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Mittwoch, 7. Dezember 2016 Kölner Stadt-Anzeiger KERPEN ELSDORF BERCHEIM Festjubel und ein inniges Wiegenlied LUTHE R JAHR Ökumenischer Projektchor sang Bachs Weihnachtsoratorium zu Barockinstrumenten VON DIETMAR FRATZ Kerpen-Brüggen. Mit frischem Jauchzen und Frohlocken eröffne- te der Chor das Konzert nach den ersten Paukenschlägen und Flö- tentönen. In der St.-Joseph-Kirche sang ein Kerpener Projektchor mit einem Kölner Barockorchester die drei Teile von Bachs Weih- nachtsoratorium. Rund 80 Sängerinnen und Sän- ger, vorwiegend aus evangelischen und katholischen Kirchenchören im Stadtgebiet, haben seit einem Jahr an vielen Wochenenden unter Leitung des Stiftskantors Stephen Rarrap geprobt, uin einen \Viirdi= gen Auftakt für das bevorstehende Jubiläum zu Luthers Reformation ' vor 500 Jahren zu gestalten. Geschickte Aufstellung Dank Sponsoren und Unterstüt- zung durch die Stadt konnten die rund 460 Eintrittskarten kostenlos abgegeben werden. Nachdem sie zur Enttäuschung einiger Kultur- freunde, die leer ausgegangen wa- ren, in wenigen Tagen vergriffen waren, war die Kirche nahezu voll besetzt. Die Zuhörer konnten eine beseelte Intonation der Weih- nachtsgeschichte verfolgen. Rarrap hatte den Mangel an Te- nören durch geschickte Aufstel- lung des Chores ausgeglichen: Die lediglich sieben hohen Männer- stimmen standen in vorderster Rei- he, während die zahlenmäßig dop- pelt so starken Bässe hinter dem Chor platziert wurden. Einigerma- ßen ausgewogener Chorklang mit transparenten Stimmführungen und Fugeneinsätzen war das lo- benswerte Ergebnis. Die Frauen- Ein ökumenischer Projektchor sang zum bevorstehenden Reformationsjubiläum drei Teile aus Bachs Weihnachtsoratorium. Foto: Fratz stimmen bewältigten die Höhen nach Belieben sauber und kulti- viert. Kompakt, mit konsequent Bach'scher Gliederung und wie vom Himmel hoch in die Kirche entsandt gelangen die Choräle. Das Barockorchester mit histo- rischen Blasinstrumenten zeigte sich spielfreudig und nobel im Klang. Prächtige Holzbläser, allen voran die liebliche Flöte, sorgten für Eleganz. Die ventillosen Trom- peten gaben einige Intonations- probleme preis. Der warme, runde Barockklang, der die Preischöre festlich überzuckerte, te für die bei den historischen Ins- trumenten unvermeidlichen Kiek- ser. Dirigent Rarrap konnte sich gelegentlich bei Instrumentalpas- sagen erlauben, die Arme sinken und das Orchester somit von der Leine zu lassen. Kadenzen und Fermaten gelangen in guter Ab- stimmung und ohne Hast und die seit Helmuth Rilling übliche Knappheit. Das Orgel-/Cello- Continuo mit Ralf Waldner und Ivan Turkalj agierte in überlegener Sicherheit und mit bestem Timing. Bei den Solisten stach Altistin Boshana Milkov heraus. Betörend gelang das "Schlafe, mein Liebs- ter" im Colla parte mit der Flötis- tin. Evangelist Martin Erhard er- zählte die Handlung mit großer Klarheit. Etwas mehr geheimnis- volles Timbre wäre schön gewe- sen. Für die gebürtige Elsdorfer Sopranistin Emily Dilewski waren die Flöten gelegentlich nicht de- zent genug. Ihre lyrische, für die Tiefe des Raumes arg zurückhal- tende Stimme überzeugte beson- ders bei der Engelsbotschaft, die sie aus dem Nebenschiff sphärisch erhebend sandte. Im Duett mit dem nicht immer ausreichend rücksichtsvollen Bassisten Jacoub Eisa hatte sie schweren Stand. Im Solo bescherte Eisa schöne Mo- mente, garnierte seine Arie "Gro- ßer König" mit direkter Zuwen- dung ans Publikum. In der Höhe hatte er einige Intonationsproble- me, in Mittel- und Tieflage füllte sein Bass den Raum klangschön. Harrap, der beseelt und stellen- weise genüsslich die Ensembles zusammenhielt, achtete gut da- rauf, dass seine angemessen ge- wählten Tempi stets gehalten wur- den und befeuerte alle wichtigen Einsätze mit forderndem Dirigat. Der Schlusschor "Herrscher des Himmels" aus Teil drei wurde - ebenso ungewöhnlich nach Orato- rien wie erfreulich - als entfesselt frohlockende Zugabe nach langem und verdientem Applaus für ein prächtig-festliches Konzert wie- derholt. RHEIN·ERFTI31 KOMMENTAR . Zum Proj ekt Davon wünscht man sich mehr . [email protected] .................... . ........... . .. .. .. ..... ........ ····· ••·······•• Wohl dem, der sich rechtzeitig ei- ne der kostenlosen Karten für das Weihnachtsoratorium gesichert hatte. Er kam in den Genuss eines stimmungsvollen und künstlerisch ansprechenden Konzertes. Wer sich ein bisschen näher mit der Vorgeschichte des Projekts be- fasst hatte, dem haben Musik und Gesang auch noch aus einem ganz anderen Grunde gefallen, denn die Aufführung von Bachs Meisterwerk war gleichzeitig eine große ge- meinschaftliche Leistung der beiden großen Kirchen in der Kolpingstadt. Un- terstützt von Profis, einstudiert vom katholischen Kantor Stephen Rarrap mit evangelischen und ka- tholischen Sängerinnen und Sän- gern, unterstützt auch von der Kol- pingstadt und zahlreichen privaten Sponsoren - und nicht zuletzt durch das Spendengeld der zahl- reichen begeisterten Besucher des Konzerts. "Mit aller Musik soll Gott geehrt und die Menschen erfreut wer- den", hat Johann Sebastian Bach selbst gesagt. Das ist in Kerpen- Brüggen gelungen. Für die Kolpingstädter war es ein großes Gemeinschaftsprojekt und ein großes Gemeinschaftser- lebnis in der Vorweihnachtszeit Davon wünschen wir uns viele weitere.

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Mittwoch, 7. Dezember 2016 Kölner Stadt-Anzeiger

KERPEN • ELSDORF • BERCHEIM

Festjubel und ein inniges Wiegenlied LUTHERJAHR Ökumenischer Projektchor sang Bachs Weihnachtsoratorium zu Barockinstrumenten VON DIETMAR FRATZ

Kerpen-Brüggen. Mit frischem Jauchzen und Frohlocken eröffne­te der Chor das Konzert nach den ersten Paukenschlägen und Flö­tentönen. In der St.-Joseph-Kirche sang ein Kerpener Projektchor mit einem Kölner Barockorchester die e~sten drei Teile von Bachs Weih­nachtsoratorium.

Rund 80 Sängerinnen und Sän­ger, vorwiegend aus evangelischen und katholischen Kirchenchören im Stadtgebiet, haben seit einem Jahr an vielen Wochenenden unter Leitung des Stiftskantors Stephen Rarrap geprobt, uin einen \Viirdi= gen Auftakt für das bevorstehende Jubiläum zu Luthers Reformation ' vor 500 Jahren zu gestalten.

Geschickte Aufstellung Dank Sponsoren und Unterstüt­zung durch die Stadt konnten die rund 460 Eintrittskarten kostenlos abgegeben werden. Nachdem sie zur Enttäuschung einiger Kultur­freunde, die leer ausgegangen wa­ren, in wenigen Tagen vergriffen waren, war die Kirche nahezu voll besetzt. Die Zuhörer konnten eine beseelte Intonation der Weih­nachtsgeschichte verfolgen.

Rarrap hatte den Mangel an Te­nören durch geschickte Aufstel­lung des Chores ausgeglichen: Die lediglich sieben hohen Männer­stimmen standen in vorderster Rei­he, während die zahlenmäßig dop­pelt so starken Bässe hinter dem Chor platziert wurden. Einigerma­ßen ausgewogener Chorklang mit transparenten Stimmführungen und Fugeneinsätzen war das lo­benswerte Ergebnis. Die Frauen-

Ein ökumenischer Projektchor sang zum bevorstehenden Reformationsjubiläum drei Teile aus Bachs Weihnachtsoratorium. Foto: Fratz

stimmen bewältigten die Höhen nach Belieben sauber und kulti­viert. Kompakt, mit konsequent Bach'scher Gliederung und wie vom Himmel hoch in die Kirche entsandt gelangen die Choräle.

Das Barockorchester mit histo­rischen Blasinstrumenten zeigte sich spielfreudig und nobel im Klang. Prächtige Holzbläser, allen voran die liebliche Flöte, sorgten für Eleganz. Die ventillosen Trom­peten gaben einige Intonations­probleme preis. Der warme, runde Barockklang, der die Preischöre festlich überzuckerte, entschädig~ te für die bei den historischen Ins­trumenten unvermeidlichen Kiek-

ser. Dirigent Rarrap konnte sich gelegentlich bei Instrumentalpas­sagen erlauben, die Arme sinken und das Orchester somit von der Leine zu lassen. Kadenzen und Fermaten gelangen in guter Ab­stimmung und ohne Hast und die seit Helmuth Rilling übliche Knappheit. Das Orgel-/Cello­Continuo mit Ralf Waldner und Ivan Turkalj agierte in überlegener Sicherheit und mit bestem Timing.

Bei den Solisten stach Altistin Boshana Milkov heraus. Betörend gelang das "Schlafe, mein Liebs­ter" im Colla parte mit der Flötis­tin. Evangelist Martin Erhard er­zählte die Handlung mit großer

Klarheit. Etwas mehr geheimnis­volles Timbre wäre schön gewe­sen. Für die gebürtige Elsdorfer Sopranistin Emily Dilewski waren die Flöten gelegentlich nicht de­zent genug. Ihre lyrische, für die Tiefe des Raumes arg zurückhal­tende Stimme überzeugte beson­ders bei der Engelsbotschaft, die sie aus dem Nebenschiff sphärisch erhebend sandte. Im Duett mit dem nicht immer ausreichend rücksichtsvollen Bassisten Jacoub Eisa hatte sie schweren Stand. Im Solo bescherte Eisa schöne Mo­mente, garnierte seine Arie "Gro­ßer König" mit direkter Zuwen­dung ans Publikum. In der Höhe

hatte er einige Intonationsproble­me, in Mittel- und Tieflage füllte sein Bass den Raum klangschön.

Harrap, der beseelt und stellen­weise genüsslich die Ensembles zusammenhielt, achtete gut da­rauf, dass seine angemessen ge­wählten Tempi stets gehalten wur­den und befeuerte alle wichtigen Einsätze mit forderndem Dirigat.

Der Schlusschor "Herrscher des Himmels" aus Teil drei wurde -ebenso ungewöhnlich nach Orato­rien wie erfreulich - als entfesselt frohlockende Zugabe nach langem und verdientem Applaus für ein prächtig-festliches Konzert wie­derholt.

RHEIN·ERFTI31

KOMMENTAR .

Zum Projekt Weihnachtsoratori~m

Davon wünscht man sich mehr .

[email protected] .................... ............ ... .... ... .......... ····· ••·······• •

Wohl dem, der sich rechtzeitig ei­ne der kostenlosen Karten für das Weihnachtsoratorium gesichert hatte. Er kam in den Genuss eines stimmungsvollen und künstlerisch ansprechenden Konzertes.

Wer sich ein bisschen näher mit der Vorgeschichte des Projekts be­fasst hatte, dem haben Musik und Gesang auch noch aus einem ganz anderen Grunde gefallen, denn die Aufführung von Bachs Meisterwerk war gleichzeitig eine große ge­meinschaftliche Leistung der beiden großen Kirchen in der Kolpingstadt. Un­terstützt von Profis, einstudiert vom katholischen Kantor Stephen Rarrap mit evangelischen und ka­tholischen Sängerinnen und Sän­gern, unterstützt auch von der Kol­pingstadt und zahlreichen privaten Sponsoren - und nicht zuletzt durch das Spendengeld der zahl­reichen begeisterten Besucher des Konzerts.

"Mit aller Musik soll Gott geehrt und die Menschen erfreut wer­den", hat Johann Sebastian Bach selbst gesagt. Das ist in Kerpen­Brüggen gelungen.

Für die Kolpingstädter war es ein großes Gemeinschaftsprojekt und ein großes Gemeinschaftser­lebnis in der Vorweihnachtszeit Davon wünschen wir uns viele weitere.