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Allison Model 250 Turbine © 2008 K.L.S. Publishing, all rights reserved 1 e-Journ Nr. Tt-09 Kleine Geschichte der All- ison Model 250 Turbine Die Allison Model 250 Gasturbine gehört zu den wenigen kleinen Turbinentrieb- werken, die sich auch in der Allgemeinen Luftfahrt etabliert haben. Sie wurde und wird noch als Turboshaft in großen Stück- zahlen als Hubschraubertriebwerk einge- setzt, z. B. zum Antrieb der Bell Ranger Modelle, und sie treibt auch einige Flä- chenflugzeuge an wie z. B. die Bonanza A36 von Tradewind oder die Cessna P210 Silver Eagle. Die wenigsten Piloten kennen ihre Geschichte. Mit diesem Beitrag wollen wir Abhilfe schaffen. Beginnen wir zunächst mit ein wenig Fir- mengeschichte. Der Ursprung der Allison Engine Company geht zurück auf die Lei- denschaft einiger Geschäftsleute für Auto- rennen, darunter befand sich auch Jim Allison, der anfänglich als Verwalter der Indianapolis Autorennstrecke fungierte. An der Rennstrecke wurde für den Umbau von Rennautos die Indianapolis Speedway Team Company gegründet, man schrieb das Jahr 1915. Jim Allison übernahm 1917 diese Firma und ihre zwanzig Mechaniker und gründete die Allison Speedway Team Company. Mit dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg legte Allison das Renngeschäft zur Seite und übernahm Kriegsaufgaben, unter anderem auch die Mitarbeit bei Tei- leproduktion und Bau eines Flugzeug- triebwerks. Es war das Liberty Triebwerk, das ursprünglich von Nordyke & Marmon entwickelt worden war. Nach Ende des Ersten Weltkriegs blieb Allison und sein Chefentwickler Gilman in diesem Geschäft und man gewann weitere Aufträge des Army Air Corps. Unter ande- rem entwickelte und baute man Super- charger für Pratt & Whitneys R1340 Sternmotoren. 1924 baute Allison sein erstes eigenes Triebwerk für das Army Air Corps, ein 24- Zylinder in X-Form mit über 1.200 PS. Auch ein 6-Zylinder Zweitaktdiesel wurde für die Navy entwickelt. Beide Treibwerke kamen nie zum Einsatz. Nach Allisons Tod 1928 wurde die Firma zunächst an die Fisher Brothers Invest- ment Corporation in Detroit verkauft, um direkt drei Monate später von General Motors übernommen zu werden. GM plante zu dieser Zeit eine Rückbesinnung auf ihr Engagement in der kommerziellen Luftfahrt. Gilman, Allisons Chefentwickler wurde Präsident der Allison Company. GM entschied 1928/29, dass man bei Allison ein 1.000 PS Triebwerk bauen sol- le, sozusagen als Verbesserung des Liber- ty-Triebwerks. Norman Gilman und sein Team begannen mit der Entwicklung und bereits im Mai standen die Designparameter fest: ein 12 Zylinder V-Motor, wassergekühlt mit 28 Liter Hubraum (1.710 cub inch) sollte es sein. Die Bezeichnung war Allison V-1710. Das Triebwerk wurde zuerst (1930) vom Army Air Corps überhaupt nicht ange- nommen und Allison konnte es nur an die Navy verkaufen. Erst 1937 begann man mit Flugtests. Die Situation änderte sich schlagartig, als eine Curtiss XP-40 1939 den internen Jägerwettbewerb des Militärs gewann.

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1 e-Journ Nr. Tt-09

Kleine Geschichte der All-ison Model 250 Turbine

Die Allison Model 250 Gasturbine gehört zu den wenigen kleinen Turbinentrieb-werken, die sich auch in der Allgemeinen Luftfahrt etabliert haben. Sie wurde und wird noch als Turboshaft in großen Stück-zahlen als Hubschraubertriebwerk einge-setzt, z. B. zum Antrieb der Bell Ranger Modelle, und sie treibt auch einige Flä-chenflugzeuge an wie z. B. die Bonanza A36 von Tradewind oder die Cessna P210 Silver Eagle. Die wenigsten Piloten kennen ihre Geschichte. Mit diesem Beitrag wollen wir Abhilfe schaffen. Beginnen wir zunächst mit ein wenig Fir-mengeschichte. Der Ursprung der Allison Engine Company geht zurück auf die Lei-denschaft einiger Geschäftsleute für Auto-rennen, darunter befand sich auch Jim Allison, der anfänglich als Verwalter der Indianapolis Autorennstrecke fungierte. An der Rennstrecke wurde für den Umbau von Rennautos die Indianapolis Speedway Team Company gegründet, man schrieb das Jahr 1915. Jim Allison übernahm 1917 diese Firma und ihre zwanzig Mechaniker und gründete die Allison Speedway Team Company. Mit dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg legte Allison das Renngeschäft zur Seite und übernahm Kriegsaufgaben, unter anderem auch die Mitarbeit bei Tei-leproduktion und Bau eines Flugzeug-triebwerks. Es war das Liberty Triebwerk, das ursprünglich von Nordyke & Marmon entwickelt worden war.

Nach Ende des Ersten Weltkriegs blieb Allison und sein Chefentwickler Gilman in diesem Geschäft und man gewann weitere Aufträge des Army Air Corps. Unter ande-rem entwickelte und baute man Super-charger für Pratt & Whitneys R1340 Sternmotoren. 1924 baute Allison sein erstes eigenes Triebwerk für das Army Air Corps, ein 24-Zylinder in X-Form mit über 1.200 PS. Auch ein 6-Zylinder Zweitaktdiesel wurde für die Navy entwickelt. Beide Treibwerke kamen nie zum Einsatz. Nach Allisons Tod 1928 wurde die Firma zunächst an die Fisher Brothers Invest-ment Corporation in Detroit verkauft, um direkt drei Monate später von General Motors übernommen zu werden. GM plante zu dieser Zeit eine Rückbesinnung auf ihr Engagement in der kommerziellen Luftfahrt. Gilman, Allisons Chefentwickler wurde Präsident der Allison Company. GM entschied 1928/29, dass man bei Allison ein 1.000 PS Triebwerk bauen sol-le, sozusagen als Verbesserung des Liber-ty-Triebwerks. Norman Gilman und sein Team begannen mit der Entwicklung und bereits im Mai standen die Designparameter fest: ein 12 Zylinder V-Motor, wassergekühlt mit 28 Liter Hubraum (1.710 cub inch) sollte es sein. Die Bezeichnung war Allison V-1710. Das Triebwerk wurde zuerst (1930) vom Army Air Corps überhaupt nicht ange-nommen und Allison konnte es nur an die Navy verkaufen. Erst 1937 begann man mit Flugtests. Die Situation änderte sich schlagartig, als eine Curtiss XP-40 1939 den internen Jägerwettbewerb des Militärs gewann.

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Daraufhin entstand mit dem Bau neuer Produktionshallen zum ersten Mal in All-isons Firmengeschichte ausreichende Produktionskapazität. Durch den Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg wurde das V-1710 Triebwerk in riesigen Stück-zahlen gebaut und in Flugzeugen wie Lockheed P-38, Bell P-39 und P-63, und Curtiss-Wright P40 eingesetzt. 1947, am Ende der Produktionszeit, waren insge-samt ca. 75.000 Triebwerke dieses Typs produziert worden. Ab etwa 1944 war Allison zusätzlich an ersten Turbinenprojekten beteiligt. Die Air Force brauchte zu dieser Zeit mehr Trieb-werke des General Electric J33 (I-40) Tur-bojets für den Lockheed P-80 Shooting Star Jet und Allison musste kurzerhand als Produzent dieses Triebwerks einspringen. Bereits im Feb. 1945 lieferte Allison den ersten I-40 Turbojet an die Air Force. Im Rahmen dieser neuen Rolle vollzog sich bei Allison langsam aber stetig der Wandel vom Flugkolbenmotorenbauer zum Produzenten von Gasturbinentrieb-werken. In 1945 bekam man den Auftrag zu Rede-sign und Produktion des J35 Turbojets, von dem am Ende fast 15.000 Stück pro-duziert wurden. Ebenfalls in 1945 begann man mit der eigenen Entwicklung des ersten Turbo-prop-Triebwerks, dem T38 (2.925 PS). Von der Navy kam der Auftrag für ein weiteres Triebwerk (T40), bei dem zwei T38 zusammen einen Propeller antreiben sollten. Vom T38 wurde nur 240 Stück gebaut und die Entwicklung des T40 wur-de aufgrund zu großer technischer Hürden eingestellt. Die gemachten Erfahrungen

führten aber zur Konstruktion des T56 Turboprop-Triebwerks mit Axialverdichter und 3.460 PS Startleitung, das sich als sehr erfolgreich erweisen sollte. Es wurde später als Antrieb der viermotorigen Lock-heed C-130 Hercules ausgewählt und seine Produktion begann 1955. 1990, nach 35 Jahren Produktionszeit, waren fast 15.000 Stück dieses Triebwerks pro-duziert worden und die Leistung hatte man im Laufe der Zeit auf 5.250 PS (1987) gesteigert.

Abbildung 1: Allison V1710-81 Flugkolbentrieb-werk in einer Curtiss-Wright P40N ‚Warhawk’,

(Foto: KLSP)

Abbildung 2: Allison V1710-81 12-Zyl.-V-Motor,

28 Liter Hubraum, 1.360 PS Startleistung (Foto: Public Domain)

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Am Ende der Fünfziger Jahre hatte sich Allison neben GE und Pratt & Whitney als einer der großen Gasturbinenhersteller in den USA etabliert.

Der Kontrakt der US Army Man muss sich nun in Erinnerung bringen, dass man Mitte der Fünfziger Jahre nahezu euphorisch auch an der Ablösung des Kolbenmotors als Autoantrieb arbeitete. Viele der Autohersteller (Chrysler, GM, Fiat, Rover) waren enthusiastisch dabei, irgendwelche Prototypen zu bauen. Auch die US Army war 1956 in einer Studie zu dem Schluss gekommen, man brauche ein kleines und leichtes Turbinentriebwerk. Trotzdem führte die Äußerung eines Ex-perten in einem NACA Arbeitskreis „die Army brauche keine Tausende-von-PS-Giganten sondern ein 250 PS Triebwerk“ angeblich zu einem riesigen Gelächter (lol).

Tatsächlich schrieb die Army die Entwick-lung eines solchen Triebwerks zum Wett-bewerb aus und Studien wurden an Lyco-ming, Garrett, Teledyne CAE u.a. verge-ben. Es sollte ein superleichtes Triebwerk sein, das mindestens 30 Minuten lang 250 PS bei MSL-Bedingungen abgeben können und mit freilaufender Powerturbine ausge-stattet sein sollte. Es musste gleicherma-ßen taugen für den Antrieb von Hub-schraubern als auch von Flugzeugen. Auch Allison war involviert. Russ Hall war der Chefdesigner für die Konzeption von Allisons Prototyp. Als Ergebnis dieser Arbeit stellte Allison der US Army das Model 250 am 10. März 1958 zum ersten Mal formal vor. Man schlug die Entwick-lung von zwei Versionen vor: Das 250-B1 sollte die Turbopropversion werden und das 250-C1 war als Turboshaftversion geplant. Beide Triebwerke waren im Kern identisch: Siebenstufiger Axialverdichter mit nachfolgendem, einstufigem Radial-

Abbildung 3: Ein Teil des Allison Model 250 Teams vor dem ersten Testlauf 1959

(von links nach rechts) Wylie Johnson, Dick Galune, John Wheatley, Bill Castle, Bob Wente. (Foto: Allison Gas Turbine Division bei General Motors)

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verdichter, Einzelbrennkammer, einstufige Turbine zum Antrieb des Verdichters und eine zweistufige, freilaufende Nutzturbine. Der Verbrauch war mit 318 g/PSh pro-gnostiziert. Im Juni 1958 gewann Allison den Auftrag der Army zur Entwicklung des T63-Triebwerks (militärische Bezeichnung). Die Gewichtsvorgabe war 50 kg für die Turbo-propversion und 43 kg für die Turboshaft-version. Als TBO war 1000 h das Ziel. Der Stückpreis wurde auf 4.000 US$ ge-schätzt. Bill Castle wurde bei Allison zum Projekt-leiter bestimmt. Er war entwicklungsseitig für den mechanischen Teil des Verdichters zuständig, Beuford Hall entwickelte den mechanischen Teil der Turbine, Bob Larkin das Getriebe. Joe Barney konstruierte die Brennkammer. Die aerodynamischen Ent-wurfsdaten für Verdichter und Turbine lieferte Russ Hall, von dem auch das Ge-

samtkonzept stammte. Bob Wente war für die Qualitätskontrolle zuständig. Man begann sofort mit der Entwicklung. Einige der getroffenen Designentschei-dungen sind durchaus bemerkenswert. Das Getriebe bildet eigentlich den zentra-len Part des Triebwerks, wobei die Leis-tung über einen Satz Zahnräder von der Nutzturbinenwelle nach „oben“ gebracht wird. Die Hauptabtriebswelle ist von bei-den Seiten aus zugänglich, wobei man für die Turbopropvariante die Drehzahl an der Stirnseite mit einem zusätzlichen Plane-tengetriebe reduziert. An der Vorderseite des Getriebes ist der Verdichter an seiner unteren Seite befestigt. Da die Luft so ein gutes Stück unter der Propellerwelle ange-saugt wird, hatte man damit ein gutes aerodynamisches Design gefunden. Alter-nativ hätte man die Propellerwelle koaxial durch den Verdichter führen müssen, was bei dieser Triebwerkgröße nicht möglich gewesen wäre. Außerdem war auch die

Abbildung 4: Schnittzeichnung des ersten Entwurfs (Grafik: Allison)

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Turboshaftversion zu berücksichtigen, bei der eine vordere Abtriebswelle durch den Verdichter nicht in Frage kam. Die getroffene Designentscheidung für Getriebe und Verdichter führte zwangs-läufig dazu, Brennkammer und Turbine auf die andere Seite des Getriebes zu positionieren. Um die Verdichterantriebs-welle und die Abtriebswelle möglichst kurz zu halten, wurde die Turbine zum Getriebe hin positioniert und die Brenn-kammer zum hinteren Ende des Trieb-werks. Die komprimierten Gase wurden durch zwei dicke Rohre geleitet, die links und rechts an Getriebe und Turbine vorbei zur Brennkammer führen (siehe Abb. 4). Die Ausführung der Brennkammer als Einzelbrennkammer war einfach und spar-te Gewicht. Alles in allem war das Design eine konsequente Umsetzung der gestell-ten Aufgabe. Das SFC von 318 g/PSh (0.7 lb/shp) for-derte beim Verdichter ein Druckverhältnis von mindestens 6,2, was sich bei den damals zur Verfügung stehenden Mög-lichkeiten nicht mit einer einzelnen Ra-dialstufe realisieren ließ. Daher wählte man eine Kombination aus sieben Axial-stufen und einer Radialstufe. Wie immer bei vergleichbaren Triebwerk-entwicklungen flossen bei den einzelnen Details noch eine ganze Handvoll Ände-rungen ein, z. B. bei der Lagerung der Wellen auf der Turbinenseite, beim Design der Turbinenblätter usw. Am 26. März 1959 lief der erste Prototyp, es war die Turboshaftversion Model 250 C1. Erste Probleme traten mit zu hoher Turbi-neneintrittstemperatur auf, was zur Zer-störung der ersten Turbinenstufe führte. Außerdem war diese erste Stufe bei ihrer

Effizienz 14 % unterhalb des Designziels und konnte nicht genügend Leistung für den Verdichter aufbringen. Da auch ande-re Komponenten wie der gesamte Luft-massenstrom unterhalb der Zielvorgaben lagen, entschied man sich Mitte 1959 gegen weitere Tuningmaßnahmen an Ein-zelkomponenten und für ein komplettes Redesign des Triebwerks. Gleichzeitig löste John Wetzler den bishe-rigen Projektleiter Bill Castle ab. Beim Redesign wurde der Verdichter im Durch-messer vergrößert und man reduzierte die Anzahl der Axialstufen auf sechs, was auch die Leistung der Radialstufe verbes-serte. Auch die Turbinenseite wurde kom-plett überarbeitet sowohl aerodynamisch wie auch mechanisch. Die Gasgenerator-turbine erhielt eine zweite Stufe. Das Ge-triebe wurde an die etwas geringere Dreh-zahl der Nutzturbine angepasst. Die überarbeiteten Versionen liefen als C1 und B1 (Turboprop) im Februar und März 1960. Im April wurde inoffiziell ein 50 Stunden Test erfolgreich abgeschlossen. Wie nicht anders zu erwarten, traten na-türlich weitere Probleme auf und es dau-erte noch ein weiteres Jahr, bis die meis-ten der Kinderkrankheiten beseitigt schie-nen. Im März 1961 war ein vorläufiger Zulassungstest erfolgreich. Weil aber bei einem Entwicklungsmuster ein weiterer Schaden in der dritten Turbinenstufe auf-trat, wurde der Anlauf der Produktion weiter verzögert. Die beiden Nutzturbinen wurden ummantelt. Der vorläufige offi-zielle Zulassungstest im Juli 1961 war erfolgreich, aber Allison zögerte die end-gültige Zulassung wohl aus gutem Grund weiter hinaus. Im September 1961 kam es zu einer weiteren Zerstörung der ersten

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Turbinenstufe, woraufhin die Army im November 1961 das Projekt grundsätzlich in Frage stellte und bei anderen Herstel-lern nach Alternativen suchte. Die Army hatte Bedenken, ob Allison überhaupt in der Lage sein würde, das Triebwerk recht-zeitig für ihr im Jahr 1960 ins Leben geru-fene Light Observation Helikopter (LOH) Programm liefern zu können. Im Wettbe-werb gegen Boeing gewann CAE und be-gann 1961 mit der Entwicklung des T65 als Ersatz für Allisons T63, wie es militä-risch hieß. Der zusätzliche Wettbewerb sorgte bei Allison für 24-Stunden Arbeitstage und im Oktober und November 1961 waren dann die Probleme wirklich gelöst und die Mo-del 250 Turboshaft und Turboprop Ver-sionen bestanden beide im November und Dezember 1961 ihre militärischen Zulas-sungstests (PFRT) als Flugtriebwerke.

Die Army blieb bei Allison als Triebwerk-lieferant des LOH-Programms. Bei den folgenden ersten Helikoptertestflügen hatte man etliche Probleme mit der An-passung der Steuereinheit an die beson-deren Torsionsbedingungen bei Helikop-terantrieben. Im Rahmen der notwendigen Anpassungen wurde u.a. die Hubschrau-berversion umgekehrt eingebaut, sodass der Turbinenauslass nach oben zeigte. Im Dezember 1962 erhielt die Militärversion T63-A-5 die militärische Zulassung und ihr kommerzielles Pendant das Model 250-C10 Turboshaft die Zulassung der FAA. Das T63-A-5 leistete wie vorgegeben 252,5 Wellen-PS.

Erfolge als Helikopterantrieb Allison lieferte die ersten Produktions-triebwerke an die Wettbewerber des LOH-Programms aus. Dabei traten drei Herstel-

Abbildung 5: Hughes OH-6A , kommerziell als Hughes 500 bekannt (Foto: US Army)

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ler bzw. Hubschrauber gegeneinander an: Bell OH-4, Hiller OH-5 und Hughes OH-6. Die Vergleichstests zogen sich über fast drei Jahre hinweg und erst im Mai 1965 wählte die Army den Hughes OH-6A Cayuse als ihren Sieger aus, da dieser um 32 % günstiger war als der nächste Kandidat in der Liste. Hughes erhielt folglich einen Produktionsauftrag der Army und die Lieferungen begannen 1966. Im Jahr 1967 entschied man bei der Armee den Wettbewerb erneut aus-zuschreiben, da man mit Hughes’ Er-satzteilpreisen und Liefergepflogenheiten alles Andere als zufrieden war. Am 8. Mai 1968 gewann der Bell OH-58A Kiowa das zweite Rennen. Beide Hubschrauber, der Hughes Cayuse und der Bell Kiowa, wur-den intensiv im Vietnamkrieg eingesetzt. Auf der kommerziellen Seite entwickelte Bell daraus das Model 206A JetRanger, der im Oktober 1966 von der FAA zugelassen wurde. Ähnlich entstanden aus dem Hughes OH-6 kommerziell der Hughes 500 und aus dem Hiller OH-5 wurde der Fairchild-Hiller FH-1100. Bell JetRanger und Hughes 500 wurden auch kommer-ziell zu einem großen Erfolg, was sich vom Fairchild-Hiller FH-1100 nicht sagen lässt. All diese Hubschraubermodelle wurden nun von einer Allison Model 250 Turbine angetrieben, was bei Allison die Absatz-zahlen schnell steigen ließ. Hierzu kamen später weitere Hubschraubermodelle eu-ropäischer Hersteller wie MBB BO105, Nurtanio NBO105 und der Aerospatiale Ecureuil 2/Twinstar mit zwei Triebwerken. Mitte der Siebziger Jahre hatte Allison den größten Teil des Leichthubschraubermark-tes für sich gewonnen, der Marktanteil

betrug 1980 etwa 80 % des Marktes für kleine und leichte Hubschrauber.

Einsatz als Flugzeugtriebwerk Obwohl das Allison Model 250 von Anfang an auch als Turboprop-Triebwerk konzi-piert war, ließen die Anwendungen in Flugzeugen auf sich warten. Die erste kommerziell nutzbare Turbopropversion B15 wurde erst im März 1969 von der FAA zugelassen. Mit dieser Version testete man die Verwendung in den Helio Flug-zeugen H634T Twin Stallion und H370 Courier, mit wenig Erfolg. Airmotive Cali-fornia bot erste Konversionen von Beech Bonanza, Beech Baron und Cessna 402 an. Siai Marchetti baute für das italienische Militär eine Variante der Cessna L19 Bird-dog auf Basis des Model 250 B15A, später des Model 250 B15G. Alle diese Flugzeuge mit den Turboprop-Triebwerken der Serie I (317 PS) wurden wenig nachgefragt und so wurden insgesamt bis 1974 nur 95 Triebwerke der Turbopropversion ausge-liefert.

Abbildung 6: Bell OH-58D Kiowa (Foto: US Army)

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Abbildung 7: Flugzeuge mit Allison Model 250 Turboprop-Triebwerken

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Nachdem ab 1971 die stärkeren B17 Mo-delle mit 420 PS und später die F-Varianten mit 450 PS verfügbar wurden, sahen weitere Hersteller Anwendungs-möglichkeiten für Allisons Gasturbine. Es entstanden neben den Konversionen für Bonanza A36, Cessna 206 und P210 eine Reihe von Trainingsflugzeugen wie die Siai Marchetti SF.260 TP, die von Fuji in Japan entwickelte KM-2Kai, T-5, T-7 und In-diens HAL HTT-34, die von Hindustan Aeronautics Ltd. gebaut wurde. Aus neuerer Zeit ist bei den Trainern Grobs 140TP zu ergänzen. Zusätzlich zum Markt der militärischen Trainingsflugzeuge kam Allisons Turbo-prop bei einer Reihe von leichten Twins für den Passagiertransport zum Einsatz. Britten-Norman aus England verwendet das Triebwerk bis heute im Turbine Is-

lander und im Turbine Defender. Die von der Commonwealth Aircraft Corp. gebau-te N-22B, ein Passagierflugzeug für bis zu 16 Passagieren und auch Siai Marchet-tis SF.600 TP Canguro (9 Sitzplätze) nutzten den Allison-Antrieb. Bei den aktuellen Entwicklungen ist die Extra 500 und möglicherweise zukünftig auch Mooneys M20 Acclaim auf der Basis des überarbeiteten RR500TP zu nennen. Bei den Absatzzahlen liegen die B-Varianten mit nur 1.291 Stück weit hinter den 27.755 verkauften C-Varianten zu-rück (Quelle Rolls-Royce, Model 250 facts, Zahlen bis 31.Dez. 2005).

Model 250 Typenhistorie Serie I: Alles begann mit der Turboshaft Version T63-A5, die nur 252,5 PS leiste-te. Sie wog nur ca. 63 kg und erfüllte mit 320 g/PSh auch die Verbrauchsvorgabe.

Sie trieb alle drei Hubschrauber des LOH-Programms an. Bereits die erste Produk-tionsversion, die T63-A5A und seine kommerzielle Version Model 250 C-18 (Zulassung 1965) hatte 317 PS maximale Leistung und einen besseren SFC von ca. 300 g/PSh. Mit den Versionen C18A und C18B machte man geringfügige Verbesse-rungen und Anpassungen an die jeweili-gen Hubschraubertypen. Das Triebwerk hatte anfänglich noch einige “Macken” wie z. B. ein Resonanzproblem im Verdichter, die man allesamt im Rahmen des “blue ribbon”-Qualitätsprogramms beseitigen konnte. Durch den Einsatz in Vietnam machte Allison große Erfahrungen mit einem weiteren Problem, dem Verschleiß des Triebwerks durch beim Hovering an-gesaugten Sand, anfangs wurden die Triebwerke alle 100 bis 300 Stunden ge-

Abbildung 8: Grob 140 TP (Schweiz)

Abbildung 9: Extra 500 (Deutschland)

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tauscht. Auch dieses Problem konnte man später durch einen Trägheitsabscheider zufriedenstellend lösen. Nach Auslieferung einiger tausend Trieb-werke und der kontinuierlichen Modell-pflege hatte man bis Ende der Sechziger Jahre ein sehr stabiles Triebwerk geschaf-fen. Serie II: Das Militär und die zivilen Nutzer forderten mehr Leistung. Man entwickelte daraufhin aus dem C18 ein leistungsstär-keres Triebwerk, das C20, welches im Mai 1970 zugelassen wurde. Die Leistungs-steigerung erzielte man durch Vergröße-rung des Kompressordurchmessers und Steigerung des Luftdurchsatzes um 13 %. Turbinenseitig konnte man auch die Tur-bineneinlasstemperatur (TIT) durch besse-re Materialien heraufsetzen. Alles in Allem leistete das Triebwerk als C20 anfänglich 400 PS, dann als C20B/F/J 420 PS und als

C20R dann 450 PS. Die Steigerung von 420 auf 450 PS erzielte man dabei durch Erhöhung der Druckzahl von 7,2 auf 7,9, wobei zwei der sechs Axialstufen wegfie-len. Das SFC sank dabei auf 277 g/PSh. Zwischen 1971 und 1995 wurden insge-samt 16.240 Serie II Turboshaft-Triebwerke ausgeliefert. Darunter befin-den sind übrigens auch ca. 750 Triebwer-ke, die in Friedrichshafen bei MTU für den MBB BO105 Hubschrauber in Lizenz ge-baut wurden. Im April 1971 wurden auch die Turbo-propvarianten B17B/C/D/E (Basis C20) mit 420 PS und danach das B17F1/F2 mit 450 PS (Basis C20R) zugelassen. Interessant ist übrigens der Versuch von Allison aus den Jahren 1984-85, eine kos-tengünstigere Version des Model 250 auf den Markt zu bringen. Man brachte das Model 225 heraus, basierend auf dem C20B. Hierbei wurden Teile von asiati-

Abbildung 10: Allison Model 250 C20B aus MTU-Fertigung (Foto: Public Domain)

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schen Partnern in China, Südkorea und Indien gefertigt, die dann nach Indianapo-lis geliefert wurden. Allison baute das Triebwerk dann selbst zusammen. Der Preis reduzierte sich dabei vom damaligen Preis von 85 t$ auf 55-60 t$. Das ‘low-cost’ Triebwerk wurde im März 1987 zer-tifiziert. Das Programm wurde aber ge-stoppt, die gewonnenen Partner China Aero Technology, Samsung United Aero-space und HAL in Indien fungierten da-nach weiterhin als Teilelieferanten. Hierbei lässt sich heute auch die Frage stellen, inwieweit man mit dem RR500TP die Stra-tegie von damals erneut aufkochen will. Serie III: 1972-73 wurde bei Allison das C28 Triebwerk auf der Basis des C20 ent-wickelt mit einer Maximalleistung von 500 PS. Hierzu unterzog man den Kompressor einer kompletten Neuentwicklung. Der neue Verdichter, entwickelt durch Pete Tramm, bestand nur noch aus einem ein-stufigen Radialverdichter, der ein höheres Druckverhältnis erreichte (8,4) und dabei mehr Luft (2,02 kg/sec) befördern konnte. Der neue Verdichter verwendete auch einen patentierten ‘slotted inducer’, der als intelligentes Überdruckventil fungierte, wenn die Turbine bei niedriger Drehzahl die zugeführte Luft des Verdichters nicht abnehmen konnte, und das bei hoher Drehzahl zusätzlich Luft lieferte. Die Tur-bine wurde ebenfalls aerodynamisch an-gepasst. Das C28 Triebwerk wurde ab 1976 ausgeliefert und insbesondere in Bells LongRanger, der Langversion des JetRangers, und auch im MBB BO105LS eingesetzt. Vom C28B/C wurden bis 1995 869 Stück ausgeliefert.

Serie IV: Die Forderung nach mehr Leis-tung ist für Entwicklungsabteilungen eine Dauerforderung. Bei Allisons Model 250 führte sie zur weiteren Entwicklung des C30 mit 650 PS, das im März 1978 zuge-lassen wurde. Zur Leistungssteigerung wurde der Verdichter vergrößert, der nun 2,54 kg/sec bei gleicher Druckzahl liefern konnte. Das C30 verwendete zum ersten Mal eine elektronische Kontrolleinheit. Das C30-Triebwerk war gegenüber der ersten Version um den Faktor 2,6 stärker, hatte gewichtsseitig von 63 kg auf 109 kg zugenommen, wobei die Größe nahezu gleich geblieben war. Es war nun 1,25 cm länger, 7,4 cm breiter und 6,6 cm höher. Das Leistungsgewicht konnte von 0,25 kg/PS auf 0,17 kg/PS gesteigert werden. Das Triebwerk wurde in einer ganzen Rei-he von Hubschraubern verbaut, u.a. bei Bell 206 LongRanger, Aerospatiale AD350G, Sikorsky S-76 und Bell OH-58D-Kiowa. Ebenfalls zur Serie IV, allerdings mit dem Zusatz FADEC, entstanden bereits unter der Regie von Rolls-Royce die beiden Va-rianten C40 und C47, die zum Antrieb von Bell 430 und Bell 407 dienen. Bei diesen Varianten wurde die Druckzahl auf 9,2 gesteigert. Das C40B erreicht hiermit eine Leistung von 715 PS bei einem SFC von 258 g/PSh. Durch FADEC sind viele Pro-zesse wie z.B. automatic starting automa-tisiert oder werden wie z.B. bei der elek-tronischen Overspeedkontrolle und der Begrenzung von Torque und Temperatur durch Computer überwacht. Letzte Entwicklungen betreffen die Ent-wicklung der low-cost Variante RR300, die den Robinson R66 Leichthubschrauber

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antreibt und eine weitere, ge-plante low-cost Variante RR500TP. Weitere Details sind in der Tabelle am Ende des Bei-trags zusammengefasst.

Verbrauch und Kosten Zu ergänzen sind noch ein paar Sätze zu Verbrauch und Kosten. Der Verbrauch des Turboprop-Triebwerks B17F2 lässt sich über seinen SFC von 277 g/PSh einfach ausrechnen. Die folgen-de Tabelle gibt Auskunft:

PS kg/h Liter/h Gal/h450 124,7 155,8 41,2380 105,3 131,6 34,8320 88,6 110,8 29,3250 69,3 86,6 22,9

Bei der Startleistung von 450 PS fließen etwa 41 Gallonen durch das Triebwerk, bei der maximalen Dauerleistung von 380 PS (max. Cruise) sind es ca. 35, bei 320 PS (normal Cruise) etwa 29 und bei 250 PS im Economy Cruise etwa 23 Gallonen pro Stunde. Der spez. Verbrauch liegt um etwa 39 % höher als bei einem Otto-Kolbenflugmotor (277/200 = 1,385). Bei Flugzeugen wie beispielweise Bonanza A36 oder Extra 500 reicht dies für eine Topspeed von etwa 220 KTAS (Extra) bzw. 200 KTAS (Bonan-za) und einer normalen Cruise Speed von etwa 200 KTAS (Extra) bzw. 180 KTAS (Bonanza), sofern man nicht über FL180 ganz hoch hinaus will, wo dann der Turbi-ne, wie jedem nicht aufgeladenen Trieb-werk auch, mit dem Faktor p1/p0 die Luft und damit die Leistung ausgeht. Will man mit der Allison 250 Turbine so hoch flie-

gen, geht es wie immer nur noch ein we-nig langsamer, denn wegen der geringe-ren Leistung braucht man mehr Pitch um den nötigen Auftrieb für das Gewicht zu erzeugen und mehr Pitch heißt mehr Wi-derstand, das wusste schon Otto Lilien-thal. Ab einem bestimmten Punkt hilft dann die Abnahme der Luftdichte auch nicht mehr zu noch mehr Speed, der er-höhte Widerstand gewinnt die Oberhand. Bei der Allison 250 ist dieser Punkt bereits bei etwa FL180 erreicht, was oft so ausge-drückt wird, der Allison Turbine fehle die Höhenleistung. Richtig ist, dass jedem Triebwerk ab einer bestimmten Höhe die Leistung fehlt, um bei gleichem Pitch wei-terfliegen zu können. Allerdings ist der Abfall so drastisch nicht, man wird in FL250 noch mit bis zu 200 KTAS unterwegs sein, bei einem Verbrauch von 21-22 Gallonen die Stunde. Rechnet man mit einem gegenüber Avgas um 15 % günstigeren Jet A-1 Preis und berücksichtigt einen Geschwindigkeitszu-wachs von 15 % bei gleichem Motorge-wicht, so sieht eine überschlägige Kosten-rechnung wie folgt aus.

Abbildung 11: Leistung als Funktion der Altitude (Quelle: Rolls-Royce C20B Datenblatt, 420 PS)

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Mit 1

**PrPr −

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gilt bei Einsetzen der Prozentzahlen:

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− Pr*028,1)15,1(*39,1*85,0Pr 1

(T=Turboprop, K=Otto-Kolbenflugmotor) Unter den gemachten Voraussetzungen ist folglich der Turbopropantrieb bezogen auf die Kosten pro NM nur 2,8 % teurer als der Otto-Flugmotor. Ganz anders sieht es allerdings bei den Investitionskosten aus. Hier ist auch die Allison-Turbine nicht dafür bekannt, be-sonders günstig zu sein. Ein fabrikneues B17F2 Triebwerk dürfte heute bei etwa 340.000 US$ liegen und die nach einer TBO von 3.500h fällige Überholung kostet ca. 140.000 US$. Nach der Hälfte der Zeit, also nach 1.750 Betriebsstunden ist eine Hot Section Inspection fällig. Kosten: ca. 40.000 US$. Eine Konversion schlägt mit etwa 550.000 US$ zu Buche. Rechnet man einen Zehnjahreszyklus mit 500 h pro Jahr, sind ohne die Anschaffungsinvesti-tion etwa 257 t$/5.000h = 51 $/h fixe Triebwerkkosten zu kalkulieren. Es sind nicht zuletzt die hohen Preise, die der kleinen Allison Gasturbine den Durch-bruch versagen. Gespannt darf man auf den Preis des RR500TP sein, wenn es denn mal zugelassen sein wird. Rechnet man entsprechend des angedachten Preises von 1985 darf man einen Preisunterschied zum Model 250 von mindestens 35 % er-warten. Immerhin. Wenn dies auch auf die laufenden Betriebskosten angewandt wür-de, hätte das RR500TP vielleicht eine rea-listische Chance auf höhere Absatzzahlen.

Fazit Wir haben gesehen, dass Allisons Model 250 Turbine auf eine fünfzigjährige Ge-schichte zurückblicken kann. Sein Erfolg erklärt sich ähnlich wie bei PT6 und Beech KingAir 90 aus der richtigen Kombination zur richtigen Zeit. Beim Allison Model 250 heißt diese Kombination Allison 250 plus Bell 206 und Hughes 500. Ohne den Erfolg dieser Leichthubschrauber sowohl im mili-tärischen wie im zivilen Sektor wäre auch der Erfolg des Triebwerks nicht denkbar gewesen. Über die Jahre hinweg wurde das Triebwerk von 250 Wellen-PS bis zu einer Leistung von 715 Wellen-PS gesteigert, das Ganze bei nahezu gleichen Abmes-sungen und nur moderater Gewichtserhö-hung. Bei der Turbopropversion ist der Entwicklungsstand bei der Serie II/B17F-Version stehen geblieben, die Serie-III- und Serie-IV-Entwicklungen wurden dort leider bis heute nicht vollzogen.. Bei der Flugunfallstatistik wird dem Trieb-werk eine ähnliche Zuverlässigkeit wie der PT6 unterstellt. Man darf annehmen, dass dies so ist, auch wenn es offizielle Zahlen nicht gibt bzw. dem Autor nicht bekannt sind. Insgesamt dürften bis dato etwa 30.000 Turboshaft-Triebwerke und ca. 1.500 Turboprop-Triebwerke ausgeliefert worden sein. Nach der Übernahme von Allison durch Rolls-Royce in 1995 hat man sich zu-nächst um die Entwicklung der C40 und C47 FADEC-Versionen für neuere Bell Hubschrauber gekümmert. Erst in jüngster Zeit wurde man bei der Entwicklung des low-cost Triebwerks RR300 wieder in Richtung neuer Produktideen aktiv und plant bekanntlich auch Entwicklung und

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Zulassung des low-cost Turboprop RR500TP. Es kann gar kein Zweifel darüber be-stehen, dass das RR300 im Robinson R66 ein weiterer Erfolg werden wird. Ob aller-dings auch die Turbopropversionen end-lich adäquate Anwendungen finden wer-den, ist vollkommen offen. Vielleicht wäre es an der Zeit, dass man bei Rolls-Royce auch das Model 250 turbopropseitig auf den Stand seiner Turboshaftabkömmlinge bringen würde. Mit 650 Turboprop-PS und FADEC wäre man dann in der Lage, in den Wettbewerb zur kleinen PT6 einzutreten. Insbesondere die Druckkabinen-Turboprop-Singles wie z. B. eine Extra 500

würden davon bei Speed und Altitude profitieren. Zusammen mit dem RR500TP könnte man für Kunden sogar einen Migrationsweg vom klei-nen zum größeren Turboprop anbie-ten. Vielleicht ist nach 50 Jahren die Zeit für kleine Turboprops als Ersatz für Otto-Flugkolbenmotoren lang-sam gekommen. Hierbei lässt sich auch eine Neuentwicklung auf CfK-Basis mit einem verbesserten All-ison-Turboprop-Triebwerk gut vor-stellen. Aber es ist wie immer, neben den Produkteigenschaften müssen auch Preis und Betriebskosten stim-men, sonst wird sich Rolls-Royce-Allisons Turbine auch weiterhin nicht im Mainstream des Flugzeugsbaus etablieren können. [email protected] Quellen: [1] Richard A. Leyes II, William A. Fleming: The History Of North American Small Gas Turbine Engines, AIAA, 1999, ISBN 1-56347-332-1

[2] Rolls-Royce: Significant Facts about the Model 250, Dez. 2005 [3] Rolls-Royce: Fact Sheet Model 250, Product Line Summary, 2002 [4] Rolls Royce: Model 250 Products, Engine descriptions, applications and specifications, 2004

Abbildung 11: FADEC der Turboshaft Versionen C40/C47 (Quelle: Rolls-Royce Datenblatt)

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Abbildung 13: Übersicht Allison/RR Model 250 Versionen und Anwendungen (Tabelle: KLSP)

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Was ist ein e-Journ? Ein e-Journ ist ähnlich wie ein e-Book eine elektronische Publikation, nur dass essich dabei wegen der geringeren Größe (minimal 2, maximal 30 Seiten) nicht umvollständige Bücher handelt, sondern um einzelne Bausteine ähnlich einem Kapitel ineinem Buch oder einem journalistischen Beitrag in einer Zeitschrift. K.L.S. Publishing e-Journs sind allesamt als Fachartikel für Luftfahrtmagazine oderals abgeschlossene Kapitel für Luftfahrtbücher entstanden. K.L.S. Publishing bietet e-Journs als Einzelwerke zum Kauf an. So hat jeder Leser dieMöglichkeit, einzelne Bausteine oder einzelne Artikel jeweils frei nach Interesseselbst zusammenzustellen. Hiermit kann der Leser flexibel eine eigeneWissensbibliothek aufbauen. Die Preise der E-Journs werden auf der Basis einesgeringen Seitenpreises errechnet und sind damit kostengünstig im Vergleich zuBüchern. K.L.S. Publishing, Köln http://klspublishing.de/