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15. Oktober 2015 – www.gerberjenni.ch 1
Kinderechte aus juristischer Perspektive
Gastreferat im ProseminarNormativität im erziehungswissenschaftlichen KontextInstitut für ErziehungswissenschaftUniversität Bern
Regula Gerber Jenni 15. Oktober 2015
Übersicht
• Vom Wohltätigkeitsgedanken zum Kinderrechtsansatz, vom Objekt zum Subjekt
• KRK, Fakultativprotokolle, Allg. Bemerkungen
• UN-Kinderrechtsausschuss, Berichtsverfahren
• Die vier Grundprinzipien der KRK
• Kinderrechte in der eigenen Arbeit
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Kinderrechte in der Schweiz:Perspektiven- und Paradigmenwechsel
Die KRK bringt etwas Neues, Einzigartiges, Ungewohntes – einen Perspektivenwechsel. Wir sind uns nicht gewohnt, aus der Perspektive von Kindern Rechte zu formulieren.(Amtl. Bulletin NR 1996, S. 1694: Margrith von Felten)
Das zentrale Anliegen dieser Konvention besteht darin, dass sie eine staatliche Schutzpflicht einführt, die die elterliche Autorität in Erziehungsfragen limitiert. Diese staatliche Schutzpflicht wird ausdrücklich auch dann Geltung haben, wenn die Eltern an sich fähig sind zu erziehen. (ebd., S. 1680: Ulrich Schlüer)
Kinderrechte in der Schweiz:Perspektiven- und Paradigmenwechsel
Was ist denn so schädlich daran, unseren Kindern durch die Ratifizierung des Übereinkommens über die Rechte des Kindes etwas mehr Respekt, etwas mehr Würde zu verleihen. (6) Ist es denn so schlimm, unseren Eltern durch die Ratifizierung mehr Sicherheit in der Erziehung und Führung ihrer Kinder zu geben? (ebd., S. 1690: Rosmarie Dormann)
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Die UN-KRK
• wurde am 20. November 1989 verabschiedet und am ersten Tag von 61 Staaten unterschrieben
• beinhaltet umfassende Schutz-, Förder- und Beteiligungsrechte
• wurde bis heute von 196 Staaten ratifiziert und ist das Menschenrechtsinstrument mit den meisten Mitgliedstaaten
• wurde bis heute durch 3 Fakultativprotokolle ergänzt
• wurde bis heute mit 18 Allgemeinen Bemerkungen des UN-Ausschusses für Kinderrechte konkretisiert und verdeutlicht
Zur Geschichte der Kinderrechte
1924 Genfer Erklärung des Völkerbundes
1948 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
1959 Deklaration über die Rechte des Kindes
1979 Internationales Jahr des Kindes
1989 Übereinkommen über die Rechte des Kindes
2002 Fakultativprotokolle (Kindersoldaten, Kinderprostitution)
2011 Fakultativprotokoll zum Individualbeschwerdeverfahren
1990 / 2002 Erster und zweiter Weltkindergipfel
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Bedürfnisse des Kindes und ihre Verankerung in der KRK: Bedürfnis nach *
• Liebe, Akzeptanz, Zuwendung: Präambel und Art. 2, 3, 6, 12
• stabilen Bindungen: Art. 6, 8, 9, 11, 18, 20, 21, 22
• Ernährung und materieller Sicherheit: Art. 6, 26, 27
• Gesundheit: Art. 24, 25, 32, 33, 39
• Schutz vor Gefahren materieller und sexueller Ausbeutung: Art. 16, 17, 19, 34–38, 40
• Wissen, Bildung, Erfahrung: Art. 13, 14, 28, 29–31
• Beteiligung: Art. 12, 13, 15, 29–31
Der ParadigmenwechselMaywald, Kinder haben Rechte! Weinheim/Basel 2012, S. 112 f.
Bedürfnis-Ansatz
• (private) Wohltätigkeit, Freiwilligkeit, Wohlfahrt
• Kind erhält Hilfe
• Symptomorientierung
• Festlegung von Bedürfnissen ist subjektiv
• Kurzzeitperspektive
• Bereitstellung von Angeboten
Rechte-Ansatz
• Politische, gesetzliche Verantwortung und Ver-pflichtung, Verbindlichkeit
• Kind hat Anspruch auf Hilfe
• Ursachenorientierung
• Rechte basieren auf internationalen Standards
• Langzeitperspektive
• Bewusstseinsbildung aller Gruppen
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Prinzipien des KinderrechtsansatzesMaywald, Kinder haben Rechte! Weinheim/Basel 2012, S. 110 f.
• Prinzip der Universalität der Kinderrechte
• Prinzip der Unteilbarkeit der Kinderrechte
• Prinzip der Kinder als Träger eigener Rechte (UN-KRK, BV 11, ZGB 19c, ZPO 67 III)
• Prinzip der Erwachsenen als Verantwortungsträger
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Kinderrechte sind Menschenrechte –Menschenrechte sind Kinderrechte!
• Internationaler Pakt I (Sozialrechte) und Pakt II (Bürgerrechte) von 1966
• Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung von 1965
• Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau von 1979
• Übereinkommen gegen das Verschwindenlassen von Personen von 2006
• Übereinkommen zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen von 2006
www.humanrights.ch/de/internationale-menschenrechte/uno-abkommen/
Beispiele für den Paradigmenwechsel im schweizerischen Recht
• BV 11 (Schutz, Förderung, Rechtsausübung)
• ZGB 19c, ZPO 67 III (Rechtsausübung)
• ZGB 314a, 314abis, ZPO 298 f. ZPO (Anhörung, Vertretung in familienrechtlichen Verfahren)
• PAVO 1a (Kindeswohl)
• StPO 154 (Befragung von Kindern als Opfer)
• JStPO 4 II (Persönlichkeit des Jugendlichen)
• AuG 47 IV (Anhörung zum Familiennachzug)
• AsylG 17 II, IIbis, III � AsylV1 7 (Minderjährige)
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Art. 1a PAVO: Kindeswohl
1 Berücksichtigung des Kindeswohls bei Erteilung / Entzug einer Bewilligung und bei der Aufsicht2 Die Kindesschutzbehörde sorgt dafür, dass das Kind, das in Pflegefamilie / Heim betreut wird:a. über seine Rechte, insbes. Verfahrensrechte,
entsprechend seinem Alter aufgeklärt wird;
b. eine Vertrauensperson zugewiesen erhält, an die es sich bei Fragen oder Problemen wenden kann;
c. an allen Entscheidungen, die einen wesentlichen Einfluss auf sein Leben haben, entsprechend seinem Alter beteiligt wird.
Quality4Children: Deine Rechte, wenn du nicht in deiner Familie leben kannst
Du kannst mitreden – Alle Personen, mit denen du zu tun hast, hören dir zu und beachten deine Wünsche. Du kannst ihnen stets deine Meinung mitteilen. Es ist wichtig, dass du über deine Situation immer Bescheid weisst. Zudem kannst du dich an allen Entscheiden, die dich betreffen, beteiligen.
Achtung! – Wehre dich: Wenn du etwas nicht verstehst. Wenn nicht auf dich gehört wird. Wenn du mit etwas nicht einverstanden bist.
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Die Fakultativprotokolle und Allgemeinen Bemerkungen (General Comments)
• 3 Fakultativprotokolle (Kindersoldaten, Kinderhandel und Kinderprostitution, Beschwerdeverfahren)
� zwei davon wurden von der Schweiz unterzeichnet
www.netzwerk-kinderrechte.ch/index.php?id=123
• 18 Allgemeine Bemerkungen
�dienen der Präzisierung und der Auslegung der KRK
www.netzwerk-kinderrechte.ch/index.php?id=95
General Comments (GC)(Allgemeine Bemerkung)
18 General Comments � Präzisierung und Auslegung der KRK für die Praxis
Themen: Bildung, NGO, HIV/AIDS, Gesundheit, Verpflichtung der Vertragsstaaten, von den Eltern getrennte Kinder, Frühe Kindheit, Körperstrafen, Kinder mit Behinderungen, Jugendgerichtsbarkeit, Kinder von Ureinwohnern, Recht gehört zu werden, Schutz vor jeder Form von Gewalt, Umsetzung der KRK, Kindeswohl, Kinderrechte in der Privatwirtschaft, Recht auf Freizeit und Spiel, Schädliche Praktiken
www.netzwerk-kinderrechte.ch/index.php?id=95
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General Comment zum Recht des Kindes auf Schutz vor jeder Form von Gewalt (2011)
47. Präventionsmassnahmen enthalten u.a. für Kinder
«Unterstützung für Kinder mit dem Ziel, sie zu
befähigen, sich selbst und Gleichaltrige durch ein
Bewusstsein ihrer Rechte und die Entwicklung sozialer
Kompetenzen besser zu schützen; Entwicklung
altersspezifischer Selbstbehauptungsstrategien»www.netzwerk-kinderrechte.ch/fileadmin/nks/aktuelles/Internationales/12_GC_13_Deutsch.pdf
General Comment zum Recht des Kindes auf Schutz vor jeder Form von Gewalt (2011)
47. Präventionsmassnahmen enthalten u.a. für Familien«Bereitstellen von Erholungsprogrammen und Familienzentren für Familien in besonderen Notlagen; Bereitstellen von Schutzeinrichtungen und Krisenzentren für Eltern (in erster Linie Frauen), die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, und für ihre Kinder»
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Art. 43 KRKDer UN-Kinderrechtsausschuss
• Monitoring der Umsetzung der Kinderrechts-konvention und der Fakultativprotokolle
• Beschwerdeinstanz nach Fakultativprotokoll 3
• Verfassen der Allgemeinen Bemerkungen zur Kinderrechtskonvention
• Verfassen von Statements zu aktuellen Geschehnissen
• Durchführen des Diskussionstags in Genfwww.ohchr.org/EN/HRBodies/CRC/Pages/CRCIndex.aspx
Art. 44 KRKBerichterstattung an den Ausschuss
• 2 Jahre nach der Ratifikation und danach alle 5 Jahre muss durch die Mitgliedstaaten periodische Berichterstattung erfolgen
• Nichtregierungsorganisationen erstellen zusätzlichen Bericht
• Anhörung einer Delegation des Staates und der NGO
• Abschliessende Bemerkungen und Empfehlungen des UN-Ausschusses
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Die vier Grundprinzipien der KRK
Art. 2 Diskriminierungsverbot
Art. 3 Übergeordnetes Wohl des
Kindes
Art. 6 Recht auf Leben, Überleben
und Entwicklung
Art.12 Recht, gehört zu werden
Art. 2 KRKBGer 8C_295/2008, 22.11.2008
Unbestritten: K erfüllt die gesundheitlichen Voraus-setzungen, welche für die Begründung des Anspruchs auf die Hilfsmittel erforderlichen sind. Aber: Der leistungsspezifische Invaliditätseintritt erfolgte, bevor K sich mindestens 1 Jahr lang in der Schweiz aufgehalten hatte. K hat weder als Flüchtling, noch als hier lebender ausländischer Staatsangehöriger, weder nach schweiz. Recht noch nach Sozialversicherungsabkommen zwischen der Schweiz und seinem Heimatstaat einen Anspruch auf die Hilfsmittel. ���� Art. 2, 26 KRK?
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Art. 2 KRK ���� Art. 8 Abs. 2 BVBGer 8C_295/2008, 22.11.2008
Die Formulierungen in Art. 26 KRK sind sehr weit gefasst und allgemein gehalten � Art. 26 KRK ist nicht direkt anwendbar � K hat keinen Anspruch auf die Hilfsmittel der Invalidenversicherung.
Art. 8 Abs. 2 BV schliesst eine an das Merkmal der Staatsangehörigkeit anknüpfende Ungleichbehand-lung von Schweizern gegenüber anderen Staatsan-gehörigen nicht grundsätzlich aus.
Art. 3 KRKKindeswohl: eine Arbeitsdefinition
Ein am Wohl des Kindes ausgerichtetes Handeln ist dasjenige, welches die an den Grundbedürfnissen und Grundrechten von Kindern orientierte, für das Kind jeweils günstigste Handlungsalternative wählt.(Jörg Maywald, Kinder haben Rechte! Kinderrechte kennen –umsetzen – wahren, Weinheim/Basel 2012, S. 104)
BGE 132 III 359 (E.4.4.2): Das Kindeswohl hat Ver-fassungsrang und gilt als oberste Maxime des Kindesrechts in einem umfassenden Sinn(Art. 11 Abs. 1 BV).
15. Oktober 2015 – www.gerberjenni.ch 13
Kindeswohl
6 ist die für die Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes oder Jugendlichen günstige Relation zwischen seiner Bedürfnislage und seinen Lebensbedingungen 6
Dettenborn/Walter, Familienrechtspsychologie,
München 2015, 70.
Art. 3 KRK: BGE 135 I 153 (2009)Vorgaben der KRK berücksichtigen
Nach Art. 3 Abs. 1 ist bei allen Massnahmen, die Kinder betreffen, unabhängig davon, ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen, der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, das Wohl des Kindes "vorrangig" zu berücksichtigen; nach Art. 10 Abs. 1 sind die von einem Kind oder seinen Eltern zwecks Familienzusammenführung gestellten Anträge auf Einreise in einen Vertragsstaat oder Ausreise aus einem solchen «wohlwollend, human und beschleunigt» zu bearbeiten; nach Art. 16 Abs. 1 darf kein Kind rechtswidrigen oder gar willkürlichen Eingriffen in sein Privatleben oder seine Familie ausgesetzt werden.
15. Oktober 2015 – www.gerberjenni.ch 14
Allgemeine Bemerkung Nr. 14: Das Recht des Kindes auf vorrangige Berücksichtigung seines Wohls
Kindeswohl als 6
• 6 Rechtsanspruch des Kindes
• 6 Auslegungsregel für rechtliche Bestimmungen
• 6 Leitprinzip für alles Handeln für das Kind und mit ihm zusammen (umfasst auch Ausarbeitung von Gesetzen, Politiken, Strategien, Programmen, Budgets etc.)
www.humanrights.ch/de/internationale-menschenrechte/uno-organe/crc/gc/general-comment-nr.-14-kindes
Allgemeine Bemerkung Nr. 14: Das Recht des Kindes auf vorrangige Berücksichtigung seines Wohls
Auswirkungen auf die Schweiz
• Rechtsanspruch auf Berücksichtigung des Kindeswohls muss durchgesetzt werden können; Entscheide müssen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 begründet werden; Verfahren zur Feststellung des Kindeswohls sind zu entwickeln
• Berücksichtigung des Kindeswohls muss überprüft werden können
• Direkte Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 1 KRK?
www.skmr.ch/de/themenbereiche/kinderpolitik/artikel/ab-14-kr-ausschuss.html?search=1
15. Oktober 2015 – www.gerberjenni.ch 15
Art. 6 KRK ���� Art. 11 Abs. 1 BVBGE 126 II 377 (2000)
Zweck von Art. 11 Abs. 1 BV:- Gewährleistung von Gleichbehandlung
und Chancengleichheit- Verpflichtung des Staates und jedes
Einzelnen, Kinder vor jeglicher Form von Gewalt und erniedrigender Behandlung zu schützen
- Begriff des Schutzes nach der KRK in der Bundesverfassung verankern
Art. 12 KRK: Recht, gehört zu werden• Recht des Kindes, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden,
seine Meinung in allen es berührenden Angelegenheiten (namentlich in Gerichts- und Verwaltungsverfahren) frei zu äussern.
• Recht auf angemessene, alters- und entwicklungsgemässe Berücksichtigung seiner Meinung.
• Rechtliches Gehör, unmittelbar, durch Vertreter, geeignete Stelle.
� Zu Art. 12: Allg. Bemerkung (General Comment) des UN-Kinderrechtsaus-schusses vom 20.7.2009 � www.netzwerk-kinderrechte.ch �Internationales � Kinderrechtsausschuss
� Vgl. auch Leitlinien des Ministerkomitees des Europarates vom 17.11.2010 für eine kindgerechte Justiz �www.coe.int/t/dghl/standardsetting/childjustice/Source/GuidelinesChildFriendlyJustice_DE.pdf
� 14.3382 – Postulat WBK-NR: Bilanz über die Umsetzung des Rechts auf Anhörung nach KRK 12 (8.9.2014: NR nimmt Postulat an)
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Allgemeine Bemerkung Nr. 12: Das Recht des Kindes, gehört zu werden
20. «Die Vertragsstaaten können nicht von der Annahme ausgehen, ein Kind sei unfähig seine eigene Meinung auszudrücken. Im Gegenteil, sie sollten davon ausgehen, dass das Kind fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, und anerkennen, dass das Kind das Recht hat, diese zu äussern: es ist nicht Aufgabe des Kindes, seine Fähigkeit vorab nachzuweisen.»
www.ekkj.admin.ch/content.php?lang=1&re0=4&p=tbl_1_14&w=18
Allgemeine Bemerkung Nr. 12: Das Recht des Kindes, gehört zu werden
21. «Untersuchungen zeigen, dass Kinder fähig sind,
sich von früher Kindheit an eine Meinung zu bilden,
auch wenn sie noch nicht imstande sind, diese verbal
auszudrücken. Konsequenterweise verlangt die volle
Umsetzung von Artikel 12 die Anerkennung und
Achtung nicht-verbaler Kommunikationsformen wie
Spiel, Körpersprache, Gesichtsausdruck, Zeichnen
und Malen, mit denen sehr junge Kinder Verstehen,
Wünsche und Vorlieben zum Ausdruck bringen.»
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Stufen der Beteiligung
Hart R., Children‘s participation: From tokenism to citizenship, Florence 1992.Gernert W., Partizipation in der Jugendhilfeplanung, Münster 1993.
Partizipationsmodell von Perpetua Kirbyzitiert in: Margaret Bell, Promoting children’s Rights in Social Work and Social Care. A Guide to Participatory Practice, Jessica Kingsley Publishers, London / Philadelphia 2011, S. 24.
15. Oktober 2015 – www.gerberjenni.ch 18
Partizipation des Kindes in familienrechtlichen Verfahren heisst *
• 6 dem Kind zuhören
• 6 das Kind auf eine seinem Entwicklungsstand angemessene Weise informieren
• 6 dem Kind Wertschätzung, Respekt und Verständnis entgegenbringen
• 6 Entscheidungen – so weit wie möglich – mit dem Kind partnerschaftlich aushandeln oder das Kind bei seiner selbstbestimmten Entscheidung zu unterstützen
• 6 bei Entscheidungen gegen den Kindeswillen um Verständnis des Kindes zu werben
Copyright: Fachstelle Pflegekind Bern (www.pflegekinder-be.ch)Jahresbericht 2011 zum Thema „Einblick in unsere Bemühungen, allen wichtigen Bezugspersonen der Kinder einen Platz und den Kindern selber eine Stimme zu geben“.
15. Oktober 2015 – www.gerberjenni.ch 19
Anhörung: BGE 131 III 553 (2005)
• Anhörung ist höchstpersönliches Recht und dient der Sachverhaltsermittlung
• Setzt Gesprächsfähigkeit / verbale Äusserungsfähigkeit voraus, nicht Urteilsfähigkeit i.S. von ZGB 16
• Anhörung grundsätzlich ab 6. Altersjahr
• Loyalitätskonflikt rechtfertigt Verzicht auf Anhörung nicht
Obligatorische Anhörung aufgrund der OffizialmaximeBGer 5A_402/2011 (ZKE 2/2012, S. 136)
Aufgrund der Offizialmaxime ist das Kind immer anzuhören und nicht nur dann, wenn es selber oder seine Eltern dies beantragen; anders verhält es sich nur, wenn wichtige Gründe dagegen sprechen. Es handelt sich um ein persönliches Recht des Kindes, über dessen Bestehen es vom Richter aufzuklären ist und zu dessen Ausübung es sich unabhängig vom Umstand äussern kann, ob der Sachverhält bereits genügend abgeklärt ist.
15. Oktober 2015 – www.gerberjenni.ch 20
BGer 2D_21/2007, 9.8.2007FamPra.ch 2008, S. 166 f.
Umstufung in Werkschule: Art. 12 KRK ist nicht verletzt, wenn
1. die Eltern den Standpunkt des Kindes bei den Behörden und im Verfahren einbringen können;
2. sich das Kind im Rahmen seines Kontakts mit den Lehrkräften zu seiner schulischen Laufbahn äussern kann.
Kinderrechtliche Kindeswohlprüfung:Kriterien
• Betroffene Bedürfnisse / Interessen und korrespondierende Kinderrechte
• Wessen Rechte sind betroffen (Individuum oder Gruppe)?
• Welche Verpflichtungen zur Gewährleistung der Kinderrechte bestehen, wer nimmt Verpflichtung wahr?
• Wer entscheidet (mit) in der Kindeswohlprüfung?
• Einbeziehung der betroffenen Kinder
(Nach Sax und Maywald)
15. Oktober 2015 – www.gerberjenni.ch 21
Kinderrechtliche Kindeswohlprüfung:Kriterien
• Dringlichkeit für Entscheidfindung, Zeitrahmen und kindliches Zeitverständnis
• Folgeabschätzung, Alternativenprüfung, Verhältnismässigkeitsprüfung
• Beschwerdemöglichkeiten für Kinder
• Können die Folgen beobachtet und ausgewertet werden (Monitoring und Evaluation)?
Maywald, Kinder haben Rechte! Weinheim/Basel 2012, 193 ff.; Sax, Im besten Interesse des Kindes – Kindeswohlprüfung als kinderrechtliche Herausforderung, in: Bielefeldt et al. (Hrsg.), Jahrbuch Menschenrechte 2010 – Kinder und Jugendliche, Wien/Köln/Weimar 2009, 37 ff.
Leitlinien des Ministerkomitees des Europarates vom 17.11.2010 für eine kindgerechte JustizKindgerechte Justiz bedeutet ein Justizsystem, *
6 das die Einhaltung und wirksame Umsetzung aller Kinderrechte auf dem höchstmöglichen Niveau garantiert und dabei die nach-folgend aufgeführten Grundprinzipien beachtet und den Reifegrad des Kindes, seine Verständnisfähigkeit sowie die Umstände des Falls angemessen berücksichtigt. Eine solche Justiz ist zugänglich, altersgerecht, zügig, sorgfältig und auf die Bedürfnisse und Rechte des Kindes zugeschnitten und fokussiert. Sie achtet die Rechte des Kindes, etwa das Recht auf einen fairen Prozess, auf Beteiligung an dem Verfahren und darauf, dieses zu verstehen, auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie auf Unversehrtheit und Würde.
www.coe.int/t/dghl/standardsetting/childjustice/Source/GuidelinesChildFriendlyJustice_DE.pdf (S. 17)