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Kirchturm-Inschrift von 1497 in Großalmerode entdeckt von Hermann Nobel, Wiesbaden Ab welchem Jahr die Tonstädter über eine Kapelle oder Kirche verfügten, ist bis heute nicht bekannt. Bis 1974 galt als ältestes gesichertes Datum noch die Inschrift 1514 auf der Steinkanzel. Die 1974 mit der Veröffentlichung eines Briefes von Abraham Gotthelf Kästner bekannt gewordene Kirchenmauer-Inschrift von 1497 wurde nun nach aufwendiger Suche entdeckt. Spannender hätte es nicht sein können, als am 20. Oktober zwei Architekten, ausgerüstet mit einer Spezialkamera, nach einigen Bohrungen in die Sakristeidecke mit der aufwendigen Suche begannen. Vermutet wurde die Inschrift, die der Verfasser 1 des 1974 veröffentlichten Beitrages als „leider nicht mehr vorhanden“ bezeichnete, über der vom Chor zur Sakristei führenden Tür, und zwar auf halber Höhe zwischen Decke und Dach. Da Kamera und Beleuchtung für die zu durchsuchende Fläche nicht den erwünschten Erfolg brachten, wurde die Suche am kommenden Tage fortgesetzt. Die Freude unter den Anwesenden, darunter auch Pfarrer Gottfried Heinzmann, war groß, als nach einem Deckenausschnitt oberhalb der Bohrungen vom Vortage die gotischen Ziffern und Zahlen „ad1497 [anno domini im Jahre des Herrn]“ an der Außenfläche des alten Kirchturms sichtbar wurden. Alte Kirche vor 1913 Rätselraten bereitete vorerst noch, ob es sich um die Zahl 1491 oder 1497 handelt. Gründe hierfür waren die Veröffentlichung des bekannten Historikers Georg Landau 2 , der 1842 mitteilte, dass die Kirche anno 1492 seiner Bestimmung übergeben wurde und das 1867 erstellte Gutachten des Architekten Rehm 3 , der von der Jahreszahl 1491 neben einem Fenster des Chores“ berichtete. Gotische Inschrift „1497“ Die Übereinstimmung des 1974 veröffentlichten und am Ende dieses Berichtes abgebildeten Briefes 4 mit der Zeichnung von A.G. Kästner und der Jahreszahl „1497“, lässt aber darauf schließen, dass es sich bei der letzten Zahl nicht um eine „1“, sondern um eine liegende gotische „7“ handelt. 1 GRESKY, Wolfgang, Großalmeroder Notizen von 1775; In: Mitteilungsblatt und Heimatzeitung der Stadt Großalmerode, 1974, Jg. 5, Nr. 27, v. 05.07.1974. 2 LANDAU, Georg: Beschreibung des Kurfürstentums Hessen, 1842, 330. 3 REHM, Vorname nicht erwähnt, StAM 315e, III.1a, Spez.Verz. 1, Vol. I, III.3 (Die geistlichen Gebäude, aber auch Kirchengüter betr. 1783-1869); hier: „Reisebericht betr. Untersuchung der Kirche zu Großallmerode zwecks Feststellung des Erfordernisses einer Erweiterung derselben oder der eines Neubaues.“ 4 Uni Göttingen Mss. Philos. 166 fol. 124’. 1

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Kirchturm-Inschrift von 1497 in Großalmerode entdecktvon Hermann Nobel, Wiesbaden

Ab welchem Jahr die Tonstädter über eine Kapelle oder Kirche verfügten, ist bis heute nicht bekannt. Bis 1974 galt als ältestes gesichertes Datum noch die Inschrift 1514 auf der Steinkanzel. Die 1974 mit der Veröffentlichung eines Briefes von Abraham Gotthelf Kästner bekannt gewordene Kirchenmauer-Inschrift von 1497 wurde nun nach aufwendiger Suche entdeckt.

Spannender hätte es nicht sein können, als am 20. Oktober zwei Architekten, ausgerüstet mit einer Spezialkamera, nach einigen Bohrungen in die Sakristeidecke mit der aufwendigen Suche begannen. Vermutet wurde die Inschrift, die der Verfasser1 des 1974 veröffentlichten Beitrages als „leider nicht mehr vorhanden“ bezeichnete, über der vom Chor zur Sakristei führenden Tür, und zwar auf halber Höhe zwischen Decke und Dach. Da Kamera und Beleuchtung für die zu durchsuchende Fläche nicht den erwünschten Erfolg brachten, wurde die Suche am kommenden Tage fortgesetzt. Die Freude unter den Anwesenden, darunter auch Pfarrer Gottfried Heinzmann, war groß, als nach einem Deckenausschnitt oberhalb der Bohrungen vom Vortage die gotischen Ziffern und Zahlen „ad1497 [anno domini im Jahre des Herrn]“ an der Außenfläche des alten Kirchturms sichtbar wurden.

Alte Kirche vor 1913

Rätselraten bereitete vorerst noch, ob es sich um die Zahl 1491 oder 1497 handelt. Gründe hierfür waren die Veröffentlichung des bekannten Historikers Georg Landau2, der 1842 mitteilte, dass die Kirche anno 1492 seiner Bestimmung übergeben wurde und das 1867 erstellte Gutachten des Architekten Rehm3, der von der „Jahreszahl 1491 neben einem Fenster des Chores“ berichtete.

Gotische Inschrift „1497“

Die Übereinstimmung des 1974 veröffentlichten und am Ende dieses Berichtes abgebildeten Briefes4 mit der Zeichnung von A.G. Kästner und der Jahreszahl „1497“, lässt aber darauf schließen, dass es sich bei der letzten Zahl nicht um eine „1“, sondern um eine liegende gotische „7“ handelt.

1 GRESKY, Wolfgang, Großalmeroder Notizen von 1775; In: Mitteilungsblatt und Heimatzeitung der Stadt Großalmerode, 1974, Jg. 5, Nr. 27, v. 05.07.1974.2 LANDAU, Georg: Beschreibung des Kurfürstentums Hessen, 1842, 330.3 REHM, Vorname nicht erwähnt, StAM 315e, III.1a, Spez.Verz. 1, Vol. I, III.3 (Die geistlichen Gebäude, aber auch Kirchengüter betr. 1783-1869); hier: „Reisebericht betr. Untersuchung der Kirche zu Großallmerode zwecks Feststellung des Erfordernisses einer Erweiterung derselben oder der eines Neubaues.“4 Uni Göttingen Mss. Philos. 166 fol. 124’.

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Anzunehmen ist, dass Landau und Rehm die gotische Zahl fälschlicherweise als „1“ interpretierten, respektive Landau, der keine Quellenangabe mitteilte, die Übergabe der Kirche im darauf folgenden Jahr vermutete.

Da auch gotische [katholische] Kirchen der Eucharistie dienten, weithin auch als Prozessionskirchen mit einem Altar im Chor errichtet wurden, ist aufgrund der Mitteilung von Landau nicht zu schließen, dass aus vordringlichen Raumgründen erst das Kirchenschiff und erst später der Chor gebaut wurden.

Die Inschrift „1497“ vermuten, dass in diesem Jahr der Kirchenbau vollendet war. Sie lässt nicht zwingend die Annahme zu, dass die Kirche in diesem Jahr auch mit einem Kirchturm versehen war. Dieser kann durchaus auch erst später über dem Chor errichtet worden sein. Urkundlich belegt ist jedoch im ersten Zunftbrief des Gläsnerbundes von 1537 das Glockenläuten am Pfingstmontag um 12.00 Uhr5.

Neben dem Kirchturm, dessen Fachwerk heute nicht mehr sichtbar ist, sind von der alten und 1913 entfernten Kirche noch zwei in die östliche Kirchenmauer integrierte spätgotische Spitzbogenportale mit der Sandsteinkanzel von 1514 erhalten geblieben.

Spätgotisches Spitzbogenportal Sandsteinkanzel von 1514

5 LANDAU, Georg, Geschichte der Glashütten in Hessen; In: ZHG, 1843, 285 („Glockenläuten am Pfingstmontag um 12.00 Uhr“).

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Kästner-Brief über Großalmerode

"Das Nachtlager denselben Sonnabend nahm ich in Großalmerode, damahls noch Dorf, nicht Stadt, bey dem Pfarrer, Casparsons Schwager, ein Officier, itzo in Russischen Diensten, unterhielt sich mit des Pfarrers Tochter, einer

artigen jungen Wittwe, gegen die mir aber in Göttingen ein vielleicht ungerechtes Vorurtheil war beygebracht worden, also, der Mann, der unter den Schönheiten für die leblosen, das wenigste Gespür hat, ging in die alte Dorfkirche und auf dem Gottesacker einsam herum, Antiquitäten aufzusuchen. An der ausen Kirchenmauer stand ad 1497. Ich zeichnete dies ab und erklehrte meinem Gastgeber bey der Abendmahlzeit daß es anno domini 1497 hieße. Der Pfarrer schien es noch nicht bemerkt oder wieder vergessen zu haben. Bekannt ward aber doch die Entdeckung. Ein paar Jahre darauf kam ein junger Mensch aus dem Orte hierher, der sich nicht hatte wollen nach Amerika verkaufen lassen (meiner Köchin ihr Vater ist aus Großalmerode und hat da noch Geschwister u.d.g.), dem hätte seine Mutter

gesagt: Er solle doch zu dem Manne gehen, der einmal in Großalmerode gewesen wäre und da eine Schrift gelesen hätte, die noch kein Mensch hätte lesen können. So wird man berühmt…“

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