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Zwergel, Vorlesung SoSe 2008 Katholische Institut für Theologie 1 Grundlagen des Lernens und Grundlagen des Lernens und Lehrens Lehrens im Religionsunterricht im Religionsunterricht Einführungsmodul Religionspädagogik (6 Credits) Katholische Religion: L 1: M 3, L 2/L 4: M 23, L 3 M 33. (Teil 1: Einführungsseminar WS; mit Portfolio) Teil 2: Vorlesung SoSe 2008 Nach „alter Studienordnung“: Hauptvorlesung RP. Lehrender und Modulverantwortlicher: Prof. Dr. Herbert A. Zwergel; Sprechstunde Di 14.00 – 15.30 Uhr, D 9. Modulprüfungsleistung zu dieser Vorlesung: Zeitnahe Erweiterung des Portfolios: je ein Abstract zu den Themenbereichen:

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Zwergel, Vorlesung SoSe 2008 Katholische Institut

für Theologie 1

Grundlagen des Lernens und LehrensGrundlagen des Lernens und Lehrensim Religionsunterrichtim Religionsunterricht

Einführungsmodul Religionspädagogik (6 Credits)Katholische Religion: L 1: M 3, L 2/L 4: M 23, L 3 M 33.

(Teil 1: Einführungsseminar WS; mit Portfolio)Teil 2: Vorlesung SoSe 2008

Nach „alter Studienordnung“: Hauptvorlesung RP.

Lehrender und Modulverantwortlicher:Prof. Dr. Herbert A. Zwergel;

Sprechstunde Di 14.00 – 15.30 Uhr, D 9.

Modulprüfungsleistung zu dieser Vorlesung:Zeitnahe Erweiterung des Portfolios: je ein Abstract zu den

Themenbereichen: Religionsbegriff; Kompetenzen religiösen Lernens; ausgewählte Konzeption des RU; ein

Abstract zu einem frei gewählten Themenaspekt.

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für Theologie 2

Aufgaben des Religionsunterrichts im Spiegel Aufgaben des Religionsunterrichts im Spiegel seiner Konzeptionenseiner Konzeptionen

(historischer Rückblick zur Differenzierung des (historischer Rückblick zur Differenzierung des Aufgabenfeldes)Aufgabenfeldes)

Fähigkeit zur Reflexion über die Bedeutung und Entwicklung des Faches; Entwicklung von Problemsichten und Lösungsansätzen für gegenwärtige Praxis des Religionsunterrichts aus den skizzierten Konzeptionen.

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für Theologie 3

Konzeptionen des Religionsunterrichts

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für Theologie 4

"RU" als ordentliches „Lehrfach“, in Übereinstimmungmit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften

(Art. 7,3 GG)

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für Theologie 5

Evangelischer RU

• Bibelunterricht• Liberale Religionspädagogik• Evangelische Unterweisung• Hermeneutischer RU• Problemorientierter RU

– thematisch orientiert– offen

• Ideolpogiekritisch-emanzipatorischer RU

• Therapeutisch-sozia-lisationsbegleitender RU

• RU nach dem Konver-genzmodell

• Symboldidaktik• Performativer RU

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Katholischer RU

• Neuscholastische Katechese• Reformpädagogischer RU• Material-kerygma-tischer RU• Bibelfrühling• Unterricht über Lebensfragen

• Hermeneutischer RU• RU als Information• Problemorientierter RU• Korrelationsdidaktik• Symboldidaktik

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Leben / Erfahrung Glaube / Tradition

Bibelunterricht

Korrelationsdidaktik

Liberale Religionspädagogik

Neuscholastische Katechese

Evangelische Unterweisung

Material-kerygmatischer RU

Offen-problemorientierter RU

Hermeneutischer RUHermeneutischer RU

Evang. Konzept.

Kath. Konzept.

Thematisch-problemorientierter RU

Reformpädagogischer RU

RU nach dem Konvergenzmodell

Ideologiekritisch-emanzipatorischer RU

Symboldidaktik

Performativer RU

Therapeutisch-sozialisationsbegleitender RU

1820

2006

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Evangelischer RU

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BibelunterrichtDie Entwicklungen bis zum Ersten Weltkrieg nachzuzeichnen, überschreitet den Rahmen dieser Vorlesung. Der eine Spannungs-pol ist mit Diesterweg umschrieben, der andere soll durch das Stichwort "Bibelunterricht" markiert werden. Daß auch Erkenntnisse der Jugend- und Entwicklungspsychologie aufgegriffen wurden, RU an den Erfahrungen der Kinder orientiert wurde, soll dabei keines-wegs ausgeklammert werden. Insgesamt jedoch stellt sich, auch um der Wirkungslosigkeit vieler ru Bemühungen um Wissensver-mittlung zu begegnen, eine Orientierung an der Erlebnispädagogik ein, mit einem Schwerpunkt beim Erzählen biblischer Geschichten. Dazu wird heute angemerkt, daß auch diese Orientierung nicht als "vom Kinde her", sondern eher als eine Bemächtigung des Kindes zu sehen ist (vgl. Nipkow/Schweitzer, 39) Im Gefolge wird der Religionsunterricht in mehrfacher Hinsicht "geschichtlicher Unterricht", mit Bevorzugung biblischer Geschich-ten zur Illustration religiöser Persönlichkeiten.

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Liberale ReligionspädagogikBereits vor dem Ersten Weltkrieg; nach dem Krieg Wiederan-knüpfung, gleichsam „folgenlos“: Kulturprotestantisch orientierte neue Richtlinien (Verflechtung der Religion bzw. des Christentums mit der allgemeinen Kultur); Ganzheit der Person betont (Berück-sichtigung der Schüler auf den verschiedenen Altersstufen) und auf den Anspruch der Sache konzentriert (Unterricht nicht nur vom Kinde aus, sondern auch von den Kulturgütern). Legitimation des RU von Schule und Bildung her, nicht von Kirche und Katechu-menat.Man versteht das "Christentum als geschichtliche Religion ... im Zusammenhang der Weltgeschichte" und die deutsche Ausprägung des Christentums erscheint "nur im Rahmen des ganzen deutschen Geisteslebens verständlich". (Zitate bei Nipkow/Schweitzer, 2/2, 23)Didaktisch: Arbeitsschulprinzip (Hugo Gaudig); ev. rezipiert: Otto Eberhard: Zunahme der Bedeutung der Kategorie "Leben"; "Von der Arbeitsschule zur Lebensschule" (1925); "Evangelische Lebenskunde auf wertpädagogischer Grundlage" (1928)

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Evangelische UnterweisungAntiliberale Grundhaltung; es setzt sich insgesamt eine am Wort Gottes orientierte Verkündigungskonzeption durch. Grenzen der Pädagogik. (Als katholischer Religionspädagoge werde ich einige innere Differenzierungen dieser theologischen Entwicklung nicht zureichend rekonstruieren können; die Evangelische Unterweisung wird als RU-Typus angesprochen und nicht in historischem Interesse rekonstruiert.)Karl Barth (1886-1968) kritisiert nachdrücklich die zeitgenössische evangelische Theologie, die durch die liberale Theologie und den Kulturprotestantismus, besonders angesichts des Ersten Weltkrie-ges versagt habe; sie habe nicht die Sache Gottes vertreten. Unter-scheidung von Religion (Versuch der Selbstrechtfertigung des Men-schen, Sünde) und Glaube (Geschenk von der allein rechtfertigen-den Gnade Gottes her). Grundschrift: Der Römerbrief (1919). Trotz der radikalen Verderbnis des Menschen hört dieser nicht auf, Part-ner Gottes zu sein, weil Gott in Christus den Menschen unwiderruf-lich bejaht. - Mitbegründer der "Bekennenden Kirche", die gegen die Ideologie der "Deutschen Christen" (evangelische gleichge-schaltete Reichskirche, mit eigenem Reichsbischof; Ablehnung des Alten Testaments, Unterstützung der Judenpolitik Hitlers) und gegen den Nationalsozialismus kämpft.

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Evangelische Unterweisung (Forts.)

Ausgangspunkt ist auch in der "Religions-"Pädagogik das "Wort Gottes"! Deshalb "Verkündigung" in Gemeinde wie in Schule. "Wie aber konnte ein verkündigender Unterricht gleichzeitig noch Unterricht im didaktisch-methodischen Sinne bleiben, zumal in der Schule?" (Nipkow/Schweitzer, 2/2, 29)"Konsequent folgt aus dem Ansatz die grundsätzliche Relativierung der Methodik durch den Primat des ´heiligen Geistes´ (Heckel s.u. 76) und das schwindende Interesse an der Didaktik. ... Die Unterrichtssituation nimmt Züge einer gottesdienstlichen Veranstaltung an, indem verstärkt Andachtsformen wie Gebet und Gesang das verkündigende Erzählen biblischer Geschichten - so eine Hauptaufgabe - einbetten und tragen..." (Nipkow/Schweitzer, 2/2, 29; Hervorh. i.O.) - Gott selbst spricht, niemand sonst! (K. Barth) Das führt in eine Aporie - Spannung, Ausweglosigkeit -, in eine Dialektik, die der neuen Theologie den Namen gibt: Dialektische Theologie.

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Evangelische Unterweisung (Forts.)Bedeutende Theoretiker dessen, was (erst nach dem 2. Weltkrieg) nicht mehr Religionsunterricht, sondern Evangelische Unterweisung heißt: Gerhard Bohne; Helmuth Kittel, der sein Wort von der "Schule unter dem Evangelium" vor und nach 1945 gebrauchte (Anknüpfung):"Schule unter dem Evangelium ist eine Schule, die den Lebenszu-sammenhang der Gemeinde nicht zerstört, sondern sich ihm einfügt und ihm dient. Denn das Evangelium verurteilt jede pädagogische Autonomie, in der der Lehrer tut, als wäre er selbst der Herrgott. Es macht vielmehr den Lehrer zum Diener der Ordnung Gottes, die er zur wirklichen Autorität seiner Kinder werden zu lassen hat. Heute bedeutet dies in weltlicher Hinsicht vor allem anderen, daß der Leh-rer seine Schule den werdenden nationalsozialistischen Ordnungen des deutschen Volkes öffnet und diese unter das Licht des Evange-liums stellt, so daß sie für die Kinder unausweichliche Bedeutung erhalten. Evangelium und Nationalsozialismus sind also keine kon-kurrierende Größen. [Forts. Zitat nächste Folie]

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Evangelische Unterweisung (Forts.)

Wo der Nationalsozialismus zu einer konkurrierenden Religion umgefälscht wird, ist dagegen vom Evangelium her Einspruch zu erheben. Der Lehrer, der im Gehorsam gegen das Evangelium diesen Einspruch geltend macht, handelt damit im Sinne des Führers und im Sinne der Parole von Hans Schemm: Unsere Politik heißt Deutschland, unsere Religion heißt Christus." (H. Kittel, Das begrenzte Recht das Nationalsozialismus - Richtlinien für den Religionsunterricht an der neuen deutschen Schule [1935], in: Nipkow/Schweitzer, 2/2, 112).H. Kittel sieht den äußeren Menschen "nahezu umstandslos im gegebenen, ihn fordernden weltlichen Bereich" verankert, womit er der nationalsozialistischen Ideologie kaum Widerstand entgegen-zusetzen vermochte. Eine besondere Rolle spielt die Verhältnisbe-stimmung zum Alten Testament, welches die Deutschen Christen mitsamt dem Gott des AT abgelehnt hatten. Diese Verhältnisbe-stimmung, z.B. bei H. Kittel ist neutestamentlich bestimmt, enthält aber deutliche antijudaistische Momente. (vgl. bei Nipkow/Schweit-zer, 2/2: 107ff)

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Evangelische Unterweisung (Forts.). Kittel ist auch nach dem 2. Weltkrieg bedeutsam, wo jetzt der RU in "Evangelische Unterweisung" umbenannt wird: "Nie wieder Religionsunterricht!" setzt "Kirche in der Schule" fort, muss aber auch in der Konnotation gelesen werden, als wäre der  RU als "Religionsunterricht" mitverantwortlich für die Katastrophe des Nationalsozialismus; dadurch erspart sich Kittel, seinen eigenen Anteil zureichend zu reflektieren; so wird insgesamt weiterhin versäumt, die gesellschaftliche und kirchliche Situation unter den Bedingungen der Moderne zu sehen, zu reflektieren und auch in politischen Kategorien zu antworten. Trotzdem geht die Ev. Unterw. unterrichtlich durchaus methodisch vor: Herbartsche Formalstufen; psychologisierende Elemente; Unterricht vom Kinde her: also theoretisch Glaubensunterricht, in der Praxis aber durchaus methodisch-didaktisch orientiert.

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Evangelische Unterweisung (Forts.)Zum Umgang mit der Bibel in der Ev.Unterw.: Jesus gesehen "auf dem Goldgrund der Legende", wie H. Stock analysiert: "Der Vorwurf an die Adresse der Verkündigungskatechetik der Evangelischen Unterweisung ist unmißverständlich: ´Man überspringt bewußt die historisch-kritische Fragestellung und ergibt sich einer auf direkte Verkündigung bedachten Erbaulichkeit; man ordnet die Texte dem schon mitgebrachten Deutungsschema unter und treibt dann nicht eigentlich mehr Exegese und Interpretation, sondern man braucht die Evangelientexte als Material und Beleg für eine lehrhaft-kerygmatische Unterweisung´ (Stock s.u. 160) (Nipkow/Schweitzer, 2/2, 47). - Hier ist die Krise der Ev. Unterw., aber auch des RU in den 1960er insgesamt schon angekündigt.Oskar Hammelsbeck (beeinflußt von Barth und Bonhoeffer ebenfalls vor und nach dem 2. Weltkrieg bedeutsam), der "Bekennenden Kirche" angehörend: Jesus Christus befreit aus den gottlosen Bindungen dieser Welt.

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Hermeneutischer RURahmen: Hans Stock, Auslegung der synoptischen Evangelien im Religionsunterricht (1959) Weiterhin Mittelpunktstellung der Bibel, aber: Religionslehrer "Interpret unter den Bedingungen des Nicht-Glaubens" (Stock). (Hier kündigt sich schon die nächste Frage an: H.B. Kaufmann, Muß die Bibel im Mittelpunkt des Religionsunter-richts stehen? Auf dem Weg zum Religionsunterricht im Lebens-kontext und Dialog [1966].)Grundlagen des Hermeneutischen RU:Hermeneutik, griechisch: hermeneutike techne (Aristoteles), Kunst der Auslegung, wird in der modernen Philosophie zur Frage nach Voraussetzungen und Vollzug von Verstehen überhaupt. Für das Verstehen der Bibel wird es an der Stelle wichtig, wo G.E. Lessing (1729-1781) von einem "garstig breiten Graben" zwischen der biblischen Welt und der unseren gesprochen hat, der nicht zu überspringen ist. Die Frage lautet also grundsätzlich: Gibt es eine Möglichkeit, diesen Graben zu überspringen, oder bleiben für ein modernes, naturwissenschaftlich-aufgeklärtes Weltbild die Texte der Bibel mit ihrem mythischen Weltbild verschlossen?

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Hermeneutischer RU (Forts.)

Das Problem wird in der Philsophischen Hermeneutik (H.G. Gada-mer, Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, Tübingen 1960) präzisiert: Verstehen kann man nur, wenn es einen gemeinsamen Verstehenshorizont gibt; ohne diesen gemeinsamen Horizont ist kein Verstehen, weder in Sprache noch in den Zeichen der Dinge (Objektivationen des menschlichen Geis-tes) möglich. Wenn das zu Verstehende und der Verstehende unterschiedlichen Horizonten angehören, kann sich Verstehen nur als Horizontverschmelzung vollziehen, und zwar mittels eines dritten Gemeinsamen. (Am Beispiel: Wenn die Texte der Bibel dem antiken mythischen Weltbild [mit der Rede von Dämonen und Engeln, Eingreifen Gottes über Wunder etc.] verpflichtet sind, dieses Weltbild aber für den modernen Menschen [Krankheit und Unbewußtes, allumfassende Gültigkeit der naturwissenschaftlichen Weltsicht] überwunden zu sein scheint, kann Verstehen der Bibel nur dann sich vollziehen, wenn ein umfassendes Drittes gefunden wird.)

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Hermeneutischer RU (Forts.)

Die Voraussetzungen für Verstehen liegen also im Vorverständnis (Vor-Urteil, im wertneutralen Sinn), das immer schon mitgebracht wird; denn man muss immer schon in diesem Vorverständnis stehen, soll Verstehen überhaupt zustande kommen. Die Bedingun-gen hierfür liegen in der menschlichen Sprache und in der Verfasst-heit des menschlichen Denkens als Weltzugriff in Sprache: Sie sichert den grundlegenden unverzichtbaren hermeneutischen Horizont.Für den hermeneutischen Religionsunterricht kann dieses Modell der Hermenentuik erst greifen, wo mit dem Entmythologisierungs-programm Rudulf Bultmanns der Raum der Existentialen Inter-pretation geöffnet wird: Entmythologisierung bedeutet die Entklei-dung der z.B. biblischen Wundererzählungen von der mythischen Einkleidung: z.B. Stillung des Seesturms muss von dem Anherr-schen dämonischer Mächte des Sturms und des Wassers durch Jesus und den Folgen der Stillung des Sturms und der Glättung des Wassers entkleidet werden.

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Hermeneutischer RU (Forts.)

Was bleibt dann aber übrig? Die Kernerfahrung der Menschen mit Jesus war: Gott rettet! Sonst nichts! Das ist das zugrunde liegende Existential, das alle Menschen angeht, weil jeder auf Rettung in Not hofft. Der antike Mensch konnte dies nicht anders als in einer Wun-dergeschichte erzählen. Wenn deren Form uns heute nicht mehr erreicht, so bleibt die zugrunde liegende gestaltete Erfahrung aber dennoch bestehen: Gott rettet den Menschen in seiner Not. Bult-mann arbeitet diese Existentialien heraus: Heil, Rettung, Schuld, Vergebung etc.Damit hat er aus der Sicht des Hermeneutischen Religionsunter-richts jenes Dritte gefunden, das in der Lage ist, den garstig breiten Graben zu überbrücken: Wenn wir auch mit der antik-mythologi-schen Weltdeutung nichts mehr anzufangen wissen, werden bib-lische Texte doch dadurch in einen gemeinsamen Verstehenshori-zont gestellt, weil es dort wie im eigenen Leben um die unverzicht-baren Grundfragen (eben die Existentiale) geht; wer diese ausklam-mert, reduziert das menschliche Leben.

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Hermeneutischer RU (Forts.)H. Halbfas (s. u. Katholischer RU) formuliert deshalb: "Unterricht als Auslegung" heißt: Biblische Texte werden existential ausgelegt, was die Situation der Schüler des RU erschließt; das Leben wird existential ausgelegt, was biblische Traditionen dem Verstehen erschließt, weil es in beiden um die gleichen Fragen und Antworten geht.Hier knüpfen zwei Kritiklinien des Herm. RU an:(1) Schwerpunkt bei der historisch-kritischen Exegese; mancher RU wie ein exegetisches Proseminar; Problem, wie sich aus der Analyse wieder eine Einheit des Verstehens ergeben könnte, die ja in der existentialen Interpretation angezielt ist.(2) Verstehen wird existential-individualistisch gefasst; die gesellschaftlichen Bedingungen von Verstehen werden weitgehend ausgeklammert; man bewegt sich im engeren Horizont von Schüler- Subjekt und Text und vernachlässigt die sich gravierend verändernde gesellschaftliche Situation, die das Lebensgefühl der Schülerinnen und Schüler mitbestimmt (Übergang der Aufbauphase nach dem Krieg in eine Wohlstandsphase ineins mit beginnender Autoritätskrise, Veränderung zwischenmenschlicher Beziehungen, Aufkommen der Medien-Kultur, soziale Mobilität etc.)

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Hermeneutischer RU (Forts.)

Unaufhebbares Erbe des Herm. RU bleibt, die Bedingungen des Verstehens überhaupt herausgearbeitet zu haben; zu erweitern ist diese Einsicht, dass auch die gesellschaftlichen Bedingungen Verstehen mit konstituieren, weshalb Sprache und Verstehen auch gesellschaftstheoretisch zu reflektieren sind.

Ergänzende Stichworte: Tiefenhermeneutik; Pluralität der Hermeneutiken; feministische Hermeneutik.

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Problemorientierter RUVgl. K.E. Nipkow, Artikel: Problemorientierter Religionsunterricht, in: N. Mette/F. Rickers (Hg.), Lexikon der Religionspädagogik, Bd. 2, 1159- 1165, Neukirchen-Vluyn 2001.Der hermeneutische Religionsunterricht mit seiner individual-exis-tentialen Berücksichtigung des Schülers konnte nicht verhindern, dass in der Autoritätskrise nach den "68ern" diese Krise auch den RU betraf. In Frankfurt forderte der Sozialistische Lehrerverband die Schüler auf: Meldet euch massenhaft vom Religionsunterricht ab! Der Aufforderung folgten ganze Schulklassen, nicht nur einzel-ne Schüler. Dies mochte mit der genannten Engführung und der Ausblendung der gesellschaftlichen Situation der Schüler des RU zu tun haben. Wichtig war dabei aber auch, dass man sich in dem auch in Frage gestellten System Schule nirgendwo anders als im RU abmelden konnte; die Abmeldung vom RU wurde zum Symbol für die Stellung zur Autorität insgesamt, freilich mit zusätzlichen Implikationen zum Kirchenverhältnis.

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Problemorientierter RU (Forts.)Durch die Orientierung am Schüler wird gefragt: „Muß die Bibel im Mittelpunkt des Religionsunterrichts stehen?“ (H.B. Kaufmann, 1966) und ein thematisch-problemorientierter RU entwickelt (K.E. Nipkow, Problemorientierter Religionsunterricht nach dem „Kontexttypus“, 1971). „Die ausgewählten ´Themen´ betreffen religiöse, kirchliche, anthropologische, ethische und politische Fragen, die mehrperspektivisch und auf jeden Fall auch theologisch zu behandeln sind. Religionsunterricht soll beides in einem sein: ´Gespräch über die Wirklichkeit im Lichte evangelischen Glaubens und Gespräch über den Glauben im Lichte der Wirklichkeit.´“ (Nipkow/Schweitzer, 2/2, 51)Kontext-Typus meint dabei, dass die Themen nicht mehr nach den theol. Disziplinen entwickelt werden; vielmehr werden die Inhalte dieses RU entlang bestimmter Fragen artikuliert und die Theologie kommt dann in deren Kontext zur Sprache, genauso aber auch Human- und Sozialwissenschaften. Nipkow nennt in LexRP ein Beispiel: "Auf ein Thema, z.B. ´arm - reich´ werden die Befunde aus theol., aber fortan auch nicht-theol. Disziplinen (Kultur-, Sozial-, Naturwissenschaften) bezogen. ... P.RU meint jetzt nicht bloss ´Probleme´ als Stoffe, sondern Unterricht über Problematisch-Gewordenes." (1560).

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Problemorientierter RU (Forts.)

Der offene problemorientierte RU gibt die thematische Konzentrie-rung zugunsten einer entschiedenen Einlassung auf die jeweiligen Fragen der Schüler des RU auf (vgl. H. Heinemann). Reiche „Modell“-Produktion. „Medien im Religionsunterricht“.Kritik: In der Pluralität der Positionen wird kaum ein Bewusstsein und kein Kriterium dafür entwickelt, was über einen rein subjektiven Standpunkt hinaus evtl. das Christliche auszeichnet; die Frage wird erst gar nicht gestellt. Religion wird als Problemlösungspotential gesehen, aber nicht Religion als Religion vermittelt. Spannung zwischen Problemorientierung und Schülerorientierung: die Orien-tierung an Schülerinteressen verliert möglicherweise Wachstums-erfordernisse gegen die aktuellen Interessen aus dem Blick.Bleibend ist vom P.RU die unaufgebbare Orientierung an den Fragestellungen und Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler. Bibelorientierung/Glaubensorientierung und Problem- /Erfahrungs-orientierung können nicht mehr als Gegensätze gesehen werden, beide sind sowohl pädagogisch wie theologisch vermittelt.

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Ideologiekritisch-emanzipatorischer RU

G. Otto/H.J. Dörger/J. Lott, Neues Handbuch des Religionsunter-richts, 4. Aufl. des vollständig überarbeiteten und neu herausge-gebenen Handbuchs des Religionsunterrichts (1964) Hamburg 1972S. Vierzig, Ideologiekritik und Religionsunterricht. Zu Theorie und Praxis eines kritischen Religionsunterrichts, Zürich/Einsiedeln/Köln 1975H.A. Zwergel, Zum Begründungsproblem einer kritischen Religionspädagogik, in: Informationen zum Religionsunterricht, Heft 4/1973, 9-12; wieder abgedruckt in: K. Wegenast (Hg.), Religions-pädagogik, Bd. 2: Der katholische Weg. Darmstadt 1983, 397-405;H.A. Zwergel, Hermeneutik und Ideologiekritik, in: W. Simon/H.-G. Ziebertz (Hg.), Bilanz der Religionspädagogik, Düsseldorf 1995, 10-27

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Ideologiekritisch-emanzipatorischer RU (Forts.)

Grundregeln zum kritischen Gebrauch der Ideologie-Kategorien (vgl. Hb.d.RP,. Bd.2, Gütersloh und Zürich 1974, 251-270): Die eigenen Voraussetzungen sichtbar machen und befragen.Die Grenzen standortgebundenen und interessenbezogenen Erkennens bedenken.Die Möglichkeit eigenen Irrens in Aussagen über die Wirklichkeit erwägen.Ideologieverdacht und Irrtumsvermutung unterscheiden.Die Konsequenzen einer Absolutsetzung des Ideologiebegriffes erkennen.G. Otto u.a. ausgesprochen kirchen- und gesellschaftskritische Position; Ausweitung des Religionsbegriffs, schulpädagogische und schülerorientierte Ausrichtung des RU; Ziel: Emanzipation als Fähigkeit zur Kritik mit dem Ziel der Autonomie sowie der Fähigkeit zum Abbau von Herrschaft; biblische Tradition kommt nur dann ins Spiel, wenn sie diesen Zielen dient.S. Vierzig: Reflexionskompetenz eine tragende Rolle.

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Therapeutisch-sozialisationsbegleitender RUD. Stoodt, Religionsunterricht als Interaktion. Grundsätze und Materi-

alien zum evangelischen RU der Sekundarstufe I, Düsseldorf 1975Frankfurter ev. Rel.Päd.: Konzept eines therapeutischen RU; Identi-tätsförderung ist nicht möglich, ohne die Verletzungen durch reli-giöse Sozialisation und verdrängte Erfahrungen aufzuarbeiten; tiefenpsychologisch orientiert kann dies nur durch einen therapeuti-schen Prozess geschehen, aus dem im Durcharbeiten der Vergan-genheit Ich-Stärke für Gegenwart und Zukunft erwächst.Da ReligionslehrerInnen nicht die erforderliche therapeutische Kompetenz besitzen, wandelt Stoodt sein Konzept in einen "sozia-lisationsbegleitenden RU" um: der RU soll wenigstens selbst nicht noch zu zusätzlichen Beschädigungen der Kinder und Jugendlichen beitragen und soweit möglich, Beschädigungen ihrer bisherigen Sozialisation abmildern.Mit diesem kompetenzorientierten Konzept rücken die RL stärker in das Blickfeld der Aufmerksamkeit. Bleibend sind die Forderungen nach kommunikativen Kompetenzen, nach Selbsterfahrung und vor allem Supervision als Praxisbegleitung, also ganz moderne, heute immer noch nicht ganz eingelöste Forderungen an die (R-)Lehrer-ausbildung.

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RU nach dem Konvergenzmodell

Diese Form des Religionsunterrichts ist evangelischerseits mit dem Namen Karl-Ernst Nipkow verbunden. Eine genaue Datierung lässt sich schwer rekonstruieren; wohl aber findet sich der Begriff der Konvergenz im katholischen Synodenbeschluß "Der Religions-unterricht in der Schule" von 1974. Vgl. auch die Bemerkung oben unter problemorientiertem RU zum "RU nach dem Kontexttypus".Konvergenz von Glaubenstradition und Lebenserfahrung.Zur religionsdidaktischen Ausformung vgl. unten zu Korrelationsdidaktik (kath.)

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Symboldidaktik

Es geht auch in der Symboldidaktik um das Thema "Vermittlung von Glauben und Lebenserfahrung": "Sie geht von der Prämisse aus, daß eine Entsprechung zwischen Glauben und Leben besteht; sie intendiert eine Vermittlung von Glauben und Leben und sucht diese durch ein ständiges Hin- und Her-Schwingen zwischen beiden Polen zu erreichen. Die Bedeutung des Symbols in diesem Vermittlungsprozess läßt sich am besten mit einem Symbol zur Sprache bringen: Die Symbole stellen eine Brücke des Verstehens zwischen der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen und der Welt der Religion dar." (P. Biehl, Festsymbole. Zum Beispiel Ostern. Kreative Wahrnehmung als Ort der Symboldidaktik, Neukirchen- Vluyn 1999, 5; Hervorh. i.O.)

Symbolbegriff: P. Tillich, P. Ricoeur, S.K. Langer, S. Freud, A. Loren-zer, G.H. Mead;

"Die bei Tillich, Ricoeur, A. Lorenzer u.a. vorliegende Entgegensetzung von Symbol und Zeichen ist nicht haltbar. ´Symbol´ bezeichnet eine bestimmte Zeichensorte, nämlich Zeichen mit einem mehrfachen Sinn." (Biehl, Festsymbole, 15)

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Symboldidaktik (Forts.)

Vgl. H.A. Zwergel, Paul Ricoeur: Hermeneutik der Symbole und die Frage nach dem Subjekt - Ein Nachvollzug in religionspädagogi-scher Absicht, in: Religionspädagogische Beiträge 23/1989, 17-37.

Ev. Hauptvertreter: Peter Biehl, Symbole geben zu lernen, 2 Bde, Neukirchen-Vlyun 1991, 1993; ders.,  Festsymbole. Zum Beispiel Ostern. Kreative Wahrnehmung als Ort der Symboldidaktik, Neukirchen-Vluyn 1999.

Kath. Hauptvertreter: Hubertus Halbfas (s.u.)

Symboldidaktische Perspektiven (nach P. Biehl, Festsymbole)

- durch Symbole neu wahrnehmen

- lebensweltliche Zugänge zu religiösen Symbolen

- mit allen Sinnen wahrnehmen

- Symbole in der Lebenswelt Jugendlicher wahrnehmen

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Symboldidaktik (Forts.)Grundaufgaben (nach Biehl, LexRP 2001, 2074- 2079):

Sie nimmt in den selbst gebildeten Symbolen der Lernenden die Erfahrungen, Wünsche und Bedürfnisse, die sich in ihnen verdich-tet haben, wahr. Übergang von verborgenen Wünschen zu offen-baren Wünschen; Spannung von Zeigen und Verbergen.Sie kann den Schlüsselerfahrungen der Lernenden symbolisch Ausdruck verleihen und ihnen Symbol-Geschichten anbieten, die sie selbst „ausprobieren“ müssen, um herauszufinden, ob ihre Erfahrung diese braucht. Begleitung, Ich-Identität.Sie kann durch Wahrnehmung, Deutung und Gestaltung religiöser Symbole dazu beitragen, dass junge Menschen ein eigenes Selbst-, Welt- und Gottesverständnis ausbilden.Durch kreativen Umgang mit Symbol-Zeichen lässt sich ein Ver-ständigungsraum erschließen, in dem Lernende sich mit ihrer Hilfe über Motive und Ziele des gemeinsamen Handelns (vorläufig) verständigen.In unserer multireligiösen Gesellschaft befähigt sie Lernende zu einem besseren Verständnis der fremden und der eigenen Religion: durch teilnehmenden Vollzug an Ritualen anderer Religionen, religi-ösen Gruppen sowie durch Symbol-Vergleiche.

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Symboldidaktik (Forts.)

Didaktische Prinzipien (nach Biehl, Festsymbole)

Wahrnehmungsfähigkeit;Selbsttätigkeit;Handlungsorientierung;Geschichtsbezug durch Erzählung;Resymbolisierung durch originale Begegnung;Unterbrechung und Überbietung

Stufen des Symbolverständnisses (nach Fowler/Schweitzer):

magisch-numinos; eindimensional-wörtlich;mehrdimensional-symbolisch;kommunikativ-explizierend;symbolisch-kritisch;nachkritisch

Zusammenhänge:

Symbol und Mythos; Symbole und Rituale/Ämter

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Performativer RUBernhard Dressler/Michael Meyer-Blank (Hg.), Religion, Religions-pädagogik und Semiotik, Münster 2003.In einer Gesellschaft, in der der Bestand an religiöser Sozialisation und damit auch von Grundwissen über Religion immer weiter zu-rückgeht, muss der Religionsunterricht dazu übergehen, den SchülerInnen religiöse Phänomene als solche überhaupt erst zu erschließen, zu „zeigen“. Dieser performative Ansatz eines Religi-onsunterrichts geht über Lehren als kognitive Vermittlung hinaus.Dabei geht es aber nicht um eine neue Ontologisierung der Religi-on, sondern um die Wahrnehmung von Religion als Zeichenhand-lung, als kommunikative Akte, in denen Menschen ihre Grundbe-findlichkeiten ausdrücken. Damit stehen grundsätzlich die Zeichen-systeme und ihr Gebrauch gleichwertig nebeneinander. Plurali-tätsfähiges Konzept.Reformulierung der Symboldidaktik: Kritik an Ontologisierungsten-denzen; hin zur Orientierung an den Subjekten, die sich in den Zei-chensystemen ausdrücken und mittels ihrer und in ihnen kommu-nizieren. Hierzu bes.: M. Meyer-Blank, Vom Symbol zum Zeichen. Plädoyer für eine semiotische Revision der Symboldidaktik, in: Dressler/Mey-er-Blank, a.a.O., 10-26.

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Katholischer RU • Neuscholastische Katechese• Reformpädagogischer RU• Material-kerygmatischer RU• Bibelfrühling• Unterricht über Lebensfragen

• Hermeneutischer RU• RU als Information• Problemorientierter RU• Korrelationsdidaktik• Symboldidaktik

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Neuscholastische KatecheseDie Rekonstruktion der katholischen Entwicklung beginnt mit der neu-scholastischen Katechese. Es gibt auch im katholischen Bereich zahl-reiche vorausgehende Diskussionen zum Katechismusverständnis, zum Verhältnis Katechismus-Bibel und zum Verhältnis offenbarungs-orientierter Vermittlung und naturalistisch-rationalistisch sich verste-hender Moralerziehung durch Religion (mit moralpädagogischer Ver-zweckung der Bibel). So kann sich z.B. J.B. Hirschers Versuch nicht durchsetzen, den Katechismus einer aus der Bibel gewonnenen heilsgeschichtlichen Lesart zu unterwerfen (J.B. von Hirscher, Über das Verhältnis des Evangeliums zur theologischen Scholastik der neuesten Zeit im katholischen Deutschland, Tübingen 1823).Vgl. zur kath. Entwicklung dieser Zeit: K. Wegenast, Religionspädago-gik, Bd. 2: Der Katholische Weg, Darmstadt 1983: Kap. I: Religions-pädagogik als Wert- und Moralpädagogik und als katholische Erzieh-ungswissenscahft, 17-51; vgl. auch: W. Bartholomäus, Einführung in die Religionspädagogik, Darmstadt 1983, 29-36.

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Neuscholastische Katechese (Forts.)

Für das Verständnis der Situation im katholischen Bereich des 19. JH. ist insbesondere die Minderheitensituation der Katholiken in Preußen bedeutsam und z.T. heute noch als Grundvorstellung bei manchen wirksam: Herausbildung der katholischen Subkultur mit eigener sozialer Bindung (katholisches Verbandswesen, ZdK), Wallfahrten (Heiligtumsfahrt nach Trier), kultureller Ausformung und Identität (Vorwurf des Ultramontanismus: die Katholiken haben ihren Identifikationspunkt „jenseits der Berge“, ultra montana, jenseits der Alpen in Rom beim Papst, dem „Heiligen Vater“ als „Stellvertreter Christi auf Erden“, so auch die Stilisierungen des Papsbtbildes.) (Vgl. hierzu F.X. Kaufmann/K. Gabriel [Hg.], Zur Soziologie des Katholizismus]).Dieses subkulturelle geschlossene Milieu hatte bis nach dem 2. Weltkrieg Bestand und wurde erst, als Ausdruck sozialen Wandels, aufgelöst: durch Flüchtlingsbewegung, durch Durchmischung der Bevölkerung und Mischehen, später dann durch Zuwanderung, Migration und Modernisierungsprozesse wie Enthierarchisierung, Mobilität, Individualisierung und Pluralisierung der Lebenswelt. Zweiter Veränderungsschub durch Globalisierung.

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Neuscholastische Katechese (Forts.)

Die neuscholastische Katechese knüpft, fast triumphalistisch, an die mittelalterliche Scholastik als der im ordo alles umfassenden Sicht von Gott und Welt an. Dabei werden aber die Modernisie-rungsprozesse der Neuzeit (Industrialisierung, Differenzierung, Menschenrechte, Presse-, Meinungs- und Koalitionsfreiheit etc.) verkannt; vgl. hierzu auch den sog. Syllabus, Sammlung der Irrtümer der Neuzeit, von dem ausgehend der sog. Antimoder-nisteneid für katholische Priester bis in die Mitte des 20. JH. verpflichtend war: Abschwören aller moderner Irrtümer. (Vgl. auch die französischen sog. Modernisten: Alfred Loisy wird das Wort zugeschrieben: Jesus erwartete das Reich Gottes, und was kam, war die Kirche.)In Verbindung mit Kulturkampf (Bismarck) und Erstem Vatikani-schen Konzil (Unfehlbarkeit des Papstes) stellte die neuscholasti-sche Katechetik entsprechend eine Wiederanknüpfung an ein ungebrochenes theologisch-kirchliches Selbstverständnis dar.

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Neuscholastische Katechese (Forts.)

Im Vordergrund steht der Katechismus, in der Hand der Priester; die (offensichtlich nicht so wichtige) biblische Geschichte darf auch von Laien unterrichtet werden. Vorherrschende Methode ist der fragend-entwickelnde Unterricht (vgl. hierzu auch der Auszug aus einem Katechismus für die unteren Klassens von 1814). Die Verstehensbedingungen der Kinder und Jugendlichen spielen keine wesentliche Rolle; Zugeständnis für den RU der unteren Klassen ist, dass weniger Katechismusfragen durchgenommen werden, während die Diktion/Begrifflichkeit die gleiche bleibt. Hauptinteresse: Vollständigkeit und begriffliche Klarheit der Vermittlung. F.X. Arnold schreibt: Der Katechismus "verband klare und bestimmte Ausdrucksweisen, scharfe begriffliche Fassung und theologische Korrektheit im Einzelnen mit streng systematischem Aufbau des Ganzen und entschiedener Einstellung auf das eine Notwendige, was der Mensch tun muß, um sein Lebensziel zu erreichen." (F.X. Arnold, Dienst am Glauben, Freiburg 1948, 55)

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Neuscholastische Katechese (Forts.)

Der Religionslehrer brauchte, da der Inhalt feststand, nur methodi-sche Fertigkeiten zu haben: Der autoritative Katechismustext wird erklärt und auswendig gelernt. Die biblische Geschichte wird dem Katechismusunterricht untergeordnet: „Der Katechismus ist auf allen Stufen das eigentliche und wesentliche Lehrbuch der katho-lischen Religion.“ (Weihbischof F.J. Knecht, Praktischer Kommentar zur Biblischen Geschichte, 1882, Freiburg 1884, 3)

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Reformpädagogischer RUZeit der Reform und des Aufbruchs: Katechetische Blätter (München 1875), Christlich-pädagogische Blätter (Wien 1878) Münchner Methode/Münchner Methodenbewegung, Wiener Methode; Deutscher Katecheten-Verein 1887).W. Bartholomäus schreibt dazu: „Aufgeschreckt war man durch die (erlebte) Wirkungslosigkeit des RU, mit dem der fortschreitenden Säkularisierung (genannt ´Entchristlichung´) der Gesellschaft offensichtlich nicht beizukommen war, und durch die Konkurrenz der anderen Schulfächer, die sich anscheinend didaktisch angemessener organisieren konnten. So war im wesentlichen das Ziel, ´die Katechese den neueren Erkenntnissen der Kinderpsychologie und Pädagogik entsprechend kindertümlicher und auch für das religiöse Leben fruchtbarer zu gestalten´ (Peil 1955, 28). Die Katechetik öffnete sich der Psychologie und Pädagogik, mit allen Chancen und Verunsicherungen.“ (44)

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Reformpädagogischer RU (Forts.)

Als Gegenbewegung gegen die Verkrustungen und gegen die Methodeneinfalt der Neuscholastik. Anknüpfend an die Formalstufenlehre der Herbartianer (J.F. Herbart 1776-1841; T. Ziller 1817-1882): Anschauung - Erarbeitung - Vertiefung, so sollte sich aller RU vollziehen; gelegentlich auch differenzierter: Anknüpfung - Darbietung - Erarbeitung - Vertiefung - Anwendung (für mein Leben) (vgl. den sog. [Grünen] Katechismus von 1954). Erweiterung durch Wertlehre M. Schelers: Werterleben - Werterhellung - Wertverwirklichung, oder durch die Arbeitsschule G. Kerschensteiners. "Die Schüler wurden mehr und mehr Subjekte ihres Lernens." (W. Bartholomäus, 46). Die Fragen bleiben aber auch hier: Kommt der Glaube vom Hören oder von der selbständigen Arbeit der Schüler im RU? Muß man das Ziel der Verkündigung dem Unterricht anpassen oder muss der RU die Schule verlassen?

Die Orientierung am kindlichen Lernweg ruft die Frage wach, ob nicht die Sachen eine eigene theologische Sachstruktur hätten, die hier vernachlässigt werde.

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Reformpädagogischer RU (Forts.)

Dieser Bewegung wird später vorgeworfen werden, sie sei schuld am Rückgang religiösen Wissens, von Kirchlichkeit und sittlichem Engagement, weil die Methode vor die Inhalte gestellt worden sei. (Ein Vorwurf, der in den 1980 Jahren vergleichbar wieder auf-taucht.)

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Material-kerygmatischer RU

Ab ca. 1935:Material: Die Materie, also der Inhalt, nicht die Form oder die Methode der Vermittlung stehen im Vordergrund; kerygmatisch, Kerygma: nicht Unterricht, sondern Verkündigung. Aber auch Rück-bindung an die liturgische Bewegung, die aus der Jugendbewegung der 20er Jahre erwachsen ist: „Die Kirche erwacht in den Seelen.“ Jugend- und Zeltmessen, neue Erfahrungen liturgischer Gemein-schaft.„Sie blockte die mit der pädagogischen und psychologischen Durchformung der RP einhergehende didaktische Reform des RU ab und suchte für diesen ein neues kerygmatisches Profil. Das Werk J.A. Jungmanns (1889-1975) ´Die Frohbotschaft und unsere Glaubensverkündigung´ (Regensburg 1936) bildete den Auftakt.“ (Bartholomäus, 54). Jungmann nennt den Religionsunterricht „Katechese“ oder „Religiöse Unterweisung“. Nicht das Wie? (Methode), sondern das Was? (material-kerygmatische Erneu-erung) steht im Vordergrund. „Das Dogma sollen wir kennen, verkündigen müssen wir das Kerygma.“ (Jungmann, 1936, 60)

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Material-kerygmatischer RU (Forts.)

„Der Katechet befindet sich wohl noch im Schulzimmer, aber nicht mehr bloß in einer Schulklasse, sondern im gläubigen Kreis von Katechumenen. Das Schulzimmer ist pfingstlicher Raum geworden, in dem der Glaubende sich am Glaubenden stärkt. In dem aber auch die Finsternis der Welt sich zusammenschließen kann und ihn nicht erkennt und ihn nicht aufnimmt." (Goldbrunner nach Bartho-lomäus, 55).(Bei W. Bartholomäus wird die Zeit des Nationalsozialismus und das Verhältnis der kath. Kirche zu ihm nur zweimal kurz unter dem Stichwort "Notzeit" gestreift; eine eingehendere Betrachtung der Verhältnisse unterbleibt, wohl auch, weil im kath. Bereich wenig Quellenforschung zum Nationalsoziaismus vorliegt.)Nach dem 2. Weltkrieg wurde wie protestantisch an die Evange-lische Unterweisung auch katholisch an den material-kerygmati-schen Unterricht angeknüpft unter dem Motto: Jesus Christus und die Heilsgeschichte. Zu einer in die Weltkirche (zahlreiche Überset-zungen in andere Sprachen) ausstrahlenden Blüte gelangte dieses Konzept mit dem Katholischen Katechismus der Bistümer Deutsch-lands (1955; sog. Grüner Katechismus).

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Bibelfrühling

Mit der Enzyklika Divino afflante spiritu (1943) von Pius XII. wurde der Katholischen Theologie/Exegese erlaubt, die Ergebnisse der historisch-kritischen Methode, wie sie in der Evangelischen Theo-logie schon über mehr als 100 Jahre als Forschungsinstrument gepflegt wurde, zu rezipieren und eigene Forschungen durchzufüh-ren. Dies brachte eine intensive Auseinandersetzung mit der Bibel mit sich, die bisher, vor allem in den ersten Kapiteln des Buches Genesis (1. Mose), wortwörtlich verstanden werden musste (vgl. eine Erklärung der Römischen Bibelkommission von 1908). Diese Öffnung wurde in der Katholischen Theologie und auch im Religi-onsunterricht als befreiend erfahren. Nun gibt es erstmals Voll-bibeln im Katholischen RU, wo bisher nur Auswahlbibeln und Evangelienharmonien zu finden waren.

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Unterricht über Lebensfragen

Sehr frühe (ca. 1950) katholische Anknüpfung an Lebensorientie-rung, angestoßen durch die Bedingungen in der Berufsschule: Berufs- und Arbeitsorientierung als Herausforderung an eine Kirche, die die Arbeitswelt trotz Wahrnehmung der „sozialen Frage“ (als Programm) weitgehend aus dem Blick verloren hat. Will der RU an den Berufsschulen die Heranwachsenden erreichen, muss er sich ihren Fragen stellen; Vorform des Problemorientierten RU.Keine besonders hervorzuhebenden Theoretiker.

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Hermeneutischer RUVgl. die Darstellung unter ev. RU oben, weshalb hier nur ergänzende

Anmerkungen.Vgl. zur Hermeneutik insgesamt:H.A. Zwergel, Hermeneutik und Ideologiekritik in der Religionspädago-

gik, in: H.-G. Ziebertz/W. Simon (Hg.), Bilanz der Religionspädago-gik, Düsseldorf 1995, 10-27.

Das Konzept des hermen. RU ist das erste, das sich im lebendigen Austausch zwischen ev. u. kath. Rel.Päd. entwickelt hat. Wichtig für die kath. rp Rezeption der philosophischen Hermeneutik war

G. Stachel, Die neue Hermeneutik (Kleine Schriften zur Theologie), München 1968.

G. Stachel, Die „unerledigte Hermeneutik“ – Bibelunterricht als Auslegung der Schrift unter heutigen Menschen, in: RpB 1/1978, 24-58.

H. Halbfas, "Unterricht als Auslegung" (Kap. aus: Fundamentalkate-chetik. Sprache und Erfahrung im Religionsunterricht, Düsseldorf u. Stuttgart 1968, 96-101): Da in der Sprache niemals eine „Sache an sich“ zur Sprache kommt, gibt es auch keine „ein-für-allemal“- Auslegung.

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Hermeneutischer RU (Forts.)

Halbfas zitiert für den Auslegungsprozess G. Otto (Schule- Religionsunterricht-Kirche, Göttingen 2. Aufl. 1964, 89): „Der Ausleger weiß nie, kann und darf nicht wissen, ob er nicht als ein anderer aus dem Text hervorgeht, den auszulegen er sich anschickt.“Auch für die kath. Rel.Päd. bleiben die hermeneutischen Grund-voraussetzungen unaufgebbarer Bestandteil der künftigen Konzept-arbeit, insbes. der Didaktik der Korrelation. Die Erweiterung der Fragestellung in Richtung Wahrnehmung der gesellschaftlichen Bedingungen führt dabei aber zu ähnlichen Entwicklungen wie in der ev. Rel.Päd.

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RU als InformationUnter diesem Stichwort wird eine Diskussion gefasst, wie sie für eine Übergangszeit kennzeichnend ist: Ist RU Verkündigung (die material-kerygm. Konzeption) oder informiert er nur über religiöse Phänomene, also gleichsam distanzierend, Betrachtungsweise von außen. Hier gehen autoritätskritische und emanzipatorische Überlegungen eindeutig in Richtung Information: RU darf nicht „indoktrinieren“, er muss wertfrei informieren, die Entscheidung bleibt den SchülerInnen in ihrem Privatraum überlassen.Vgl. zu der sich daraus ergebenden Problemlage das unter ev. RU/ideologiekritisch- emanzipatorischer RU Gesagte.Aus dieser Diskussion um Information entwickeln sich die religionskundlichen Ansätze, die insbesondere im Kontext interreligiöses Lernen Bedeutung gewonnen haben.

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Problemorientierter RUDer problemorientierte RU ist seitens der kath. RLschaft rezipiert, theoretisch aber nicht besonders ausgearbeitet worden.Überlagert wird die Zeit des Pobl.RU durch die Veränderungen in der Pädagogik (von der Pädagogik zur Erziehungswissenschaft [statt normativer eine empirische Orientierung], zu den Erziehungswissenschaften [Pluralität und Wahrheitsproblem]) und allgemeinen Didaktik: Curriculumtheorie: Situationsbestimmung, notwendige künftige Qualifikationen, Lernziele des Unterrichts, der für diese künftigen Situationen qualifizieren soll; Revision des Curriculums und empirische Unterrichtsforschung; Evaluation.Rp kritische Rezeption des Evaluationsgedankens; vgl. aktuelle Debatte s.u.

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KorrelationsdidaktikZielfelderplan für den Katholischen Religionsunterricht in der Grundschule (1977);vgl. zum Nachfolgenden: G. Hilger, Art. Korrelationsdidaktik, in: LexRP I, 1106-1111.rp Prinzip: Wechselbeziehung zwischen Offenbarung und Erfahrung, christlicher Botschaft und menschlichem Leben; Konsequenzen für die Themenwahl des RU; Abgrenzung sowohl von traditionalistischen wie extrem problemorientierten Positionen; Voraussetzungen im Synodenbeschluss (1974), in der anthropologisch gewendeten Theologie K. Rahners (Auswirkungen auf II. Vaticanum) und der korrelativen Theologie P. Tillichs (theol. Methode zur Bestimmung des Verhältnisses von Gott - Mensch, Botschaft - Situation); vielfältige, aber wenig systematisierte Verflechtung theol., hermeneutischer und religionsdidaktischer Aspekte;

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Korrelationsdidaktik (Forts.)

Vielfältige Versuche, die „korrelative Doppelsturktur“ von Erfahrung und Glaubensinhalt für den RU auch religionsdidaktisch umzu-setzen; die Rel.Didaktik tut sich aber schwer damit: Korrelation eher ein hermeneutisches (Klärung der möglichen Wechselbeziehungen in der Vorarbeit der RL) denn ein didaktisches Prinzip, da die differenzierende Umsetzung in einzelne didaktisch verantwortete und abgestützte Schritte (Vorbereitung und Sicherung von Wahr-nehmungs- und Verstehensprozessen; Schulung der Wahrneh-mungsfähigkeit; Erarbeitung unterschiedlicher Beziehungsmöglich-keiten/-modelle zwischen zwei Polen etc.) wenig gelingt.Was theologisch-existentiell als Korrelation gefasst und auch unver-zichtbar ist, vollzieht sich didaktisch faktisch wie in einer black box, in die man Erfahrung und Tradition gegeben hat, in der sich dann auf geheimnisvolle Weise (gleichsam durch Schütteln) die Verbin-dung ergibt.

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Korrelationsdidaktik (Forts.)

Die Modelle deduktiver (von theol. Prinzipien her erschlossene Erfahrungs-Situation; wird der Situation oft nicht gerecht) oder induktiver (aus Erfahrungssituationen heraus entwickelte Einsichten der Glaubenstradition; wird oft letzterer nicht gerecht) Korrelation werden durch die Arbeitsgruppe um H.-G. Ziebertz (Würzburg) um die abduktive Korrelation erweitert:Man weiß nicht im Voraus, was sich an Beziehungsmöglichkeiten ergibt; Erfahrung und Glauben werden miteinander ins Spiel ge-bracht, um zu sehen, was sich, vielleicht überraschend, an Bezie-hungen, Berührungen, wechselseitigen Infragestellungen oder kreativen Weiterungen ergibt. Dabei werden, im post-modernen Sinne, bisher breit begangene Wege verlassen und neue Pfade beschritten. Darin wird auch Unscheinbarem, vor allem in den Lebensgestaltungen der Jugendlichen, Raum gegeben. Diese Lernprozesse „bringen etwas zusammen, was man sich vorher nicht hat träumen lassen“ (H.-G. Ziebertz, Biographisches Lernen, in: G. Hilger/S. Leimgruber/H.-G. Ziebertz, Religionsdidaktik. Ein Leitfaden für Studium, Ausbildung und Beruf, München 2001, 349-360, 354).

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Korrelationsdidaktik (Forts.)

Entscheidend für eine Korrelationsdidaktik, gleich welchen Modells, ist, dass aus einer hermeneutisch gefassten Beziehung noch keine didaktischen Handlungsanweisungen folgen; diese müssen in diffe-renzierenden Schritten bestimmt, unterrichtlich initiiert und begleitet werden (vgl. dazu weiter unten z.B. zu: didaktische Analyse und Elementarisierung).

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Symboldidaktik

Vgl. bei den Konezptionen des Ev. RU unter Symboldidaktik;kath. Vertreter:G. Baudler: P. Biehl/G. Baudler, Erfahrung - Symbol - Glaube, Frank-

furt/M 1980; G. Baudler, Erfahrung - Korrelation - Symbol, in: KatBl 112 (1987), 30-35;

H. Halbfas, Das Dritte Auge. Religionsdidaktische Anstöße, Düsseldorf 1982;

ders., Unterrichtswerk für den Religionsunterricht 1 - 4; 5 - 10: entsprechend: Lehrerhandbücher; Bücher für die Hand der Schüler im Religionsunterricht (Düsseldorf 1983ff);

[für den RU 5 - 10 auch eine geschichtliche Fundierung: ders., Wurzelwerk. Geschichtliche Dimensionen der Religionsdidaktik, Düsseldorf 1989].

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Symboldidaktik

Halbfas: Prinzipien des aufbauenden und handlungsorientierten Lernens, Verknüpfung mit Schulleben und -lernen; besondere Bilddidaktik (mit suggestiven Erschließungen); durch den Bezug auf C.G. Jungs Archetypen Gefahr der Ontologisierung der Symbole; Entfaltung der inneren Bilder, aber auch Kritik an gesellschaftlichen Situationen (Wahrnehmungs- und Handlungsschulung); Überdeterminierung und Eindringlichkeit (am Beispiel der Doppelseite „Passion“ 1. Schuljahr).

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Kompetenzerwerb in Auseinandersetzung mit Konzeptionen des Religionsunterrichts

• Kenntnis der Entwicklung des Religionsunterrichts als Antwort auf theologische (z.B. II. Vatikanisches Konzil, Synode), aber auch pädagogische (Reformpädagogik, Curriculumtheorie) oder gesell-schaftliche Problemlagen (Autoritätskrise der 68er);

• Kenntnis tragender Prinzipien einer Konzeption (z.B. Rechtferti-gung, Erfahrungsorientierung, Korrelation, Symbolerschließung);

• Kenntnis der didaktischen Ausformung der religiösen Vermittlung (Formalstufen, ganzheitliches und aufbauendes Lernen, Bibel- oder Problemorientierung);

• Kenntnis einer ev.-kath. parallel-Konzeption oder der Ablösung einer Konzeption durch die folgende (wenn kath. nur Kurztext [z.B. beim problemorientierten RU oder Symboldidaktik] die Informatio-nen unter ev.Konzeptionen hinzuziehen.)

• Reflexion des bleibenden Gewinns aus den Konzeptionen im Blick auf aktuelle Probleme des RU und der subjektiven Theorien/Berufs-auffassung von ReligionslehrerInnen, -studierenden.