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Klassische Gedichte und Balladen

klassische gedichte 30.11.2006 14:47 Uhr Seite 1 · 7 Vorwort „Wie wohl ist dem, der dann und wann sich etwas Schönes dichten kann“, so schrieb sich Wilhelm Busch gegen allerlei

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Klassische Gedichte und Balladen

klassische_gedichte 30.11.2006 14:47 Uhr Seite 1

Günter Raake (Hrsg.)

Klassische Gedichte

und Balladen

klassische_gedichte 30.11.2006 14:47 Uhr Seite 3

ISBN 978-3-8094-1977-8

© 2007 by Bassermann Verlag, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, 81673 München

Die Verwertung der Texte und Bilder, auch auszugsweise, ist ohne die Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig undstrafbar. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen,Mikroverfilmung und für die Verarbeitung mit elektronischenSystemen.

Umschlaggestaltung: Atelier Versen, Bad AiblingLayout und Satz: Poljakowa Arts & SolutionsProjektleitung: Iris HahnerHerstellung: Sonja StorzIllustrationen: Olga Poljakowa

Druck und Bindung: Tesínská tiskarna, Cesky Tesín

Printed in the Czech Republic

817 2635 4453 6271

klassische_gedichte 30.11.2006 14:47 Uhr Seite 4

INHALT

Vorwort 7

Über die Freundschaft 10

Über die Liebe 24

Über das Glück 60

Über die Kunst zu leben 82

Aus der Schulzeit 98

Mit einem Augenzwinkern 128

Verzeichnis der Gedichte 136

Verzeichnis der Dichter 140

Inhalt der CD 144

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Vorwort

„Wie wohl ist dem, der dann und wannsich etwas Schönes dichten kann“,

so schrieb sich Wilhelm Busch gegen allerlei Verdrießlich-keiten unsterblich durch diese Welt. Der Mensch, so Busch,ist in der Regel kummervoll, von unerfüllter Liebe, Nah-rungsmangel und sonstigen Sorgen geplagt. Doch wie be-glückt ist da der Dichter, er „knetet“ sich „privatim“ ausWorten eine neue Welt, so ihm die „altgebackne Welt miß-fällt.“ Bei Wilhelm Busch ist es wohl neben der vertieftenEinsicht das mit feinsinnigem Humor gewürzte virtuoseWortspiel. Oder – Heinrich Heine:

„Im wunderschönen Monat Mai, als alle Knospen sprangen, da ist in meinem Herzen die Liebe aufgegangen.“

Wie schön das klingt! Und besser, präziser, kürzer und ehr-licher kann man es einfach nicht sagen. Doch damit nichtgenug: Heine steht neben seinen wunderbaren Miniaturenauch für kunstvoll in Form gegossene, „abendfüllende“ Dra-matik. Entsprechend dargestellt könnte man sich seinen„Belsatzar“ leicht auch als Trailer für die Hollywood-Ver-filmung eines historischen Romans vorstellen. Und dann –Joseph von Eichendorff:

„Komm Trost der Welt, du stille Nacht“

VORWORT

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Wie findet man diese Worte? Es scheint so einfach. Dochversuchen Sie es selbst einmal. Und – wir alle sollten es viel-leicht versuchen. Versuchen Sie Rilke!

„Ich möchte jemanden einsingen,bei jemandem sitzen und sein.Ich möchte dich wiegen und kleinsingenund begleiten schlafaus und schlafein.“

Oder nehmen Sie Christian Morgenstern:

„Es ist Nacht,und mein Herz kommt zu dir,hält’s nicht aus,hält’s nicht aus mehr bei mir.“

Wie kann etwas so puristisches, etwas aus ausschließlicheinsilbigen Worten gebildetes, nur so poetisch klingen?

Welch ein Glück ist diese deutsche Sprache, und welch einReichtum haben uns die deutschen Dichter hinterlassen!Wie wohltuend ist dieser sorgsame, kunst- und liebevolleUmgang mit dem Wort. Die klassische Poesie erscheint wieeine Ayurveda Kur in einer von „Trash-Kultur“, „Kanack-speak“, „Denglisch“, oder schlicht Sprachverstümmelunggeprägten Zeit.

Und warum nur haben diese Dichter vor so langer ZeitDinge sagen können, die heute – bei offenen Ohren, offenemVerstand und offenem Herzen – nicht ein Quentchen anAktualität verloren haben?

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„dann steht das Wort mir auf:Mensch, werde wesentlich!“

So schrieb es Ernst Stadler in seinem Gedicht „Der Spruch“,schon zur Wende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahr-hundert. Die klassischen Dichter haben es stets so verstan-den: Wann immer es um wesentliche Inhalte ging, um dieFrage des Lebens oder des Todes (wie z.B in Rückerts Kin-dertotenliedern), immer wenn es um die LIEBE ging, umwahre FREUNDSCHAFT oder des Menschen GLÜCK, oder,kurz gesagt, um DIE KUNST ZU LEBEN, dann waren Dich-terworte gefragt.

Die Reduktion auf bestimmte Strukturen oder die Versformkann den Dichtern dabei wohl kaum limitierend erschienensein. Gerade diese Formvorgaben zwangen zu aller höchsterSprachdisziplin – bei größtmöglicher inhaltlicher Freiheit.Denn ausgerechnet in der Lyrik wurden zu jeder Zeit in oderzwischen den Zeilen Dinge gesagt, die unangepaßt, kritisch,ja revolutionär waren.

Was die deutsche Sprache betrifft, so dürfte auf demGrabstein jedes der hier zitierten Dichter mit Fug und Rechtfolgende Zeilen aus Fontanes „John Maynard“ stehen:

„Hier ruht John Maynard! In Qualm und Brandhielt er das Steuer fest in der Hand,er hat uns gerettet, er trägt die Kron,er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.“

Günter Raake

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ÜBER DIE FREUNDSCHAFT

Uber dieFreundschaft

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D

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Lied der FreundschaftDer Mensch hat nichts so eigen,so wohl steht ihm nichts an,als daß er Treu’ erzeigenund Freundschaft halten kann;wann er mit seinesgleichensoll treten in ein Band,verspricht sich, nicht zu weichen,mit Herzen, Mund und Hand.

Die Red’ ist uns gegeben,damit wir nicht alleinfür uns nur sollen lebenund fern von Leuten sein;wir sollen uns befragenund sehn auf guten Rat,das Leid einander klagen,so uns betreten hat.

Was kann die Freude machen,die Einsamkeit verhehlt?Das gibt ein doppelt Lachen,was Freunden wird erzählt;der kann sein Leid vergessen,der es von Herzen sagt;der muß sich selbst auffressen,der in geheim sich nagt.

Gott stehet mir vor allen,die meine Seele liebt;dann soll mir auch gefallen,der mir sich herzlich gibt;mit diesem Bundsgesellenverlach’ ich Pein und Not,geh’ auf den Grund der Höllenund breche durch den Tod.

ÜBER DIE FREUNDSCHAFT

klassische_gedichte 30.11.2006 14:47 Uhr Seite 12

Z

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Ich hab’, ich habe Herzenso treue, wie gebührt,die Heuchelei und Schmerzennie wissentlich berührt!Ich bin auch ihnen wiedervon Grund der Seelen hold,ich lieb’ euch mehr, ihr Brüder,als aller Erden Gold.

Simon Dach

Zwei SegelZwei Segel erhellenddie tiefblaue Bucht!Zwei Segel sich schwellendzu ruhiger Flucht!

Wie eins in den Windensich wölbt und bewegt,wird auch das Empfindendes andern erregt.

Begehrt eins zu hasten,das andre geht schnell,verlangt eins zu rasten,ruht auch sein Gesell.

Conrad Ferdinand Meyer

ÜBER DIE FREUNDSCHAFT

Auf der CDTitel 7

klassische_gedichte 30.11.2006 14:47 Uhr Seite 13

WWer kann in guten TagenWer kann in guten Tagen,solang das Glücke mildund es zu Tische gilt,von rechter Liebe sagen?

Ob einer ist mein Freund,und ob er ’s treulich meint,wird daran nicht erkennet,wenn er mich Bruder nennet.

Wenn’s Glück einst von mir weichet,wer ’s dann am besten meint,und mir die Hände reichet,der ist mein bester Freund.

Adam Olearius

Liebe und FreundschaftLiebe, weg! Du zankst dich nur,bist nur immer eifersüchtig!Siehst nur immer nach der Uhr,bist, wie ihre Stunden, flüchtig!

Freundschaft, bleib! Du zankst dich nicht,bist nicht immer eifersüchtig!Siehst ins helle Sonnenlicht,bist nicht unstet, bist nicht flüchtig! Komm und sitz auf meinem Schoß,herrsch in meinem kleinen Staate! Wie werd’ ich die Liebe los?Rate, liebe Freundschaft, rate!

Johann Wilhelm Ludwig Gleim

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ÜBER DIE FREUNDSCHAFT

Auf der CDTitel 27

klassische_gedichte 30.11.2006 14:47 Uhr Seite 14

WFreundestreueWenn sich zwei so recht verstehn,ihr Vertraun sich schenkenund, wohin sie auch immer gehn,stets einander gedenken,

wenn nicht Ruhm vermag noch Pracht,ihre Treue zu trüben,jeder allezeit nur bedacht,heißer den Freund zu lieben,

wenn sich solche Freundschaft hältdurch ein ganzes Leben:Kann es wohl auf dieser Weltetwas Schöneres geben?

Immer preis’ in Ernst und Scherzich dich wieder aufs neue,die du tröstest und stärkst das Herz,heilige Freundestreue!

Joachim Ringelnatz

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ÜBER DIE FREUNDSCHAFT

Auf der CDTitel 29

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VIn Freundschaft und LiebeVon all dem rauschenden Geleite,wer harrte liebend bei mir aus?Wer steht mir tröstend noch zur Seiteund folgt mir bis zum finstern Haus?

Du, die du alle Wunden heilest,der Freundschaft leise, zarte Hand,des Lebens Bürden liebend teilest,du, die ich frühe sucht’ und fand.

Und du, die gern sich mit ihr gattet,wie sie der Seele Sturm beschwört,Beschäftigung, die nie ermattet,die langsam schafft, doch nie zerstört,

die zu dem Bau der Ewigkeitenzwar Sandkorn nur für Sandkorn reicht,doch von der großen Schuld der ZeitenMinuten, Tage, Jahre streicht.

Friedrich Schiller

Freundschaft und GoldGold und Freunde gelten gleiche:jederlei von dieser Wahr,sucht man mühsam, find man sparsam,hat man immer in Gefahr.

Friedrich von Logau

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ÜBER DIE FREUNDSCHAFT

klassische_gedichte 30.11.2006 14:47 Uhr Seite 16

D Du und ichDu und ich!Wunschlose Seligkeitströmt deine Nähe über mich.Der Alltag wird zur Sonntagszeit,unsterblich schlingt das Leben sichum uns. Und Menschengöttlichkeitfühl’ ich bei dir durch dich.

Was einst gewesen, weiß ich kaum.Die enge Welt wird weiter Raum.Und Holz wird Eisen, Eisen Holzund Stolz wird Demut, Demut Stolz.Gar wunderbare Weisensingt dann bei seinem Kreisenmein Blut im Paradies für mich.Es haben alle Wünsche Ruh’, –ich weiß nicht mehr, wer bist dann du.Ich weiß nicht mehr, wer bin dann ich.

Max Dauthendey

FreundschaftWenn Menschen sich aus innerem Werte kennen,so können sie sich freudig Freunde nennen,das Leben ist den Menschen so bekannter,sie finden es im Geiste interessanter.

Der hohe Geist ist nicht der Freundschaft ferne,die Menschen sind den Harmonien gerneund der Vertrautheit hold, daß sie der Bildung leben,auch dieses ist der Menschheit so gegeben.

Friedrich Hölderlin

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ÜBER DIE FREUNDSCHAFT

klassische_gedichte 30.11.2006 14:47 Uhr Seite 17

ZDie BürgschaftZu Dionys, dem Tyrannen, schlichDamon, den Dolch im Gewande;ihn schlugen die Häscher in Bande,„Was wolltest du mit dem Dolche, sprich!“entgegnet ihm finster der Wüterich.„Die Stadt vom Tyrannen befreien!“„das sollst du am Kreuze bereuen.“

„Ich bin“, spricht jener, „zu sterben bereitund bitte nicht um mein Leben,doch willst du Gnade mir geben,ich flehe dich um drei Tage Zeit,bis ich die Schwester dem Gatten gefreit, ich lasse den Freund dir als Bürgen,ihn magst du, entrinn‘ ich, erwürgen.“

Da lächelt der König mit arger Listund spricht nach kurzem Bedenken:„Drei Tage will ich dir schenken;doch wisse, wenn sie verstrichen, die Frist,eh‘ du zurück mir gegeben bist,so muß er statt deiner erblassen,doch dir ist die Strafe erlassen.“

Und er kommt zum Freunde: „Der König gebeut,daß ich am Kreuz mit dem Lebenbezahle das frevelnde Streben.Doch will er mir gönnen drei Tage Zeit,bis ich die Schwester dem Gatten gefreit;so bleib du dem König zum Pfande,bis ich komme zu lösen die Bande.“Und schweigend umarmt ihn der treue Freundund liefert sich aus dem Tyrannen;der andere ziehet von dannen.Und ehe das dritte Morgenrot scheint,hat er schnell mit dem Gatten die Schwester vereint,eilt heim mit sorgender Seele,damit er die Frist nicht verfehle.

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ÜBER DIE FREUNDSCHAFT

klassische_gedichte 30.11.2006 14:47 Uhr Seite 18

Da gießt unendlicher Regen herab,von den Bergen stürzen die Quellen,und die Bäche, die Ströme schwellen.Und er kommt ans Ufer mit wanderndem Stab,Da reißet die Brücke der Strudel hinab,und donnernd sprengen die Wogendes Gewölbes krachenden Bogen.

Und trostlos irrt er an Ufers Rand:Wie weit er auch spähet und blicketund die Stimme, die rufende, schicket.Da stößet kein Nachen vom sichern Strand,der ihn setze an das gewünschte Land,kein Schiffer lenket die Fähre,und der wilde Strom wird zum Meere.

Da sinkt er ans Ufer und weint und fleht,die Hände zum Zeus erhoben:„O hemme des Stromes Toben!Es eilen die Stunden, im Mittag stehtdie Sonne, und wenn sie niedergehtund ich kann die Stadt nicht erreichen,so muß der Freund mir erbleichen.“Doch wachsend erneut sich des Stromes Wut,und Welle auf Welle zerrinnet,und Stunde an Stunde ertrinnet.da treibt ihn die Angst, da faßt er sich Mutund wirft sich hinein in die brausende Flutund teilt mit gewaltigen Armenden Strom, und ein Gott hat Erbarmen.

Und gewinnt das Ufer und eilet fortund danket dem rettenden Gotte;da stürzet die raubende Rottehervor aus des Waldes nächtlichem Ort,den Pfad ihm sperrend, und schnaubet Mordund hemmet des Wanderers Eilemit drohend geschwungener Keule.

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ÜBER DIE FREUNDSCHAFT

klassische_gedichte 30.11.2006 14:47 Uhr Seite 19

„Was wollt ihr?“ ruft er vor Schrecken bleich,„Ich habe nichts als mein Leben,das muß ich dem Könige geben!“Und entreißt die Keule dem nächsten gleich:„Um des Freundes willen erbarmet euch!“Und drei mit gewaltigen Streichenerlegt er, die andern entweichen.

Und die Sonne versendet glühenden Brand,und von der unendlichen Müheermattet sinken die Knie.„O hast du mich gnädig aus Räuberhand,aus dem Strom mich gerettet ans heilige Land,und soll hier verschmachtend verderben,und der Freund mir, der liebende, sterben!“Und horch! da sprudelt es silberhell,ganz nahe, wie rieselndes Rauschen,und stille hält er, zu lauschen;und sieh, aus dem Felsen, geschwätzig, schnell,springt murmelnd hervor ein lebendiger Quell,und freudig bückt er sich niederund erfrischet die brennenden Glieder.

Und die Sonne blickt durch der Zweige Grünund malt auf den glänzenden Mattender Bäume gigantische Schatten;und zwei Wanderer sieht er die Straße ziehn,will eilenden Laufes vorüberfliehn,da hört er die Worte sie sagen:„Jetzt wird er ans Kreuz geschlagen.“Und die Angst beflügelt den eilenden Fuß,ihn jagen der Sorge Qualen;da schimmern in Abendrots Strahlenvon ferne die Zinnen von Syrakus,und entgegen kommt ihm Philostratus,des Hauses redlicher Hüter,der erkennet entsetzt den Gebieter:

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ÜBER DIE FREUNDSCHAFT

klassische_gedichte 30.11.2006 14:47 Uhr Seite 20

„Zurück! du rettest den Freund nicht mehr,so rette das eigene Leben!Den Tod erleidet er eben.Von Stunde zu Stunde gewartet‘ ermit hoffender Seele der Wiederkehr,ihm konnte den mutigen Glaubender Hohn des Tyrannen nicht rauben.“„Und ist es zu spät, und kann ich ihm nicht,ein Retter, willkommen erscheinen,so soll mich der Tod ihm vereinen.Des rühme der blut‘ge Tyrann sich nicht,daß der Freund dem Freunde gebrochen die Pflicht,er schlachte der Opfer zweieund glaube an Liebe und Treue!“Und die Sonne geht unter, da steht er am Tor,und sieht das Kreuz schon erhöhet,das die Menge gaffend umstehet;an dem Seile schon zieht man den Freund empor,da zertrennt er gewaltig den dichten Chor:„Mich, Henker“, ruft er, „erwürget!Da bin ich, für den er gebürget!“

Und Erstaunen ergreifet das Volk umher,in den Armen liegen sich beideund weinen vor Schmerzen und Freude.Da sieht man kein Auge tränenleer,und zum Könige bringt man die Wundermär‘;der fühlt ein menschliches Rühren,läßt schnell vor den Thron sie führen,

und blicket sie lange verwundert an;drauf spricht er: „Es ist euch gelungen,ihr habt das Herz mir bezwungen;und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn -so nehmet auch mich zum Genossen an.Ich sei, gewährt mir die Bitte,in eurem Bunde der dritte!“

Friedrich Schiller

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ÜBER DIE FREUNDSCHAFT

Auf der CDTitel 8

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F FreundschaftFreundschaft, Himmelstochter,komm und höre mich!Im geweihten LiedeGöttin, sing ich dich.Laß von Sympathienmeine Seele glühen, daß von deinem Licht erhellt,dir das Lied gefällt.

In der Wüste trauerndhat ein Menschenfreundeinstens vor dem Himmelseinen Gram geweint:„Schöpfer meines Herzens,Kenner meines Schmerzens,sprich, was soll dies Zittern hier,dieser Drang in mir?

Löw‘ und Wolf und Tiger,Wild und zahmes Viehhaben für mich Armenkeine Sympathie.Felsen, Berge, Meerefüllen nicht die Leere,hellen nicht die Dunkelheit,die mein Herz entweiht.“Gott der Menschenvaterhört den Klager an;und mit Himmelsklarheitlieblich angetan,kam zum Menschenfreunde,der in Wüsten weinte,Freundschaft. – Groß und gut und mildwar der Göttin Bild.

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ÜBER DIE FREUNDSCHAFT

klassische_gedichte 30.11.2006 14:47 Uhr Seite 22

Ihre Lippe hauchtesanft ins Menschenherz,Mitgefühl für Freunde,Mitgefühl für Schmerz;Seelen wurden Flammen,schlangen sich zusammen,und zum Herzenbilder drangnun ein Zweigesang.

Freundschaft macht die MenschenGottes Engeln gleich,macht sie froh im Kummer,in der Armut reich;und an ihrem Stabewandeln wir zum Grabe,sprechen zu dem Freunde: dortdauert die Freundschaft fort.

Freunde, stark und dauerndwie die Ewigkeitist die Brudertreue,die ich Euch geweiht.Macht nicht Mädchenliebeoft das Leben trübe?Nur die Freundschaft hat alleinewig Sonnenschein.

Christian Friedrich Daniel Schubart

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ÜBER DIE FREUNDSCHAFT

klassische_gedichte 30.11.2006 14:47 Uhr Seite 23