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Evangelisches Krankenhaus Düsseldorf „Und bist Du nicht (frei-)willig … … dann brauch‘ ich Gewalt ?“ Fachtagung DKSB Remscheid, 27. März 2009 Herzlich willkommen ! Jessika Kuehn-Velten Ärztliche KinderschutzAmbulanz Düsseldorf Kinderschutz - Arbeit in Zwangskontexten

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Evangelisches Krankenhaus Düsseldorf

„Und bist Du nicht (frei-)willig …… dann brauch‘ ich Gewalt ?“

Fachtagung DKSBRemscheid, 27. März 2009

Herzlich willkommen !

Jessika Kuehn-VeltenÄrztliche KinderschutzAmbulanz Düsseldorf

Kinderschutz -

Arbeit inZwangskontexten

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Freiwilligkeit und Hilfeerfolg

Ø Hilfe per Definition: Anbieten und Annehmen

Ø Motivation zur Hilfe ist Teil des Erfolgs

Ø Problem- und Hilfeakzeptanz sind die Basis gemeinsamen Verständnisses – und Teil der Einschätzung von Kindeswohl

Ø Möglichkeit, eigene Anliegen zu formulieren, eigene Sichtweisen einzubringen, in der Hilfe-gestaltung eigenverantwortlich, wirksam und handlungsfähig zu sein

Ø Vertrauen gewinnen und in Beziehung kommen

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Wie entstehen „Zwangskontexte“ ?

Ø Kindeswohlgefährdung: Eltern / Sorgepersonen gefährden das Wohl ihrer Kinder oder nehmen die Kinderschutz-aufgabe für ihre Kinder nicht wahr

Ø Eltern / Sorgepersonen sehen dies nicht als ein Problem der Kindeswohlgefährdung an und sind für eine solche Sicht nicht zu gewinnen

Ø Eltern / Sorgepersonen kooperieren nicht im Abgleich der Einschätzungen

Ø Eltern / Sorgepersonen nehmen Hilfen nicht an, die zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung geeignet sein könnten

Ø Eltern / Sorgepersonen gefährden sich selbst und damit das Wohl ihrer Kinder

Ø Kinder gefährden sich selbst oder andere

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Beispiel: Lisa und ihre Eltern

Ø Vernachlässigung und Zeugenschaft von Gewalt als Problem in der Familie von Lisa, 3 Jahre alt

Ø Entwicklungsrückstände und Angstanflutung bei Lisa

Ø Kurzzeitige Inobhutnahme von Lisa in einer Bereitschafts-pflegestelle

Ø Nach zwei Monaten Rückführung zur Mutter

Ø Gerichtliche und vormundschaftliche Auflagen: Klärung der Paarbeziehung; Elternkurs; Psychotherapie für die Mutter; Kurzzeitbehandlung für Lisa; ambulante flexible Hilfe für Unterstützung und Kontrolle; Gewaltberatung für den Vater

Ø Woran die Hilfen scheitern – „Was sollen wir tun?“

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Wer gerät unter Zwang ?

Ø Den Eltern werden Hilfemaßnahmen verordnet – Lisa kommt nur zurück und bleibt bei Ihnen, wenn Sie die Maßnahmen erfüllen

Ø Lisa wurde gezwungen, die Häusliche Gewalt auszuhalten

Ø Lisa ist gezwungen, in einem fremden Lebensrahmen zu wohnen

Ø Mitarbeiter/innen in Kurs- und therapeutischen Angeboten werden in die Pflicht genommen – wenn Sie die Eltern nicht „nehmen“, haben diese mit Lisa keine Chance

Ø Die Eltern werden kontrolliert

Ø Die flexible Hilfe wird zur Kontrolle verpflichtet

Ø Dem Vater wird Beratung zur Auflage gemacht für etwas, das er nicht als Problem sieht

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Zwangsmaßnahmen ?

Ø Begleiteter Umgang

Ø Besuchskontakt / Kontaktabbruch

Ø Fremdunterbringung / Rückführung

Ø Kindertherapie

Ø Gewaltberatung / Anti-Aggressionstraining

Ø Begutachtung

Ø Klinikeinweisung für Kinder

Ø Klinikeinweisung für Eltern

Ø Strafverfolgung und -vollzug

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Freiwilligkeit und Zwang- und unterschiedliche Sichtweisen

Ø Zu Hilfebedarf und Hilfeerfolg gibt es differente Sicht-weisen, die alle nebeneinander Berechtigung haben.

Ø Sie betreffen u.a. folgende Fragen: Ø wie bin ich, wie sind die anderen,Ø was darf geschehen, was muss sich verändern,Ø was ist wichtig, was hat welche Bedeutung,Ø welche Ressourcen haben ich und die anderen?

Ø Die Sichtweisen sind oft von Ambivalenz geprägt.Ø Wenn es Hilfe gäbe, wie sähe für die einzelnen

Beteiligten Erfolg aus?Ø Was braucht es für eine vertrauensvolle Beziehung?Ø Ist der einen Freiwilligkeit der anderen Zwang?

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Verstehen,was Hilfe schwierig macht

Ø Misstrauen und Ambivalenz

Ø Schwierige Beziehungserfahrungen

Ø Enttäuschung und Entwertung

Ø Angst: nicht zu genügen, Schuld zu sein, die Kinder zu verlieren, schlechte Eltern zu sein, ohnmächtig zu sein, bedroht zu werden, vor Konflikten

Ø Unsicherheit und hilflose Wut

Ø Einsamkeit

Ø Verzweiflung und Resignation

Ø Irreale Selbstbilder und Ansprüche

Wird Zwang zur Antwort auf diese Gefühle ?

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Kommunikationzwischen Freiheit und Notwendigkeit

Ø Notwendigkeiten werden klar benannt

Ø Verantwortung hat einen Wert und wird geteilt

Ø Freiheit und Freiwilligkeit haben Wert

Ø Der Zwang ist nicht das erste Mittel der Wahl

Ø Zwang ist kein Selbstzweck

Ø Zwang ist nichts für Dauer

Ø Alle Beteiligten dürfen selbst bestimmt handeln

Ø Angebote werden ver - handelt

Ø Angebote werden auf Sinnhaftigkeit, Bedeutung, Machbarkeit, Orientierung an gemeinsamen Zielen geprüft

Ø Viel Zwang bedeutet viel Ohnmacht

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Gemeinsamkeiten

Ø Eltern, HelferInnen, Gericht, Vormundschaft und auch Lisa selbst teilen das Interesse, dass es Lisa gut geht, dass Lisa geschützt vor prekären, belastenden Lebenssituationen ist und bleibt.

Ø Auch wenn das jeweilige konkrete Verständnis darüber unterschiedlich ist - das Grundinteresse kann Wertschätzung finden und im Miteinander eine gemeinsame Basis sein.

Ø Verstanden werden und verstehen wollen, gesehen werden und sehen können, anerkannt werden und anerkennen wollen verbindet die Beteiligten.

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Freiwilligkeit und

Vertrauensschutz

Ø Hilfen haben unterschiedliche Ziele mit unterschiedlichen Freiheitsgraden und unter definiertem Vertrauensschutz:Ø Eltern ihr Elternleben wirksamer erleichtern zu können

Ø Transparenz für und mit Eltern zu schaffen

Ø Durch frühe, niederschwellige Hilfen späteren, weiter gehenden Hilfebedarf unnötig zu machen

Ø Kindeswohlgefährdung im Blick zu halten und zu vermeiden

Ø Kontrolle bei bestehender Kindeswohlgefährdung zu ermöglichen

Ø Wichtig ist für den Vertrauensschutz, diese Ziele jeweils offen und klar zu benennen, sie nicht miteinander zu verquicken, nicht eins zum Alibi für ein anderes zu machen, sie im Gespräch miteinander zu halten und abzugleichen, sie als Teil eines Prozesses zu betrachten.

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Kinderschutz -

ein Balanceakt

Ø Grundprinzip: Annehmen von Menschen, Grundlage der Arbeit ist die Beziehung zu ihnen

Ø Transparenz und AuthentizitätØ Balance von Unterstützung und KontrolleØ Balance von Kindes- und Eltern-InteressenØ Abstimmung von Prozessorientierung (Eltern) und

Entwicklungsorientierung (Kind)Ø Benennen und Bedeutung geben von Belastungsfaktoren,

auch von Gewalt, Misshandlung, Missbrauch, Vernachlässigung

Ø Sichten und Bedeutung geben von Ressourcen, weg von Symptom- und Defizitorientierung

Ø Gemeinsame Absicherung von Verantwortung, weg von Verantwortung einzelner

Ø Verteilen von Aufgaben in Vernetzung

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Woran erkennt man,

dass Hilfen wirken ?

Ø Kinder wirken weniger belastet, entspannter, können sich mehr ihren Entwicklungsaufgaben widmen.

Ø Angst und Anspannung können in der Familie nachlassen.Ø Ressourcen werden sichtbarer. Es gibt Bewegung, wenn auch

zunächst nicht immer sofort in die gewünschte Richtung.Ø Es gibt weniger Rückzug und Isolation. Ø Über Hilfepersonen wird auf der Beziehungsebene

gesprochen.Ø Gegenseitige Wertschätzung beginnt spürbar zu werden. Ø Im Hilfesystem wird differenziert, selbst wenn in Teilen noch

Schuldzuweisungen erfolgen.Ø Eltern geben auch für ihre Kinder Erlaubnis, Hilfe

anzunehmen.

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Vielen

Dank

für Ihre

Aufmerk-

samkeit!