembekannten Modesalon von Jeanne Paquin (1869-1936). Zunächst leben sie auf dem Montmartre in verschiedenen Wohnungen. 1920 verlässter mit seiner Familie den Montmartre und zieht in ein Neubaugebiet, das Quartier del’Amérique nahe dem Square des Buttes-Chaumont, in die Villa Félix-Faure. Hier lebtund arbeitet er umgeben von seiner Familie und einer großen Anzahl an Haustierenbis zu seinem Lebensende.

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Alphonse Quizet vor einem seiner Gemälde, Photographie um 1930

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Parallel zu dieser bür-gerlichen Existenz fröntQuizet seiner Leiden-schaft als Maler undgenießt das Leben inKünstlerkreisen. Er belegt Zeichen- undMalkurse an der Écoledes Beaux-Arts und beginnt um 1900 auf dem Montmartre Bil-der zu malen. Dabeilernt er um 1903 Mau-rice Utrillo kennen undgibt diesem künst-lerische Ratschläge. Erfühlt sich als dessen äl-

terer Bruder und Mentor. Nicht selten sitzen die beiden frühmorgens, noch vor Arbeits-beginn bei der Omnibusgesellschaft in stillen Winkeln des Montmartre malend vor demgleichen Motiv. Quizet verkehrt zeitlebens gerne und häufig in den Montmartre-Kneipen, so auch in seinem Stammlokal, dem Lapin Agile. Er fühlt sich im Kreise der intellektuellen Bohème sichtlich wohl. Neben dem alkoholkranken Utrillo zählt dernoch weiter heruntergekommene Marcel Leprin zu seinen engsten Freunden. Er hilftund unterstützt diesen mittellosen, alkohol- und drogenabhängigen Künstler bis zudessen frühem Tod 1933.Die Freundschaft mit diesen beiden sensiblen, hochtalentierten, in ihrer vagabunden-artigen Existenz sich krass vom bürgerlichen Leben Quizets unterscheidenden Malerdürfte auf Quizets Maxime zurückzuführen sein: „Es genügt nicht, nur ein gutes Auge,sondern auch ein gutes Herz zu haben, um ein Maler zu sein“.

Für Quizet war Vincent van Gogh (1853-1890) wichtigstes künstlerisches Vorbild. Vonihm übernimmt er die Verwendung leuchtender, reiner Farben und das Setzen harterFarbkontraste. Auch der dynamische, längliche Pinselstrich van Goghs findet sich in Arbeiten Quizets wieder. Einige seiner Bilder erhielten deshalb auch den ehrenden Zusatztitel „Hommage à van Gogh“.

Quizet war ein Motivspezialist, der sich zeitlebens fast ausschließlich mit einem Themabeschäftigte: dem urbanen Leben innerhalb der Architektur von Paris. Hierbei half ihmsein exzellentes Auge für die Raumperspektive, das er im Zuge seines bürgerlichen Be-rufs zusätzlich schärfen konnte. So hat sich Quizet die Ecken und engen Winkel, dieStraßenkreuzungen und die alten Häuser des Montmartre-Viertels immer wieder zumMotiv genommen. Auch andere Bezirke in Paris und die Stadtrandgebiete („Banlieue“)interessierten ihn, wobei er die Gegenden um die Seine besonders schätzte. Wiederholtstellt er z. B. das Leben um den Canal Saint Martin dar, der in nord-südlicher Richtungdas Bassin de la Villette mit der Seine verbindet.4

Das Lapin Agile in der Rue des Saules, Postkarte um 1905

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Zu Quizets Lebzeiten fand die hohe Qualität seines künstlerischen Schaffens große Anerkennung. So räumte ihm beispielsweise die Galerie Bernheim-Jeune, eine der renommiertesten von Paris, zu deren „Hauskünstlern“ u. a. Pierre-Auguste Renoir(1841-1919), Pierre Bonnard (1867-1947) und Albert Marquet (1875-1947) zählten, einebeträchtliche Anzahl an Einzelausstellungen ein. Der Staat ehrte ihn mit der Verleihungdes Kreuzes der Ehrenlegion.

Quizet ist – zusammen mit Marcel Leprin, Elisée Maclet, Gen Paul und Maurice Utrillo– als einer der wichtigsten Chronisten des alten Montmartre-Viertels in der ersten Hälftedes 20. Jahrhunderts in die Kunstgeschichte eingegangen, ohne die Berühmtheit seinesFreundes Utrillo erlangt zu haben.

Das Quartier Montmartre

Das berühmte Künstlervier-tel gehört heute zum 18.Stadtbezirk von Paris. Es ist um 1859/60 durch dieEingemeindung des DorfsMontmartre zusammen mitden Dörfern La Chapelleund Clignancourt durch dieMetropole Paris entstan-den.

Etwas vereinfacht lässt sichdas Quartier Montmartre inzwei Gebiete unterteilen.Den Bas Montmartre undden Haut Montmartre. DieTrennlinie bilden der Boule-vard de Clichy und der Bou-levard de Rochechouart.

Das Gebiet des Bas Montmartre wandelte sich schon Ende des 18. Jahrhunderts voneinem Agrar- zu einem billigen Wohn- und Vergnügungsviertel. Vor allem ab Mittedes 19. Jahrhunderts entstanden südlich des Boulevards de Clichy bis zur Rue de Provence nach den Plänen des Pariser Stadterneuerers Baron Haussmann (1809-1891)neue Mietshäuser, die ihrer niedrigen Mieten wegen die Pariser Intellektuellen, an vorderster Stelle die Musiker, Maler und Literaten, fast magisch anzogen. Es lebten hieru. a. Frédéric Chopin (1810-1849), Gustave Caillebotte (1848-1894), Eugène Delacroix(1798-1863), Claude Monet (1840-1926), Georges Seurat (1859-1891) und George Sand(1804-1876). Auch Malutensilien- und Kunsthändler siedelten sich in dieser Gegend an. 5

Die Rue Tholozé mit den drei Windmühlen von Montmartre, Photographie 1843 von Hippolyte Bayard

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So hatte beispielsweise der Père Tanguy (1825-1894) in der Rue Clauzel sein Geschäft für Malutensilien, in dem er auch gegen Malerzubehör eingetauschte Gemälde anbot. Zu den Künstlern, die Tanguy auf diese Weise unterstützte, gehörtenauch Paul Cézanne (1839-1906), Vincent van Gogh, Georges Seurat (1859-1891) undPaul Gauguin (1848-1903). Van Goghs Porträt »Le Père Tanguy« bildet einen Meilensteinin der Entwicklung der modernen Figuren- und Porträtmalerei (heute: Paris, MuséeRodin).

Gleichzeitig mit dem Zuzug der künstlerischen Bohème entstanden in dieser Gegendeine Vielzahl an Cafés, Restaurants, Brasserien und Cabarets, wo man sich zu geselligen

Disputen über Kunst,Musik und Literatur,aber auch zum reinenFreizeitvergnügen bistief in die Nacht hi-nein traf. Hier lebtenauch zahlreiche nam-hafte Malermodellesowie Damen des äl-testen Gewerbes. Zuden beliebtesten Treff-punkten zählten daskleine Restaurant AuTambourin in der Rue Richelieu (später Bou-levard de Clichy) unddas Café de la Nou-velle-Athenès am PlacePigalle. Im Au Tam-

bourin verkehrte eines der gesuchtesten Malermodelle der Zeit, Agostina Segatori(1841-1910), die auch Camille Corot (1796-1875), Edouard Manet (1832-1883) und Vincent van Gogh Modell saß. Letzterer setzte ihr mit seinem Gemälde »Agostina Segatori au Café du Tambourin« (heute: Amsterdam, Rijksmuseum Vincent van Gogh)ein malerisches Denkmal. Das Café de la Nouvelle-Athenès galt zunächst als Ort der intellektuellen Opposition gegen Kaiser Napoleon III. (1808-1873). Hier verkehrten LéoGambetta (1838-1882), Gustave Courbet (1819-1877) und Émile Zola (1840-1902). Nachdem Krieg 1870/71 versammelte Manet seine Maler-, Literaten- und Sammlerfreundein diesem Café um sich. So zählten u. a. auch Edgar Degas (1834-1917), Claude Monet(1840-1926), Pierre-Auguste Renoir und Dr. Paul Gachet (1828-1909) zu den Stamm-gästen.

Der Haut Montmartre umfasst das Gebiet des Montmartre-Hügels, des Butte Montmar-tre, der mit 130 m höchsten natürlichen Erhebung von Paris. Dieser Teil des QuartierMontmartre behielt das gesamte 19. Jahrhundert über seinen dörflichen Charakter bei, mit seiner frischen Luft, den Windmühlen, seinen einfachen Gartenlokalen mit 6

Das Café de la Nouvelle-Athenès in der Rue Pigalle, Photographie um 1900

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Unterkünften und seinen pittoresken Häusern und Gassen. Erst von 1914 an geht derländliche Charakter dieses Teils des alten Paris mehr und mehr verloren. Auf dem Butte Montmartre lebten – zumindest ein gewisse Zeit – u. a. Kees van Dongen(1877-1968), Stanislas Lépine, Marcel Leprin, Elisée Maclet, Alphonse Quizet, Pierre-Auguste Renoir, Henri de Toulouse-Lautrec (1864-1901), Vincent van Gogh und sein Bruder Théo (1857-1891) sowie Maurice Utrillo.Nur Gen Paul verbrachte mit Ausnahme seines Kriegsdienstes und anschließendem Klinikaufenthalt sein gesamtes Leben in diesem Pariser Viertel.

Zu den ersten Malern, die sich künstlerisch mit dem Butte Montmartre auseinander-setzten, gehörte Georges Michel (1763-1843). Besonders angetan war er von den Wind-mühlen. Zu seiner Zeit waren es 14 an der Zahl, die er auf vielen seiner Gemälde immerwieder ins Zentrum der Komposition rückte. Michel lebte viele Jahre in einfachsten Verhältnissen auf dem Montmartre-Hügel.

Das sicherlich bedeutendste Bild, das das Leben auf dem Butte Montmartre dokumen-tiert, schuf Pierre-Auguste Renoir 1876 mit seiner Darstellung »Le bal du Moulin de laGalette« (heute: Paris, Musée d’Orsay). In dieser vibrierenden, farbintensiven Impressionfing Renoir nicht nur ein sonntägliches Tanzvergnügen in einem Gartenlokal auf demMontmartre ein. Vielmehr konserviert er in diesem Meisterwerk das Freizeitleben derPariser (Klein-) Bourgeoisie gegen Ende des 19. Jahrhunderts.Renoir selbst richtete sich bereits 1876 auf dem Butte Montmartre in der Rue CortotNo. 12 ein Atelier ein. Von 1890 an lebte er mit seiner Familie für mehr als ein halbesJahrzehnt in einem schönen Steinhaus in der Rue Girardon No. 13, einem Gebäude, daszum Anwesen des Château des Brouillards (= das Nebelschloss) gehörte.

Auch andere bedeutende Maler nahmen sich schon vor 1900 wiederholt den Montmar-tre zum Motiv. So schuf Vincent van Gogh, der 1886/87 bei seinem Bruder Théo in derRue Lepic wohnte, etliche Bilder über das dortige Leben. Unter anderem entstandenhier Meisterwerke wie »Le Moulin de la Galette« (heute: Otterlo, Kröller-Müller Museum) und »La Guinguette« (heute: Paris, Musée d’Orsay), das die Terrasse eines Gartenlokals auf dem Montmartre wiedergibt. Besonders faszinierte van Gogh der Aus-blick aus der Wohnung seines Bruders Théo auf Paris. Von hier aus konnte man überweite Teile der Stadt bis zu den Hügel von Meudon und St. Cloud am Horizont schauen.Vincent hielt diese Szenerie mehrfach auf seinen Gemälden, wie auf dem Werk »Vue de la chambre de l’artiste, rue Lepic, 1887«, fest (heute: Amsterdam, Rijksmuseum Vincent van Gogh).

Die Maler vom Montmartre lebten also nicht nur hier, sondern verarbeiteten ihr Umfeldimmer wieder in ihren Bildern. Neben dem pittoresken Gesamtensemble, den der ButteMontmartre als solches bot, hatten es ihnen einige markante Gebäude, Straßenecken,Plätze und Gärten – bis hinunter zum Bas Montmartre – besonders angetan:

– Unübersehbares Wahrzeichen des Butte Montmartre und damit von ganz Paris wurdedie Basilika Sacré-Cœur. Der Grundstein für diese im „Zuckerbäckerstil“ errichtete 7

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Kirche, die starke Anlehnungen an die Markuskirche in Venedig und die Hagia Sophiain Istanbul aufweist, wurde bereits 1875 gelegt, fertig gestellt wurde sie jedoch erst im Jahre 1914. Das markante, leuchtende Weiß der Basilika entstand durch die Ver-wendung von Château-Landon-Steinen, einem frostresistenten Travertin, der durch dieWitterung sein Calcit abgibt und so mit der Zeit ein kreideartiges Weiß annimmt. Vorallem im malerischen Schaffen von Utrillo spielt die Sacré-Cœur eine zentrale Rolle.Aber auch Leprin, Maclet, Quizet und Gen Paul haben dieses beeindruckende Kirchen-gebäude immer wieder als Motivvorlage für ihre Gemälde verwendet.

– Der Place du Tertre, nur wenige Meter von Sacré-Cœur und der Kirche Saint-Pierre de Montmartre entfernt, war schon im frühen 19. Jahrhundert der Gemeinde-platz des Montmartre. Im Laufe der Zeit siedelten sich in den umliegenden alten Häu-

sern zahlreiche einfa-che Bistros und Cafésan, wie beispielsweisedas Chez La Mère Catherine, wo sich dieEinwohner und insbe-sondere die Künstler zueinem Absinth, einemPastis, einem Kaffeeoder zum Essen trafen.Das gesellige, farben-frohe Treiben auf demPlace du Tertre regtevor allem Utrillo, Macletund Gen Paul zu zahl-reichen ihrer Bilder an.

– Der Maquis (= Dickicht, Unterschlupf) war ein verwahrlostes Gebiet am Nordhang desButte Montmartre, eingeklemmt zwischen der Rue Caulaincourt, der Rue Lepic und derRue des Brouillards (heute: Rue Girardon). Nachdem die ehemaligen Wirtschafts-gebäude des Château des Brouillards abgerissen worden waren, entstand ab ca. 1850auf diesem Niemandsland ein Labyrinth ähnliches Gewirr von ärmlichen Hütten aus Wellpappe, Holz, Wachstüchern etc.. Hier lebten mittellose Künstler, Menschen amRande der Pariser Gesellschaft sowie Vagabunden und Kriminelle. Eine Zeit lang betratdie Polizei dieses Areal nur bei Tag. Um 1905 wurde zwischen der Rue Caulaincourt undder Avenue Junot mit den Arbeiten für ein Neubaugebiet begonnen, dem der Maquiszum Opfer fiel. Alles was dort stand, wurde auf Anweisung der Pariser Polizeipräfekturabgerissen.Der alte Maquis trug nachhaltig zur Mythologie des Butte Montmartre bei und wurdezu einem wichtigen Motiv bei Malern wie Maurice Utrillo und Vincent van Gogh.

– Zu den beliebtesten Sujets der Maler zählten auch die beiden pittoresken, aneinandergebauten Häuschen in der Rue du Mont-Cenis No. 18 (bis 1860: Rue Saint-Denis), denen8

Maison de Mimi Pinson und Maison Berlioz in der Rue du Mont Cenis,Photographie um 1900

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die Montmartre-Bewohner die Namen Maison de Mimi Pinson und Maison Berliozgaben. Beide Gebäude wurden1925 abgerissen. Mit dem kleinen flachen Bauwerkwurde die 1845 von Alfred de Musset (1810-1857) geschaffene Romanfigur Mimi Pinsonverbunden: eine kleine Arbeiterin, Malermodell und gute Freundin der Künstler aufdem Montmartre. Im angebauten anderen Haus lebte zwischen 1834 bis 1836 der Komponist Hector Berlioz (1803-1869). Vor allem Maclet und Utrillo inspirierte dieseHäuserszenerie am nördlichen Hang des Montmartre immer wieder und wurde zueinem ihrer Lieblingsmotive.

– Das Bateau Lavoir (= Waschboot) war ein herunter gekommenes Haus auf dem Mont-martre in der damaligen Rue Ravignan No. 13 (heute Place Émile Goudeau No. 11bis).Dieses Gebäude erhielt seines Aussehens wegen – wie ein Waschboot an der Seine –seinen Namen von dem Schriftsteller Max Jacob (1876-1944). Erster Mieter war 1892der Impressionist Maxime Maufra (1861-1918). Zu dieser Zeit sprach man noch vom„Maison du Trappeur“ (= Haus des Fallenstellers). Beim Bateau Lavoir handelte es sichnicht um ein Haus im eigentlichen Sinne, sondern um eine große Holzbaracke, die zurRue Ravignan hin einstöckig war und sich nach hinten den Abhang des Montmartrehinab fünf Stockwerke tief erstreckte. 1909 zog der sicherlich berühmteste Künstler füreinige Jahre in diesen Treffpunkt der künstlerischen Avantgarde ein: Pablo Picasso(1881-1973). Weitere namhafte Bewohner dieser extrem billigen, slumartigen Unter-kunft waren u. a. die Maler Amedeo Modigliani (1884-1920), Kees van Dongen, JuanGris (1887-1927) und Georges Braque (1882-1963) sowie die Literaten Max Jacob, PierreReverdy (1889-1960) und André Salmon (1881-1969).

– Die Moulin de la Galette an der Rue Lepic bestand eigentlich aus zwei alten Wind-mühlen, der „Blute-fin“ und der „Radet“. 1809 erwarb die Familie Debray die beidenMühlen, produzierte Mehl und presste die Trauben der kleinen Weinberge auf demMontmartre. Den Parisern, die hierher kamen, um die frische Luft und die schöne Aussicht zu genießen, verkauften die Debrays Pfannkuchen aus Roggenmehl („galettesde seigle“) zusammen mit einem Glas Milch oder Wein. Einer der Debray-Brüder kam in den 1860er Jahren auf die Idee, um die „Radet“ herum eine Guinguette (= Loka-lität außerhalb der Stadt, zumeist ganz im Freien gelegen und mit Tanzmöglichkeit) zueröffnen, die er „Moulin de la Galette“ nannte. Einige Jahre später, 1870, eröffnete Nicolas-Charles Debray, der Eigentümer der zweiten Mühle, der „Blute-fin“, ebenfallseine Guinguette, die in kurzer Zeit weit populärer wurde als die Guinguette an der„Radet“-Mühle. Auch dieses Ensemble wurde „Moulin de la Galette“ genannt und ent-wickelte sich zu dem berühmten Vergnügungslokal, in dem sich die kleinen Leute vonParis vor allem sonntags zum Tanzen trafen. 1895 wurde der „Bal Debray“ offiziell zum„Bal du Moulin de la Galette“. Unsterblichkeit erhielt dieser Ort durch die Maler, diedie Mühle und die dortigen Tanzveranstaltungen immer wieder malten, darunterPierre-Auguste Renoir, Henri de Toulouse-Lautrec, Marcel Leprin, Elisée Maclet, GenPaul, Pablo Picasso, Alphonse Quizet, Paul Signac (1863-1935), Maurice Utrillo, Kees vanDongen und Vincent van Gogh.

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– Von 1860 an wurde das LapinAgile, eine kleine Kneipe mit Cabaret in der Rue des Saules No.22, zu einem von der künstleri-schen Bohème gerne frequen-tierten Treffpunkt. Ursprünglichlautete der Name Cabaret des Assassins (= Kabaret der Mörder).Der Karikaturist André Gill (1840-1885) war ein häufiger Gast diesesEtablissements. 1875 malte er ein Firmenschild mit einem be-schwipsten Hasen in Anlehnungan eine „Le lapin à Gill“ lautendeWandbeschriftung der kleinenKneipe, die ein Gast angebrachthatte. Im Laufe der Zeit wurdehieraus die heutige Schreibweise.

Nach 1900 übernahm Frédéric Gérard (1860-1938), gen. Père Frédé, das Lapin Agile.Père Frédé, der das Cabaret über 30 Jahre lang führte, wurde zu einer legendären Gestalt des Montmartre. Einen wilden Bart tragend und stets eine Zigarre zwischen denLippen spielte er abends Gitarre und sang im schummrigen Licht des kleinen Schank-raums Chansons. Zu seinen Hausgenossen zählten ein Affe, ein Hund, ein Rabe sowiesein Esel „Lolo“, der in die Kunstgeschichte einging, als ihm der Literat Roland Dorgelès(1885-1975) zusammen mit einigen Künstlern einen Malerpinsel an den Schwanz band.Das durch Lolos Schwanzbewegungen entstandene „abstrakte“ Gemälde stellten sieanschließend auf dem Salon des Indépendants aus, um zu demonstrieren, dass diesesWerk zwischen Gemälden von Maurice Denis (1870-1943), Paul Signac (1863-1935) oderPaul Sérusier (1864-1927) nicht deplatziert wirke. Zu Frédés langjährigen Stamm-gästen zählten neben dem bekannten Chansonnier Aristide Bruant (1851-1925) auchAlphonse Quizet und Maurice Utrillo. Dem mittellosen Elisée Maclet bot Père Frédé im Jahr 1917 Unterschlupf und ließ ihn im Schankraum des Cabarets einige Zeit langnächtigen. Als Gegenleistung spülte Maclet das Geschirr und polierte die Messing-töpfe. Das Lapin Agile wurde bei allen Malern auf dem Montmartre zu einem Haupt-motiv.

– Das Varieté Moulin Rougewurde 1889 von Charles Zidler (1830-1897) und Joseph Oller(1839-1922) am Fuße des Butte Montmartre am Place Blanche, Boulevard de Clichy No. 82 erbaut. Ein Jahr zuvor hatte Oller die älteste Pariser Music Hall L’Olympiaeröffnet. Seinen Namen erhielt das Varieté von der auf dem Dach montierten roten Mühle. Von 1900 an wurden hier große Pariser Bälle gegeben, auf denen die Tänzerinnen den frivolen Cancan und Chahuf tanzten. Die namenlosen, hübschenCancan-Tänzerinnen und die Pariser Tanz- und Gesangstars wie La Goulue (1866-1929),Yvette Guilbert (1865-1944), Jane Avril (1868-1943) und die Mistinguett (1875-1956) begründeten den legendären Ruhm dieses Varietés, zu dem die berühmten Werbe-10

Im Cabaret Lapin Agile in der Rue des Saules. Der Wirt Père Frédé unterhält seine Gäste an der Gitarre,Photographie um 1905.

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plakate für das Moulin Rouge von Henri de Toulouse-Lautrec zusätzlich beitrugen. Vor allem Gen Paul hat das Moulin Rouge häufig auf seinen Gemälden verewigt.

– Das Chat Noir wurde vondem Maler und Graphiker Ro-dolphe Salis (1851-1897) amBoulevard de Clichy No. 68 alsCaveau Artistique (= Künstler-kneipe mit Kleinkunstdarbie-tungen) 1880 eröffnet.Allerdings fanden nicht nurKünstler, sondern auch dasbürgerliche Publikum schnellGefallen an diesem Etablisse-ment, das zum Vorbild fürviele literarische Kabaretts inEuropa wurde. Einer der ers-ten Stammgäste war AristideBruant. Bald waren die Räum-lichkeiten zu klein und Saliszog mit dem Chat Noir in einewesentlich größere dreistö-ckige Villa in der Rue de Laval(heute: Rue Victor Massé) um.Nach Salis' überraschendemTod 1897 wurde das Chat Noirnoch im gleichen Jahr ge-schlossen. Sein Grabstein ziertder ihm zugeschriebene Ausspruch: „Gott hat die Welt geschaffen, Napoleon die Ehrenlegion gegründet – ich habe den Montmartre gemacht“.

– Seit 1875 hatte der von dem belgischen Kunstreiter Ferdinand (gen. Fernando) Beert(1835-1902) gegründete Cirque Fernando (in der Folge nach seinen neuen Besitzernumbenannt in Cirque Médrano) in einem Gebäude am Boulevard Rochechouart No. 63,Ecke Rue des Martyrs, sein festes Quartier. Der Zirkus war nicht nur für die kleinen Leuteaus Paris, sondern auch für die künstlerische Avantgarde ein beliebter Ort der Unter-haltung. Die zirzensischen Darbietungen inspirierten zunächst Impressionisten wieEdgar Degas, Pierre-Auguste Renoir und Henri de Toulouse-Lautrec. So stellte Degasdas Gemälde einer Trapezkünstlerin unter dem Chapiteau »Miss LaLa au Cirque Fernando« 1879 auf der vierten Impressionisten-Ausstellung in Paris aus (heute: London,National Gallery). Renoir porträtierte 1879 in seinem Werk »Acrobates au cirque Fernando (Francisca et Angelina Wartenberg)« zwei Artistenkinder (heute: Chicago, The Art Institute). Henri de Toulouse-Lautrec hielt auf seinem 1887/88 gemalten Werk»Equestrienne (Au Cirque Fernando)« eine beim Pariser Publikum besonders angesagte,sattellose Reitervorführung in der Manege fest (heute: Chicago, The Art Institute).

Tanzveranstaltung in der Moulin de la Galette, Photographie um 1905

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Nach 1900 lieferten die Clowns und Harlekins des Cirque Médrano mehrfach Motivefür Pablo Picasso und vor allem für Gen Paul.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor das Quartier Montmartre durch bauliche Um-gestaltungen und den aufkommenden Massentourismus seine Anziehungskraft undsomit seine Bedeutung bei ambitionierten Kunstschaffenden.In die Kunstgeschichte eingegangen ist dieser Pariser Stadtbezirk durch seine Blütezeitzwischen dem letzten Drittel des 19. und dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Indieser Zeitspanne bildete das Quartier Montmartre den fruchtbaren Nährboden für intellektuelle Auseinandersetzungen und wesentliche Neuerungen auf den Gebietender Malerei, Literatur und Musik.

Alphonse QuizetZeitgenössische Kritik (ausgewählte Zitate)

„In der Galerie Bernheim, wo er zahlreiche Gemälde präsentiert, erkennt man Quizet als einen viel zu lange und in nicht gerechtfertigter Weise bislang un-beachteten Maler, der eine Wiedergutmachung verdient. Ich bin mir sicher, dass diese schon im vollen Gange ist und sich in den kommenden Jahren noch steigern wird.“(Marcel Despiau, 1914, anlässlich Quizets erster Ausstellung bei Bernheim-Jeune)

„Wir finden … eine Montmartre-Landschaft von Quizet, der die Ausstellungsmachereinen guten Platz zugewiesen hatten, denn es gab auf dieser Ausstellung keine zehn Gemälde dieser Qualität.“(Jean Louis Vaudoyer, 1923, in der Zeitschrift „L’Écho de Paris“ anlässlich eines Pariser Salons)

„Quizet, der ein Jugendfreund von Utrillo und einer der am stärksten von Poesie und Ruhe durchdrungenen Maler des fast ländlichen Teils von Paris vom Montmartrebis Belleville ist, veranstaltet in der Rue La Boétie eine bedeutende Ausstellung. Man ist von der visionären Kraft dieses Malers überrascht. Seine Gemälde baden in einem Licht, das nur ihm eigen ist ...“(André Warnod, 1945, im „Le Figaro“ anlässlich einer Ausstellung)

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Page 14: Katalog zur Ausstellung

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Page 15: Katalog zur Ausstellung

Alphonse Quizet » Buttes-Chaumont, avenue Simon Bolivar «

Öl auf Holz, 59,6 x 92,8 cmsigniert rechts unten

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Page 16: Katalog zur Ausstellung

Alphonse Quizet » Scène de rue à Montmartre «

Öl auf Karton, 45,8 x 54,8 cmsigniert rechts unten

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Page 17: Katalog zur Ausstellung

Alphonse Quizet » Banlieue de Paris – une rue animée «

Öl auf Karton, 38 x 45,8 cmsigniert rechts unten

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Page 18: Katalog zur Ausstellung

Alphonse Quizet » Rue de banlieue de Paris «

Öl auf Karton, 19,5 x 24,5 cmsigniert rechts unten

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Page 19: Katalog zur Ausstellung

Alphonse Quizet » La rue du Mont Cenis à Montmartre «

Öl auf Holz, 46 x 55 cmsigniert rechts unten

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Page 20: Katalog zur Ausstellung

Alphonse Quizet » Vieilles maisons à Montmartre «

Öl auf Holz, 22 x 16 cmsigniert rechts unten

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Page 21: Katalog zur Ausstellung

Alphonse Quizet » Banlieue de Paris - marcheurs sur la rivière «

Öl auf Karton, 18,7 x 24,2 cmsigniert rechts unten

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Page 22: Katalog zur Ausstellung

Alphonse Quizet » Vieilles maisons à Montmartre «

Öl auf Leinwand, 55 x 46 cmsigniert rechts unten

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Page 23: Katalog zur Ausstellung

Alphonse Quizet » Le canal Saint-Martin avec un bateau «

Öl auf Karton, 18,7 x 24 cmsigniert rechts unten

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Page 24: Katalog zur Ausstellung

Alphonse Quizet » Le port d‘Honfleur avec un pêcheur à la ligne «

Öl auf Karton, 19 x 25 cmsigniert rechts unten

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Page 25: Katalog zur Ausstellung

Elisée Maclet » Port de Dieppe « 1918/19

Öl auf Leinwand, 56 x 46 cm, signiert rechts unten

ProvenienzKunsthandlung Hugo Perls, Berlin

Hugo Perls war ein bedeutender Berliner Kunsthändler, der von 1921 an mit Gemälden namhafter Maler, wie u. a. Cézanne, Monet, Toulouse-Lautrec und van Gogh handelte. Seiner jüdischen Herkunft wegen emigrierte er 1931 nach Paris, von wo er 1941 nach New York weiter emigrieren musste. Dort betrieb er – später in seiner Nachfolge sein Sohn Klaus – eine renommierte Galerie für impressionistische und postimpressionistische Kunst in Manhattan.

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Page 26: Katalog zur Ausstellung

Elisée Maclet » Moulins de Montmartre « um 1910

Öl auf Leinwand, 46 x 55,5 cmsigniert links unten

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Page 27: Katalog zur Ausstellung

Elisée Maclet » La maison de Mimi Pinson «

Öl auf Karton, 46 x 60 cmsigniert rechts unten

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Page 28: Katalog zur Ausstellung

Maurice Utrillo» Vue de Pontoise « 1913

Öl auf Leinwand, 60,6 x 81,6 cmsigniert rechts unten

ProvenienzDikran Khan Kélékian, Paris und New York; American Art Association, New York 1922;Scott & Fowles, New York; Arthur Sachs, Paris

AusstellungenCalifornia Palace of the Legion of Honor, San Francisco, »The Arthur Sachs Collection«, 1950-51

Pinacothèque de Paris, 6.3. bis 15.9.2009, »Valadon – Utrillo: Au tournant du siècle àMontmartre – de l'impressionnisme à l’École de Paris«, im Katalogbuch abgebildet

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Page 29: Katalog zur Ausstellung

Marcel Leprin » Le Moulin de la Galette «

Öl auf Leinwand, 46 x 55,5 cmsigniert rechts unten

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Page 30: Katalog zur Ausstellung

Gen Paul» Bouquet de tulipes et anémones au vase bleue « um 1926

Öl auf Leinwand, 55 x 46 cmsigniert rechts unten

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Page 31: Katalog zur Ausstellung

Stanislas Lépine » Montmartre. La rue Cortot, effet de neige «

Öl auf Leinwand, 40 x 31 cm, signiert rechts unten

AusstellungGalerie Durand-Ruel, Paris, 1892, »Stanislas Lépine«, Nr. 61

ProvenienzHenry Lerolle, Paris; Durand-Ruel, Paris;Arthur Tooth & Sons, London; Mrs. Watson Haghes, London

LiteraturRobert & Manuel Schmit: »Stanislas Lépine 1835-1892, Cata-logue raisonné de l’œuvre peint«, Paris 1993, Nr. 213, S. 89 (Abb.)

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Page 32: Katalog zur Ausstellung

Französischer Meister des 19. Jh. (Stanislas Lépine?)

» Rue Cortot – vieux Montmartre « 1889

Öl auf Holz, 19,7 x 29,2 cmdatiert „1889“ rechts unten, rückseitig betitelt

Zeitgenössische Ansicht des „alten Montmartre“ von bestechendermalerischer Qualität, die durchaus von Stanislas Lépine stammenkönnte.

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Page 33: Katalog zur Ausstellung

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Page 34: Katalog zur Ausstellung

Chronologie Alphonse Quizet

Alphonse Léon Quizet wird am 13. März 1885 als Sohn von Joseph und Léontine Quizet (geb. Villaret) am Quai de l’Hôtel de Ville No. 46 in Paris geboren

1890 Die Familie zieht in die Passage Gatbois, nahe Bercy, wo die Eltern nun einen Weingroßhandel betreiben

1891 Besuch der École primaire Montmartre

1895 Erneute Ortsveränderung: Die Familie zieht auf den Montmartre. Hier übernehmen seine Eltern in der Rue Véron No. 18 ein einfaches Hotel mit wenigen Zimmern auf den Etagen und einem kleinen Café im Parterre, wo auch die Künstler und Bohemiens des Viertels verkehren.

1897 Seine Eltern kaufen das ebenfalls auf dem Montmartre gelegene kleine Hotel der Mademoiselle Gautier in der Rue Bachelet.Zu seinen Kameraden gehören die späteren Maler Edmond Heuzé und André Utter.

1899-1901 Abschluss an der École supérieure Colbert in Paris

1900-1910 Lehre als technischer Zeichner, zunächst bei Potier et Brunet, dann bei Laville: Besuch von Malkursen an der École des Beaux-Arts in Paris. Quizet beginnt regelmäßig zu malen.

1903 Quizet freundet sich mit Maurice Utrillo an und gibt diesem erste künst-lerische Ratschläge. Häufig malen die beiden gemeinsam in den frühenMorgenstunden an stillen Ecken des Butte Montmartre, da Quizet absieben Uhr als Lehrling bei der Pariser Omnibusgesellschaft arbeitet.Der Schriftsteller und Montmartre-Sänger Francis Carco (1886-1958) sprichtvon der „la bande“ und meint damit die Jungen, die sich mit dem Malenim Freien auf dem Montmartre die Freizeit vertreiben: Quizet, Utrillo, Heuzé, Utter sowie der Russe David Laksine (1888-1911), der 23-jährig in der Seine ertrinkt.

1904 Quizet malt zwei Jahre lang häufig Seite an Seite mit dem aus Skandinavien stammenden Maler Hans Olaf Heyerdahl (1857-1913). Heyerdahl, der 1880 den Montmartre entdeckte und im Bateau Lavoirein Atelier besaß, kam immer wieder aus Norwegen auf den Butte Montmartre zurück und wurde Quizets einziger Lehrmeister.

1905 Quizet und Heyerdahl mieten sich in der Rue de Saules einen kleinen Garten mit einem Häuschen. Ein Jahr später gibt Quizetbeim Militär wieder die elterliche Adresse in der Rue Bachelet an.

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Page 35: Katalog zur Ausstellung

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1910 Quizet heiratet Jeanne Marie Frémy (1888-?). Die beiden ziehen in die Rue Durantin auf dem Montmartre. Quizet ist nun als technischer Zeichner bei der „Compagnie des omnibus de Paris“ beschäftigt. Er behält diese Anstellung bis zu seiner Pensionierung.

1911 Umzug in die Rue de Saules No. 35. Geburt der Tochter Odette.

1914 Erstmalige Zulassung zum Salon de la Société National des Beaux-Arts im Grand Palais mit dem Gemälde »Montmartre, la rue Saint-Vincent au printemps«. Geburt der zweiten Tochter Simone.

1914-1919 Kriegsdienst, im März 1919 wird Quizet aus dem Militärdienst entlassen.

1916 Geburt der dritten Tochter Raymonde

1919 Da Quizet kriegsbedingt jahrelang nicht malen konnte, reicht er zum Salon das Gemälde »La Rue de Saules« ein, das er mit 18 Jahren angefertigt hatte. Das Gemälde wird vom Musée du Luxembourg angekauft.

1920 Wegzug vom Montmartre. Quizet und seine Frau Jeanne, die als Schneiderin im Modesalon von Jeanne Paquin arbeitet, wollen die entbehrungsreichen Kriegsjahre vergessen, nochmals neu beginnen und sehen hierfür eine räumliche Veränderung als notwendige Voraussetzung an. Umzug in das neue Quartier de l‘Amériquemit modernen Häuschen, die „Villa“ genannt werden. Das Viertel wird auch Mouzaia genannt und liegt zwischen dem Square des Buttes-Chaumont und La Butte-du-Chapeau-Rouge. Die Quizets bewohnen dort die Villa Félix-Faure.

1921 Erstmalige Teilnahme am Salon des Indépendants. Quizet verbringt mit seiner Frau Jeanne und den Kindern von nun an die Sonntage an der Marne.

1922 Quizet lernt Marcel Leprin in der Galerie Léon Marseille kennen und freundet sich mit Louis Valtat (1869-1952) an. Leprin besucht mehrfach Quizet in der Villa Félix-Faure, um sich künstlerische Rat-schläge zu holen oder um dort für eine Nacht schlafen zu können.

1926 Quizet wird zum Sociétaire du Salon d‘Automne ernannt, d. h.er erhält die ehrenvolle Mitgliedschaft im Pariser Herbstsalon

1930 Die Lokale Chez Victor und Lapin Agile werden Quizets Stamm-kneipen auf dem Montmartre. Hier trifft er sich mit Freunden wie Valtat, Leprin und Utrillo.

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Page 36: Katalog zur Ausstellung

1931 Ernennung zum Chevalier de la Légion d‘Honneur

1941 Mitglied der Société National des Beaux-Arts

1943 Quizet fertigt fünf große Gemälde zur Dekoration des „Salle des mariages“ des Rathauses von Pré-Saint-Gervais an.

1945 Wahl zum Vizepräsidenten des Salon des Indépendants

1947 Mitglied des Conseil supérieur de l‘enseignement des Beaux-Arts, einem Ehrengremium der Pariser Kunstakademie („École nationale supérieure des Beaux-Arts“)

1955 Alphonse Quizet stirbt am 7. März in seiner Villa Félix-Faureund wird auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise beigesetzt.

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Page 37: Katalog zur Ausstellung

Werke von Alphonse Quizet in öffentlichen Sammlungen

— Genf, Musée du Petit Palais— Grenoble, Musée des Beaux-Arts— Granville, Musée Richard Anacréon— Kopenhagen, Statens Museum for Kunst— Le Havre, Musée des Beaux-Arts— Paris, Musée National d‘Art Moderne— Paris, Musée des Beaux-Arts de la Ville de Paris

Ausstellungen und Salonteilnahmen(Fettdruck = Einzelausstellung)

Paris, Musée du Luxemburg 1908, 1910, 1925Paris, Galerie Léon Marseille 1910, 1924, 1925Paris, Galerie Poussin 1913Paris, Galerie Bernheim-Jeune 1914, 1927, 1928, 1930, 1949Paris, Salon Nationale des Beaux-Arts 1914, 1921, 1943Paris, Salon des Indépendants 1921, 1927, 1941-1944, 1946Paris, Salon d‘Automne 1922, 1924-1929, 1942, 1943, Paris, Galerie Marcel Bernheim 1925Paris, Salon des Tuileries 1929, 1940, 1941, 1944, 1954Le Havre, Musée du Havre 1930Cambrai, Musée de Cambrai 1935Berlin, Akademie der Künste 1937Nancy, Musée des Beaux-Arts 1941Nizza, Villa Robion 1943, 1955Paris, Galerie d’Anjou 1943, 1944Paris, Galerie Charpentier 1944, 1955Paris, Académie des Beaux-Arts 1945Paris, Galerie G. Denis 1945, 1946Nizza, Galerie Muratore 1947Paris, Galerie Jeanne Le Chapelin 1948-1958Toulouse, Galerie Soutiras 1949New York, Rockefeller Center, International Building 1953London, Galerie Redfern 1953Paris, Galerie Charpentier 1955Marseille, Musée de Marseille 1955Paris, Galerie Bernheim-Jeune 1956 (Retrospektive)Paris, Salon des Indépendants 1956 (Retrospektive)

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Maler vom Montmartre

Stanislas Lépine (Caen 1835 – Paris 1892)Vorimpressionist, Maler der École de Barbizon

Lépine, ein Schüler von Camille Corot, pendelt in seinen Jugendjahren zwischen seiner Ge-burtsstadt Caen und Paris, wo er zunächst das Gymnasium Chaptal besucht und sich späterin verschiedenen Pariser Ateliers zum Maler bildet. 1859 lässt er sich auf dem Montmartrenieder, den er als Wohnort bis zu seinem Lebensende nicht mehr verlassen wird. Noch imgleichen Jahr nimmt er erstmals am Pariser Salon teil. Einer seiner wichtigsten Kunden inParis wird in der Folge Paul Durand-Ruel (1831-1922), der bedeutendste Kunsthändler derImpressionisten. 1874 ist er mit drei Gemälden auf der ersten Impressionisten-Ausstellung imFotoatelier von Nadar vertreten. Auf der Weltausstellung von 1889 wird ihm eine Medaille 1. Klasse verliehen. Lépine zählt zu den bedeutendsten Vorimpressionisten. Vor allem seine atmosphärischenFlusslandschaften an der Seine, der Marne und der Oise sowie seine in zurückgenommenemKolorit komponierten Ansichten von Paris haben ihn berühmt gemacht, allerdings erst post-hum. Zu Lebzeiten blieb ihm der Erfolg versagt. Von seinen topographisch getreuen Mont-martre-Szenen existieren nur noch ca. 100 Gemälde (im aktuellen Werkverzeichnis sindlediglich 67 Bilder erfasst). Auf diesen in zarten, gedeckten Farben gemalten Ansichten gibtLépine das ländliche Leben seines Montmartre-Viertels in der Zeit zwischen 1870 und 1890auf eindrucksvolle Weise wieder. Als einer der ganz wenigen namhaften Vorimpressionistenschätzt er besonders auch den „effet de neige“ (= Schneestimmung) als Stil- und Ausdrucks-mittel. Mehrfach hat er figurenstaffierte Straßen und Häuserecken des winterlichen Mont-martre in Szene gesetzt.

Werke in Museen (Auswahl): Boston (Museum of Fine Arts), Chicago (The Art Institute), Paris(Musée du Louvre, Musée d‘Orsay), Lissabon (Calouste Gulbenkian Museum), London (Natio-nal Gallery), Madrid (Museo Thyssen-Bornemisza), Philadelphia (Museum of Art), Washington(National Gallery of Art)

Marcel Leprin (Cannes 1891 – Paris 1933)École Moderne

Leprin führt von Jugend an – wie seine Kumpane Maurice Utrillo und Gen Paul – ein exzessivausschweifendes Leben, das durch Alkohol und Drogen geprägt ist. Im Gegensatz zu diesenbeiden kam er nie vom Alkohol los und starb früh im Pariser Hospital Tenon. Es blieben ihmnur rund 20 Jahre, um seiner ausdrucksstarken Malerei nachgehen zu können.Zunächst Schiffsjunge, dann Nachwuchstorero in Barcelona kommt er in jungen Jahren nachMarseille, wo er sich als Dekorationsmaler in Bars seinen Lebensunterhalt verdient. Häufigtreibt er sich in den Bordellen der Hafenstadt herum. 1920 lernt er Gen Paul kennen, der sichauf einer Frankreich-Reise befindet, und führt diesen in die Halbweltszene von Marseille ein.1921 entscheidet sich Leprin nach Paris zu ziehen. Krank und mittellos nimmt ihn der Maler

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Léon Giran-Max (1867-1927), der auf dem Montmartre lebt, dort auf. Danach kommt er füreinige Zeit bei der Mère Catherine unter, die das Bistro Chez La Mère Catherine mit einemkleinen angeschlossenen Lebensmittel- und Tabakwarenladen direkt am Place du Tertre aufdem Montmartre führt. Zu ihren Stammgästen gehören unter anderem Utrillo und seineMutter, Suzanne Valadon (1865-1938), mit denen sich Leprin anfreundet. Leprin pflegte kaum„echte“ Freundschaften, sondern blieb stets ein unter Depressionen leidender Einzelgänger,nachdem seine 1916 mit seiner Frau Hélène in Marseille geschlossene Ehe schon 1919 für ihnleidvoll gescheitert war. 1922 nimmt Leprin erstmals am Salon d’Automne teil und das mit Erfolg. Außerdem stellt erauf dem Salon des Indépendants aus.1924 schließt der Montmartre-Rahmenmacher und -Bilderhändler Henri Bureau einen Exklu-sivvertrag mit ihm, um ihn zu fördern. Mit diesen Einnahmen konnte er sich von 1926 an ei-nige ausgedehnte Reisen durch Frankreich leisten. Zweimal – 1928 und 1931 – hat er in derrenommierten Pariser Galerie Druet erfolgreiche Ausstellungen. Leprin war der große Realist unter den Malern vom Montmartre. Seinen Gemälden fehlt esan genrehaftem Impetus. Seine in gedeckten Farben mit breitem Pinselstrich gemalten Dar-stellungen menschenleerer Winkel und Straßenecken des Montmartre zählen zum Besten,was er geschaffen hat. Darüber hinaus interessierten ihn zeitlebens auch Porträts, Stilllebensowie Spanierinnen, Toreros und Stierkampfszenen. Letzteres als Reminiszenz an seine frühenJahre in Barcelona und Marseille.

Werke in Museen: Genf (Musée du Petit Palais), Paris (Musée National d’Art Moderne, Muséed’Art Moderne de la Ville de Paris, Musée Carnavalet)

Elisée Maclet (Lyons-en-Santerre 1881 – Paris 1962)École Moderne

Bereits in jugendlichem Alter arbeitet Maclet als Hilfsgärtner für seinen Vater in Lyons-en-Santerre. Dort entdeckt 1892 der bedeutende Pariser Maler Pierre Puvis de Chavannes (1824-1898) sein malerisches Talent und macht seinem Vater das Angebot, den jungen Maclet alsSchüler mit nach Paris zu nehmen. Doch der Vater lehnt ab – sein Sohn werde Gärtner blei-ben. Maclet hatte vom dortigen Abbé Delval, der sich selbst leidenschaftlich künstlerisch be-tätigte, erste Malutensilien erhalten.1906 geht Maclet doch nach Paris und begibt sich dort auf den Montmartre, der ihn sofortfasziniert. Für die nächsten 55 Jahre ist hier sein Lebensmittelpunkt. Da er von seiner Malereiallein zunächst nicht leben kann, nimmt er diverse Arbeiten an: Er tüncht Eisenbetten beiFavart, ist Hilfsdekorateur im Moulin Rouge, betätigt sich als Eintänzer und öffnet Austernbei Prunier. Seine Montmartre-Bilder finden bald großen Anklang bei Sammlern und Kunsthändlern. Sokaufen unter anderem die Colette (1873-1954) und der bekannte Schriftsteller und Kunst-kritiker Francis Carco (1886-1958) sowie Pierre Menant, Vertreter einer namhaften PariserGalerie am Boulevard Malherbes und der Berliner Galerist Hugo Perls (1886-1977) seine Bilder.Diese Kunsthändler scheuen sich nicht, Maclets Gemälde neben Werke von Vincent van Goghund Pablo Picasso zu hängen.

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Carco stellt Maclet 1917 in Dieppe ein Haus zur Verfügung damit er dort in Ruhe malen kann.Ein Jahr später kehrt er auf den Montmartre zurück und nimmt das Malen seiner Lieblings-motive wieder auf: die Sacré-Cœur, das Maison de Mimi Pinson, die Kneipe Lapin Agile, woer häufig verkehrt und 1917 sogar für einige Zeit unterkam, und viele andere typische Montmartre- und Paris-Ansichten.1923 schließt der österreichische Industrielle Baron von Frey, der sich auch als Sammler und„marchand amateur“ betätigt, einen Exklusivvertrag mit Maclet. Diese finanzielle Unabhän-gigkeit ermöglicht es Maclet bis 1933 zahlreiche ausgedehnte Reisen zu unternehmen, dieihn sowohl ans Mittelmeer (Cassis, Golf Juan, Antibes, Cagnes, Saint-Paul de Vence, Nizza,Menton u. a.) als auch in die Bretagne führen (insbesondere nach Roscoff). Von Frey beliefertin dieser Zeit viele reiche amerikanische Sammler mit Maclets Bildern.Aufgrund einer schweren Erkrankung kehrt Maclet 1933 nach Paris zurück und verlässt denMontmartre von da an kaum noch. Er widmet sich nun fast ausschließlich seinen beliebtenMontmartre-Motiven.Kennzeichnend für Maclets Gemälde sind deren Farbintensität sowie die Verwendung desPalettenmessers, das er als einer der ganz wenigen Maler nach Gustave Courbet (1819-1877)von 1909 an einsetzt. Seine beste Schaffenszeit, in der er kraftvolle, farbstarke Meisterwerkeschuf, endet 1933.

Werke in Museen: Granville (Musée Richard Anacréon), Genf (Musée du Petit Palais), Greno-ble (Musée des Beaux-Arts), Paris (Musée National d’Art Moderne)

Gen Paul (geb. Eugène Paul) (Paris 1895 – Paris 1975)École Moderne

Gen Paul kommt auf dem Montmartre in der Rue Lepic No. 96 zur Welt. Um 1908 beginnt ererstmals zu malen und zu zeichnen. Nach dem frühen Tod seines Vaters im Jahr 1910 machter eine Lehre zum Tapezierer. Im Ersten Weltkrieg verliert er ein Bein und zieht sich weitereschwere Verletzungen zu. 1916 heiratet er Fernande Pierquet und kehrt mit ihr zurück aufden Montmartre in eine Wohnung im Impasse Girardon No. 2, wo er bis zu seinem Tode lebt.Da Gen Paul in seinem alten Beruf aufgrund seiner körperlichen Behinderung nicht mehr arbeiten kann, beginnt er wieder autodidaktisch zu malen: kleine Blumenstücke, Porträts,das Cabaret Moulin Rouge. Auf Wunsch fertigt er Bilder im Stil von Daumier, Monticelli, Lebourg und andereren Künstlern an. Diese noch etwas ungelenken Arbeiten signiert er mit„Gen Paul“ und verkauft sie für kleines Geld über Trödler. 1917 lernt er Utrillo kennen undfreundet sich fast zeitgleich mit dem Maler Juan Gris (1887-1927) an, der im Bateau Lavoirverkehrt. Gris schenkt ihm gebrauchte Pinsel und Farbtuben. Von 1920 an vollzieht sich bei Gen Paul eine grundlegende malerische Veränderung. Er entwickelt nun mehr und mehr seinen eigenen expressiven Malstil, der sich zunehmend vonder Kunst seiner Freunde Utrillo, Leprin und Quizet entfernt. Ausgelöst wird diese Wandlungdurch verschiedene lange Reisen, die ihn quer durch Frankreich bis nach Spanien führen. In Marseille zeigt ihm Leprin 1920 das Hafenmilieu und im Madrider Prado begeistert er sich 1924 für die Gemälde von El Greco, Velázquez und vor allem für Goya. Aber auch dieBeschäftigung mit der Kunst von Vincent van Gogh, Paul Cézanne und Henri de Toulouse-

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Lautrec prägen seinen neuen künstlerischen Ausdruck. 1930 erkrankt er auf seiner Rückreisevon Madrid lebensgefährlich, verursacht durch seinen Alkoholismus. Um zu überlebenschwört er dem Alkohol und seinem Bohème-Leben ab und kehrt nach einer Kur auf denMontmartre zurück.

Gen Pauls zwischen 1925 und 1930 entstandene, kraftvolle Gemälde – Stadtlandschaftenhauptsächlich von Paris und dem Montmartre, Figurenbilder, Porträts und Stillleben – zählenzum Besten der damaligen modernen Malerei. So konstatierte der Kunstkritiker MauriceReims: „Er hat einige der wichtigsten Bilder des Jahrhunderts gemalt.“ Schon 1928 hängenseine Bilder in der renommierten Pariser Galerie Bing gleichwertig neben Arbeiten von PabloPicasso, Chaim Soutine, Georges Rouault und Georges Braque. Hervorgehoben wird dabei,dass seine Werke stets eine positive Ausstrahlung aufweisen, im Gegensatz zum dunklen,häufig pessimistischen Ausdruck der Bilder von Soutine. Auf die Gemälde dieser Phase habensich später sogar die Action painter wie Willem de Kooning (1904-1997) in den USA be-zogen.Nach 1930 prägt seine enge Freundschaft mit dem Schriftsteller Louis-Ferdinand Céline (1894-1961) sein Schaffen, das nun etwas lyrischer und weicher wird. Neben Straßenszenen vonParis, hauptsächlich auf dem Montmartre, Figurenbildern und Stillleben porträtiert er nunhäufig Musiker und Clowns, mit denen er zum Großteil persönlich bekannt ist und die in sei-ner Wohnung auf dem Montmartre ein- und ausgehen. 1934 wird Gen Paul mit der Auf-nahme in die Légion d’Honneur geehrt.Von 1945 an wird seine Malerei immer kalligraphischer. Ab 1964 verzichtet er aus gesund-heitlichen Gründen fast vollständig auf die Ölmalerei und fertigt fast nur noch Gouachenund Zeichnungen im Bett liegend an.

Werke in Museen: Basel (Kunstmuseum), Bern (Kunstmuseum), Genf (Musée du Petit Palais),Paris (Musée National d’Art Moderne)

Maurice Utrillo (Paris 1883 – Dax 1955)École Moderne

Utrillo wächst zunächst im nördlich von Paris gelegenen Vorort Montmagny und danach aufdem Montmartre auf, wo seine Mutter Suzanne Valadon (1865-1938) abwechselnd lebt. Sieist ein gesuchtes Malermodell, Muse etlicher Künstler und nicht zuletzt selbst auch eine an-erkannte Malerin. Auf dem Montmartre hat sie zusammen mit seinem späteren Stiefvater,dem Maler André Utter, in der Rue Cortot No. 12 eine Wohnung.Utrillo ist überzeugter Pazifist, neigt allerdings zum Cholerischen und ist psychisch instabil.1900 verliert er nach einem Wutausbruch seine Stellung bei der renommierten Bank CréditLyonais. Er entscheidet sich, nie wieder in diesem Metier zu arbeiten. Utrillo beginnt zu trinkenund zieht einige Jahre wie ein Vagabund durch die Kneipen des Quartier Montmartre. Um 1904, nach einem halbjährigen Krankenhausaufenthalt zum Alkoholentzug, beginnt erzu malen, hauptsächlich Straßenszenen aus Montmagny. Kurz zuvor hatte er sich mit Alphonse Quizet angefreundet. Seine spätimpressionistischen, melancholischen Bilder findenschnell Aufmerksamkeit und überzeugen durch ihre außergewöhnliche malerische Qualität.

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Page 43: Katalog zur Ausstellung

1909 beginnt seine wichtigste Phase, die „période blanche“ („weiße Periode“), in der er milchiges Weiß sowie rosa und graue Farbtöne präferiert. Mitunter mischt er seinen BildernSand und Gips bei. Utrillo kann erste Bilder verkaufen. Zunächst an Louis Libaude, ein „kleinerVollard“ in der Avenue Trudaine, der auch mit Gemälden von Albert Marquet, Henri Matisse(1869-1954) und Pablo Picasso handelt. Danach werden renommierte Kunsthändler wie Eugène Blot in der Rue Richepanse und Bernheim-Jeune am Boulevard de la Madeleine aufihn aufmerksam. Namhafte Kritiker wie Louis Vauxelles, Elié Faure und Adolphe Tabarant rühmen seine „moderne“ Kunstinterpretation. Utrillo verkehrt weiterhin regelmäßig in allenBistros des Montmartre und säuft immer noch. Seine Lieblingskneipe ist La Belle Gabrielle,wo man trinkt, singt und über Kunst philosophiert. Um 1915 endet die „weiße Periode“ undseine Gemälde werden farbintensiver. Man spricht von seiner „manière colorée“. Zudem hater sein bevorzugtes Motiv gefunden: das Leben auf dem Butte Montmartre. Seine Werkewerden immer gesuchter und sind in zahlreichen Galerien zu sehen. Zwei Ausstellungen beiBerthe Weill 1921 und 1922 haben großen Erfolg. Kurz darauf präsentiert Paul Guillaume 35 Gemälde Utrillos, und 1923 stellen seine Mutter und er bei Bernheim-Jeune aus, ebenfallswieder mit beachtlichem Erfolg. Ein Jahr später unternimmt Utrillo in Folge seiner Alkohol-sucht einen erfolglosen Selbstmordversuch, woraufhin seine Familie mit ihm auf das ChâteauSaint-Bernard im Beaujolais zieht, um ihn aus der ihn gefährdenden Umgebung der Kneipendes Montmartre-Viertels fernzuhalten. Hier malt er seine Montmartre-Szenen nun nach Post-karten und nach dem Gedächtnis, was er auch dann noch tut, als sie 1926 auf den Montmar-tre zurückkehren und in der Avenue Junot eine Villa beziehen. 1935 heiratet Utrillo LuciePauwels (1878-1965), die unter dem Pseudonym Lucie Valore selbst malte. Utrillo schwörtLucie, abstinent zu bleiben. Die beiden ziehen 1937 nach Le Vésinet, 19 km westlich von Parisgelegen, in ein großzügiges Anwesen, das sie La Bonne Lucie nennen. Hier fertigt Utrillo biszu seinem Tod seine immer stärker nachgefragten Gemälde und Gouachen mit Motiven desMontmartre-Viertels an.Utrillo wurden zahlreiche hohe Ehren zuteil. So wurde ihm 1928 das Kreuz der Ehrenlegionverliehen. Schon zu seinen Lebzeiten fand 1943 eine große Retrospektive seines Schaffensim Salon d’Automne statt.Utrillo ist als der Malerchronist des Montmartre-Viertels in der ersten Hälfte des 20. Jahrhun-derts schlechthin in die Kunstgeschichte eingegangen. Seine poetischen Schilderungen derStraßen, Plätze und Monumente trugen nachhaltig zum romantischen Bild dieses historischenPariser Quartiers bei.

Werke in Museen (Auswahl): Boston (Museum of Fine Arts), Chicago (The Art Institute), Genf(Musée du Petit Palais), New York (Metropolitan Museum of Art, Museum of Modern Art),Paris (Musée National d’Art Moderne, Musée d’Orsay), St. Tropez (Musée de l’Annonciade).

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Page 45: Katalog zur Ausstellung

Galerie Stuttgart West, Archive, Bibliothek:

Schwabstraße 2270197 StuttgartTel +49 (711) 66 45 01 0Fax +49 (711) 66 45 01 [email protected]

Galerie Stuttgart Stadtmitte,VAN HAM – Repräsentanz Stuttgart:

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Copyright: MAIER & CO. FINE ARTKunsthandlung Thomas Maier & Co. OHGSchwabstraße 22, 70197 Stuttgart

November 2012

Texte, Fotos Dr. Bernd Müllerschön | Thomas Maier und Gestaltung: Dr. Anja Gebauer

Herstellung & Druck: DCC Document Competence Center Kästl | Ostfildern

© VG Bild-Kunst, Bonn 2012

Quizet, Alphonse Léon Seiten 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23Maclet, Elisée Seiten 24, 25, 26Gen Paul Seite 29Utrillo, Maurice Seite 27

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