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27. JULI 2019 AM WOCHENENDE Achtung, Kitsch! Wenn der Lavendel blüht, wird es lila im französischen Süden. Ein Naturspektakel, das die Sinne futet und romantische Gefühle weckt. Ein Bad in einer duſtenden Region. FOTO: © BELUSHI/SHUTTERSTOCK.COM LESEN LESEN Getroffene Seelen Anna Enquists neuer Roman „Denn es will Abend werden“: Eltern verarbeiten den Verlust ihrer Kinder. ZUSAMAMEN LEBEN ZUSAMAMEN LEBEN Gefährliches Kolumbien Erstmals auf ihrer Reise durch Lateinamerika geraten Lisa Berg und Katharina Teut in Schwierigkeiten.

Kitsch! - Invest in Alpes de Haute Provence€¦ · 27. JULI 2019 AM WOCHENENDE Achtung, Kitsch! Wenn der Lavendel blüht, wird es lila im französischen Süden. Ein Naturspektakel,

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Page 1: Kitsch! - Invest in Alpes de Haute Provence€¦ · 27. JULI 2019 AM WOCHENENDE Achtung, Kitsch! Wenn der Lavendel blüht, wird es lila im französischen Süden. Ein Naturspektakel,

27. JULI 2019

A M WO C H E N E N D E

Achtung,

Kitsch!  Wenn der Lavendel blüht, wird es lila

im französischen Süden. Ein Naturspektakel,

das die Sinne flutet und romantische Gefühle

weckt. Ein Bad in einer du�enden Region.

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Getroffene

SeelenAnna Enquists neuer Roman „Denn es

will Abend werden“: Eltern

verarbeiten den Verlust ihrer Kinder.

ZUSAMAMEN LEBENZUSAMAMEN LEBEN

Gefährliches

KolumbienErstmals auf ihrer Reise durch

Lateinamerika geraten Lisa Berg und

Katharina Teut in Schwierigkeiten.

Page 2: Kitsch! - Invest in Alpes de Haute Provence€¦ · 27. JULI 2019 AM WOCHENENDE Achtung, Kitsch! Wenn der Lavendel blüht, wird es lila im französischen Süden. Ein Naturspektakel,

Längst nicht alles, was violett bis lila blüht in der Provence, ist Echter Lavendel, sondern eine Ableitung davon.

Doch der optische Zauber ist beeindruckend – und das Geschäft mit der Pflanze einträglich. Von Beate Schümann

Das blaue Gold                       der Provence

Wenn im Sommer die blau-violetten Blütender Lavendelreihen aufspringen, wird ein ganzer Landstrich zum

lila Meer. Hübsch in Reihen geordnet, blüht die Farbenpracht bis zum Horizont, mal gerade, mal in Wellen oder Kurven. Die Provence ist ein Sehnsuchtsort: Die Sinne schwinden, der Mensch kapituliert vor so viel Anmut.

Das blaue Wunder auf den Hochpla-teaus der Alpes-de-Haute-Provence, in Vaucluse und Drôme macht Millionen Besucher romantisch. An den Straßen-rändern halten Pkw, Motorräder, Fahrrä-der, Wohnmobile und Touristenbusse. Die Insassen überfluten die Felder, kni-en vor den kugeligen Büschen nieder, um ihre Blüten mit der Kamera einzufangen. Andere schießen Selfies im Lavendelblauoder inszenieren Romantik mit weißem Rüschenschirm. Wieder andere meditie-ren duftumnebelt.

Die Provence ist das Synonym für La-vendelfelder. Zwar gibt es zwischen demLuberongebirge und dem fast 2000 Me-ter hohen Mont Ventoux auch goldgelbe Sonnenblumen, die neben anderen Vin-cent van Gogh verewigt hat, Olivenhai-ne und Rebgärten, doch der Lavendel übertönt alles. Sein Duft ist in der Seife,in Nackenkissen und Parfums. In diesemJahr betört das Gewächs unsere Sinne so-gar bis August. Der Winter sei lang und kalt gewesen, sagen die Bauern, der Som-mer deshalb zwei Wochen zu spät.

Um das Violett, das die Provenzalenschlicht Blau – bleu – nennen, kommt man im Herzen der Lavendelproduktion nicht herum. Häuser werden so getüncht, Türen und Blumenkästen. Lila sind Bett-wäsche und Handtücher, Teller und Ser-vietten. Autos werden violett lackiert, bisweilen sogar Traktoranhänger.

Die optische Verzauberung der Pro-vence setzte in den 1950er Jahren ein, als

der Lavendel-Anbau intensiviert wurde. Lange Buschreihen wurden gepflanzt,Maschinen eingesetzt, die Nachfrage nach Duftstoffen stieg. Zuerst verlangten Gerber danach, um den scharfen Geruchder Beize zu übertünchen. Dann kamen große Dufthersteller wie Chanel, Gaul-tier oder Guerlain auf den Geschmack.

Hinter der blauen Schönheit steht eine harte Realität. Guillaume Liardet ist La-vendelproduzent in vierter Generation.„Ich bin mit dem Hintern auf dem Tre-cker geboren und heute der Chef“, sagt der 44-Jährige stolz, der eigentlich Inge-nieur werden wollte und nicht Bauer wie alle in der Familie zuvor. Heute zupft erauf dem Acker Unkraut. Ansonsten  sitzt er vor dem Computer seines Unterneh-mens, das vom Samen bis zur Duftessenz alles selbst herstellt. „Da bin ich hinein-geboren wie Obelix“, sagt er verschmitzt.

Mit der Bio-Idee waren die Liardets die Ersten am Mont Ventoux bei Sault. Sein Vater hatte in einer Marseiller Fa-brik täglich mit giftigen Stoffen zu tun.Nach neun Jahren reichte es. „Er wollte zurück zur Natur“, erzählt Guillaume Li-ardet – aus Liebe zur Scholle, zum La-vendel und einem gesunden Leben. Die

Natur mache alles einfach, zitiert er sei-nen Vater. Unkraut wird bei ihm von Schafen und Ziegen vernichtet, Schäd-linge vertreibt er mithilfe anderer Pflan-zen. Statt Kunstdünger nutzt er die Wech-selwirtschaft. Von seinen 90 Hektar Bo-den hat er 40 mit Lavendel bepflanzt, 15mit der Zuchtsorte Lavandin. Wenn derBoden nach 15 bis 20 Jahren ausgelaugtist, pflanzt er ein Jahr Dinkel, drei JahreKichererbsen oder Linsen zur Stickstoff-anreicherung, im fünften Jahr erneut Din-kel. Dann ist der Boden wieder fit für La-vendel.

Auf den Lavendelfeldern ist das Zir-pen der Grillen zu hören. Monoton, oh-renbetäubend und enorm ausdauernd trommeln sie den ganzen Sommer über.„Das ist normal“, stellt Liardet nüchtern fest. Eine Plage sei seit 30 Jahren dieGlasflügelzikade. Die stecknadelgroße„Cicadelle“ schafft es, manche Gebietehalb kahlzufressen. Als Larve nagt sie anden Wurzeln, ausgewachsen saugt sie anStielen und Blättern und überträgt dabeiden Krankheitserreger. „Je mehr man ihrzu fressen gibt, desto stärker verbreitetsie sich“, kritisiert der Lavendelbauer dievorherrschende Monokultur. Der Land-wirt ist überzeugt, dass das nicht dierichtige Art des Ackerbaus sei. „Die Pflanzen werden anfällig für Schädlinge.“Anfangs infizierte das Insekt nur Laven-del. Inzwischen greift es auch Lavandinan. „Jedes Zuviel kippt irgendwann“, re-sümiert er. Es gebe zwar Abhilfe, das Pro-blem sei jedoch nicht gelöst.

Lavandin wurde in den 50er Jahren alsrobuste Alternative zum kapriziöserenLavendel gezüchtet. Der Erfolg hat dasOriginal fast verdrängt. „Die Kreuzung ist einfacher anzubauen und wirft fünf-mal mehr ab“, erklärt Jack Lincelé vonder Destillerie Château du Bois in Cou-stellet.

Lavendel ist das Metier von Jack Lin-celé. Lavandin habe er zwar auch, >

Kaum ein Landwirt, der

nicht destilliert und einen Laden betreibt.

Lavandin

Lavandin ist nicht etwa der französische Name für Lavendel, sondern der Name für eine mit ihm ver-wandte Pflanze. Sie wurde kreiert, um Waschmitteln eine angenehme Duftnote zu geben. Für den Laienheißt meist alles Lavendel, was schön duftet. Doch es lohnt, die Unterschiede zukennen.

Echter Lavendel oder auch Feiner Lavendel wächst in den Küstenregio-nen des Mittelmeerraumes nur in Höhenlagen von 800bis 1400 Metern – je höher,desto besser die Qualität.Der Lippenblütler ist an ei-ner einzigen Blütenähre zu erkennen, deren violetten,quirlig angeordneten Blü-tenreihen bis zu acht Zen-timeter lang werden. DieBüsche mit dem kissenför-migen Wuchs, den aufrech-ten, stark verzweigten Trie-ben und den lanzettförmi-gen Blättern werden nur etwa wadenhoch. Sein Duft ist süßlich-fein.

Lavandin (Lavandula x in-termedia) ist eine Hybrid-züchtung, eine sterile Kreu-zung aus Echtem undSpeik lavendel.  In der Pro-vence wird sie heute auf ei-ner Gesamtfläche von 24700 Hektar angebaut, nurnoch ein Fünftel ist mitEchtem Lavendel bedeckt. Von der Rispe zweigen dreiBlütenähren ab. Der Pflan-zenwuchs ist kniehoch unddichter. Wegen der höheren Kampfer- und Eukalyp-tus-Anteile riecht Lavandin kräftiger, strenger als La-vendel. bs

34 TITEL Samstag, 27. Juli 2019

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Schon die Römer nutzten Lavendel, um duftende Badeessenzen zu gewinnen.Nicht umsonst kommt der heutige Name der Pflanze vom Lateinischen la-vare (waschen). Zu Großmutters Zei-ten gehörte Lavendel in jede Hausapo-theke. Der Duft erinnert an ihren Klei-derschrank. Lavendelsäckchen dienennoch heute zur Abschreckung von Mot-ten und sonstigem Kleingetier.

In der Küche schätzen die Menschenin  der Provence die Blüten seit eh und je als Gewürz für Fisch, Lamm, Salateund zum Verfeinern von Süßspeisen und Soßen. Heutzutage sind im franzö-sischen Süden alle närrisch nach La-vendel, man nimmt ihn zum Frühstückzu sich, zum Mittag, am Abend.

Für das Frühstück braucht man et-was Süßes – Lavendelhonig. Ob das Aroma nur vom Lavendel stammt? DieImkerin Sylvie Agnel muss über diese Frage lachen. Wenn „Miel de Lavandes“ auf dem Etikett steht, ist er sortenrein.Dafür müssen mindestens 70 Prozent des Inhalts mit dem blauen Sommer-blüher gewürzt sein, so will es das Ge-setz.

Die Imkerin stellt die Bienenstöcke einfach in die Felder.  Der Unterschiedzwischen dem Honig aus Lavendel und dem aus Lavandin ist markant. „Der La-vendelhonig hat eine hellere Farbe und eine leicht Zitronennote“, erklärt Syl-vie Agnel in ihrem Geschäft in Bon-nieux. Honig aus Lavandin schmeckt würziger.

„Früher, als der Lavendel noch wild zwischen Blumen und Kräutern wuchs, war sortenreiner Honig kaum zu errei-chen“, sagt die Frau, die aus einer alt-eingesessenen Imkerfamilie stammt. Insoweit habe die Monokultur etwas Gutes.  Zu den Bauern habe sie grund-sätzlich ein gutes Verhältnis, sagt die Honighändlerin. Allerdings schlagen die Imker Alarm, wenn zu viele Pesti-

zide eingesetzt werden. „Die Bienen können über den Nektar Giftsto�e in sich aufnehmen und in den Honig ge-langen.“

In den vergangenen Jahren habe sichdie Natur verändert, sagt Sylvie Agnel. In der Region Pays d’Apt de Luberon ist ihr Betrieb nur noch einer von zwölf. Wie viele Imker haben die Agnels Angst um ihre Bienen. Die Tiere findennicht mehr genug Nahrung und müs-sen ausschwirren, statt zu ruhen. „Imletzten Winter haben wir 20 Prozent unserer Bienen verloren“, sagt Agnel. Honig wird so immer kostbarer.

Honig schleckt man vom Lö�el, oder man streicht ihn aufs Baguette. Dafür wäre etwa „Au Pierrot Blanc“ zustän-dig. Die Bäckerei von Frédéric Bianco ist klein, doch das Herz für Brot ist groß. Frédéric Bianco ist in Apt der Kö-nig, genaugenommen ist er der Dritte der Bianco-Dynastie. Die traditionelle Boulangerie und Pâtisserie wurde 1945 von seinem Großvater Célestin gegrün-det. Dessen Sohn Pierre, der Vater vonFrédéric, war der Erfindergeist. Erst

aromatisierte er Baguettes mit Laven-delblüten, dann ersann er das Lavende-leis. In der Ära von Frédéric, dem Drit-ten, kamen Merengues in Lila, die so-genannten Baisers, dazu und Laven-del-Schokoladenkuchen. „Nur ein paarTröpfchen vom feinsten Öl“ seien da-rin, sagt er. Das reiche schon.

Bis heute wird in der Boulangerie diefranzösische Backkunst gepflegt, wie inder gläsernen Backstube zu sehen ist. Der Teig wird am Vorabend hergestellt.Ab 4 Uhr morgens steht Frédéric, der Vierte, am Backofen und schiebt dieaufgegangenen Teiglinge auf dem Holz-brett hinein. So lange, bis alle im Ort versorgt sind. „Brot muss immer dasein, egal zu welcher Tageszeit. Das ist unsere Philosophie“, sagt der Senior inweißer Konditorjacke und greift eineStange mit krosser Kruste aus dem Re-gal. „Passt perfekt zu Ratatouille odereinem provenzalischem Ziegenkäse“,schwärmt er.

„Die Zutaten müsen erstklassig sein“

Die Königswürde erwarben sich dieBiancos durch eine Anspielung auf den französischen Dreikönigskuchen „Bri-oches des Rois“, für den sie über Apthinaus bekannt sind. „Unsere Zutatensind einfach, aber sie müssen erstklas-sig sein.“ In der Back-Dynastie ist Frédéric, der Fünfte, gerade geboren.Er, so ho�t die Familie, soll die Vorlie-be für die Farbe Lila weiter pflegen.

Zum Baguette passt mittags eine fei-ne Lavendel-Pastete. Oder doch lieberLavendel-Pasta? Bei Richaud & Fils inValensole lässt sich beides finden. Vormehr als 50 Jahren hat sich der Betriebauf Pasteten spezialisiert. Laven-del-Paté kam 1981 dazu. „Das war dieIdee meines Vaters“, bekennt Rémi Ri-chaud. Er pulverisierte Blüten und mix-te sie mit provenzalischen Kräutern.

Die Pasta hat der 46-Jährige vor fünfJahren selbst entwickelt. „Italien hatBasilikum-Pasta, wir haben Laven-del-Pasta.“ Erst versuchte er es mit La-vendelöl. „Das war viel zu intensiv“, er-innert sich Richaud. Dann pulverisier-te er Blüten. „Das gibt eine interessan-te Note“, freut er sich und tippt sichans Ohrläppchen.

Seinen Betrieb hat er im letzten Jahrgründlich revolutioniert. Von jährlich150 000 Pasteten schraubte er die Pro-duktion auf 50 000 zurück. „Es kann nicht gut sein, immer mehr zu produ-zieren“, sagt er. Lieber weniger, dafürGutes. In Italien lernte er vor ein paarJahren die Slowfood-Bewegung kennen,das genussvoll-bewusste, regionale Es-sen als Gegenstück zum globalisierten Fastfood. Nun will er danach leben. DasSchweinefleisch für seine Paté kauft ernur noch bei lokalen Produzenten.Auch den Lavandin baut er selbst anund für die Pasta eigenen Weizen. Esgibt noch einen Grund für den Wandel.Richaud möchte, dass seine beiden Kin-der den Betrieb übernehmen. „Nurwenn du die Produktion umstellst“, hat-ten sie gedroht. Seine Tochter arbeitet schon bei ihm. Beate Schümann

Lavendel-Aroma ist in vielen Speisen enthalten,

in Honig und Baguette, in Pasta und Pastete.

Einmal verkosten, bitte!

Der Geschmack der Farbe Lila

Ein Herz für Brot: der Bäcker und Pa-

tissier Frédéric Bianco.

Ei H fü B t d Bä k d P

Warnt vor Pestiziden in der Landwirt-

scha�: die Imkerin Sylvie Agnel.

> doch es gelte, das Original zu retten. Im Grunde will der rührige Geschäfts-mann seine Heimat gleich mit retten.Schließlich ist Lavendel das kulturelle Erbe der Provence. Die Lincelés schwö-ren auf die Farbe Blau seit fünf Genera-tionen. Auf einer Hochebene des Lube-rongebirges betreibt der 46-Jährige eine Lavendelfläche von 110 Hektar. In dennährsto�armen Höhenlagen sind dieSommer heiß und trocken, die Mistral-winde zum Verrücktwerden, wie die Leu-te sagen, und die Winter frostig. Dort fühlt sich der Echte Lavendel so richtigwohl. Nicht viele Orte in der Provence kommen dafür in Betracht.

Als Ritter des puren Lavendels setzt Lincelé auf Information. Im Musée de laLavande wird von der Geschichte über die Unterschiede der Sorten bis zur Be-deutung der AOP, der geschützten Her-kunftsbezeichnung, alles erklärt. „Echter Lavendel ist das Schweizer Messer der Aromatherapie“, sagt Maria Weiser, diedurch das Museum führt. Drei Tropfengenügen zur Desinfektion, fünf Jahre hal-te die medizinische Wirkung, der Duft zehn Jahre. Um aus Lavendel einen Literätherisches Öl zu pressen, brauche man 130 Kilo Stiele und Blüten, so die gebür-tige Kölnerin. Bei LavanKilo für die gleiche Men

Das Geschäft mit dembrummt. Jährlich werdenrund 1100 Tonnen ätheristellt. Die Zeiten der Lsind gut, weil immer medie heilende Wirkung voten glauben. Kaum ein Lnicht Lavendel destilliernen Laden betreibt. Wman schon kein ganzesvendelfeld einpacken kwill der Tourist wenigsein Wässerchen, ein ni

ches Duftsäckchen oder eine Seife als Er-innerung mit nach Hause nehmen.

Früher sei vieles anders gewesen. Nicht alles besser, aber manches doch,meint Richard Gradian und klopft gegendas Metall des großen Destillierkessels.Mehr als 80 Jahre habe der auf dem Bu-ckel. Die Distillerie Gradian ist die ältes-te funktionierende Anlage in Valensole. Am Boden liegt ein riesiger Lkw-Reifen mit einem 800-Kilo-Gewicht, der das Blütenmeer niederdrückt. Ein Haufen La-vendelstroh, der vom Trennverfahren üb-rig bleibt, verströmt seinen herben Duft.

Gradian erinnert sich daran, wie dieBauern mit großen Büscheln aus Blüten-rispen zum Destillieren zu ihm kamen. „Damals hatte ein Bauer sechs Hektar“,sagt der 70-Jährige. Heute seien es meist 200. Zwar schneidet er den Lavendel auch nicht mehr mit der Sichel, sondern mit dem Schneidetraktor. Allerdings legt seine Maschine die Bündel wie früher am Feldrand ab, damit sie vor dem De-stillieren durchtrocknen. Das sei ein Ar-beitsgang mehr, den sich heute viele An-bauer sparen. „Zeit ist Geld“, sagt der Alte und zuckt mit den Schultern, „aber nicht unbedingt Qualität.“ Das Ergebnis

nennt er „grünen Duft“. Nur der Echte Lavendel (Lavandula angustifolia) ent-faltet im ätherischen Öl medizinische Heilkräfte. „Ätherische Öle sind so altwie die Menschheit“, sagt Cedrick Bau-dry im mittelalterlichen Gemäuer, in dem ein auf essentielle Öle spezialisiertes Un-ternehmen das „Laboratoire Sainte Vic-toire“ untergebracht hat. Zur Extraktionbraucht es Wasserdampf, der die Duft-zellen ö�net. Da die Ölmoleküle nicht wasser-, sondern fettlöslich sind, schwimmen sie nach oben und trennen sich vom Wasser. „Die Qualität des Pflan-zenmaterials, der Druck und die Dauerder Destillation bestimmen die Qualitätdes Öls“, sagt Baudry.

„Hochwertiges Öl lässt sich nur ausEchtem Lavendel gewinnen“, sagt HeikeSoeder, die sich in Simiane-la-Rotondefür reine, unverschnittene Lavendel-Es-senzen interessiert. Pflanzliche Wirkstof-fe verwendet die Heilpädagogin aus Frei-burg auch in ihrer Praxis. „Wegen der ex-trem kleinen Molekularstruktur gelangt das Lavendelöl in wenigen Minuten über die Haut in den Blutkreislauf“, erklärt sie die heilende Wirkung. In der Aromathe-rapie setzt sie es gegen Stress, Schlafbe-schwerden und Verbrennungen ein. La-

delöl könne das Immunsystem stär-Depressionen abwenden und die

zentration steigern. Es sei eine der igen Essenzen, die zugleich beruhi-d und euphorisierend wirken, sagt e Soeder.er Tag geht zuende, das Licht und

Hitze werden milder. Die sandfarbe-urg Simiane-la-Rotonde glänzt am

altblauen Himmel. Der Abendwindelt in hohen Platanen. Man fährt dien Serpentinen des Felsporn hinun-

um ein letztes Mal dieses blaue Wun-eld mit dem roten Mohn zu sehen. ach umwerfend, diese Provence.

Ritter des puren Lavendels: Jacques

Lincelé (links) betreibt eine Fläche

von 110 Hektar. „Ich wurde hineinge-

boren“: Guillaume Liardet (rechts)

ist Lavendelbauer in vierter Genera-

tion. Fotos: Beate Schümann

20 km

Avignon

Coustellet

Valence

Sault

BOUCHES-

DU-RHÔNE

ALPES-

MARITIMES

VAR

HAUTES-

ALPES

Arles

Marseille

ToulonSt-Tropez

Cannes

Nizza

SWP GRAFIK QUELLE: ©RAINER LESNIEWSKI /SHUTTERSTOCK

Rhône

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VAUCLUSE

DRÔME

ALPES-DE-HAUTE-PROVENCE

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FRANKREICH

Mittelmeer

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