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/ BERN-JURA-SOLOTHURN Der Dialog mit den Göttern AUSSTELLUNG. Die Kelten haben uns zwar keine Bücher hinterlassen, dafür aber kost- bare Grabbeigaben. Wie die Archäologen daraus die Reli- gion unserer helvetischen Ah- nen rekonstruieren. > Seite 2 GEMEINDESEITE. Auch in den Ferien ist in Ihrer Kirchgemeinde etwas los. Wer wann wo predigt, wer wann ferienabwesend ist und wie die Vertretungen geregelt sind, lesen Sie … > ab Seite 13 KIRCHGEMEINDEN Der Segensruf von der Alp ALPSEGEN. Walter von Ah ist Alphirt im Safiental. Jeden Abend schliesst er sein Tag- werk mit dem Gebetsruf ab, den er von den Bergen ins Tal hinunter singt. Der einst ka- tholische und heute refor- mierte Bauer hat den Segen noch von den alten Älplern gelernt. Damit führt er eine Tradition weiter, die langsam vom Verschwinden bedroht ist. > Seite 12 PORTRäT JUGENDGEWALT Vorbeugen und strafen PRäVENTION. Zürcher Schüler haben während einer Reise in München mehrere Passanten verprügelt und schwer verletzt. Wie ist auf solche Gewalttaten zu reagieren? Gespräch mit Pfarrer Christian Randegger, Autor des «KrisenKompass» für Schulen. > Seite 3 KELTEN BILD: HEINI STUCKI KOMMENTAR Kein Halleluja für den Dalai Lama Wenn der Dalai Lama die Schweiz besucht, freuen sich nicht nur die hiesigen Tibeter und Buddhisten, sondern auch alle interkul- turell Interessierten. Weni- ger Freude herrscht jeweils im Bundesrat. Denn wer den Dalai Lama empfängt, hat Prügel aus Peking auf sicher. Also schützt der Bundesrat heuer Ferien vor – und emp- fängt nicht. Heisst: Der Wirt- schaftsdeal mit China geht vor. Staatsräson, basta. WEIGERUNG. Doch scheint in Sachen Dalai Lama auch ei- ne Religionsräson zu spie- len. Der Schweizerische Rat der Religionen (SCR), Platt- form der jüdischen, christ- lichen und muslimischen Gemeinschaften, kehrt ihm ebenso den Rücken. Kein Empfang für den Friedens- nobelpreisträger, kein Dia- log mit dem buddhistischen Spitzenvertreter. DIPLOMATIE. Warum springt der SCR nicht für den Bun- desrat in die Bresche? Ist der Buddhismus den mono- theistischen Religionen nicht fromm genug? Will der SCR Bern nicht desavouie- ren – oder Peking nicht brüs- kieren? Stehen Religions- verträge im Weg? Immerhin führte der Evangelische Kir- chenbund Seminare für chi- nesische Beamte zum The- ma Religionsfreiheit durch. Man kann nur spekulieren: Denn der SCR mag seinen Nicht-Empfang des tibeti- schen Oberhaupts nicht mal kommentieren. SAMUEL GEISER ist «reformiert.»- Redaktor in Bern DOSSIER Politlabor im Jurassic Park 30 JAHRE KANTON JURA. Seit dreissig Jahren ist der Jura ein selbstständiger Kanton. Und seit dreissig Jahren bringt es der «junge Wilde» am Nord- westzipfel des Landes immer wieder fertig, die Rest- schweiz zu verblüffen: mit fortschrittlichen Vorstös- sen und konservativen Abstimmungsresultaten beispielsweise. Mit seiner unberührten Landschaft und seiner autoverrückten Bevölkerung. In der Ajoie (wie der Pruntruterzipfel auf Franzö- sisch heisst) frisst sich eine monströse Autobahn durch eine Idylle, und das freut nicht nur die Turbos. Denn unter der Strasse ist eine Weltsensation zum Vorschein gekommen, die noch zu vermarkten sein wird: die grösste Dinosaurierspur der Welt. Was der Jura nebst Transjurane und Tannen, Dinos und Freiberger Pferden zu bieten hat, zeigt eine Reportage aus dem 26.Kanton. > Seiten 5 – 8 Krisenplan für Kirchen Ansteckungsgefahr auch in der Kirche: Da denkt man spontan an den Abend- mahlskelch, der herumgereicht wird, auf dass alle daraus trinken. Er wäre bei einem grossflächigen Grippeausbruch ein Ansteckungsfeld erster Güte. Aber die Abendmahlsspende ist bei Weitem nicht das einzige Problem, das die Kir- chen zu bewältigen hätten. Sie wären noch ganz anders gefordert, falls in nächster Zeit wirklich – wie heute prog- nostiziert – schweizweit zwei Millionen Menschen vom Grippevirus betroffen würden. Zwei Millionen Kranke, das hiesse auch: verwaiste Arbeitsplätze in Kirchgemeinden und gleichzeitig wohl vermehrter Betreuungsbedarf. PROBLEM TODESFäLLE. Gemäss Anga- ben des Bundesamts für Gesundheit (BAG) kann die normalerweise harmlos verlaufende Schweinegrippe für Risiko- gruppen – Chronischkranke, Schwan- gere, Kleinkinder lebensgefährlich sein. Man muss deshalb von einer über- durchschnittlichen Zahl von Todesfällen ausgehen. Wenn in einer Stadt mehr als 25 Begräbnisse pro Tag anfallen, wird dies zu einem logistischen Problem. Die Stadt Zürich hat deshalb bereits ein ökumenisches Konzept, das die Organi- sation der Abdankungen regelt. PROBLEM VERSAMMLUNGEN. Die Be- gräbnisse müssten aber im Ernstfall ohne Angehörige und Publikum statt- finden, weil dann sicher das Versamm- lungsverbot wirksam wäre. Verhängt würde dies durch den Bund oder die Kantone. Betroffen wären sicher auch Pfarrerinnen und Pfarrer: «Es bräuchte bestimmt eine Koordination unter den grossen Landeskirchen», sagt Thomas Gehrig, Kommunikationsverantwortli- cher der reformierten Kirchen Bern- Jura-Solothurn, die – anders als Zürich und Aargau bereits eine Arbeits- gruppe «Schweinegrippe» eingesetzt haben. Es gehe, so Gehrig, bei deren Arbeit vor allem um die Planung der Notfallseelsorge und um Massnahmen zur Aufrechterhaltung der zentralen Kirchenverwaltung. Letztere müsste notfalls auch über Telefon und Internet sichergestellt werden. PROBLEM HYGIENE. Daneben wird die Arbeitsgruppe Kirchgemeinden bei ei- ner Verschärfung der Lage dazu auffor- dern, in ihren Räumlichkeiten nur noch Flüssigseifen und Papierhandtücher zu verwenden. Und die Abendmahlskel- che? Da könne man sich auf die Ver- antwortlichen in den Kirchgemeinden verlassen: «Die sind in solchen Dingen eh sehr sensibel und reagieren jeweils schnell.» In den meisten Gemeinden würden schon heute auch Einzelbecher angeboten. RITA JOST INFOS ZUM THEMA SCHWEINEGRIPPE: www.bag.admin.ch SCHWEINEGRIPPE/ Falls das Virus H1N1 grossflächig ausbricht, sind auch Kirchen betroffen. Und gefordert. Schweinegrippe – Mexikos Kirchen haben bereits reagiert Persona non grata? Der Dalai Lama kommt regelmässig in die Schweiz, und er wurde bisher meist von einem Vertreter der Landes- regierung empfangen. Letztmals hatte der Bundesrat 1999 auf einen Empfang verzich- tet. Es war in jenem Jahr, als tibetische De- monstranten einen Be- such des chinesischen Präsidenten in Bern gestört hatten. Anfang August besucht der Da- lai Lama die Schweiz. Einen Empfang durch ein Mitglied der Landesregierung, wie in ande- ren Jahren, wird es diesmal aber nicht geben. Offiziell wegen Fe- rienabwesenheiten und Teilnah- me am Filmfestival von Locar- no. Begrüsst wird der tibetische Friedensnobelpreisträger durch die Nationalratspräsidentin und die Waadtländer Regierung. Hält sich Bern zurück, weil Pe- king drohte? Aussenministerin Calmy-Rey dementiert. Tatsache ist, dass ein Wirtschaftsabkom- men mit China vorbereitet wird. KRITIK. Die Gesellschaft für bedrohte Völker vermutet, die Schweiz fahre genau deshalb ei- nen unkritischen Chinakurs, was dort sicher «mit Befriedigung als weiterer Bückling» verstanden werde. «Bestürzt und traurig» nimmt die Gesellschaft schwei- zerisch-tibetische Freundschaft den Bundesratsentscheid zur Kenntnis. Der Schweizerische Rat der Religionen will weder zur Hal- tung des Bundesrats Stellung nehmen, noch den Dalai Lama selbst treffen. RITA JOST SIEHE KOMMENTAR LINKS «Wegen Ferien und Filmfestival…» Bundesrat empfängt Dalai Lama nicht TIBETER/ Der Bundesrat will das geistliche und politische Oberhaupt der Tibeter diesmal nicht empfangen. Weil China droht? EVANGELISCH- REFORMIERTE ZEITUNG FüR DIE DEUTSCHE UND RäTOROMANISCHE SCHWEIZ NR. 8 | 31. JULI 2009 WWW.REFORMIERT.INFO BILD: KEYSTONE

Ki Krisenplan für Kirchen - reformiert.info · /bern-jura-solothurn Der Dialog mit den Göttern ausstellung.DieKelten habenunszwarkeineBücher hinterlassen,dafüraberkost bare Grabbeigaben.Wiedie

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/ bern-jura-solothurn

Der Dialog mitden Götternausstellung. Die Keltenhaben uns zwar keine Bücherhinterlassen, dafür aber kost­bare Grabbeigaben.Wie dieArchäologen daraus die Reli­gion unserer helvetischenAh­nen rekonstruieren.> seite 2

gemeindeseite.auch in denFerien ist in ihrer Kirchgemeindeetwas los.Wer wann wo predigt,wer wann ferienabwesend ist undwie die vertretungen geregeltsind, lesen sie … > ab seite 13

kirchgemeinden

Der Segensrufvon der Alpalpsegen.Walter vonAhist Alphirt im Safiental. JedenAbend schliesst er sein Tag­werk mit dem Gebetsruf ab,den er von den Bergen ins Talhinunter singt. Der einst ka­tholische und heute refor­mierte Bauer hat den Segennoch von den alten Älplerngelernt. Damit führt er eineTradition weiter, die langsamvomVerschwinden bedrohtist.> seite 12

porträt

Jugendgewalt

Vorbeugenund strafenprävention. ZürcherSchüler haben während einerReise in MünchenmehrerePassanten verprügelt undschwer verletzt.Wie ist aufsolche Gewalttaten zureagieren? GesprächmitPfarrer Christian Randegger,Autor des «KrisenKompass»für Schulen.> seite 3

kelten

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kommentar

Kein hallelujafür dendalai lamaWenn der Dalai Lama dieSchweiz besucht, freuensich nicht nur die hiesigenTibeter und Buddhisten,sondern auch alle interkul­turell Interessierten. Weni­ger Freude herrscht jeweilsim Bundesrat. Denn wer denDalai Lama empfängt, hatPrügel aus Peking auf sicher.Also schützt der Bundesratheuer Ferien vor – und emp­fängt nicht. Heisst: Der Wirt­schaftsdeal mit China gehtvor. Staatsräson, basta.

weigerung. Doch scheint inSachen Dalai Lama auch ei­ne Religionsräson zu spie­len. Der Schweizerische Ratder Religionen (SCR), Platt­form der jüdischen, christ­lichen und muslimischenGemeinschaften, kehrt ihmebenso den Rücken. KeinEmpfang für den Friedens­nobelpreisträger, kein Dia­log mit dem buddhistischenSpitzenvertreter.

diplomatie. Warum springtder SCR nicht für den Bun­desrat in die Bresche? Istder Buddhismus den mono­theistischen Religionennicht fromm genug? Will derSCR Bern nicht desavouie­ren – oder Peking nicht brüs­kieren? Stehen Religions­verträge im Weg? Immerhinführte der Evangelische Kir­chenbund Seminare für chi­nesische Beamte zum The­ma Religionsfreiheit durch.Man kann nur spekulieren:Denn der SCR mag seinenNicht­Empfang des tibeti­schen Oberhaupts nicht malkommentieren.

samuel geiserist «reformiert.»­Redaktor in Bern

dossier

politlaborim jurassic park30 jahre kanton jura. Seit dreissig Jahrenist der Jura ein selbstständiger Kanton. Und seitdreissig Jahren bringt es der «jungeWilde» amNord­westzipfel des Landes immer wieder fertig, die Rest­schweiz zu verblüffen: mit fortschrittlichenVorstös­sen und konservativen Abstimmungsresultatenbeispielsweise.Mit seiner unberührten Landschaftund seiner autoverrückten Bevölkerung.In der Ajoie (wie der Pruntruterzipfel auf Franzö­sisch heisst) frisst sich eine monströse Autobahndurch eine Idylle, und das freut nicht nur die Turbos.Denn unter der Strasse ist eineWeltsensation zumVorschein gekommen, die noch zu vermarkten seinwird: die grösste Dinosaurierspur derWelt.Was der Jura nebst Transjurane und Tannen, Dinosund Freiberger Pferden zu bieten hat, zeigt eineReportage aus dem 26.Kanton.> seiten 5–8

Krisenplanfür Kirchen

Ansteckungsgefahr auch in der Kirche:Da denkt man spontan an den Abend-mahlskelch, der herumgereicht wird,auf dass alle daraus trinken. Er wäre beieinem grossflächigen Grippeausbruchein Ansteckungsfeld erster Güte. Aberdie Abendmahlsspende ist bei Weitemnicht das einzige Problem, das die Kir-chen zu bewältigen hätten. Sie wärennoch ganz anders gefordert, falls innächster Zeit wirklich – wie heute prog-nostiziert – schweizweit zwei MillionenMenschen vom Grippevirus betroffenwürden. Zwei Millionen Kranke, dashiesse auch: verwaiste Arbeitsplätze inKirchgemeinden und gleichzeitig wohlvermehrter Betreuungsbedarf.

problem todesfälle. Gemäss Anga-ben des Bundesamts für Gesundheit(BAG) kann die normalerweise harmlosverlaufende Schweinegrippe für Risiko-gruppen – Chronischkranke, Schwan-gere, Kleinkinder – lebensgefährlich

sein. Manmuss deshalb von einer über-durchschnittlichenZahl vonTodesfällenausgehen.Wenn in einer Stadt mehr als25 Begräbnisse pro Tag anfallen, wirddies zu einem logistischen Problem.Die Stadt Zürich hat deshalb bereits einökumenisches Konzept, das die Organi-sation der Abdankungen regelt.

problem versammlungen. Die Be-gräbnisse müssten aber im Ernstfallohne Angehörige und Publikum statt-finden, weil dann sicher das Versamm-lungsverbot wirksam wäre. Verhängtwürde dies durch den Bund oder dieKantone. Betroffen wären sicher auchPfarrerinnen und Pfarrer: «Es bräuchtebestimmt eine Koordination unter dengrossen Landeskirchen», sagt ThomasGehrig, Kommunikationsverantwortli-cher der reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn, die – anders als Zürichund Aargau – bereits eine Arbeits-gruppe «Schweinegrippe» eingesetzt

haben. Es gehe, so Gehrig, bei derenArbeit vor allem um die Planung derNotfallseelsorge und um Massnahmenzur Aufrechterhaltung der zentralenKirchenverwaltung. Letztere müsstenotfalls auch über Telefon und Internetsichergestellt werden.

problem hygiene. Daneben wird dieArbeitsgruppe Kirchgemeinden bei ei-ner Verschärfung der Lage dazu auffor-dern, in ihren Räumlichkeiten nur nochFlüssigseifen und Papierhandtücher zuverwenden. Und die Abendmahlskel-che? Da könne man sich auf die Ver-antwortlichen in den Kirchgemeindenverlassen: «Die sind in solchen Dingeneh sehr sensibel und reagieren jeweilsschnell.» In den meisten Gemeindenwürden schon heute auch Einzelbecherangeboten. rita jost

infos zum themaschweinegrippe:www.bag.admin.ch

schweinegrippe/Fallsdas Virus H1N1 grossflächigausbricht, sind auch Kirchenbetroffen. Und gefordert. Schweinegrippe – Mexikos Kirchen haben bereits reagiert

personanon grata?der dalai lama kommtregelmässig in dieschweiz, und er wurdebisher meist von einemvertreter der landes-regierung empfangen.letztmals hatte derBundesrat 1999 aufeinen empfang verzich-tet. es war in jenemJahr, als tibetische de-monstranten einen Be-such des chinesischenPräsidenten in Berngestört hatten.

Anfang August besucht der Da-lai Lama die Schweiz. EinenEmpfang durch ein Mitglied derLandesregierung, wie in ande-ren Jahren, wird es diesmal abernicht geben. Offiziell wegen Fe-rienabwesenheiten und Teilnah-me am Filmfestival von Locar-no. Begrüsst wird der tibetischeFriedensnobelpreisträger durchdie Nationalratspräsidentin unddie Waadtländer Regierung.

Hält sichBern zurück,weil Pe-king drohte? AussenministerinCalmy-Rey dementiert. Tatsacheist, dass ein Wirtschaftsabkom-men mit China vorbereitet wird.

kritik. Die Gesellschaft fürbedrohte Völker vermutet, dieSchweiz fahre genau deshalb ei-nen unkritischenChinakurs,wasdort sicher «mit Befriedigung alsweiterer Bückling» verstanden

werde. «Bestürzt und traurig»nimmt die Gesellschaft schwei-zerisch-tibetische Freundschaftden Bundesratsentscheid zurKenntnis.

Der Schweizerische Rat derReligionen will weder zur Hal-tung des Bundesrats Stellungnehmen, noch den Dalai Lamaselbst treffen. rita jost

siehe kommentar links

«Wegen Ferien und Filmfestival…»Bundesrat empfängt Dalai Lama nichttibeter/Der Bundesrat will das geistliche und politische Oberhauptder Tibeter diesmal nicht empfangen. Weil China droht?

evangelisch-reFormierte zeitung Fürdie deutsche undrätoromanische schWeiz

nr. 8 | 31. Juli 2009WWW.reFormiert.inFo

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2 aktuell/ region reformiert. | www.reformiert.info | nr.8/31.Juli 2009

Götter, Gräber und Gelehrtekelten/ Cäsar schimpfte sie Barbaren. Die Ausstellung «Kunst derKelten» im Historischen Museum Bern zeigt sie nun aber als Volk mitGeschmack. Doch was weiss man über den Glauben der Kelten?Wozudie zwei fünfzehnZentimeterlangen rostigen Eisenstäbe, die beiPrag aus der Erde gegraben wur-den, seinerzeit gut waren, bleibtzunächst rätselhaft. Erst auf denzweiten Blick erkenntman im Fundaus dem 5.Jahrhundert v.Chr. ei-nen Zirkel mit zwei spitz auslaufen-den Schenkeln, verbunden durchein Gelenk. Der unscheinbare Mu-seumsgegenstand ist der ältestebekannte Zirkel der Welt. In derHand keltischer Handwerker, mitihrem besonderen Flair für das Or-nament, wandelte er sich zum Zau-berinstrument. Kunstvolle Vasenund Kannen, prunkvolle Schwerter

und Helme verzierten sie dank ihmspielerisch «mit komplizierten undoft rätselhaften Ranken-, Spiral-und Pflanzenornamenten», sagtProfessor Felix Müller, Kurator derAusstellung «Kunst der Kelten» imBerner Historischen Museum.

ornamente.DieKelten, dieEuropaab dem 7.Jahrhundert v.Chr. vonIrland bis Bulgarien besiedelten,als Helvetier auch das Gebiet derheutigen Schweiz, jene Kelten, dieJulius Cäsar in seiner tendenziö-sen Reportage «De bello Gallico»als Barbaren brandmarkt, habenGebrauchs- und Kultgegenstände

erfolgreichvermitteltDas zerrüttete Verhältniszwischen dem Könizer Kirch-gemeinderat und dem eben-so beliebten wie umstritte-nen Pfarrer André Urwylerwar Anfang Jahr tagelangThema in den bernischenMedien. Nun scheint manfür den Konflikt eine Lösunggefunden zu haben: Unterder Leitung von Synodalrat

Gottfried Locher habe manein Modell entwickelt, dasdurch die Einrichtung vonvier Pfarramtsressorts «eineEntflechtung der Arbeit» vor-sehe, schreiben der KönizerKirchgemeinderat und derSynodalrat der reformier-ten Kirchen Bern-Jura-So-lothurn in einem gemeinsa-men Communiqué. Damit seider Grundstein für eine lang-fristige und konstruktive Zu-sammenarbeit gelegt. pd/mlk

weiter umstrittenEnde Juni erteilte der Lan-genthaler Gemeinderat derislamischen Glaubensge-meinschaft Xhamia e Lan-genthalit nach zweijährigerPrüfung die Bewilligung zumBau eines Minaretts an derBützbergstrasse. Gegendiesen Entscheid will dasAktionskomitee «Stopp Mi-narett» nun Beschwerdebeim Kanton einlegen. DieGegner machen sowohl bau-technische Aspekte (Behin-dertengerechtigkeit) als auch«ideelle Immissionen des Mi-naretts» geltend. pd/mlk

neu gewähltDie christkatholische Kircheder Schweiz hat einen neuenBischof: Nach der Demis-sion von Fritz-René Müller(vgl.Porträt in «reformiert.»4/09) hat die NationalsynodeHarald Rein als dessenNachfolger gewählt. Der inDeutschland aufgewachseneZürcher Pfarrer will sich fürdas Fortbestehen der christ-katholischen Kirche engagie-ren; als Schwerpunkte seinerAmtszeit bezeichnet er dieKinder- und Jugendarbeit so-wie die Ökumene. pd/mlk

erstmals gefeiertDie serbisch-orthodoxe Kirch-gemeinde Bern-Freiburg-Solothurn hat Anfang Juli inihrem neuen Gotteshaus in ei-nem Industriequartier in Belperstmals Gottesdienst gefeiert.Die offizielle Einweihung derfünfzehn Meter hohen Kirchefindet 2012 statt, nach Ab-schluss aller Arbeiten. pd

kurznachrichten

Die Kirche steht wieder im Dorf: InKöniz wurde eine Lösung gefunden

Bild:z

vg

Von Baustelle zu Baustelle zu Baustelle …haus der religionen/ Der Baubeginn verzögert sich weiter, das Provisorium muss bald geräumt werden, und in derKasse klafft ein Loch. Trotzdem gehts mit dem Pionierprojekt vorwärts – «in kleinen, stetigen Schritten».

«Im Frühling 2010» sei Baubeginn, hatte Nicolasina ten Doornkaat, Ge-schäftsführerin der Stiftung Haus der Religionen, im Juni noch voraus-gesagt, als sie den Mitgliedern des Vereins Haus der Religionen – DialogderKulturendenüberarbeitetenRaumplan für das Pionierprojekt inBern-Ausserholligenpräsentierte. Je 156Quadratmeter Fläche stehendemnachden Aleviten, Buddhisten, Christen, Hindus und Muslimen sowie demBereich Dialog zur Verfügung. «Wir kommen zügig voran», lautete ihreoptimistische Einschätzung, nach den Sommerferien werde informiert.

Inzwischen ist dieser Zeitplan schonwieder überholt. Urs Albrecht, zu-ständiger Projektleiter bei der Halter AG Generalunternehmung, sprichtzwar gegenüber «reformiert.» von «kleinen, aber stetigen Schritten», dieÖffentlichkeit solle aber erst informiert werden, wenn die Abänderungs-eingabe zum Bauprojekt bereit sei und auch alle anderen Nutzer bekanntgegeben werden könnten. Klar ist: Ein Spatenstich im Frühling sei «nichtdenkbar»,wohl aber, «dass es im Jahr 2010passieren kann».Dies entspre-che jedenfalls dem internen Zeitplan für das «sehr komplexe» Vorhaben,das aber weiterhin «auf guten Wegen» sei. – Nach der Erteilung derBaubewilligung im Frühling 2007 war für Dezember 2010 ursprünglichnoch die Eröffnung (!) des Hauses vorgesehen gewesen.

50000 franken fehlen. Auf demWeg zur eigentlichen Baustelle habendie Initianten weitere grosse Hürden zu überwinden. Definitiv ist, dassdas seit drei Jahren bestehende provisorische Haus der Religionen ineinem ehemaligen Werkhof des Tiefbauamtes an der Schwarztorstras-se spätestens im Mai 2010 geräumt werden muss: Das Gebäude musseinem Neubau weichen. Die Suche nach einer Zwischenlösung ist im

Gang. Infrage komme eine andere Werkstatt oder aber ein «fliegendesHaus der Religionen» mit kurzzeitigen Gastspielen in verschiedenenKirchgemeindehäusern, wie Vereinspräsidentin Gerda Hauck an derJahresversammlung sagte. Konkrete Angebote lägen aber bisher nichtvor, bestätigte nun Vizepräsident René Benesch auf Anfrage.

Dasselbe gilt für das drohende Finanzloch beim Betrieb. Nachdemdie kleine Herrnhuter Brüdergemeine die Finanzierung der Stelle vonProjektleiter Hartmut Haas Ende 2009 einstellt, sind im Budget für daskommende Jahr über 50000 Franken noch ungedeckt. peter abelin

Gruppenbild mit Archäologe: Professor Felix Müller neben keltischer Steinstatue

Muss im Mai 2010 geräumt werden: Provisorisches «Haus der Religionen» in Bern

aus Bronze, Eisen, Silber und Goldhinterlassen, die heutige Betrach-ter in Staunen versetzen. Inspiriertvon den Griechen, wandelten siederen naturalistische Ornamentik«ins Hintersinnige» ab, wie Fe-lix Müller sagt: «Man muss beiden Kelten immer darauf gefasstsein, dass einen ausBlütenmusternplötzlich das Gesicht eines Tieresoder Menschen anschaut.»

gräber. Viele Ausstellungsgegen-stände sind Grabbeigaben – wich-tige Zeugnisse bei schriftlosenKulturen, wie die keltische einewar. Die Archäologie profitiert vonden Bestattungsriten unserer Ah-nen – doch sie tut dies heute «pie-tätvoll», wie Müller unterstreicht:Die Ausstellung von Skelettfunden,vor einigen Jahrzehnten noch gangundgäbe, ist unterMuseumsleuteninzwischen ein Tabu.

götter. Spektakulär die Ausstat-tung des Grabhügels des Fürstenvon Hochdorf bei Stuttgart, des«keltischen Tutanchamun», die inBern zu sehen ist: Der Bestatteteträgt Schuhe, Gürtel und Dolch,die mit Goldblech überzogen sind.Zu seiner Seite ein vierrädriger,mitEisenblechbeschlagener Prunkwa-gen, beladen mit einem neunteili-gen Speisegeschirr, den Utensilienfür einGelage im Jenseits. Standes-gemässwurdeder Fürst für dieRei-se indieEwigkeitausgerüstet, «weildie Kelten wohl annahmen, das Le-ben gehe im Jenseits ohne grosseÄnderung weiter.» Doch eigentlichwissemanwenig über die keltischeReligiosität, betont Müller. Römi-sche Autoren berichten, die Keltenopferten ihren Göttern erbeuteteWaffen. «Das Leben in jenen rau-en Zeiten wurde vom Kriegsglückbestimmt: verständlich, dass mansich dafür bei den Göttern bedan-ken wollte», so Müller. Man weihteihnen Waffen, Schmuck und Geld.Daraus schliesst die Archäologie,dass in der Vorstellung der Keltendie Götter wie Menschen agiertenund reagierten. Wie die Religionder Griechen und Römer basiert

auch jene der Kelten auf dem«do ut des» («Ich gebe, damit dugibst»). «Man schenkt der Gottheitin der Hoffnung, dass etwas zu-rückkommt», erklärt Müller. KeinGrund, auf keltische Religiositäthinabzublicken, meint der Archäo-loge: «Steckt nicht auch heute nochin jedem Gebet ein ‹do ut des› – einDank oder ein Wunsch?»

esoterik. Hoch im Kurs steht kel-tische Religiosität seit Jahrzehntenin der Esoterik. Beruht der neo-keltische Baum- und Kraftortkultauf gesicherten archäologischenFakten? – Nein, meint der Wissen-schaftler: «Die heutige Esoteriksieht die keltische Kultur als be-sonders naturverbunden und um-weltschonend: Das ist eine freie In-terpretation und wissenschaftlichnicht zu belegen.» So ist gemässMüller der «keltische Baumkreis»,der das Jahr in Perioden einteiltund jeder einen Geburtsbaum mitbestimmtenEigenschaftenzuweist,ähnlich einem Sternzeichen, «einereine Erfindung» – lanciert in denSiebzigerjahren von der französi-schen Publizistin Paule Delsole.«Das moderne Keltentum ist dasOutfit einer Oppositionsbewegunggegen alles Mögliche – gegen dasChristentum, die Umweltzerstö-rung oder die Globalisierung.»

evangelien. Aber es gibt echtekeltische Kunst und Kultur, dieüberlebt hat – interessanterweisevia Christentum: in der Buchma-lerei irischer Mönche. In den de-korativen Evangelien, im «Book ofKells» etwa, verschmelzen kelti-sche Ornamentkunst, germanischeFlechtbänder und die christlicheKreuzform. Mit dieser irischenSpätblüte endet die 1400 Jahrelange Zeitreise in der Ausstellung«Kunst der Kelten» im Berner His-torischenMuseum: Von 700 vor bis700 nach Christus haben Kelten inganz Europa ihre Ornament-Spu-ren hinterlassen. samuel geiser

öffnungszeiten «Kunst der Kelten» imHistorischen Museum Bern (bis zum 18.Okto­ber): Di–Fr, 10–20 Uhr; Sa+So, 10–17 Uhr

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reformiert. | www.reformiert.info | nr.8/31.Juli 2009 aktuell/ schweiz 3

«Null Toleranz»umfrage/ Jugendgewalt istauch in vielen Kirchgemeindenein Thema – weniger als Pro­blem denn als Unterrichtsstoff.«Wer sich auf die Lebenswelt Jugendli-cher einlässt, kommt ums Thema Gewaltschlicht nicht herum.» Christoph Kipferweiss, wovon er spricht: Er hat fast zwan-zig Jahre lang als Katechet gearbeitet,nun ist er einer der zwei Jugendbeauf-tragten der reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn. «Jugendlichebekommenmit, dass geprügelt, gemobbt, randaliertwird. Sie brauchen Hilfe im Umgang mitGewalt.» Deshalb erarbeitet die Fach-

stelle Arbeitshilfen für die Jugendarbeitin den Kirchgemeinden. Unlängst istetwa die DVD «Der Gewalt auf der Spur»entstanden, bei dermehr als 250 Jugend-lichemitgewirkt und sich filmender- undschauspielenderweise mit Gewalt imAlltag auseinandergesetzt haben.

nicht gravierend. Jugendgewalt ist al-so in vielen Kirchgemeinden ein Thema– allerdings primär als Unterrichtsstoff.Das jedenfalls zeigt eine Umfrage von«reformiert.» in etwelchen Kirchgemein-den zwischen Moutier und Meiringen:Es gebe zwar besonders im Konflagerimmer wieder disziplinarische Probleme– vorab im Zusammenhang mit Alkoholund Nachtruheregelungen –, manchmalauch verbale Attacken oder Rangeleien,aber vonwachsenderGewaltbereitschaftder Jugendlichen mag niemand reden.Pfarrerin Sabine Boser, KUW-Beauftrag-te der Gesamtkirchgemeinde Biel, sagt,was viele sagen: «Die Probleme sindnicht gravierender als früher: Hahnen-kämpfe gab es immer, verbale Entglei-sungen auch – aber heute nimmt sie dieGesellschaft anders wahr.»

Auch Sonja Roth, Jugendarbeiterin inder Kirchgemeinde Bümpliz, mag nichtdramatisieren – obwohl die monatlichstattfindende Disco in ihrer Kirchge-meinde derzeit nicht stattfindet: Jugend-liche hatten die Veranstaltungen gestörtund die Jugendarbeiter unter Druckgesetzt. «Dass heute oft völlig grundloszugeschlagen wird, es bei Gewalttatenkaum Hemmschwellen gibt und Mob-bing zugenommenhat, ist erschreckend.Gleichzeitig wird aber auch fast jedeRangelei unter Heranwachsenden zumGewaltakt hochgeschrieben.» Auch für

den Bümplizer Pfarrer Philipp Koenigist Gewalt in der Arbeit mit Jugendli-chen «mitnichten das Hauptproblem.Das Hauptproblem ist vielmehr: Wofinden die Jungen einen Job – und damiteinen Platz in der Gesellschaft?»

spielregeln.Zurück zu denKonflagern:In fast allen Kirchgemeinden wird mitden Jugendlichen im Vorfeld ein Lager-vertragabgeschlossenwird: «Wirpflegeneinen respektvollen Umgang miteinan-der, Konflikte werden fair ausgetragen»,heissts etwa. Oder: «Ich konsumiere kei-nen Alkohol oder illegale Drogen.» Gere-gelt sind auch Zuwiderhandlungen. «ImKonflager gibts null Toleranz:Wer gegeneine Abmachung verstösst, reist sofortnach Hause», sagt Urs Reber, Pfarrer inder Berner Friedenskirche, der mit ihrenKonfklassen seit Jahren nach Paris reist:«Klare Spielregeln sind unabdingbar.»Auch in Biel wird heimgeschickt, werdie Vereinbarung missachtet. Und mussdas Lager im folgenden Jahr wiederho-len –was notabene zurVerschiebungderKonfirmation führt. martin lehmann

«jugendliche bekommenmit, dass geprügelt, ge-mobbt und randaliert wird.»

christoph kipfer, jugendarbeiter

«klare spielregelnsind unabdingbar.»

pfr. urs reber, bern-frieden

In anonymer Umgebung, zum Beispiel in einer Grossstadt, ist die Hemmschwelle für das Überschreiten von Grenzen niedriger

«Die Kirchen müsstenjetzt Stellung nehmen»

Ende Juni wurde vom Schweizer Leh-rerverband der «KrisenKompass» vorge-stellt. DiesesHandbuchgibt denSchulenRichtlinien für angemessene Reaktionenin schwierigen Situationen. Zum Bei-spiel für Ereignisse wie die Schlägereienvon Schweizer Schülern während einesKlassenlagers in München. Der «Krisen-Kompass» soll jedoch auch präventivwirken, indem er hilft, Zeichen vonKrisen bei Jugendlichen zu erkennen.Pfarrer Christian Randegger hat sich alsProjektleiter des «KrisenKompass», aberauch in anderen Tätigkeiten intensiv mitdem Thema Jugendgewalt befasst.

Herr Randegger, der Umgang mit Notfall­situationen gehört zu Ihrer Arbeit.Wie re­agierten Sie auf das Ereignis von München?christian randegger: Ich bin tief be-troffen. Ich denke an dieOpfer undderenÄngste; und ich bin schockiert, wenn ichmir vorstelle, welche Belastungen dieverantwortlichen Betreuungspersonen,auch die Eltern der Täter, ertragen müs-sen. Es tut mir aber auch weh zu sehen,dass wir in einer Gesellschaft leben, inder sehr viele Schranken gefallen sind;manche brauchen immer höhere Reize,um sich befriedigt zu fühlen.

Warum konnten sich diese Jugendlichen zusolchen Gewaltexzessen hinreissen lassen?Oft haben solche Krisen verschiedeneUrsachen:Die Jugendlichen sind in eineranderen Umgebung, sie bewegen sichanonym in einer Grossstadt, sie habenGeld und die Möglichkeit, Alkohol oderDrogen zu konsumieren. Es kommt derGruppendruck hinzu – und plötzlich tutman Dinge, die man sich zu Hause nietrauen würde. Nicht alle Jugendlichenkönnen mit weit gesteckten Grenzenumgehen. Dessen müssen sich die Lei-ter bei der Vorbereitung für ein Lagerbewusst sein.

Sollen die Lehrerinnen und Lehrerinformiert werden, wenn ihre Schülerstraffällig geworden sind?Das hat zwei Seiten: Wenn Akten weitergereicht werden, kann das für Jugend-liche bedeuten, dass sie aufgrund ihresMakels stecken bleiben. Man müsste

ihnen gleichzeitig die Chance geben,einen neuen Weg zu gehen. Hat manaber die einschlägigen Informationennicht, wähnt man sich in einer falschenSicherheit. Aus diesem Grunde finde iches wichtig, dass Informationen, die einGefährdungspotenzial aufzeigen,weiter-gegeben werden.

Das Verhalten der gewalttätigen Jugend­lichen in München – wahlloses Verprügelnvon Passanten – gleicht dem Inhalt vonsogenannten Killerspielen.Man kann in solchen Spielen tatsächlichper Mausklick anderen Schaden zufü-gen, ohne dass sich jemand aufregt odereinen bestraft. Der Spieler wird sogardafür belohnt: Er steigt eine Spielstu-fe höher oder erhält einen helfendenFreund zur Seite. Wer über längere Zeitunreflektiert solche Spiele spielt, eignetsich unbewusst einen Automatismus an.Das kann so weit führen, dass er keineNeugier und Offenheit für ein Ereignisempfinden kann, wenn dabei nicht je-mand zu Schaden kommt.

Die Jugendlichen, die in München straffälliggeworden sind, zeigen nach ihrer Verhaftungkeine Reue.Verstehen Sie das?Es kann bei traumatisierenden Ereig-nissen einen Effekt geben, bei dembestimmte Gefühle abgespaltet werden.Man nennt dies Dissoziation. DieserMechanismus ist ein Schutz der Seele.Er wird verstärkt, wenn von aussen odervon einem selbst Vorwürfe kommen,man zeige keine Reue. Das heisst nicht,dass man keine Reue empfindet, aberman kann sie nicht ausdrücken.

Wie reagieren andere Jugendlichenach solchen Vorfällen?Die Mehrheit distanziert sich davon. Esstört sie, mit den Tätern in den gleichenTopf geworfen zu werden.

Suchen sie das Gespräch?Man darf sich nicht wundern, wennJugendliche nicht mit den Eltern oderLehrkräften darüber reden. Sie suchendas Gespräch unter sich. Trotzdemmusses von den Erwachsenen angebotenwerden. Weil Wut und Trauer zum Aus-

druck gebracht werden müssen. So tun,als wäre nichts passiert, wäre falsch.Gefühle kann man aber auch nonverbalausdrücken, mit symbolischen Hand-lungen. Feuer kann Wut symbolisieren,für Mitleid oder Mitgefühl kann maneinen Stein setzen – es gibt unzähligeMöglichkeiten, mit Puzzlesteinen, Glas-perlen, Holzscheiben, Seilen. Der «Kri-senKompass» bietet dazu eine MengeAnleitungen an.

Sollten die Schulen auf Klassenlagerverzichten?Auf keinen Fall. Aus eigener Erfahrungweiss ich: Lagerleben ist extremwichtig.Lehrer und Schüler können und müssensich dabei anders zeigen. Es brauchtaber eine Struktur, die die Schüler undSchülerinnen nicht austricksen können.

Wie kann die Schule präventiv wirken?Aufmerksamkeit für das Klima in derSchule verwenden, zum Beispiel indemman einen Verhaltenskodex verfasst:Wir dulden keine Gewalt. Man kannein Peacemaker-Programm einführen:Schüler und Jugendliche erhalten eineAusbildung, wie sie einen Teil der Ver-antwortungübernehmenund sodasWir-Gefühl in der Klasse stärken können.

Was kann die Kirche tun?ImaktuellenFallmüsstendieKirchenderbetroffenen Gemeinden jetzt Stellungnehmen. Kirche hat dort eine Chance,wo sie integrativ und gemeinschaftsbil-dend wirkt. Kirchliche Jugendgruppenwirken da beispielhaft. Man muss keinBungee-Jumping gemacht haben, umakzeptiert zu werden. Alle werden gleichbehandelt, es wird vorgelebt, wie maneine positive Streitkultur führt.

Sollten wir lernen, das Böse zu akzeptieren?In jedem Menschen kann das Böse zumAusdruck kommen. Wir kennen alle Ge-fühle der Rache, der Wut. Die Frage ist,wie man mit dem Bösen umgeht. EinBlick in die Bibel zeigt, wenn man bereitist, sich von Gott leiten zu lassen, kön-nen Bedingungen geschaffen werden,die Menschen vom Bösen zu befreienvermögen. rita gianelli

Jugendgewalt/ In München haben Schweizer SchülerPassanten schwer verletzt. Der Theologe Christian Randeggeräussert sich als Fachmann für Gewaltprävention dazu.

christianrandegger, 46der reformiertePfarrer aus seuzachist seit neunzehn Jah-ren im Pfarramt tätig.er hat ausbildungenin teamcoaching undnotfallseelsorge undist geschäftsleiter vonedyoucare, der Fach-stelle für gewalt-prävention, Krisen-intervention undtrauberbegleitung.edyoucare leistet hilfeim Bereich schulung,Beratung, Begleitung.

KrisenKompass,schulverlag, Bern,2009, Fr. 113.30.

www.edyoucare.net

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die heiligetaufeEigentlich sind ja die Kinder mit ih­ren vier und fünf Jahren schon fastzu alt. Aber jetzt, da die Sara dannin die KUW kommt, in die kirchli­che Unterweisung, hat Karin gefun­den, jetzt sei es doch nache für dieTaufe. Und der Kevin auch gerade.Dann gehe es grad in einem.

familienfest. Dass das Dorli auchkommen würde, habe ich ja schongewusst: Damit muss man rechnenan so einem Familienfest. Aber dasssie den Lüthi mitnimmt, habe ichnicht gedacht. Und wie er sich dannpräsentiert hat, dieser Lüthi: in dieallervorderste Kirchenbank, unddann kurz stehen bleiben, bevor erabsitzt, damit es alle sehen. Ich binauch dort gesessen. Aber ich bin jaschliesslich auch der Grossvater.Dann kam die Pfarrerin. Die beidenKinder mussten nach vorne wegender Taufe. Und Karin und Kerimauch, das ist ihr Mann. Dann habensie Ja gesagt und genickt. Die Pfar­rerin hat sogar etwas auf Arabischgesagt, und Kerim hat immer nochgenickt. Dann kam endlich das mitdem Wasser.

sichtbalken. In der ganzen Predigthabe ich an den Lüthi denken müs­sen. Mehr als dreissig Jahre habeich für den geschuftet. Was habenwir nicht alles gebaut! Am Schlussnoch das Ausflugsrestaurant inAeschi ob Spiez. Bis einer von denSichtbalken dort heruntergekom­men ist und mir das Becken ver­pängglet hat. Wenn die Suva dasgesehen hätte!Ich fand es noch flott, dass Lüthi,mein Chef, das Dorli immer nachHeiligenschwendi geführt hat, da­mit sie mich in der Reha besuchenkonnte. Aber dass sie dann gera­de bei ihm geblieben ist und nichtmehr nach Hause gekommen ist,das hätte ich nicht gedacht. Nach38 Jahren Ehe.Was hat der, was ich nicht habe, he?Ausser Geld? Er hat mir dann zwareinen guten Vorruhestand angebo­ten. Und den habe ich auch genom­men. Aber das Dorli war weg.

heuchler. Die Pfarrerin predig­te übrigens etwas davon, dass allesseine Zeit hat im Leben. Und dahabe ich gedacht, dass ich demLüthi noch richtig Bescheid gebe,wenn noch Zeit ist nach der Pre­digt.Aber draussen vor der Kirchehabe ich dann doch nichts gesagt.Erst als das Dorli meinte, dieserKerim sei doch ein Heuchler, alsMuslim in die Kirche zu gehen,und warum die Karin ausgerechnetden nehmen musste und sich nichtmehr Zeit gelassen habe, sie hättedoch bestimmt noch etwas Besse­res gefunden.Da hat es mir gelängt. «Der Kerimist schon recht», habe ich gesagt,«der ist wenigstens da, wo er hin­gehört, nämlich bei seiner Familie.»Und was so schlecht sei, nur weil erAusländer sei.Und dann habe ich noch gesagt:«Lieber ein Moslem aus Marokkoals ein Bauunternehmer aus demOberland!» Und das Greti, das ne­ben mir stand, meinte noch: «DieMoslems glauben schliesslich auchan einen Gott.»

i wott nüt gseit ha

fredu aegerterspricht über sich, Gottund dieWelt

4 aktuell/schweiz reformiert. | www.reformiert.info | nr.8/31.Juli 2009

kurznachricht

fester sitzfür solothurnsynodalrat. In der Kirchen-ordnung steht, dass «nachMöglichkeit» ein Mitglieddes Synodalrats (Kirchen-leitung) aus einer Kirchge-meinde der BezirkssynodeSolothurn gewählt werdensolle – immerhin stammenrund 40000 Mitglieder derreformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn aus dem obe-ren Teil des Kantons Solo-thurn (Solothurn, Lebern,Bucheggberg, Wasseramt).Seit dem Rücktritt von Do-ris Feldges 1999, der erstenund bisher einzigen Solo-thurner Synodalrätin, ist dasein leeres Versprechen: ZweiAnläufe, eine Solothurnerinim Synodalrat zu installie-ren, sind 2007 und 2008 beiNachwahlen gescheitert.Nun fordern zwölf Kirchen-parlamentarier in einer Moti-on eine garantierte Solothur-ner Vertretung in der Exeku-tive. In zahlreichen Vorlagenwürden die solothurnischenBesonderheiten zu wenig be-rücksichtigt, schreiben sie,Solothurn sei nicht einfach«ein wenig anders»: Es gel-te eine andere Staatsverfas-sung, es gebe keine Kirchen-direktion, und das Unter-richtswesen sei ganz andersorganisiert. Die Motion wirdan der Wintersynode AnfangDezember behandelt. mlk

impressum/«reformiert.» ist ein Kooperationspro-jekt des aargauer, Bündner und zür-cher «Kirchenboten» sowie des Berner«saemann».www.reformiert.info

redaktion: rita Jost, samuel geiser,martin lehmann (Bern),annegretruoff,anouk holthuizen, sabine schüp-bach (Brugg), rita gianelli, Fadrinahofmann, reinhard Kramm (chur), delfBucher, Käthi Koenig, daniela schweg-ler, christine voss (zürich)

blattmacherin: Käthi Koenig

layout: Brigit vonarburg

korrektorat:yvonne schär, langenthal

gesamtauflage: 720000 exemplare

reformiert. bernherausgeber: in den Kantonen Bern,Jura und solothurn wird «reformiert.»vomverein «saemann» herausgegeben:ihm gehören 150 Kirchgemeinden ausdem synodalverband an, welche diezeitung abonniert haben.Präsidium: annemarie schürch, ersigen

auflage bern: 325000 exemplare

redaktion: Postfach 312, 3000 Bern 13tel. 0313981820; Fax [email protected]

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inserateschluss 9/09: 10.august

abonnemente undadressänderungen:schlaefli&maurer ag, Postfach 3373800 interlakentel. 0338288080; Fax [email protected] (12 ausgaben pro Jahr):Fr.20.–

druckvorstufe gemeindeseiten:schlaefli&maurer ag, 3800 [email protected]

Ethische Richtlinien«subtil ausgehebelt»

Die Emotionen gingen hoch,nachdem die «NZZ am Sonntag»Ende Juni Auszüge aus der Ver-einbarung des Kantons Zürichmit der Sterbehilfeorganisation«Exit» publiziert hatte. Der Inhaltsei «merkwürdig», befand Bun-desrat Pascal Couchepin: «AlsBürger wäre ich damit nicht ein-verstanden», sagte er gegenüberdem Schweizer Fernsehen.

Das Dokument ist ein Novum.Erstmals trifft ein Kanton mit ei-ner Sterbehilfeorganisation eineVereinbarung. Auf elf Seiten wirddetailliert geregelt, wie die Bei-hilfe zumSuizid imKantonZürichablaufen muss – vom Entscheiddes Suizidwilligen bis zum Ein-satz des einzig erlaubten «Sterbe-mittels» Natrium-Pentobarbital.

gravierend. Scharfe Kritikkommt jetzt von theologischenFachleuten. Die Vereinbarungsei «inhaltlich gravierend», sagtFrank Mathwig, Ethiker beimSchweizerischen EvangelischenKirchenbund (SEK). Er hat dasDokument gelesen und stellt fest:«Darin findet eine unheimlicheAusweitung des Krankheitsbe-griffs statt.» Laut dem Papier seies für die Suizidbeihilfe durchden «Exit»-Arzt nicht mehr nö-tig, dass der Kranke dem Todenahe ist, auch nicht, dass dieKrankheit zum Tod führt. Damitwürden die ethischen Richtliniender Schweizerischen Akademiefür MedizinischeWissenschaftenaus dem Jahr 2004 «subtil ausge-hebelt», so Mathwig. Laut diesen

für die Ärzte verbindlichen Richt-linien darf Beihilfe zum Suizidausschliesslich in der Endphaseeiner Krankheit erfolgen.

selbstbestimmt. Der ZürcherRegierungsrat Markus Notter da-gegen sieht in der Vereinbarung«gerade keine Ausweitung, son-dern einen verstärkten Schutzfür suizidwillige Menschen». DieVereinbarung verpflichte «Exit»auf klare Regeln. Diese sollensicherstellen, «dass sich suizid-willige Personen aus freiem Wil-len zur Selbsttötung entscheiden,dass sie urteilsfähig und sichder Tragweite ihres Entscheidesbewusst sind». Es ist denn auchNotters Justizdirektion, die denAnstoss zur Vereinbarung gege-ben hat.

Ob solche Regeln wirklichüberprüfbar seien, daran hat derZürcher KirchenratspräsidentRuedi Reich seine Zweifel. «Wiekönnen derart interpretationsbe-dürftige Kriterien wie ‹das Rechtauf einen würdigen Tod›, die inder Vereinbarung stehen, kon-kret angewendetwerden?» RuediReich befürchtet, dass sich mitdem Dokument «zum Schluss al-les rechtfertigen lässt».

Eins fällt dem Kirchenratsprä-sidenten besonders negativ auf:Laut der Vereinbarung könnenauch psychisch Kranke und De-mente die Suizidbeihilfe in An-spruch nehmen.

gefährlich. Noch drastischereWorte findet SEK-Ethiker Frank

Mathwig. Er befürchtet, dass dieZürcherVereinbarungeinerMen-talität Vorschub leisten könnte,«die alte und kranke Menschenkostengünstig entsorgt». Ausser-dem komme das Papier einer«heimlichen Legalisierung» derSuizidbeihilfe gleich.

Zur Erinnerung: Laut Schwei-zer Strafgesetz ist Beihilfe zumSuizid lediglich straffrei, nichtaber legal. Das solle so bleiben,vertritt Frank Mathwig die Posi-tion desKirchenbundes: «Beihilfezum Suizid soll die Ausnahmebleiben und hat ihren angemes-senen Ort im Rahmen einer um-fassenden Palliativbetreuung amLebensende.» sabine schüpbach

Heimliche Legalisierung der Sterbehilfe?Die Zürcher Vereinbarung mit «Exit» ist umstritten

suizidbeihilfe/Weil der Bundesrat in Sachen Sterbehilfeweiterhin uneins ist, hat der Kanton Zürich mit «Exit»bilateral eine Vereinbarung ausgearbeitet. Die stösst aberbei Theologen und Ethikern auf teils scharfe Kritik.

Integrationsarbeitder besonderen Artmigrationskirchen/Sie sind oft ganz anders alslandeskirchliche Kirchgemeinden – finden aber inihnen immer öfter Unterschlupf und Unterstützung.

«Wir fühlen uns als Teil der Kir-chenfamilie im Spiegel», sagtPfarrer Berhanu Chernet. Undsein Kollege David Schneeber-ger ergänzt: «Die Lust, mitder Berhanu theologisch arbei-tet, ist für mich ein Gewinn.»Schneeberger und Chernetgehören zwar verschiedenenKirchen an – der eine der re-formierten Landeskirche Bern-Jura-Solothurn, der andere derBerean Evangelical Church –,aber sie arbeiten im selbenHaus: inderreformiertenKirch-gemeinde Spiegel bei Bern.Die Berean Evangelical Churchist dort seit 2003 einquartiert.Ihre rund sechzig Mitgliedertreffen sich regelmässig zuGottesdiensten, Bibelabendenund Chorproben.

glücksfall. Das klappe bes-tens,sagtPfarrerDavidSchnee-berger. Am Sonntagmorgenfeiere er mit seiner GemeindeGottesdienst, am Nachmittaggehörten die Räume der äthio-

pisch-eritreischen Gemein-schaft. Als Gegenleistung fürdas mietzinsfreie Gastrechtund weitere (auch finanzielle)Unterstützungen arbeiteten dieEritreer im Kirchenalltag mit,etwa im Rahmen der Kirchli-chenUnterweisung(KUW)oderder «Brot für alle»-Aktion.

pilotprojekt. Für Sabine Jag-gi, Ethnologin bei der Fachstel-le Migration der reformiertenKirchen Bern-Jura-Solothurn,sind Migrationskirchen Part-nerinnen der besonderen Art:«Sie sindHerausforderung undChance, aber vor allem sindsie eine Integrationsmöglich-keit.» Ohne die oft sehr andersgearteten, zum Teil auch sehrcharismatischen Kirchen ver-einnahmen zu wollen, müsstendie Reformierten gastfreund-lich und offen sein. rita jost

ZumThema Migrationskirchen ist eben dieBroschüre «Gottes Volk hat viele Farben»erschienen. www.refbejuso.ch/migration

Sitzen in derselben Bank: Die Pfarrer DavidSchneeberger (links) und Berhanu Chernet

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Dossierdreissig Jahre Jura/

Jura – vorwärtsdurch die Vergangenheit

Jura – das ist zuerst einmal ein Klischee: der kleine, wilde,widerborstige Kanton am Nordwestrand der Schweiz, der inden Sechziger- und Siebzigerjahren seine Unabhängigkeiterkämpfte. Der Kanton, der sich auch heute noch gerne quer-stellt. Zum Beispiel in eidgenössischen Abstimmungen, wenner etwa Schwulenehen oder Sonntagsverkäufe im Gegensatzzur Mehrheit in der Restschweiz ablehnt. Typisch katholisch,sagen dann alle. Doch halt: Mit demGrobsortierer kommtmandem Jura nicht bei. Er ist widersprüchlich: gleichzeitig fort-schrittlich und konservativ, zukunftsgläubig und vergangen-heitsverliebt, naturverbunden und autoverrückt, patriotischund europaorientiert, kämpferisch und locker. Man hüte sich,ihm ein Etikett zu verpassen. Es könnte beim genauen Hinse-hen schon Makulatur sein. Es ist vielleicht symbolisch, dassseinerzeit Separatistenführer RolandBéguelin, der erbittertste

Freiheitskämpfer im katholischen Jura, ein Reformierter war.Und dass in diesem Jahr, dreissig Jahre nach der Kantonsgrün-dung, die auch ein Losstrampeln von der verhassten Deutsch-schweiz war, die ersten französisch-deutschsprachigen Gym-nasialklassen starten.WerbungdafürmachenT-Shirtsmit demAufdruck «Ich studiere Jura» – und zwischen «studiere» und«Jura» ganz klein das Wörtchen «im».

république et canton. Wie kann man den Kanton Jura ken-nenlernen, diesen Neuling aus dem Politlabor der Schweiz?Natürlich, es gibt die offizielle Internetseite des Kantons(www.jura.ch), die allerlei Statistik und Geschichtliches ver-mittelt, die auch bewusst macht, dass sich der jüngste Kanton«République et Canton du Jura» nennt (und nicht etwa einfach«Kanton» wie die andern 25); und dass dieser Kanton heuteein unverkrampftesVerhältnis hat zu seinemNamen.Unter derRubrik «apropos dumot jura» liestman, dass «Jura» sowohl ein

Kanton als auch eine geografische Region, ein französischesDepartement und… eine Kaffeemaschine sei.

auf spurensuche im politlabor. Aber gehen wir doch anOrt und Stelle auf Entdeckungsreise. Der Routenplaner imInternet schlägt für die Anfahrt von Bern die Autobahn A1 viaSolothurn vor. Spontan hätte man den Weg über Biel und dieTaubenlochschlucht gewählt. Biel ist für Berner immer nochdas Tor zum Jura. Biel ist sogar «irgendwie schon ein bisschenJura». Der Kanton Jura ist einfach «dahinter». Die Vergan-genheit funkt bereits ein erstes Mal unerwartet in die jour-nalistische Recherche, denn plötzlich werden Erinnerungenwach. Geografieunterricht in den Sechzigerjahren: der langgezogene Stempel im Geografieheft, die Umrisse des KantonsBern in den alten Grenzen, mit seiner dreiteiligen Landschaft:gebirgiges Oberland, flaches Mittelland, gefalteter Jura.Im obersten Teil ist alles französisch und darum schwierig.

reformiert. | www.reformiert.info | nr.8/31.Juli 2009 5

mon Jura/Die Regierungsrätin, der Satiriker, derreformierte Pfarrer und andere über «ihren Jura»unser Jura/Für die Restschweiz ist der Neulingunter den Kantonen eine Wundertüte «à découvrir»

rita jost text / heini stucki Bilder

typisch jura?Was heisst das? Engemittelalterliche Brückenund malerische Gebäudewie in St­Ursanne (obenund unten links), dieGestüte von Saignelégier(oben rechts) oder mons­tröse Nationalstrassen­bauten (die Transjuranebei Porrentruy, untenrechts)? Der Kanton Juraist nicht so einfach zufassen. Er überrascht aufSchritt und Tritt.

spurensuche/Seit 1979 ist der Jura ein eigenständiger Kanton, der 26.der Eidgenossenschaft: ein junger Rebell in alten Schuhen. Auf Entdeckungsreisezwischen Delémont, St­Ursanne, Saignelégier und Porrentruy.

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Was macht den Jura für Deutschschweizer attraktiv?Christian Blaser kann es nicht eindeutig erklären:

«Der Jura ist eine ganz eigeneWelt», sagt er, «eineWelt, in derZugewanderte immer ein wenig fremd bleiben». Der Kampffür den eigenen Kanton habe die Menschen schicksalshaftzusammengeschweisst. Es gebe verborgene Wunden undSeilschaften, die ein Fremder kaum je ganz durchschaue:«Fettnäpfchen lauern darum überall.»

«a vendre» – «à louer». «Zu verkaufen», «zu vermieten» –Plakate mit diesen Worten sind die neuen Parolen im Jura.Die Inschriften «Jura libre» dagegen sind fast ganz aus demStrassenbild verschwunden. Auch dies ein Zeichen, dass diejurassische Freiheitsidee auf Sparflamme flackert? Trotzdemoder gerade deshalb hat die jurassische Regierung kürzlichihreAbsicht bekräftigt, dass sie dieVereinigungmit demberni-schenSüden sucht. ElisabethBaume-Schneider, die überzeug-te Autonomistin, glaubt daran, dass die Flamme wieder zumLodern gebracht werden kann. «Ein vereinigter Jura müssteein ganz neues Projekt sein. Ein gemeinsames!» Aber die Zeitdrängt: Die alten Freiheitslieder tönen schal, die Staatsverdros-senheit hat im Jura schon fast SchweizerDurchschnitt erreicht.Ein Pruntruter Künstler hatte es vielleicht vorausgeahnt, als eres vor Jahren so auf den Punkt brachte: «Die schlimmste Strafefür eine Revolution ist ihr Erfolg.»

8 dossier reformiert. | www.reformiert.info | nr.8/31.Juli 2009

«Bin ich eine heilerin? nein, so be-zeichne ich mich nicht. ich sage: Jefais le secret, ich mache das geheim-nis. das ist eine alte heiltradition,die es im Jura von jeher gab und bisheute von vielen menschen ausge-übt wird. Konkret läuft es so ab, dassmich hilfesuchende menschen anru-fen, etwa zwanzig pro tag. sie habenein körperliches leiden, schmerzenoder stresssymptome. ich braucheihren vornamen und die angabe ihresaufenthaltsortes. dann sage ich: ‹Be-wegen sie sich nicht!› und währendsie noch amtelefon sind,mache ichdas ‹secret›. ob ich dabei ein Formelspreche oder mich eher auf den men-schen konzentriere, kann ich nicht sa-gen. Jedenfalls funktioniert es, ich be-

komme viele Briefe von menschen,die mir schreiben, ihre Beschwerdenseien gelindert worden oder ganz ver-schwunden. Fürs ‹secret› darf mankein geld verlangen, aber wenn je-mand freiwillig etwas gibt, darf manes annehmen. oft rufen mich auchKrankenschwestern und ärzte ausden spitälern an. sie fragen, ob ichweiterhelfen kann, beispielsweisebeim Blutstillen. nicht alle im Juraakzeptieren das ‹secret›, aber sehrviele.die gabe des ‹secret› wird einem wei-tergegeben. ich undmein mann, dervor zwanzig Jahren starb, haben sievor über dreissig Jahren von einemBekannten erhalten.Wie das ‹secret›wirkt, kann ich nicht erklären. ich ver-

suche aber auch gar nicht, es zu ver-stehen. ich bin nicht speziell religiös.aber ich habe einen katholischen hin-tergrund und weiss, dass jemandüber mir ist, der beim ‹secret› die ei-gentliche heilung ausführt.meine Beziehung zumJura? ich füh-le mich wohl hier. dass ich 1978 zurKantonsgründung Ja gestimmt habe,war ein reiner herzensentscheid.vomKopf her hätte ich nein sagenmüs-sen. denn es kostet viel geld, einenneuen Kanton aufzubauen. und ichbefürchtete, dass beim Besetzen derverwaltungsposten die vetterliwirt-schaft spielen würde. dennoch: unserJura ist unser Jura. die Berner habenuns eine zeitlang geplagt, aber schondamals war es unser Jura.» sas

anne sutterlet (74), Faiseuse de secret, Fontenais

«das jawar ein herzensentscheid»

«nicht aus hass gegen Bern, sondernaus liebe zum Jura habe ich mich fürdie autonomie eingesetzt.alles, waswir Jurassier forderten, war, durchund durch schweizer zu werden – wiedie appenzeller oder Freiburger.aberich sagte schon früh, dass nach derunabhängigkeit an die stelle der Ber-ner schelme eigene schelme tretenwürden. und so kam es: nicht dieidealisten des rassemblementJurassien sitzen heute an den schalt-hebeln der macht, sondern die op-portunisten, die mittelmässigen, diedummköpfe! unter Berns herrschaftwaren wir ein unterdrücktes volk miteinemminderwertigkeitskomplex.heute leiden die jurassischen nota-

blen an einem überlegenheitskom-plex. die macht und die ehre habensie trunken gemacht. so spielen dennunsere regierungsräte minister, hal-ten sich für sarkozy oder de gaullegar. so lächerlich, so grotesk ist das!die cvP hat im Jura die macht ansich gerissen: sie betreibt eine richti-ge vetternwirtschaft mit der vergabevon staatsstellen.mit unsern steuernfinanzieren wir einen aufgeblase-nen Beamtenapparat,mit vielen un-nützen Funktionären. die ehrlichstenund fähigsten unter ihnen demissio-nieren: sie finden es unter ihrerWür-de, den lieben langen tag nur däum-chen zu drehen am Pult. das ist allesso unglaublich, so skandalös.Wir ha-

ben wohl die repressivste Polizei derschweiz, die unbescholtene Bürgermit Bussenzetteln jagt, statt sie vordieben und strolchen zu schützen.Wir haben einen Polizeichef, der re-gelmässig in FrankreichWein holt undihn jurassischen richtern und Beam-ten verkauft. und wir haben den chefdes amts für landwirtschaft, dergrossbauer ist undmit seiner Fami-lie hof um hof aufkauft. leben wir ei-gentlich in neapel oder chicago? undwas macht ‹le Quotidien Jurassien›,unsere tageszeitung? sie schläftund schweigt. da kann ich nur sagen:‹vivent les cons!›. denn so lange dieleben, floriert die jurassische satire-zeitschrift ‹la tuile› in soulce.» sel

Pierre-andré marchand (66), redaKtor «latuile», soulce

«lebenwir in neapel oder chicago?»

intakte natur,einer der viel geprie­senen Trümpfe des26.Kantons. Beinäherem Hinsehenhat die liebliche Hügel­landschaft aber auchWunden. Idylle mitSteinbruch in derNähe von Glovelier.

lustauf eineportion jura?

dem jüngsten Kantonkannman in diesem som-mer auf unterschiedlichs-tenWegen näher kommen:

pferderennen: der all-jährliche grosse marchéconcours von saignelégierin den Freibergen findetam 8./9.august statt.www.marcheconcours.ch

klaviermusik: imrahmen des Piano-Festivals von st-ursannesind vom 4.bis 13.augustelf Konzerte mit russischermusik zu hören.www.crescendo-jura.ch

vorzeitliches: dieweltweit meisten dino-saurierspuren (4000m²)werden an denWochen-enden vom 22./23. und29./30.august ein erstesmal der Öffentlichkeitgezeigt.www.paleojura.ch

wanderungen: die via-Jura führt auf historischenWegen von Basel nachBiel. von der römerstrassebis zur neuzeit gibt es aufdem Kulturweg unbekann-tes zu entdecken.www.viajura.ch

heilendes: «guéris-seurs, rebouteux etfaiseurs de secret ensuisse romande» heisstder Bestseller der ethno-login magali Jenny überheilpraktiker und ge-sundbeter.edition Favre, Fr.34.–. einedeutsche übersetzung istnoch nicht erhältlich.

literatur: zwei Büchermit je unterschiedlichenBlicken auf den Jura undseine jüngere geschichte:«die Blaue mauer» vonKatharina zimmermannüber den Jurakonflikt(zytglogge-verlag) und«nebenaussen» von chris-tian schmid über seineJugendjahre im grenzortdamvant (cosmos-verlag).

tageskarten: die«chemins de fer du Jura»feiern 2009 ihr 125-jähri-ges Jubiläum.aus diesemgrund gibts im Juli undaugust an verschiedenendaten tageskartenfür nur Fr.5.–.www.les-cj.ch

«ich war immer bei den minderhei-ten: als deutschsprachiger unterdenWelschen, als reformierter un-ter den Katholiken, undmeine Fami-lie war erst noch beim Brüderverein.aber wenn überhaupt, so litt ich, alsich jung war, unter der enge von da-mals.mit sechzehnmachte ich einelehre als rheinmatrose und war dannlange auf see.die zweisprachigkeit gehört für michzur Kultur des Juras. darum stör-te es mich, dass die separatisten dasdeutsch ablehnten. da machte ichzum Beispiel als Pfarrer der deutsch-sprachigen gemeinde einen Besuchbei einer Frau, die in der Familie ihressohnes lebte; sie konnte nur deutsch,an der haustür hatte es ein schild:

ici on parle français. heute hat sichdas vollkommen geändert: deutschist jetzt hochwillkommen,man suchtden anschluss an die region Basel.ich hatte nichts gegen einen neuenKanton, aber wenn schon, gemässden historischen verhältnissen, alsomit dem laufental. ich bin Beobach-ter und nehme nichts teuflisch ernst.Wahrscheinlich hat mich damals vorallem die verbissenheit in der ausein-andersetzung gestört.aber dann binich selbst todernst geworden und ha-be wüst getan: ich musste wegen ver-leumdung vor den richter, weil ich ineiner andacht vor der JurassischenKirchenversammlung zwei Bilder ge-zeigt hatte: die Bücherverbrennungder nazis und die verbrennung einer

Berner Fahne im Jura. später war ichals Parteiloser imverfassungsrat.die arbeit gefiel mir, aber man wurdeauch in kleinen Belangen nicht wirk-lich ernst genommen. immerhin gingbei der anpassung der gesetze einekleine dummheit durch: es gab einevorschrift, dass Polizisten eine be-stimmte Körpergrösse habenmüss-ten. ich argumentierte, es wäre scha-de, wenn ein jurassischer Patriot derrepublik nicht als Polizist dienenkönnte, nur weil er zu kurz gewachsensei. die Bestimmung wurde gestri-chen. Béguelin, der grosse chef, hattedagegen gestimmt, er stand auf undsagte resigniert: ‹la république aurade petits gendarmes.› darum gibt esim Kanton Jura kleine landjäger.» kk

alFred güdel (78), Pens. PFarrer, vicQues

«die zweisprachigkeit gehört dazu»

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reformiert. | www.reformiert.info | nr.8/31.Juli 2009 leben /glaube 9

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lexander

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Versuchslabor mitungewisser Zukunftuniversität/ Die Jesuiten, welche die katholischeStudierendenseelsorge während Jahrzehnten geprägthaben, verlassen Bern. Wie gehts jetzt weiter?

Die Jesuiten gehen, das Angebot für Studierende bleibt: Akademikerhaus (Aki) an der Alpeneggstrasse

Er war allenthalben spürbar: in den Räumen der idylli-schen Aki-Villa an der Berner Alpeneggstrasse, im lau-schigen Garten, in den Gottesdiensten in der Dreifaltig-keitskirche, bei den Diskussionsveranstaltungen und aufden Bergtouren – der Geist der Berner Jesuiten. Es warein menschenfreundlicher Geist, weltoffen, intellektuell,stur bisweilen, manchmal melancholisch. Vielen Studie-renden und Nachdenklichen vermittelte er spirituelleGeborgenheit – wie ein weiser, alter Grossvater.

Nun geben die Jesuiten, die hierzulande auf rundsechzig Mitglieder geschrumpfte katholische Ordens-gemeinschaft, das Berner Akademikerhaus (Aki) «auf-grund offenkundiger personeller Engpässe» auf. AndreasSchallbetter, der letzte im Dienst stehende Pater, zieht indiesem Monat aus Bern weg. «Das Haus wird an geist-licher Ausstrahlung verlieren», beklagt Thomas Philipp,seit 2006 als erster Nichtjesuit Leiter des Aki.

fortbestand gesichert. Der Geist der «Societas Jesu»(SJ /«Gesellschaft Jesu»: so lautet der offizielle Namedes Jesuitenordnes) bildete den Boden der katholischenStudierendenseelsorge. Auf der religiösenVerwurzelungder Jesuiten konnte aufgebaut werden. Etwa währendder traditionellen Ostertage: Die klassische Liturgie vonder Fusswaschung am Gründonnerstag bis zum grossenFeuer in der Osternacht fehlte nie. Daran schlossen sichdann kreative Elemente an: Tunnelwanderungen undOsterlachen, Strassentheater und Tanzeinlagen.

Wie geht es nachdemAuszugder Jesuitenmit demAkiweiter? Bleibt das spirituelle Versuchslabor auch ohnesie bestehen? Zumindest materiell sieht es gut aus: Dierömisch-katholische Kirche von Stadt und Kanton Bernwird die Löhne der Theologen (120 Stellenprozente) unddes Sekretariats übernehmen. Das Anwesen wird denJesuiten abgekauft. Die oberen Räume sollenweiter seel-

sorgerlichen Zwecken dienen. Infrage kommt zum Bei-spiel eine Nutzung durch anderssprachige Missionen.

flucht nach vorn? Als Nachmieterin war auch einmaldie reformierte Uni-Seelsorge (s.Kasten) im Gespräch.Schon vor drei Jahren sahen Visionäre ein Zusammen-gehen mit dem Aki vor. Die Pläne für ein ökumenisches«Öki» blieben aber chancenlos. Aki-Leiter Thomas Phil-ipp: «Das Engagement der Reformierten ist viel kleiner.Entwedermüsstenwir danndas katholischeEngagementzurückfahren –waswir nichtwollen. Oderwirwürden dieLeitung stellen – was die Reformierten nicht wollen.» Ge-gen eine verstärkte Zusammenarbeit mit dem reformier-ten Forum hat er aber nichts einzuwenden. Etwa bei denGottesdiensten: Neu gesellt sich die «Forum»-Gemeindejeden Dienstag zu «Brot und Wein» in die Aki-Kapelle.

Trotzdem: Der Geist des Aki kann für Philipp –nachdem die Jesuiten als Erzeuger das Weite gesuchthaben – nicht sogleich einer reformierten Leihmutterüberantwortet werden. So verschieden die Finanzen, soverschieden sind auch die Kulturen und die seelsorgerli-chen Temperamente:Während beim reformierten Forumeine nicht urteilende Seelsorge gepflegt wird, scheutsich Philipp nicht, den ratsuchenden Studis auch malkonfrontativ den Spiegel vorzuhalten. So beklagt er, dassdie Studierenden immerweniger danach fragten, was sieselbst wollten, und nur noch Dienst nach Vorschrift leis-teten. Dabei leide der Tiefsinn: «Wer nur mit der Massemitschwimmt, kennt kein Bedürfnis nach Religion. Daskommt erst, wenn Wagnisse eingegangen werden oderBrüche auftreten», analysiert Philipp.

Bestens zu dieser Anregung – die ja auch aufs Aki zu-geschnitten ist – passt das Aki-Thema des Herbstsemes-ters: «Flucht nach vorn». Vielleicht kann der jesuitischeGeist ja wieder eingeholt werden … remo wiegand

reformierteuni-seelsorgeeinWunschkind war esnicht: geboren wurdedas reformierte Forum2006 nach einer spar-übung des Berner syn-odalrats zugunsten derausgebauten mittel-schulseelsorge undnach gescheiterten Fu-sionsgesprächenmitdemaki. das Forumwurde mit einer 75%-stelle dotiert – für fast14000 studierende.«zu Beginn war nie-mand begeistert», sagtBrigitte affolter, seitdrei Jahren reformierteuni-Pfarrerin.doch der turnaroundwurde geschafft. Fürsynodalrat stefanramseier vorab einverdienst von Brigitteaffolter, die er als«mütterlich im gu-ten sinne» bezeichnet.dank ihr sei die klassi-sche seelsorge widererwarten zu einemschwerpunkt der stu-dierendenseelsorgegeworden.zudem setzt das Fo-rum stark auf kreativesschaffen. «Kunst hilftdualismen aufspren-gen»,meint affolter mitBlick auf divergenzenzwischen evangelikalenund liberalen. Kürz-lich haben studieren-de ihre ganz persönli-chen Kreuze gefertigt.nicht zum ersten malstanden sich die Besu-cher bei der vernissageschier auf den Füssenherum – wohl auch we-gen der zentralen la-ge des raums an derlänggassstrasse. rw

Eidg.dipl. Imamintegration/ Imame an hiesigen Moscheen sollen an schweizerischen Hochschulenausgebildet werden – wünschen Schweizer Muslime und Schweizer Behörden.

Die Muslime bilden in derSchweiz die zweitgrössteReligionsgemeinschaft –nach den Christen. Mehr-heitlich befürworten dieSchweizer Muslime, dassihreImameundReligions-lehrerinnen und -lehrerhierzulande ausgebildetwerden. Auch Behördenund Hochschulen sinddieser Ansicht. Zu diesem

Ergebnis kommt eine Un-tersuchung, die im Rah-men des Nationalen For-schungsprogramms NFP58 durchgeführt wordenist (s. Kasten). Imame sol-len die lokale Sprache be-herrschen, den Kontaktmit anderen Religions-gemeinschaften pflegenund Bescheid wissenüberSchweizerRechtund

Politik. Dazu müssten siean hiesigen Universitäten oder Fachhochschu-len ausgebildet werden,ähnlich wie die Pfarrerin-nen und Pfarrer.

Die Universität Frei-burg geht voran: Ab Sep-tember bietet sie eineWeiterbildung für Ima-me undmuslimische Ver-einsfunktionäre an. sel

Bild:Key

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Der Imam: Vorbeter und Vorbild

nfp 58Die Untersuchung«Sollen Imame undislamische Religions­lehrer in der Schweizausgebildet werden?»ist eines von 28 Projek­ten des NationalenForschungsprogramms«Religionsgemein­schaften, Staat undGesellschaft» (NFP 58),das bis Ende 2010 ab­geschlossen wird.www.nfp58.ch

spiritualitätim alltag

lorenzmartiist Redaktor Religion beiRadio DRS und Buchautor

die rechnung,bitte! – oder dochnicht?zahlen! Eine gemütliche Beizenrun­de. Der Abschied naht. Jemand ruftdie Bedienung, und alle am Tischgreifen zu ihrem Portemonnaie.«Das übernehme ich», meint dereine, worauf die andern sogleichprotestieren: «Nein, kommt nichtinfrage, ich bezahle!» Und so strei­ten sie hin und her, täuschen ab­wechslungsweise Grosszügigkeitund Verärgerung vor, bis schliess­lich einer zahlt, die andern nocheinmal lautstark protestieren undihr Portemonnaie dann vermeint­lich zerknirscht wieder einstecken.

ein ritual. Niemand bezahlt gerne.Aber nach einer Tischrunde drängtes alle dazu. Zumindest scheint esso. Die Wahrheit könnte auch an­ders aussehen. Etwa so: Jeder undjede hofft, dass der oder die anderebezahlt. Aber niemand will als Geiz­hals dastehen, deshalb wird zu­nächst einmal kräftig geboten – inder berechtigten Annahme, vonjemand anderem überboten zuwerden. Also ruft man die Bedie­nung, freut sich über den einkal­kulierten Protest der andern undfeilscht etwas, um im letzten Mo­ment abzuspringen, sich schein­bar geschlagen zu geben und je­mand anders zahlen zu lassen.

ein spiel. Das Risiko ist klein. Mandarf nur den richtigen Momentnicht verpassen und muss nach ge­schlagener Schlacht den heimlichenSieg als Niederlage zelebrieren, dasGesicht etwas verziehen und brum­meln: «Das nächste Mal aber zahleich.» Beim nächsten Mal ist sowiesoalles anders, und kaum jemand wirdsich noch an dieses Versprechenerinnern. Das Spiel kann dannvon Neuem losgehen. Und mit et­was Übung hat man den Kniff raus,wie man grosszügig Zahlungsbe­reitschaft vortäuscht und die Rech­nung dann im letzten Augen­blick doch anderen überlässt.

ein spiegel. Das Spiel zeigt, wiees um mich steht. Wie ängstlichhüte ich mein Portemonnaie? Wiefest klammere ich mich an Besitzund Geld? Und wie viel kann ichweggeben, und zwar freiwillig undmit guten Gefühlen? Heikle Fragen.Die Antworten werden für diemeisten nicht sehr schmeichelhaftsein. Vom Loslassen zu reden,ist einfacher, als es zu praktizie­ren – vor allem wenns um das ei­gene Portemonnaie geht.

praXis. Selbstlosigkeit und Gross­zügigkeit sind schöne Tugenden,solange sie nicht konkret werden.Dann kanns nämlich auch wehtun.Das macht dieses Ritual am Schlusseiner gemütlichen Beizenrunde zueinem harten Prüfstein gelebter Spi­ritualität. Wer nicht besteht undsich bei einem zwielichtigen Manö­ver ertappt, soll nicht allzu traurigsein. Es geht den meisten so. Frei­giebigkeit braucht Übung. Und dienächste Gelegenheit, um ganz ohneHintergedanken eine ganze Tisch­runde einzuladen, kommt bestimmt.

geheimnis. Ich verrate jetzt nicht,wie ich es persönlich mit demBezahlen halte. Es ist ein Spiel, undda lasse ich mir nicht gerne in dieKarten schauen. Sonst landet dieRechnung womöglich noch bei mir.

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Das Sekretariat als DrehscheibeOrganisationsformen in KirchgemeindenKursort Feuerwehrmagazin in Belp Zeit 13.00 bis 17.00 Uhr

Video-Clip-WorkshopFür Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der kirchlichen JugendarbeitKursort Schwarztorstrasse 20, Bern Zeit 9.00 bis 16.30 Uhr

Neu im KirchgemeinderatRegion SolothurnEinführungskurs für Personen, die mit den Aufgaben und Verantwortungen imKirchgemeinderat besser vertraut werden möchten.Kursort Kirchgemeindehaus, Areggerstrasse 12, Solothurn Zeit 18.00 bis 21.00 Uhr

Runder Tisch JugendarbeitErfahrungen austauschen, Gelungenes und Schwierigesreflektieren, auftanken und Impulse holenKursort Schwarztorstrasse 20, Bern Zeit 10.00 bis ca. 13.30 Uhr

Von Träumen, Illusionen und WünschenGassenhauer, Ohrwürmer, Schlager, Evergreens in der AltersarbeitKursort Gwatt-Zentrum Zeit 9.15 bis 17.00 Uhr

Sportvereine - Spielmacher derregionalen Entwicklung

12. Eggiwiler SymposiumKursort Eggiwil Zeit 9.00 bis 16.00 Uhr

Im Irrgarten der Liebe –wenn Liebe schmerzt

Ich liebe zu sehr! Ich liebe zu wenig! Was mache ich falsch!Kursort Länggassstr. 54 (Malatelier), Bern Zeit 10.00 bis 16.00 Uhr

Nähere Angaben erhalten Sie imHalbjahresprogramm 2/2009 oder imInternet www.refbejuso.ch/Kurse

Programme und Anmeldung:Reformierte Kirchen Bern-Jura-SolothurnGemeindedienste und BildungSchwarztorstrasse 20, Postfach 6051, 3001 BernTelefon 031 385 16 16, Fax 031 385 16 20E-mail [email protected]

Ihr Aufgabengebiet umfasst:• Betreuung eines Pfarrkreises• Gottesdienste und Amtshandlungen• Seelsorge, Besuche in Heimen und bei Jubilaren• Erwachsenenbildung• Religionsunterricht Oberstufe und Konfirmationsunterricht• Ökumene

Wir erwarten von Ihnen:• ein abgeschlossenes Theologiestudium, vorzugsweise mit Gemeindeerfahrung• eine klare, lebensnahe Auslegung der Bibel• Kontaktfreudigkeit und Offenheit im Umgang mit Menschen aller Altersstufen und Nationalitäten• Teamfähigkeit, Selbständigkeit und Eigeninitiative• eine positive Einstellung zur regionalen und ökumenischen Zusammenarbeit

Wir bieten Ihnen:• eine aktive und zukunftsorientierte Kirchgemeinde in einem zweisprachigen Kanton• ein motiviertes Team bestehend aus einemweiteren Pfarrer, Katechetinnen und einer sozialdiakonischen

Mitarbeiterin in Ausbildung• einen engagierten Kirchgemeinderat, ein Sekretariat und freiwillige Helferinnen und Helfer• Anstellungsbedingungen nach kantonalfreiburgischen Richtlinien• Weiterbildungsmöglichkeiten

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Wir freuen uns auf Ihre schriftliche Bewerbung bis zum 31.August 2009 an dieReformierte KirchgemeindeWünnewil-Flamatt-ÜberstorfPräsident Hans-Ulrich MartiFreiburgstrasse 10, 3175 Flamatt

Auskünfte erteilt unser KirchgemeindepräsidentHans-Ulrich Marti, Natel 079 690 40 92.Weitere Informationen über unsere Kirchgemeindefinden Sie unter www.refkg.wfue.ch.

In unserer Kirchgemeinde im Sensebezirk, die gut 2200 Mitglieder zählt, sind zwei Pfarrer zu je 70% tätig.Infolge Pensionierung des einen Stelleninhabers suchen wir per 1. März 2010 oder nach Vereinbarung

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reformiert. | www.reformiert.info | nr.8/31.Juli 2009 veranstaltungen/forum 11

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Kirchengeläut

vernehmlichFür die einen sind läutende Kir-chenglocken ein ärgernis, für dieanderen ists wohlklingendemusik. unter demtitel «heiligerBimbam» wirft die sechsmal imJahr erscheinende zeitschrift«ferment» in der neusten ausga-be einen faszinierenden Blick aufdas über 5000-jährige Kulturgut,das für frühere generationen ge-meinschaftsstiftend war.mit Bil-dern aus dem Berner münster.

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JuBiläumsreise

globalWas hat der genfer reformatorJohannes calvin zur weltweitenÖkumene und zur sozialen ge-rechtigkeit zu sagen? die refor-mierte Fachstelle Ökumene,mission und entwicklungszu-sammenarbeit (oeme) lädt zuzu einer Begegnungmit demÖkumenischen rat der Kirchen(ÖrK) und dem reformiertenWeltbund nach genf ein.

calvin global. Forum Ökumene 09.13./14.September. Info: 031 313 10 10;www.refbejuso.ch/oeme

Krimi

widerständighumorvoller, historisch spannender und auchkulinarisch höchst interessanterauftakt zu ei-ner bemerkenswerten neuen Krimireihe ausFrankreich: der begehrteJunggeselle Bruno istdorfpolizist in einemkleinenort imPérigordund liebtvin de noix,Paté undrugby.einesta-geswird allerdings die ruhe imstädtchen voneinemmord an einemaltenalgerier erschüt-tert.ursache undmotiv – so zeigen Brunos er-mittlungen – scheinenmit der fernen résis-tance-zeit zu tun zu haben.kvb

MartinWalker: bruno–chefdepolice.Diogenes­Verlag 2009, Fr.35.90

veranstaltungenmahnwache. Für einen gerechten Frieden in israel undPalästina: 14.august, 12.30, vor der heiliggeistkirche Bern

frauenkirchenfest. rundgang durch 300 Jahre Kirchen-geschichte im schloss münsingen, anschliessend tanz,spiel und gesang –mit der lese- und gesprächsgruppemünsingen und christine Brügger, tanztherapeutin:29.august. info: tel.0317216850

männerspiritualität. drei tage auszeit bei der zister-zienser-Bruderschaft in hauterive Fr. raum und zeit, sichzu sammeln, frische Kraft und neuen atem zu schöpfen.leitung: markus ehrat, Pfarrer und therapeut; marc Brech-bühl, Konflikt- und gewaltberater: 3.–6.september.info: tel.032 322 50 30

zwischentöne. ein musikalischer handwerker gibt ein-blick in seine tonwerkstatt: inspiriert vom Klang des«hang» – eines aus zwei metallblechschalen bestehendeninstruments –, hat der Berner musiker Bruno Bieri einengesang entwickelt, der die herkömmliche singstimme umoktaven erweitert. «hang&xang» in der aula des campusmuristalden: 20.august, 18.30 (eintritt: Fr.25.–).anmel-dung: tel.0313504250

rätsel. in «enigma» (griech.: rätsel) von eric-emmanuelschmitt kreist das gespräch der beiden schauspieler umein thema, das erst nach und nach zumvorschein kommtund doch nie ganz entschlüsselt wird. die beiden BernerPfarrer simon Jenny undalfred Palm präsentieren dasweltbekannte stück in der kleinen orangerie elfenau inBern – bei schönemWetter unter freiem himmel: 14., 20.,21., 22., 27. und 28. august sowie 3. und 4.september(20 uhr).abendkasse und theatercafé ab 19 uhr.reservationen via e-mail: [email protected]

radio- und tv-tippsder heiler aus der steppe. er kennt das karge leben dernomaden ebenso wie die modernen gesellschaften desWestens. galsan tschinag (65) ist als Kind einer noma-denfamilie in der mongolei aufgewachsen und schama-ne geworden. später hat er in leipzig studiert und ist indeutschland zu einem erfolgreichen autor aufgestiegen.mit seinen Büchern bringt tschinag die untergehendeWeltder mongolischen nomaden nach europa und sucht denBrückenschlag zwischen alter schamanischerWeisheit undmodernemwestlichemWissen: 9.august, 8.30, drs 2

der kapitalismuskritiker. Joseph e.stiglitz war cheföko-nom derWeltbank – bis sie ihm kündigte, weil er fragwürdi-ge methoden in der drittenWelt anprangerte. spätererhielt er den nobelpreis fürWirtschaftswissenschaften. erist ein Kapitalismuskritiker, der den markt nicht abschaf-fen, aber umbauen will, und ein Kritiker der globalisierung,die er nicht ablehnt, aber neu organisieren möchte. stiglitzim gespräch mit roger deWeck: 2.august, 11.00, sf 1

Muss die Kirche kopfstehen, um alle anzusprechen?

Unerreichbare erreichenkikom-tag/DieKirche gibt sich gerne gastfreund-lich: Alle sind eingeladen, alle sollen teilhaben.Doch diese Gastfreundschaft wird immer wenigergenutzt. Kirchen laufen Gefahr, den Draht zu eini-gen Mitgliedern ganz zu verlieren. Der 7.KiKom-Tag (Kirchenkommunikationstag) ist einAnlass füralle, die sich immer wieder aufs Neue den Kopfzerbrechen, wie man auch an die Unerreichbarenherankommt. In Workshops wird konkret undpraxisnah gearbeitet. Als Fachreferenten sind derTheologe und Soziologe Thomas Engelberger,St.Gallen, und die Kommunikationsverantwortli-chen der reformierten und römisch-katholischenBerner Landeskirche eingeladen.

kikom-tag:Mittwoch, 2.September 2009,13.30–17.00, Kirchliches Zentrum Bürenpark, Bern.Infos: www.refbejuso.ch

agenda

Ihre Meinung interessiert uns.Schicken Sie uns Ihre Zuschriftelektronisch:[email protected] per Post:«reformiert.», Redaktion Bern,Postfach 312, 3000 Bern 13

Über Auswahl und Kürzungenentscheidet die Redaktion.Anonyme Zuschriften werdennicht veröffentlicht.

Bilder

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BiBelForschung

erhellendunter demtitel «Wer knackt dencode?» hat der Berner theologethomas staubli, leiter des Bi-bel+orient-museums in Freiburg,letztes Jahr im «pfarrblatt» eine45-teilige serie über die wissen-schaftliche erforschung der Bibelpubliziert, die mit der aufklärungihren anfang nahm.nun erschei-nen die Beiträge als Buch.

Thomas Staubli (Hg.):werknacktdencode?Meilensteine der Bibelforschung.Patmos­Verlag, 2009, Fr.26.90Buchvernissage: 26.August, 18.00, Prai­rie, Sulgeneckstr.7 (Dreifaltigkeitskirche)

reformiert. 7/09:Heks: «Kritik blieb aussen vor»

verkanntdass ein nestlé-direktor in denstiftungsrat des heks gewähltworden ist, hat auch uns erstaunt,und die reaktion von roland de-corvet auf den Protest von imoeme-Bereich engagierten leu-ten hat uns irritiert, scheint ihmdoch die kritische distanz zu sei-nemarbeitgeber zu fehlen.trotzdem haben wir die Petition«für ein politisch engagiertes undprophetisches heks» nicht unter-zeichnet. roland decorvet wur-de von derWaadtländer Kirchefür den heks-stiftungsrat vorge-schlagen und von der seK-abge-ordnetenversammlung gewählt.die Kritik müsste sich also an die-se wenden. zudem können wirden vorwurf, das heks habe einenKurswechsel vorgenommen, seiunpolitisch, zu wenig kirchennahund entwickle sich zu einem ein-zig aufWachstum fixierenWerk,oder die Behauptung, heks sei ei-ne «allianz mit nestlé» eingegan-gen, nicht nachvollziehen.das heks setzt sich vor ort fürmenschenrechte ein, unterstütztetwa indigene gruppen, wenn esdarum geht, rechtstitel für ihrland zu bekommen. ist das un-politisch? Politisch handeln kannman nicht nur durch aufrufe, Pro-teste und Kampagnen hier in derschweiz. das heks handelt auchpolitisch, wenn es ländliche ge-meinschaften stärkt, indem es ih-nen zugang zu ressourcen ver-schafft, die vermarktung ihrerProdukte fördert,Wissenstransferermöglicht und so ihre eigenstän-digkeit unterstützt. zudem ist dasheks ein hilfswerk und nicht einemoralisch-politische instanz.esther+andres enderli, rüegsau

verdrängtunübersehbar widmet sich «re-formiert.» dem landeskirchlichenhilfswerk heks – genauer: demBerner heks-Protest. immer nochgeht es um die in der tat nicht be-sonders sensibleWahl eines nest-lé-direktors in den heks-stif-tungsrat. daraus leitet nun dieBerner «reformiert.»-redaktion inder heks-tätigkeit einen «schlei-chenden Kurswechsel richtungWirtschaft» ab.aufgrund welcherBeobachtung? gerade «refor-miert.» Bern (zuvor «saemann»)hat sich bisher doch noch nie füreine Berichterstattung über dietatsächlich geleistete heks-Pro-jektarbeit interessiert.Wie will sieda – zum Beispiel im kommendendezember, wenn sich die heks-Projekte wieder einmal in erinne-rung rufen möchten – den Kurs-wechsel belegen können?ursula kägi, bubikon

verbanntder redaktion von «reformiert.»möchte ich herzlich danken, dasssie durch ihre Berichterstattungin sachen heks zu mehr transpa-renz in dieser für die Kirche ent-scheidenden Frage nach sinn undzweck einer solchen organisationbeiträgt! der Kirchenbund seK er-klärt die Forderung der Petitionä-re, ein kirchlichesWerk habenicht nur hilfe im einzelfall zu leis-ten, sondern auch einen Beitragzur veränderung von strukturender ungerechtigkeit zu leisten, für«ideologisch». Kritische Fragennach der verflechtung unserer ei-genen lebensweise mit jenenKräften, die hunger und ungleich-heit fördern, passen dem seK undder heks-geschäftsleitung nichtins Konzept. deshalb wird die ge-schichte des hilfswerks in einschiefes licht gestellt – als ob das

leserbriefe

Ist das Hilfswerk der evangelischen Kirchen Schweiz (Heks) zu unpolitisch? Petitionsübergabe in Genf

heks früher einzig in parteipoliti-sche grabenkämpfe verstrickt ge-wesen wäre und keine nützlichearbeit geleistet hätte.ich erinnere mich an anderes: inden achtzigerjahren war ich in derdrittweltarbeit im thurgau aktivund erlebte dort die mitarbeiten-den des heks als anregend undherausfordernd: mit ihrer unter-stützung versuchten wir etwa,den zusammenhang zwischenWelthunger und hiesiger land-wirtschaftspolitik zu beleuchten.und dies, wie ich meine, keines-wegs ideologisch borniert.stiftungsratspräsident clauderuey will das heks bekanntlichaus dem «öko-sozial-solidari-schen ghetto» herausführen. des-halb muss auch die geschichtedes hilfswerks entsorgt werden.dagegen wehren sich besorgteFrauen und männer –mit gutemgrund. denn diese geschichte istnicht erledigt, sondern sollte an-gesichts der dramatischen lageunsererWelt aufs neue erinnertwerden. kurt seifert, winterthur

reformiert. 7/09:«Wie freikirchlich darf eineKirchgemeinde sein?»

verdrehtim Kommentar wie imartikel leseich von der «im sande verlaufe-nen sektendiskussion, die donaldhasler (…) in die bernische Kir-chenlandschaft setzte», und vonder «sektenschelte donald has-lers».Weiter unten wird hasler fai-rerweise zitiert: «… bernische Pfar-rer drängen die landeskirche inein sektenmilieu hinein».das sindgewaltige unterschiede in deraus-drucksweise.aber eben:Wie ag-gressiv darf Journalismus in Be-zug auf Kirchen- oder glaubens-fragen sein? seit donald hasler die

Problematik öffentlichmachte, hatdie debatte innerkirchlich nie auf-gehört. dennmanwusste damalsundweiss heute ganz genau,wor-um es geht.Wenn die debatte un-ter demnamen «Kongregationa-lismus» vomsynodalratspräsiden-ten nunweitergeführt wird, ist daszu begrüssen.herr tappenbeck vermutet bei ei-nigen Kirchgemeinden eine fehlen-de «emotionale Bindung» an dieKirche, deshalb solleman sie nicht«an den Pranger stellen».Wer oderwas ist denn die Kirche? sie ist trä-gerin desWortes gottes in dieserWelt. sie ist eine glaubensgemein-schaft vonmenschen, die gutenWillens sind.und diesemenschenhaben ihrer Kirche eine ordnunggegeben. eine emotionale Bindungzur Kirche entsteht auch durch kri-tische solidarität.ich plädiere dafür, donald haslerendlich vomPranger zu befreienund ihm einen Beraterposten beimsynodalratspräsidenten zu geben,damit beide gemeinsam die de-batte weiterführen und ihre emoti-onale Bindung an ihre Kirche zumausdruck bringen können. beatevolbers moser, zäziwil

reformiert. 6/09Ittigen: «Casappella»

verfehltWenndie redaktion von «refor-miert.» es nicht einmal schafft, sichanort undstelle ein Bild vomPro-jekt «casappella» zu verschaffen,sollte sie es unterlassen,einen der-art negativ gefärbtenartikel zu pu-blizieren.da geht eine Kirchge-meinde offen auf die leute zu,undder redaktion kommt nichts an-deres in densinn,als die pauscha-le Kritik «vieler» (namenloser) wie-derzugeben, in der Kirchgemeindesei nur eine theologischerichtungvertreten. inwiefern soll «casappel-la»ausdruck einer evangelikalenausrichtung sein? «reformiert.»darf und soll kritisch sein, aber die-serartikel ist einfach nur schlecht.zudemhätte ich solcheKritik nichtunbedingt aus den kircheneigenenreihen erwartet.andreas lehner, be

Sperriges BuchDunkle VergangenheitLauter KlangGrosseWirkung

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im Botanischen garten

die suche nachdem glück«Ja, renn nur nach dem glück, dochrenne nicht zu sehr, denn allerennen nach dem glück. das glückrennt hinterher», dichteteeinst Bertolt Brecht. die suche nachdem glück geht seither munterweiter.auch lilli und ihre Freundesowi, catta,Wim und taruga suchendas glück bzw. den schlüssel zumglücksturm, der allerdings von einemstarken Kerl bewacht wird – immär-chenhaften theaterstück «lilli willhoch hinaus», das der verein Freilichtab 8.august im botanischen gartenBern zur aufführung bringt. Für men-schen von 6 bis 106 Jahren.

aufführungen ab 8.August imBotanischen Garten Bern (Altenbergrain 21)Info/Reservationen: www.freilicht.ch oderTel.0313016655 Lilli sucht nach dem Glück B

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freilichttheater

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Zum Schutz von Mensch und Tier: SennWalter von Ah singt den Alpsegen

aufwind fürden alpsegenals reformierter im(reformierten) Bünd-ner safiental ist senn-hirtWalter von ahmitseinem gebetsruf einunikum.Wird doch deralpsegen sonst vor al-lem in katholischenBerggebieten gesun-gen.allerdings immerseltener. damit derBrauch nicht ausstirbt,weiht Betrufer JohannFritsche interessiertein die tradition ein.

kurse zum betruf:www.zentrum­appenzel­lermusik.ch(Rubrik «Aktuell»)Tel.0717873875

Abends, wenn sich das Vieh zur Ruheniederlegt und Walter von Ah das Tag-werk verrichtet hat, steht der Senn vordie Alphütte und ruft den Alpsegen insTal. Vor ihm eine Prachtskulisse: derHimmel oft schon rot-golden verfärbt,das Dörfchen Tenna GR im Tal untenstill daliegend und rundum die erhabeneBergkette mit dem Thusiser HausbergBeverin, der auf der gegenüberliegen-den Talseite forsch und dunkel in dengeröteten Himmel ragt.

ungemach. «Ohne Gebetsruf hatte ichfrüher beim Ins-Bett-Gehen immer einungutes Gefühl», erinnert sich der Senn.Der Ruf soll vor Ungemach schützen.Nicht nur Vater, Sohn, heiliger Geistund Maria werden im Gebetsrezital her-beigerufen, sondern eine ganze Armadavon Schutzheiligen dazu beordert: derheilige Antonius als Schutzpatron desViehs und der Bauern, St.Wendelin als

der Jugend habe ihm den Glauben ver-grault. Dazu das Schreckliche, das in derWelt passiere und dem alle nur tatenloszuschauten. «Das macht mir Mühe»,sagt er in sich gekehrt. Um nach einerPause wieder vom Tisch aufzuschauenund beizufügen: «Meinen Frieden findeich vor allem bei den Tieren und in derNatur.» Selbstmit demAlpsegen hatte ereine Zeit lang abgeschlossen. Doch dieJugenderinnerungen holten ihn wiederein. Schon als Bub hing er den Älplern,die er sommers besuchte, andächtig anden Lippen, wenn sie den Segen sangen.«Ich lernte den Ruf von den Älteren.»

glück. Und weil es so schön und be-ruhigend ist, ist er zur alten Traditionzurückgekehrt. Heute möchte er denabendlichen Ruf ins Tal nicht mehrmissen. Und alle, die stehen bleiben unddas Glück haben, ihm zu lauschen, wohlauch nicht. daniela schwegler

Beschützer derHirten undBruder Klaus,der Schutzpatron der Schweiz.

ohrfeigen.Walter von Ah wuchs strengkatholisch auf und musste bis zu dreiMal täglich in die Kirche gehen. GanzLausbub, war er um Streiche allerdingsnicht verlegen, erzählt er verschmitzt.Etwa damals, als er die Messe besuchte,den Hosensack voller Maikäfer. Just zurPredigt schwärmten sie aus und flatter-ten dem Pfarrer um die Ohren. Erbostzitierte ihn dieser, der öfter auch Ohrfei-gen verteilte, und brummte dem kleinenWalter zur Strafe einen zwanzigseitigenAufsatz auf. Später verliebte sich derjungeMann in die reformierte ChristianaGartmann. 1981 liessen sie sich trauen.Seiner Christiana wegen trat Walter vonAh zur reformierten Kirche über.

Aber ein Kirchgänger sei er trotz-dem nicht wieder geworden, erzählt derSenn. Der eingeprügelte Katholizismus

Der Segensruf, dervon der Alp erklingtgebetsruf/Walter von Ah von der Alp Tenna ruft allabendlichden Alpsegen ins Tal – ein Kirchgänger ist er allerdings nicht.

cartoon

12 die letzte reformiert. | www.reformiert.info | nr.8/31.Juli 2009

«religion undglaube sind nichtdasselbe»Wie haben Sies mit der Religion, Herr Kurt?Unser Zusammenleben, unsere Grund-lagen und sogar die Verfassung hier inder Schweiz sind sehr stark von christ-lichen Werten geprägt. Auch ich bin ineinem christlichen Umfeld aufgewach-sen und dementsprechend mit diesenWerten in Berührung gekommen. «Re-ligion» ist für mich aber nicht dassel-be wie «Glaube». Obwohl die beidenBegriffe oft als Synonyme gebrauchtwerden, unterscheide ich sie für michklar.

Inwiefern unterscheiden sich denn für Siediese Begriffe?Der Begriff «Religion» ist mir zu unspe-zifisch und hat mir einen zu institutio-nellen Anstrich. Ich bin ein gläubigerMensch, der eine Beziehung zu Gotthat. Und ich bin überzeugt davon, dassder Glaube an Gott für die Menschenwichtig und bereichernd ist. Den heu-te weitverbreiteten, uneingeschränk-ten Glauben an die Wissenschaft findeich bedauernswert. DieWissenschaft istfür unsere Gesellschaft sicher wegwei-send, über Sinn und Zweck unseres Le-bens wird sie uns aber schliesslich nieaufklären können.

Wie leben Sie Ihre Beziehung zu Gott?Das Bekenntnis zu meinem Glaubenspielt eine sehr wichtige Rolle in mei-nem Alltag. So beeinflusst mein Glau-be mein Handeln in vielerlei Hinsicht.Als Spitzensportler war ich in den letz-ten Jahren allerdings sehr oft unter-wegs und stark auf die Erfüllung mei-ner sportlichen Ziele konzentriert. Da-durch hat leider auch meine Beziehungzu Gott gelitten.

Schöpfen Sie auch aus dem SpitzensportKraft?Im Spitzensport wechseln Erfolge undNiederlagen täglich ab. Dabei lehrt ei-nen der Sport, ein Maximum an Eigen-verantwortung für sich und seine Leis-tungen zu übernehmen. Das ist zwareine äusserst wertvolle und wichtigeLektion für das Leben, künftig willich aber wieder lernen, in schwierigenSituationen vermehrtGott umRat zu fra-gen. Bei ihm finde ich Halt.interview: annegret ruoff

gretchenfrage

mike kurt, 29,ist der erfolgreichste Kanu­slalomfahrer der Schweiz.Er wohnt in Solothurn.

Bild:z

vg